Vielleicht für immer von Anyi ================================================================================ Kapitel 1: Familienglück ------------------------ Paar:Naruto x Sasuke Idee: Anyi Rate: P-18 Slash Vielleicht für immer „Ja ... Wir, ja ... Sie, Jaaa. Gott, Mom... Jetzt lass mich doch auch mal zu Wort kommen.“ „Aber ich bin so aufgeregt, Naruto.“ „Ich merk es, du brauchst jedenfalls nicht so zu schreien, ich verstehe dich auch so ganz gut.“ „Jetzt sei mal nicht so frech zu deiner Mutter und sag mir lieber, ob ihr noch im Krankenhaus seid!“ „Natürlich sind wir das! Ist ja grade erst zwanzig Minuten her.“ „Oh, und wie geht's ihr? Was ist es? Wie heißt es und ist es gesund? Mensch Naruto, jetzt erzähl doch schon!“ „Mom, bleib ruhig, Karin geht's gut, es ist ein Mädchen und...“ „Awww, MINATO! Es ist ein Mädchen!“ „Okay, Mom? Kommt doch einfach her!“ Ich seufze erschöpft und beende das anstrengende Gespräch mit meiner Mutter. Wenn ich es mir recht überlege, kann ich mich nicht einmal mehr daran erinnern wie ich überhaupt auf den Gedanken kommen konnte, ausgerechnet meine Mutter als erstes anzurufen. Es war ja im Grunde auch von vorn herein schon klar, wie sie reagieren wird. Eine einfache SMS hätte es auch getan und wäre eine sehr gute Alternative zu meinen beginnenden Kopfschmerzen gewesen. Seufzend und schläfenmassierend lasse ich mich auf einer der weißen Plastikstühle fallen und versuche für einen Moment einfach mal durchzuatmen. Die letzten Tage, nein wohl eher Wochen, waren für mich die pure Hölle. Ich sitze auf heißen Kohlen. Kann nichts machen, außer warten und zusehen und habe das bedrückende Gefühl, dass mir mein Leben mit jeder verstreichenden Sekunde mehr aus den Händen gleitet. Für mich ist es unglaublich schwer geworden mit ihr zu leben. Mit Karin, ihren schwierigen, wechselhaften Launen – vor allem mit dem Gefühl sie nicht zu lieben. Dass da absolut nichts mehr ist, was ich außer Freundschaft für sie empfinde, ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass ich es kaum noch mit ihr allein in einem Raum aushalte, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Pausenlos mache ich ihr was vor. Nichts als Lügen, und das seit sechs Monaten. Es ist selbstverachtend, was für schäbige Ausreden mir einfallen, um nicht mit ihr zusammen Zeit zu verbringen und vor allem, um nicht mit ihr zu schlafen. Früher war das für mich unvorstellbar. Sie nicht zu berühren oder zu küssen, hab ich mir damals niemals vorstellen können und jetzt fällt es mir schwer ihr überhaupt nur für ein paar Sekunden in die Augen zu sehen. Und das Kind? Unser Kind? Das war die letzten Monate wohl die beste Argumentation um keinen Sex miteinander zu haben. Ein Mittel zum Zweck, das mir in zu diesem Zeitpunkt ganz gelegen kam. Ein Argument, ein Ding, das meinen Egoismus überschattet – nicht mehr und nicht weniger. Ein Fakt, der nicht liebevoll ist, nicht väterlich und verdammt nochmal nicht richtig. Ich hasse mich dafür solche Gedanken zu haben. Und ich hasse mich dafür, dass ich einem unschuldigen Kind die Schuld gebe, dass ich Sasuke nicht mehr sehe. Einem Kind. Meinem Kind, für das ich die Verantwortung tragen sollte - mit Herzlichkeit und Liebe, mit allem was ein Kind braucht – doch im Moment habe ich das Gefühl bei dieser Aufgabe kläglich zu versagen. Ich traue mich ja nicht einmal zurück in diesen beschissenen Raum, wo Karin liegt und glücklich das neugeborene Kind im Arm hält. Hier ewig rumsitzen bringt mir nur leider gar nichts. Früher oder später muss ich ihr ohnehin wieder gegenübertreten, ob ich will oder nicht. Und jetzt darauf zu warten, dass meine Eltern vorher noch hier auftauchen, ist realistisch betrachtet auch nicht wirklich klug. Jedenfalls nicht, wenn ich noch länger leben will. Mit dem Gedanken im Hinterkopf der Mutter meines Kindes die baldige Ankunft meiner Eltern zu beichten, richte ich mich auf und lege meine Hand an die kühle Türklinke. Der wohl letzten Barriere zwischen mir und der unausweichlichen Zukunft, die ich mir so nicht vorgestellt habe – zumindest jetzt noch nicht. Also ist erstmal durchatmen angesagt, tief und beruhigend, dann öffne ich die Tür und mein Blick landet automatisch auf Karin. Sie lächelt verträumt und wirkt unglaublich zufrieden. Es umgibt sie kein Anzeichen von Unruhe, keine Schatten, keine Ängste – und falls sie doch welche hat, lässt sie sich das nicht anmerken. An ihrem Körper schläft das Kind ruhig und friedlich. Jedenfalls denke ich das, weil ich es nicht schreien höre, und das tun doch Kinder immer, wenn sie nicht gerade schlafen, oder? „Naruto? Schließt du bitte die Tür, es zieht etwas“, erreicht mich Karins bedachte Stimme. Zart und sanft, so als wolle sie etwas ganz Entscheidendes vermeiden, wofür mir jeglicher Sinn fehlt. „Oh, sorry“, gebe ich zurück, trete weiter in den Raum und schließe die Tür, nachdem ich mitbekommen habe, dass sie mich meint. Diese seltsam selige Stimmung in diesem Raum scheint mich zu erdrücken. Ich bin träge, müde und gleichzeitig innerlich so aufgewühlt und nervös, dass ich nicht sagen kann, was genau mir bei diesem harmonischen Bild durch den Kopf geht. Es hat was Einlullendes und dennoch liegt es schwer und falsch auf meinem Herzen, sodass jeder Atemzug schmerzt und jedes Lippenzucken nicht mehr als ein Krampf ist.‏ „Was ist los?“, fragt mich Karin, nachdem ich mich seufzend neben ihrem Bett auf einen Stuhl setze. Schon wieder sitzen, nur sitzen und warten, worauf verdammt nochmal? „Was soll denn sein?“, antworte ich ihr klanglos. Im Moment scheint alles von mir abzuprallen, die fröhliche Spielerei aus lachen, grinsen und scherzen gelingt nicht mehr. Ich will hier nicht sein, will weg, will raus. Frische Luft atmen, laufen ... Irgendwas tun, was mich wegführt von diesem erdrückenden Familiendasein, das sich ungefragt in mein Leben geschlichen hat. „Ich weiß nicht, du wirkst so abwesend. Stimmt etwas nicht?