Gestaltenwandler von kleines-sama (DoflamingoxCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 5: Part I: Lüge und Missverständnis ------------------------------------------- Doflamingo zog an diesem Tag mehrmals auf Jagd. Da der Kater viel essen musste, um so schnell wie möglich wieder gesund zu werden, bemühte er sich darum, ihre Speisekammer rasch aufzufüllen. Außerdem boten sich die chaotischen Zustände nach dem verheerenden Sturm besonders gut an für eine erfolgreiche Jagd. Es gelang Doflamingo, in Windeseile etwa ein Dutzend verschiedene Tiere zu erlegen, vom verletzten Waschbär bis hin zum flinken Reh. Für eine solche Masse an Beute müsste er normalerweise einen langen Jagdzeitraum einplanen; heute allerdings brauchte er bloß wenige Stunden, um so viele verschiedene Tiere zu erlegen. Die Sorge um Crocodile und sein Bemühen, einen besonders guten Eindruck auf diesen zu machen, spornten ihn zu Höchstleistungen an. Zurück in seiner Höhle nahm er den Waschbär zur Hand, um Crocodile zu zeigen, wie man einem Säugetier das Fell abzog. Leider gelang ihm dies nicht so gut wie das Federnrupfen, auch nachdem Doflamingo ihm mehrmals gezeigt hatte, wie es funktionierte. Trotzdem nahm er dem Kater seine Unfähigkeit nicht übel. Einem Säugetier das Fell abzuziehen war nämlich deutlich schwieriger als einem Huhn die Federn auszurupfen. Doflamingo selbst hatte als Kind große Schwierigkeiten damit gehabt, es zu lernen. Und auch wenn Crocodile die Erscheinung eines jungen Mannes besaß, wusste Doflamingo doch darüber Bescheid, dass dieser keinerlei Erfahrungen besaß, was das Überleben in der Wildnis anging. Wer sollte ihm auch beigebracht haben, zu jagen und seine Beute zu zerlegen? Schließlich hatte er durch Crocodile erfahren, dass Gestaltenwandler, die in Zoos oder als Kuscheltiere in privaten Haushalten gehalten wurden, bloß fertig zubereitete Nahrung vorgesetzt bekamen. Er hatte also niemals die Gelegenheit dazu bekommen, all diese wichtigen Fertigkeiten zu erlernen. Und aus diesem Grund sah Doflamingo dem Kater seine Unfähigkeit auch nach. Mehr noch sogar: Er genoss es, für Crocodile den Lehrer zu spielen und diesem verschiedene Techniken zum Zubereiten von Beutetieren zu zeigen. Ganz besonders freute Doflamingo sich übrigens darauf, irgendwann einmal gemeinsam mit dem Kater auf Jagd zu gehen und ihm beizubringen, wie man am leichtesten ein Tier erlegte. Aber natürlich erst, wenn dieser wieder vollkommen genesen war. Er wollte nämlich auf keinen Fall riskieren, dass sich Crocodiles gesundheitlicher Zustand wieder verschlechterte. Der Kater hatte bereits genug mit seinen beiden schweren Fleischwunden zu kämpfen. Da wollte er diesen nicht noch zusätzlich gefährden, indem er ihn mit auf Jagd nahm, obwohl er doch auch allein gut für sie beide sorgen konnte. Immerhin ging ihm noch immer nicht das Bild aus dem Kopf, wie Crocodile -schwer verletzt, völlig durchnässt und dem Tod nahe- unter den Dornensträuchern gelegen hatte. Er war sich sicher, dass er diesen Anblick niemals wieder vergessen würde. Unweigerlich fragte sich Doflamingo, wieso der Kater nicht die Gestalt seines Tiergeistes angenommen hatte. Schließlich hätte dieser als Panther sicher bessere Überlebenschancen gehabt als in seiner menschlichen Gestalt. Vielleicht, dachte Doflamingo und er konnte nicht verhindern, dass ihn diese Vermutung fürchterlich wütend machte, hatte man ihm verboten und abgewöhnt, die Gestalt seines Tiergeistes anzunehmen. Vielleicht hatten die Zoobesitzer entschieden, dass ein Gestaltenwandler in seiner menschlichen Gestalt mehr Einnahmen einbringen würde als ein schwarzer Panther. Menschen waren wirklich abscheuliche Kreaturen. Bestimmt gefiel ihnen ein Kind mit schwarzen Fellohren und langem Katzenschwanz besser als eine einfache Großkatze. Armer Crocodile. Doflamingo nahm sich vor, diesen demnächst einmal dazu zu bewegen, die Gestalt seines Tiergeistes