How the mighty fall von Xylune (Naruto x Sasuke) ================================================================================ Prolog: -------- Klarer Himmel, verwelktes Laub und die fernen Geräusche des Dorfes dringen an mein Ohr. Es ist als habe sie einen Puls, einen stetigen Herzschlag, der nicht einmal in tiefster Nacht, wenn die Straßen stumm und leer vom Licht der vereinzelten Laternen erhellt werden, stillzustehen scheint. Mein Dorf. Meine Heimat. Konoha. Ich stehe am Fenster und atme tief ein. Der Geruch von baldigem Regen liegt in der Luft und in der ferne sind drei kleine Kinder zu erkennen, die laut lachend mit ihren Windrädern spielen, während sie aufgeregt im Kreis rennen. Im Wohnhaus schräg gegenüber von mir steht eine junge Frau in Schürze und hängt ihre frisch gewaschene Bettwäsche auf dem kleinen Balkon auf. Sie sieht mich und hält für einen kurzen Augenblick inne, bevor sie freundlich die Hand zum Gruß erhebt. Ein wenig zurückhaltend. Ich reagiere kaum, nicke nur kurz, um zu signalisieren, dass ich es registriert habe. Sie wendet sich ab und verschwindet im Inneren der Wohnung. Es klopft an der Tür. Ich wende mich vom Fenster ab und äußere ein befehlendes "Herein", bevor ich mich auf dem Stuhl hinter dem breiten Schreibtisch niederlasse. Währenddessen öffnet sich langsam die Tür zu diesem Zimmer und eine hagere Gestalt mit maskiertem Gesicht tritt ein. "Der Bericht, Hokage-sama." Bestimmt, dennoch vorsichtig, fast schon lauernd. Mit ausdrucksloser Miene blicke ich die junge Frau an. Starr richtet sich ihr Blick auf das Papier in ihrer Hand während sie die Stichworte in Sätzen ausformuliert, bevor sie am Ende zögernd aufblickt. Ihre Augen vermeiden es, mich anzusehen. Ich beschränke mich darauf, eine wegwerfende Handbewegung zu machen, um ihr zu signalisieren, dass sie entlassen ist. Beinahe schon erleichtert verlässt sie den Raum und zieht die Tür leise hinter sich zu. Angst ist mächtig. Ähnlich wie Hass. In erster Linie haben mir die letzten Jahre jedoch vor allem gezeigt, dass Angst eine sehr viel größere Emotion ist. Unzählige Shinobi haben ihr Leben in den letzten Jahrzehnten für das Wohl dieses Dorfes geopfert im Glauben es habe einen tieferen Sinn. Um ihre Familien zu beschützen, um ihre Heimat zu bewahren, um für eine Überzeugung zu sterben, die tief verwurzelt ist seit Generationen. Es hat mich einige Jahre gekostet, ihnen begreiflich zu machen, dass dieser tiefe Glaube zu keinem Ergebnis führt. Manchmal sehe ich dennoch den Hass und die Verachtung in ihren Augen, mit denen sie mich aus der Ferne mustern. Ohne Konsequenz. Denn sie sind zu machtlos, um ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen, sie umzusetzen. Ich lehne mich zurück. Was sind die Ideale meiner Kindheit heutzutage noch wert? Unweigerlich denke ich zurück. An die Menschen, die Geschehnisse, die mich geprägt haben von Beginn an. Mein Vater. Mein Bruder. Meine Lehrmeister. Naruto. Ab und zu male ich es mir aus, wie es wäre, wenn sich die Tür ohne vorherige Ankündigung öffnen und Naruto hereinplatzen würde. Einfach so. Laut und unbeherrscht. Respektlos. Ein leises Lachen verlässt meine Lippen. Die junge Kunoichi auf dem Flur glaubt etwas zu hören. Ein Lachen. Aus dem Zimmer, das sie soeben verlassen hat. Bestimmt spielt ihre Wahrnehmung einen Streich. Es kann nicht anders sein. Es muss so sein. Ganz sicher. Kapitel 1: Have faith in me --------------------------- I'm so tired, yet keep on swimming You will not let go of me, you're drowning Now you're quietly pulling me under Oh so quietly pulling me under... (Sonata Arctica - For the sake of revenge) Der Nationalfeiertag steht an. Aufregung überall, die traditionellen Gewänder liegen bereit und die Stände der einheimischen Handwerker und jene, die regionalen Köstlichkeiten anbieten, sind bereits aufgebaut. Die Stimmung ist ausgelassen, wenn auch wohl die meisten zu verdrängen scheinen, dass man heute, am zehnten Oktober, den Tag des Umsturzes zelebriert. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Zum ersten Mal sind auch Schausteller zu Gast im Dorf und ich beobachte in der Ferne einen Mann, der mit seinem Sohn auf den Schultern durch die geschmückte Hauptstraße geht und dabei breit lächelt. Was er sagt, verstehe ich nicht. Die Entfernung ist zu groß. Bestimmt sitzt seine Frau daheim und wartet auf seine Ankunft. Die perfekte Familie. In der Vergangenheit habe ich mich mehr als einmal danach gesehnt. Ich habe mir ausgemalt, wie es wäre, vom Training heimzukommen zu Mutter und Vater, die bereits mit dem Abendessen am Tisch sitzen und mich rügen, weil ich ein wenig die Zeit vergessen habe. Freundlich aber bestimmt. Mein Bruder kommt hinzu und verspricht mir, morgen mit mir zu üben. Eine meiner Tanten tritt an den Zaun und ruft uns zu, dass sie Gebäck aufgehoben hat, extra für uns. Ich lache. Ich bin glücklich. Ein lächerlicher Tagtraum. Zunächst war ich der Überzeugung gewesen, dass auch ich irgendwann so eine Familie haben würde. Vielleicht ein oder zwei Kinder. Nicht, dass es mir an Angeboten mangelte. Jeden Monat standen irgendwelche mehr oder minder bedeutsamen Leute auf meiner Türschwelle und erzählten mir von ihren wunderschönen Töchtern, denen es eine unvorstellbar große Ehre wäre, sich mit dem amtierenden Hokage, dem letzten, lebenden Nachkommen der Uchiha, einlassen zu dürfen. Ich wies sie ab. Nicht nur, dass ich die Ansicht vertrat, dass privates Glück nicht mit der Aufgabe vereinzubaren war, die ich mir aufgebürdet hatte - ich hatte auch schon vor Jahren beschlossen, dass ich der letzte sein würde. Die Uchiha und ihre blutige Geschichte würden mit mir eines Tages untergehen. Wenn die Zeit gekommen ist. Außerdem fiel es mir schwer, mich von den Gedanken zu lösen, die mich seit jenem Tag vor fünf Jahren belasteten. Zumindest ertappte ich mich ab und zu dabei, wie ich mich zurückerinnerte. An Naruto. An uns. *** Die Vergangenheit auszulöschen, um eine Zukunft zu erringen. Die Vergangenheit zu bewahren, um eine Zukunft zu erringen. Wir waren absolute Gegenteile, in allem, das uns geprägt und beeinflusst hatte - und als wir uns letztendlich unweigerlich im Tal des Endes gegenüberstanden, wurde ich mir beinahe der Tragik dieser Entwicklung bewusst. Ich weiß nicht, ob ich so etwas wie Wehmut verspürte, als ich Naruto gegenüberstand, dem einzigen, der sich noch zwischen mir und meinem eigentlichen Ziel befand. Die letzte Hürde. Ich hatte ihn lange gemieden, all die Jahre gewartet, um jetzt genauso unvorbereitet wie zuvor hier auf diesen einen, allerletzten Kampf zuzugehen. Sicherlich hatten wir dazugelernt. Unsere Fähigkeiten überstiegen längst die kühnsten Träume unserer Kindheit und wir hatten alles verloren, alles gewonnen. Bis hin zu der Entscheidung, wie nur wir beide fällen konnten. "Ich werde das nicht zulassen", rief mir Naruto zu, "ich kann das nicht zulassen." Diese Worte richtete er nicht wirklich an mich, sondern vielmehr an sich selbst, um sich zu versichern, dass er im Recht war. "Ich werde dich töten, Naruto", erwiderte ich mit fester Stimme. Es war notwendig. Bei unserer letzten Begegnung an diesem Ort hatte ich darauf verzichtet. Um nicht das zu tun, was Itachi mir geraten hatte. Natürlich kompletter Unsinn. Ich hatte Naruto nicht töten können, ich hatte es nicht gewollt. Gerade deshalb war nun der Zeitpunkt gekommen, an dem ich es tun musste. Um der Zukunft gewachsen zu sein. Um die letzte Schwäche zu beseitigen, die mir geblieben war. Doch es kam anders. *** "Hokage-sama?", fragt die Stimme vorsichtig nach und ich richte meinen Blick verwirrt auf den jungen Mann, den ich als einen meiner Berater identifizieren konnte nach einigen Sekunden intensiven Starrens. Hatte ich geschlafen? Wo war ich mit meinen Gedanken gewesen? Ein undefinierbares Geräusch verlässt meine Lippen, um zu signalisieren, dass ich zuhöre. Er redet weiter. Irgendetwas über landwirtschaftliche Erträge und den Export jener Güter in benachbarte Länder, die nur noch auf dem Papier existieren. Eigentlich gehören sie zu einem Reich, aber ich war geistesgegenwärtig genug, zumindest formale Grenzen zu bewahren. Schließlich bot es den einen oder anderen Vorteil hinsichtlich der Verwaltung. Ich höre nicht zu, es interessiert mich kaum. "...werdet Ihr an den Festlichkeiten teilnehmen?", erkundigt sich der junge Mann, dessen Namen ich nicht kenne, am Ende und ich nicke langsam. Er scheint zufrieden und verabschiedet sich höflich, bevor er mich zurücklässt. Nicht, dass er sich ernsthaft dafür interessierte. Nicht, dass ich mich für das Fest interessierte. Narutos Geburtstag. Welch Ironie. "Sasuke!", ruft jemand laut und gnadenlos. Ein weibliche Stimme. Viel zu bekannt. Die Tür wird aufgestoßen und trifft geräuschvoll auf die massive Wand. Eine Frau in meinem Alter steht im Türrahmen, die Lippen zu einem schmalen Spalt verzogen, voller Wut. Ich blicke auf, mustere sie ausdruckslos ohne die Miene zu verziehen. Scheinbar erwartet sie keine Reaktion von mir. "Irgendjemand hat schon wieder das Grab verwüstet - wie jedes verdammte Jahr. Doch dieses Jahr wirst du es gefälligst wieder herrichten - ich werde hier nicht weggehen, bis das veranlasst wurde, verflucht noch mal!", fährt sie mit drohendem Unterton in der Stimme fort und schlägt mit flacher Hand auf den Schreibtisch. "Sakura", erwidere ich nach kurzer Pause, "ich habe keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Und verlasse mein Büro." Auf höfliche Floskeln verzichte ich. Sakura hat vor Jahren aufgehört, mit mir in alter, vertrauter Manier zu sprechen und ich bin im Grunde auch froh darüber, dass sie nach all der Zeit verstanden hat, dass ihre Hoffnungen keine Grundlage haben. Anstatt sich deshalb zu grämen, sind ihre romantischen und vielleicht auch freundschaftlichen Gefühle in Wut und Hass umgeschlagen. Frei von Furcht. Den Respekt zolle ich ihr. "Das werde ich nicht tun. Naruto und die Erinnerung sollten so behandelt werden, wie er es verdient hat  - er war ein Held!" Ich verzichte darauf, ihr zu antworten. Ich habe sie all die Jahre nicht davon abgehalten, vor Narutos leerem Grab zu stehen - und auch heut ist mir nicht danach. Wobei ich zugegebenermaßen auch das Grab meiner Eltern seit Jahren nicht besucht habe - oder Itachis Grab, das ich in einem Anflug symbolischer Sentimentalität errichten ließ. Als Mahnmal für mich. Für dieses Dorf. Narutos Grab wiederum geht auf die Bemühungen anderer zurück - und ich habe es mir bis zum heutigen Tage nicht angesehen. Ich verband nichts mit diesem Ort. Sakura zetert ungerührt weiter, bis ich ihr einen scharfen Blick zuwerfe. Sie zuckt zusammen, als hätte ich sie geschlagen, tritt zwei Schritte zurück und verstummt. Meine Augen ängstigen sie, trotz allen Mutes. Unweigerlich muss ich lächeln, ein höhnisches Lächeln. "Ich werde zwei Leute mitnehmen", bringt sie noch hervor, deutlich leiser inzwischen, und verlässt den Raum ohne meine Antwort abzuwarten. Ich lasse sie gewähren. Heute. *** Schwer atmend standen ich und Naruto uns gegenüber. Der nächste Angriff würde der letzte sein und jeder von uns versuchte, die verbliebenen Kraftreserven zu mobilisieren, um den finalen, den entscheidenen Schlag zu landen. Alles oder nichts. Er oder ich. Unweigerlich musste ich grinsen und er erwiderte es. Wir wussten es. Ich oder er. *** Musik in der Ferne, eine weibliche Stimme, die singt. Ich verstehe keine Worte, doch es klingt wie ein trauriges Lied. Traurig und hoffnungslos. Es dämmert schon und die meisten haben das Gebäude bereits verlassen, als ich mich von meinem Platz erhebe und selbst auf die Straße hinaustrete. Bald werden sie von den Laternen erleuchtet sein, noch füllt sie allein der Sonnenuntergang mit orangerotem Licht. "Ich liebe dich", sagt plötzlich eine männliche Stimme neben mir. Ich zucke erschrocken zusammen und wende mich um. "Ich dich auch", erwidert die Frau im grünen Yukata und fällt ihrem dunkelhaarigen Liebhaber um den Hals. Ich komme zur Ruhe. Für einen Moment. Mein Anwesen begrüßt mich mit undurchdringlicher Stille und leeren, langen Gängen. Wie jeden Tag. Es sieht kaum anders aus als zu meiner Kindheit und ich habe davon abgesehen, allzu viel zu verändern. Wozu auch? Im Schlafzimmer suche ich einen Yukata heraus, den ich seit Jahren nicht mehr getragen habe und ziehe ihn über. Dunkelblau und schlicht. Unauffällig. Zuletzt verknote ich den Obi und nehme eine der bemalten Holzmasken von der Wand, um in der Menge nicht erkannt zu werden. Ein paar Stunden für mich. Nur ein paar. *** Das Blut verschleierte mir die Sicht. Die Welt drehte sich und der laute Atem klang inen Ohren. War ich das? Ich versuchte mich zu erheben, zwecklos, ich hatte keine Kraft mehr. Hatte ich verloren? Narutos Gesicht erschien in meinem Blickfeld, es war verschwommen, doch ich wusste, dass er es sich um ihn handelte. Es konnte nicht anders sein. "Naruto", sagte ich mit schwerer Stimme ohne bestimmte Absicht.  