“ „Ich bin nur müde. Es war ne lange Nacht.“ „Ja“, stimmt sie mir zu und ich bin fast versucht meine Hand wegzuziehen, die sie sanft mit ihrer erreicht. Daumen und Zeigefinger streichen über meinen Handrücken, sind warm und dankbar, wie heißes Eisen auf zu kalter Haut - bestrafend in jeglicher Hinsicht. „Meine Eltern sind auf dem Weg“, betone ich ablenkend. Sie sieht mich strahlend an, scheinbar stört Sie diese Neuigkeit nicht so sehr wie ich geglaubt hatte. „Das ist schön, Sie sind bestimmt neugierig auf ihr Enkelkind.“ „Vermutlich. Ich dachte, ich lasse mich dann von Ihnen nach Hause fahren, dann hast du ein bisschen Zeit für dich und kannst dich ausruhen.“ „Oh“, macht sie überrascht. Ihr Blick bohrt sich hilflos und nach Antworten suchend in meinen, so fest und tief, dass ich ihr kaum standhalten kann. Mit einem kapitulierenden Senken der Lider bricht unser Blickkontakt – durch mich, und ihr folgendes Seufzen macht ihre Ratlosigkeit und Überforderung unmissverständlich deutlich. „Okay“, haucht sie dünn, richtet ihren Blick wieder auf das schlafende Bündel in ihrem Arm und auch wenn es schmerzt mache ich nichts, um diese Situation zu ändern. Nichts außer stumm zu nicken.‏ Dann wird es still zwischen uns. Tiefes, nahezu unüberwindbares Schweigen erfüllt diesen Raum. Es ist diese seltsame Art von Schweigen, die häufig in Büchern beschrieben wird und die man als Leser dann schwer nachvollziehen kann, weil man sowas selbst zu selten erlebt. Meistens nimmt man es vermutlich nicht einmal richtig wahr, bevor es dann auch schon wieder vorbei ist. Solche Momente sind schnelllebig und das eigene Gehirn merkt sich wahrscheinlich absichtlich nicht dieses Gefühl, weil es nämlich absolut nicht schön ist. Wenn da Dinge sind, von denen du weißt, dass sie ausgesprochen werden sollten, die du aber einfach nicht sagen kannst, dann lastet ein abscheuliches Gefühl auf dir, das dich dem Erdboden näher bringt, ohne dich jedoch unter einer erlösenden Schicht zu begraben. Du schwebst in dieser quälenden Zwischenstation, könntest heulen und hoffst. Denn Hoffnung auf Besserung ist das einzige was bleibt, solange bis jemand kommt und dich wieder rauszieht aus diesem lähmenden Zustand des endlosen Schweigens. In meinem Fall ist es ein leichtes, bescheidenes Klopfen, das die Stille zerreißt und sowohl meine als auch Karins Aufmerksamkeit auf die Tür zieht. Karins Antwort erfolgt schneller als ich überhaupt richtig realisieren kann, dass dort mein erwünschtes Rettungsseil vor der Tür steht. Und als sie sich dann kaum eine Sekunde später öffnet, taucht als erstes meine Mutter auf. Mit einem Lächeln, das der Sonne definitiv Konkurrenz machen könnte, würde es heute noch zu einem Wettstreit kommen. Hinter ihr erkenne ich meinen Vater, der durch seine gerade, aufrechte Haltung irgendwie stolz und dadurch leider auch väterlicher wirkt als ich mich fühle. Wie abgefahren beschissen ist das bitte? Was ist falsch mit mir? Warum sehe ich nicht so glückselig aus wie meine Eltern, wie Karin - selbst die dumme Hebamme hat mehr Gefühl gezeigt als ich. Wieso, verdammt nochmal, ist in mir in der letzten Stunde nicht einmal der Wunsch entstanden mein Kind zu halten, wo es doch das erste ist, was meine Mutter gerade von Karin verlangt. Ich kann das nicht. Das alles hier. Und es beschämt mich zu wissen, dass ich ihre offensichtliche Euphorie nicht teilen kann. „Oh mein Gott, ist die süß“, wispert meine Mutter in die Richtung meines Vaters, der nicht minder begeistert zustimmt. „Sie ist genauso hübsch wie ihre Mutter“, säuselt er und ich kann wirklich nur mit viel Mühe und Überwindung verhindern die Augen zu verdrehen. Ernsthaft, es ist ein Baby! Ein kleines, niedliches Baby und kleine, niedliche Babys sehen nun mal immer so aus. Jedenfalls wenn man den Frauen aus dem Geburtsvorbereitungskurs glauben kann. Also warum muss man da jetzt so ein Theater machen, nur weil das Kind gerade kaum sichtbar mit der Nase gewackelt hat? „Ach nein, diese kleinen Hände und ... Oh, sie ist ja schon richtig stark“, wundert meine Mutter weiter. „Sie ist auch kerngesund und schon ziemlich schwer“, erklärt Karin einen Teil des Ergebnisses aus der Erstuntersuchung. Danach schwärmen sie sich gegenseitig voll, was mich veranlasst einfach wegzuhören, bis mein Name fällt und ich ungewollt aus meiner Position schrecke. „Was?“, erwidere ich nicht gerade feinfühlig und ernte gleich mehrere böse Blicke und vermutlich hätte mich auch eine saftige Kopfnuss meiner Mutter erwartet, wenn sie nicht zufällig noch immer das Kind in ihrem Arm halten würde. „Ich wollte wissen, wie euer Kind heißt“, sagt sie und nicht nur sie sieht mich erwartungsvoll an. Auch Karins Blick ist eindeutig. So eindeutig, dass es mein Herz zum Rasen bringt. „Ich ... Keine Ahnung“, erwidere ich ratlos. Warum zum Teufel wollen die sowas auch ausgerechnet von mir wissen? Ich dachte, über diese Sache hätte sich Karin schon längst Gedanken gemacht. Außerdem war nie die Rede davon, dass ich einen Namen aussuchen sollte! „Was soll das heißen, Naruto?“ „Das heißt, dass ich es nicht weiß. Wir haben halt einfach noch nicht darüber geredet.“ „Ihr hattet ganze neun Monate Zeit und habt darüber nicht geredet?“ „Nicht wirklich, nein.“ Ich senke schuldbewusst meinen Kopf, weil es unangenehm ist wie strafend mich meine Mutter ansieht. Ich hab das Gefühl, genau ihre Gedanken zu kennen. Wie ich es fertig bringen kann so teilnahmslos hier zu stehen, ohne einen Funken Reue. Wie ich nur so uninteressiert sein kann, wenn es scheinbar um das Wichtigste überhaupt geht. „Ich ... Ich finde Hikari schön“, höre ich Karin leise sagen und ich stimme ihr ebenso leise wie erleichtert zu. „Ich auch.