Das Glasherz von AimaiLeafy ================================================================================ Kapitel 6: La Maison -------------------- Nocturn wünschte sich, er hätte eine andere Landstraße ausgesucht als die, auf der sie unterwegs waren - denn die Straßenschilder verkündeten leider, dass die beiden Reisenden sich nun auf dem direkten Weg nach La Roche befanden - es blieb ihm also kein Weg mehr zurück und keine Möglichkeit mehr, Zeit zu schinden, obwohl er am liebsten rückwärts gegangen wäre. Immer wieder versuchte er verzweifelt, Youma abzulenken, seine Aufmerksamkeit auf die Landschaft zu ziehen… jede Sekunde, in der sie nicht einen Fuß vor den anderen setzten, war eine gewonnene Sekunde.   Nur war Youma nicht dumm und dass Nocturn Zeit schinden wollte, war ihm schon bewusst, ehe dieser ihm zweimal hintereinander die Klippen und die tosenden Wellen darunter zeigen wollte. „Nocturn, du wirst es bald überstanden haben.“   Ja, sie würden bald ankommen, aber ob er es dann überstanden hatte… das war eine gänzlich andere Frage. Er hatte schon solange mit dem Wissen gelebt, dass ihm 17 Jahre seines Lebens fehlten und… ging es ihm nicht gut damit? Musste er wissen, was in diesen 17 Jahren geschehen war? War das nicht eigentlich… vollkommen unwichtig?   Wenn Nocturn alleine unterwegs gewesen wäre, wäre er schon viermal wieder umgedreht und längst wieder in Paris. Immer wieder spürte er, wie ein leichter Anflug Nervosität sich in reißende Panik verwandelte und immer wieder blieb er stehen, starrte mit laut pochendem Herzen die Straße herunter, als lauere dort der Abgrund auf ihn, als würde er sich nur für ihn öffnen und nur ihn herabziehen.      Was tat er hier eigentlich? Was sollte schon Gutes dabei herauskommen? Es war doch alles gut so wie es war!   Immer wieder blieb er stehen. Wollte umdrehen, die Straße nicht weitergehen. Aber immer wieder zog Youma ihn vorwärts, ließ ihn seine Angst kurz vergessen, ließ ihn kurz vergessen, wohin sie auf dem Weg waren… ja, er sorgte für einige Minuten sogar dafür, dass Nocturn glaubte, dass sie einfach nur zu zweit irgendwo in Frankreich unterwegs waren; brachte ihn dazu, Spaß zu haben - bis das nächste Schild am Straßenrand auftauchte und ihn immer wieder daran erinnerten, dass deren Ankunft in La Roche kurz bevorstand.   Bedrückendes Schweigen legte sich dann über ihn, aber er hielt nicht mehr an, denn es war zu spät. Kleine von Wind und Wetter mitgenommene Häuser und Höfe tauchten neben der Straße auf, verborgen zwischen den schneebehangenen Hügelchen; das Meer war nicht mehr zu sehen, aber das Rauschen der Wellen wurde vom Wind zu ihnen herüber getragen. Nach einigem Zögern Nocturns verließen sie die von Autos befahrene Landstraße und befanden sich nun auf einem kleinen, engen nach unten führenden Pfad, auf dem kaum ein einzelnes Auto genug Platz hatte. Kleine, fast von Büschen und Sträuchern versteckte Pfade führten zu niedrig gelegenen Höfen und links und rechts tauchten zierliche Laternen auf.   Youma fand eigentlich, dass dieses in glitzerndem Weiß schlafende Dörfchen sehr sympathisch wirkte; es wirkte einladend, in sich gekehrt, aber gemütlich. „Ist das wirklich der richtige Ort? Es sieht so nett aus“, fragte Youma leicht grinsend: „Ich hatte etwas… nun ja, anderes erwartet, als ich hörte, wir würden deine Heimat besuchen.“ „Was hast du denn erwartet? Einen Friedhof an jeder Ecke und an jedem Dach mindestens eine Krähe? Und natürlich dass sich der Himmel unheilschwanger verdunkelt, sobald wir uns der Stadt nähern?“ Youma musste lachen, weil Nocturn seine Gedanken ziemlich genau getroffen hatte: „So etwas in der Art, ja!