Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~ von Enrico (Teil V) ================================================================================ Kapitel 36: ~Eine verhängnisvolle Nacht~ ---------------------------------------- Ich hätte Toni niemals zum Chef der Wölfe ernennen dürfen. Je länger ich durch die Straßen New Yorks heize, um so deutlicher wird dieser Gedanke. Ich kann und will mir keinen neuen Leibwächter suchen, aber so lange Toni mit dem Club und den Aufgaben der Gang betraut ist, hat er keine Zeit mich zu begleiten. Dabei ist er der Einzige, den ich wirklich überall hin mitnehmen kann, ohne mir Sorgen machen zu müssen, das am nächsten Tag Aaron über all meine Machenschaften informiert ist. Der alte Mann muss nicht alles wissen. Wir werden eine andere Lösung für die Wölfe finden müssen. Außerdem kann ich mir gar nicht vorstellen, ihn nicht jeden Tag um mich zu haben. Seine umsichtige Art, sein einmaligen Orts-Kenntnisse und sein Wissen um die internen Abläufe unser Feinde, werde ich als Pate noch viel dringender brauchen, als zuvor. Hoffentlich lässt er sich überzeugen. Die letzten Tage schien er in seiner neuen Position aufzugehen. Was wenn er den Chefposten gar nicht hergeben will? Endlich ist er mal nicht nur mein Leibwächter und Berater. Ist es unfair und egoistisch von mir, ihm seine neue Stellung gleich wieder abzuerkennen? All diese Gedanken bringen nichts, ich muss mit ihm reden, dann wird uns sicher eine Lösung einfallen. Ich freue mich jetzt schon auf sein überraschtes Gesicht. Er wird sicher nicht damit rechnen, dass ich so spät noch vorbei komme. Bis ich in Brookly bin, wird es weit nach elf Uhr sein. Der Club ist um diese Uhrzeit sicher gut besucht. Er wird alle Hände voll zu tun haben. Ob er überhaupt einen Moment für mich herausschinde kann? Verdammt, meine Gedanken kreisen noch immer. Ich überhole den langsam vor mir zuckelnden LKW und nehme die kürzeste Route nach Hause. Wie erwartet sind alle Parkplätze belegt. Ich erwische gerade noch eine kleine Nische, in der ich mein Motorrad abstellen kann. Der Club läuft gut und das trotz Wirtschaftskrise. Ein Grund zum Aufatmen. Ich steige ab und gehe den Türstehern entgegen. Beide befinden sich in einer wilden Diskussion, mit einem mir unbekannten Gast. Der bärtige der Zwei, hindert den kleinen Asiaten daran, den Club zu verlassen, der andere redet auf den Gast ein. Neben den drei Männern steht eine junge Frau. Ihrer spärlichen Kleidung nach zu Urteilen, eine unserer Prostituierten. Was da wohl vor sich geht? Ich beschleunige meine Schritte und komme endlich in Hörweite der Diskussion. „Lass mich los! Ich habe mit der Schlampe nichts gehabt!“, kreischt der Asiat und reißt sich los. „Du lügst!“ Die junge Frau stemmt die Hände in die Seite und funkelt den kleinen Mann finster an, während sie sich an die Türsteher wendet: „Das perverse Schwein, wollte sogar Sonderleistungen von mir und jetzt will er nicht dafür zahlen!“ „Du hast die Dame gehört!“ „Das Flittchen hat doch gar keine Ahnung, was Sonderleistungen sind. Für den miserablen Sex, zahle ich keinen Cent. Sie kann froh sein, wenn ich mir keine Filzläuse eingefangen habe. Dann werde ich den Club nämlich verklagen! Und in der ganzen Stadt herum erzählen ...“ Okay das reicht, ich habe genug gehört! Der war das letzte Mal in meinem Club. Unbemerkt erreiche ich die Gruppe und klaue dem Asiaten im Vorbeigehen die Geldbörse aus der Hosentasche. „Wie viel schuldet er dir?“, wende ich mich an Silvia. Sie schaut überrascht, doch als ich die Scheine im Inneren der Geldbörse durchzähle, wird ihr Lächeln breiter. „Fünfzig!