Ich konnte keine klaren Gedanken mehr fassen. Der Schmerz. Die bleierne Müdigkeit. Ich wollte schlafen, endlich schlafen. "Sasuke", antwortete er und ich musste unweigerlich lächeln. Eine ehrliche Geste ohne Hintergedanke. "Ich bin müde", flüsterte ich zusammenhanglos, zu schwach, um lauter zu sprechen. Klare Gedanken. Ich fand sie nicht mehr. Warum? "Ich weiß", erwiderte er lächelnd und ich spürte, wie seine Hände meine Wangen berührten. So warm. So müde. "Es ist vorbei", fügte er hinzu und es fiel mir schwer, ihn anzusehen. Meine Augenlider waren so schwer. Zu schwer. Ich wollte irgendetwas sagen, irgendetwas, das mir spontan auf der Zunge lag, doch bevor ich es in Worte fassen konnte, war es mir wieder entglitten. "Beantworte mir nur eine Frage, Sasuke", flüsterte er hörbar nahe meines linken Ohres, "sage mir nur Eines-" Seine Lippen bewegten sich, doch ich hörte nichts mehr. Nichts. Gar nichts. *** Die Stimmung ist ausgelassen. Allem zum Trotz. Kinder stehen an einem Stand und versuchen Goldfische zu fangen, während nebenan eine ältere Frau mit freundlichem Gesicht Takoyaki verspeist. Mein Volk. Doch ich fühle nichts. Die Musik, die fröhlichen Mienen, die Gerüche und das Licht der Laternen - ich verspüre nur Gleichgültigkeit in meinem Inneren. All das ist kein Teil von mir, es gehört zu mir und ich gehöre nicht dazu. Keine neue Erkenntnis und ich bedauere es auch nicht. Schließlich ist es meine eigene Entscheidung. Ich sehe zu, wie ein maskierter Shinobi einem vielleicht sechsjährigen Kind einen rosafarbenen Luftballon überreicht. "Danke", ruft es und läuft davon. Er sieht auf zu mir, unsere Blicke treffen sich. Kurz. Kurzerhand richtet er sich auf und tritt an mich heran. Ich kenne ihn nicht. *** Als ich erwachte, war ich allein. Es konnten nur Minuten vergangen sein, seitdem ich das Bewusstsein verloren hatte, doch sie kamen mir wie Stunden vor. Umständlich bewegte ich meinen kraftlosen Körper dazu, sich zur Seite zu rollen, damit ich mich aufrichten konnte. Ich hatte einen unangenehmen, metallischen Geschmack im Mund und spuckte auf den Boden, um ihn loszuwerden. Blut, das sich seinen Weg über den nackten Stein bahnt. Erstaunlich ruhig blickte ich mich um. Ich war allein. Meine Hände berührten etwas, Metall traf auf Stein. Ein Stirnband. Beinahe unversehrt. Narutos. *** Wir stehen uns gegenüber und ich wende den Blick ab, gehe an ihm vorbei ohne zu zögern. Er murmelt etwas, ich verstehe nur einen Teil. "Möchtest du mir nicht zum Geburtstag gratulieren?" Kapitel 2: Are we getting closer? --------------------------------- Scars make us who we are Hearts and homes are broken Far, we could go so far With our minds wide open (Adam Lambert - Outlaws of Love) Ich bin erstarrt, unfähig zu reagieren. Bis ich mich dazu durchringen kann, mich umzudrehen. Doch dort steht niemand. Nur ein etwa vierzigjähriger Mann, der mich fragend anblickt und sich dann wieder seinem Sohn zuwendet. Ein Kind mit einem Luftballon. Es ist wirklich passiert. Ich brauche einige Sekunden, um mich wieder zu beruhigen. Wie lange ist es her, dass ich so die Fassung verloren habe? Ich erinnere mich nicht mehr. Wie ferngesteuert begebe ich mich zurück zum Familienanwesen, das unbeleuchtend und schweigend inmitten des verlassenen Uchiha-Viertels trohnt, ganz, wie ich es zuvor verlassen habe. Auch um die umliegenden, leerstehenden Häuser habe ich mich in meiner Amtszeit nicht weiter gekümmert. Aber wer würde dort schon wohnen wollen? Obwohl über ein Jahrzehnt ins Land gegangen ist, ist der Tod in den Mauern der alten Häuser immer noch allgegenwärtig. Wie sehr ich auch versucht habe, die Relikte der Vergangenheit zu beseitigen - manches bleibt dennoch bestehen und es gibt immer noch viele, die sich bis heute an das Massaker erinnern, das sich hier zugetragen hat. Das Aufbegehren eines verdrängten Klans, der zur Strafe ausgelöscht wurde bis zum Allerletzten. Bis zu mir.   Itachi hat daran geglaubt, dass ich sie hätte ändern können. Die Ruinen strafen seiner Worte Lügen. Etwas bewegt sich im Schatten der Veranda und ich blicke hinüber zu der dunklen Gestalt, die sich nun erhebt und auf mich zukommt. "Sasuke", sagt er breit lächelnd. Die Jahre haben ihn verändert. Sein Gesicht hat die kindlichen Züge beinahe verloren und er trägt auch die Haare inzwischen kürzer. Seine Kleidung ist dunkel und schlicht gehalten. "Dein Blick hat sich nicht verändert", erwidere ich langsam und nehme die Maske ab. "Deiner auch nicht", antwortet er und verringert den Abstand zwischen, sodass kaum mehr ein Blatt Papier zwischen uns Platz fände, "würde ich sagen, aber es ist anders." "Ist es das?", hauche ich ohne eine Antwort zu erwarten. Beinahe berühren sich unsere Nasenspitzen und ich spüre den warmen Atem auf meinen Lippen. Lebendig. Doch berühren wir einander nicht. "Ich bin froh darüber", murmelt er gegen meine Lippen und tritt einen Schritt zurück. Eine Begründung bleibt er mir schuldig und ich frage nicht danach. Möchte sie nicht kennen. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, gehe ich an ihm vorbei und öffne die Tür des Hauses. Erst dann wende ich mich zu ihm um und nicke langsam, fast schon einladend. Danach trete ich ein und lausche für einen Augenblick den Schritten, die mir folgen, bevor ich zielstrebig die Tür zu meinem Schlafzimmer öffne und mich auf dem Bett niedersetze. Naruto ist mir gefolgt und steht beinahe verloren im Türrahmen, ein seichtes Lächeln ziert sein Gesicht. Dann wird er ernst und kommt näher. Näher. Die Anspannung ist unerträglich und für einen Moment habe ich das Gefühl die Zeit sei stehengeblieben. Selbst von draußen her dringt kein Geräusch herein zu uns. Absolute Stille. Abgesehen von unserem Atem. Ausdruckslose Mienen, die sich belauern. Ich glaube, ein Zittern ausmachen zu können in der Dunkelheit. Nervosität. Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem kaum erkennbaren Lächeln, das sofort wieder verschwunden ist. Gelassenheit ergreift Besitz von mir und ich lasse mich einfach fallen. *** "Du bist mein bester Freund", hatte er gerufen. "Du warst so etwas wie mein bester Freund", hatte ich erwidert. "Du wirst sterben, wenn du so weitermachst", rief ich ihm zu. "Ich werde es nicht zulassen, dass du mich tötest", antwortete er mit fester Stimme. In diesem Augenblick wurde ich mir bewusst, dass er mich durchschaut hatte. *** Geräuschvoll atme ich aus und schlage die Hand vors Gesicht, als ich sein Gewicht auf meinem Körper spüre. Er spricht nicht, doch seine Hände wandern zielstrebig auf meinen Obi zu und entknoten ihn beinahe hektisch. Auch der Yukata wird widerstandslos auseinandergerissen, doch er macht keine Anstalten, ihn komplett beiseitezulegen. Ausdruckslos blicke ich ihn aus dunklen Augen an, bevor ich meine Stimme erhebe. "Halte dich nicht zurück." Es klingt beinahe kläglich, doch er scheint es nicht zu bemerken. Stattdessen berühren seine fiebrigen Hände meine kühle Haut und ich zucke merklich zusammen. Für einen Moment. Naruto scheint sich sicherer zu fühlen, als er sich nach vorne beugt und seine Lippen über meinen Hals geistern. Vorsichtig, testend. Kurz hält er inne, bevor er mit den Zähnen das empfindliche Fleisch liebkost. Es brennt. Es schmerzt. Verhalten stöhne ich auf, um dann meine ziellose Hand fester auf den Mund zu pressen. Seine raue Zunge leckt zärtlich über die Bisswunde und als er den Kopf hebt, erkenne ich das Blut, das seinen Kinn herabläuft. Anschließend richtet er sich ein wenig auf, um dann tiefer zu wandern und für einige Sekunden meine unangetastete Unterwäsche nachdenklich zu betrachten. Während seine linke Hand abwesend über meinen Bauch streicht, greift die Rechte nach dem, was unter dem Stoff nur zu erahnen ist. Sachte sucht sie nach den Umrissen meines Geschlechts, bevor er mich sanft streichelt und langsam auf- und abwandert. Bevor er den Druck erhöht und ich mich dabei ertappe, wie ich meinen Kopf ein wenig fester auf die Matratze presse, unentschlossen, ob ich meine Hüften weiter anheben soll. Diffuse Gedanken schwirren mir im Kopf herum. So lange. Irgendeine Stimme, die ich nicht zuzuordnen weiß, ruft mir etwas zu. Doch es ist nicht wirklich. Zumindest nicht so wirklich, wie die Hände, die mich nun freilegen und mein zunehmend erwachendes Glied umfassen, um anschließend mit zielsicheren Bewegungen meine empfindliche Haut zu reizen. Meine Zunge schmeckt Blut. Irgendeine Emotion steigt in mir hoch. Ist es Lust? Ich sehne mich nach einem höheren Tempo, Ungeduld breitet sich aus in mir. Abwesend nehme ich wahr, wie das Blut sich in meiner unteren Körperhälfte sammelt und mein Penis anschwillt und sich aufrichtet. Narutos Bewegungen lassen nicht nach, sie werden schneller, ungeduldiger. Noch immer verlässt kein Laut meine Lippen. Ist es so einfach? Mein rationales Denken verabschiedet sich und ich sehne mich nach Erlösung. Bis er aufhört, seine Hände von meinem erhitzten Fleisch nimmt. Fast möchte ich protestieren, doch ich kann es nicht. Ich schließe meine Augen, kneife sie zusammen, als seine Zunge über meine Eichel leckt und die ersten Tropfen unverhohlener Lust schmeckt. Seine Lippen schließen sich Sekunden später um mein hartes Glied, während seine Finger nach den Hoden greifen, sie sanft berühren, sie reizen, mit ihnen spielen. Mein Atem wird hektischer, es fällt mir zunehmend schwerer, ruhig zu bleiben. Irgendetwas hält mich dennoch zurück. Irgendetwas in mir möchte den Instinkten nicht nachgeben. Seine Zunge leckt über die empfindliche Wurzel und als er das Tempo erneut anzieht, spüre ich, dass das Ende nahe ist. Er hält sich nicht zurück. Die Reibung und die Hitze werden zu groß, bündeln sich und ergießen sich in Wellen in Narutos warmen Schlund. Mein Körper zuckt, genießt die Nachbeben des langersehnten Orgasmus, während meine geöffneten Augen gedankenlos auf die Spuren milchig, weißer Flüssigkeit blicken, deren Reste mein abschwellendes Glied herablaufen. Mein Kopf ist leer. Weiße Leere. Blaue Augen, in der Finsternis farblos erscheinend, die mich anstarren. So ausdruckslos. Ich habe tausend Fragen, doch sie fallen mir nicht ein. Mühselig richte ich mich auf nach einer Weile, Müdigkeit hat sich in mir ausgebreitet. Naruto führt sich nicht. Er steht einfach da, wie eine Statur, wie ein Soldat, den man im Affekt vergessen hat. Seicht berühre ich den Stoff seiner Hose, taste nach seinem Geschlecht. Als ich finde, was ich suche, fühle ich nichts. Keine Erregung. Keine Anspannung. Nichts. Mein Körper fällt zurück aufs Bett und ich drehe mich auf die Seite, den Kopf auf meinen Arm gebettet. Ich sehe Naruto nicht an, möchte ihn nicht sehen. "Verschwinde", flüstere ich leise in den Raum hinein. Einen kurzen Augenblick lang passiert gar nichts. Dann jedoch spüre ich den Windhauch und höre, wie die Tür leise geschlossen wird. Ich bin allein. Die Müdigkeit übermannt mich und ich schlafe ein. Viel zu ruhig. *** Während mein Geist für einige Stunden zur Ruhe kommt, sitzt Shikamaru Nara bei geöffneter Tür auf der Veranda seines Hauses und vermisst eine Zigarette. Er hat vor Jahren aufgehört zu rauchen, dennoch ertappt er sich in solchen Nächten bei dem Gedanken, die letzte Packung aus den Tiefen seines Kleiderschrankes hervorzukramen, um diesen unvergesslichen Geschmack zu inhalieren. Nur eine. Doch er gibt dem Verlangen nicht nach. Die Vernunft malt sich aus, was geschehen könnte, wenn seine Frau mitbekäme, dass der geraucht hatte. Kein schönes Bild - und so verdrängt er den Gedanken wieder. Temari passt wie Faust aufs Auge zu ihm. Sagen die anderen. Shikamaru weiß nicht so recht, ob er dem zustimmen soll, aber er muss zugeben, dass Temari sehr resolut ist und ihm kaum die nötige Zeit zur Entspannung zuspricht. Sicher, wenn man einen Säugling daheim hat, sollte man sich wohl die Arbeit teilen. Shikamaru ist nicht der Meinung, dass das Aufgabe der Frau ist. Aber mitten in der Nacht aufstehen, nur um auf das Geschrei nach der Flasche zu reagieren? Er wusste nicht, ob er wirklich so tolerant sein wollte. Doch wie immer hatte Temari ihm keine Zeit zum Nachdenken gelassen - stattdessen wurde er rüde geschüttelt und mit einem gemurmelten "Gib ihr bitte jetzt die Flasche", das keinen Widerspruch duldete, zum Aufstehen gezwungen. Inzwischen schlafen alle wieder, doch er ist nicht müde. Der Himmel ist sternenklar und die Nacht ist lau für diese Jahreszeit. Viel zu lau. Er zuckt nicht zusammen, als sich eine Gestalt aus der Dunkelheit löst und vor ihm stehenbleibt. "Naruto", sagt er langsam und bedächtig, "ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchst." "Du bist nicht erstaunt", stellt Naruto fest und lässt sich neben ihn fallen. "Nein, ich bin nur erstaunt, dass du dich jetzt bei mir meldest", räumt Shikamaru ein und denkt noch einmal an die Zigarette. "Du verblüffst mich immer wieder", erwidert Naruto langsam, "aber eigentlich verwundert es mich nicht." "Was? Dass ich weiß, dass du noch lebst oder dass ich nicht wusste, dass du mich heute aufsuchen würdest?" "Von beidem etwas", antwortet Naruto und lacht leise. Ein dunkles Lachen, das so schnell verklingt wie es anfing. "Was mir zugegebenermaßen bis heute unklar ist", fährt Shikamaru mit nachdenklicher Miene fort, "ist der Grund, der sich hinter all dem verbirgt." "Vielleicht, weil er nicht rational ist", sagt Naruto und klingt dabei fast schon wehmütig. "Niemand, der rational denkt, hätte uns mit Sasuke Uchiha allein gelassen." Es klingt ein wenig verbittert, doch Naruto geht nicht weiter darauf ein. Vielleicht ignoriert er den stummen Vorwurf. "Was hast du in den letzten Jahren gemacht?", möchte er stattdessen wissen. "Mein Junggesellenleben vermisst und mich gefragt, warum irgendein Mensch sich freiwillig Kinder anschafft", erwidert Shikamaru. "Herzlichen Glückwunsch", antwortet Naruto aufrichtig. *** Als ich erwache, versuche ich fast schon verzweifelt die Fetzen meines wirren Traumes festzuhalten. Es gelingt mir nicht. Ich glaube, ich habe meinen Bruder getroffen, doch der Rest ist mir entglitten. Stöhnend strecke ich mich und schließe erneut für einige Sekunden die Augen. Bis ich mich aufrichte und mein Blick auf den vollkommen zerknitterten Yukata fällt, den ich immer noch mehr oder minder trage. Nicht, dass ich es vergessen hätte. Sekunden später entledige ich mich des Stoffes und suche meine gewöhnliche Arbeitskleidung heraus, während mein Blick auf die Uhr fällt. Es ist spät. Viel zu spät. Ein Geräusch dringt an mein Ohr - jemand klopft an der Tür. "Wer ist da?", höre ich mich fragen. Unfreundlich. ***  Die Männer und Frauen tragen dunkle Kleidung und ihre Gesichter verbergen sich hinter Masken. Sie möchten nicht erkannt werden - und nicht erkennen. Was sie eint, sind weder Verbindungen noch Erinnerungen. Was sie eint, ist ihr gemeinsames Ziel. "Seid ihr bereit zu sterben?", ruft ihr Anführer laut. Es ist keine Frage, sie jubeln und heben ihre Hände siegessicher in die Luft. "Sasuke Uchiha muss sterben!", schreit einer von ihnen und erntet murmelnde Zustimmung. Die meisten wiederholen die Worte noch einmal für sich. Um ganz sicher zu sein. Sasuke Uchiha muss sterben. Niemand von ihnen registriert, dass jemand nahe des offenen Fensters steht und sie belauscht. *** "Ich bin es", erwidert eine mir bekannte Stimme und als ich die Tür öffne, bin ich nicht überrascht, in die Augen von Kakashi Hatake zu blicken. Seitdem er das Sharingan verloren hat, verdeckt das Stirnband nicht mehr die Hälfte seines Gesichts. Die Maske ist dennoch geblieben und es ist mir bis heute ein Rätsel, weshalb er sie trägt. Vielleicht aus Gewohnheit. Abwartend blicke ich ihn an. "Hast du Besuch?", erkundigt er sich plötzlich und versucht an mir vorbei ins Innere des Hauses zu blicken. Womöglich in der Hoffnung, irgendjemanden ausmachen zu können. Natürlich vergeblich. "Nein", antworte ich langsam und mache ihm deutlich, dass ich das Thema nicht weiter vertiefen werde. "Ist das so?", spricht er mehr zu sich selbst als zu mir. Ein wenig ungläubig. Es ist mir schleierhaft, wie er auf diese Idee kommt oder weshalb er mich hier und heute behelligt. Zumeist vermeidet es Kakashi mich regelmäßig aufzusuchen und zu festen Terminen erscheint er meist zu spät wie seit jeher schon. Ab und zu habe ich das Gefühl, dass er mir irgendetwas mitteilen möchte und es doch zurückhält. Er ist nicht länger mein Lehrer. Eventuell fällt es ihm schwer, diese Tatsache zu akzeptieren. Zudem ich mich noch heute an den Blick erinnere, den er mir zuwarf, als ich nach dem Kampf im Tal des Endes erwachte. Eine Mischung aus Enttäuschung und Mitleid. "Wo ist Naruto?", fragte er mich damals und als ich den Blick abwandte, verzichtete er darauf, weiter nachzuhaken. Meine Beziehung zu Kakashi ist seit jeher eine schwer definierbare. Es gab immer eine gewisse, stumme Verbundenheit zwischen