25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 15: Revealed -------------------- Wenn man klein war, hatte das schon seine Vorteile. Man fiel nicht auf. Man wurde nicht gesehen, wenn man nicht gesehen werden wollte. Man konnte sich einfacher bewegen. Besonders bei grossen Menschenmengen. Man konnte sich durchschlängeln. Man wurde nicht als Gefahr angesehen. Man tendiert dazu, sogar das Gesicht schnell wieder zu vergessen. Wenn man klein war, hatte das seine Vorteile. Das dachte Ruki immer wieder, wenn er durch die Masse schlich und von den Menschen weniger wahrgenommen wurde, als der warme Wind, der die rosafarbenen Blüten von den Bäumen wehte. Ja, Ruki war gerne klein. Geschmeidig duckte er sich unter Armen weg, drehte sich zwischen Verkäufern hindurch. Manchmal fühlte er sich wie bei einem Tanz. Seine Füsse setzten sich auf ordentliche Stellen, frei von vom Fest heruntergefallene, frittierte Tintenfischreste. Seine Beine beugten sich schnell, um seinen schmalen Oberkörper aus Schusslinien zu bringen, damit er möglichst wenige Personen berührte. Seine Arme blieben nah am Körper, seine Augen fanden jede Lücke, sahen jede Bewegung voraus und liessen sich keine Schwachstelle entgehen. Seine Finger schlüpften flink in jede halboffene Tasche und klaubten unbemerkt Brieftaschen, Geldscheine, Handys und Zigaretten heraus. Grinsend drückte er sich hinter einen Sushistand und überprüfte, was er alles eingesammelt hatte. Ja, nicht schlecht, aber zufrieden war er noch nicht. Er nahm das Geld aus den Brieftaschen, die Kreditkarten konnte er nicht verwenden. Er war nur ein kleiner Taschendieb. Aus den Handys nahm er die Simkarten und stellte die Telefone aus, damit sie nicht nachverfolgt werden konnten. Rasch schob er sie und die Geldscheine in einen Beutel, den er unter dem Pulli trug und zündete sich eine geklaute Zigarette an und zog genüsslich an ihr, während er die geldlosen Brieftaschen unauffällig in den nächsten Mülleimer warf. Etwas langsamer lief er über den Platz und inhalierte Rauch, während er sich die nächste Opfergruppe suchte. Überall duftete es himmlisch nach gegrilltem und fritiertem, geröstetem und gebratenem. Rukis Magen knurrte. Aber er würde erst vor dem Gehen was zu essen kaufen. Jetzt musste er die Zeit und Gelegenheit noch nutzen. Solche Volksfeste waren wahre Schatzgruben für Diebe wie ihn. Er konnte heute genug Beute für eine oder sogar zwei Wochen machen. Ruki trat den Stummel aus, warf ihn brav weg und rieb sich die Hände. Er machte einen grossen Bogen, um von hinten an die nächste Versammlung vor einem Ramenstand zu kommen. Immer schön aus dem Blickfeld, langsam anpirschen. Desinteresse bekunden und sich dann unauffälllig ducken. Ruki spürte das Adrenalin durch seine Bahnen schiessen und atmete durch. Schon hatte er die erste Geldbörse. Seine Finger waren manchmal schneller als seine Gedanken. Zufrieden schob er sie in seine hintere Gesässtasche und widmete sich der halboffenen Handtasche zu seiner Linken. Was für eine Einladung! Schminke, bah. Zigaretten, mit Menthol, widerlich, die blieben auch da. Ein pinkes iPhone. Sowas fasste Ruki aus Prinzip nicht an. Aber dann da, ein gerolltes Geldbündel. Jackpot! Ruki steckte es in seine Bauchtasche und war schon weiter. Eine Brieftasche mit Kette. Oh, bitte! Ruki brauchte 5 Sekunden, um sie abzuhängen und 2 Sekunden als Gewichtersatz einen Stein in die Tasche zu schieben. Er war vielleicht nur ein Kleinkrimineller, aber ein talentierter. Jetzt wurde es aber zu heiss hier, nächste Gruppe am anderen