It Happened Late One Evening von Puppenspieler (Monster Tamer Tsuna - frei interpretiert) ================================================================================ VII --- Es begann mit einem Jaulen. Laut und schmerzvoll, nicht menschlich und nicht tierisch. Der Grauhaarige bäumte sich im Schrei auf, nur um danach in sich zusammen zu sacken, sein Kopf gesenkt, sein Blick tief im Schatten verborgen. Sein Körper zuckte, plötzlich, abgehackt. „Verschwindet.“ Die Stimme des Vampirs war leise, doch fast drohend. Seine Begleiter zögerten keinen Moment. In schnellen Bewegungen verschwinden die Gestalten in der Dunkelheit, werden von der Finsternis verschluckt, als wären sie schon immer ein Teil von ihr gewesen. Nur der Mann, der gesprochen hatte, blieb zurück, die Hände um die Griffe seiner Schlagwaffen geschlossen, angespannt, bereit zu einem Kampf, der so unvermeidlich in der Zukunft lag wie der Anbruch eines neuen Tages. In den wenigen Augenblicken, die die Vampire brauchten, um auseinander zu stieben, verlor der Grauhaarige den Halt und fiel zu Boden, auf allen Vieren wand er sich zuckend und keuchend, knurrend und speicheltriefend. Sein Rücken zuckte, sein Haar nahm im milchig-kalten Licht des Mondes ein Gefühl von struppigem Fell an, sein Haaransatz ging tiefer und tiefer, in seine Stirn, in seinen Nacken. Die Knochen und Muskeln unter der mehr und mehr haarigen Haut schienen sich zu verschieben, neu zu wachsen, und nach und nach verschwand die Gestalt des menschlichen Jugendlichen im dichten, zotteligen Fell eines großen, muskulösen Wolfes. Einige Sekunden blieb das Monstrum am Boden, während der Vampir langsam, angespannt auf ihn zu trat. Die Unvermitteltheit, mit der der Wolf sich hochraffte, ließ ihn in plötzlicher Überraschung einen Schritt zurücktreten, doch es war zu spät – schon war die Bestie auf kräftigen Pfoten ihm entgegengesprungen und schwere, krallenbewehrte Pfoten rissen an seiner Kleidung, nur haarscharf daran vorbei, nicht nur sein Hemd, sondern auch die darunter liegende Haut zu zerfetzen. Er bleckte fauchend die spitzen Zähne, und schon der nächste Angriff des Wolfes wurde mit einem Tonfa geblockt. In der Ferne nahm das Jaulen und Heulen zu, je weiter der Abend voranschritt. Schwoll an, ebbte ab, und in unregelmäßigen Abständen verstummte es ganz, nur um dann wieder zu ertönen. Stunden später kündigte vage Helligkeit am Horizont von der herannahenden Morgendämmerung. Die Schnauze des Wolfes war feucht von Geifer und Speichel, seine Krallen blutig. Er knurrte und grollte mit gesträubtem Fell und gebleckten Zähnen, längst wieder in Angriffshaltung, obwohl zahlreiche dumpf blutige Flecken auf seinem grauen Fleck von ausreichend Verletzungen erzählten, dass es erstaunlich war, dass er noch stand. Sein Gegenüber war nicht besser dran: Tiefe Kratzer an Armen und Torso hatten blutige Striemen hinterlassen, aus einigen Wunden quoll die dicke rote Flüssigkeit noch immer. Er schwankte, und pure Willenskraft schien es zu sein, das ihn noch auf den Beinen hielt. Das es ihm ermöglichte, die bebenden Arme zu einem weiteren Verteidigungsschlag zu heben, als der Wolf sich tiefer senkte, bereit, mit aller Kraft auf ihn zuzuspringen. Der Vollmond am Himmelszelt war nur noch eine blasse Scheibe, die mehr und mehr verblasste, je heller der Himmel sich verfärbte. Der Werwolf brüllte, setzte zum Sprung an. Seine Bewegungen waren kraftlos geworden, und er kam wieder am Boden auf, weit bevor er den Schwarzhaarigen erreichte. Er knurrte frustriert. Das nächste Jaulen, das er ausstieß, klang schmerzvoll, leidend und gequält. Wie geschlagen von einer unsichtbaren Macht fiel er zu Boden. Für einen Moment flackerte im Blick des Vampires Erleichterung. Dann wurden seine Augen trüb und er sank in sich zusammen. Während die Sonne langsam und träge ihre Bahn am Himmelszelt antrat, wurde aus dem Wolf wieder ein Mensch. Hayato erwachte mit gleißendem Sonnenlicht, das in seinen Augen stach, schmerzenden Gliedern, dröhnendem Schädel und dem unangenehmen Gefühl von hartem Beton, der sich in seine Haut drückte. Ächzend kniff er die Augen wieder zusammen, drehte den Kopf