uns, womöglich, weil wir beide zur Rationalität neigen. Letztendlich haben wir jedoch den Faden verloren und er machte mir häufiger deutlich, dass er längst nicht mehr so recht verstand, was mich eigentlich bewegte. Womöglich macht er sich noch heute Vorwürfe, dass er nicht viel früher eingegriffen hat. Um das Unausweichliche zu verhindern. Doch in der Geschichte ist kein Platz für derartige Träumereien. Das ist uns beiden bewusst. "Was ist?", murmele ich schließlich und mache keinen Hehl darum, dass er hier nicht erwünscht ist. "Ein weiteres Attentat", erwidert er mit ausdrucksloser Miene, "oder vielmehr der Versuch ist geplant. Wie sollen wir vorgehen?" Wortlos starren wir einander an für einige Minuten. Kakashi kennt die Antwort auf seine Frage bereits und ich nehme ihm nicht wirklich ab, dass er deswegen hier erschienen ist. Dennoch antworte ich ihm schließlich. "Liquidiert sie." Reine Formsache. *** "Fühlst du dich manchmal schuldig?" "Vielleicht", sagt Naruto und beobachtet mit starrer Miene ein goldgelbes Blatt, das sich vom Baum gelöst hat und dem feuchten Erdboben entgegenschwebt. Ein ewiger Kreislauf. Er und ich hatten die Chance, ihn zu durchbrechen. Was haben wir getan? *** Es ist früher Abend, als ich den Bericht über die abgeschlossene Mission überfliege. Vierzig Tote. Einige Verletzte und zwei Tote aus unseren Reihen. Ich überfliege die Namen der verstorbenen Attentäter und versuche mich zu erinnern, ob ich sie schon einmal gesehen habe. Flüchtige Erinnerungen, Daten. Mein Blick fällt auf die Geburtsdaten einer jungen Frau. Nächsten Monat wäre sie vierzehn geworden. Mit einem kaum hörbaren Seufzen schließe ich die Akte. Ob sie wohl Angehörige hatte? "Solange noch Hoffnung besteht", hatte mir vor einigen Monaten jemand zugerufen, der zuvor bei dem Versuch gescheitert war, mich zu töten, "solange werden wir nicht aufgeben!" Sekunden später war er verstorben. Wie lange gibt es noch Hoffnung? "Immer", antwortet der Naruto in meinem Geiste. Ich hoffe, er behält nicht Recht. Kapitel 3: Are we getting closer? (zensiert) -------------------------------------------- Scars make us who we are Hearts and homes are broken Far, we could go so far With our minds wide open (Adam Lambert - Outlaws of Love) Ich bin erstarrt, unfähig zu reagieren. Bis ich mich dazu durchringen kann, mich umzudrehen. Doch dort steht niemand. Nur ein etwa vierzigjähriger Mann, der mich fragend anblickt und sich dann wieder seinem Sohn zuwendet. Ein Kind mit einem Luftballon. Es ist wirklich passiert. Ich brauche einige Sekunden, um mich wieder zu beruhigen. Wie lange ist es her, dass ich so die Fassung verloren habe? Ich erinnere mich nicht mehr. Wie ferngesteuert begebe ich mich zurück zum Familienanwesen, das unbeleuchtend und schweigend inmitten des verlassenen Uchiha-Viertels trohnt, ganz, wie ich es zuvor verlassen habe. Auch um die umliegenden, leerstehenden Häuser habe ich mich in meiner Amtszeit nicht weiter gekümmert. Aber wer würde dort schon wohnen wollen? Obwohl über ein Jahrzehnt ins Land gegangen ist, ist der Tod in den Mauern der alten Häuser immer noch allgegenwärtig. Wie sehr ich auch versucht habe, die Relikte der Vergangenheit zu beseitigen - manches bleibt dennoch bestehen und es gibt immer noch viele, die sich bis heute an das Massaker erinnern, das sich hier zugetragen hat. Das Aufbegehren eines verdrängten Klans, der zur Strafe ausgelöscht wurde bis zum Allerletzten. Bis zu mir.   Itachi hat daran geglaubt, dass ich sie hätte ändern können. Die Ruinen strafen seiner Worte Lügen. Etwas bewegt sich im Schatten der Veranda und ich blicke hinüber zu der dunklen Gestalt, die sich nun erhebt und auf mich zukommt. "Sasuke", sagt er breit lächelnd. Die Jahre haben ihn verändert. Sein Gesicht hat die kindlichen Züge beinahe verloren und er trägt auch die Haare inzwischen kürzer. Seine Kleidung ist dunkel und schlicht gehalten. "Dein Blick hat sich nicht verändert", erwidere ich langsam und nehme die Maske ab. "Deiner auch nicht", antwortet er und verringert den Abstand zwischen, sodass kaum mehr ein Blatt Papier zwischen uns Platz fände, "würde ich sagen, aber es ist anders." "Ist es das?", hauche ich ohne eine Antwort zu erwarten. Beinahe berühren sich unsere Nasenspitzen und ich spüre den warmen Atem auf meinen Lippen. Lebendig. Doch berühren wir einander nicht. "Ich bin froh darüber", murmelt er gegen meine Lippen und tritt einen Schritt zurück. Eine Begründung bleibt er mir schuldig und ich frage nicht danach. Möchte sie nicht kennen. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, gehe ich an ihm vorbei und öffne die Tür des Hauses. Erst dann wende ich mich zu ihm um und nicke langsam, fast schon einladend. Danach trete ich ein und lausche für einen Augenblick den Schritten, die mir folgen, bevor ich zielstrebig die Tür zu meinem Schlafzimmer öffne und mich auf dem Bett niedersetze. Naruto ist mir gefolgt und steht beinahe verloren im Türrahmen, ein seichtes Lächeln ziert sein Gesicht. Dann wird er ernst und kommt näher. Näher. Die Anspannung ist unerträglich und für einen Moment habe ich das Gefühl die Zeit sei stehengeblieben. Selbst von draußen her dringt kein Geräusch herein zu uns. Absolute Stille. Abgesehen von unserem Atem. Ausdruckslose Mienen, die sich belauern. Ich glaube, ein Zittern ausmachen zu können in der Dunkelheit. Nervosität. Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem kaum erkennbaren Lächeln, das sofort wieder verschwunden ist. Gelassenheit ergreift Besitz von mir und ich lasse mich einfach fallen. *** "Du bist mein bester Freund", hatte er gerufen. "Du warst so etwas wie mein bester Freund", hatte ich erwidert. "Du wirst sterben, wenn du so weitermachst", rief ich ihm zu. "Ich werde es nicht zulassen, dass du mich tötest", antwortete er mit fester Stimme. In diesem Augenblick wurde ich mir bewusst, dass er mich durchschaut hatte. *** Nach dem Höhepunkt ist mein Kopf leer. Weiße Leere. Blaue Augen, in der Finsternis farblos erscheinend, die mich anstarren. So ausdruckslos. Ich habe tausend Fragen, doch sie fallen mir nicht ein. Mühselig richte ich mich auf nach einer Weile, Müdigkeit hat sich in mir ausgebreitet. Naruto führt sich nicht. Er steht einfach da, wie eine Statur, wie ein Soldat, den man im Affekt vergessen hat. Seicht berühre ich den Stoff seiner Hose. Als ich finde, was ich suche, fühle ich nichts. Keine Anspannung. Nichts. Mein Körper fällt zurück aufs Bett und ich drehe mich auf die Seite, den Kopf auf meinen Arm gebettet. Ich sehe Naruto nicht an, möchte ihn nicht sehen. "Verschwinde", flüstere ich leise in den Raum hinein. Einen kurzen Augenblick lang passiert gar nichts. Dann jedoch spüre ich den Windhauch und höre, wie die Tür leise geschlossen wird. Ich bin allein. Die Müdigkeit übermannt mich und ich schlafe ein. Viel zu ruhig. *** Während mein Geist für einige Stunden zur Ruhe kommt, sitzt Shikamaru Nara bei geöffneter Tür auf der Veranda seines Hauses und vermisst eine Zigarette. Er hat vor Jahren aufgehört zu rauchen, dennoch ertappt er sich in solchen Nächten bei dem Gedanken, die letzte Packung aus den Tiefen seines Kleiderschrankes hervorzukramen, um diesen unvergesslichen Geschmack zu inhalieren. Nur eine. Doch er gibt dem Verlangen nicht nach. Die Vernunft malt sich aus, was geschehen könnte, wenn seine Frau mitbekäme, dass der geraucht hatte. Kein schönes Bild - und so verdrängt er den Gedanken wieder. Temari passt wie Faust aufs Auge zu ihm. Sagen die anderen. Shikamaru weiß nicht so recht, ob er dem zustimmen soll, aber er muss zugeben, dass Temari sehr resolut ist und ihm kaum die nötige Zeit zur Entspannung zuspricht. Sicher, wenn man einen Säugling daheim hat, sollte man sich wohl die Arbeit teilen. Shikamaru ist nicht der Meinung, dass das Aufgabe der Frau ist. Aber mitten in der Nacht aufstehen, nur um auf das Geschrei nach der Flasche zu reagieren? Er wusste nicht, ob er wirklich so tolerant sein wollte. Doch wie immer hatte Temari ihm keine Zeit zum Nachdenken gelassen - stattdessen wurde er rüde geschüttelt und mit einem gemurmelten "Gib ihr bitte jetzt die Flasche", das keinen Widerspruch duldete, zum Aufstehen gezwungen. Inzwischen schlafen alle wieder, doch er ist nicht müde. Der Himmel ist sternenklar und die Nacht ist lau für diese Jahreszeit. Viel zu lau. Er zuckt nicht zusammen, als sich eine Gestalt aus der Dunkelheit löst und vor ihm stehenbleibt. "Naruto", sagt er langsam und bedächtig, "ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchst." "Du bist nicht erstaunt", stellt Naruto fest und lässt sich neben ihn fallen. "Nein, ich bin nur erstaunt, dass du dich jetzt bei mir meldest", räumt Shikamaru ein und denkt noch einmal an die Zigarette. "Du verblüffst mich immer wieder", erwidert Naruto langsam, "aber eigentlich verwundert es mich nicht." "Was? Dass ich weiß, dass du noch lebst oder dass ich nicht wusste, dass du mich heute aufsuchen würdest?" "Von beidem etwas", antwortet Naruto und lacht leise. Ein dunkles Lachen, das so schnell verklingt wie es anfing. "Was mir zugegebenermaßen bis heute unklar ist", fährt Shikamaru mit nachdenklicher Miene fort, "ist der Grund, der sich hinter all dem verbirgt." "Vielleicht, weil er nicht rational ist", sagt Naruto und klingt dabei fast schon wehmütig. "Niemand, der rational denkt, hätte uns mit Sasuke Uchiha allein gelassen." Es klingt ein wenig verbittert, doch Naruto geht nicht weiter darauf ein. Vielleicht ignoriert er den stummen Vorwurf. "Was hast du in den letzten Jahren gemacht?", möchte er stattdessen wissen. "Mein Junggesellenleben vermisst und mich gefragt, warum irgendein Mensch sich freiwillig Kinder anschafft", erwidert Shikamaru. "Herzlichen Glückwunsch", antwortet Naruto aufrichtig. *** Als ich erwache, versuche ich fast schon verzweifelt die Fetzen meines wirren Traumes festzuhalten. Es gelingt mir nicht. Ich glaube, ich habe meinen Bruder getroffen, doch der Rest ist mir entglitten. Stöhnend strecke ich mich und schließe erneut für einige Sekunden die Augen. Bis ich mich aufrichte und mein Blick auf den vollkommen zerknitterten Yukata fällt, den ich immer noch mehr oder minder trage. Nicht, dass ich es vergessen hätte. Sekunden später entledige ich mich des Stoffes und suche meine gewöhnliche Arbeitskleidung heraus, während mein Blick auf die Uhr fällt. Es ist spät. Viel zu spät. Ein Geräusch dringt an mein Ohr - jemand klopft an der Tür. "Wer ist da?", höre ich mich fragen. Unfreundlich. ***  Die Männer und Frauen tragen dunkle Kleidung und ihre Gesichter verbergen sich hinter Masken. Sie möchten nicht erkannt werden - und nicht erkennen. Was sie eint, sind weder Verbindungen noch Erinnerungen. Was sie eint, ist ihr gemeinsames Ziel. "Seid ihr bereit zu sterben?", ruft ihr Anführer laut. Es ist keine Frage, sie jubeln und heben ihre Hände siegessicher in die Luft. "Sasuke Uchiha muss sterben!", schreit einer von ihnen und erntet murmelnde Zustimmung. Die meisten wiederholen die Worte noch einmal für sich. Um ganz sicher zu sein. Sasuke Uchiha muss sterben. Niemand von ihnen registriert, dass jemand nahe des offenen Fensters steht und sie belauscht. *** "Ich bin es", erwidert eine mir bekannte Stimme und als ich die Tür öffne, bin ich nicht überrascht, in die Augen von Kakashi Hatake zu blicken. Seitdem er das Sharingan verloren hat, verdeckt das Stirnband nicht mehr die Hälfte seines Gesichts. Die Maske ist dennoch geblieben und es ist mir bis heute ein Rätsel, weshalb er sie trägt. Vielleicht aus Gewohnheit. Abwartend blicke ich ihn an. "Hast du Besuch?", erkundigt er sich plötzlich und versucht an mir vorbei ins Innere des Hauses zu blicken. Womöglich in der Hoffnung, irgendjemanden ausmachen zu können. Natürlich vergeblich. "Nein", antworte ich langsam und mache ihm deutlich, dass ich das Thema nicht weiter vertiefen werde. "Ist das so?", spricht er mehr zu sich selbst als zu mir. Ein wenig ungläubig. Es ist mir schleierhaft, wie er auf diese Idee kommt oder weshalb er mich hier und heute behelligt. Zumeist vermeidet es Kakashi mich regelmäßig aufzusuchen und zu festen Terminen erscheint er meist zu spät wie seit jeher schon. Ab und zu habe ich das Gefühl, dass er mir irgendetwas mitteilen möchte und es doch zurückhält. Er ist nicht länger mein Lehrer. Eventuell fällt es ihm schwer, diese Tatsache zu akzeptieren. Zudem ich mich noch heute an den Blick erinnere, den er mir zuwarf, als ich nach dem Kampf im Tal des Endes erwachte. Eine Mischung aus Enttäuschung und Mitleid. "Wo ist Naruto?", fragte er mich damals und als ich den Blick abwandte, verzichtete er darauf, weiter nachzuhaken. Meine Beziehung zu Kakashi ist seit jeher eine schwer definierbare. Es gab immer eine gewisse, stumme Verbundenheit zwischen uns, womöglich, weil wir beide zur Rationalität neigen. Letztendlich haben wir jedoch den Faden verloren und er machte mir häufiger deutlich, dass er längst nicht mehr so recht verstand, was mich eigentlich bewegte. Womöglich macht er sich noch heute Vorwürfe, dass er nicht viel früher eingegriffen hat. Um das Unausweichliche zu verhindern. Doch in der Geschichte ist kein Platz für derartige Träumereien. Das ist uns beiden bewusst. "Was ist?", murmele ich schließlich und mache keinen Hehl darum, dass er hier nicht erwünscht ist. "Ein weiteres Attentat", erwidert er mit ausdrucksloser Miene, "oder vielmehr der Versuch ist geplant. Wie sollen wir vorgehen?" Wortlos starren wir einander an für einige Minuten. Kakashi kennt die Antwort auf seine Frage bereits und ich nehme ihm nicht wirklich ab, dass er deswegen hier erschienen ist. Dennoch antworte ich ihm schließlich. "Liquidiert sie." Reine Formsache. *** "Fühlst du dich manchmal schuldig?" "Vielleicht", sagt Naruto und beobachtet mit starrer Miene ein goldgelbes Blatt, das sich vom Baum gelöst hat und dem feuchten Erdboben entgegenschwebt. Ein ewiger Kreislauf. Er und ich hatten die Chance, ihn zu durchbrechen. Was haben wir getan? *** Es ist früher Abend, als ich den Bericht über die abgeschlossene Mission überfliege. Vierzig Tote. Einige Verletzte und zwei Tote aus unseren Reihen. Ich überfliege die Namen der verstorbenen Attentäter und versuche mich zu erinnern, ob ich sie schon einmal gesehen habe. Flüchtige Erinnerungen, Daten. Mein Blick fällt auf die Geburtsdaten einer jungen Frau. Nächsten Monat wäre sie vierzehn geworden. Mit einem kaum hörbaren Seufzen schließe ich die Akte. Ob sie wohl Angehörige hatte? "Solange noch Hoffnung besteht", hatte mir vor einigen Monaten jemand zugerufen, der zuvor bei dem Versuch gescheitert war, mich zu töten, "solange werden wir nicht aufgeben!" Sekunden später war er verstorben. Wie lange gibt es noch Hoffnung? "Immer", antwortet der Naruto in meinem Geiste. Ich hoffe, er behält nicht Recht. Kapitel 4: In my way, there's you --------------------------------- If you were dead or still