anzunehmen. Nur zu gern wüsste er, wie Crocodile als schwarzer Panther wohl aussehen mochte. Crocodile war sowohl beeindruckt als auch eingeschüchtert angesichts der schieren Menge an erlegten Tieren, die Doflamingo innerhalb nur weniger Stunden mit nach Hause brachte. Auf der einen Seite freute er sich natürlich darüber, dass sie beide in nächster Zeit keinen Hunger leiden mussten, doch auf der anderen Seite fragte er sich bekümmert, ob er jemals mit den Jagderfolgen des Wolfes würde mithalten können. Immerhin handelte es sich bei ihm bloß um eine einfache Hauskatze. Er hatte in seinem ganzen Leben noch niemals etwas erjagt, nicht einmal eine Maus oder Motte. Nachdem sie beide sich das Fleisch eines Waschbären und eines kleinen Wildschweins geteilt hatten, erwähnte Doflamingo beiläufig, dass es an der Zeit wäre, seine Verbände zu wechseln und die entzündungshemmende Salbe neu aufzutragen. "Von mir aus", meinte Crocodile. Er wusste, dass man Verbandszeug regelmäßig wechseln und Wunden neu desinfizieren musste, damit die Verletzungen sauber blieben und gut heilen konnten. Als Kitten war er einmal in eine Glasscherbe getreten und hatte diese Prozedur selbst mehrmals durchleben müssen. Trotzdem gefiel Crocodile der Gedanke nicht, erneut das fürchterliche Brennen des Desinfektionsprays auf seinen beiden offenen Wunden spüren zu müssen. Um sich allerdings vor dem Wolf keine Blöße zu geben, biss er fest die Zähne aufeinander und bemühte sich mit aller Kraft darum, keinen Laut von sich zu geben, während Doflamingo zuerst die Verletzung in seinem Gesicht und gleich danach die Bisswunde an seinem rechten Unterarm desinfizierte. Anschließend trug er die entzündungshemmende Salbe auf und verband die beiden Verletzungen neu. Außerdem musste Crocodile abermals eine Tablette schlucken, die -wie Doflamingo ihm erklärt hatte- dazu beitrug, die Entzündung von innen heraus zu bekämpfen. "Die beiden Wunden sehen schon deutlich besser aus als beim letzten Mal", sagte Doflamingo mit heiterer Stimme, während er sich gerade daran machte, die Bisswunde an Crocodiles Arm zu verbinden. "Die Medikamente scheinen also tatsächlich Wirkung zu zeigen. Vor allen Dingen die Verletzung in deinem Gesicht heilt gut. Glücklicherweise scheint sie nicht annähernd so schlimm entzündet zu sein wie die Bisswunde vom Fuchs. Ich hoffe bloß, dass wir mit dieser ähnliches Glück haben werden." "Sie juckt und brennt manchmal", gestand Crocodile, den es ein wenig verlegen machte, dass sich der Wolf so stark um ihn sorgte. "Aber ansonsten ist alles in Ordnung. Ich denke, dass ich außer Lebensgefahr bin." Er zögerte für einen Moment, ehe er schließlich noch hinzufügte: "Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Hättest du mich nicht in deine Höhle gebracht, gepflegt und gefüttert, wäre ich inzwischen sicherlich längst tot. Den Sturm, der draußen getobt hat, hätte ich niemals heil überstanden. Und ich möchte dir auch dafür danken, dass du die Medizin aus der Stadt für mich besorgt hast. Ansonsten hätten mich meine beiden Verletzungen vielleicht Tage oder Woche später noch dahingerafft. Wie auch immer: Wäre ich dir nicht begegnet, wäre ich jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr am Leben." "Ist schon gut", gluckste Doflamingo munter und winkte ab. "Du musst dich nicht so überschwänglich bei mir bedanken. Am Ende waren meine Gründe für deine Rettung ja doch eher egoistisch: Ich habe dir geholfen, weil ich es wollte. Du hast mir gefallen und du gefällst mir noch immer. Also schuldest du mir überhaupt nichts." Crocodile spürte sofort, dass ihm angesichts dieser unmissverständlichen Bemerkung unangenehm heiß wurde. Schamhaft wandte er das Gesicht ab, doch konnte trotzdem nicht verhindern, dass Doflamingo die Röte, die sich inzwischen bis zu seinen Ohren ausgebreitet hatte, bemerkte. Zum Glück jedoch machte der andere Gestaltenwandler keine ungeziemende