“ Damit wäre zumindest die Sache mit dem Namen abgehakt, weshalb es nun kein Halten mehr für meine Mutter und Karin gibt, sich pausenlos mit dem Kind zu unterhalten. Fast in jedem Satz fällt ihr Name. Sie sind überschwänglich und ... Nervig. Als hätten sie noch nie zuvor ein Baby gesehen. Nur ich wende mich von dieser Szene ab, richte meinen Blick aus dem Fenster, um zaghafte Sonnenstrahlen eines langsam heranbrechenden Frühlingstages zu bestaunen. Hier zu stehen, die hintergründigen Geräusche und Gespräche auszublenden, nur um mich in meinen Gedanken zu verlieren, ist nicht sonderlich schwer. Überraschend einfach sogar. Unten gehen Menschen entlang, verlassen und betreten das Gebäude, wirken wie Ameisen, die sich alle an diesem Ort versammeln, als wäre das ihr Zufluchtsort. Keiner macht wirklich Anstalten hier nicht her zu wollen. Keiner außer mir. Ich sage es nur nicht. Mein Handeln entspricht nicht dem inneren Wunsch meines Herzens, das sich viel lieber draußen befinden würde. Irgendwo da im Park, am See oder auf der Wiese, unter Bäumen oder auf der Hauptstraße – mir egal. Alles wäre besser als hier zu sein. Erste Blätter schmücken die Bäume und sanfter Wind wiegt sie ganz leicht hin und her. Ein spielerisches Treiben. Ein Necken, an dem ich festhalte, bei dem meine Gedanken ganz von selbst in verdrängte Richtungen schwanken. Es ist so unfassbar viel Zeit vergangen und dennoch kommt es mir gerade jetzt so vor, als hätte ich Sasuke erst gestern zuletzt gesehen. In seinem Bett, nichts ahnend, erschöpft und schlafend und dabei war er so wunderschön. Ich habe die ganzen letzten Monate krampfhaft versucht nicht an ihn zu denken. Hab versucht mich nicht zu fragen, wie er auf meinen Zettel reagiert hat. Wollte nicht wissen, was genau er gedacht oder gefühlt hat. Als er sich am nächsten Tag nicht gemeldet hat – und auch die Tage, Wochen und Monate darauf nicht – war es Gewissheit genug. Ich weiß, dass ich ihm vermutlich das Herz gebrochen habe. Dass ich es möglicherweise nie wieder gut machen kann, ganz gleich wohin mich dieses Leben noch führen wird. Ich wäre gerne wie der Wind, der kommen und gehen kann, der frei ist und entscheiden kann, wann er sanft oder wild ist, doch im Moment bin ich nur dieses dumme kleine Blatt, das gezwungen wird an diesem Baum zu bleiben, als Schutz und Ernährer, und kaum einer sieht, was es wirklich will. „Ich weiß, was du fühlst“, kommt es ganz leise von der Seite. Die starke Hand meines Vaters legt sich auf meine Schulter und seltsamerweise fühlt sich diese Schwere nicht erdrückend an. Es ist angenehm. Eine Geste, die mich beruhigt, auch wenn ich auf seine Worte den Kopf schütteln muss. „Ich glaube, niemand weiß das“, hauche ich leise zurück. „Aber ich kenne diesen Blick und ich kenne meinen Sohn“, antwortet er, was mich dazu bringt ihn anzusehen. Er lächelt sanft und in seinen Augen glaube ich sowas wie Zuversicht zu sehen. Er will mich aufmuntern, dabei weiß er nicht einmal was mich wirklich bedrückt. Durch eine knappe Geste deutet er an, dass ich ihm folgen soll, ehe er den beiden Frauen im Raum verkündet, dass wir uns eben einen Kaffee holen. Es ist eine Flucht in ein Gespräch, von dem noch nicht weiß, ob ich es überhaupt führen will. „Erzähl es mir“, fordert er, als wir gemeinsam die Cafeteria des Krankenhauses betreten. „Was?“ „Erzähl mir, was dich beschäftigt.“ „Ich … ich weiß nicht. Da ist so viel, was …“ „Naruto, ich war auch mal jung und ich weiß, wie es ist Vater zu werden. Auch ich musste mich damals erst daran gewöhnen.“ Ich lasse ihn reden. Mein Blick haftet auf dem schwarzen Kaffee, der zu dünn ist. „Ich hatte damals auch das Gefühl, dass ich es nicht schaffe. Selbstzweifel zu haben ist nicht falsch, Naruto. Sie machen dich nur menschlich. Niemand ist gleich perfekt, hörst du. Du bist mein Sohn, und ich glaube an dich. Wir sind immer für dich da. Wir unterstützen dich und …“ „Ich wollte es nicht“, unterbreche ich ihn und sehe, wie er seine Augenbrauen zusammenzieht. „Was wolltest du nicht?“, hinterfragt er, obwohl ich irgendwie heraushöre, dass er die Antwort bereits kennt. „Das Kind. Ich wollte das Kind nicht“, antworte ich und er schweigt betroffen. „Ich … es war nicht geplant, ein Unfall … ein verdammter Fehler und ich … ich wollte …“, meine Stimme bricht, als meine Augen anfangen zu brennen. Ich bin so kurz davor, zu sagen, was mich belastet. So kurz davor. „Was, Naruto? Was wolltest du?“, fragt mich mein Vater und bemüht sich einfühlsam und beruhigend zu wirken, doch ich merke, dass es ihn mitnimmt. Damit hat er nicht gerechnet. Sein eigener Sohn … „Nichts“, hauche ich, obwohl in meinem Kopf die Antwort auf seine Frage ganz eindeutig zu finden ist. Sasuke! Ich wollte Sasuke und verdammt, ich will ihn immer noch. „Ich wollte nichts. Nur … leben, und jetzt ist alles zu viel und ich weiß nicht, was ich tun soll.“ „Hey“, sagt mein Vater und keine Sekunde später stand er neben mir. „Komm mal her“, meint er und reicht mir seine Hand. Ich nehme sie, spüre seine Wärme und Geborgenheit und es fühlt sich so sicher an. „Wir schaffen das“, flüstert er mir zu, nachdem er mich in eine Umarmung gezogen hat, die meine Tränen endgültig befreit. Stumme Tränen, die ich nicht länger zurückhalten kann. Es tut weh. Es tut so verdammt weh, sie alle zu belügen. Sie alle und vor allem mich selbst. „Okay“, verlässt es brüchig meine Lippen und ich kann nicht anders, als mich haltsuchend an den Körper meines Vaters zu drücken, der versucht mir langsam über den Rücken zu streicheln. Vielleicht ist das eine Situation, die selbst ihn überfordert. Denn obwohl seine Worte und seine Stimme so klingen, als wäre er der Fels in der Brandung, spüre ich doch, wie unsicher und verkrampft er ist. Ich kann nur leider keine Rücksicht nehmen. Kapitel 2: Altagsstress ----------------------- „Wo bist du, Naruto?