Oh My Princess! von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Oh My Princess! -------------------------- Nachdenklich saß Lyra auf der Bank, den Huf auf ihr Instrument gelegt. Wie schon die letzten paar Monate hatte sie sich diesen Ort als Rückzugsort ausgesucht, von hier aus konnte sie den Mond beobachten und ein wenig auf ihrer Leier spielen, ohne die anderen Ponys aus ihrem tiefen Schlaf zu wecken. Denn schon seit geraumer Zeit ist Lyra nicht nur eine Bewohnerin des Tages, sondern auch eine Genießerin der Nacht. Oft kam sie zu dieser Bank, betrachtete den Mond in seinen einzelnen Phasen und spielte einzelne Klänge auf ihrer Leier. Hin und wieder spielte sie auch ein komplettes Lied, in anderen Nächten dagegen blieb sie einfach nur stumm sitzen. Die meisten der Bewohner von Ponyville ahnen nichts von ihrer neuen Freizeitbeschäftigung, doch selbst wenn, es war nichts, wofür sie sich hätte rechtfertigen müssen.   Die Nacht war sternenklar, nur einzelne Wolken zogen langsam am Himmelszelt entlang. Die Sterne funkelten wie kleine Diamanten und der Mond war ihnen etwas näher gekommen. Bis auf die üblichen, nächtlichen Geräusche war absolut nichts zu hören. Eine herrliche, dunkle Stille. Eine wundervolle Nacht, warum ist mir das nicht schon viel früher aufgefallen? Mit einem Lächeln auf den Lippen sah sie den Mond an, und blinzelte kaum. Fast so, als würde er vor ihren Augen verschwinden, würde sie sich auch nur für einen Moment davon abwenden. Doch nicht nur die Nacht an sich hatte eine magische Wirkung auf das türkisfarbene Pony. Nein, auch die Prinzessin der Nacht war in Lyras Augen zauberhaft und wunderschön. Auf ihre ganz eigene Art und Weise, anders schön als die Nacht, die Musik oder die Freundschaft. Sie hatte eine Eleganz, wie sie nur eine Prinzessin an den Tag legen konnte, und doch war sie sehr nah am Volk. Etwas, was sie schon immer an den Prinzessinnen schätzte. Alle vier Alicorns verehrte sie, doch bei Luna … bei Luna war es anders.   Während sie Cadence, Celestia und Twilight mit der Seele verehrte, hatte Luna stattdessen ihren Platz in ihrem Herzen. Ihre eigentümliche Mähne, ihre Unsicherheit gegenüber vielen normalen Situationen und ihre Freundlichkeit waren nur ein paar der Dinge, die sie in ihren Augen einzigartig machte. Durch sie hatte sie gelernt, dass auch die Nacht ein paar schöne Seiten haben konnte. Nicht nur Dunkelheit, finstere Schatten und Furcht. Sie liebte Luna, so sehr, dass sie das Gefühl hatte, es würde ihr Herz zerreißen. Es war nicht nur bloße Verehrung, nein, sie liebte die Prinzessin der Nacht, doch genau dieser Umstand brach ihr auch immer wieder das Herz.   Denn trotz allem war Luna immer noch eine Prinzessin, eine unsterbliche Alicorndame, mit vielen königlichen Pflichten. Anfangs war Lyra wachgeblieben, weil sie nicht schlafen konnte. Dann ging sie hinaus, zu der Bank, auf der sie seitdem immer wieder sitzt. Erst nach ein paar Wochen gestand sie sich ein, dass sie hoffte, dabei auf Luna treffen zu können. Auch wenn sie sie nur für den Hauch einer Sekunde sehen würde, würde es ihr reichen. Sie konnte nicht immer nur darauf hoffen, einen Albtraum zu haben, damit Luna kam und sie beschützte, und Nightmare Night fand zu ihrem Bedauern nur einmal im Jahr statt. Seit der Rückkehr Lunas war diese Nacht ihre Lieblingsnacht und sie fieberte dieser Nacht oft entgegen. Und doch, trotz dieser Aussichten, reichte es ihrem Herzen nicht, sie nur eine Nacht im Jahr sehen zu können. Wie ein hungriges Tier dürstete sie es nach mehr, doch sie konnte es nicht füttern. Schon lange wusste sie nicht, was sie ihr sagen würde; was sie sie fragen könnte, würde Luna plötzlich bei ihr erscheinen. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass dieser Moment wohl niemals kommen würde. Was sie aber nicht davon abhielt, weiterhin bei Anbruch der Dunkelheit ihre Leier zu holen und sie mit dem Mond als Zeugen zu spielen.  Doch der Gedanke, dass ihre Gefühle immer ungehört, dass die Prinzessin für sie immer unerreichbar bleiben würde, schmerzte sie jeden Tag aufs Neue.  Leise bahnten sich ein paar einzelne Tränen ihren Weg die Wange hinunter, während sie ohne jegliche Motivation an ihrer Leier spielte. Seufzend schließt sie die Augen und lehnt sich zurück.   Nach ein paar Minuten verstummte die Leier wieder, doch Lyra hielt die Augen geschlossen. Zwar hörte sie das immer näherkommende Schlagen von Flügeln, und wie jemand in ihrer Nähe landete, beachtete das Pony, dass diese Geräusche verursacht hatte, jedoch nicht weiter. Vermutlich nur jemand aus Ponyville, der seinen nächtlichen Nachtspazierflug beendet hat. Lyra beachtete das andere Pony nicht weiter, aber wenn sie es getan hätte, wäre sie vor Schreck von der Bank gefallen. „Möchtest du denn heute kein Lied auf deiner schönen Leier spielen?“ Für einen Moment blieb Lyras Herz stehen, sie hatte die Stimme von der ersten Silbe an erkannt. Auch hätte sie fast ihre Leier losgelassen. Fast traute sie sich nicht, die Augen zu öffnen. Bitte, bitte, lass es nicht nur ein Traum sein, und biss sich unauffällig auf die Backeninnenseite. Der Schmerz bewies ihr sofort, dass es nicht nur ein Traum war. Prinzessin Luna, die eine und einzige Luna stand vor und hatte sich gerade nach ihrer Musik erkundigt. Hat sie gerade meine Leier schön genannt? Ihre Wangen färbten sich rosa.   Mit pochendem Herzen sah sie Luna ins Gesicht. Sie hatte sich einen solchen Moment schon immer erhofft, in ihren Träumen in der Nacht und in ihren zahlreichen Tagträumen, aber diese Momente nun als Wirklichkeit zu erleben, das hätte sie nie zu hoffen gewagt. „Es tut mir Leid, wenn ich dich erschrocken habe, Lyra Heartstring. Ja, ich kenne jeden einzelnen Namen von meinen geliebten Untertanen“, beantwortete sie Lyras fragenden Gesichtsausdruck. Dann zeigte Luna mit dem Huf auf die Leier. „Ich habe schon oft deiner schönen Melodie gelauscht, wenn ich über Ponyville geflogen. Und ganz selten, wenn der Wind günstig wehte, konnte ich ihr sogar von Canterlot aus zuhören. Du spielst ganz zauberhafte Melodien, die einem zum Träumen verleiten. Aber heute spielst du nicht, was ich sehr schade finde …“ Sie klappte ihre Flügel ein und trat einen Schritt auf ihre Untertanin zu. Besorgt sah Luna sie an. „Zwar kann ich nicht wie in der Welt der Träume in dein Herz hineinsehen, aber ich kann dennoch sehen, dass dich etwas Schweres bedrückt. Ist es das, was dich am Spielen hindert? Keine Angst, du kannst mir alles erzählen, was dir auf dem Herzen liegt, mein kleines Pony.