Bemerkungen, sondern grinste bloß ahnungsvoll und fuhr unablässig mit seiner Arbeit fort. Nachdem seine beiden Wunden ausreichend versorgt worden waren, ließ Doflamingo nicht sofort von ihm ab. Er hielt noch für eine Weile lang Crocodiles Unterarm fest, was dieser zuließ, ehe der Wolf den Körperkontakt schließlich einstellte. Crocodile wusste nicht so recht, was er von dieser Berührung halten sollte. Einerseits verstärkte sie die peinliche Röte in seinem Gesicht, andererseits allerdings sorgte sie für ein überaus angenehmes Kribbeln in seiner Bauchgegend. Er wusste nicht, wie er auf diese Annäherungsversuche (falls es sich tatsächlich um Annäherungsversuche handelte) reagieren sollte. Crocodile wusste nämlich nicht nur unzureichend über das Leben draußen in der Wildnis Bescheid; er kannte sich überhaupt nicht aus, was das Sozialverhalten von Gestaltenwandlern untereinander anging. Er hatte sein gesamtes bisheriges Leben in einem Haus gemeinsam mit seinen beiden Halbbrüdern verbracht. Von Annäherungsversuchen im sexuellen Sinn hatte er keine Ahnung. Darum konnte er auch nur schwer einschätzen, was diese Berührung seitens Doflamingo zu bedeuten hatte. Womöglich interpretierte er dessen Verhalten auch völlig falsch. Oder der Wolf wollte mit dieser Geste zwar Zuneigung, doch bloß im freundschaftlichen und nicht im romantischen Sinne ausdrücken. Vielleicht hatte sie aber auch einfach überhaupt nichts zu bedeuten. Crocodile konnte lediglich beurteilen, dass diese Berührung nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Alle Vermutungen, die über diese Tatsache hinausgingen, waren reine Spekulation. Um den Wolf nicht zu beleidigen und in Ermangelung einer besseres Alternative, beschloss er, sie zwar zuzulassen, doch ansonsten nicht weiter darauf einzugehen. "Darf ich dich etwas fragen?", meinte plötzlich Doflamingo ganz unvermittelt. Verwundert hob Crocodile den Blick und sah dem anderen Gestaltenwandler ins Gesicht, der ihn wiederum gespannt musterte. Crocodile zögerte für einen Moment, ehe er erwiderte: "Worum geht es denn?" Er war eine ziemlich zurückhaltende Person, die nur ungern persönliche Informationen mit Anderen teilte. Er lebte eher zurückgezogen und benötigte viel Zeit, bis er einem Fremden vollständig vertraute. "Um eine Sache, die mir aufgefallen ist, als du unter den Dornensträuchern lagst. Du weißt schon, bei unserem allerersten Aufeinandertreffen. Ein Detail, das mir nicht ganz logisch oder vernünftig erscheint." "Ähm, von mir aus", meinte schließlich Crocodile, der nicht so recht wusste, was er von diesem plötzlichen Interesse seitens Doflamingo halten sollte. "Was möchtest du wissen?" Eigentlich wäre es ihm lieber gewesen, nicht über dieses Ereignis zu sprechen (am liebsten wollte er es so schnell wie nur möglich vergessen), doch da er noch immer das Gefühl hatte, in der Schuld seines Lebensretters zu stehen, wollte er ihm diesen Gefallen nicht abschlagen. Wahrscheinlich würde es sich sowieso bloß um irgendeine unwichtige Sache handeln. "Warum hast du nicht die Gestalt deines Tiergeistes angenommen?", fragte Doflamingo mit neugieriger Stimme und fixierte ihn mit einem erwartungsvollen Blick. Crocodile schluckte. Er wollte dem penetranten Blick des Wolfes ausweichen, doch musste leider feststellen, dass ihm dies nicht gelingen wollte. Was sollte er auf diese Frage nur erwidern? Immerhin wusste Doflamingo noch immer nicht, dass er bloß den Tiergeist einer überaus erbärmlichen Hauskatze besaß. Schlimmer noch: Dieser hielt ihn für einen Panther. Eine kräftige, elegante und wunderschöne Großkatze. "Wieso möchtest du das wissen?" Crocodile stellte diese Gegenfrage, um Zeit zu schinden. Durch seinen Kopf schwirrten mindestens einhundert verschiedene Gedanken, doch er bekam keinen einzigen von ihnen zu fassen. Was sollte er auf Doflamingos Frage nur antworten? Sollte er ihn anlügen? Oder endlich reinen Tisch machen