“, sagt sie schnelle. „Machen wir siebzig, als Aufwandsentschädigung“, entscheide ich und zähle die Scheine ab. Der Kerl hat knapp zweihundert Doller da drin, was ist er denn da so geizig? Fünfzig, Sechzig, Fünfundsechzig, Siebzig. Die Scheine reiche ich der jungen Frau, die sie mit einem zufriedenen Lächeln entgegen nimmt. Der Asiat brauch einen Moment, um zu begreifen, das es sein Geld ist, das ich der Nutte zustecke. Irritiert greift er sich in die leere Hose und sieht erschrocken zu mir. „Hey, was fällt dir ein!“ Das kantige Gesicht des Asiaten wird verbissener. Er ballt die Fäuste und macht einen Schritt auf mich zu. Als er sie gegen mich erhebt, nimmt einer der beiden Türsteher ihn in den Schwitzkasten. Der Kerl zappelt und windet sich, doch aus diesem Griff kommt er nicht frei. Ich grinse ihn breit an. Hat er wirklich geglaubt, mich hier vor meinen Leuten angreifen zu können? „Nimm und verpiss dich. Ich will deine Visage hier nie wieder sehen!“ Ich werfe dem Asiaten die Geldbörse zu. Er versucht sie vergeblich aufzufangen, vor ihm fällt sie zu Boden. „Wer glaubst du denn, wer du bist?“ „Der Besitzer! Ihm gehört der Laden!“, erklärt der Bärtige und stößt den Gast von sich. Die Geldbörse tritt er ihm nach. Der Asiat bückt sich und schaut ungläubig zu mir. „Der? Das ist doch noch ein Kind!“ Sehe ich denn wirklich noch so jung aus? Ich lächle nur und betrete den Club. Den Rest überlasse ich meinen Türstehern. „Wo kann ich Toni finden?“, will ich lediglich noch wissen. Eigentlich hätte er Probleme wie diese regeln müssen? Hat er denn gar nichts davon mitbekommen? Wo treibt er sich denn herum? „Er wollte ein paar Unterlagen in deinem Zimmer suchen!“, ruft mir der Bärtige nach. Ich nicke verstehend. Das erklärt zumindest warum er nicht hier ist, aber wozu braucht er Unterlagen aus meinem Zimmer? Die wichtigsten Schriftstücke sind bei Romeo im Büro. Seltsam! Wir müssen wohl über mehr sprechen, als meine neuen Leibwächter. Der Club ist voll, sanfte Soulmusik schwebt durch den Raum, der angefüllt ist von Gesprächen, gelegentliches Stöhnen und dem Qualm unzähliger Zigaretten. Alle Barhocker sind besetzt und bis auf zwei Tische ist auch der restliche Club ausgefüllt. Sehr schön, noch ein paar mehr solcher Tage und wir schreiben, das erste Mal seit der Eröffnung, schwarze Zahlen. Mein Blick fällt auf den Barkeeper. Romeo füllt gerade ein Glas mit Eiswürfel, als er mich kommen sieht, nickt er mir zu. Er hat alle Hände voll zu tun, die Bestellungen abzuarbeiten und keine Zeit für eine längere Begrüßung. Ich erwidere sein Nicken und schaue mir seine Kunden an. Von den Nutten mal abgesehen, alles fremde Gesichter. Lediglich ein junger Asiat sticht mir ins Auge. Er trägt eine Polizeiuniform. Das Glas in Romeos Hand ist für ihn bestimmt. Der Barkeeper deutet in meine Richtung, als er den Drink über den Tresen reicht. Scheinbar werde ich erwartet, doch ich habe keine Lust auf Jan. Das er seinen alten Job offensichtlich wieder hat, kann er mir auch später berichten. Als er sich von seinem Hocker erhebt und zu mir kommen will, winke ich ab. Er schaut skeptisch und setzt sich wieder. Ich verlasse den Club durch die eiserne Feuerschutztür. Als sie hinter mir ins Schloss fällt, wird es still. Die Unterhaltungen und Musik des Clubs verstummen, niemand ist hier. Haben sich die Türsteher geirrt? Ich folge dem langen Gang bis zur Tür meines Zimmers. Auch dort ist es still, keine Schritte bewegen sich im Raum. Hat Toni bereits gefunden, was er gesucht hat? Ich öffne die Tür und betätige den Lichtschalter: Eine kleine Gestalt hockt auf meinem Bett, ihre Füße baumeln über den Rand, die kindlichen Augen blinzeln mich verschlafen an. Goldene Engelslocken wallen sich über die schmalen Schultern und reichen weit den Rücken hinab. Das dunkelblaue Kleid ist zerknittert, ebenso wie das verschlafene Gesicht des Mädchens. Kira? Was macht Tonis Tochter in meinem Bett und noch dazu ganz allein? Die leuchten grünen Augen mustern mich hilfesuchend. „Was machst du hier ganz allein?