alive, I don't care, And all the things you left behind, I don't care (Apocalyptica - I don't care) Naruto streift durch die Straßen Konohas. Er trägt einen Kapuzenmantel und hat sich den orangeroten Schal tief ins Gesicht gezogen. Es ist nicht kühl, doch er möchte nicht erkannt werden. Plötzlich bleibt er stehen. Schräg gegenüber erblickt er 'Ramen Ichiraku' und dessen Inhaber Teuchi, der zwei Männer bedient, die auf den Stühlen vor der Theke sitzen. Teuchi macht einen ausgemergelten Eindruck und er wirkt müde. Trotz seines Lächelns. Das nicht echt ist. Nachdenklich beobachtet er ihn eine Weile und erinnert sich. Damals ist er häufig dort gewesen, um Ramen zu essen - vorzugsweise mit Iruka oder irgendjemand anderem, der ihm die Nudeln spendierte. So sorglos. "... Und ich sage dir, es kann so nicht weitergehen. Hätte ich keine kleinen Kinder daheim, würde ich es auch versuchen und diesen Bastard zum Teufel schicken", flüstert eine männliche Stimme hinter Naruto und als er sich umdreht, erblickt er zwei Männer Mitte zwanzig, die aufgeregt miteinander diskutieren. Sie sind so vertieft in ihre Unterhaltung, dass sie ihn nicht bemerken. "Sei nicht so laut", zischt der zweite ihm dennoch zu und blickt sich ein wenig nervös um, "es haben schon Leute aus nichtigeren Gründen dran glauben müssen." Beide besinnen sich und beginnen unverfangen über Belanglosigkeit zu sprechen. Ganz, als habe es nie ein anderes Thema gegeben. Naruto setzt seinen Weg fort und wirft Teuchi, der sich nachdenklich am Kopf kratzt und den unbekannten Reisenden aus der Ferne mustert, einen letzten Blick zu. Nichts geschieht. Für einen Moment denkt er an mich. An meinen hektischen Atem, als ich verzweifelt versuchte, die Erregung zu unterdrücken. Dann erinnert er sich an sein Vorhaben - und seufzt leise. "So nachdenklich heute? Hat der Pfad des Lebens dich vom Weg abgebracht?", spricht plötzlich eine altbekannte Stimme neben Naruto und als er verwundert aufsieht, steht Kakashi Hatake vor ihm, sein ehemaliger Mentor und Lehrer. Naruto ist davon überzeugt, dass Kakashi ihn längst erkannt hat, von daher verzichtet er darauf, sich etwas zu überlegen und antwortet schlicht. "Lange nicht gesehen, Kakashi-sensei." Für einige Zeit sagt er nichts. Bis er lächelt. Zumindest glaubt Naruto, unter den Konturen der dunklen Maske so etwas wie ein breites Lächeln ausmachen zu können. "Ich bin froh", erwidert sein ehemaliger Lehrer beinahe zusammenhanglos. "Worüber?", erkundigt sich Naruto mit verwunderter Miene, doch Kakashi verzichtet darauf, seine Aussage näher auszuführen. Er lächelt einfach nur. "Alles wird gut", fügt er schließlich noch hinzu und berührt mit der Hand leicht Narutos Schulter. Eine fast schon tröstliche Geste. Vielleicht soll sie aber auch so etwas wie Unterstützung signalisieren. Naruto weiß sie nicht genau zu deuten. Anschließend geht er seines Weges ohne sich noch einmal umzudrehen und glaubt zu spüren, wie sich Narutos Blick in seinen Rücken bohrt. *** Sakura Haruno steht mit verschränkten Armen vor dem Steindenkmal, in das die Namen der verstorbenen Helden des Dorfes eingraviert sind. Irgendjemand hat auch Narutos Namen in ungleichmäßiger Schrift hinzugefügt, was darauf hindeutet, dass es in Eile und wohl auch in aller Heimlichkeit erledigt wurde. Ich habe darauf verzichtet, die Gravur wieder zu entfernen und stattdessen veranlasst, dass auch der Name meines Bruders dort prangt. Die junge Kunoichi steht häufig hier, denkt nach und versucht ihre innere Ruhe wiederzufinden. Die Arbeit als Iryounin, als Shinobi, der eine medizinische Ausbildung genossen hat, ist des Öfteren sehr stressig und nervenaufreibend. Selbst wenn Sakura inzwischen weitestgehend auf Missionen verzichtet und die längste Zeit im Dorf verbringt. Ab und zu bildet sie auch den Nachwuchs aus. Eine Tätigkeit, die ihr besonders gefällt. An diesen Tagen steht sie jedoch hier und betrachtet nachdenklich die Namen der Toten, die für das Wohl Konohagakures ihr Leben gegeben haben. Meist driften ihre Gedanken zu Naruto ab, der ihr bis heute beinahe täglich in den Sinn kommt. Nicht, weil sie eine romantische Verbindung zu ihm gehegt hätte, im Gegenteil, sie spricht vielmehr von einer tiefen Freundschaft. Manchmal wünscht sie sich jedoch, dass es anders gewesen wäre. Einen großen Teil ihres Lebens hat sie damit zugebracht an mich zu denken. Sich nach mir und meiner Aufmerksamkeit zu sehnen. Sich verzweifelt zu wünschen, dass ich sie bemerke und ihr mit offenen Armen entgegentrete. Ein lächerlicher Wunschtraum, wie sie sich letztendlich mit bitterer Erkenntnis eingestehen musste. Ich habe mich nie wirklich für sie interessiert. Ich hasse sie nicht einmal. Sie ist mir einfach gleichgültig - und kaum etwas ist wohl schlimmer als vollkommene Gleichgültigkeit zu erfahren. Unzählige Tränen hat sie vergossen und das alte Foto, das ihr altes 'Team Sieben' in jungen Jahren zeigt mit Naruto, Kakashi, mir und ihr selbst, ist nicht mehr so ganz intakt - sie hat sich die Freiheit genommen mein Gesicht herauszuschneiden, es zu unzähligen, kleinen Schnipseln zu verarbeiten und schließlich wegzuwerfen. Ein gutes Gefühl. Wirklich befreiend war es dennoch nicht. Zu tief sitzt der Schmerz der verschwendeten Jahre und die Erkenntnis, dass sie nie wirklich dazugehört hat. Nicht zu mir. Nicht zu Naruto und mir. Uns hat etwas ganz anderes verbunden. Es tut ihr Leid, dass sie Naruto nicht geliebt hat. Er hätte es verdient gehabt. *** Als ich am späten Abend heimkehre, ist es erneut Naruto, der mich nahe meines Anwesens erwartet. Die Straßen hier sind, wie zu jeder Tageszeit, vollkommen ausgestorben. Lediglich eine streunende Katze huscht vorbei, doch ich schenke ihr kaum Aufmerksamkeit. Anstatt ihn anzusprechen, gehe ich wortlos an Naruto vorbei und öffne die Tür. Er folgt mir ohne Aufforderung und ich lasse ihn gewähren. Als ich in die Küche des Hauses trete, schalte ich kurz darauf das schummerige Licht ein und sehe, wie Naruto kurz die Augen zusammenkneift, als müsse er sich wieder an die Helligkeit gewöhnen. Ohne etwas zu sagen, fülle ich mir ein Glas Wasser ein und verzichte darauf, ihm auch etwas anzubieten. Stattdessen blicke ich ihn zum ersten Mal an diesem Tage an und mir fällt sofort auf, dass er ein wenig müde wirkt. Keineswegs nervös, aber eindeutig müde. "Sasuke", beginnt er, doch ich unterbreche ihn kurzerhand. "Im Schrank des Zimmers nebenan findest du einen Futon." Naruto nickt, offensichtlich dankbar. Es bleibt der einzige Satz, den wir an diesem Abend miteinander wechseln. Als ich Stunden später noch wach liege, fällt mir auf, dass ich den Naruto meiner Kindheit kaum in dem Menschen wiedererkenne, der einige Zimmer weiter gerade nächtigt. Von seiner aufdringlichen, naiven und zeitweilig fast schon taktlosen Persönlichkeit ist nicht mehr viel zu erkennen. Womöglich hat es jedoch auch andere Gründe, denke ich. Vielleicht ist es so etwas wie Verständnis. Ein fast schon unheimlicher Gedanke, den ich wenig später wieder vergessen habe. Dann schlafe ich ein. Entgegen meiner Annahme schläft Naruto noch nicht. Er liegt auf dem Rücken auf dem mehr oder minder bequemen Futon und starrt mit offenen Augen zur Zimmerdecke. Er denkt an mich. An uns. Er denkt an das Dorf, das immer seine Heimat war. An die Menschen, die hier leben. Letztendlich kommt er zu dem Schluss, naiv gewesen zu sein. Naiv und egoistisch. Als Shikamaru ihn danach fragte, ob er sich schuldig fühle, war er sich nicht sicher gewesen. Hier und jetzt beschließt er, es nicht zu bereuen. Zumindest nicht die Essenz des Ganzen. Lautlos erhebt sich Naruto, schleicht zur Tür und öffnet diese mit unendlicher Langsamkeit, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen. Danach begibt er sich ebenso geräuschlos zu meinem Zimmer und öffnet die Tür sachte einen Spalt weit. Wenn sich etwas nicht verändert hat, denkt er, so ist es mein schlafendes Gesicht. Wohlwissend, dass mein Schlaf in der Regel nicht allzu tief ist, wagt er sich nicht näher heran und verharrt einige Minuten in der geöffneten Tür. Plötzlich murmelt er etwas. Die Worte gelangen in mein Unterbewusstsein, doch sie sind nicht greifbar und die Erinnerung an sie löst sich beinahe sofort wieder auf. "Ich bin froh, dass du lebst." Am drauffolgenden Morgen erwache nicht wie gewohnt von selbst. Stattdessen ist es ein penetrantes, repetitives Rufen meines Namens, das mich aus dem Schlaf reißt. Lieblos. Schlaftrunken verlässt ein Grummeln meine Lippen und ich reibe mir einige Male mit den Händen über meine Augen bevor ich sie letztendlich öffne. Eine unscharfe Gestalt steht neben meinem Bett. Ihre Konturen werden schärfer. Naruto. Ich runzele meine Stirn ein wenig, unentschlossen ob ich wütend oder überrascht reagieren soll. Oder gar nicht. "Du wirst auch nicht jünger", sagt er dann mit einem Lächeln auf den Lippen. Vermutlich möchte er darauf anspielen, dass ich früher morgens deutlich aktiver gewesen bin. Jedoch weiß er nicht, dass mich seit Monaten eine milde Schlaflosigkeit von Zeit zu Zeit plagt und es mir immer schwerer fällt, tatsächlich zu schlafen. Woher diese innere Unruhe kommt, weiß ich selbst nicht genau. Ich entschließe mich, sein Kommentar zu ignorieren. "Ich habe Frühstück gemacht", fährt er schließlich fort, wohlwissend, dass ich auf seine neckenden Worte nicht reagieren werde. "Ramen?", frage ich trocken. Naruto lacht ein wenig verlegen und kratzt sich am Kopf. Wie früher. "Nicht ganz, ich habe dazugelernt", erwidert er letztendlich und seine Miene verhärtet sich ein wenig. Ich verzichte darauf, weiter nachzufragen. Einerseits bin ich unschlüssig, ob es mich interessiert, andererseits möchte ich es eventuell auch gar nicht so genau wissen. Stattdessen erhebe ich mich und werfe Naruto einen letzten, langen Blick zu, bevor ich mich meinem Schrank zuwende und Kleidung für den Tag heraussuche. Entfernt höre ich, wie sich seine Schritte entfernen. Einige Zeit später sitzen wir gemeinsam am Tisch und essen stillschweigend. Lustlos stochere ich en wenig im Reis herum und versuche mich zu erinnern, wann ich zuletzt Gesellschaft hatte beim Frühstück. Es muss bereits länger her sein. Womöglich auch sehr lange. Sicherlich isst man des Öfteren mit anderen zu Abend, wenn es sich auch eher um Pflichten handelt. Zu meinem Wohlwollen ist dieser Anlass jedoch auch nur selten gegeben. Vielleicht, weil es ein Genuss ist, zu essen und es wohl nicht sehr angenehm ist, mit einer Person wie mir diese Zeit zu teilen. Zumindest nicht auf freiwilliger Basis. Menschen kamen immer von sich aus auf mich zu. Ich habe mich nie darum bemüht, ihnen dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken oder ihnen etwas zurückzugeben für ihre Anstrengungen. Nicht, dass ich darauf angewiesen wäre. Naruto wiederum ähnelte mir in dieser Hinsicht gar nicht. Er war immer versucht, sich zu beweisen und die Zuneigung der anderen zu erhaschen. Ich hatte, wonach er sich sehnte. Und er besaß das, was ich ersehnte - das Desinteresse der anderen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich damals wirklich die Verachtung spüren wollte, die man ihm einst entgegenbrachte. Vermutlich schrie auch ich als Kind nach irgendeiner Art von Liebe - jedoch existierten die Personen, die mir etwas bedeuteten, schon damals in der Form nicht mehr. Bis ich etwas fand. Etwas, das ich nicht haben sollte. Noch heute denke ich oft an Itachi. An das, was er getan hat. Für Konoha. Für mich. Ab und zu frage ich mich, ob ich an seiner Stelle anders gehandelt hätte. Ich bin mir sicher, dass Itachi daran geglaubt hat. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Was wäre gewesen, wenn Itachi mich damals umgebracht hätte? Mein Bruder wollte, dass ich lebe. Naruto blickt mich nachdenklich an und legt den Kopf schief. Als wolle er mich etwas fragen. "Es war egoistisch", sage ich plötzlich unvermittelt. Offensichtlich kann er meinen Gedankengängen nicht folgen. Dennoch nickt er langsam. "Oh ja, das war es." Ich verstehe nicht, wovon er spricht. Fragen schwirren mir durch den Kopf. Unaufhaltsam. Einige erscheinen mir belanglos, andere kann ich kaum zurückhalten. Die Frage nach dem "Warum". Warum meine Uhr nicht stehenbleibt. Warum wir hier sitzen. Warum Naruto zurückgekehrt ist. Die eine Person, die sie mir wohl zum Teil zumindest beantworten könnte, sitzt vor mir und schaufelt sich Soba-Nudeln in den Rachen. Meine Hände ballen sich unbewusst zu Fäusten zusammen und meine Augen wandern für einige Sekunden ziellos durch den schlichten Raum. Beinahe schon spartanisch. "Warum?", presse ich schließlich aus zusammengekniffenen Lippen hervor. Leise, doch er hat mich verstanden, ich sehe es an seinem Blick. "Was 'warum'?", erkundigt er sich mit sorgloser Miene. "Warum bist du hier", gebe ich zurück und fange mit dem Naheliegensten an. "Das ist keine einfache Frage", räumt er ein, "vielleicht hatte ich Heimweh?" Es ist keine wirkliche Antwort - und schon gar keine, die ehrlich gemeint ist. Ich sehe es ihm an. "Antworte", sage ich mit scharfem Unterton in der Stimme. "Ich weiß nicht, ob ich das kann", antwortet Naruto und schüttelt bedauernd mit dem Kopf, "zunächst muss ich sichergehen." "In welcher Hinsicht?", erwidere ich und beuge mich ein Stück zu ihm vor. Er sieht mich an, als würde er etwas in meinem Gesicht, meinem Blick zu suchen. Dann seufzt er hörbar und schließt für einige Sekunden die Augen. "Gib mir noch etwas Zeit", bittet er mich plötzlich. Ein Schnauben verlässt meine Lippen. "Was hindert mich daran, dich hier und jetzt zu töten?" Ruhig blickt Naruto in meine rot glühenden Augen. Es fällt mir schwer, die unterschwellige Wut weiter zu unterdrücken. "Das kannst du nicht", sagt er schlicht und lächelt mich breit an. Meine Augen weiten sich etwas, doch eine Antwort bleibe ich ihm schuldig. Fürs erste. ***  "Es ist nicht so einfach", sagt Shikamaru langsam und macht siegessicher seinen Zug. Kakashi betrachtet hingegen nachdenklich das Shogibrett und stellt mit resignierender Miene fest, dass wohl an dieser Stelle nichts mehr zu retten ist. Das Spiel ist verloren. Für ihn zumindest. Im Grunde meidet er es sich mit Shikamaru zu messen. Abgesehen vom heutigen Tag. "Du hast ihn also auch getroffen", fährt Shikamaru plötzlich zusammenhanglos fort und Kakashi nickt zustimmend. "Es ist eine interessante Entwicklung", räumt er ein und kratzt sich nachdenklich am Kinn. Shikamaru weiß, dass es irsinnig wäre, eine Prognose zu wagen hinsichtlich der Zukunft. Unter anderem, weil er zuviele Puzzleteile in dieser ganzen Geschichte noch nicht so ganz einordnen kann. Narutos Beweggründe sind ihm ebenso rätselhaft wie Sasukes Reaktion darauf. 