Ende der Essensstände. Wenn jemand den Diebstahl bemerkte, musste Ruki bereits weiter weg sein. Der Kleine schlich davon und dankte wieder einmal für seine Grösse, wem wusste er nicht, einen Gott gab es für ihn nicht. Bald war er an einem Schiesstand angelangt. Perfekt. Hier gab es immer genug Idioten, die unbedigt ihr Können beweisen wollten und vor lauter Angeben nicht auf ihre Wertsachen achteten. Schon war Ruki hinter dem Letzten der Schlange. In den Gesässtaschen war nichts, aber bestimmt in den vorderen. Ruki rutschte etwas nach links, schob den dünnen Arm vor und grinste, als er das Leder an seinen Fingern spürte. Und das Grinsen war schneller gestorben, als es gekommen war. Ein harter Griff um sein Handgelenk liess ihn bleich werden. "Was haben wir denn da?" Ruki sah rasch auf, in seinem Hirn ratterte es fieberhaft. "Ich äh...die ist Ihnen wohl runtergefallen..." Ruki hatte die Lederbörse schon auf halbem Weg zu sich gebracht und versuchte es deshalb mit dieser Erklärung, weil seine Hand in ihrere Mitte schwebte. Der Beklaute drehte sich zu ihm um, und griff dabei noch etwas fester zu. "Glaubst du, ja?" Ruki verzog das Gesicht. "Sie tun mir weh!" "Das ist auch die Absicht!" Er spürte, wie das Blut seinen Arm verliess und genauso auch sein Gesicht. Ruki war erbleicht und versuchte sein Hand rauszuwinden. Der Grössere schmunzelte. "Sie dir mal an, was du da geklaut hast." Ruki runzelte die Stirn und liess das Leder aufklappen. Reflektierte Sonnenstrahlen blitzten ihm vom Metall entgegen. Rukis Herz sank in die Hose. Eine verdammte Dienstmarke! Scheisse, er war sowas von geliefert. Der Bestohlene: Reita grinste auf den Geist vor sich. Der Gesichtsfarbe nach jedenfalls. War er vorhin nur bleich gewesen, so war er jetzt weisser als die Kirschblüten. "Weisst du, Mumm hast du ja!", meinte Reita, während er aus seiner Jacke gemächlich Handschellen hervorholte und die Erste geduldig um das blutleere Handgelenk legte. Der Kleine sah aus wie vor dem Schafott. "Einen Polizisten zu bestehlen...naja, sagen wir, versuchen zu bestehlen. Und dann greifst du dir auch noch meine Marke. Weisst du, was für ne Strafe da drauf steht?" Ein panisches Kopfschütteln. "Keine Sorge, du wirst es erfahren." Die zweite Handschelle klickte um die andere Hand, die Reita sich mit Kraft nach vorne geholt hatte. "Wollen wir doch mal sehen..." Ruki wurde vom Schiesstand zu einer Baumgruppe gezogen. "Du haust nicht ab, oder?", fragte Reita freundlich. Der Kleine antwortete nicht. "Oder?" Wie in die Ecke gedrängt nickte der Kleine, etwas Trotz findend. "Na also, brav." Reita grinste und griff an den Bauch des Kleineren. "Hmm, dritter Monat?" Er lachte und zog den Beutel hervor. "Lass mal sehen. Nicht schlecht..." Er überschlug den ungefähren Geldanteil, zählte die Handys und bemerkte die Zigaretten. "Bist du nicht viel zu jung, um zu rauchen...?", lachte er auf und steckte sich eine Zigarette an, als er ein Päckchen seiner Marke entdeckte. Als er die grossen, verdutzten Augen bemerkte, schmunzelte er. "Die Zigaretten werden weder gezählt, noch interessiert es die Polizei.", meinte er nach dem ersten Zug. Er warf sich den Beutel über die Schulter und steckte seine Dienstmarke wieder ein. "Ah, du hast mich um meinen freien Tag gebracht..." Reita steckte sich das Nikotin zwischen die Lippen und nahm die Kette der Fesseln in die Hand. "Los, komm...", mümmelte er mit der Zigarette zwischen den Lippen und zog den Dieb an den Händen hinter sich her zum Revier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)