“ „Sorry, ich bin gerade erst aus der Uni raus.“ „Wir warten hier schon seit einer halben Stunde…“ „Es tut mir Leid, okay? Ich musste noch etwas Wichtiges mit meinem Prof klären.“ „Kommst du dann jetzt, oder nicht?“ „Ich bin ja unterwegs, gib mir … keine Ahnung … zwanzig Minuten?“ „Vergiss es, ich bestell uns ein Taxi, wir sehen uns zuhause.“ Warum sie jetzt so angepisst auflegt, kann ich nicht sagen. Ist ja nicht so, als hätte ich sie absichtlich dort warten lassen. Na gut, vielleicht habe ich mich auch nicht sonderlich darum bemüht rechtzeitig aus der Uni rauszukommen. Aber was soll ich machen? Jetzt ist es eh zu spät. Heute ist allerdings der Tag, an dem Karin mit unserem Kind nach Hause kommt. Endgültig. Und ich habe nun keine Möglichkeit mehr ihr aus dem Weg zu gehen. Ausnahme sind wohl nur meine Vorlesungen, und das Gespräch mit meinem Professor eben hat mir eindeutig gezeigt, dass ich davon in nächster Zeit keine verpassen sollte. Es gibt nämlich leider Themen, die mir nicht so leicht fallen, auch wenn sie mich echt interessieren. Okay, jetzt ist es jedenfalls wie es ist. Karin ist scheinbar sauer, weil ich sie nicht pünktlich abgeholt habe und ich bin verschwitzt, weil ich mich trotz allem abgehetzt habe, um noch die nächste Bahn zu erwischen, die mich direkt zum Krankenhaus bringen sollte. Ganz toll. Jetzt fahre ich auch noch unnötigerweise in die falsche Richtung. Den ganzen Stress hätte ich mir echt sparen können. Außerdem weiß ich bereits jetzt schon, dass es ebenso anstrengend zuhause weitergehen wird. „Kannst du mir mal sagen was das sollte? Ich stehe da wie blöde in der Gegend rum und du hältst es nicht mal für nötig, mich anzurufen, um mir zu sagen, dass du dich verspätest!“ „Ich hab doch bereits gesagt, dass es mir Leid tut. Es war keine Absicht, okay. Mir war dieses Gespräch nur echt wichtig und mit der Bahn bin ich nun mal nicht fünf Minuten später beim Krankenhaus, das weißt du genauso gut wie ich.“ „Dann mach verdammt nochmal endlich deinen Führerschein.“ „Natürlich, ich scheiße ja auch neuerdings das Geld.“ „Wir haben bereits vor drei Monaten darüber gesprochen, und du hast verspochen, dass du dich darum kümmerst.“ „Ja, mach ich auch, aber es geht halt nicht alles sofort, so wie du dir das vorstellst. Mein Studium frisst schon genug Zeit und Geld und der Nebenjob wirft lange nicht genug ab um jetzt auch noch ne Fahrschule zu bezahlen.“ „Dann kauf dir halt einfach weniger … Na toll, deinetwegen ist sie jetzt wieder wach!“ „Meinetwegen? Du schreist mich doch die ganze Zeit an.“ „Ach vergiss es.“ Sichtlich wütend beendet sie das Gespräch und verschwindet im Schlafzimmer, wo sie sich schließlich ausführlich darum kümmert, dass unser Kind nicht mehr schreit. Und mittlerweile habe ich feststellen dürfen, dass es schreien kann. Und wie es schreien kann. Heftig. Um ehrlich zu sein bin ich richtig froh, dass sie mich nicht dazu verdonnert hat es zu beruhigen. Ich hätte keine Ahnung gehabt, wie ich das anstellen sollte. Bei ihr sieht es so einfach aus und doch kann ich mich nicht dazu durchringen ihr behilflich zu sein. Ganz im Gegenteil. Ich schließe für sie die Schlafzimmertür, dass sie ihre Ruhe haben und verkrieche mich in meinem Arbeitszimmer, das eigentlich schon gar kein Arbeitszimmer mehr ist. Bis auf meinen Schreibtisch, PC und ein paar Unterlagen, ist bereits alles durch eine kindgerechte Einrichtung ersetzt wurden. Der Rest wandert irgendwann auch ins Schlafzimmer oder Wohnzimmer, wenn Karin der Meinung ist, dass das Kind jetzt alleine in seinem Zimmer schlafen kann. Solange muss ich damit leben, dass ich zwischen Kuscheltieren, Wickelkommode und Windeln lernen muss. „Naruto“, durchbricht Karin die Stille, in der ich mich befinde, ehe sie leise die Tür hinter sich schließt. Das Babyphone stellt sie auf meinem Schreibtisch ab und ich sehe fragend von meinen Aufzeichnungen auf. Sie scheint etwas nervös zu sein. Komisch, woher kommt jetzt dieser plötzliche Stimmungswandel? „Ich hab etwas überreagiert, oder?“, seufzt sie und dreht mich in meinem Stuhl zu sich. Keine Sekunde später sitzt sie auf meinem Schoß und ihre Nähe bringt meine Muskeln unwillkürlich dazu, dass sie sich anspannen. Es ist komisch, sie wieder so aktiv zu erleben. Seltsam, einfach seltsam und vollkommen überfordernd. Mein Gehirn fiebert. Was mach ich denn jetzt? „Etwas vielleicht“, entgegne ich und schlucke, als sie ihren Kopf senkt. Ihre Lippen sind kaum noch von meinen entfernt. Ich spüre ihren warmen Atem und das übernatürliche, wilde Schlagen meines Herzens, das mir sagt, ich solle doch endlich etwas tun. Nur was? Ich kann es nicht verhindern. Wie auch? Ihre Lippen erreichen mich, küssen mich – mit einer Zärtlichkeit, die um Verzeihung bittet. „Tut mir leid“, haucht sie. „Vergessen wir das?“ Mein Nicken fällt knapp aus. „Ich … ich hab noch was zu tun“, erkläre ich ausweichend und deute auf die Zettel, die unsortiert auf meinem Tisch herumliegen. Die Schrift darauf ist krakelig und kaum richtig zu entziffern. Hastig aufgeschriebene Notizen – Das Resultat eines langen Tages. Sie folgt meinem Blick und nach einem einsichtigen Seufzen steht sie schließlich wieder auf. „Okay ähm …“, beginnt sie und da ist sie plötzlich wieder. Die Nervosität, die für einen Moment verschwunden war. Ich runzle die Stirn. „Kann ich … euch dann kurz allein lassen? Ich würde gern noch schnell etwas einkaufen gehen und die Kleine schläft grade“, sagt sie und vermutlich muss ich ziemlich geschockt aussehen, denn sie fügt eilig hinterher: „Es dauert auch nicht lange, versprochen!