'Seine mögliche Reaktion', korrigiert er sich in Gedanken. Früher ist es ihm nicht schwergefallen Naruto zu beurteilen. Seinen Idealismus. Seine Tugenden. Sein Hang zum Handeln ohne darüber nachzudenken. Er mag nicht der klügste Kopf in Konohas Geschichte sein, aber er hat immer die Werte verkörpert, die bereits Hashirama, der erste Hokage, idealisierte. Jeder hatte erwartet, dass Naruto Hokage sein würde nach dem Krieg - oder zumindest bald danach. Er hat die Zweifel und das Misstrauen besiegt, das die Bewohner Konohas ihm lange Zeit entgegenbrachten - und er hat sie alle miteinander gerettet vor der ewigen Verdammnis. Nicht zu vergessen die langersehnte Einigkeit, die das Bündnis der unterschiedlichen Dörfer mit sich brachte. Sie hatten es herbeigesehnt. Die wahre Zukunft. Stattdessen war ich es gewesen, der zurückkehrte aus diesem allerletzen Kampf, während Naruto spurlos verschwand. Tot, wie viele annahmen. "Vielleicht sollte ich nicht von Hoffnung sprechen", meint Shikamaru und wendet den Kopf zur Seite, die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen, "aber ich habe sie noch." "Für Konoha und seine Bewohner", murmelt Kakashi abwesend und sieht erst auf, als sein Gegenüber mit dem Kopf schüttelt. *** Ich weiß nicht mehr, wann ich aufgehört habe, so etwas wie Einsamkeit zu verspüren. Irgendwann nach dem Massaker? Oder irgendwann, nachdem ich meine Kindheit hinter mir gelassen habe? Vielleicht auch erst in den letzten Jahren. Heute sehe ich, dass ich allein bin in diesem Dorf. Allein zwischen unzähligen Menschen, zwischen jenen, die ich kenne und jenen, die ich nie wahrgenommen habe. Ebenso allein in dieser Welt, die im Fokus unseres so horizontlosen Lebens ist. Hätte ich das früher bedauert? Ich kenne keine Antwort auf diese Frage. Die Menschen, für die ich etwas empfunden habe, verließen mich im Laufe der Jahre. Manch einer versuchte auch, mich umzubringen. Unabhängig von der Liebe, die sie geschworen hatten. Liebe ist fragil. Nicht selten schlägt sie in Hass um. Aber auch Hass kann furchtbar schwach und zerbrechlich sein. Ermüdend. Ich empfinde keine Trauer, keine Wut, nichts außerhalb von dieser unendlichen Müdigkeit, die inzwischen beinahe jeden Tag Besitz von mir ergreift. Als ich aufstehe und wie an jedem anderen Tag das Gebäude verlasse, nehme ich die aufmerksamen und nachdenklichen Blicke der zahlreichen Shinobi wahr, die hier ihrer Arbeit nachgehen. Es ist, als ob sie auf etwas warten, auf irgendein Signal. Vielleicht auf Schwäche. Wie lange würde es dauern, zu sterben? Wer wird der erste sein, der zustößt? Wird es das Mädchen sein, das vor kurzem erst Genin geworden ist und das voller Aufregung und Stolz auf ihre neue Mission wartet? Wird es der fünffache Vater sein, der seit vielen Jahren hier tätig ist ohne je Ambitionen gezeigt zu haben, etwas anderes zu machen? Kurz schweifen meine Gedanken ab zu Naruto, der mein Anwesen Stunden zuvor ohne weitere Erklärungen verlassen hat. Ohne ein Versprechen. Vielleicht wird es auch Naruto sein. Ich glaube, ich würde so etwas wie Freude empfinden. Doch nichts geschieht. Die Blicke folgen mir, bis ich außer Sichtweite bin. Leise atme ich aus, nicht erleichtert, aber ruhiger als zuvor. Im Grunde ist es ein alltägliches Spiel - furchtbar simpel und tödlich. Ich halte erst an, als sich jemand mir schnellen Schrittes nährt, um schließlich auf meiner Höhe angekommen, stehenzubleiben. Eine vertraute Gestalt. "Naruto", sage ich ohne ihn anzusehen. "Wachsam wie immer", erwidert er. Es klingt ein wenig spöttisch. "Es ist notwendig", antworte ich und lasse den Blick über die breite Straße schweifen. Einige Leute blicken zu mir, andere haben sich bewusst abgewandt, doch sie alle wahren eine gewisse Distanz. "Warum tust du dir das an?", fragt er plötzlich und macht beinahe eine überraschten Eindruck, als sich meine Augen zu schmalen Schlitzen verziehen und ich wütend in seine Richtung blicke. Unbewusst verfärben sie sich rot und untermalen meinen Gemütszustand. "Warum tust du mir das an?", korrigiere ich ihn mit unverhohlenem Groll in meiner Stimme. Naruto blickt mir nicht ins Gesicht. Wagt es nicht. Einen Augenblick lang möchte ich schreien. Nach seinem Schal greifen und ihn schütteln. Meine Hände um seinen Hals legen und zudrücken. Bis seine Augen brechen. Doch nichts von alledem geschieht. Meine Füße setzen sich einfach wieder in Bewegung. Zunächst zögernd, dann immer schneller. Schritt um Schritt. Kapitel 5: The secrets I keep are tearing me up inside ------------------------------------------------------ It's true what they say, love must be blind It's why you're still standing by this sinner's side You're still by my side When all the things I've done have left you bleeding (FFH - Undone) Naruto schätzte Itachi Uchiha. Vermutlich, weil sie in vielerlei Hinsicht ähnliche Ansichten vertreten haben. Letztendlich waren sie jedoch hauptsächlich wohl durch mich verbunden gewesen. An sich fällt es uns jedoch im Nachhinein schwer, ihn wirklich zu verstehen. Itachi war ein ungewöhnlicher Vertreter des Uchiha-Klans und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er mehr mit den idealistischen Vorstellungen des Senju-Klans, die ihren Teil zur Gründung unseres Dorfes beigetragen haben, am Hut als der Großteil seiner Familie inklusive mir selbst. Er hat sich für mich, seinen kleinen Bruder und auch für Konoha geopfert. Auch war er derjenige, der den Hass und die Verachtung aller auf sich genommen hat für eine Entscheidung, die er nicht getroffen hat. Obwohl man natürlich behaupten könnte, dass er eine Wahl gehabt hat.   Im Nachhinein dachte vermutlich auch Itachi selbst, dass er eine Wahl hatte. Zumindest so etwas in der Art. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass es nicht Itachi war, an den ich dachte, als ich die Entscheidung traf, die Verachtung und den Hass aller auf meine Schultern zu laden.   Besonders in Erinnerung ist mir jedoch seine bedingungslose Liebe geblieben. Eine Fähigkeit, die mir verwehrt geblieben ist bis jetzt. Naruto macht sich über diese Sache keine Gedanken, vielmehr fragt er sich, ob es berechtigt ist, so etwas wie Sympathie für Itachi zu empfinden. Dann denkt er daran, dass er Obito Uchiha, der immerhin zahlreiche Leute, die ihm zu Teil auch sehr nahe standen, immerhin auch seine Hand dargeboten hat. Nicht, weil er den Tod unzähliger Personen gebilligt hätte, sondern weil er der Meinung ist, dass Obito trotz alledem ein guter Mensch war. Abgesehen von der Zeit, in der seine Ideale im Keim erstickt waren. Die Idee hinter alledem gefällt Naruto, die Umsetzung jedoch weniger. Als Itachi mich dazu anwies, ihn zu hassen und stark zu werden, wollte er mich vermutlich vor dem Wahnsinn bewahren. Er wollte mir einen Sinn einpflanzen und gleichzeitig meine kindlichen Ideale vom Uchiha-Klan bewahren, indem er die Schuld auf sich nahm. Und natürlich dafür sorgen, dass ich Konoha aufgeschlossen gegenüberstand. Letztendlich hat mich der Wunsch nach Stärke, um meine Rache zu vollziehen, vom ursprünglichen Weg abgebracht. Was hätte die Wahrheit mit sich gebracht? Hätte ich Konoha ebenso den Rücken gekehrt? Wäre all das zu verhindern gewesen? Ich bin kein Romantiker und ich weiß auch nicht, ob mein Leben wirklich von eigenen Entscheidungen geprägt ist. Naruto glaubt, dass die Entscheidungen, die andere für uns getroffen haben, es nicht einfacher gemacht haben. Dennoch kann er sie niemandem vorwerfen. Itachi nicht. Unseren Eltern nicht. Auch wir haben einander Entscheidungen abgenommen. Auch wir sind schuldig. *** Zu behaupten, dass Sakura Haruno überrascht ist, wäre eine Untertreibung sondergleichen gewesen. Es ist vielmehr eine Schockstarre, die von ihr Besitz ergreift, als sie die breit grinsende Gestalt erblickt, die sie linkisch grüßt, als sie ihr Zimmer betritt. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloss. "Hallo, Sakura-chan", ruft Naruto dröhnend laut. Er sieht verwundert dabei zu, wie Sakura zu Boden sinkt und dabei hektisch ein- und ausatmet, ganz so, als stände sie kurz davor, einfach zu hyperventilieren. "Alles in Ordnung?", erkundigt er sich daher ein wenig besorgt und erntet ein langsames Nicken. Sprechen kann sie nicht. Noch nicht. Minuten vergehen, bis sich Sakuras Atmung normalisiert und sie so etwas wie oberflächliche Ruhe ausstrahlt. Erst jetzt sieht sie sich ihren ehemaligen Kameraden genauer an. Ein Geist scheint er nicht zu sein. Zumindest ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Geist gealtert wäre und Naruto macht den Eindruck, als habe er sich verändert seit ihrer letzten Begegnung. Er wirkt maskuliner als vorher. Vielleicht auch attraktiver, aber es fällt Sakura schwer, Naruto als potenziellen Partner zu betrachten. Die Grundzüge sind dennoch geblieben - blonde, wilde Haare, die wohl erst kürzlich eine Schere gesehen haben, die unverkennbaren Narben auf den Wangen und die seit jeher strahlend blauen Augen, die durch das einfallende Sonnenlicht nur noch intensiver erscheinen. Ebenso fällt Sakura auf, dass er einen weniger unbeschwerten Eindruck macht. Aber vielleicht bildet sie sich das auch ein. "N-naruto", bringt sie schließlich stotternd hervor, "du lebst? Wo bist du gewesen?" Das sind die ersten Worte, die ihr einfallen. Im Nachhinein hätte sie ihm natürlich auch Vorwürfe machen oder sich danach erkundigen können, was Sasuke mit ihm gemacht hat. In diesem Augenblick denkt sie jedoch nicht an so etwas. Dazu ist sie viel zu überwältigt. "Ich bin unverwüstlich", erwidert Naruto laut lachend und fügt noch etwas hinzu, "das weißt du doch." Sakuras vorheriges Lächeln erstirbt für einen Moment, als sie daran denkt, dass sie immer geglaubt hat, dass ihr Freund nicht mehr am Leben sei. Sie denkt an das leere Grab, an die Tränen und an die letzten Jahre. Ihr Blick verhärtet sich. "Wir haben geglaubt, du bist tot", sagt sie plötzlich und Naruto entgeht der anklangende Unterton in ihrer Stimme nicht. "Ich bin nicht tot." Natürlich ist das ein unnötiges Statement, doch er weiß nicht so recht, wie er auf den Vorwurf reagieren soll. Schließlich ist er mehr als berechtigt. "Es tut mir Leid", ergänzt er nach einer Weile und senkt den Blick zu Boden. Reue. Sakura weiß nicht, ob er es wirklich so meint, doch sie beschließt, vorerst nicht weiter darauf einzugehen. Stattdessen überwindet sie die letzten Meter zwischen ihnen und umarmt Naruto fest. "Ich bin so froh", murmelt sie leise, fast unhörbar. Gefühlte Stunden vergehen, bis sie sich wieder voneinander lösen und einander eine Zeit lang schweigend anstarren. Naruto entgeht nicht, dass auch Sakura sich verändert hat seit ihrer letzten Begegnung. 'Sie ist noch schöner geworden', stellt er fest ohne es laut auszusprechen. Er möchte nicht, dass sie ihn missversteht oder gar eine Art von Zuneigung in seine Worte hineininterpretiert, die über eine rein platonische Beziehung hinausgehen könnten. In den letzten Jahren hat Naruto gelernt, dass die Folgen undurchdachter Handlungen nicht immer absehbar sind. Aus diesem Grund hat er auch die halbe Nacht darüber nachgedacht, ob er sich seiner alten Freundin zu erkennen geben oder lieber darauf verzichten sollte. Letztendlich hat er sich für ersteres entschieden - unter anderem, weil er es als ungerecht empfunden hätte, ihr seine fortwährende Lebendigkeit vorzuenthalten. Sakura hat es ganz einfach nicht verdient, weiterhin im Dunkeln tappen zu müssen. Naruto hat ihr genug angetan. Ihnen allen. *** Bereits bevor Sakura nach vorheriger Ankündigung mein Büro betritt, kann ich erahnen, weshalb sie mich aufsucht. Vielmehr glaube ich es ganz genau zu wissen - was mich dennoch nicht davon abhält, gelangweilt den Kopf zu heben und sie auffordernd anzublicken. Sakura zittert, ob vor Wut oder Aufregung, ist schwer auszumachen. Vielleicht von beidem etwas. "Du wusstest es, oder?", ruft sie plötzlich mit anklagender Stimme. Es klingt wie eine Frage, doch im Grunde ist es ein Vorwurf. Eine Feststellung. Langsam schüttele ich mit dem Kopf.  "Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen - du wusstest, dass er noch lebt", fährt sie fort und fängt mit einem Mal an zu schluchzen, "hast du dich gut amüsiert hier? Hat es dir Spaß gemacht uns beim Trauern zuzusehen? Antworte, verdammt noch mal, antworte!" Anklagende Worte verlassen ihre bebenden Lippen und ich kann Wut und tiefe Traurigkeit in ihrem Gesicht erblicken. Enttäuschung. Beinahe verwundert es mich. Schließlich sollte sie sich inzwischen daran gewöhnt haben, dass ich ihre Erwartungen grundsätzlich enttäusche. Damals wie heute. "Wenn du das sagst, wird es wohl so sein", erwidere ich etwas später, da Sakura immer noch keine Anstalten macht, den Raum wieder zu verlassen. Ihre Augen verziehen sich zu Schlitzen und sie ballt ihre Fäuste - doch anstatt auf mich loszugehen, schlägt sie die Tür hinter sich zu und lässt mich allein zurück. Ein Seufzen entweicht meinen Lippen und ich verziehe mein Gesicht kurz zu einer schmerzhaften Grimasse. Nur für einen Augenblick. Natürlich ist davon nichts mehr übrig, als wenig später eine meiner Untergebenen dasZimmer betritt und sich erkundigt, ob alles in Ordnung sei. Demjenigen begegnet mein üblicher, stoischer Gesichtssausdruck und es fröstelt ihn für einen Moment. Nur entfernt nehme ich wahr, dass auch er mich nur Sekunden später allein zurücklässt. Meine Augen starren ins Leere. Meine Gedanken sind bei Naruto. Naruto und Sakura. Unruhe beschleicht mich. Ganz so, als wüsste ich mit Bestimmtheit, dass irgendwo ein Stein angestoßen wurde, der nun eine Lawine ins Rollen bringt. Nur wen oder was wird sie treffen? Wird man uns richten? Mich richten? Ich stelle fest, dass es nicht nur Unruhe ist, die in mir aufkommt - es ist ebenso ein Gefühl von Aufregung. Ganz so, als könne ich es kaum noch abwarten. *** Man kann nicht behaupten, ich sei überrascht gewesen, als ich Naruto Stunden später vor meinem Anwesen sitzen sehe, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Meine herannahenden Schritte lassen ihn aufblicken, seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schiefen Grinsen und er hebt die Hand zum Gruß. Ich wiederum verzichte darauf, die Geste zu erwidern und öffne lediglich wortlos die Tür. Bedächtig trete ich ein und drehe mich langsam um, sehe zu, wie Naruto mir folgt und seinen Hut auf der Kommode platziert. "Kannst du nicht bei Sakura übernachten?", höre ich mich plötzlich beiläufig fragen. Es soll möglichst emotionslos wirken, doch selbst ich kann den unterschwelligen Spott aus meinen Worten heraushören. "War sie bei dir?", erkundigt sich Naruto ohne näher auf meine Frage einzugehen. Er klingt nicht im Mindesten verwundert. "Als ob du das nicht weißt", erwidere ich trocken und blicke ihm für einen Augenblick in die Augen, "aber scheinbar hast du auf Details verzichtet." "Details?", antwortet er mit belustigter Miene, "Was für Details?" "Eventuell die Tatsache, dass ich nichts damit zu tun habe", erkläre ich ihm mit unbewegtem Gesichtsausdruck, "ich hatte immerhin keinen Kontakt zu dir in den letzten Jahren." "Nichts damit zu tun?", wiederholt