Nicht weinen sollst du, Hanako von Niekas (Geschichten über Konoha) ================================================================================ Kapitel 14: Team 15, Teil sechs – Ich züchte bunte Schmetterlinge. ------------------------------------------------------------------ „Wann ist das Essen endlich fertig, Mama?“, fragt Mikiko und rutscht auf ihrem Platz am Küchentisch hin und her. „Gleich“, antwortet Mama zum vierten Mal. „Es geht nicht schneller, wenn du ständig fragst. Nimm dir ein Beispiel an Mamoru, der wartet brav.“ Mamoru errötet leicht, und Nene lacht. „Aber ich kann nicht warten“, sagt Mikiko entschieden. „Das können nur Mamoru und Hanako.“ „Welche Hanako?“ „Na, die aus dem Lied. Die wartet die ganzen Zeit. Auf ihren Liebsten.“ „Ach so.“ Mama lacht, während sie geschnittenes Gemüse in die Pfanne gibt. „Dann sing uns doch das Lied einmal vor, um die Zeit zu vertreiben.“ „Ich hab den Anfang vergessen“, murrt Mikiko und sieht Mamoru an. „Weißt du, wie das anfängt?“ „Das Lied von Hanako?“, fragt Mamoru. „Nein. Ich kenne nur die Strophe mit dem Sohn.“ „Mit dem Sohn?“, wiederholt Mama und sieht sich aufmunternd zu ihm um. „Die kenne ich gar nicht. Lass mal hören, Mamoru ... oh nein, die Möhren!“ Schimpfend rückt sie die Pfanne vom Herd. Mamoru runzelt die Stirn und singt sehr zaghaft vor. Ein bisschen ist er mittlerweile wieder zu Kräften gekommen, aber seine Stimme ist immer noch so brüchig. Das Söhnchen sprach zu Hanako: Hanako, weine nicht! Wenn alles auch zugrunde geht, ich brauche dich. Konoha ist blind, Konoha ist taub, Konoha hat mir den Vater geraubt. Nicht weinen sollst du, Hanako, Hanako, Konohas schönstes Kind. „Das ist eine seltsame Strophe, Mamoru“, sagt Mama langsam. „Wo hast du die her?“ Mamoru zuckt die Achseln. „Hat mein Papa mir beigebracht.“ „Sie klingt traurig“, sagt Mikiko. „Nene kann eine lustigere. Stimmt doch, Nene?“ „Welche meinst du?“ „Die mit dem Gemüse!“ „Oh, ja.“ Nene lacht auf. „Ich kann sie dir beibringen, Mamoru.“ „Aber nicht jetzt, Nene!“, sagt Mama und schüttet die Möhren aus der Pfanne in eine Schüssel. „Jetzt wird gegessen.“ „Essen!“ Mikiko streckt die Arme aus. „Ich will zuerst!“ * „Was habt ihr jetzt schon wieder angestellt?“ „Gar nichts, Ibiki-san!“ „Verarscht mich nicht!“, faucht Ibiki Izumo und Kotetsu an. „Die Unterlagen, die ihr eingereicht habt, stimmen vorne und hinten nicht! Was habt ihr gemacht? Dasselbe Blatt mit Zahlen dreißigmal kopiert?“ „Das ging jedenfalls schneller als von Hand schreiben“, murmelt Kotetsu. „Es kommt nie wieder vor, Ibiki-san!“, beteuert Izumo. „Und wenn doch, seid ihr euren Job los, verlasst euch darauf. Shintaro-sensei! Ich hoffe, Sie haben Ihre Aufzeichnungen nicht kopiert.“ Shintaro kommt näher, hält Ibiki die Mappe in seiner Hand hin und hebt die Augenbrauen. „Wer macht denn sowas?“ „Fragen Sie die beiden da“, knurrt Ibiki. „Ibiki-san weiß unsere intelligenten Arbeitsvermeidungsstrategien nicht zu schätzen“, wendet Izumo sich klagend an Shintaro. „Genau. Kein Sinn für Innovation.