“, frage ich das Kind und trete ein. Kira sieht sich suchend nach allen Seiten um. Als sie außer uns niemanden entdecken kann, zuckt sie mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Mit einem herzhaften Gähnen sondieren die kleinen Smaragdaugen meine spärliche Inneneinrichtung. Neben dem Bett gibt es lediglich einen weißen Kleiderschrank und einen Schreibtisch. Nichts was die Aufmerksamkeit des Mädchens lange fesselt, also wendet sie sich wieder mir zu. „Wo bin ich hier und wo ist Mama?“ Das wüsste ich auch zu gern. Ich zucke mit den Schultern und setze mich zu ihr aufs Bett. Argwöhnisch betrachte ich ihre Kleid. Es ist an etlichen Stellen geflickt worden und hat trotzdem ein Loch im Ärmel und ein weiteres in den weiten Rüschen. Kiras Gesicht und Hände sind dreckig und von ihr und ihren strohigen Haaren geht ein Geruch aus Schweiß und verdorbenen Lebensmitteln aus. Sie braucht dringend ein heißes Bad und neue Klamotten. Wo hat sich das Mädchen die letzten Tage bloß herumgetrieben? „Wie bist du denn hier her gekommen?“, will ich wissen. Kira macht ein nachdenkliches Gesicht und schaut aus dem Fenster. „Mhm Mama und ich sind U-Bahn gefahren und da bin ich eingeschlafen, dann bin ich hier wieder aufgewacht“, erzählt sie. Kein Wunder, es ist bereits halb zwölf. Das Kind gehört schon lange ins Bett. Was hat sich ihre Mutter nur dabei gedacht, sie mitten in der Nacht hier her zu bringen? „Lass mich dir beweisen, dass es mir ernst ist!“ Anette? Ihre Stimme ist gedämpft, aber ich bin mir sicher sie kommt von nebenan. Logisch, wo sollte sie sich auch sonst aufhalten, als in Tonis Zimmer. Was will sie hier? Ich dachte die Beiden haben sich getrennt? „Anette, ich bin mir nicht sicher, ob das eine so gute hhhhaa!“ Toni? Stöhnt er etwa? Was treiben die beiden da? „Jetzt hab dich doch nicht so! Kira schläft tief und fest und ich weiß doch, was dir gefällt.“ Das wage ich zu bezweifeln. Immer finstere schaue ich vor mich hin. So viel zu all seinen Versprechungen und der angeblichen Trennung. Dieser verlogene Bastard! Kira betrachtet die Wand hinter uns mit einem fröhlichen Lächeln und piepst: „Ich glaube Mama und Papa vertragen sich wieder.“ Nicht wenn ich es verhindern kann! „Komm mit, ich bringe dich zu deinen Eltern!“ Ich fordere die Hand des Kindes. Kira reicht sie mir bereitwillig und hüpft vom Bett. Die Tour werde ich den Beiden gehörig vermasseln. Von wegen Unterlagen heraus suchen. Toni sucht wohl eher nach der Unterwäsche seiner Ex. Mit dem Kind an der Hand verlasse ich mein Zimmer und öffne, ohne anzuklopfen, das Nachbarzimmer. Im Licht einer flackernden Kerze kann ich die Umrisse der Beiden nur erahnen. Erst als ich den Lichtschalter betätige, wird das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar: Anette sitzt auf Tonis Schoss, sie ist nackt, während er lediglich den Stall seiner Hose geöffnet hat. Beide stecken bereits ineinander und schauen erschrocken in unsere Richtung. Während meinem besten Freund der Atem stockt und er bei meinem Anblick leichenblass wird, zieht sich seine Freundin hastig die Decke vor ihre nackten Brüste. „Du Schwein! Kannst du nicht anklopfen!“, faucht sie und wirft mir einen hasserfüllten Blick zu. Krampfhaft umschlingen ihre Hände die Decke. Dabei ist mir ihr Anblick herzlich egal, es ist Toni dem meine Aufmerksamkeit gilt. „Kümmert euch lieber um euer Kind. Die Kurze braucht dringend ein Bad und frische Klamotten!