er langsam, als wolle er sich die Bedeutung er Worte noch einmal bewusst machen, "Dabei hast du 'alles' damit zu tun." Ich spüre die Wut, die in mir emporkriecht und dränge sie energisch zurück. Ein Ausbruch verändert nichts, sage ich zu mir selbst. Gar nichts. "Du sprichst in Rätseln", sage ich schließlich und mache mich daran, etwas Wasser aufzuwären. Einen Tee könnte ich nun wirklich gut gebrauchen. "Ich möchte auch einen", ruft Naruto mir noch zu und folgt mir kurzerhand in die Küche des Hauses. Hier nehme ich aus den Augenwinkeln wahr, dass er sich gegen eine der Wände lehnt und die Arme lässig vor seiner Brust verschränkt. Sein Blick richtet sich auf das Fenster. "Letztens habe ich mit Gaara gesprochen", meint er auf einmal zusammenhanglos und sieht dabei kurz in meine Richtung. Mir ist nicht klar, worauf er hinausmöchte mit dieser Bemerkung. *** "Aber zuerst werden die fünf Kages, die noch in der unendlichen Tsukuyomi gefangen sind, durch meine Hand sterben! Es ist wahr, dass ich einst Zerstörung wollte, doch ich sehe die Dinge inzwischen anders. Jenes, was zerstört wurde, kann immer wiederaufgebaut werden. Dörfer befreit von der Finsternis - was ich nun anstrebe, ist die Reformierung unserer Shinobi Welt. Eine sogenannte Revolution." *** Die Erinnerungen an Gesagtes schießen mir durch den Kopf und ich sehe Naruto an. Er erwidert meinen Blick. Ein Blick, der mir bewusst macht, dass er nicht zweifelt. "Sie leben", murmele ich, das Offensichtliche bestätigend. "Gaara meint, es sei sehr geruhsam Tomaten zu züchten - jedoch keineswegs erfüllend", fügt Naruto hinzu und es klingt beinahe wie ein Vorwurf. Meine Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. Unaufrichtig. "Um Veränderungen zu ermöglichen, sind tiefe Einschnitte notwendig gewesen", antworte ich. Es klingt wie einstudiert, was auch Naruto zu bemerken scheint. "Er würde dir gerne den Hals umdrehen." "Das würden einige gern", stelle ich fest und kann nicht verhindern, dass meine Stimme lauter wird, "aber das ist meine Entscheidung und ich wusste, was auf mich zukommt, als ich sie getroffen habe!" Naruto antwortet nicht, er wirkt plötzlich traurig. Beinahe. Wütend blicke ich ihn an. Es ist nicht so leicht, die Verantwortung zu übernehmen für alles. Es ist nicht so einfach, alles aufzugeben. Die Teetasse fällt mir aus der Hand und zerspringt mit einem lauten Klirren in ihre Einzelteile, als Naruto plötzlich auf mich zukommt und mich gegen den Küchenschrank drängt. Es hat nichts Zärtliches an sich, als er mich widerstandslos umdreht und ungelenkig den Obi meines Kimono öffnet und ihn achtlos zu Boden fallen lässt. Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und kann aus den Augenwinkeln erkennen, wie er mit ausdrucksloser Miene den Stoff beiseiteschiebt. Ich frage nicht, denn ich kenne die Frage nicht. Wortlos kramt er in seinen Taschen und kramt eine Tube hervor, die er neben auf der Ablage zu meiner Rechten abstellt. Ich wehre mich nicht und es entfährt mir kein Laut, als er Minuten später mit seinen kalten Fingern in mich eindringt. Beinahe schon ergeben schließe ich meine Augen, als er seine Finger durch sein steifes Glied ersetzt und beinahe widerstandslos zustößt. Fast schon zu sanft. Nicht weiter darüber nachdenkend führe ich meine Hand zu meiner eigenen Erregung und umfasse sie erbarmungslos. Die Emotionen und Gedanken, die dabei in mir umherschwirren, sind kaum greifbar. Es ist ein Gefühl der Entrücktheit, als stände ich neben mir und es ist ein tiefes, fast schon animalisches Lustgefühl, das meine ziellosen Bewegungen antreibt und mich dazu bewegt, mich der Person, die so schonungslos immer wieder ihren Schwanz in meinem Inneren vergräbt, vollkommen hinzugeben. Am Rande meines Bewusstseins nehme ich wahr, wie sich Naruto aus mir zurückzieht und mit einem fast schon sehnsüchtigen Stöhnen auf den Boden ejakuliert, bevor es auch mich überkommt und ich langsam am Schrank heruntergleite. Einen Außenstehenden hätte dieses Bild, das sich ihm nun geboten hätte, vermutlich verwundert. Ich denke jedoch in diesem Augenblick nicht weiter darüber nach und nehme nur entfernt wahr, wie Naruto seine Kleidung zurechtrückt, bevor einen Lappen von der Spüle nimmt und beginnt, den Boden zu säubern. Mein Blick fällt auf meinen Obi, der teils von einer milchig, weißen Substanz bedeckt ist und ich sehe zu Naruto, der mit geröteten Wangen schweigend den Fußboden anstarrt, während seine Hände ihn geistesabwesend mit dem Lappen bearbeiten. Die Absurdität wird mir plötzlich ebenso bewusst, wie die Situation, in der ich mich befinde. Erstaunlich geschwind erhebe ich mich und verlasse schnellen Schrittes den Raum. Und Naruto, der mir hinterher sieht. Hätte ich mich umdreht, wäre mir wohl das Bedauern in seinen Augen aufgefallen. Vielleicht. *** Kakashi Hatake ist einer von jenen Shinobi, die man nicht unbedingt bemerkt, wenn er es nicht auch beabsichtigt. Weder ich noch Naruto registrieren somit seine Präsenz, während wir uns unserem 'Akt der Leidenschaft' hingeben und es wäre wohl auch übertrieben, zu behaupten, dass Kakashi überrascht ist. Nun gut, von einer etwaigen Verwunderung kann man durchaus ausgehen, doch es ist nicht so, dass er etwas grundsätzlich anderes erwartet hätte. Zwar hegt er ein eventuell etwas ungesundes Interesse für die Belange seiner Mitmenschen, doch Kakashi muss immerhin zugeben, dass er in der Regel immer recht wohlwollend mit diesen vermeintlichen Geheimnissen umgesprungen ist. Dennoch muss er mit Naruto reden. Unbedingt. Kapitel 6: Be the one who took your place ----------------------------------------- All the pain and the scars have left you cold I can see all the fears you face Through a storm that never goes away Don't believe all the lies that you've been told (Ashes Remain - Right here) Der nächste Tag beginnt mit dem Tod eines jungen Mannes. Wie besessen war er auf mich zugestürzt, das Kunai in der erhobenen Hand mit Verzweiflung und Entschlossenheit in seinem Blick. Sein Verstand registriert, dass er verloren hat, als ich ihm die Waffe aus der Hand schlage und ihn zu Boden werfe. Tränen laufen seine Wangen herab, doch er scheint es nicht zu bemerken. Abwesend murmelt er stattdessen etwas vor sich hin, vielleicht eine Art Mantra, um seine getroffene Entscheidung nicht weiter zu hinterfragen. "Für meine Schwester...", keucht er und verstummt gänzlich, als ich Kusanagi in seinem Hals versenke. Der Mann möchte noch etwas hinzufügen, doch es ist nur schweigsames Blut, das seinem Mund entweicht und den Sandboden durchtränkt. Eine Gruppe Anbu erscheint plötzlich unvermittelt neben mir und scharrt sich um den Leichnam des Tors. "Alles in Ordnung, Hokage-sama?", erkundigt sich ihr Anführer und blickt mit seinem unter einer Wolfsmaske verborgenen Gesicht zu dem Toten. "Natürlich", erwidere ich langsam und ziehe ohne Zögern das Schwert aus dem Fleisch heraus, bevor ich es scharf ausschwenke und wieder in der dazugehörigen Scheide verschwinden lasse. Ich spare es mir, die verspätete Ankunft der Truppe zu kommentieren. Denn wenn ein Grund dafür existieren mag, so würden sie ihn mir kaum wahrheitsgemäß nennen. Anbu sind mir unbedingt loyal ergeben, was wiederum jedoch nicht bedeutet, dass sie mich besonders schätzen würden. Im Gegenteil, es gibt kaum eine Sparte der Shinobi, die mich mehr verachten würde als jene Assassinen. Auf der anderen Seite sind sie natürlich Individuen von herausragendem Talent, was wiederum in ihren Fall auch bedeutet, dass sie ihre Chancen recht gut einschätzen können. Ihre nichtexistenten Chancen. "Schafft ihn weg", befehle ich schließlich und ernte ein zustimmendes Nicken des Anführers, "und den Bericht nachher auf meinem Tisch." Sie verneigen sich leicht vor mir und verschwinden anschließend ebenso schnell, wie sie zuvor vor mir aufgetaucht sind. Die Straße um mich herum erscheint wie ausgestorben. In diesem Teil der Stadt gibt es viele leerstehende Häuser und selbst wenn jemand daheim sein sollte zu dieser Stunde, wird derjenige wohl kein Interesse daran haben, dass ich ihn bemerke. Im Gegenteil, der Großteil der Bevölkerung vertritt die Ansicht, dass es oftmals besser ist, sich aus allem herauszuhalten, anstatt sich mit möglicherweise gefährlichem Wissen zu belasten. Nicht, dass man es ihnen verübeln könnte. Später erfahre ich, dass es sich bei dem gescheiterten jungen Mann wohl um den Bruder eines vierzehnjährigen Mädchens handelt, das bei der Liquidierung einer Gruppe Attentäter vor kurzem ums Leben kam. Schwach erinnere ich mich an ihr Gesicht und ihren Namen auf dem Blatt Papier, das ein Teil des Berichts darstellt, den ich nach der erfolgreichen Mission erhalten hatte. Rache. Ein mir nicht fremdes Gefühl. Eventuell empfinde ich so etwas wie Sympathie für den Bruder, der seine kleine Schwester verloren hat. Vielleicht frage ich mich auch, ob ich vor fünf Jahren mir ausgemalt hatte, dass solche Tragödien auch weiterhin stattfinden. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Ich wollte eine Gesellschaft schaffen, die frei ist von den Intrigen vergangener Zeiten, in denen Kinder in Hass aufwachsen mussten, weil man ihre Familien ausgelöscht hat oder weil sie nicht ins primitive Bild passten, wie es bei Naruto der Fall gewesen ist. Neid, Machtgier und Unwissenheit hat seit jeher die Beziehung der einzelnen Länder untereinander belastet. Ich überlegte mir, dass der Zusammenschluss zu einer Gesellschaft, die sich nicht den Launen zahlreicher, kriegstreiberischer Herrscher hingeben musste, ein Fortschritt bedeuten konnte. Eine Chance. Ebenso hatte ich natürlich damit gerechnet, dass mir nicht alle wohlwollend zustimmen würden - aber selbst wenn mich die Gesellschaft verachtete, so hatten sie doch die Chance in Frieden miteinander zu leben. Möglicherweise hatte es mir zu einfach gemacht damals. Trotzdem ich jenen, die mich und diesen Frieden bedrohen, energisch entgegentrete, nimmt ihr Zulauf kaum ab. Immer wieder gibt es Leute, die nicht mit dem zufrieden sind, was ihnen geboten wurde. Aus unterschiedlichen Motiven heraus. Einige sind beispielsweise ihren vorherigen Herrschern immer noch treu ergeben und können deren Abdanken nicht akzeptieren. Andere verlieren im Zuge dieser Aktionen ihre Verwandten oder Geliebten und versinken in Rachegedanken. Vielleicht hat auch dieser tote Bruder eine Geliebte, die seinen Tod nicht akzeptieren kann. Vielleicht ist sie es dann, die mir morgen auflauert. Die Spirale ist endlos. Dennoch kann ich das Verhalten des damaligen Konzils nicht gutheißen. Es kann keine Lösung sein, ganze Klans dem Erdboden gleichzumachen, nur weil man ihre Ambitionen fürchtet, nachdem man sie jahrzehntelang in die Ecke gedrängt hat. Hätte diese Geschichte sich nicht eines Tages wiederholt, wenn Naruto nun an meiner Stelle stände? *** Naruto ist nicht verwundert, als Kakashi sich ihm entgegenstellt und hebt gar die Hand zur Begrüßung seines ehemaligen Lehrers. "Darf ich dir eine Frage stellen?", beginnt Kakashi und blickt Naruto intensiv an. "Warum fragen Sie?", lacht er, beinahe schon etwas verlegen. Stumm mustert Kakashi seinen Gegenüber für einige Sekunden, bevor er letztendlich doch fortfährt: "Was hast du mit Sasuke vor?" Sein ehemaliger Schüler wirkt erstaunt, die blauen Augen starren ihn verwundert an, bevor er die Frage langsam laut wiederholt. "Mit Sasuke vorhaben? Was sollte ich mit Sasuke vorhaben?" "Es geht immer um Sasuke", erwidert Kakashi mit Bestimmtheit und sieht Naruto lange an, bevor er sich abwendet und mit bedächtigen Schritten entfernt vom Ort des Geschehens. Vielleicht hat er Recht, denkt Naruto. Vielleicht geht es immer um Sasuke. Einen kurzen Augenblick lang bereut er es, sich mit Kakashi unterhalten zu haben. Dann geht auch er seines Weges. *** Gaara weiß, was Hass ist. Ebenso, wie er erfahren hat, was Einsamkeit bedeutet. Alles in allem ist er sich bewusst, dass er mir mehr ähnelt als ihm lieb ist. Oder vielmehr ähnelte. Denn Gaara ist sich längst bewusst geworden, dass der Weg, den er ursprünglich gewählt hat, nicht der Pfad ist, den er begehen möchte. Stattdessen hat er sich verändert, hat in Naruto vertraut, der ihm zugleich etwas schenkte, an dessen Existenz er kaum zu glauben gewagt hatte. Ehrliche Zuneigung. Letztendlich weiß Gaara auch, dass Naruto mir gegenüber dieselbe Hand ausgestreckt hat. Er versteht nicht ganz, weshalb ich sie nie ergriffen habe. Sein Blick geht nach oben, der Himmel über ihm zieht sich zu. Bald wird es Regen geben, er spürt es. Vielleicht auch ein Gewitter. In der Ferne sind die Umrisse der naheliegenden Stadt zu erkennen. Einen Moment lang denkt Gaara an seine Geschwister. Temari, die einen Shinobi aus Konoha geehelicht und inzwischen stolze Mutter geworden ist. Kankuro, von dem er nicht einmal weiß, ob er überhaupt noch unter den Lebenden weilt. Ein weiterer Tag vergeht. Ein weiterer Tag voller Ungewissheit. *** "Hey, Onkel, möchtest du eine Blume kaufen?" Erstaunt sieht sich Naruto um und er beugt sich ein Stück herab, als er ein etwa sechsjähriges Mädchen hinter sich erblickt, das ihm einen Strauß Feldblumen, wie man sie rings herum um Konoha häufig findet, entgegenhält. Höflich verneint er. "Komm schon, nur eine", drängt sie und setzt ihr breitestes Lächeln auf. Ein scheinbar fröhliches Lachen, doch Naruto spürt, dass es nur aufgesetzt ist. "Ich habe eine Idee", erwidert Naruto plötzlich, das Lächeln erwidernd, "ich gebe dir das hier, wenn du mir eine Frage beantwortest." Er kramt einen Zehn-Ryo-Schein aus seiner Jackentasche hervor und wedelt ihn vorm Gesicht des Mädchens hin und her. "Natürlich", antwortet sie schnell, "aber Süßigkeiten nehme ich keine." Beinahe möchte ihr Naruto über den Kopf streicheln, doch im letzten Augenblick besinnt er sich eines Besseren. "Sag mir nur, weshalb du hier Blumen verkaufst, anstatt die Schule zu besuchen. Schließlich bist du doch schon alt genug, oder?" Stolz mustert sie ihren Gegenüber: "Sicher bin ich das. Aber wir haben nicht viel Geld, seitdem mein Vater nicht mehr da ist." Ihr Gesicht nimmt einen traurigen Ausdruck an, ganz so, als erinnert sie sich an etwas Unangenehmes. Naruto kann sich wiederum nicht zurückhalten und erkundigt sich nach dem Verbleib ihres Vaters. "Wer weiß", antwortet ihm die Kleine gedankenverloren, "sie haben ihn mitgenommen." "Wer hat ihn mitgenommen?", harkt Naruto nach und richtet sich auf. "Anbu." Sie sieht sich um, ganz so, als befürchte sie, dass jemand sie belauscht haben könnte. Anschließend greift sie nach dem Schein, reißt ihn Naruto geschwind aus der widerstandslosen Hand und rennt davon. Nachdenklich sieht Naruto ihr hinterher. *** Der Jounin, der die Genin-Truppe betreut, die gerade vor meinem Schreibtisch steht, um die Ergebnisse ihrer beendeten Míssion vorzutragen, ist mehr als überrascht, als sich plötzlich jemand durch das offene Fenster meines Büros schwingt und