It Happened Late One Evening von Puppenspieler (Monster Tamer Tsuna - frei interpretiert) ================================================================================ II -- „-geht es ihm?“ „Er wird es überleben. Die Schulter ist nicht einmal hinüber. Nur der Biss.“ „Nur der Biss?!“ „Kufufu… Genau. Nur. Der. Biss.“ Hayato stöhnte. Sein Kopf dröhnte, als hätte er ihn minutenlang gegen eine massive Betonwand gehämmert, und seine Schulter pochte in dumpfem Schmerz. Es kostete ihn unglaubliche Mühen, auch nur die Augen zu öffnen, doch das dumpfe Licht der nackten Glühbirne an der Decke blendete ihn so sehr, dass er sie sofort wieder zukneifen musste. Er hörte Stoff rascheln. „Gokudera-Kun!“ Das war… Juudaime. War er zurück? Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, zwang sich doch wieder, die Augen einen Spalt zu öffnen. Zwischen der Deckenlampe und seinen Augen ragte Juudaimes besorgtes Gesicht ins Bild, schirmte die gröbste Helligkeit ab. „Juudaime…?“ Ein erleichtertes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Jungen, und er nickte eifrig. Seine Augen glänzten feucht. „Ich bin’s. Ja. Kannst du dich aufsetzen?“ Die Frage war so dumm, dass Hayato am Liebsten gelacht hätte. Natürlich konnte er sich aufsetzen! Was war er denn? Doch er war froh, dass das Lachen in seiner trockenen Kehle stecken blieb, denn wenn Juudaime ihm nicht geholfen hätte, er wäre nicht hochgekommen. Er schluckte, fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. Den anderen Arm, wie er gerade merkte, hatte man in eine Schlinge gesteckt und dick verbunden. Wegen der Wunde, natürlich. Juudaime saß neben ihm, und er sah angespannt aus, die großen Augen huschten hektisch hin und her, alarmiert und besorgt, Hayato erkannte einen Kratzer auf seinem Gesicht. Was war passiert, während er weggewesen war? „Seit wann bin ich zurück?“ – „Letzte Nacht. Haru und die Anderen haben dich gefunden. Was hast du im Bahnhof gemacht, du weißt doch-!“ – „Was?!“ Er war zurück. Wieso wusste Juudaime von dem Bahnhof? Irritiert sah er sich um. Juudaime trug den gleichen seltsamen Aufzug wie die Gestalten, die er dort gesehen hatte. Hayato erstarrte, und tiefe Enttäuschung ließ ihn wieder zurück auf die unbequeme Matte sacken. „Ich bin nicht zurück.“ Sein Kommunikator war noch an seinem Platz, zeigte ein Blick auf sein Handgelenk. Er könnte jederzeit verschwinden, aber nicht mit leeren Händen. Abrupt setzte er sich wieder auf. „Wie spät ist es?“ – „Es ist kurz nach zwei.“ Hayato warf einen Blick auf die Armbanduhr. Kurz nach zwei. Die Uhrzeit stimmte. „Habt ihr eine Tageszeitung?“ Nun sah Juudaime ihn an, als sei er verrückt geworden. Langsam lehnte er sich zu ihm vor, sah besorgt auf Hayato hinunter. „Gokudera-Kun, was ist los?“ Hayato antwortete nicht. Juudaime schien Panik zu bekommen, fuhr herum. „Was ist hier los?“ Eine Stimme aus den Schatten lachte ein Lachen, das Hayato den Magen zusammenzog. „Vielleicht hat er sich den Kopf gestoßen?“ Hayato schloss die Augen, schluckte, um Übelkeit zu unterdrücken. In seinem Hinterkopf singsangte eine kleine Stimme, was schon seit er angekommen war, an seinem Verstand nagte: Das ist nicht meine Welt. Zehn Minuten später saß Hayato doch wieder. Der Stuhl unter seinem Hintern knarzte und der Tisch war zerkratzt und wacklig, die Tasse mit Kaffee vor seiner Nase hatte einen kleinen Sprung. Juudaime saß bei ihm am Tisch, außerdem die Kreisch-Stimme der letzten Nacht, die sich zweifelsfrei als Haru entpuppt hatte. Bianchi, sehr zu Hayatos Unwesen, hatte sich ebenfalls zu ihnen gesellt, doch ihr Gesicht war hinter einer kunstvollen Maske verborgen, die gleichermaßen schön wie grausig aussah. In einer Ecke in einem abgewetzten Schreibtischstuhl saß Mukuro, einen dicken Wälzer in den Händen, in dem er angeregt blätterte. Garantiert lauschte er. „Also“, durchbrach Juudaime schließlich die Stille, er klang ein wenig unsicher dabei, „Was ist hier los? I-ich meine, Gokudera-Kun, was ist bei dir passiert? Und…“ Er brach ab, hob die Schultern, während sein Blick zu Hayatos eigener, verbundener Schulter wanderte. Hayato schnaubte unwirsch, steckte sich eine Zigarette an. Erst als sie auf dem improvisierten Aschenbecher – eine kleine Reisschale – lag, lehnte er sich zurück und sah Juudaime wieder an. Nicht sein Juudaime, eindeutig. Aber er verstand nicht, wieso! Giannini hatte ihn in die Vergangenheit schicken sollen, nicht nach – nach irgendwo! „Ich bin nicht von hier“, knurrte er schließlich, fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, „Kennt ihr das Konzept Parallelwelten? Scheint, als wäre ich in einer gelandet. Euer Hayato ist da, wo ich eigentlich sein sollte, und irgendetwas ist hier ganz klar schief gegangen, denn eigentlich sollte ich in die Vergangenheit, und nicht nach“ – er holte vage mit der Hand aus – „hier. Wo ist Giannini? Wo ist Reborn-San?