How the mighty fall von Xylune (Naruto x Sasuke) ================================================================================ Kapitel 4: In my way, there's you --------------------------------- If you were dead or still alive, I don't care, And all the things you left behind, I don't care (Apocalyptica - I don't care) Naruto streift durch die Straßen Konohas. Er trägt einen Kapuzenmantel und hat sich den orangeroten Schal tief ins Gesicht gezogen. Es ist nicht kühl, doch er möchte nicht erkannt werden. Plötzlich bleibt er stehen. Schräg gegenüber erblickt er 'Ramen Ichiraku' und dessen Inhaber Teuchi, der zwei Männer bedient, die auf den Stühlen vor der Theke sitzen. Teuchi macht einen ausgemergelten Eindruck und er wirkt müde. Trotz seines Lächelns. Das nicht echt ist. Nachdenklich beobachtet er ihn eine Weile und erinnert sich. Damals ist er häufig dort gewesen, um Ramen zu essen - vorzugsweise mit Iruka oder irgendjemand anderem, der ihm die Nudeln spendierte. So sorglos. "... Und ich sage dir, es kann so nicht weitergehen. Hätte ich keine kleinen Kinder daheim, würde ich es auch versuchen und diesen Bastard zum Teufel schicken", flüstert eine männliche Stimme hinter Naruto und als er sich umdreht, erblickt er zwei Männer Mitte zwanzig, die aufgeregt miteinander diskutieren. Sie sind so vertieft in ihre Unterhaltung, dass sie ihn nicht bemerken. "Sei nicht so laut", zischt der zweite ihm dennoch zu und blickt sich ein wenig nervös um, "es haben schon Leute aus nichtigeren Gründen dran glauben müssen." Beide besinnen sich und beginnen unverfangen über Belanglosigkeit zu sprechen. Ganz, als habe es nie ein anderes Thema gegeben. Naruto setzt seinen Weg fort und wirft Teuchi, der sich nachdenklich am Kopf kratzt und den unbekannten Reisenden aus der Ferne mustert, einen letzten Blick zu. Nichts geschieht. Für einen Moment denkt er an mich. An meinen hektischen Atem, als ich verzweifelt versuchte, die Erregung zu unterdrücken. Dann erinnert er sich an sein Vorhaben - und seufzt leise. "So nachdenklich heute? Hat der Pfad des Lebens dich vom Weg abgebracht?", spricht plötzlich eine altbekannte Stimme neben Naruto und als er verwundert aufsieht, steht Kakashi Hatake vor ihm, sein ehemaliger Mentor und Lehrer. Naruto ist davon überzeugt, dass Kakashi ihn längst erkannt hat, von daher verzichtet er darauf, sich etwas zu überlegen und antwortet schlicht. "Lange nicht gesehen, Kakashi-sensei." Für einige Zeit sagt er nichts. Bis er lächelt. Zumindest glaubt Naruto, unter den Konturen der dunklen Maske so etwas wie ein breites Lächeln ausmachen zu können. "Ich bin froh", erwidert sein ehemaliger Lehrer beinahe zusammenhanglos. "Worüber?", erkundigt sich Naruto mit verwunderter Miene, doch Kakashi verzichtet darauf, seine Aussage näher auszuführen. Er lächelt einfach nur. "Alles wird gut", fügt er schließlich noch hinzu und berührt mit der Hand leicht Narutos Schulter. Eine fast schon tröstliche Geste. Vielleicht soll sie aber auch so etwas wie Unterstützung signalisieren. Naruto weiß sie nicht genau zu deuten. Anschließend geht er seines Weges ohne sich noch einmal umzudrehen und glaubt zu spüren, wie sich Narutos Blick in seinen Rücken bohrt. *** Sakura Haruno steht mit verschränkten Armen vor dem Steindenkmal, in das die Namen der verstorbenen Helden des Dorfes eingraviert sind. Irgendjemand hat auch Narutos Namen in ungleichmäßiger Schrift hinzugefügt, was darauf hindeutet, dass es in Eile und wohl auch in aller Heimlichkeit erledigt wurde. Ich habe darauf verzichtet, die Gravur wieder zu entfernen und stattdessen veranlasst, dass auch der Name meines Bruders dort prangt. Die junge Kunoichi steht häufig hier, denkt nach und versucht ihre innere Ruhe wiederzufinden. Die Arbeit als Iryounin, als Shinobi, der eine medizinische Ausbildung genossen hat, ist des Öfteren sehr stressig und