und diesem die Wahrheit über seinen Tiergeist erzählen? "Es ist mir einfach aufgefallen", meinte Doflamingo leichthin. "Ich weiß zwar, dass du aus der Stadt kommst und keine Erfahrungen hast, was das Überleben in der Wildnis angeht. Doch die Gestalt deines Tiergeistes anzunehmen wäre doch sicherlich in jeder Situation die richtige Entscheidung gewesen, oder nicht? Auch wenn ein schwarzer Panther alles andere als häufig in einem gewöhnlichen Laubwald zu finden ist, wärst du sicher weniger stark aufgefallen als in deiner menschlichen Gestalt. Außerdem hätte dich dein Fell besser wärmen und schützen können. Ganz abgesehen davon, dass du dich im Angriffsfall besser hättest verteidigen können. Ich frage mich also, wieso du trotz allem nicht verwandelt hast?" Wenn er Doflamingo erzählte, dass er bloß mit dem Tiergeist einer einfachen Hauskatze gesegnet worden war, dachte Crocodile betrübt, dann würde ihn dieser sicherlich verachten. Im schlimmsten Fall sogar aus seiner Höhle scheuchen. Ihn vielleicht sogar töten. Immerhin handelte es sich bei Doflamingo um einen starken und stolzen Wolf. Sicherlich hätte er nichts als Geringschätzung und Missbilligung für ihn übrig. Und eine solche Reaktion wollte Crocodile auf gar keinen Fall riskieren. "Ich, ähm,weiß nicht", antwortete Crocodile schließlich recht unbeholfen. "Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, mich zu verwandeln. In der Stadt kommt man besser in seiner menschlichen Gestalt zurecht." Angesichts dieser dämlichen Antwort musste Doflamingo ihn für einen absoluten Idioten halten, dachte Crocodile missmutig und schämte sich selbst angesichts seiner Einfallslosigkeit. Welcher Gestaltenwandler kam denn bitte nicht auf die Idee, sich zu verwandeln? Selbst Crocodile hatte in seinem früheren Leben als Hauskatze sehr häufig die Gestalt seines Tiergeistes angenommen. Gestaltenwandler, die ausschließlich in menschlicher Gestalt unterwegs waren, existierten schlicht und ergreifend nicht. Sicherlich würde Doflamingo diese Lüge sofort durchschauen! Der Wolf ließ ihn noch immer nicht aus den Augen, doch weder scheuchte er ihn aus seiner Behausung noch stellte er Schlimmeres mit ihm an. Stattdessen schwieg er für eine Weile, ehe er gedankenverloren den Kopf schüttelte und meinte: "Ähm, okay. Wie auch immer. Du solltest dich jetzt wieder schlafen legen. Du musst dich viel ausruhen, damit deine beiden Wunden gut verheilen können. Ich gehe in der Zwischenzeit zurück zum Eingang der Höhle. Du weißt schon, um Wache zu halten und sicherzugehen, dass wir beide nicht wieder von einem unerwünschten Eindringling überrascht werden. Gute Nacht!" "Gute Nacht", erwiderte Crocodile, der nicht wusste, was er von Doflamingos sonderbaren Benehmen halten sollte. Ihm kam es beinahe so vor, als wollte der Wolf vor ihm flüchten oder zumindest Distanz zu ihm aufbauen. Denn normalerweise wartete er an seinem Bett, bis er fest eingeschlafen war, und ging erst anschließend anderen Tätigkeiten nach. Vielleicht hatte Doflamingo ihn durchschaut, dachte Crocodile nervös, und wollte nun nichts mehr mit ihm zu tun haben. Verachtete ihn und empfand Ekel, doch wagte es aus irgendeinem Grund nicht, ihm dies eindeutig zu zeigen. Verschwand stattdessen unter dem schlechten Vorwand, Wache halten zu wollen. Diese Befürchtung versetzte Crocodile einen schmerzhaften Stich mitten ins Herz. Er hatte immer gewusst, dass er mit dem Tiergeist einer Hauskatze unter echten, nicht domestizierten Gestaltenwandlern niemals Akzeptanz finden würde. Mihawk hatte ihm früher manchmal erzählt, dass wilde Gestaltenwandler diejenigen verachteten, die als Kuscheltiere in privaten Haushalten gehalten wurden. So wie es bei ihm der Fall gewesen war, ehe er die Flucht ergriff. Sie sahen sie als Verräter und Schwächlinge an. Crocodile schluckte und vergrub das Gesicht in der flauschigen Decke, auf der er lag. Gehörte Doflamingo etwa zu dieser