König der Eichhörnchen von Beba ================================================================================ Kapitel 5: Grinsen (zensiert) ----------------------------- Als Sarah von der Arbeit nach Hause kam und die Eingangstür aufschloss, strömte ihr ein verführerischer Duft entgegen. Schwelgerisch streckte sie die Nase in die Luft und versuchte zu erraten, was Henning diesmal gekocht hatte. Es roch ganz unverkennbar nach Gorgonzola… Mein Gott, hatte der Kleine tatsächlich die berühmte Gorgonzola-Sauce seiner Mutter zubereitet? Sarah lobte sich innerlich zum wiederholten Mal dafür, sich ihren Neffen ins Haus geholt zu haben. Sie lebte zwar gerne allein, aber der Junge erwies sich als wahrer Meisterkoch, war nahezu unsichtbar und beteiligte sich auch noch ohne Murren oder Meckern am Haushalt. Gerade Letzteres war ein Segen, denn Sarah war stinkend faul wenn es darum ging, aufzuräumen oder zu putzen. Henning dagegen schien diese Aufgaben mit Leichtigkeit zu erfüllen und trotzdem noch genügend Zeit zu haben, sich um das Abendessen zu kümmern. “Wenn du so weiter machst, lasse ich dich hier nie wieder ausziehen”, drohte die Brünette mit erhobenem Zeigefinger, als sie in die Küche gelaufen kam. Henning stand gegen die Küchentheke gelehnt, pustete gegen eine Gabel dampfender Spaghetti und lächelte, als er sie sah. Er hatte eine schwarze Jogginghose und ein viel zu großes T-Shirt an, auf dem das Maskottchen eines sehr bekannten Videospiels abgebildet war. Seine Brillengläser waren durch den Wasserdampf der brodelnden Töpfe leicht beschlagen. “Hallo Tantchen”, grüßte er sie freundlich. Sarah beugte sich über den Kochtopf mit der Gorgonzolasauce und stöhnte angetan. “Ich werde noch fett, wenn du ab jetzt jeden Tag für mich kochst.” “Ach was, soweit wird es sicher nicht kommen. Außerdem koche ich gerne. Es macht mir Spaß.” Vorsichtig biss Henning ein Stück von der Spaghetti ab, die er aus dem kochenden Wasser gezogen hatte, um zu überprüfen, ob sie schon gar war. “Sie brauchen noch ein bisschen”, stellte er kauend fest. “Fein, dann kann ich ja schnell einen Salat dazu machen”, erwiderte Sarah fröhlich. Sie holte einen Eisbergsalat aus dem Kühlschrank und fing an, die Blätter abzuzupfen. “Wie war es auf der Arbeit?”, wollte Henning wissen, während er ihr dabei zusah. “Wie immer”, seufzte seine Tante und hob die Achseln, “Haufenweise Rentner, die ihr Haus in Eigenarbeit sanieren möchten und sich wundern, wenn ich ihnen davon abrate.” Henning lachte vergnügt. “Das Übliche also.” “Sozusagen”, meinte Sarah lächelnd. “Und bei dir? Hast du die Radtour gemacht um die Gegend zu erkunden, wie du es eigentlich vor hattest?” Das Gesicht des Schwarzhaarigen hellte augenblicklich auf. “Oh ja, und ich habe wirklich viel erlebt!” “Tatsächlich?” Sarah öffnete den Wasserhahn und wusch die abgetrennten Salatblätter. “Ja”, entgegnete Henning ihr begeistert, “Ich habe zwei Eichhörnchen-Waisen im Wald entdeckt, der ganz in der Nähe des Baumarktes liegt. Eigentlich wollte ich dich ja mal besuchen, aber das hat dann natürlich meine ganze Planung durcheinander gebracht.” “Verwaiste Eichhörnchen? Ohje...” Sarah machte ein trauriges Gesicht. “Haben sie noch gelebt?” “Ja, aber ihre Mutter habe ich etwas weiter entfernt gefunden. Sie lebte leider nicht mehr”, erzählte Henning betrübt. “Du hast sie doch nicht etwa mutterseelenallein da liegen lassen, oder?”, erkundigte sich seine Tante mit