“ „Ri-Riboon?“, wiederholte Juudaime, und er stolperte dabei so sehr über den Namen, als habe er ihn noch nie gehört. Hayato beobachtete das angestrengte Stirnrunzeln des Jungen, der sich schließlich an seine Kameraden wandte. „Er wird den Alten meinen“, drang leise Mukuros Stimme zu ihnen hinüber. Er sah nicht auf, und Hayato konnte beobachten, dass noch während er sprach – und lauschte! – seine Augen unbekümmert über die Seiten seiner Lektüre flogen. Als er zu Juudaime zurück sah, dämmerte auf dessen Gesicht langsam Erkenntnis. „Der Älteste! Natürlich. E-ehm, der ist nicht hier. Manchmal verschwindet er für einige Wochen, und… äh, Giannini-San ist seit einiger Zeit verschwunden.“ „Irie?“ – „Wer?“ – „Irie. Irie Shouichi. Klein, Brille, nutzlos…? Ist der irgendwo hier?“ Juudaime schüttelte vage den Kopf, während Hayato sich weiter in seinem Stuhl hinabsacken ließ. Er musste jemanden finden, der diesen Mist korrigieren konnte! Selbst wenn er nun auf gut Glück auf sein Knöpfchen drückte, dann konnte es immer noch sein, dass er sonst wo auskam! In einer Zukunft dieser verrückten Parallelwelt oder so – war er überhaupt in der Vergangenheit gelandet? (Wie sollte er? Hier war Juudaime, genau in dem Alter, in dem er sein sollte.) „Welches Jahr haben wir?“ Die Jahreszahl deckte sich mit Hayatos Gegenwart. Natürlich. „J-jedenfalls, Gokudera-Kun. Parallelwelt? Du meinst… du kommst aus einer anderen Welt, in der wir- wir alle auch leben?“ Hayato nickte, plötzlich fühlte er sich müde. Wie konnte ein einziger Mann eigentlich so viel versemmeln? Keine Vergangenheit, eine wahllose Parallelwelt, und Giannini war nicht einmal irgendwo auffindbar! Was, wenn Hayato auf Knopfdruck in der nächsten dummen Parallelwelt landete? Juudaime und die beiden Frauen tauschten Blicke. Hayato machte sich nicht die Mühe, ihre stumme Konversation zu verfolgen, widmete sich lieber seiner Zigarette und sah zu, wie der Rauch, den er langsam ausstieß, hinauf zur Decke stieg und dort irgendwo verflog. „Warum wollt ihr überhaupt in die Vergangenheit?“ Hayato senkte den Blick wieder, doch in dem maskierten Gesicht seiner Schwester fand er kein Anzeichen auf irgendeine Regung. Auch wenn er für gewöhnlich dankbar war, wenn sie ihr Gesicht bedeckt hielt, gerade wünschte er, er würde ihren Anblick ertragen, ohne dass es ihm den Magen umdrehte. Er kannte diese Bianchi nicht, er konnte sie nicht einschätzen, und ihr Gesicht nicht zu sehen machte sie nicht vertrauenerweckender. Er seufzte schwer durch die Nase, legte die Zigarette zurück auf ihr Reisschälchen. „Veränderung. Ich hab keine Ahnung, wie das bei euch hier läuft, aber bei uns ist ständig die Hölle los. Erst Millefiore, dann Shimon, Vindice, und letztens ist ein Verein aus dem Boden geschossen, der es schon wieder auf uns abgesehen hat. Sie sind stark, neue Flammen, wir wissen kaum etwas über sie. Aber wir haben ein Mittel zum Gegenschlag gefunden – deshalb. Deshalb reisen wir in die Vergangenheit und verlassen uns nicht darauf, dass unsere jüngeren Ichs das schon klären können.“ Er schnaubte bitter, klopfte die Asche ab. „Stattdessen bin ich hier gelandet. Und deshalb brauche ich Giannini. Der Kerl soll seine Scheißerfindung gefälligst in Ordnung bringen, ich muss zurück!“ Juudaime sah ihn an. Es war dieser gütige, typische Juudaime-Blick, der einem das Gefühl gab, etwas wert zu sein, egal, was man gerade für einen Mist gebaut hatte, doch er war voller Sorge und Kummer, voll von einer lebenserfahrenen Weisheit, die seinem eigenen Juudaime noch fehlte. Es war ein gruseliger Blick, endgültig, tragisch. Langsam schüttelte Juudaime den Kopf. „Das ist keine gute Idee, Gokudera-Kun“, murmelte er mit leiser Stimme. Hayato verengte die Augen, biss die Zähne zusammen und knallte die Faust auf den Tisch. „Ich kann nicht hier bleiben!“ „Hayato.“ – Diesmal war es Bianchi, die sprach, ihre rauchige Stimme klang noch tiefer als sonst, ernst, mahnend, „Ich kenne deine Welt nicht. Aber in dieser gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, die du gar nicht erst verstehen willst. Sagen dir Werwölfe etwas? Sie lauern bei Vollmond überall, wo es Menschenmassen gibt – U-Bahnhöfe, zum Beispiel. Wir von der Vongola sind Jäger, wir beschützen die Bevölkerung vor ihnen und anderen Gefahren. Deshalb sind wir oft zugegen, aber nicht immer können wir alle schützen. Nicht vor Werwölfen, nicht vor Vampiren, nicht vor Dämonen und Geistern. Und wie Vampirbisse sind Werwolfbisse zu einhundert Prozent infizierend.“ Sie machte eine Pause, sah zu Juudaime hinüber. Dieser nickte unglücklich und sah Hayato aus großen, traurigen Augen an. „Du bist ein Werwolf.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)