“ „O-okay“, stimme ich zu. Es klingt seltsam. Irgendwie heiser und belegt zugleich und wirklich wohl fühle ich mich mit der Tatsache, jetzt auf mich allein gestellt zu sein, auch nicht. Ganz und gar nicht. Was mach ich denn, wenn wirklich etwas passiert? „Gut“, sagt sie und ich bin noch immer von meinen panischen Gedanken abgelenkt, dass ich den nächsten, sanften Kuss kaum wahrnehme, bevor sie verschwindet und hinter sich die Tür wieder leise schließt. Verdammte Scheiße, warum hab ich zugestimmt? *** Seit Karin aus dem Krankenhaus entlassen wurde, ist jetzt genau eine Woche vergangen. Eine Woche erst. Und es waren die anstrengendsten Tage meines bisherigen Lebens, wirklich! Studium, Job, Karin und Kind unter einen Hut zu bekommen ist ehrlich gesagt echt nur anstrengend. Die letzten Tage habe ich kaum richtig geschlafen. Wenn man mal von den wenigen Minuten in der Uni absieht, habe ich nämlich eigentlich gar nicht geschlafen. Im Job läuft es auch richtig beschissen momentan, weil mich alle nur noch nerven und Zuhause erwartet mich jeden Abend ein neues Horrorszenario. Vorgestern wurde ich von Karin angezickt, weil ich so ein bescheuertes Ding vergessen habe, das ich aus der Apotheke holen sollte. Weiß der Geier, wozu sie das braucht. Und gestern, gestern war der absolute Hammer. Ich kam total müde nach Hause, auf der Arbeit war die Hölle los und eigentlich wollte ich mich nur noch ein wenig auf die Couch legen und mich entspannen, aber Karins beste Freundin hat mir mit ihrem Spontanbesuch einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich werde nie vergessen, wie sie gekreischt hat, als sie plötzlich Babyspucke auf ihrem dummen Designerpulli hatte. Meine Ohren klingeln jetzt noch … Ich will gar nicht wissen, was mich heute erwartet. Früher habe ich Freitage geliebt. Natürlich weil sie im Normalfall das Wochenende einläuten, doch irgendwie glaube ich nicht, dass ich jetzt noch ein normales Wochenende haben werde. Zocken, chillen, ausgehen … kommt wohl erstmal nicht mehr in Frage. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrete ich unsere Wohnung und es ist verdächtig ruhig. Zu ruhig. Nur ganz leise kommen gedämpfte Laute aus dem Badezimmer und ich bin echt gewillt mich wieder leise aus der Wohnung zu schleichen. Doch leider klappt das nicht mehr, denn Karin scheint irgendwie einen sechsten Sinn zu besitzen. Sie streckt ihren Kopf aus der Tür und sieht mich freudig überrascht an. Will ich wirklich wissen, warum sie mich so ansieht? „Naruto, schön dass du schon da bist. Komm doch mal eben her und hilf mir“, sagt sie und damit beantwortet sich auch schlagartig meine Frage. Nein! Nein, ich will nicht wissen, warum sie mich so angesehen hat, doch scheinbar habe ich da kein Mitspracherecht. Als ich ins Bad trete, bekomme ich augenblicklich Magenschmerzen. „Siehst du, wie begeistert sie ist? Sie ist eine richtige Wasserratte, wie du“, lacht Karin, während sie unser Kind in dieser kleinen blauen Wanne badet, die wir von meinen Eltern bekommen haben. In der habe ich angeblich schon meine ersten Schwimmversuche gemacht. Ich weiß nur nicht, was genau daran jetzt so sehenswert und niedlich ist. Ich finde es eher … unpraktisch, weil alles nass geworden ist. Der Boden schwimmt regelrecht und ich hoffe wirklich, dass Karin diese Sauerei allein wieder wegwischen wird. „Kannst du sie eben mal halten, Naruto?“, sagt sie und lenkt meine Aufmerksamkeit somit weg vom Boden und direkt auf sich. Ich soll was? Wieso? Wie … „Was?“, kommt es etwas perplex von mir zurück. „Du sollst sie nur mal halten. Schau, so wie ich“, erklärt sie ruhig und viel zu einfühlsam. „Oh…“, entweicht es überfordert meinen Lippen und ich spüre, wie verkrampft ich eigentlich bin, als ich mich zögerlich neben Karin hocke und sie versuche abzulösen. Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich meinem Kind so und auf diese Weise nahe bin. Es ist … es … Ich weiß nicht was genau ich denken soll. Ich weiß nicht einmal was ich fühlen soll. Mein Kopf ist so leer. Ihre Haut ist ganz warm und weich und sie bewegt sich über meiner Hand. Und das einzige, was ich will ist, dass Karin mich erlöst. „Gut so“, sagt sie. Irre ich mich, oder hat sie mich grade dafür gelobt? „Ich hole schnell ein Handtuch“, meint Karin und kurz darauf lässt sie mich allein. „Karin?“, rufe ich ihr reflexartig hinterher, doch es bringt nichts. Sie dreht sich nicht nochmal um. Verdammt. Hätte sie mir gesagt, dass es nur um ein blödes Handtuch geht, hätte ich ihr doch eins geholt. Das wäre echt kein Ding gewesen. Und warum braucht sie dafür jetzt so lange? Scheiße, so unnütz und maßlos überfordert habe ich mich schon eine Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Wenn ich es mir recht überlege, dann wird mir jetzt erst klar, dass ich sie hier zum ersten Mal richtig bewusst wahrnehme und ansehe. Sie ist noch so klein. Winzig und zart. Wie kann sowas nicht zerbrechlich sein? „So.“ Als Karin endlich wieder auftaucht, kann ich nicht verhindern, dass ich erleichtert ausatme und gleich im nächsten Moment hart schlucken muss. „Heb sie mal hoch“, fordert sie und faltet ungeachtet meiner aufgerissenen Augen das kuschelig gelbe Handtuch aus. „Ich soll … was?“, erwidere ich entsetzt. Das wird ja immer besser. „Du sollst sie nur hochheben, so schwer ist das nicht“, meint sie nun etwas forscher und ich seufze ergeben auf. Da gibt es wohl keine andere Wahl für mich. Früher oder später hätte ich es wahrscheinlich ohnehin mal tun müssen. Ewig rausreden geht scheinbar nicht. Leider. „So ist gut, gib sie mir.“ Karin kommt mir entgegen, hüllt den kleinen, kindlichen Körper in das warme Handtuch ein und lächelt zufrieden. Mir jedoch fällt ein riesen Stein von meinem Herzen. Als wir dann später im Bett liegen, ist es so friedlich still, dass ich kurz davor bin einzuschlafen. Meine Augen fallen beinahe automatisch zu. Kraftlos und erschöpft nehme ich es sogar hin, dass sich Karin an mich schmiegt, mir Wärme spendet und mir Worte ins Ohr flüstert, die meinen Herzschlag kurzzeitig zum Stolpern bringen. Ich erwidere nichts… *** „Naruto? Wir müssen reden!