nervenaufreibend. Selbst wenn Sakura inzwischen weitestgehend auf Missionen verzichtet und die längste Zeit im Dorf verbringt. Ab und zu bildet sie auch den Nachwuchs aus. Eine Tätigkeit, die ihr besonders gefällt. An diesen Tagen steht sie jedoch hier und betrachtet nachdenklich die Namen der Toten, die für das Wohl Konohagakures ihr Leben gegeben haben. Meist driften ihre Gedanken zu Naruto ab, der ihr bis heute beinahe täglich in den Sinn kommt. Nicht, weil sie eine romantische Verbindung zu ihm gehegt hätte, im Gegenteil, sie spricht vielmehr von einer tiefen Freundschaft. Manchmal wünscht sie sich jedoch, dass es anders gewesen wäre. Einen großen Teil ihres Lebens hat sie damit zugebracht an mich zu denken. Sich nach mir und meiner Aufmerksamkeit zu sehnen. Sich verzweifelt zu wünschen, dass ich sie bemerke und ihr mit offenen Armen entgegentrete. Ein lächerlicher Wunschtraum, wie sie sich letztendlich mit bitterer Erkenntnis eingestehen musste. Ich habe mich nie wirklich für sie interessiert. Ich hasse sie nicht einmal. Sie ist mir einfach gleichgültig - und kaum etwas ist wohl schlimmer als vollkommene Gleichgültigkeit zu erfahren. Unzählige Tränen hat sie vergossen und das alte Foto, das ihr altes 'Team Sieben' in jungen Jahren zeigt mit Naruto, Kakashi, mir und ihr selbst, ist nicht mehr so ganz intakt - sie hat sich die Freiheit genommen mein Gesicht herauszuschneiden, es zu unzähligen, kleinen Schnipseln zu verarbeiten und schließlich wegzuwerfen. Ein gutes Gefühl. Wirklich befreiend war es dennoch nicht. Zu tief sitzt der Schmerz der verschwendeten Jahre und die Erkenntnis, dass sie nie wirklich dazugehört hat. Nicht zu mir. Nicht zu Naruto und mir. Uns hat etwas ganz anderes verbunden. Es tut ihr Leid, dass sie Naruto nicht geliebt hat. Er hätte es verdient gehabt. *** Als ich am späten Abend heimkehre, ist es erneut Naruto, der mich nahe meines Anwesens erwartet. Die Straßen hier sind, wie zu jeder Tageszeit, vollkommen ausgestorben. Lediglich eine streunende Katze huscht vorbei, doch ich schenke ihr kaum Aufmerksamkeit. Anstatt ihn anzusprechen, gehe ich wortlos an Naruto vorbei und öffne die Tür. Er folgt mir ohne Aufforderung und ich lasse ihn gewähren. Als ich in die Küche des Hauses trete, schalte ich kurz darauf das schummerige Licht ein und sehe, wie Naruto kurz die Augen zusammenkneift, als müsse er sich wieder an die Helligkeit gewöhnen. Ohne etwas zu sagen, fülle ich mir ein Glas Wasser ein und verzichte darauf, ihm auch etwas anzubieten. Stattdessen blicke ich ihn zum ersten Mal an diesem Tage an und mir fällt sofort auf, dass er ein wenig müde wirkt. Keineswegs nervös, aber eindeutig müde. "Sasuke", beginnt er, doch ich unterbreche ihn kurzerhand. "Im Schrank des Zimmers nebenan findest du einen Futon." Naruto nickt, offensichtlich dankbar. Es bleibt der einzige Satz, den wir an diesem Abend miteinander wechseln. Als ich Stunden später noch wach liege, fällt mir auf, dass ich den Naruto meiner Kindheit kaum in dem Menschen wiedererkenne, der einige Zimmer weiter gerade nächtigt. Von seiner aufdringlichen, naiven und zeitweilig fast schon taktlosen Persönlichkeit ist nicht mehr viel zu erkennen. Womöglich hat es jedoch auch andere Gründe, denke ich. Vielleicht ist es so etwas wie Verständnis. Ein fast schon unheimlicher Gedanke, den ich wenig später wieder vergessen habe. Dann schlafe ich ein. Entgegen meiner Annahme schläft Naruto noch nicht. Er liegt auf dem Rücken auf dem mehr oder minder bequemen Futon und starrt mit offenen Augen zur Zimmerdecke. Er denkt an mich. An uns. Er denkt an das Dorf, das immer seine Heimat war. An die Menschen, die hier leben. Letztendlich kommt er zu dem Schluss, naiv gewesen zu sein. Naiv und egoistisch. Als Shikamaru ihn danach fragte, ob er sich schuldig fühle, war er sich nicht sicher gewesen. Hier und jetzt beschließt er, es nicht zu