Sorte wild lebender Gestaltenwandler und wollte nun nichts mehr von ihm wissen, weil er das erbärmliche Leben eines Haustieres geführt hatte? Doflamingo atmete die frische Luft, die ihm entgegenwehte, tief ein, als er den Eingang seiner Behausung erreichte. Er zog sich häufig hierhin zurück, wenn er ein wenig allein sein und über gewisse Dinge nachdenken wollte. Das Geräusch des Windes und der zwitschernden Vögel sowie die frische Luft halfen ihm dabei, sich zu entspannen. Zerfahren ließ Doflamingo sich an seinem Lieblingsplatz nieder und beobachtete gedankenverloren, was draußen vor sich ging. Der Sturm war inzwischen beinahe vollständig abgeflaut. Es regnete zwar noch immer, doch die Tropfen waren dünn und wenig zahlreich. Dafür hatte er eine umso bessere Sicht auf das heftig zerstörte Umland. Obwohl Doflamingo keine Freude an den ausgerissenen oder durch Blitzeinschlägen zerstörten Bäumen und Sträuchern hatte, war er doch glücklich über diesen verheerenden Sturm, der über sie hereingebrochen war. Hätte es nicht so heftig gestürmt, wäre er vermutlich niemals auf den Kater getroffen, dem er so viel Zuwendung und Wohlwollen entgegenbrachte. Außerdem war er zuversichtlich, dass Crocodiles beide schweren Verletzungen mit der Zeit vollständig verheilen würden. Unterdessen würde er sich um den Kater kümmern, ihn beschützen, pflegen und füttern. Doch es war auch ebenjener Kater, der Doflamingo so viel Sorge und Kummer bereitete. Es hatte ihn ehrlich geschockt, als dieser behauptet hatte, er wäre einfach nicht auf den Gedanken gekommen, die Gestalt seines Tiergeistes anzunehmen. Doflamingo sah in dieser Aussage eine deutliche Bestätigung seiner Vermutung: Man hatte Crocodile sein ganzes Leben lang in einem Zoo gefangen gehalten und diesem untersagt, sich zu verwandeln. Vermutlich, weil den schaulustigen Menschen ein Kind mit niedlichen Katzenohren und einem langem Schwanz besser gefiel als ein schwarzer Panther. Doflamingo wurde beinahe schlecht angesichts dieser schrecklichen Vorstellung. Wieder einmal musste er daran denken, um was für abscheuliche und grausame Kreaturen es sich bei den Menschen doch handelte. Doflamingo seufzte und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. Nicht weit entfernt vom Eingang seiner Höhle konnte er einen umgestürzten Jungbaum ausmachen. Es war doch wirklich unfassbar, dachte er, dass der Kater solch heftige Beschützerinstinkte in ihm hervorrief. Gefühle dieser Art hatte er das letzte Mal gehabt, als er noch der Anführer seines Rudels gewesen war und die Verantwortung für sie alle getragen hatte. Nach der Vernichtung seiner Familie hatte er sich für ein abgeschiedenes Leben entschieden. Ein Leben, das allein auf ihn und die Erfüllung seiner Bedürfnisse ausgerichtet war. Er hatte seine Tage damit verbracht zu jagen, zu schlafen, Unsinn zu treiben und Sex zu haben mit jedem Gestaltenwandler, der ihm über den Weg lief und gefiel. Nicht selten hatte er dabei nur wenig Rücksicht darauf genommen, ob sein Sexualpartner ebenfalls Interesse an Geschlechtsverkehr hatte. So war das eben unter Gestaltenwandlern. Sie waren in dieser Hinsicht nicht so zimperlich wie die Menschen. Außerdem, dachte Doflamingo und dieser Gedanke zauberte ein schelmisches und selbstgefälliges Grinsen auf seine Lippen, hatte es den meisten seiner Sexualpartner am Ende doch gefallen. Immerhin war er, was Männer als auch Frauen anging, ein überaus erfahrener Liebhaber. Nun allerdings, wo der Kater (zumindest vorübergehend) bei ihm eingezogen war, hatte sich sein Lebensstil um einhundertachtzig Grad gewendet. Plötzlich standen nicht mehr allein seine Bedürfnisse im Vordergrund, sondern vor allen Dingen die von Crocodile. Immerhin ging es diesem gesundheitlich deutlich schlechter als ihm, ganz abgesehen von seinen mangelnden Fähigkeiten zum Überleben in der Wildnis. Trotzdem machte es Doflamingo nichts aus, für den Kater zu