“ Aber sein Partner stimmt nicht in sein Lachen ein und anders als Youma sah er sich auch nicht ausgiebig um, sondern konzentrierte sich auf die kleine Straße vor ihnen, die um die Ecke bog und sie tiefer hinein in das kleine Dorf führte. „Außerdem wissen wir ja gar nicht, ob das meine Heimat ist. Hier befindet sich lediglich ein Haus, das ich geerbt habe.“ Youma ließ seinen Blick über die dicht an dicht gelegenen Häuser gleiten; sie sahen sich alle sehr ähnlich - klein, niedrig, mit weißen Backsteinen und alle Richtung Meer ausgerichtet. Kaum vorstellbar, dass Nocturn nicht nur eines dieser idyllischen Häuser gehörte, sondern dass er vielleicht auch in einem von denen aufgewachsen war.  „Und welches von denen ist nun dein Haus?“ Nocturn zuckte mit den Achseln: „Auf jeden Fall keines von denen hier. Wir sind nicht auf der richtigen Straße.“ Diese Aussage verblüffte Youma, denn er hätte nicht gedacht, dass dieses kleine Dort überhaupt über mehr Straßen verfügte.   „Vielleicht war ich ja auch nie hier. Vielleicht habe ich gar keine Bindung zu diesem Ort.“ Youma gab ihm Recht, denn natürlich war das eine Möglichkeit, aber Nocturn wusste, dass seine eben gesagten Worte gelogen waren. Er war hier gewesen. Nicht nur einmal. Er hatte dort gelebt; lange gelebt. Ohne auf eine Karte schauen zu müssen führte Nocturn sie ab von der Straße und auf einen sich nach oben schlängelnden Kieselsteinweg. Das Geräusch der Kieselsteine unter seinen sich langsam nach oben bewegenden Füßen, das Meer in der Ferne… es war ihm bekannt. In seinen Erinnerungen war es nicht mehr verankert, aber sein Körper, sein Gehör erinnerte sich… vernahm, dass er diesen Weg früher oft gegangen war, diesen Weg, verschluckt von hohen, alten Stieleichen, vorbei an deutlich jüngeren Häusern als die unten im Dorf, die in sich gekehrter, verborgener lagen; hier und dort leuchtete Weihnachtsdekoration hervor.   Nachdem mehrere Minuten vergangen waren, ohne dass weitere Häuser aufgetaucht waren, der Wald immer dichter wurde und die Straßenlaternen ausblieben, runzelte Youma die Stirn: „Sind wir hier wirklich richtig? Du hast lange nicht mehr auf die Karte geschaut… glaubst du wirklich, dass hier noch Häuser sind?“ Nocturn antwortete nicht.   Er war stehen geblieben und sah mit leeren, kaum anwesend scheinenden Augen auf ein Schild, welches Youma beinahe übersehen hatte. Es war ein kleines, verwittertes, kaum lesbares Schild, das auf einen kleinen Pfad aufmerksam machte, der rechts nach oben führte. War das der Weg, den sie gehen sollten? „Wenn wir weiter geradeaus gehen, kommen wir zum Haus.“ „Woher…“ „Und dieser Weg hier führt zu einer alten, verlassenen Kirche, in der ich White das erste Mal getroffen habe.”    Youma wählte bewusst, zu schweigen. Weder wollte er entscheiden, wohin sie gingen, noch wollte er Nocturn in seiner Wahl irgendwie beeinflussen. Er selbst wusste, wo er lieber hinwollte - es wurde langsam kälter und die Sonne fand ihren Weg nicht durch die dichten Baumkronen, weshalb er fror und daher lieber zum Haus wollte. Warm wäre es wahrscheinlich nicht, aber vom Wind ein wenig geschützt sicherlich. Aber er sagte nichts, sondern wartete geduldig, den Drang, seine Arme warm zu reiben, unterdrückend. Nocturn dagegen achtete nicht auf die Kälte; er war ganz in Gedanken, war zwar am gleichen Ort wie Youma und er es nun waren, aber zu einer anderen Zeit. Ob die Erinnerungen schon zurückkamen? Sollte er ihn einfach fragen?   Aber gerade als Youma das Schweigen brechen wollte, rührte sein Partner sich plötzlich und erleichtert stellte Youma fest, dass er den Weg zum Haus einschlug.   