“ Unbewusst biss sich Lyra auf die Unterlippe, dabei senkte sie ihren Blick. So gerne sie noch weiter hin in Lunas wundervolle Augen geblickt hätte, so konnte sie ihrem Blick auch gleichzeitig nicht mehr standhalten. Zu groß war das Risiko, sich in diesen Augen zu verlieren, in sie hinein zu tauchen, immer weiter und tiefer, ohne Ende. Dass sie zu zittern begann, bekam sie allenfalls am Rande mit. Luna schob ihr Gesicht hoch, mit dem Huf am Kinn und redete beruhigend auf sie ein. „Keine Angst, was immer dein Herz quält, ich kann dir helfen. Vertrau mir, Lyra. Du kannst mir wirklich alles anvertrauen.“ Jetzt zitterte sogar ihre Stimme und sie fürchtete, sie würde nichts weiter als gestotterte Wortfetzen hinausbringen. „W-w-wirklich? Ich bin mir nicht sicher, o-o-ob ich das wir-wirklich sagen soll.“ „Ja, du kannst mir alles sagen“, entgegnete Luna nun mit einer fast schon mütterlichen Stimme.   Nun konnte sie sich endgültig nicht mehr zurück halten. Ihre Gefühle überschwemmten sie wie ein Tsunami; und ihre Tränen ließen sich nicht mehr aufhalten. Fast schon hyperventilierend rollten ihr die Tränen immer wieder über die Wangen. Ihre Sicht verschwamm zu einem Schleier aus Tränen, und all ihre unterdrückten Gefühle brachen aus ihr heraus wie aus einem wiedererwecktem Vulkan. Geduldig sah Luna sie an und wartete, bis Lyra irgendwann in der Lage war, wieder deutliche Worte zu sprechen. Schniefend wischte sie ihre Tränen weg, doch die Augen waren längst rot und ihre Wangen glänzten.   „Ich kann kein Lied mehr spielen, ich fühle die Melodie nicht mehr in meinem Herzen …“ Sie machte eine Pause, doch Luna unterbrach sie nicht. Noch immer stützte sie das Kinn, doch Lyra blickte an ihr vorbei auf den Boden. „Ich kann die Musik in meinem Herzen nicht mehr hören, denn es ist gefüllt mit Gefühlen,  mit denen ich nicht umgehen kann. Sie nehmen mich immer mehr und mehr ein; und ich kann nichts dagegen tun.  Doch genau das lässt sie noch stärker wachsen und mit ihnen wächst auch die Sehnsucht. Zwar wird es für uns nie eine Zukunft geben, das ist einfach unmöglich. Und doch kann ich nicht anders, als immer an dieses eine Pony zu denken. Ihr gehören mein Herz und meine Gedanken, aber ich konnte es immer aushalten. Ich konnte immer damit leben, aber jetzt … jetzt kann ich es nicht mehr.“ Ein weiterer Schluchzer unterbrach sie, doch dieses Mal brauchte sie nicht so lange, um wieder zu ihren Worten zurückzufinden. Worte, die immer darauf warteten, ausgesprochen zu werden, um wirklich wahr zu werden. In einem Moment wie diesem. „Ich … ich … ich weiß einfach nur nicht, was ich jetzt sagen oder tun soll … Prinzessin Luna, ich … ich lie …“ Doch sie kam nicht weiter, denn Lunas Huf lag auf ihren Lippen. Sanft blickten sie ihre Augen an und Lyra spürte, wie eine angenehme Welle durch ihren Körper floss. „Du musst nicht weiter reden, ich verstehe dich. Ich weiß, was du sagen willst, deine Augen und dein Geist sprechen mehr als deine Worte es je tun werden. Und ich fühle mich sehr geschmeichelt. Von jedem Pony, das hier in unserem Land lebt, liebe ich jedes einzelne auf seine eigene Art und Weise. Aber ich befürchte, dass ich dir diesen Herzenswunsch nicht erfüllen kann. Dennoch hoffe ich, dass es dein Herz erleichtern wird; und wir bald wieder deiner wundervollen Musik lauschen können.“ Luna legte ihre Stirn, so gut es ihr möglich war, auf die von Lyra; und blieb dort eine Weile, einfach den nächtlichen Geräuschen und Lyras immer leiser werdendem Schluchzen lauschend.   