“ „Ich gebe euch gleich Innovation! Ihr geht zurück auf euren Posten, und zwar plötzlich. Eure Schicht dauert noch drei Stunden.“ „Können wir uns vorher noch einen Kaffee kochen?“ „Kochen nennt ihr das? Eine Kaffeemaschine in euren Händen ist eine Massenvernichtungswaffe. Das Gesöff würde ich keinem Menschen zumuten! Na, vielleicht einem Verdächtigen.“ „Wir stecken voller ungeahnter Talente.“ „Also schön, tut, was ihr nicht lassen könnt.“ „Besten Dank, Ibiki-san!“ „Schönen Tag noch!“ Die beiden gehen, und Ibiki seufzt. „Ich weiß nicht. Im Grunde bin ich mit der Arbeit der beiden zufrieden, aber ... ich habe nicht das Gefühl, dass sie so recht in diese Abteilung passen. Sie bringen zu viel ... Farbe hier herein.“ „Du solltest ein wenig lockerer werden, Ibiki“, sagt Shintaro. „Oh, das haben Sie jetzt nicht wirklich gesagt.“ „Doch.“ „Warum wollen mich heute eigentlich alle auf den Arm nehmen? Wo ist meine Autorität geblieben?“ Shintaro lacht auf. „Das musst du dich selbst fragen, nicht mich.“ Ibiki schüttelt den Kopf und nickt nach vorn. „Sehen Sie mal. Da kommen schon die nächsten Kandidaten.“ „Die nächsten, die dich auf den Arm nehmen wollen?“ „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand.“ Am Ende des Ganges sind Nene und Mamoru aufgetaucht. Sie kommen langsam näher und lachen über irgendetwas. „Wo waren die beiden?“, fragt Ibiki. „Mamoru war bei Shimokawas zum Essen eingeladen.“ „Oh, schön. Dann kann er mal sehen, wie es in einer normalen Familie zugeht. Das ist schließlich etwas, das ihm hier fehlt.“ „Warum genau lebt er immer noch im ANBU-Hauptquartier?“ „Weil mir noch keine vernünftige Alternative eingefallen ist für einen Jungen, der keine Papiere hat und offiziell gar nicht existiert.“ „Trotzdem ist es ziemlich bizarr, dass er seit einem Jahr hier herumstreunt.“ „Natürlich haben Sie völlig recht.“ Ibiki vergräbt das Gesicht in den Händen und seufzt tief. „Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, meine Abteilung verkommt zu einem Kindergarten! Alles, was ich aufgebaut habe ...“ „Nimm es nicht so schwer, Ibiki.“ „Ibiki-san!“, ruft Nene schon von Weitem. „Ibiki-san! Wir haben uns etwas ausgedacht!“ „Was denn?“, fragt Ibiki mühsam beherrscht, und Shintaro muss ein Lachen unterdrücken. Nene kommt näher, strahlend wie üblich, Mamoru an der Hand. „Wir haben überlegt, dass Mamoru ja kein Team haben kann, weil er nie Genin wird. Und deswegen werden einfach Shintaro-san und ich sein Team sein!“ Ibiki zuckt die Achseln. „Wenn es euch Spaß macht, von mir aus.“ Shintaro blinzelt verwirrt. „Ich hatte das mit dem Team für einen Scherz gehalten.“ „Wir haben es ernst genommen!“ „Und dann habt ihr einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, das durchzuziehen, ja?“ „Wenn wir Sie gefragt hätten, wären Sie ja dagegen gewesen“, sagt Mamoru ernst. „Also haben wir Sie nicht gefragt.