großen Augen. Sofort schüttelte der Junge den Kopf. “Nein, natürlich nicht! Es tauchte plötzlich ein total netter Typ auf, der sie dann mitgenommen hat. Er wollte sich um sie kümmern.” Sarah schien verwundert. “Ein total netter Typ? Weißt du denn, wie er hieß?” “Ja, er sagte er heißt Priam.” Jetzt schien Sarahs Erstaunen gar kein Ende mehr zu nehmen. Mit offenem Mund sah sie zu Henning herüber. “Priam?!” Sie ließ von der Salatschüssel ab, drehte sich zu Henning um und verschränkte grinsend die Arme. “Das darf ja wohl nicht wahr sein! Dieser Schlingel! Dabei kann er mit Tieren doch überhaupt nichts anfangen!” Etwas irritiert über die Reaktion seiner Tante kratzte Henning sich den Kopf. “Du kennst ihn also?” “Natürlich kenne ich ihn!”, brachte Sarah amüsiert hervor, “Er ist mein Kollege, und zufälligerweise auch noch mein bester Freund!” Jetzt war es Henning, der vor Verwunderung zu lächeln anfing. “Echt? So ein Zufall.” “Das kann man wohl sagen”, stimmte Sarah ihm zu. Sie griff wieder nach dem halb fertigen Salat und packte ihn in die Salatschleuder. “Und er kümmert sich jetzt allen Ernstes um ein paar Eichhörnchen?” “Ja”, bestätigte Henning und wollte dann mit besorgtem Blick wissen: “Wieso? Meinst du etwa, er kriegt das nicht hin?” “Doch, bestimmt”, entgegnete die brünette Frau, während sie den Salat trocknete, “Ich wusste nur nicht, dass er so ein großes Herz für Tiere hat. Soweit ich weiß hatte er noch nie irgend ein Haustier.” “Ich denke, er wollte nur helfen”, vermutete Henning. Sarah hob grinsend eine Augenbraue. “Oh ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen.” Auch während sie aßen, blieben Priam und die Eichhörnchen das Hauptgesprächsthema. Zuerst erzählte Henning alles, was seit dem Fund der Tierchen passiert war, dann berichtete Sarah darüber, wie sie sich vor einigen Monaten mit Priam angefreundet hatte. Sie musste sich immer wieder ein Schmunzeln verkneifen, wenn Henning Fragen über den lebensfrohen Mann stellte, und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, warum Priam sich als Retter angeboten hatte. Zwingend tauchte in ihr die Frage auf, ob Henning etwas von seiner sexuellen Ausrichtung ahnte. Ob Henning selbst etwa auch…? Sie verfiel ins Grübeln. Hatte Henning schon mal eine Freundin gehabt? Meine Güte, hatte ein Typ wie er überhaupt eine Chance bei Frauen? Er sah ja schon irgendwie süß aus, sofern sie das beurteilen konnte. Aber sie glaubte kaum, dass die Mädels in seinem Alter auf Videospiele, Star Trek und Comics abfuhren. “Tantchen?” Sarah schrak aus ihren Gedanken auf und sah in das fragende Gesicht ihres Neffen. Verdutzt schüttelte sie den Kopf. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass Henning sie etwas gefragt hatte. “Wie bitte?” “Ich habe gefragt, ob du mit dem Essen fertig bist”, wiederholte der junge Mann und deutete mit amüsiertem Lächeln auf ihren Teller. “Oh. Ja, ich bin fertig”, antwortete Sarah eilig. Sie stand auf, um Henning beim Abräumen zu helfen. Nachdem sie das dreckige Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, schaltete sie den Fernseher ein und machte es sich auf der Couch bequem. Henning leistete ihr noch eine Weile Gesellschaft und sie bemerkte ziemlich schnell, dass er andauernd auf sein Smartphone sah. “Sag bloß, ihr habt Nummern getauscht?”, fragte sie grinsend, als der Schwarzhaarige sein Telefon zum bestimmt hundertsten Mal mit enttäuschtem Blick auf den