Nach einer Weile fand Lyra ihre komplette Stimme wieder. Auch spürte sie, wie ihr Herz leichter wurde. Es schien ihr so, als hätte ihr Herz sehnsüchtig auf diesen einen Moment gewartet. Als hätte es darauf gewartet, durch dieses Geständnis zur Erlösung kommen zu können.   Später konnte sie nicht sagen, warum sie es tat, aber in diesem Moment erschien es ihr als richtig. In diesem Moment erschien es ihr als wichtig, als richtig, dass Luna diese Worte von ihr erfuhr. „Es passierte in der zweiten Nightmare Night, also der zweiten nach deiner Rückkehr. Vermutlich waren die Gefühle schon eher da, aber so richtig bewusst wurde es mir erst in der Nacht. Als ich dich da so stehen sah, so majestätisch, habe ich mich in dir verloren. In deinen Augen, in deiner Mähne, deinem Fell, deinem Wesen, einfach deinem ganzen Ich.  Als Ausgleich begann ich, intensiver zu träumen und spielte so oft es ging in der Nacht, in der Hoffnung, du würdest mich erhören. Doch gleichzeitig wusste ich, dass ich keine Chance haben würde, dass es nicht möglich wäre. Es verletzte mich und ich konnte immer schlucken. Heute Nacht, als du auf einmal vor mir standest, dachte ich, mir würde ein Engel erscheinen. Ich dachte, mein Traum würde wahr werden. Doch mit meinem Traum wurde auch die traurige Gewissheit zur Realität.“ Sie hielt immer noch ihre Augen geschlossen, doch Luna unterbrach sie auch dieses Mal nicht. „Es tut mir Leid, wenn dich meine Gefühle erschrocken haben sollten, Luna. Aber ich musste es dir einfach sagen, dir meine Gefühle zum Ausdruck bringen, denn ich fürchte, es hätte mich sonst um meinen Verstand gebracht.“ Tröstend fing Luna an, Lyras Kopf zu streicheln. „Du machst mir keine Angst; nein, ich bin sehr glücklich darüber, dass du es mir gesagt hast. Denn nur so kannst auf Dauer deinen Schmerz bewältigen.  Ich selbst litt unter Gefühlen, die ich nicht verstand. Und als sie sich zeigten, wurde ich zu einem finsteren Pony aus Hass und Wut. Zwar denke ich nicht, dass du zu einem Nightmare Pony werden würdest, aber dein Herz würde zerbrechen, und das wäre weitaus schlimmer.“ Nun konnte Lyra ihre Tränen erneut nicht zurück halten, weinend fiel sie Luna um den Hals, welche sie vorsichtig an sich drückte. Immer wieder über ihren Rücken streichelnd, wartete die Prinzessin der Nacht, bis sich ihre Untertanin wieder beruhigt hatte.   „Du solltest dich nun langsam hinlegen, es ist doch recht spät und du brauchst deinen Schlaf“, meinte sie sanft, aber fordernd. Früher hätte ich das nicht sagen können. Aber früher ist früher, und heute ist alles anders. Mit raschen Flügelschlägen brachte Luna Lyra bis zu ihrem Schlafzimmer, wo sie dann müde von ihrem Rücken runter kletterte. Mittlerweile war sie sogar noch müder, als sie angenommen hatte und konnte ihre Augen gerade noch mit Mühe offen halten. „Ich wünsche dir einen gute Nacht“, sprach Luna mit einer gütigen Stimme. „Und ich hoffe sehr, dass du unsere Nacht bald wieder mit deiner wundervollen Musik verschönern wirst.“ „Ja, das werde ich, Prinzessin Luna. Pinkie Pie Promise!“ Sie sah der Prinzessin nach, bis sie in den Nachthimmel verschwunden ist, dann legte sie sich auf ihr Bett und fiel augenblicklich in einen tiefen Schlaf. Zum ersten Mal nach langer Zeit träumte sie wieder etwas Angenehmes und sie lächelte. Zwar war ihr Herz gebrochen und trotzdem war sie glücklich. Und konnte es kaum erwarten, die Melodie in ihrem Herzen von Neuem erklingen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)