“ „Eine Nummer haben wir auch schon“, fährt Nene fort. „Nämlich Team 15, weil das meine Lieblingszahl ist. Die sieht so lustig aus! Und alles, was wir jetzt noch brauchen, ist ein Sensei.“ Ibiki hebt die Augenbrauen. „Ich ahne Schreckliches.“ „Wir haben beschlossen, dass wir uns Team Ibiki nennen!“ „Team Ibiki?“, wiederholt Ibiki ungläubig. „Ja! Weil Sie ja im Grunde unser Sensei sind.“ „Bin ich das?“ „Na ja, eigentlich nur der von Mamoru, und auch das nur so mehr oder weniger“, gibt Nene zu. „Aber Sie sind der beste Sensei-Ersatz, den wir auf die Schnelle finden können!“ „Das ist albern, Nene“, sagt Ibiki schroff. „Schlag es dir aus dem Kopf.“ Mamorus Augen werden groß. „Aber so kriege ich ja nie ein Team, Ibiki-san.“ „Genau! Wenn Mamoru schon nicht auf die Akademie darf, gönnen Sie ihm wenigstens das!“ „Nein, verdammt nochmal!“ Wütend sieht Ibiki Nene an. „Das hier ist kein Spiel, Nene. Wir sind eine ANBU-Abteilung, und zwar eine berüchtigte. Ich habe zwei Verdächtige zu verhören und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich kann es absolut nicht brauchen, dass ihr beiden Kinder hier herumgeistert und Unsinn anstellt.“ „Ich bin kein Kind!“, protestiert Nene. „Ich bin siebzehn! Ich arbeite hier!“ „Und dafür, dass ich dich im letzten Jahr beschäftigt habe, solltest du mir verdammt nochmal dankbar sein. Jetzt tu mir den Gefallen und geh mir aus den Augen. Du auch, Mamoru.“ „Aber ...“, beginnt Mamoru hilflos. „Zweite Regel?“ „Aber ...“ „Ich habe dich etwas gefragt, verdammt nochmal!“ „Zweite Regel. Du tust genau, was ich sage.“ „Ist das klar, Mamoru?“ „Ja, Ibiki-san!“ „Na also.“ Er dreht sich um, geht mit großen Schritten den Gang hinunter und wirft eine Tür hinter sich zu. Mamoru zuckt zusammen, als sie ins Schloss fällt. „Der hat ja eine Laune“, sagt Nene mit hochgezogenen Augenbrauen. „Er steht im Moment ziemlich unter Stress“, antwortet Shintaro. „Und er befindet sich in einer kleinen Identitätskrise, wenn man so möchte.“ Mamoru steht reglos da und kaut auf seiner Unterlippe herum. „Kopf hoch, Mo“, sagt Nene und klopft ihm auf die Schulter. „Wir machen das schon irgendwie.“ „Damals“, erzählt Mamoru leise, „als Ibiki-san mir die Regeln beigebracht hat ... da hat er gesagt, er könnte mich brauchen.“ „Brauchen?“, wiederholt Shintaro verblüfft. „Wofür?“ „Für seine Arbeit. Er meinte, ich könnte das auch.“ „Seine Arbeit?“ Nene runzelt die Stirn, und ein Leuchten tritt in ihre Augen. „Weißt du was, Mo? Ich habe da gerade eine gute Idee.“ Mamoru sieht sie fragend an. „Ich halte im Allgemeinen nicht viel von deinen guten Ideen, Nene“, bemerkt Shintaro. „Was ist es diesmal?“ „Na, wenn Ibiki-san so im Stress ist, weil er gleich zwei Verdächtig zu verhören hat ... da könnte man doch ...“ „Sprich nicht weiter, Nene. Lass es einfach.“ „Klar könnte man!“, platzt Mamoru heraus. „Zumindest“, wirft Nene ein, „wenn man wüsste, wo sich besagte Verdächtige befinden.“ „Moment.“ Shintaro massiert sich die Schläfen. „Ihr wollt nicht wirklich ...