mit einem Satz neben meinem Stuhl landet. Doch bevor er nach den Wachen rufen oder selbst etwas unternehmen kann, hebe ich die Hand, um abzuwinken. "Hokage-sama, was...", stammelt er verwirrt und verstummt, als er meinem Blick begegnet. "Beachte ihn nicht. Fahrt einfach fort", weise ich ihn und seine Truppe an und beobachte fast schon belustigt, wie einer der Kleinen seine Erzählung zögernd fortsetzt. Naruto, der ruhig neben mir steht, hört scheinbar aufmerksam zu. Womöglich denkt er auch darüber nach, ob er eine der anwesenden Personen schon einmal getroffen hat. Der junge Genin beendet seine Erzählung damit, dass sie erfolgreich die Zielperson ausfindig gemacht und dazu bewegt haben, ihre Familie aufzusuchen. Ich nicke der Gruppe zu, nehme den Bericht entgegen und segne ihn schließlich ab, während ihr Lehrer ihnen mitteilt, dass sie erst übermorgen den nächsten Auftrag antreten werden. "Zur Feier des Tages lade ich euch heute zu Ichiraku's ein", fügt er hinzu und erntet Jubelrufe von seinen Schützlingen. Aus den Augenwinkeln heraus betrachte ich Naruto, der seine Lippen zusammenkneift. Erinnerungen. Auch ich denke einen Augenblick lang zurück an das 'Team Sieben' und das Geschrei Narutos, wenn uns Kakashi zufällig einmal alle zum Essen einlud. Zwar etwas, das selten vorkam, doch ich erinnere mich noch recht genau an diese Tage und den Berg an Schüsseln, den Naruto üblicherweise zurückgelassen hatte. Voller Enthusiasmus verlässt die Truppe mein Büro und zieht die Tür hinter sich zu, die - lauter als beabsichtigt - ins Schloss fällt. "Weißt du das noch, Sasuke?", erkundigt sich Naruto plötzlich. Ich blicke fragend zu ihm auf. "Als Kakashi-sensei uns zu Ramen eingeladen hat", erklärt er schließlich ohne es näher zu spezifizieren. Natürlich hätte ich nachfragen können, doch ich belasse es dabei, zustimmend zu nicken. Es ist lange her, beinahe ein Jahrzehnt. Und doch sind die Erinnerungen noch präsent in uns, als wäre es erst gestern gewesen. Das jüngere Gesicht Teuchis, der Naruto mit einem breiten Lächeln eine Ramenschüssel vorsetzt. Kakashi, der vertieft in seinen zweifelhaften Roman wie von Zauberhand eine Suppe verspeist hat - und Sakura, die etwas entnervt zu Naruto herüberblickt, der sich zwischen sie und mich gedrängt hat. Nur an meinen Ausdruck, meine Gedanken - daran kann ich mich kaum noch erinnern. Was war das für ein Gefühl damals? Naruto seufzt hörbar und geht um den breiten Tisch herum. "Aber weshalb ich eigentlich hier bin", beginnt er auf einmal und erzählt mir die Geschichte von dem Mädchen, das Blumen auf der Straße verkauft und deren Vater. "Und?", frage ich nach einer Weile, "worauf möchtest du hinaus?" "Mich interessiert, ob es der Wahrheit entspricht", erwidert er. Meine spöttische Miene entgeht ihm nicht. "Die meisten Mütter tun sich schwer damit, ihren Kindern zu erzählen, dass der eigene Mann und Vater ein Verbrecher ist", erkläre ich kurzerhand und stelle fest, dass Narutos Blick nichts an Entschlossenheit verliert, "und wenn es anders sein sollte - ich kann es gerade nicht zuordnen. Es gibt da draußen unzählige Leute, die sich für ihre Taten verantworten müssen." "Falls sie etwas getan haben", antwortet Naruto und wirft mir einen undefinierbaren Blick zu. "Überzeuge dich von mir aus selbst", sage ich nach kurzer Zeit und greife nach einem der Formulare, die sich in der Ablage rechts von mir auftürmen. Ohne weiter darüber nachzudenken, fülle ich die freien Felder aus und unterzeichne das Papier, um es letztendlich Naruto zu reichen, der es mit einem etwas misstrauischen Gesichtsausdruck entgegennimmt. "Ich darf also das Archiv und das Gefängnis aufsuchen", murmelt er und ich verzichte darauf, ihn in seiner Annahme zu bestätigen. "Falls du denkst, ich hätte irgendwelche Zweifel, muss ich dich enttäuschen, Naruto", füge ich noch hinzu, als dieser die Hand bereits um die Türklinke geschlossen hat, "du bist derjenige, der gegangen ist." Unsere Blicke treffen sich und verstehen einander nicht. Danach öffnet er die Tür und verlässt den Raum. Das letzte, was ich von ihm sehe, bevor das Schloss einrastet, ist die breite Krempe seines Hutes. Mir fällt es schwer, meine Beziehung zu Naruto näher zu beschreiben. In erster Linie ist er für mich die Person, die immer auf mich zugekommen ist - wenn ich auch seine Beweggründe kaum nachzuvollziehen vermag. Auch Leute wie Sakura oder Kakashi sind für eine Weile an mich herangetreten und haben ihre Hand aufgehalten - bis sie irgendwann nach dem Kunai gegriffen und versucht haben, mich auszulöschen. Anders als Naruto. So wenig ich ihn auch verstehe, ich bin mir sicher, dass er der Mensch ist, der mich nie hintergehen wird. Dieser Gedanke klingt beinahe naiv wenn er von einem Mann ausgesprochen wird, dessen engste Vertraute vermutlich heimlich darüber diskutieren, wie man ihn am besten loswerden kann. Andere würde so etwas vermutlich enttäuschen. Mich persönlich berührt es jedoch im Grunde nicht. Vielleicht, weil mein eigener Bruder meine Eltern vor meinen Augen getötet hat. Vielleicht habe ich damals aufgehört, an ehrliche Intentionen zu glauben. Abgesehen von Naruto, der natürlich auch andere Pläne verfolgen könnte, doch ich bezweifle es. Ich möchte es bezweifeln. "Shikamaru", sage ich auf einmal langsam und blicke auf. Der Angesprochene betrachtet mich mit skeptischer Miene und unterdrückt ein Gähnen. "Du hast Naruto vollen Zugriff gewährt", stellt er nüchtern fest und es ist unmöglich, seiner Aussage eine Bewertung zu entnehmen. "Beantworte mir eine Frage", erwidere ich ohne näher auf Shikamaru einzugehen. Plötzlich wird er aufmerksam. Lauernd. "Vor fünf Jahren", beginne ich und lächele meinen Gegenüber milde an, "wenn du die Wahl gehabt hättest - wäre ich dann noch am Leben?" Shikamaru kratzt sich wortlos am Kopf, als würde er versuchen, Zeit zu gewinnen. Womöglich überlegt er, wie und ob er mir eine Antwort geben soll. Schließlich erhebt er doch noch seine Stimme. "Nein", antwortet er schlicht, "ich hätte dich getötet." Für einen Moment hat Shikamaru den Eindruck, dass mein Lächeln noch breiter wird, bevor es komplett verschwunden ist und er sich nicht sicher ist, ob er den Anblick nicht nur eingebildet hat. Ich habe ihm diese Frage gestellt, weil ich weiß, dass er die Antwort nicht fürchtet. Allerdings war ich mir bis eben unsicher, ob ich die Antwort auch wirklich hören will. Letztendlich ist es jedoch eine schmerzlose Angelegenheit gewesen und ich überlege, Naruto dieselbe Frage zu stellen. Ob er sich heute anders entschieden hätte. Ich entscheide mich dagegen. *** Das Archiv macht einen aufgeräumten Eindruck auf Naruto, als er durch die Regalreihen schlendert, von vollkommener Stille umgeben. Ein wenig erinnert es ihn an Sasukes Anwesen. Penibel ordentlich, beinahe schon ein wenig zwanghaft. Kurz denkt Naruto darüber nach, wie das Archiv wohl aussehen würde, wenn er selbst Hokage wäre. Dann fällt ihm ein, dass er in diesem Fall wohl Mitarbeiter hätte, die für Ordnung sorgen würden. Vermutlich. Hier und da zieht er einen der Ordner heraus und überfliegt ihn kurz. Gewöhnliche Berichte aller Art. Teils handeln sie von verschwundenen Katzen, teils von Nukenin, die man nahe der Landesgrenze eliminiert hat oder auch von einem Jungen, der versucht hat, seine Eltern umzubringen - was ihm nicht ganz gelungen ist. Manche handeln von strenggeheimen Techniken, manche von mysteriösen Artefakten und andere Geschichten handeln nur von schnödem Mammon. Es gibt auch Ordner, die für die unzähligen Shinobi angelegt wurden, die im Dienste Konohas sind oder waren. Naruto wird schließlich bei den Verstorbenen fündig und nimmt kurzerhand den Ordner mit seinem Namen aus dem Regal heraus. Zu allererst begrüßt ihn das Bild, das er damals als frischer Genin hat machen lassen. Mit bemaltem Gesicht starrt er furchterregend in die Kamera. Kurz muss er lachen, erinnert sich an die aufwendige Pose, die er sich damals ausgearbeitet hatte. Dann blättert er bedächtig um. Unzählige Missionen, unzählige Personen hat er getroffen, Unzähliges erlebt. An manche von ihnen erinnert sich kaum noch, an andere wiederum umso besser. Einige weilen längst nicht mehr unter den Lebenden. Nachdenklich stellt er seine Lebensgeschichte schließlich zurück ins Regal und gleitet kurz mit den Fingern über die Ordner seiner Eltern nebenan. Naruto entschließt sich dagegen, sie anzusehen. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Stattdessen geht er weiter und macht nach einer Weile das Regal mit den abgeschlossenen Missionen und Verhaftungen des aktuellen Jahres ausfindig. Ziellos zieht er einige der Ordner hervor und legt sie auf einem nahen Tisch ab, bevor sich Naruto auf den recht unbequemen Holzstuhl fallen lässt, der für Besucher bereitsteht. Bereits nach etwa zehn Minuten des Blätterns stellt er fest, dass er eine Nadel im Heuhaufen sucht. Vielleicht hätte er sich zunächst etwas genauer informieren sollen. Für einen Augenblick denkt er auch an mich und ertappt sich bei der Frage, was ich wohl fühlen mag, wenn ich tagtäglich diese teils recht melacholisch angehauchten Berichte durchgehe. Nüchterne Texte über die Schicksale von Menschen, die kaum auf deren Motive eingehen. Womöglich kennen sie die Motive auch nicht. Etwas Brauchbares findet sich jedoch nicht. Glaubt er. Bis sein Blick auf den Bericht zu einer Überwachungsmission fällt, die vor einigen Monaten angegangen wurde. Diesen Namen kennt er, sogar sehr gut. Konohamaru Sarutobi. Auf dem angehefteten Bild sieht er älter und erwachsener aus, als Naruto ihn in Erinnerung hat. Bald wird er volljährig sein. Beinahe fühlt er so etwas wie Stolz für seinen Schützling. Dann schlägt er die Seite um mit der Absicht herauszufinden, was genau Konohamaru mit dieser Mission am Hut hat. Augenscheinlich geht es um eine regimekritische Gruppierung, bekannt als KRF ('Konoha Rettungsfront"), die bisher in erster Linie durch diverse Schmiereien mit oppositionellen Parolen aufgefallen ist. So hatten sie demokratisch angehauchte Wahlen und Aufklärung hinsichtlich des Verbleibs von Einzelpersonen gefordert. Bei Konohamaru schien es sich um eines der Gründungsmitglieder zu handeln und bisweilen konnte ihm keine ungesetzliche Handlung nachgewiesen werden. Derjenige, der offenbar mit dieser Überwachung betraut wurde, verfasste eine Abhandlung, um seinen Vorgesetzen von einem möglichen Verhör zu überzeugen. "Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Zielperson und die Gruppierung, der er angehört, ist nicht auszuschließen", heißt es darin. Wie auch: "Eventuell wäre ein Verhör anzuraten, um die Zielperson hinsichtlich ihrer Ambitionen und oppositionellen Haltung zu befragen."   Auf der letzten Seite findet Naruto schließlich einen handschriftlichen Vermerk, der vermutlich von Sasuke persönlich stammt: "Vorerst wird von weiteren Schritten abgesehen und die unmittelbare Überwachung eingestellt." In Gedanken versunken stellt er den Bericht zurück an die ursprüngliche Stelle. Anschließend verlässt er das Archiv und nickt dem wachhabenden Shinobi zu, der die Tür hinter ihm zusperrt. Kapitel 7: Scars of life upon your chest ---------------------------------------- It burns into your heart, the darkness that you fear You were never free, and you never realized And love, is a word you've never heard Your heart is cold cause it burns, the desire to leave the mire (Within Temptation - And we run) Man kann nicht behaupten, dass ich ein allzu gutes Verhältnis zu Konohamaru Sarutobi hätte. Eher im Gegenteil - wir hatten nie viel miteinander zu tun und da er Naruto doch recht ähnlich ist, sind wir auch sonst grundverschieden. Er ist laut, aufbrausend und anstrengend. Doch vor allem ist sein Traum, einmal Hokage zu werden. Unter Umständen hätte er es Naruto, seinem großen Vorbild, gegönnt, dass dieser seinen ersehnten Posten besetzt. Allen anderen steht er kritisch gegenüber. Vor allem mir. Anfangs waren es alberne Scherze wie Zahnpaste unter der Türklinke zu meinem Büro, später gründete Konohamaru die 'KRF' und fokussierte sich mit seinen Kameraden in erster Linie darauf, simple Parolen zu verbreiten, die meine Autorität untergraben und seine Position stärken sollten. Unter anderem forderte er, dass man sich mit Narutos Schicksal auseinandersetze und eine offizielle Untersuchung über seinen Verbleib oder sein mögliches Ableben stattfindet. Zumindest das konnte ich verhindern. Seitdem haben die Parolen zugenommen und Konohamaru konnte sogar einen seiner Sympathisanten dazu bewegen, Flugblätter in Massen drucken zu lassen. Es steht mir nicht zu, über ihn zu richten. Vielleicht braucht er irgendein Ziel, irgendeine Person, auf die er seine Wut und Enttäuschung projizieren kann. Womöglich benötigt er diese Tätigkeiten auch, um mit dem vermeintlichen Verlust Narutos fertigzuwerden. Fast empfinde ich so etwas wie Mitleid. Aber was geschieht, wenn Naruto plötzlich vor ihm steht? Ich male mir seinen Gesichtsausdruck aus und muss beinahe lächeln. *** Währenddessen steht Naruto vor Konohamarus Haustür. Dank einiger hilfsbereiter Nachbarn war es auch nicht allzu schwer, seine Wohnung auszumachen. Sein Schützling ist bekannt wie ein bunter Hund in diesem Viertel. Und selbst, wenn einige den Fremden mit unverhohlenem Argwohn betrachtet haben, so gaben sie doch breitwillig Auskunft. Nach dem vierten Klingeln öffnet sich die Tür und ein müde wirkender, junger Mann öffnet die Tür. Niemand hat Naruto auf diesen Anblick vorbereitet. Er erkennt zwar durchaus, dass es sich bei dem Mann um Kohohamaru handelt, doch von dem kindlichen Jugendlichen ist inzwischen nicht mehr viel übrig geblieben. Wie viel habe ich die letzten Jahre verpasst? Das fragt er sich. "Ja bitte?", erkundigt sich Konohamaru und starrt misstrauisch den Unbekannten an, der vor seiner Tür steht und kein Wort herausbekommt. Ein Moment der Stille, doch bevor der Bewohner des Appartments die Tür wieder schließen kann, zieht sich Naruto schnell den Hut vom Kopf. "Konohamaru", bringt er schließlich hervor, "ich habe dich vermisst." Im nächsten Augenblick fällt die Tür zu und die beiden jungen Männer stehen sich im Flur gegenüber. Erst schweigend, dann fallen sie sich in die Arme und lassen eine Weile nicht mehr los. "Ich dachte, du lebst nicht mehr", erklärt Konohamaru später, als sie sich bei gegenübersitzen, jeweils einen Pappbehälter mit Ramen vor sich. "Ich weiß", erwidert Naruto und tut sich schwer damit, dem anderen in die Augen zu sehen. Vielleicht schämt er sich etwas. Womöglich möchte er irgendetwas verbergen. Jedoch verzichtet sein Schützling darauf, näher auf Narutos Verhalten einzugehen. "Ich dachte, Sasuke hätte dich umgebracht", stellt er fest und sein Blick fällt auf einen Stapel mit Flugblättern am Tischende. Narutos Augen folgen seinen und er nimmt zwei der Papiere herunter, um sie näher zu betrachten. "Keiner hat ihn