zur Seite. So ein bisschen geschützt vor dem grellen Licht öffnete er sie erneut, starrte auf das schmutzige Grau des Flachdachs, zu dem er Hibari noch gefolgt war. Genau. Ich bin Hibari gefolgt, und dann… Seine Erinnerung war seltsam vage, bruchstückhaft. Er erinnerte sich an ein seltsames Jaulen, den Anblick des Vollmondes, an diesen Gestank von Blut und Kälte, an Hibaris kalten Blick. An Schmerz bis zur Ohnmacht, nur, dass er nicht ohnmächtig geworden war, und was danach kam, war ein seltsamer Wirbel aus Gerüchen und Eindrücken, die er nicht einordnen konnte. Und jetzt war es Morgen. Er schüttelte benommen den Kopf. Langsam, sehr langsam richtete er sich in eine sitzende Position auf. Seine Kleidung war weg. Seine Kleidung war weg. „Was zum Teufel?!“ Er war nackt. Er erinnerte sich an Blut. An das dringende Bedürfnis zu reißen, zu zerfetzen, an eine ohnmächtige Blutlust, die ihn fast in den Wahnsinn trieb. An wölfisches Geheul, das von überall und nirgendwo gekommen war – und aus seiner eigenen Kehle. Eine Illusion. Hibari war noch da. Hayato bemerkte ihn erst jetzt, flach am Boden liegend und… blutig? Mit einem Schub aus Besorgnis und Adrenalin kam er auf die Beine, stolpernd und schmerzend, doch es reichte, um den Anderen zu erreichen. Hibari war bewusstlos, sein Körper übersät mit Wunden, die mit klebrigem, blutigem Schorf überzogen waren. Einige glänzten noch feucht. Es waren Kratzer, wie von großen, scharfen Krallen. Wolfskrallen. Keine Illusion. Panisch sah er sich um. In einem Haufen aus zerfetzten Kleidern fand er seinen Kommunikator. Nur das Armband war zerrissen. In einem nahen Altkleidercontainer fand er ein übergroßes Shirt, das ölverfleckt war, und eine Jogginghose, die abgesehen davon, dass die Beine zu lang waren, sogar ziemlich gut passte. Es war besser als nichts, und Hayato hatte keine Zeit. Hibari lehnte bewusstlos an einer Hauswand, während er sich in die fremden Kleider quälte, die nach einer Mischung aus Waschmittel und muffiger Lagerung rochen. Sein Körper war über und über voll blauer Flecken und Blutergüssen, ihm tat immer noch alles weh, aber im Gegensatz zu Hibari konnte er immerhin noch laufen. Einige Wunden waren blutig, doch längst verschorft und trocken. Er würde es überleben. Hibari… Sah nicht unbedingt so aus. Hayato schob jeden Gedanken an tote Kameraden zurück in die Ecke seines Verstandes, in die sie gehörten – in die Ecke, in die er nie hineinsah. Mit zusammengebissenen Zähnen stakste er umständlich zu Hibari zurück, ächzte, als das Gewicht des Bewusstlosen seine Muskeln wieder zum Schreien und Protestieren brachte. Einmal quer durch Namimori. Es würde ein Höllentrip werden. Es wurde ein Höllentrip. Hayato brauchte länger, als er sich jemals eingestehen würde, und das trotz des Umstandes, dass sie den größten Teil des Weges mit der U-Bahn zurücklegten; die anderen Gäste warfen ihnen Blicke zu, tuschelten, doch weniger als Besorgnis lag eine abfällige Angst in ihren Blicken. Als wären sie es gewohnt, und alles, was sie kümmerte, war, dass nicht sie es waren, die zerschlagen und fertig dasaßen. Hayato hätte am Liebsten reingeschlagen. Hayato hätte am Liebsten überall reingeschlagen. Sie hatten Recht gehabt. Es war real. “Ich bin ein Werwolf.” Er vergrub das Gesicht in den Händen, von einem plötzlichen Schmerz erfasst, krallte die Finger in sein verfilztes Haar und schluchzte leise. „Juudaime.“ Der Weg von der U-Bahn bis zu ihrem Ziel war nicht weit, und trotzdem verfluchte Hayato jeden Schritt. Es schmerzte, zehrte von seinen letzten Kraftreserven. Er stürzte, Hibari fiel neben ihm wie eine leblose Puppe zu Boden. Hayato schrie, hieb wütend auf den Boden. Seine Knöchel platzten auf, sein Gesicht wurde nass. Als er aufsah, bemerkte er erste Regentropfen. Bis er das Gebäude erreicht hatte, war er völlig durchnässt, die Feuchtigkeit weichte den Schorf an seinen Wunden auf und malte rosige Flecken auf die unpassenden Kleider. Wenn man nach den Blicken von Juudaime und den anderen gehen konnte, mussten sie absolut furchtbar aussehen. „Ihr müsst uns helfen. Ihr hattet Recht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)