sorgen. Ihm gefiel es, endlich wieder einmal Gesellschaft zu haben und nicht in einem einsamen und kalten Bett schlafen zu müssen. Es gab da, wenn er ehrlich war, nur eine einzige Sache, die ihm missfiel: Er hatte schon viel zu lange keinen Sex mehr gehabt. Doflamingo ging sehr offen mit seiner Sexualität und seinen Bedürfnissen um. Wenn er Lust auf Geschlechtsverkehr hatte, dann machte er sich auf die Suche nach einem anderen Gestaltenwandler (vorzugsweise mit einem Wolf als Tiergeist) und lebte seine Triebe aus. Er war es nicht gewohnt, sich zurückhalten und Rücksicht nehmen zu müssen. Doflamingo war sich dessen bewusst, dass er Crocodile leicht zum Sex zwingen könnte, wenn er wollte. Die Sache war nur: Er wollte nicht. Er wünschte sich einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit Crocodile; er wollte ihn nicht vergewaltigen. Denn schließlich zielte er darauf ab, dass der Kater länger bei ihm blieb als nur eine Nacht. Und wenn er sich an ihm vergriff, würde dieser sicher schnell vor ihm flüchten; Verletzungen hin oder her. Doflamingo erhob sich langsam wieder und trottete zurück in den Wohn- und Schlafbereich seiner Behausung. Ein glückliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er daran zurückdachte, dass Crocodile heute den Körperkontakt zugelassen hatte, nachdem er dessen Bisswunde am rechten Unterarm versorgt hatte. Das Dulden von nicht notwendigen Berührungen war unter Wölfen immer ein gutes Zeichen; gerade der Körperkontakt mittels Händen und Armen deutete auf partnerschaftliche und romantische Gefühle hin. Doflamingo huschte auf leisen Sohlen zu dem Bett hinüber, in dem Crocodile sich eng in einige Decken eingekuschelt hatte und fest schlief. Vorsichtig ließ Doflamingo sich neben ihn nieder und strich mit einer Hand sanft durch das dunkle Haar das anderen Gestaltenwandlers. Es fühlte sich angenehm weich an unter seiner Haut. Doflamingo erinnerte sich daran, dass der Kater es sehr gemocht hatte, als er diesen hinter den Ohren gekrault hatte; also führte er seine linke Hand zu einem der spitzen Fellohren und begann diese Stelle ausgiebig zu massieren und zu streicheln. Das verschlafene Schnurren, das er nur wenig später als positive Reaktion erhielt, verursachte ein wohliges Kribbeln in seiner Bauchgegend. Es erinnerte Doflamingo daran, dass er gerne intimer mit Crocodile werden würde. Gleichzeitig allerdings erkannte er auch, dass er sich nicht nur Sex von dem anderen Gestaltenwandler wünschte, sondern eine liebevolle Partnerschaft. Eine Liebesbeziehung, in der sie einander massierten, sich mit der Zunge über die Haut leckten, miteinander kabbelten und sich gegenseitig neckten. Verdammt, dachte Doflamingo und drückte sein Gesicht in Crocodiles beinahe schulterlanges Haar, atmete den betörenden Geruch des Katers ein. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, er hätte sich verliebt. Als Crocodile das nächste Mal erwachte, war das erste, was er wahrnahm, Doflamingos Körper, der eng an seiner Seite lag. Benommen rieb er sich mit der rechten Hand über die Augen und musterte den anscheinend tief und fest schlafenden Wolf. Er konnte genau sehen, wie sich dessen muskulöser Oberkörper bei jedem Atemzug langsam hob und senkte. Crocodile wusste selbst nicht wieso, doch aus irgendeinem Grund empfand es als überaus angenehm, diese geruhsame Bewegung zu beobachten. Außerdem weckte die Tatsache, dass Doflamingo sich zum Schlafen neben ihn gelegt hatte, Hoffnung in ihm. Wenn er ihn verabscheuen würde, dachte Crocodile, hätte er sich doch sicherlich einen anderen Schlafplatz ausgesucht. Immerhin war die Höhle groß genug. Anstatt den Wolf zu wecken, begann Crocodile sich zu säubern. Er benetzte den Rücken seiner rechten Hand mit Speichel, ehe er diesen in dem Bereich seines Gesichtes verrieb, der nicht durch Verbandszeug verdeckt wurde. Anschließend säuberte er ebenfalls den Rest seines Körpers. Katzen