“ Das ist das erste, was ich höre, als ich nach einem ebenso langen wie ätzenden Tag nach Hause komme. Schon irgendwie seltsam, wenn man sich trotz Stress auf den nächsten Tag freut, nur weil man dann nicht hier sein muss. Immerhin bleibt mir auf diese Weise erspart, dass ich mehr Zeit als unbedingt notwendig mit meiner Freundin verbringe. Und der Tonfall, der mich jetzt begrüßt, zeigt mir eindeutig, dass es genauso am besten ist. „Was ist denn?“, frage ich klanglos, weil mir eigentlich überhaupt nicht nach reden zumute ist. Ich will schlafen. Einfach nur schlafen. „Wir haben ein Problem“, sagt sie und mir stockt der Atem. Von was für einem Problem spricht sie? Weiß sie etwas? Ich dachte, ich hätte alles soweit im Griff und … „Es wird immer mehr und ich musste mein Konto heute sogar überziehen“, wirft sie mir an den Kopf, und erst jetzt dämmert es. Die Erleichterung, die ich kurzzeitig verspüre, ist jedoch schnell wieder verflogen. Karin reicht mir gleich mehrere Briefe. „Noch mehr Rechnungen?“ „Wohl eher Mahnungen“, korrigiert sie mich zischend. Es wirkt fast so, als würde sie mir die Schuld geben. Dabei tu ich doch schon alles, was in meiner Macht steht. Mehr kann ich einfach nicht mehr machen. „Ich … können wir nicht morgen darüber reden? Ich bin echt fertig…“, erwidere ich und lege die Briefe zur Seite. Meine Augen brennen und die Kopfschmerzen, die ich seit heut Morgen habe, finden langsam aber sicher ihren unerträglichen Höhepunkt. „Morgen? Wenn noch mehr Mahnungen kommen? Nein, Naruto … darüber reden wir jetzt!“ „Okay, ich such mir morgen noch nen zweiten Job, versprochen“, sage ich, obwohl ich mir mehr als bewusst bin, dass ich meine Grenzen – sowohl zeitlich als auch körperlich – bereits erreicht habe. Aber wenn es nicht anders geht … „Nein Naruto“, meint Karin und sie klingt erschreckend ernst. „Wie nein? Wie stellst du es dir denn sonst vor? Willst du warten bis du im Lotto gewonnen hast?“ „Natürlich nicht. Aber ich könnte wieder arbeiten“, sagt sie und ich schnappe unwillkürlich nach Luft. Wie bitte? Das hat sie grade nicht wirklich gesagt, oder? „Ich verdiene mehr als du und ich habe Aufträge zurückgestellt, die ich problemlos sofort wieder aufgreifen kann und …“ „Und wer kümmert sich dann um Hikari? Nimmst du sie etwa mit ins Büro oder was?“ „Nein, also … Das ist der Punkt, über den wir reden müssen.“ Sie seufzt anschließend und irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Das was gleich folgt, wird mir nicht gefallen. Ganz bestimmt nicht. „Werde jetzt bitte nicht sauer, aber ich hab mir gedacht, du könntest vielleicht zuhause bleiben…“ „Dachtest du, ja?“ „Schon, also …“ „Nein… ich kann nicht. Schon allein wegen meinen Vorlesungen nicht.“ „Nun ja, also … darüber habe ich mich ebenfalls informiert“, erklärt sie zurückhaltend und ich schaue sie an. Fassungslos. „Wie, informiert?“, hake ich nach. Innerlich bin ich total aufgewühlt. „Naja, es gibt die Möglichkeit, dass du … naja, pausierst. Du könntest trotzdem lernen und deine Prüfungen schreiben und …“ „Ich weiß nicht, Karin. Das ist … es kommt jetzt schon sehr plötzlich und ich weiß nicht, ob ich das kann, echt nicht.“ Mir ist plötzlich ganz schlecht. Allein von der Vorstellung, jeden Tag allein zu Hause zu bleiben, mit dem Kind, während Karin unsere Brötchen verdient, wird mir ganz schwindlig. So, verdammte Scheiße, sollte es niemals laufen. NIE. „Lass mich drüber nachdenken“, gebe ich nach, ehe ich auch nur die Chance habe zu realisieren, was hier gerade passiert. Ich bin nicht einmal mehr dieses beschissene Blatt, das am Baum festhängt. Ich bin gar nichts mehr. *** Es ist zu viel. Einfach zu viel. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Die ganze Zeit schreit sie. Die ganze Zeit. Es ist laut und … nervig. Eindeutig zu viel für mich und meine angegriffenen Nerven. Warum habe ich mich darauf eingelassen? Dass es so kompliziert ist, hat mir vorher nie einer gesagt. Ich will nicht, dass sie schreit. Sie soll verdammt nochmal endlich aufhören und schlafen. Laut Karins Plan ist jetzt Zeit zum Schlafen, aber sie schläft nicht. „Mum? Mum, ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Sie hört einfach nicht mehr auf.“ „Ganz ruhig, Naruto“, versucht mich meine Mutter durchs Telefon zu beruhigen. „Aber sie schreit und heult, schon die ganze Zeit. Dabei soll sie doch jetzt schlafen. Und wenn sie nicht schläft kann ich nicht… dann… Mum, warum schläft sie denn jetzt nicht?“ „Hatte sie ihre Milch? Hast du die Windeln gewechselt?“ „Ja, Mann. Das hab ich alles und jetzt steht schlafen auf dem Zettel. Sie sollte bereits seit halb eins schlafen und es ist schon eine halbe Stunde zu spät. Was mach ich denn, wenn sie nicht schläft? Sie muss doch schlafen, damit ich … wann soll ich denn lernen, wenn sie nicht aufhört zu schreien?“ „Beruhig dich, Naruto. Wir kriegen das hin, okay? Ich hab noch Mittagspause und komme eben kurz vorbei. Das ist alles halb so schlimm, vertrau mir“, spricht meine Mutter sanft auf mich ein, bevor sie unsere Verbindung trennt. Ich bin kurz davor zu kapitulieren. So habe ich mir das Ganze niemals vorgestellt. Ich wollte derjenige sein, der tagsüber Geld verdient und nicht derjenige, der sich mit dreckigen Windeln herumschlägt. Das erste Mal alleine Windeln wechseln war übrigens ein Desaster. Und die Aussicht, dass ich es wohl noch eine ganze Weile weiter tun muss, ist nicht gerade sehr beruhigend. Als es wenig später an der Wohnungstür klingelt, springe ich schon beinahe panisch von meinem Bett auf. Hikari schreit und heult noch immer, endlos und ohrenbetäubend. „Ach Gott“, kommt es mitleidig über die Lippen meiner Mutter, nachdem ich ihr die Tür geöffnet habe und das erste was ich kurz darauf spüre, ist eine feste Umarmung