“ „Das weiß ich“, sagt Mamoru eifrig. „03/D. Drittes Untergeschoss, Korridor D. Alle Zellen haben so kleine Fenster in der Tür. Wir gucken einfach rein.“ „Na, dann kann ja nichts mehr schief gehen!“, sagt Nene munter. Mamoru zögert. „Aber ... da unten laufen manchmal ANBU herum. So, mit Masken.“ „Und? Meinst du, die halten uns auf?“ „Nein, aber ... ich hab ein bisschen Angst vor denen.“ „Oh. Geht es, wenn ich deine Hand halte?“ „Die linke. Dann vielleicht.“ „Alles klar, versuchen wir es einfach. Gehen wir?“ „Hört mal, ihr beiden!“, sagt Shintaro ungeduldig. „Habe ich in unserem neuen Team irgendein Mitspracherecht?“ „Sie wollten das Team ja nie haben“, informiert Nene ihn. „Von daher sind Sie irgendwie selber Schuld.“ „Aber wenn Sie wollen, dürfen Sie mitkommen, Shintaro-san“, sagt Mamoru tröstend. „Ihr werdet nicht ... Wir werden nicht da runter gehen! So weit kommt es ja noch!“ „Hören Sie mal, Shintaro-san.“ Nene nimmt Mamorus Hand, die linke. „Ich weiß, Sie kriegen hier nur Ihr Gnadenbrot, aber Mamoru und ich sind noch jung. Das hier ist die ANBU-Abteilung für Verhör und ... Dings. Glauben Sie, wir beide hätten nicht langsam herausgefunden, was man hier tun muss, um sich nützlich zu machen?“ „Zum Beispiel?“, fragt Shintaro. „Verhör und Dings!“, sagt Mamoru drängend. Er mustert die beiden, wie sie da stehen, Hand in Hand, zu allem bereit. „Ich hoffe, euch ist klar, dass ihr krank seid.“ „Ja, wissen wir“, antwortet Nene und grinst. „Und wo sind wir deshalb am besten aufgehoben?“ Shintaro seufzt resigniert und muss dann lachen. „In dieser Abteilung. Gut, ich gebe mich geschlagen. Dann mal los.“ „Was heißt dann mal los?“, fragt Mamoru aufgeregt. „Ich bin der dienstälteste Shinobi mit dem höchsten Rang – und ich tue mehr, als mein Gnadenbrot zu bekommen, Nene. In Abwesenheit eines Senseis bin ich der Anführer. Team 15?“ „Hier!“, ruft Nene und reckt die Faust. „Hier!“, wiederholt Mamoru begeistert. „Team 15 – an die Arbeit!“ * Stirnrunzelnd nimmt Ibiki einen Schluck von seinem Kaffee, muss husten und stellt den Pappbecher wieder ab. Er hatte völlig recht, der Kaffee von Izumo und Kotetsu ist ungenießbar. Wie sie selbst ihn trinken können, ist ihm schon schleierhaft. Seufzend ordnet er das Protokoll des soeben geführten Verhörs und will es gerade ins Reine schreiben, als jemand gegen den Türrahmen klopft. „Ibiki?“ Er dreht sich um. Shintaro, Nene und Mamoru stehen da, alle drei mit einem Leuchten in den Augen, das Ibiki mehr als verdächtig vorkommt. Als hätten sie zusammen irgendetwas ausgeheckt. Dass sie viel zusammen hocken, ist er ja mittlerweile gewohnt, aber diese Heimlichtuerei ist neu. „Ja? Was gibt es?“ Nene schiebt Mamoru nach vorn, der ein paar Blätter in der Hand hält. Er schluckt einige Male nervös, kommt auf Ibiki zu und hält sie ihm hin. „Was ist das, Mamoru?“, fragt Ibiki und greift nach dem Papier. „Hast du mal wieder versucht, deinen Namen zu schreiben?“ „Wir waren schnell“, antwortet Mamoru aufgeregt. „Und es stimmt alles, glaube ich.