waren sehr reinliche Tiere, die viel Zeit in Körperpflege investierten, und auch Crocodile stellte in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Sich zu waschen wie die Menschen es taten (mit Leitungswasser in der Badewanne oder am Waschbecken) wäre sowieso nicht möglich gewesen, da in Doflamingos Behausung solche Apparate nicht vorhanden zu sein schienen. Er war gerade bei der unteren Region seines Bauches angekommen, als Doflamingo erwachte. Er öffnete zuerst nur eines seiner Auge, beobachtete Crocodile beim Waschen, ehe sich ein neckisches Grinsen auf seinen Lippen ausbreite und er auch das zweite Auge öffnete. Crocodile, der dies mitbekam, riss rasch die Decke, die seinen Unterleib umhüllt hatte, nach oben und warf dem Wolf einen finsteren Blick zu. "Starr mich nicht so an, du Spanner!", meinte er absolut entrüstet und beobachtete, wie sich Doflamingo vom Bett erhob. "Was kann ich dafür, wenn du beschließt, dich direkt neben mir zu entblößen und zu waschen?", erwiderte Doflamingo allerdings bloß in einem schelmischen Tonfall und noch immer einem breiten Grinsen auf den Lippen. "Da wirst du wohl mit rechnen müssen, dass ich dir dabei zusehe." Crocodile konnte spüren, wie sich erneut Schamesröte in seinem Gesicht ausbreitete. Er musste zugeben, dass der Wolf nicht ganz Unrecht hatte. Doch Crocodile hatte einfach nicht über sein Verhalten nachgedacht. Er kannte bloß die Anwesenheit seiner beiden Halbbrüder, während er sich selbst putzte, und war darum anzügliche Blicke nicht gewohnt. "Mir bleibt doch nichts anderes übrig", erwiderte Crocodile, um sich selbst zu verteidigen. "Immerhin habe ich keine saubere Kleidung, die ich anziehen könnte. Und in dieser Höhle scheint es auch keine Wasserstelle zu geben, an der man sich waschen könnte." "Es gibt eine", erwiderte Doflamingo zu seiner Überraschung. "Weiter hinten in der Höhle ist ein kleiner Bach mit frischem Wasser." "Aber warum hast du denn nichts davon gesagt?", meinte Crocodile entrüstet und verärgert. "Dort könnte ich meine Kleidung waschen!" Das Grinsen auf Doflamingos Lippen wurde noch breiter als sowieso schon, falls dies überhaupt möglich war. "Vielleicht weil du mir nackt besser gefällst." Er lachte und genoss Crocodiles wütenden und entsetzten Gesichtsausdruck, ehe er hinzufügte: "Ich mache nur Spaß. Um ehrlich zu sein, habe ich daran gar nicht gedacht. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, deine Wunden zu pflegen und Nahrung herbeizuschaffen, als dass ich Gedanken an deine dreckige Kleidung verschwendet hätte." "Kannst du mich zu diesem Bach führen?", fragte Crocodile. Er beschloss, sich im Gegensatz zu Doflamingo wie ein reifer Erwachsener zu verhalten und nicht auf dessen dumme Spielerei einzugehen. Außerdem lockte ihn die Aufsicht auf saubere Kleidung und die Möglichkeit, ein Bad zu nehmen. "Nein." Crocodile zog fragend eine Augenbraue hoch. "Wieso nicht?" Zu gut erinnerte er sich an die vielen leerstehenden Räume in der weitläufigen Höhle. Lag dieser Bach womöglich in einem Bereich der Höhle, den Doflamingo nicht gerne betrat? Vielleicht, dachte Crocodile, hatte Doflamingo genauso wie er seine Familie verloren und erinnerte sich nicht gerne an diese Zeit zurück. In diesem Fall könnte er dessen Ablehnung durchaus nachvollziehen. "Weil du mir nackt tatsächlich viel besser gefällt." "Du bist ein echter Idiot!", meinte Crocodile mit scharfer Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust. Gleichzeitig nahm er sich vor, nicht mehr so schnell Mitleid mit dem Wolf zu bekommen. Manchmal überraschte es ihn selbst, wie naiv und leichtglübig er in einigen Dingen doch war. "Ich habe wieder nur Spaß gemacht", erwiderte Doflamingo und bedeutete ihm mittels einer Kopfbewegung ihm zu folgen. "Komm, ich zeige dir, wo sich die Wasserstelle befindet." Crocodile zögerte einen Moment lang, beschloss dann jedoch, Doflamingo Glauben zu schenken; er