Es war nicht mehr weit; das spürte Nocturn. Nur noch ein paar Meter, um die nächste Ecke. Er wollte seine Schritte verlangsamen, anhalten, umdrehen, fliehen, aber sein Körper tat genau das Gegenteil; er hielt ihn nicht nur davon ab zu fliehen, sondern beschleunigte sogar und überrascht sah Youma ihn an, als er plötzlich losrannte… weiter durch den Wald, die Kieselsteine rasselnd unter den Füßen und mit pochendem Herzen blieb er erst stehen, als sie vor einem hohen, fast von den Bäumen verschluckten am Ende der Straße gelegenen Haus ankamen.   Verblüfft betrachtete Youma das Haus, denn ein solches hatte er nicht erwartet; besonders nicht, nachdem sie das Dorf betreten hatten. Es lag zwar genauso versteckt wie die anderen Häuser, war aber alles andere als klein und niedrig gebaut: es hatte einen ganz anderen Stil, war höher und ein wenig verspielter gebaut, obwohl es dank seiner dunklen Farbe und den zugezogenen Fenstern nicht gerade einladend wirkte. Auch das Grundstück schien groß zu sein; es war allerdings schwer zu beurteilen, was zum Haus gehörte und was zum Wald, denn der Garten war so verwildert, dass es schwer war, zu beurteilen wo er aufhörte. Das Haus war beeindruckend, aber er wusste nicht, ob er es hübsch fand - vielleicht zu einer anderen Tageszeit, in der Sonne und mit offenen Fenstern und gepflegtem Garten… aber so? So wie es jetzt da stand… wirkte es ein wenig unheimlich, als würde es bedrohlich auf sie hinabsehen und seine Besucher verschlucken wollen.   Nocturn verhielt sich weiterhin schweigend und als Youma seinem Blick folgte, sah er, dass sein Partner auf den sehr heruntergekommenen Briefkasten sah - und nun war jeder Irrtum ausgeschlossen, dass es sich bei dem Haus womöglich nicht um das Richtige handelte, denn auf dem Briefkasten stand mit zierlicher Schrift „Le Noires“ geschrieben.   „Hast du einen Schlüssel?“, fragte Youma behutsam, als er bemerkte, dass Nocturn sich nicht rührte und keine Anzeichen darauf machte, es in der kommenden Zeit zu tun – kein Wunder, er hatte die Luft angehalten, wie Youma auffiel, denn als er ihn ansprach, atmete er hastig aus. Youma wollte ihn gerade fragen, ob mit ihm alles in Ordnung sei, da hastete er schon auf ihn zu, da es kurz so aussah, als würde er zusammenbrechen. Doch noch bevor Youmas Arme ihn auffangen konnten, fing er sich selbst wieder und schüttelte die Hand, um seinem Partner zu bedeuten, dass alles in Ordnung sei.   Youma glaubte ihm natürlich nicht und beäugte Nocturn besorgt und skeptisch, als sie den Briefkasten passierten, um danach geübt über den niedrigen Zaun zu springen, da das Gartentor völlig vereist und unter dem Eis wahrscheinlich verrostet war, weshalb sie es nicht öffnen konnten. Während sie sich ihren Weg durch den verwilderten Garten bahnten, studierte Youma das immer näher kommende Haus – und blieb plötzlich stehen: „Nocturn.“   Der Angesprochene war bereits an einem zur Haustür führendem Treppenabsatz angekommen, drehte sich aber um, ehe er die Hand auf das schwarze Treppengeländer legte: „Was ist?“ Dass es nicht Gutes sein konnte, war Nocturn bewusst, noch ehe er sah, dass Youma sein eigenes Glöckchen von seiner Glöckchensammlung löste, um es angriffsbereit in der Hand zu halten. „Ich bin mir recht sicher, dass ich gerade einen Schatten gesehen habe – und da oben...“ Er machte einen leichten Wink mit dem Kopf: „... ist ein Fenster geöffnet.“ „Ein Dämon würde auch ohne geöffnetes Fenster eindringen können, wenn er wollte.“ Nocturn versuchte, seine Nervosität mit Lässigkeit zu überspielen, aber Youma konnte er damit nicht reinlegen. Er sah ihm nicht nur an, dass das Grinsen auf seinem leicht bläulichen Gesicht nicht echt war, er spürte seine Furcht regelrecht – nicht seine Furcht vor einem möglichen Eindringling, sondern vor dem Haus.   