Couchtisch zurück legte. Ihre Frage schien Henning in Verlegenheit zu bringen. Sofort bildete sich eine zarte rötliche Färbung auf der Haut unterhalb seines Brillengestells. “Ja”, gestand er zögernd, “Ich wollte schließlich wissen, was aus den Eichhörnchen wird. Aber bisher hat er sich noch überhaupt nicht gemeldet. Dabei wollte er eigentlich durchklingeln lassen, sobald er daheim ist.” “Er hat jetzt bestimmt erstmal alle Hände voll zu tun”, vermutete Sarah. “Immerhin ist er Tiere nicht gewöhnt.” Henning schwieg, was erneut ein Grinsen auf Sarahs Gesicht zauberte. Soso, da wartete ihr süßer kleiner Neffe also voller Ungeduld darauf, dass Priam sich bei ihm melden würde... Sie nahm sich vor, ihrem Besten gleich morgen früh mal auf den Zahn zu fühlen. Nachdem Henning noch eine Zeit lang mit seiner Tante fern gesehen hatte, verdrückte er sich in sein Zimmer. Wenn Sarah ihre abendlichen Serien guckte, war sie sowieso wie gelähmt, also konnte er sich auch um andere Dinge kümmern. Er legte sein Smartphone auf seinen Schreibtisch ab und fing an, noch ein paar Umzugskartons auszuräumen. Zum Glück hatte er nicht viele Möbel, die er sein Eigen nennen konnte, was ihm den Auszug aus seinem Elternhaus einfach gemacht hatte. Trotzdem war einiges zusammengekommen, was jetzt ausgepackt werden musste. Filme, Videospiele für tausend unterschiedliche Konsolen und Bücher en masse. Henning las nahezu alles. Thriller, Horror, Krimis, Erotisches, lustiges, Sci-Fi und nicht zu vergessen: Comics. Allein seine Manga-Sammlung füllte einen kompletten Umzugskarton. Irgendwann vor ein paar Jahren hatte er durch eine Freundin mal angefangen, die Dinger zu lesen, und seitdem war er süchtig danach. Nachdem er die Bücher alle ordentlich weggeräumt hatte, betrachtete er stolz seine beachtliche Kollektion und entschied dann, es für heute gut sein zu lassen. Er hatte keine Lust mehr, Kartons auszuräumen, und morgen war ja auch noch ein Tag. Bis er nächsten Montag seine Ausbildung anfangen würde, hatte er noch genügend Zeit, sich hier häuslich einzurichten. Sarah hatte ihm ein richtig schönes Zimmer überlassen. Es war wirklich groß und grenzte direkt an den hauseigenen Garten. Auch wenn der Raum nur zum Garten hin ein einziges, riesiges Fenster hatte, ging dieses fast zum Boden und ließ viel Licht hinein. Die Fensterbank war auf Kniehöhe und so breit, dass man darin sitzen konnte. Henning hatte sie jetzt schon zu seinem Lieblingsplatz auserkoren. Er freute sich schon darauf, ein Kissen auf das helle Holz zu legen und sich mit einem guten Buch oder seiner Handheld-Konsole zu entspannen. Henning erschrak, als etwas seine Beine streifte. “Atilla!” Mit verärgertem Blick sah er den fetten, grauschwarz getigerten Kater an, der sich mit unschuldigem Miauen an seinen Waden rieb. “Musst du mich so erschrecken?” Nachsichtig ging er in die Hocke, um dem Koloss über den Kopf zu kraulen. “Priam ist nicht der Einzige, der Haustiere nicht gewohnt ist”, meinte er entschuldigend, was Atilla nur mit genießerischem Schnurren kommentierte. Als Henning sich wieder erhob, flüchtete der Kater aus dem Zimmer, was der Schwarzhaarige nutzte, um die Zimmertür zu schließen. Der Schlüssel zur Tür war schon vor einiger Zeit verloren gegangen, weswegen man sie nicht mehr abschließen konnte. Henning fand es nicht weiter schlimm. Er hatte ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Tante und wusste, dass sie im Zweifelsfall