ihrerseits. Warum? Sehe ich etwa so mitgenommen aus? Naja, wenn ich so aussehe, wie ich mich fühle, dann vermutlich ja. „Ich mach das schon“, versichert sie mir, nachdem sie mich losgelassen hat und verschwindet im angrenzenden Schlafzimmer. Was genau sie da jetzt tut, weiß ich nicht, da ich mich ins Wohnzimmer verzogen habe. Völlig fertig und mit einem schmerzhaften Stechen in der Brust, lasse ich mich auf die Couch fallen. Es ist so anstrengend. Am liebsten würde ich abhauen. Irgendwo draußen sein, allein sein. Doch ich bin hier – muss hier sein. Wie viel Zeit genau vergeht, kann ich nicht sagen, da ich die Augen schließe und mich meinem inneren Monolog hingebe, dass alles nicht so schlimm ist, dass alles irgendwann besser wird, bis meine Mutter wieder auftaucht. Ein Lächeln ziert ihre Lippen, als sie mir sagt, dass sie jetzt schläft. „Vermutlich hatte sie nur Blähungen“, erklärt sie schmunzelnd und mir entgleisen sämtliche Gesichtszüge. „Blähungen?“, wiederhole ich fassungslos. Sie will mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass man wegen Blähungen so einen riesen Aufstand machen kann, oder? „Ja, kann schon mal vorkommen. Hattest du als Baby auch häufiger“, sagt sie jedoch und verschlägt mir damit echt die Sprache. Häufiger? Meint sie damit jetzt, dass das keine einmalige Sache war? Um Gottes Willen … „Ich muss dann jetzt auch wieder los. Naruto? Alles klar bei dir?“, fragt sie noch, als sie bereits an der Tür steht. Ich nicke verhalten. „Klar doch …“, antworte ich und weiß bereits, dass ich nicht sonderlich überzeugt klinge. „Ich weiß, dass es nicht einfach ist. Besonders am Anfang ist es immer schwer, aber wir sind für dich da, okay? Ruf an, wenn du Hilfe brauchst.“ Auf ihre einfühlsamen Worte folgt ein Kuss, den sie mir auf die Stirn haucht, ehe sie mich wieder allein lässt. Allein mit einem Kind, das scheinbar nur Blähungen hatte. Immerhin hat meine Mutter dafür gesorgt, dass es in der Wohnung jetzt so leise ist, dass man problemlos eine Stecknadel fallen hören könnte. Hikari schläft allem Anschein nach, was gut ist, weil ich jetzt eigentlich endlich anfangen könnte zu lernen. Ohne Vorlesungen ist es nämlich verdammt schwer, sich alles selbst anzueignen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, aber ich will es. Irgendwie muss das gehen, nur warum tragen mich meine Füße dann jetzt nicht ins Kinderzimmer, wo meine Unterlagen warten, sondern direkt ins Schlafzimmer? Ich höre sie atmen – ganz leise und gleichmäßig. Und mein Blick ruht auf ihrem Gesicht. Sie sieht so friedlich aus. So wie sie daliegt, wirkt sie verletzlich und unschuldig und weckt in mir eine Angst, die ich nicht auszusprechen wage. Was, wenn ich ihr immer die Schuld geben werde, für das, was mir genommen wurde? Was, wenn ich es nie schaffe, sie richtig zu lieben? Gedanken, die mir bei ihrem Anblick unaufhaltsam Tränen entlocken, die brennend über meine Wangen laufen. Kapitel 3: Gipfelstürmer ------------------------ „Naruto, warum hast du die Wäsche nicht gemacht?“ „Wann denn bitte?“ „Du warst den ganzen Tag zuhause. Was ist so schwer daran die Wäsche aufzuhängen?“ „Nichts. Ich hab es halt vergessen.“ „Vergessen? So wie den Müll? Den Abwasch und das Aufräumen im Wohnzimmer?“ „Ich mach es morgen…“ „…“ ~*~ „Naruto, dein Kind hat Ausschlag. Gehst du bitte zur Apotheke und besorgst endlich die Salbe, die du schon vor zwei Tagen holen solltest?“ „Warum bringst du sie nicht mit, wenn du von der Arbeit kommst, huh? Du siehst doch, dass ich versuche zu lernen!“ „Naruto, übertreib es nicht!“ „Mann, du nervst!“ „Naruto!“ „Was denn? Die ganze Zeit kommandierst du nur rum. Naruto tu das, Naruto tu dies – Ich mach doch schon alles was auf deinen bescheuerten Zetteln steht, aber der Tag hat nun mal keine 48 Stunden!“ ~*~ „Was wird das, Karin?“ „Was denkst du denn?“ „Ich hab keine Lust.“ „In letzter Zeit hast du nie Lust …“ „Ich bin müde.“ „Ja, und gleich erzählst du mir, dass du Kopfschmerzen hast.“ „Nein, ich bin einfach nur zu müde dafür.“ „Aber wir haben schon ewig nicht mehr …“ „Ich weiß.“ „Dann…“ „Morgen vielleicht, okay?“ „…“ ~*~ „Hi, Kiba … Ja, komm rein … Naruto ist hinten in seinem Zimmer …“ „Danke … Naa, wie geht’s dem frischgebackenen Vater, der sich nicht mehr meldet?“ „… beschissen … kannst du die Tür zu machen?“ „Oh. Okay… Was ist los?“ „Es läuft miserabel, Kiba. Wir streiten nur noch. Mein Kind ist ein Schreihals, das ständig Blähungen hat und – was bitte ist jetzt so lustig?“ „Nichts, nichts. Klingt nur ganz nach deinem Kind …“ „Haha, sehr witzig.“ „Okay, sorry. Erzähl weiter.“ „Ich schaff das nicht, Kiba. Mit dem Studium läuft es überhaupt nicht mehr. Die letzte Prüfung war eine Katastrophe, ein richtiges Massaker, verstehst du? Ich komm nicht mehr vorwärts. Mit nichts mehr.“ „Woahh, jetzt beruhig dich mal. So schlimm kann es doch nicht sein.“ „Doch, Kiba. Es ist so schlimm!“ *** Mein Leben entgleitet mir. Tagtäglich immer mehr – unaufhaltsam. Es ist irgendein Mittwochnachmittag im August, den ich zusammen mit Kiba verbringe. Natürlich in Begleitung meines Kindes, das jetzt zum Glück ganz ruhig in ihrem Kinderwagen liegt und schläft. Das tut es verdammt selten, wenn ich ehrlich sein soll. Wie kann ein Kind nur so viel schreien? Manchmal denke ich, es müsse doch irgendwann mal heiser davon werden, oder so. Aber sie wird es nicht. Nein, ich denke eher, dass sie mittlerweile richtig viel Gefallen daran gefunden hat, weil sie merkt, dass sie mich damit wahnsinnig macht. Erst recht jetzt, wo Karin schon seit Sonntagabend auf irgendeiner bescheuerten Geschäftsreise ist. Von wegen sowas würde sie vermeiden. Alles Bullshit. Und ausgerechnet in dieser Woche steht eine Reihe von Arztterminen an, die ich jetzt alle allein wahrnehmen muss. Als hätte ich nicht schon genug zu tun. „Du siehst echt verdammt fertig aus, weißt du das?