Aber er nahm sich zusammen; dennoch zitterte seine Hand, als er den Schlüssel in das Schloss steckte. Das Schloss war alt und vereist wie fast alles; Nocturn musste ein wenig rütteln, um die Tür aufzubekommen, aber dann gab sie nach. Er schluckte und hielt wieder die Luft an; Youma konzentrierte sich auf Auren, konnte aber keine spüren.   Einen Spalt breit öffnete sich die verglaste Eingangstür.   Youma, der unbewusst ebenfalls die Luft angehalten hatte, erschrak fürchterlich, denn das Öffnen der Tür hatte einen durchzuckenden Klang verursacht, so laut und durchdringend, dass er beinahe rückwärts ausrutschte. Nocturn dagegen blieb davon gänzlich unberührt; unterbewusst war er wohl darauf vorbereitet gewesen, denn für ihn war der helle Klang eines Glockenspiels, wogegen die Tür beim Öffnen gekommen war, nicht unbekannt. Sie ging auch ihm durch Mark und Bein, berührte jeden Teil seines Körpers, genau wie der Klang durch jede Ecke des Hauses raste und den Staub zum Vibrieren brachte, aber sie löste keinen Schrecken in ihm aus. Sie löste...Wehmut aus.    „Was zur Hölle?!“, entfuhr es Youma, immernoch schnell atmend, die Treppen wieder hinaufgehend: „Was war das---“ Dann entdeckte er die immer noch leicht schwankenden Glocken hinter der Tür: „Wieso bringt man denn so etwas an seiner Haustür an?!“ Nocturn blieb ruhig; seine Nervosität war kurzweilig verschwunden: „Das ist ein Alarmsystem. Wird die Tür geöffnet, hört man es überall im Haus.“      Und dann trat er ein, dicht gefolgt von Youma, der beim Schließen der Tür darauf achtete, nicht noch einmal die Glocken zu berühren. Sie standen nun in einem kleinen, vielleicht zwei Meter großen Eingangsbereich, durch dessen Fenster kaum Licht hereinkam, da sie komplett zugeschneit waren. In der Ecke stand ein Behälter für Regenschirme und gleich um die Ecke eine kleine Garderobe, die auch benutzt aussah – es hingen dort Mäntel, Jacken und Kapuzen und unter diesen ein paar aufgereihte Schuhe. Aber die Habseligkeiten schienen lange nicht mehr angerührt worden zu sein; auf ihnen lag eine genauso dicke Staubschicht wie auf allem anderen. Ihre an die Dunkelheit gewöhnten Augen sahen vor ihnen einen langen, breiten und bei Licht sicherlich einladenden Gang, ausgelegt mit einem Teppich, dessen Farbe Youma nicht mehr zu deuten vermochte. Rot? Braun? Er war von der Zeit zerfressen worden, wie vieles an diesem Ort. Links und rechts besaß der Gang zwei ovale Öffnungen; die eine schien zu einer Küche zu führen, die gegenüber, der Garderobe am nächsten, schien zum Hauptraum des Hauses zu führen, einem großen Wohnzimmer. Obwohl.... vielleicht war der Hauptraum viel eher der Raum, der sich hinter den beiden Doppeltüren verbarg, an die der Gang anschloss? Und was befand sich wohl auf der zweiten Etage, zu der eine lange, neben der Küche anfangende Treppe führte?   Die beiden Dämonen befanden sich noch im Eingangsbereich, horchend und auch, auf jeden Fall Youma, fasziniert von diesem in der Zeit eingeschlossenen und von dieser mitgenommenen Ort.   „Ich glaube nicht, dass hier jemand ist“, raunte Nocturn Youma leise zu: „Ich kann kein fremdes Atmen hören... und auch keine Gedanken.“ „Ich bin mir aber sicher, dass ich einen Schatten gesehen habe“, erwiderte Youma ebenfalls flüsternd, obwohl es dafür womöglich keinen Grund gab. Nocturn grinste ihn ein wenig von der Seite an: „Bist du sicher, dass das nicht einfach eine sich bewegende Gardine gewesen ist?“ „Natürlich bin ich mir sicher! Wie soll sich denn eine Gardine von alleine bewegen? Und bevor du das geöffnete Fenster erwähnst: das war ein anderes Zimmer!“ „Na, wenn der Kronprinz das sagt...“ Auf Grund der Umstände wählte Youma, Nocturns spöttischen Tonfall zu ignorieren – versetzte aber dennoch einen leichten Stoß seines Ellbogens in die Rippen seines Partners, als er an ihm vorbeiging.   „Gut, wo fangen wir an?“ Nocturn machte eine leicht aufgebende Bewegung: „Was suchen wir denn eigentlich?“ Youma warf einen Blick in die Küche und antwortete immer noch leise: „Wir suchen nach Dingen, die deine Erinnerung zurückholen könnten – an einige Dinge kannst du dich ja scheinbar noch erinnern. Fotografien, Tagebücher... in diese Richtung.“ Er ging an Nocturn vorbei und schlenderte durch die sehr aufgeräumte Küche – dem ehemaligen Besitzer täte es sicherlich leid, dass sie so in Staub getaucht war. Alles, was Youma sah, stand ordentlich in Reih und Glied; Gläser, Teller, Kräuter... nur auf dem Tisch lag eine geöffnete, längst vergilbte Zeitung. „Und natürlich ob sich hier irgendwelche Gegenstände befinden, die irgendeinen magischen Ursprung haben könnten und vielleicht für Dämonen interessant wären. Immerhin müssen wir noch das Mysterium mit unserer Verfolgerin klären...“ Youma drehte die Zeitung zu sich herum und warf einen hastigen Blick auf diese – lesen konnte er sie natürlich nicht und die menschlichen Buchstaben waren ihm auch immer noch Fremdkörper, aber die Überschrift ähnelte der, die Nocturn immer las: „Nocturn, ist das nicht die Zeitung, die du auch liest? ... Nocturn?“     Genau wie Youma hatte auch Nocturn sich vorgewagt, allerdings in die entgegengesetzte Richtung, an der Garderobe vorbei – er hatte eigentlich in das Wohnzimmer gewollt, da blieb er allerdings an einer kleinen Kommode stehen. Auf eben dieser standen einige kleine, eingerahmte Fotografien; von der Zeit völlig verstaubte und daher kaum erkennbare Motive verbargen sich hinter dem verschmutzten Glas, weshalb Nocturn seinen Ärmel ausschüttelte und das Glas sauberwischte. Er hob den Kopf, wollte Youma gerade zurufen, dass er fündig geworden war, als er sich selbst in einem alten, goldgerahmten Spiegel sah – sich und das Spiegelbild einer anderen Person.   Youma hörte, wie etwas zu Bruch ging und schon das Donnern der Glocken. „Nocturn?!“ Eilig ließ er alles stehen und liegen und rannte Nocturn hinterher – die Glocken donnerten ein weiteres Mal, die Tür klapperte, Youma sprang über das Treppengeländer, landete im Schnee und stürzte zu Nocturn.   „Pardonnez-moi, pardonnez-moi, Raria... Pardonnez-moi, pardonnez-moi...“     Am ganzen Körper zitternd war er am Gartentor zum Stillstand gekommen, vor eben diesem auf die Knie gefallen, fast so, als könne er nicht mehr über ihn hinwegspringen.   „Raria, Raria, pardonnez-moi, je ne peux pas, je ne peux pas ...“     „Nocturn?“   „Pardonnez-moi, que je suis ici, pardonnez-moi, pardonnez-moi... Pardonnez-moi que je tu ai oublié ... que je dois tu oublier. Pourquoi, Raria? Pourquoi? Je endurer la ne souffrance pas... Je l'ai oublié ... Pardonnez-moi...“ „Nocturn!“, versuchte er es jetzt eindringlicher und legte dabei auch seine Hand auf Nocturns bebende Schultern, die langsam zum Stillstand kamen, als Nocturn stoßweise aufsah, dessen Hand mit seinen umschließend. „Wir müssen weg, bitte, bitte bring mich weg, ich darf hier nicht sein...“, flehte er und die Tränen, die Youma völlig zum Erstarren brachten, rannten Nocturn aus den geröteten Augen: „... wir hätten nie herkommen dürfen, nie, niemals... Ich darf mich nicht erinnern!“ Die Worte waren kaum über seine zitternden Lippen geflohen, da sackte er auch schon ohnmächtig zusammen und wäre in den Schnee gestürzt, hätte Youma ihn nicht aufgefangen. Mit Nocturn in den Armen wollte er sich gerade, überzeugt, dass es das Beste für ihn war, zurück nach Paris teleportieren, als er bemerkte, dass das nicht möglich war – irgendjemand hatte einen Antiteleportationsbannkreis gewirkt.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)