immer anklopfte, bevor sie in sein Zimmer kam. Trotzdem gab es gewisse Dinge, die er lieber nicht erledigte, wenn er wusste, dass Sarah in der Nähe war. Die tägliche Befriedigung seiner Lust war eine dieser Dinge. Henning lief ins Badezimmer, das glücklicherweise nicht ohne ein funktionsfähiges Schloss auskommen musste. Er zog den Duschvorhang zur Seite, drehte den Wasserhahn auf und zog sich aus, während das Wasser die richtige Temperatur erreichte. Ein Schaudern durchzog seinen schlanken Körper, als er unter das angenehm heiße Wasser stieg. Es rauschte über seinen Kopf, prasselte auf seine schmalen Schultern nieder und floss an ihm herab. Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus. [...] Er verließ mit zittrigen Beinen die Dusche, band ein Handtuch um seine Hüften und lief in sein Zimmer zurück. Gerade als er anfing, seinen blassen Körper abzutrocknen, piepste sein Smartphone. Mit verdutztem Blick sah er auf, lief zum Schreibtisch und berührte den Bildschirm. Er hatte eine Nachricht bekommen. Die Nummer war nicht eingespeichert, aber Henning ahnte bereits, wer ihm geschrieben hatte. Eilig fuhr er mit seinem Finger über den Touchscreen um die Nachricht zu öffnen. “Hey Henning! Sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Hab ne gefühlte Ewigkeit mit dem Eichhörnchen-Notruf telefoniert und musste dann noch alles mögliche an Zeug besorgen, damit die Kleinen mir nicht verhungern. Du glaubst nicht, wie viel Arbeit die machen! Und was man da alles beachten muss… Jetzt sind sie jedenfalls satt und werden von Minute zu Minute agiler. Du solltest mal sehen, wie sie hier herumrennen! Und dann schlafen sie plötzlich mittendrin ein, hahaha.” Es folgte ein etwas verschwommenes Foto, das die beiden Tiere zeigte. Sie lagen auf einem hellen Handtuch, offenbar auf Priams Schoß. Eins von ihnen schien tief und fest zu schlafen. Ein Lächeln überflog Hennings Gesicht. Anscheinend waren seine Sorgen völlig unbegründet gewesen. Er freute sich sehr darüber, dass Priam ihn doch nicht vergessen hatte, denn für einen kurzen Moment hatte er schon geglaubt, der Ältere würde sich nicht mehr melden. Dabei hatte er sich wirklich gefreut, den Mann kennen gelernt zu haben. Henning fand ihn irgendwie cool. Eilig wischte er seine noch feuchten Finger an seinem Handtuch trocken und schrieb eine Antwort: “Eichhörnchen-Notruf? Sowas gibt’s echt? xD Wieder was dazu gelernt! Es freut mich total, dass es den Zweien jetzt besser geht. Tut mir übrigens sehr leid, dass ich dir das eingebrockt habe. Ich würde dir gern irgendwie helfen. Brauchst du noch etwas?” Auch wenn Henning nicht versuchte, auf den Bildschirm zu starren, tat er es doch. Er sah, dass Priam bereits dabei war, seine Nachricht zu beantworten. “Du hast mir doch nichts eingebrockt! War ja schließlich meine Entscheidung. Aber wenn ich ehrlich bin, könnte ich wirklich deine Hilfe gebrauchen… Ich muss morgen zur Arbeit, aber die Hörnchen brauchen alle 4-5 Stunden was zu futtern. Das schaff ich nicht in meiner Mittagspause, denn ich hab kein Auto. Und mitnehmen kann ich die Kleinen ja auch schlecht. Du hast nicht zufällig Zeit und Lust, bis zum Wochenende die Mittags-Fütterung zu übernehmen?” Henning grinste bis über beide Ohren, als er seine Antwort schrieb. “Doch, habe ich!” Er wusste nicht genau, wieso, aber sein Grinsen wollte einfach nicht mehr verschwinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)