bereuen. Zumindest nicht die Essenz des Ganzen. Lautlos erhebt sich Naruto, schleicht zur Tür und öffnet diese mit unendlicher Langsamkeit, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen. Danach begibt er sich ebenso geräuschlos zu meinem Zimmer und öffnet die Tür sachte einen Spalt weit. Wenn sich etwas nicht verändert hat, denkt er, so ist es mein schlafendes Gesicht. Wohlwissend, dass mein Schlaf in der Regel nicht allzu tief ist, wagt er sich nicht näher heran und verharrt einige Minuten in der geöffneten Tür. Plötzlich murmelt er etwas. Die Worte gelangen in mein Unterbewusstsein, doch sie sind nicht greifbar und die Erinnerung an sie löst sich beinahe sofort wieder auf. "Ich bin froh, dass du lebst." Am drauffolgenden Morgen erwache nicht wie gewohnt von selbst. Stattdessen ist es ein penetrantes, repetitives Rufen meines Namens, das mich aus dem Schlaf reißt. Lieblos. Schlaftrunken verlässt ein Grummeln meine Lippen und ich reibe mir einige Male mit den Händen über meine Augen bevor ich sie letztendlich öffne. Eine unscharfe Gestalt steht neben meinem Bett. Ihre Konturen werden schärfer. Naruto. Ich runzele meine Stirn ein wenig, unentschlossen ob ich wütend oder überrascht reagieren soll. Oder gar nicht. "Du wirst auch nicht jünger", sagt er dann mit einem Lächeln auf den Lippen. Vermutlich möchte er darauf anspielen, dass ich früher morgens deutlich aktiver gewesen bin. Jedoch weiß er nicht, dass mich seit Monaten eine milde Schlaflosigkeit von Zeit zu Zeit plagt und es mir immer schwerer fällt, tatsächlich zu schlafen. Woher diese innere Unruhe kommt, weiß ich selbst nicht genau. Ich entschließe mich, sein Kommentar zu ignorieren. "Ich habe Frühstück gemacht", fährt er schließlich fort, wohlwissend, dass ich auf seine neckenden Worte nicht reagieren werde. "Ramen?", frage ich trocken. Naruto lacht ein wenig verlegen und kratzt sich am Kopf. Wie früher. "Nicht ganz, ich habe dazugelernt", erwidert er letztendlich und seine Miene verhärtet sich ein wenig. Ich verzichte darauf, weiter nachzufragen. Einerseits bin ich unschlüssig, ob es mich interessiert, andererseits möchte ich es eventuell auch gar nicht so genau wissen. Stattdessen erhebe ich mich und werfe Naruto einen letzten, langen Blick zu, bevor ich mich meinem Schrank zuwende und Kleidung für den Tag heraussuche. Entfernt höre ich, wie sich seine Schritte entfernen. Einige Zeit später sitzen wir gemeinsam am Tisch und essen stillschweigend. Lustlos stochere ich en wenig im Reis herum und versuche mich zu erinnern, wann ich zuletzt Gesellschaft hatte beim Frühstück. Es muss bereits länger her sein. Womöglich auch sehr lange. Sicherlich isst man des Öfteren mit anderen zu Abend, wenn es sich auch eher um Pflichten handelt. Zu meinem Wohlwollen ist dieser Anlass jedoch auch nur selten gegeben. Vielleicht, weil es ein Genuss ist, zu essen und es wohl nicht sehr angenehm ist, mit einer Person wie mir diese Zeit zu teilen. Zumindest nicht auf freiwilliger Basis. Menschen kamen immer von sich aus auf mich zu. Ich habe mich nie darum bemüht, ihnen dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken oder ihnen etwas zurückzugeben für ihre Anstrengungen. Nicht, dass ich darauf angewiesen wäre. Naruto wiederum ähnelte mir in dieser Hinsicht gar nicht. Er war immer versucht, sich zu beweisen und die Zuneigung der anderen zu erhaschen. Ich hatte, wonach er sich sehnte. Und er besaß das, was ich ersehnte - das Desinteresse der anderen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich damals wirklich die Verachtung spüren wollte, die man ihm einst entgegenbrachte. Vermutlich schrie auch ich als Kind nach irgendeiner Art von Liebe - jedoch existierten die Personen, die mir etwas bedeuteten, schon damals in der Form nicht mehr. Bis ich etwas fand. Etwas, das ich nicht haben sollte. Noch heute denke ich oft an Itachi. An das, was er getan hat. Für Konoha. Für mich. Ab und zu frage ich mich, ob ich an seiner Stelle anders gehandelt hätte. Ich bin mir sicher, dass Itachi daran geglaubt hat. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Was wäre gewesen, wenn Itachi mich damals umgebracht hätte? Mein Bruder wollte, dass ich lebe. Naruto blickt mich nachdenklich an und legt den Kopf schief. Als wolle er mich etwas fragen. "Es war egoistisch", sage ich plötzlich unvermittelt. Offensichtlich kann er meinen Gedankengängen nicht folgen. Dennoch nickt er langsam. "Oh ja, das war es." Ich verstehe nicht, wovon er spricht. Fragen schwirren mir durch den Kopf. Unaufhaltsam. Einige erscheinen mir belanglos, andere kann ich kaum zurückhalten. Die Frage nach dem "Warum". Warum meine Uhr nicht stehenbleibt. Warum wir hier sitzen. Warum Naruto zurückgekehrt ist. Die eine Person, die sie mir wohl zum Teil zumindest beantworten könnte, sitzt vor mir und schaufelt sich Soba-Nudeln in den Rachen. Meine Hände ballen sich unbewusst zu Fäusten zusammen und meine Augen wandern für einige Sekunden ziellos durch den schlichten Raum. Beinahe schon spartanisch. "Warum?", presse ich schließlich aus zusammengekniffenen Lippen hervor. Leise, doch er hat mich verstanden, ich sehe es an seinem Blick. "Was 'warum'?", erkundigt er sich mit sorgloser Miene. "Warum bist du hier", gebe ich zurück und fange mit dem Naheliegensten an. "Das ist keine einfache Frage", räumt er ein, "vielleicht hatte ich Heimweh?" Es ist keine wirkliche Antwort - und schon gar keine, die ehrlich gemeint ist. Ich sehe es ihm an. "Antworte", sage ich mit scharfem Unterton in der Stimme. "Ich weiß nicht, ob ich das kann", antwortet Naruto und schüttelt bedauernd mit dem Kopf, "zunächst muss ich sichergehen." "In welcher Hinsicht?", erwidere ich und beuge mich ein Stück zu ihm vor. Er sieht mich an, als würde er etwas in meinem Gesicht, meinem Blick zu suchen. Dann seufzt er hörbar und schließt für einige Sekunden die Augen. "Gib mir noch etwas Zeit", bittet er mich plötzlich. Ein Schnauben verlässt meine Lippen. "Was hindert mich daran, dich hier und jetzt zu töten?" Ruhig blickt Naruto in meine rot glühenden Augen. Es fällt mir schwer, die unterschwellige Wut weiter zu unterdrücken. "Das kannst du nicht", sagt er schlicht und lächelt mich breit an. Meine Augen weiten sich etwas, doch eine Antwort bleibe ich ihm schuldig. Fürs erste. ***  "Es ist nicht so einfach", sagt Shikamaru langsam und macht siegessicher seinen Zug. Kakashi betrachtet hingegen nachdenklich das Shogibrett und stellt mit resignierender Miene fest, dass wohl an dieser Stelle nichts mehr zu retten ist. Das Spiel ist verloren. Für ihn zumindest. Im Grunde meidet er es sich mit Shikamaru zu messen. Abgesehen vom heutigen Tag. "Du hast ihn also auch getroffen", fährt Shikamaru plötzlich zusammenhanglos fort und Kakashi nickt zustimmend. "Es ist eine interessante Entwicklung", räumt er ein und kratzt sich nachdenklich am Kinn. Shikamaru weiß, dass es irsinnig wäre, eine Prognose zu wagen hinsichtlich der Zukunft. Unter anderem, weil er zuviele Puzzleteile in dieser ganzen Geschichte noch nicht so ganz einordnen kann. Narutos Beweggründe sind ihm ebenso rätselhaft wie Sasukes Reaktion darauf. 'Seine mögliche Reaktion', korrigiert er sich in Gedanken. Früher ist es ihm nicht schwergefallen Naruto zu beurteilen. Seinen Idealismus. Seine Tugenden. Sein Hang zum Handeln ohne darüber nachzudenken. Er mag nicht der klügste Kopf in Konohas Geschichte sein, aber er hat immer die Werte verkörpert, die bereits Hashirama, der erste Hokage, idealisierte. Jeder hatte erwartet, dass Naruto Hokage sein würde nach dem Krieg - oder zumindest bald danach. Er hat die Zweifel und das Misstrauen besiegt, das die Bewohner Konohas ihm lange Zeit entgegenbrachten - und er hat sie alle miteinander gerettet vor der ewigen Verdammnis. Nicht