“ Ich schubse das Mädchen in den Raum und knalle die Tür von außen zu. Elender Dreckskerl, redet von großer Liebe und macht mir ständig ein schlechtes Gewissen: Was er doch alles für mich aufgegeben hat. Von wegen! Na, wenigstens dürfte ihnen die Lust auf Sex jetzt vergangen sein. Doch auch meine Stimmung ist auf einem neuen Tiefpunkt. Was konnte ich auch so naiv sein und seinen leeren Versprechungen Glauben schenken. Als wenn er sich je für mich entscheiden würde. Ich bin so ein Idiot! Ohne Umwege kehre ich in den Club zurück, an den Tischen vorbei und an den Tresen zu Romeo und Jan. Neben dem Polizisten hockt eine junge Frau. Sie schiebt ihm die Zunge tief in den Hals, ihre Hände fahren seine Schenkel ab. Jan erwidert ihren Kuss, mit der Hand in ihren Nacken, presst er sie an sich. Er hat noch nie etwas anbrennen lassen, ob Frau oder Mann ist ihm dabei egal. Selbst in der Beziehung mit Lui, ist er nicht sesshaft geworden. „Geh, such dir einen anderen Platz!“, fordere ich die Nutte streng auf. Die Inderin schaut erschrocken. Ihre dunkelbraunen Augen mustern mich fragend. Als ich sie unverändert finster betrachte, nickt sie und lässt sich elegant vom Stuhl gleiten. Wortlos verschwindet sie und sucht sich einen anderen Freier. Jans finsterer Blick ist mir nun sicher. Er kann ihr ja folgen, wenn er es so dringend nötig hat. Ich setze mich auf den freigewordenen Platz und winke Romeo zu mir. „Mach mir nen Scotch1“, weiße ich ihn an, als er sich mir zuwendet. Der Barkeeper zieht eine Augenbraue fragend hinauf, sagt aber nichts und füllt das geforderte Glas. Als er es mir reicht und ich einen kräftigen Schluck nehme, spüre ich Jans forschenden Blick auf mir. „Was?“, will ich aggressiv wissen. Er schüttelt genervt den Kopf und trinkt sein Glas leer. „Ich wollte mit der noch aufs Zimmer“, murrt der Polizist. Ich zucke nur mit den Schultern. Ist mir so was von egal. „Dann geh ihr doch nach!“ „Mir ist die Lust vergangen.“ Warum regt er sich dann auf? „Was willst du überhaupt hier?“ „Du bist so charmant wie immer“, entgegnet er und hält sein leeres Glas in Romeos Richtung. Als dieser zu uns kommt und dem Polizisten einen neuen Drink macht, reiche ich auch mein Glas über den Tresen. Heute Abend saufe ich mich unter den Tisch, nehme ich mir fest vor. „Mach voll!“, weiße ich den Barkeeper an. Romeo zuckt mit den Schultern und füllt das Glas bis zum Rand. Gut so, noch zwei davon und das Bild von Anette und Toni wird in einem heftigen Rauschzustand untergehen. „Übertreibst du's nicht ein bisschen?“ Jan betrachtet mich mit sorgenvoller Miene. Diesen Blick kann er sich sparen. Wenn ich mich recht entsinne, hat er seinen Kummer vor kurzem noch selbst in Alkohol ertränkt. Mich wundert, dass er in diesem Zustand überhaupt seinen Job wieder bekommen hat. Ob da einmal mehr sein Vater seine Finger im Spiel hat? Er ist immerhin ein einflussreicher Polizeihauptkommisar. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du hier bist!“, harke ich weiter nach und spüle meinen zweiten Drink hinunter. Der Alkohol brennt sich meine Kehle hinab und lässt mich hastig atmen. Hitze breitet sich wohltuend in meinem Magen aus. Schade nur, dass das Zeug nicht eben so schnell meinen Geist benebelt. Verdammtes Weib! Warum muss Anette ausgerechnet heute Abend hier auftauchen? Ich wollte mit Toni allein sein, die Nacht mit ihm genießen. Was muss sie sich da rein drängen und warum pennt er auch gleich mit ihr? Ich dachte er hasst diese Art von Sex? Habe ich mich vielleicht in ihm geirrt? Steht er doch mehr auf Frauen? Bin ich vielleicht wirklich der Ersatzfick, von dem er immer spricht? Die engste Muschi? Ich lächle bitter und raufe mir die Haare. Ach, verdammt! Stumpf betrachte ich das leere Glas, und die zwei Eiswürfel, die von einer auf die andere Seite purzeln. Ich brauche mehr Alkohol! Sehr viel mehr! „Ich war so nett, Romeo über eine bevorstehende Kontrolle zu informieren!