“ „Die Idee war von mir!“, sagt Nene stolz. „Sie war gut, oder?“ „Eigentlich war sie durch und durch hirnrissig“, brummt Shintaro. „So schlimm kann sie nicht gewesen sein, immerhin haben Sie mitgemacht!“ „Kann mir jemand erklären, was das zu bedeuten hat?“, fragt Ibiki, sieht zwischen den dreien hin und her und wedelt mit dem Papier. „Was ist das hier?“ „Das Geständnis des einen von Ihren beiden Gefangenen!“ „Wie bitte?“ „Du hast den einen verhört“, erklärt Shintaro achselzuckend. „Und wir den anderen.“ Fassungslos starrt Ibiki ihn an. „Mit wessen Erlaubnis?“ „Mit den besten Absichten“, antwortet Mamoru. „Und Mamoru hat nicht mehr als ein bisschen gezittert, als wir jemandem mit ANBU-Maske begegnet sind. Was ein echter Fortschritt ist.“ „Das kann man wohl sagen.“ „Langsam, langsam!“ Ibiki schüttelt ungläubig den Kopf. „Ihr seid einfach nach unten spaziert und habt diesem Gefangenen ein Geständnis abgerungen?“ „Und zu Protokoll genommen“, ergänzt Shintaro. „Ordnungsgemäß.“ „Wie um aller Hokage Willen habt ihr ihn zum Reden gebracht? Der Mann ist Chuunin!“ „War eigentlich ganz einfach“, sagt Nene fröhlich. „Shintaro-san war Anschauungsmaterial, ich habe ihm einfach ein bisschen Angst gemacht ...“ „Verstehe gar nicht, wie du das geschafft hast“, sagt Ibiki trocken. „... und Mamoru hat ihm zwei Finger gebrochen.“ „Was?“ „Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand“, fügt Shintaro hinzu. „Steht aber alles im Protokoll. Streng nach Vorschrift.“ Ibiki starrt Mamoru an. „Wie zum Teufel hast du das angestellt? Allein der Kraftaufwand!“ „Man muss nur wissen, wo man ansetzen muss“, antwortet Mamoru ernst. „So schwer ist das gar nicht.“ „Ich habe ihn ein bisschen beraten“, ergänzt Nene. „Ich kenne mich aus mit Knochenaufbau und so!“ Ibiki schüttelt den Kopf. „Ihr drei seid unglaublich. Was fällt euch eigentlich ein, einfach so meine Gefangenen zu verhören?“ Er holt tief Luft und besinnt sich. „Shintaro-sensei. Ich weiß, dass Sie niemand sind, der sich auf kindische Spielchen einlässt. Deswegen kann ich mich wohl darauf verlassen, dass Sie bei der Aktion für eine gewisse Professionalität gesorgt haben.“ „Selbstverständlich habe ich das.“ „Mamoru?“ „Ja, Ibiki-san?“ „Du bist ein verdammter Satansbraten von einem Jungen, aber ich schiebe das einfach mal auf meinen eigenen schlechten Einfluss.“ „Tun Sie das, Ibiki-san.“ „Und Nene?“ „Ja?“ „Du, Mädchen, bist einfach unmöglich. Aber du bist diejenige, die euer komisches Grüppchen antreibt und mit den hirnrissigen Ideen füttert. Ich ziehe meinen Hut.“ „Unser Team, meinen Sie wohl!“ „Ihr seid kein Team.“ „Jetzt stell dich nicht so an, Ibiki“, sagt Shintaro schroff. „Du bist doch stolz auf uns.“ „Fallen Sie mir nicht in den Rücken, Sensei!“ Ibiki rollt das Papier zusammen, gibt Mamoru damit einen Klaps auf den Kopf und steht auf. „Ich werde gehen und das Geständnis des Gefangenen überprüfen.“ „Es stimmt alles, wirklich!