zu vergessen die langersehnte Einigkeit, die das Bündnis der unterschiedlichen Dörfer mit sich brachte. Sie hatten es herbeigesehnt. Die wahre Zukunft. Stattdessen war ich es gewesen, der zurückkehrte aus diesem allerletzen Kampf, während Naruto spurlos verschwand. Tot, wie viele annahmen. "Vielleicht sollte ich nicht von Hoffnung sprechen", meint Shikamaru und wendet den Kopf zur Seite, die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen, "aber ich habe sie noch." "Für Konoha und seine Bewohner", murmelt Kakashi abwesend und sieht erst auf, als sein Gegenüber mit dem Kopf schüttelt. *** Ich weiß nicht mehr, wann ich aufgehört habe, so etwas wie Einsamkeit zu verspüren. Irgendwann nach dem Massaker? Oder irgendwann, nachdem ich meine Kindheit hinter mir gelassen habe? Vielleicht auch erst in den letzten Jahren. Heute sehe ich, dass ich allein bin in diesem Dorf. Allein zwischen unzähligen Menschen, zwischen jenen, die ich kenne und jenen, die ich nie wahrgenommen habe. Ebenso allein in dieser Welt, die im Fokus unseres so horizontlosen Lebens ist. Hätte ich das früher bedauert? Ich kenne keine Antwort auf diese Frage. Die Menschen, für die ich etwas empfunden habe, verließen mich im Laufe der Jahre. Manch einer versuchte auch, mich umzubringen. Unabhängig von der Liebe, die sie geschworen hatten. Liebe ist fragil. Nicht selten schlägt sie in Hass um. Aber auch Hass kann furchtbar schwach und zerbrechlich sein. Ermüdend. Ich empfinde keine Trauer, keine Wut, nichts außerhalb von dieser unendlichen Müdigkeit, die inzwischen beinahe jeden Tag Besitz von mir ergreift. Als ich aufstehe und wie an jedem anderen Tag das Gebäude verlasse, nehme ich die aufmerksamen und nachdenklichen Blicke der zahlreichen Shinobi wahr, die hier ihrer Arbeit nachgehen. Es ist, als ob sie auf etwas warten, auf irgendein Signal. Vielleicht auf Schwäche. Wie lange würde es dauern, zu sterben? Wer wird der erste sein, der zustößt? Wird es das Mädchen sein, das vor kurzem erst Genin geworden ist und das voller Aufregung und Stolz auf ihre neue Mission wartet? Wird es der fünffache Vater sein, der seit vielen Jahren hier tätig ist ohne je Ambitionen gezeigt zu haben, etwas anderes zu machen? Kurz schweifen meine Gedanken ab zu Naruto, der mein Anwesen Stunden zuvor ohne weitere Erklärungen verlassen hat. Ohne ein Versprechen. Vielleicht wird es auch Naruto sein. Ich glaube, ich würde so etwas wie Freude empfinden. Doch nichts geschieht. Die Blicke folgen mir, bis ich außer Sichtweite bin. Leise atme ich aus, nicht erleichtert, aber ruhiger als zuvor. Im Grunde ist es ein alltägliches Spiel - furchtbar simpel und tödlich. Ich halte erst an, als sich jemand mir schnellen Schrittes nährt, um schließlich auf meiner Höhe angekommen, stehenzubleiben. Eine vertraute Gestalt. "Naruto", sage ich ohne ihn anzusehen. "Wachsam wie immer", erwidert er. Es klingt ein wenig spöttisch. "Es ist notwendig", antworte ich und lasse den Blick über die breite Straße schweifen. Einige Leute blicken zu mir, andere haben sich bewusst abgewandt, doch sie alle wahren eine gewisse Distanz. "Warum tust du dir das an?", fragt er plötzlich und macht beinahe eine überraschten Eindruck, als sich meine Augen zu schmalen Schlitzen verziehen und ich wütend in seine Richtung blicke. Unbewusst verfärben sie sich rot und untermalen meinen Gemütszustand. "Warum tust du mir das an?", korrigiere ich ihn mit unverhohlenem Groll in meiner Stimme. Naruto blickt mir nicht ins Gesicht. Wagt es nicht. Einen Augenblick lang möchte ich schreien. Nach seinem Schal greifen und ihn schütteln. Meine Hände um seinen Hals legen und zudrücken. Bis seine Augen brechen. Doch nichts von alledem geschieht. Meine Füße setzen sich einfach wieder in Bewegung. Zunächst zögernd, dann immer schneller. Schritt um Schritt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)