“, erklärt Jan und stellt sein Glas vor mir ab. Will er mir das etwa überlassen? Ungläubige sehe ich ihn an. Seit wann ist er nett zu mir? „Wie wäre es mit einem Danke?“ Wofür? Für den Drink oder die Informationen? „Danke?“, entgegne ich und schaffe es einfach nicht ehrlich zu klingen. Als ich das gereichte Glas an die Lippen setze, trüben die ersten Nebelschleier meine Sicht. Der Alkohol gurgelt in meinem Magen. Es ist sicher eine schlechte Idee, auch noch diese Glas hinunter zu schütten. Doch das Bild von Anette, in dem Schoss, in dem ich mich sonst so wohl gefühlt habe, lässt mich alle Bedenken vergessen. Ich will es nicht mehr sehen, nicht mehr daran denken. Jan legt den Kopf in die aufgestützte Hand und beobachtet mich, wie ich auch sein Glas in einem Zug leere. „Du wirst das Morgen früh, so was von bereuen!“ „Halt die Klappe, Klugscheißer!“, knurre ich und funkle ihn finster an. Seine Umrisse verdoppeln sich, je länger ich ihn betrachte. Verdammt, er wird recht behalten, mir dreht sich jetzt bereits alles. Aber was soll es. „Ich wette ich schaffe mehr als du!“ Jan lächelt amüsiert. Für ein Wetttrinken ist er immer zu haben. „Und der Wetteinsatz?“, ist seine einzige Frage. „Jungs, ich halte das für keine gute Idee. Ihr habt beide schon genug!“ „Dich fragt aber keiner!“, maule ich Romeo an und schiebe das leere Glas über den Tresen, „Mach lieber voll!“ Der Barkeeper verdreht die Augen. Er kennt uns Beide gut genug, um zu wissen, dass wir, mit zu viel Alkohol intus, ungemütlich werden können, aber da muss er jetzt durch. Zähneknirschend füllt er zwei neue Gläser und stellt sie vor uns ab. „Also?“ Jan betrachtet mich auffordernd und nimmt sein Glas an sich. Um was würde es sich lohnen zu wetten? Was würde sich für mich rentieren? „Wenn ich gewinne, besorgst du mir meine Akte bei den Bullen. Ich wollte schon immer mal wissen, was da drin steht.“ Jan zuckt mit den Schultern. „Von mir aus, aber wenn ich gewinne, dann habe ich einen Wunsch bei dir frei.“ Einen Wunsch? Was meint er denn damit? Kritisch schaue ich ihn an. Jans Augen betrachten mich lüstern. Hat er etwa von seinem letzten Versuch noch nichts gelernt? Er interessiert mich nicht! „Was denn? Willst du etwa kneifen?“ Bestimmt nicht! Ich saufe den Kerl unter den Tisch und wenn es das Letzte ist, dass ich heute Abend tue. „Auf dein Wohl!“, mit diesen Worten setze ich das Glas an meine Lippen. Jan prostet mir zu. Wir trinken beide in einem Zug aus und stellen die Gläser synchron auf dem Tresen ab. Auffordernd schauen wir in Romeos Richtung. Er seufzt und tauscht die Whiskygläser mit kleinen Schnapspinchen aus. Scheinbar ist er der Meinung, weniger ist mehr. Ich zucke mit den Schultern. Mittlerweile ist mir völlig egal, was ich trinke, Hauptsache der trübe Schleier legt sich schneller über meine kreisend Gedanken. Zwei weitere Drinks spülen wir hinunter. Mein Magen beginnt zu rebellieren, der viele Alkohol, brennt sich durch meine Gedärme. Mir ist schlecht und der Raum dreht bereits seine dritte Runde. Jan hingen sieht noch immer frisch aus. Sein siegessicheres Grinsen geht mir auf die Nerven. Dieser elende Bastard! Ich will nicht verlieren und ihm seinen perversen Wunsch erfüllen, was auch immer es ist. Warum habe ich mich nur auf den Mist eingelassen? Alles Antonios Schuld. Wenn er nicht so ein verlogenes Arschloch wäre, wäre mir jetzt nicht so kotzübel. Das neue Glas vor mir teilt sich in zwei, dann in vier. Immer wieder greife ich vergeblich danach. Während der Cop seinen nächsten Drink bereits hinunter geschüttet hat, schaffe ich es gerade mal den Echten von den drei Imaginären zu unterscheiden und endlich zu greifen. Das wird übel enden, ich weiß es, aber aufgeben kommt nicht in frage. Das selbstgefällige Grinsen im Gesicht des Polizisten, lässt mich das Glas erheben. „Hör auf dir die Birne zuzukippen und lass uns reden!