“, sagt Nene. „Wenn meine Untersuchung zu diesem Ergebnis kommen sollte, dann ...“ „... dann dürfen wir uns Team Ibiki nennen?“, fragt Mamoru mit leuchtenden Augen. „Dann lasse ich euch in Zukunft öfter solche Aufgaben erfüllen.“ „Das läuft auf dasselbe hinaus“, sagt Shintaro. „Wenn Sie meinen.“ Ibiki seufzt und setzt die grimmige Miene auf, die ein Teil seiner Arbeitskleidung ist. „Jedenfalls werde ich jetzt gehen und meinen Job machen.“ Er geht an ihnen vorbei durch die Tür und den Gang hinunter. „Wie nennt sich eigentlich Ihr Job?“, ruft Nene ihm nach. „Ich züchte bunte Schmetterlinge“, erwidert Ibiki eiskalt, öffnet eine Tür und wirft sie hinter sich wieder zu. „In solchen Momenten macht er mir ja irgendwie Angst“, gibt Nene zu. „Er macht dir Angst?“, wiederholt Shintaro verblüfft. „Das kann nicht sein, Nene. Das wäre eine normale Reaktion, und so etwas kannst du nicht.“ „War das gerade ein Scherz, Shintaro-san?“ „Wenn du dich schon nicht deinem Charakter entsprechend verhältst, dachte ich, es macht bei mir auch keinen Unterschied mehr.“ „Ich mag Ibiki-san“, sagt Mamoru schlicht. „Er wird sich nicht freuen, das zu hören. Aber dafür wird er sich über Nenes Angst freuen.“ „Wie auch immer!“ Nene klopft Mamoru auf die Schulter. „Jetzt hast du ein Team und die Gewissheit, dass du durchaus zu etwas zu gebrauchen bist, Mo. Zufrieden?“ „Ja“, sagt Mamoru leise. „Sehr.“ „Dann ist ja alles in Ordnung! Du hast dein Team, Shintaro-san hat zwei Beine und gelegentliche Ausbrüche von Humor ...“ „... und Nene hat endlich etwas gefunden, was ihr eine nachvollziehbare Reaktion entlockt?“, fragt Shintaro. „Genau! An irgendetwas muss der Mensch sich ja freuen.“ Sie sehen einander an und nicken. „Ich würde sagen, Team 15 hat seine erste Mission zur allgemeinen Zufriedenheit abgeschlossen“, sagt Shintaro. „Und zur Feier des Tages könnte ich mir durchaus vorstellen, euch zu einem Eis einzuladen.“ „Eis!“, ruft Nene. „Ich will mit Streuseln“, sagt Mamoru. „Das lässt sich einrichten. Sollen wir gleich gehen?“ „Ja! Gehen wir!“ Sie wenden sich zum Gehen, aber weit kommen sie nicht. Ein Chuunin biegt um eine Ecke des Ganges und bleibt stehen, als er sie drei sieht. „Tonbo“, sagt Shintaro erfreut. „Dich habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen.“ „Guten Tag, Shintaro-sensei.“ Tonbo nickt ihm zu. „Hallo, Mamoru.“ „Hallo, Tonbo.“ „Oh!“, ruft Nene. „Sie sind Tonbo!“ „Ja“, sagt er überrascht. „Und?“ „Sie haben mir mal das Leben gerettet! Als ich noch klein war.“ „Habe ich das?“ „Ich war das Mädchen! Das in der Hütte im Wald. Als der Dämon angegriffen hat.“ „Aber der Dämon ist eigentlich total in Ordnung“, wirft Mamoru ernst ein. „Also ...“ Shintaro legt ihm die Hand auf den Kopf, und Mamoru verstummt. „Das kann sein“, sagt Tonbo langsam und sieht Nene an – zumindest ist davon auszugehen, dass er das tut, auch wenn er keine Augen mehr besitzt. „Ein Mädchen in einer gelben Decke. Sie hat geschrien. Aber als wir draußen waren und sie das Feuer gesehen hat, hat sie damit aufgehört. Und nur noch zugesehen.