wickelte die Decke enger um seinen Körper und huschte zu seiner schmutzigen Kleidung hinüber, die achtlos auf den Boden der Höhle geworfen worden war. Anschließend folgte er Doflamingo durch einem ihm bis dato unbekannten Gang der Höhle. Es dauerte nicht lange, bis sie den kleinen Bach erreicht hatten. Doflamingo war lange nicht mehr hier gewesen. Er badete lieber draußen im See als hier drinnen im kalten Fluss. Er beobachtete Crocodile dabei, wie dieser sich hinkniete und sein verschmutztes Hemd in das klare Wasser hineintunkte. Nur um es gleich darauf unter lautem Kreischen wieder hervorzuholen. Alarmiert hastete Doflamingo sofort zu dem Kater hinüber, um nachzuprüfen, was der Grund für dessen unerwarteten Schrei gewesen war. Soweit er wusste, lebten in diesem unterirdischen Bach keine Tiere, die bissen oder giftig waren. Höchstens ein paar Aale, die allerdings bloß giftiges Blut besaßen. "Was ist los?", fragte Doflamingo besorgt nach und kniete sich neben Crocodile hin. "Was hast du?" "Nichts", erwiderte Crocodile rasch und wickelte die Decke enger um seinen Körper. "Ich habe bloß nicht damit gerechnet, dass das Wasser so schrecklich kalt sein würde. Man könnte meinen, man fasst in Eiswasser." "Es ist eben ein unterirdischer Bach", meinte Doflamingo erleichtert glucksend. "Er ist eiskalt, weil kein Sonnenlicht ihn erwärmt. Das weiß doch jeder kleine Welpe." Angesichts dieser Aussage senkte Crocodile den Blick; Doflamingo wünschte sich sofort, seine letzten Worte zurücknehmen zu können. Sicherlich hatten sie den Kater verletzt. Denn dass dieser nicht wusste, dass unterirdisches Gewässer besonders kalt waren, wurde Doflamingo nun auch klar. Woher sollte er es auch wissen? Durch Zookäfige flossen schließlich weder Flüsse noch Bäche, und schon recht keine unterirdischen. "Ich helfe dir beim Waschen", bot Doflamingo hilfsbereit ein, um sein Malheur von eben wieder gut zu machen und guten Willen zu zeigen. Rasch griff er nach der Jeanshose des anderen Gestaltenwandlers und machte sich daran, den Dreck und das eingetrocknete Blut auszuwaschen. Da kam es ihnen ganz gelegen, dass das Wasser des Bachs kalt war; Blutflecken bekam man nämlich deutlich besser in kaltem als in warmem Wasser heraus. Trotzdem dauerte es etwa eine halbe Stunde, bis die vor Dreck starrende Kleidung wieder vollständig sauber war; kein Wunder, denn sie hatte viel mitmachen müssen. Doflamingo wrang die nun saubere Kleidung sorgsam aus und meinte: "Wir können sie zum Trocknen draußen hinlegen. Ich denke, in der Sonne es wird nicht allzu lange dauern, bis zumindest das Hemd wieder vollständig getrocknet ist. Schließlich besteht es aus einem viel dünneren Stoff als die Jeanshose." Crocodile nickte zustimmend, ehe sie sich gemeinsam auf den Weg zurück in den Wohnbereich der Höhle machten. Doflamingo beobachtete währenddessen den Kater, der noch immer die Decke eng um seinen Körper geschlungen hatte. Schade, dachte Doflamingo, dass er nun wieder Kleidung tragen wollte. Nackt hatte ihm der Kater wirklich deutlich besser gefallen. Er konnte sich ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen, das Crocodile glücklicherweise jedoch nicht mitbekam. ~ Crocodile biss sich auf die Unterlippe und bedeckte mit der rechten Hand sein Gesicht. Es war dumm von ihm gewesen, dem Wolf sein Vertrauen zu schenken. Wieder einmal wurde ihm klar: Man konnte sich nur auf sich selbst verlassen. Allein war man eben doch am besten dran, denn dann gab es niemanden, der dich verraten konnte. Schweren Herzens nahm Crocodile sich vor, niemals wieder so furchtbar leichtgläubig zu sein und auf einen fremden Gestaltenwandler hereinzufallen. Es war geendet wie es hatte enden müssen. Er hatte es von Anfang an geahnt. Wieso nur hatte er sich von den freundlich klingenden Worten des Wolfes einlullen lassen? (Auszug aus dem nächsten Kapitel) bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)