“ Der hat mir gerade noch gefehlt. Toni nimmt mir das Glas aus der Hand und stellt es außer meiner Reichweite auf dem Tresen ab. Ich drehe mich gar nicht erst zu ihm um. Wie viel ich trinke, ist meine Sache und selbst wenn ich mich hier und jetzt übergeben muss, ist das mein Problem. „Ichhh will nichhht mit dir re re … reden! Ichhhh habe genug von de dei deinen Lüchen!“, nuschle ich. Meine Worte wollen einfach nicht mehr verständlich über meine Lippen. In diesem Zustand macht es keinen Sinn sich zu unterhalten. Scheiß auf die Wette. Ich halte es keinen Moment in seiner Gegenwart aus. Ich sehe mich an den Tresen um, bis ich zwei einsame Nutten ausmachen kann. Eine Blondine mit langen Beinen und großen Vorbau und eine kleinere Asiatin mit langen, schwarzen Haaren. Sie stehen zusammen und rauchen gemütlich. Sicher machen sie eine Pause, aber das ist mir egal. „Du und du. Mitkommen!“, bemühe ich mich nüchtern zu klingen und deute von einer auf die andere. Ich erhebe mich und kämpfe gegen den Schwindel an, der mir die Beine wegzuziehen droht. Verstört mustern mich Beide und stoßen den Qualm ihre Zigaretten in einer großen Wolke hervor. Als sie sich nicht von ihren Hockern erheben, werde ich lauter: „Sofort!“ Sie drücken die Stummel im Aschenbecher aus und stehen auf. Als ich zu ihnen gehen will, hält Toni mich am Arm fest. Seine smaragdgrünen Augen funkeln mich warnend an. Ich glaube eine Spur trauriger Verbitterung darin zu lesen, doch wahrscheinlich bilde ich mir das eben so ein, wie seine Liebe zu mir. „Was?“ Herausfordernd schaue ich ihn an. Seine eifersüchtiges Getue kann er sich sparen. Ich werde mit den Beiden schlafen und wenn mir danach ist, auch noch mit der ganzen verdammten Welt. Wir sind nicht zusammen, haben uns keine Treue geschworen. Wenn ich mit den Nutten abziehe, weiß er wenigstens, wie ich mich gerade gefühlt habe. Stumm starren wir uns an, eine gefühlte Ewigkeit lang. Die smaragdgrünen Augen durchforsten mich wild, Tonis Mundwinkel zucken unwillkürlich. Seine ganze Haltung ist angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt. Ich schaue nicht weg und obwohl ich mich anstrengen muss, seine Umrisse im Ganzen zu erkennen, bleibe ich ernst und grimmig. Schließlich wendet er sich ab. „Ach, mach doch was du willst!“, schnauzt er und gibt meinen Arm frei, dann dreht er mir den Rücken zu. Mit verschränkten Armen entfernt er sich. War es dass schon? Er hält mich nicht auf? Ist es ihm denn so egal, wenn ich mit den Nutten schlafe? Toni schaut nicht mehr zurück, er geht einfach. Soll er doch zu seiner Anette zurück. Ich kann mich auch ohne ihn amüsieren. Einen letzten finsteren Blick werfe ich ihm nach. Nichts, er öffnet die Feuerschutztür und lässt sie nach sich ins Schloss fallen. Bastard! Mit geballten Fäusten gehe ich um meinen Hocker herum und auf die Nutten zu. Ich hoffe für die Beiden, dass sie ihr Handwerk verstehen, sonst können sie sich morgen wo anders eine Anstellung suchen. „Enrico, damit habe ich die Wette wohl gewonnen, was?“, ruft Jan mir nach. Ich hebe nur die Hand und winke ab, ohne noch mal zurück zu schauen. „Geschenkt!“, entgegne ich. Dann soll er eben seinen dummen Wunsch haben. Ist mir egal! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)