“ „Das war ich“, sagt Nene glücklich. „Das Feuer war wahrscheinlich rot. Das ist meine Lieblingsfarbe!“ „Ach so.“ Tonbo nickt, als sei das durchaus nachvollziehbar, und Shintaro muss schmunzeln. „Du wirst dich daran gewöhnen, Tonbo. Nene ist ... eine Klasse für sich.“ „Ja, den Eindruck hatte ich auch schon.“ Tonbo grinst kurz. „Jedenfalls ... keine Ursache, Nene.“ Nene erwidert das Grinsen. „Ich wollte Sie schon immer mal darauf ansprechen, aber ich habe nie die richtige Gelegenheit gefunden.“ „Heute ist anscheinend ein Tag, um alte Rechnungen zu begleichen“, sagt Shintaro. „Shintaro-san?“, fragt Mamoru, der versucht, nicht zu ungeduldig zu klingen. „Gehen wir jetzt ein Eis essen?“ „Oh, natürlich!“, sagt Nene. „Kommen Sie mit?“ „Ich?“, fragt Tonbo verblüfft. „Ja! Oder wann haben Sie Feierabend?“ „Also ... eigentlich jetzt. Aber ...“ „Super! Dann gehen wir. Komm, Mo!“ „Hast du gerade Tonbo auf meine Kosten auf ein Eis eingeladen?“, fragt Shintaro ungläubig, aber Nene hört schon nichts mehr. Sie hat Mamoru an die Hand genommen, die linke, und zieht ihn den Gang entlang. „Ich kann auch selbst zahlen“, sagt Tonbo. „Nichts da, ist schon in Ordnung. Wir sollten sehen, dass wir die beiden einholen.“ Sie heften sich den beiden an die Fersen, die ein ordentliches Tempo vorlegen, und machen sich durch die zahllosen Gänge auf den Weg zum Ausgang. Nene erzählt irgendetwas und gestikuliert, und Mamoru hört zu. Gedankenverloren mustert Shintaro sie aus dem Hintergrund. „Woran denken Sie?“, fragt Tonbo. „Daran, was für seltsame Menschen die beiden sind. Und ... ich eigentlich auch. Was wir heute getan haben, war der reine Wahnsinn, wenn man so darüber nachdenkt.“ Tonbo lächelt. „Es ist eine verrückte Welt, Sensei.“ „Da bin ich ganz deiner Meinung“, sagt Shintaro und schüttelt den Kopf. „Zivilisten bei der ANBU, Minderjährige in Ibikis Abteilung ... und dann hatte ich heute auch noch diesen bizarren Traum.“ „Was für einen Traum?“, fragt Tonbo. Er denkt an die drei Jungen auf der Kante seines Schreibtisches, an ihre hellen Stimmen, an ihr Lachen. Sie sind aufgestanden und dahin gegangen, wohin Traumfiguren gehen, wenn man aufwacht. „Nicht so wichtig“, sagt Shintaro. „Und wann hatten Sie diesen Traum? Sie werden doch wohl nicht bei der Arbeit geschlafen haben. Ausgerechnet Sie, der seine Aufgaben als Shinobi so bitterernst nimmt ...“ „Natürlich nicht! Was denkst du denn von mir?“ Tonbo lacht und bohrt nicht weiter nach. Sie treten aus dem Gebäude in die Sonne. Nene und Mamoru sind schon einige Schritte voraus, noch immer Hand in Hand. Sie singen ein Lied, und Shintaro muss lachen, als er die Melodie erkennt. Hanako, Hanako, Blumenkind, sie lief zum Tor Kartoffeln und Tomaten waren in ihrem Ohr Sie schälte lang, sie schälte lang, sie schälte das Gemüse und sang Zehn Töpfe aß ihr Liebster leer Sie schälte jeden Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)