gewählt, seine Tage sind gezählt" "Sasuke Uchiha ist ein Verräter und nimmt uns die Väter" Diese und ähnliche Sprüche sind abgedruckt und mit Zeichnungen illustriert, die auf den ersten Blick einen recht professionellen Eindruck machen auf Naruto. Letztendlich legt er sie vor sich auf den Tisch. "Was ist das hier?", fragt Naruto und blickt Konohamaru unvermittelt an. "Das ist meine Arbeit", antwortet er nicht ohne Stolz in der Stimme, "wir setzen alles daran, etwas gegen die aktuelle Regierung zu unternehmen." "Weshalb?" Verwunderung ist es nun, die sich in den Augen des jungen Aktivisten spiegelt. "Das fragst du noch? Uchiha ist vor fünf Jahren einfach hierher gekommen um die Macht an sich zu reißen, nachdem er uns zuvor alle verraten und andere Shinobi aus Konoha getötet hat. Erst hat er dich beiseite geschafft und dann alle verschwinden lassen, die ihm hätten gefährlich werden können. Er ist ein Diktator. Nicht nur, dass er die Macht auch über andere Dörfer und Länder an sich genommen hat, nein, es mussten soviele Unschuldige sterben." Mit der Zeit wird seine Stimme immer lauter und am Ende seiner Erklärung ist es der pure Hass, der aus ihm herausbricht. "Wer musste sterben? Wovon redest du?" Konohamaru seufzt und schüttelt langsam mit dem Kopf: "Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Anbu immer wieder Leute in ihre Gewalt bringen und sie tagelang verhören, grundlos wegsperren oder auch verschwinden lassen. Den Rat der Ältesten hat er ebenso mundtot gemacht wie den Daimyo. Von den ehemaligen Kage ganz zu schweigen - was meinst du, warum man von denen nichts mehr hört? Uchiha muss irgendetwas gegen sie in der Hand haben." "Irgendetwas?", hört Naruto sich fragen. Ein erneutes Kopfschütteln. "Wir wissen es nicht, darüber haben wir noch keine Informationen." Nachdenklich mustert Naruto den jungen Mann, der in den letzten Jahren erwachsen geworden ist. Es fällt ihm schwer, Worte zu finden, die das ausdrücken zu vermögen, was er gerade empfindet. Er weiß nicht, wie er Konohamarus Einschätzung einordnen soll. Und mich. Er weiß nicht, was er über mich denken soll. "Wo warst du?" Die Frage ist beinahe anklagend. Sachte neigt Naruto seinen Kopf zur Seite und bleibt ihm diese Antwort schuldig.    *** "Das Dorf hat ihn nicht respektiert, weil er Hokage wurde. Er wurde Hokage, weil das Dorf ihn respektiert hat." *** Die Beziehung zwischen mir und Naruto, sofern man überhaupt von einer sprechen kann, ist seit jeher problematisch. Was uns verbindet, ist das Wissen um die Existenz der Einsamkeit. Wir haben alles verloren. Nur habe ich dabei zugesehen, während sich Naruto daran nicht einmal mehr erinnert. Dennoch konnten wir am eigenen Leib die Gnadenlosigkeit des Systems spüren, in dem wir aufwuchsen. Nicht, dass wir das damals bewusst wahrgenommen hätten. Trotzdem wussten wir mit Sicherheit, dass wir unerwünscht waren. Shinobi ohne familiäre Angehörige erregten damals vielleicht Mitleid unter der Bevölkerung, aber letztendlich fühlte sich jeder in erster Linie seiner eigenen Familie und seinem eigenen Klan gegenüber verpflichtet und verbunden. Die Waisenhäuser in Konohagakure waren zudem seit jeher überfüllt, was wiederum dazu führte, dass man die Kinder bereits in jungen Jahren eigene, kleine Wohnungen zuwies, in denen sie auf sich allein gestellt leben sollten. Ab und zu kam jemand vorbei und sah nach, ob alles mit rechten Dingen zuging. Heute erinnere ich mich nicht einmal an den Namen meines Betreuers, falls man ihn so nennen konnte. Überhaupt kann ich mich nur noch Dunkel entsinnen, was ich zu der Zeit gedacht habe. Vermutlich waren es zumeist Rachegedanken, die zum Weitermachen bewegten. Das und meine strenge Erziehung, die mir bereits im Alter meines Verwaisens nahegelegt hatte, dass vor allem harte Arbeit und penible Ordnung zum Erfolg führten. Aller Wahrscheinlichkeit nach keine ungewöhnlichen Gedanken in einem Dorf, das von den militärischen Fähigkeiten seiner Bewohner lebte. Überlebte. Auch heute, viele Jahre später, idealisieren viele noch immer eine unnachgiebige Erziehung ihrer Kinder - frei nach dem Motto, dass das, was einen nicht umbringt, nur stärker werden lässt. Ich habe über all das erst an jenem Tag nachgedacht, an dem mir das Oberhaupt eines kleinen Klans aus dem Wellenreich seine Tochter vorstellte. Nicht, dass ich ernsthaft darüber nachdachte, dieses Angebot anzunehmen - aber ich ertappte mich bei der Frage, was wohl aus meinen Kindern werden würde, wenn ich denn welche hätte. Würden sie zu mir aufsehen und zitternd abwarten, ob ich sie anerkannte, nachdem sie sich an der 'Goukakyuu no jutsu' versuchten? Wie würden sie leben als Nachkommen eines Klans, der das Sharingan vererbte? Bis heute bin ich nicht bereit dazu, jemanden mit dieser Bürde zu belasten. Einmal habe ich darüber mit Naruto gesprochen. Wie er sich seine Zukunft vorstellt. "Erst werde ich Hokage", verkündete er stolz, "dann möchte ich eine Familie gründen." "Weshalb das?", hatte ich mich erkundigt. "Ich wollte schon immer eine richtige Familie haben", antwortete er mir. Seine Gedanken waren mir zu dem Zeitpunkt nicht völlig fremd. Dennoch hatten meine kindlichen Gedanken, die ich mir über den Wiederaufbau des Uchiha-Klans gemacht hatte, nicht viel mit echten Wünschen zu tun. Es war vielmehr eine Verpflichtung für mich, den Fortbestand der Uchiha zu sichern. In diesem Augenblick beneidete ich Naruto ein wenig, der zumindest zum damaligen Zeitpunkt bewusst keinem Klan angehörte. In früheren Jahren erschien mir Naruto immer wie eine lästige, sture Amöbe mit der Intelligenz eines Feldweges. Egal, wie häufig ich ihn von mir stieß, ihm drohte oder versuchte, seine Illusionen zu zerstören - er kehrte grundsätzlich zurück. Mit dieser unerschüttlichen Überzeugung. An mich. An uns. Ich weiß nicht mehr mit Sicherheit, ob ich ihn dafür auch gewissermaßen respektierte, vermutlich war ich zu sehr mit mir selbst und meinen eigenen Überzeugungen beschäftigt. Was wiederum auch erklären mag, weshalb ich bis heute nie ein tiefergehendes Gespräch mit Naruto über uns geführt habe. Wir haben getan, wonach uns im Sinne war. Damals wie heute. Im Nachhinein mag das einen recht primitiven Eindruck hinterlassen, aber ich muss einräumen, dass ich diesen Teil unserer 'Beziehung' immer geschätzt habe. Diese simple, instinktive Verhalten ohne den Zwang Worte zu finden, um alles klar zu umrahmen. Nicht, dass Naruto es nicht von Zeit zu Zeit versucht hätte, etwaige Schlüsselworte zu finden - beispielsweise um mich umzustimmen. Er ist daran gescheitert. Doch dieses stumme Verständnis füreinander ist trotz allem geblieben. Heute ertappe ich mich jedoch bei der Frage, ob das ausreicht. *** "Was wird aus ihr werden in zehn Jahren?", hört sich Shikamaru fragen, seinen Kopf der Frau zugewendet, die sein Kind in den Armen hält und ihn zudem auch noch geheiratet hat. "Was wohl?", erwidert Temari leichthin, "Eine stolze Shinobi, ganz wie wir es waren und sind." "Ist das der einzige Weg?", erkundigt sich Shikamaru nachdenklich und sehnt sich nach einer Zigarrette. Seine Finger fühlen sich seltsam leer an. "Welchen Weg soll es sonst geben?" Shikamaru vermutet, dass Temari keine Antwort auf ihre Frage erwartet. Im Gegenteil - das Kind genießt längst wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und ihr Mann spürt, dass sie das Gespräch für beendet hält. Er beschließt, nicht weiter darauf einzugehen und erhebt dich stattdessen. "Wo gehst du hin?", ruft ihm Temari hinterher, doch Shikamaru macht nur eine wegwerfende Handbewegung und verlässt den Raum. Später wird er zurückkehren. Wie immer. Sie weiß es. Dennoch fragt sie jedes Mal nach. Warum, das weiß sie selbst nicht so genau. Womöglich erwartet sie irgendetwas. Etwas, das anders ist. Eines Tages. *** Nachdenklich sitzt er am Seeufer und hebt mit der rechten Hand kommentarlos einen Stein auf, um ihn mit einer fixen Bewegung ins Wasser zu befördern. Kurz kräuselt es sich, wühlt auf, um dann zu der friedlichen Unbeweglichkeit zurückzukehren. Leicht rümpft er für einen Moment seine Nase. Naruto mag die Stille nicht besonders. Seit jeher ist es nicht in seiner Natur, abzuwarten oder zu schweigen. Nicht gerade die besten Eigenschaften für einen guten Shinobi, aber es fällt ihm schwer, sie abzulegen. Vermutlich möchte er das auch gar nicht. Diese innere Unruhe gehört zu ihm, wie seine laute, etwas aufdringliche Stimme, die inzwischen ein wenig leiser und erwachsener ist als früher. Bewusst wahrgenommen hat er diese Veränderung nicht. Als sich Schritte nähren, hebt er den Kopf und wendet ihn der ankommenden Person zu, die sich wortlos neben ihn setzt. "Ein schöner Tag", murmelt Sakura plötzlich zusammenhanglos. Naruto nickt ihr zu und widmet seine Aufmerksamkeit einer stattlichen Weide, deren Äste ins Wasser ragen. Ein alter Baum, denkt er. Was mag er schon alles erlebt haben? "Es klingt vielleicht seltsam", fährt sie nach einer Weile fort und blickt ihm fest in die Augen, "aber ich hoffe, dass es jetzt endlich ein Ende findet." "Es?", hört er sich fragen. Natürlich kann er es erahnen, aber er bevorzugt es, diese Vermutung nicht als Tatsache hinzunehmen. "Sasuke, Konoha, das alles hier", erklärt sie grob. Abwartend mustert Naruto seine langjährige Freundin und Teamkameradin - und er begreift schließlich, dass es ihm schwer fällt, ihren Standpunkt nachzuvollziehen. "Eines verstehe ich nicht", sagt er daher ein wenig später, "ich habe dir versprochen, Sasuke zurückzubringen. Du warst es, die mich immer bei diesem Vorhaben unterstützt hat. Was ist daraus geworden?" Kurz versteift sich Sakura, bevor sie leise seufzt und zu einem Erklärungsversuch ansetzt: "Ich habe wohl alle Hoffnung verloren, als er wie in Irrer lachend vor uns stand damals. Später habe ich dann gehofft, dass er doch noch zu Sinnen kommt und wieder zu dem Menschen wird, der er einmal war. Das war ziemlich naiv von mir, ich weiß. Erst nach Jahren habe ich dann begriffen, dass es diesen Sasuke-kun, den ich mir als kleines Mädchen ausgemalt habe, gar nicht gibt." Ein tonloses Lachen verlässt ihre Kehle. "Ich habe mir immer alles mögliche zurechtgelegt. Dass er nur schüchtern ist, dass er es doch so schwer hatte, dass es irgendwann gut werden wird. Dass wir irgendwann alle glücklich sind. Vielleicht habe ich mir gewünscht, dass er eines Tages mit Blumen vor der Tür steht, sich entschuldigt und mich dann fragt ob ich ihn heiraten wolle." Nun lacht Sakura laut und hell. Fast bellend. Dann wischt sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln. "Natürlich ist dieser Tag nie gekommen. Ich habe irgendwann verstanden, wie dumm das alles war von mir. Auch dieses Versprechen. Heute wünsche ich mir, er wäre nie zurückgekehrt." Langsam erhebt sie sich und streicht ihre Kleidung zurecht. Naruto hingegen macht keine Anstalten, sich zu erheben - jedoch weicht er auch nicht zurück, als sich Sakura zu ihm herunterbeugt. Nur Millimeter sind ihre Nasenspitzen voneinander entfernt - und ohne den letzten Schritt zu wagen, richtet sich Sakura plötzlich auf. "Ich habe vieles falsch gemacht", fügt sie schließlich hinzu, "aber ich möchte dir danken und dich um Vergebung bitten, selbst wenn ich es vielleicht nicht verdient habe. Danke für alles, Naruto. Wenn ich vorher-" Es ist sein Blick, der sie verstummen und leicht nicken lässt. Manches bleibt besser ungesagt. Das versteht sie. Dennoch fühlt sie sich ein wenig leichter, als sie letztendlich den Heimweg antritt. *** Es sind die Nächte, die uns verbinden. Naruto schweigt sich aus über das, was er tagsüber getan hat. Vermutlich wohlwissend, dass ich recht genau über jeden seiner Schritte in Kenntnis gesetzt werde. Die jugendliche Naivität hat er längst hinter sich gelassen. Trotzdem macht es auf mich immer wieder den Eindruck, dass er die Konfrontation meidet. Was mag er wirklich verbergen? Ich strecke mich, drehe den Kopf zur Seite und sehe sein schlafendes Gesicht. Unwirklich schlafend. Irgendetwas verrät mir, dass er nicht wirklich schläft, sondern es nur vorgibt. Weshalb? Lautlos richte ich mich im Bett auf und erhebe mich. Mit Sicherheit hat er es gespürt, seine Augenlider zucken leicht, soweit ich das in der Dunkelheit ausmachen kann. Doch erst als meine Hand nach dem Türrahmen greift, öffnen seine Augen sich. Von Müdigkeit keine Spur. Er blinzelt kurz, mustert meinen unverhüllten Körper. Es ist weder Lust noch Zuneigung, die aus seinem Blick spricht. Vielmehr ist es nichts. Nichts Definierbares. Immer noch schweigend drehe ich mich um und greife nach dem Yukata, der minder ordentlich über einer Stuhllehne drappiert wurde und streife ihn mir kurzerhand über. In der Vergangenheit hat Naruto häufig davon gesprochen, dass wir Freunde seien. Freunde, immer wieder taucht dieser Begriff auf. Es fällt mir schwer, ihn zu definieren. Allgemein. Oder für uns im Speziellen. Eine Art von Zuneigung, von Verbundenheit, die ich nicht aussprechen möchte. Ganz im Gegensatz zu Naruto. Wobei ich vermute, dass Naruto kaum das hier im Sinne hatte, als er von Freundschaft sprach. Womöglich schweigt er deshalb so penetrant. Abschätzend mustere ich ihn meinerseits. Was hat sich wirklich verändert? Ich möchte ihn fragen, was wir hier eigentlich tun. Welchen Sinn und Zweck es verfolgt. Ob das Teil seiner glorreichen Freundschaft ist. Doch auch ich rede nicht. Denn egal, wie ich es formulieren würde - es wäre nur ein schäbiges Abbild meiner Gedanken. Beinahe schon schmutzig. Ich zucke zusammen. Auch Naruto steht plötzlich auf und lässt die Decke von seinen nackten Schultern gleiten. Mit wenigen, kurzen, fast schon katzenhaften Schritten ist er bei mir. Schlägt leicht die Augen nieder. Schüchtern. Doch der Gedanke ist absurd, denn Naruto ist alles außer schüchtern. Seine Finger tasten nach meiner nackten Haut. Blass und rau. Seicht berührt er meinen Hals und sieht mit einem Mal auf. Ein fester Blick ohne Zweifel. Hart und unnahbar. Seine Hände schließen sich um meinen Hals und drücken zu. Erst sanft, dann fester. Mein Atem wird hektischer, gepresster und das Panikgefühl in meinem Kopf wird durch Leere ersetzt. Unbeschreibliche Leere. Mein Atem stoppt. Nur wenige Sekunden können vergangen sein, doch sie kommen mir vor, wie die Ewigkeit. Narutos Blick wird weich. Einfach so, ohne Ankündigung und seine Hände entspannen sich, während ich schmerzhaft einatme und auf die Knie sinke. "Es wäre so einfach gewesen", sagt er in das Dunkel hinein, den Kopf starr geradeaus gerichtet. Der anschließende Kampf wird nicht mit Worten ausgefochten und ich wehre mich nicht, als mich Naruto aufs Bett wirft und nach kurzer Vorbereitung wie ein besinnungsloser zustößt. Unser Atem, kaum voneinander zu unterscheiden. Aufgeregt und ruhelos. Ich schnappe erschrocken nach Luft, als sich seine Hände erneut um meinen Hals legen. Er drückt zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)