“, seufzt Kiba nachdenklich, als uns die Bedienung unsere Getränke serviert hat. Wir sitzen gemeinsam in einem Café und ich bin echt froh, dass sich Kiba heute für mich Zeit nehmen konnte. Er hat jetzt nämlich auch eine neue feste Beziehung, die ihn ziemlich in Anspruch nimmt. Aber das ist okay. Ich freue mich für ihn – solange er die Kinderplanung noch ein wenig herausschiebt. Obwohl, so wie Kiba mich momentan mustert, hat er gerade alles andere als Kinderkriegen im Sinn. Gut so. „Ich weiß“, antworte ich müde. „Karin ist seit Sonntag weg, dabei hatten wir abgemacht, dass sie solche Aufträge nicht annimmt. Sie hat mich einfach allein gelassen, weißt du wie ätzend das ist?“ „Ich kann es mir denken“, entgegnet er und sieht kurz zu der Kleinen, ehe er schmunzelt. „Aber sie ist echt niedlich!“ „Ja, solange sie schläft“, murre ich, was Kiba ein amüsiertes Glucksen entlockt. „Und sonst so? Wie läuft’s jetzt mit deinem Studium?“, fragt er nach einem kurzen, angenehmen Schweigen. Fast schlagartig versteife ich mich, während sich der Muskel in meiner Brust schmerzhaft zusammenzieht. Ja, das ist ein Thema, über das ich in letzter Zeit viel nachgedacht habe und worauf ich zunächst nur mit einem Schulterzucken reagieren kann. Es fällt mir schwer, dazu etwas zu sagen, das nicht meine wahren Gedanken sind. „Naruto?“, hakt er jedoch nach, weil er sich natürlich nicht mit so einer billigen Antwort abfinden kann. Warum auch? Er vermutete ja so oder so, dass etwas nicht stimmt. „Ich hab überlegt ob ich …“, beginne ich nach einem tiefen Atemzug, doch es fällt mir schwer, das auszusprechen, das seit Tagen in meinem Kopf herumschwirrt wie ein Geist, der mich permanent terrorisiert. „Was hast du überlegt?“ „Ob ich es abbreche“, gebe ich schließlich zu, weil ich ja doch keine Wahl habe. Kiba hätte jetzt, wo ich einmal begonnen habe Andeutungen zu machen, nicht aufgehört nachzubohren. Meine Erklärung jedoch schockiert ihn so dermaßen, dass er den Löffel unsanft fallen lässt. Heißer Kaffee spritzt ihm auf die Hand und befleckt die Tischdecke. „Du willst was? Hast du dir das überhaupt richtig überlegt? Ich meine… abbrechen ist so … fuck, endgültig!“ „Als ob ich das nicht wüsste.“ „Wie stellst du dir das denn vor? Was willst du später mal machen?“ „Keine Ahnung, aber Studium und Kind gleichzeitig pack ich nicht. Ich bin ja jetzt schon vollkommen am Ende“, erwidere ich genervt. Mein Kopf tut weh. Das alles erdrückt mich. „Hast du mit Karin darüber geredet?“ „Nein.“ „Warum nicht? Sie ist die Mutter. Sie kann doch nicht ernsthaft wollen, dass du dein Leben wegschmeißt.“ „Will sie vermutlich auch nicht“, meine ich, obwohl ich mir da selbst im Moment nicht sicher bin. Alles, was ich derzeit mitbekomme ist, dass sie sich unheimlich verausgabt in ihrer Arbeit. Sie hängt sich in ihre Aufträge, als wäre da keine Familie zuhause, die auf sie wartet. Zumindest wirkt es auf mich so und das macht mich echt verdammt wütend. „Mach es nicht, Naruto. Ehrlich Mann, ich kenn dich, du würdest dir das nie verzeihen.“ Ich glaube herauszuhören, dass er sich ernsthaft Sorgen um mich macht. Verständlich. Ich würde ihm vermutlich genau das gleiche sagen. „Ich weiß nicht … vielleicht ändert sich was, wenn die Kleine nen Krippenplatz hat.“ „Ich hoffe es…“ Wie gut es mir getan hat, die Zeit mit Kiba zu verbringen, merke ich darin, dass ich sogar wieder ein wenig Lachen und Scherzen kann, nachdem wir das Café verlassen haben. Keine Ahnung wie lange wir tatsächlich geredet haben, aber es war gut und sogar ein wenig befreiend zumindest einen Teil meiner Probleme offen anzusprechen. Vielleicht sollten wir das ab jetzt häufiger tun, nur damit ich mich in all dem beschissenen Chaos nicht selbst verliere. Immerhin hat Kiba beschlossen, mich noch ein Stück zu begleiten. Ein Spaziergang unter Freunden sozusagen. Er hat sogar angeboten den Kinderwagen zu schieben, was ich ihm nicht abschlage. Alles, was mich im Moment auch nur für eine kurze Weile von meinem Kind distanziert, ist mir willkommen. Am liebsten würde ich ne Auszeit nehmen, wenn ich könnte. So wie es Karin macht. Nur wie soll das gehen, wenn sie es schon tut? Scheiße. Absolut scheiße. Den ganzen Weg über reden wir über vollkommen normale Dinge. Kiba erzählt mir von Sakura, die jetzt beschlossen hat ins Ausland zu gehen, um dort dann zu studieren. Für mich ist das unglaublich mutig und ich bin sogar ein klein wenig beeindruckt. Von Ino erzählt er, dass sie in das Geschäft ihrer Eltern mit einsteigt, was mich jetzt nicht so sehr verwundert. Kiba selbst macht eine Ausbildung zum Tierpfleger und möchte irgendwann seine eigene Hundeschule eröffnen, oder so. „Ach, und weißt du, mit wem Sakura jetzt zusammen ist?“, bringt Kiba aufgeregt zur Sprache, was ich natürlich nur verneinen kann. Woher soll ich das auch wissen? Ich hab ja kaum noch zu jemandem Kontakt. „Nein, mit wem denn?“ „Mit … halt dich fest … Sai!“, sagt er und mir klappt der Mund auf. „Was? Ausgerechnet mit dem?“, hinterfrage ich erstaunt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie angewidert sie von Sai war, als er damals zu uns in die Klasse kam. Meiner Meinung nach haben sie sich damals gehasst. „Jup. Und jetzt gehen sie sogar gemeinsam weg. Vorgestern hat Ino tatsächlich schon von Verlobung geredet, aber ich denke, das ist dann doch etwas … naja, an den Haaren herbeigezogen. Ich glaube nicht, dass Sakura … - ähm Naruto?“, höre ich Kiba irritiert sagen und das ist auch das letzte, was ich bewusst wahrnehme. Alles was danach gesagt wird verblasst in dem dumpfen Rauschen, das sich auf meine Ohren gelegt hat – erzeugt durch das heftige Rasen meines Herzens. In unmittelbarer Nähe, vielleicht noch 5 oder 6 Meter entfernt, steht er. Sasuke. Dass ich augenblicklich stehen bleibe, weil mein Herz droht aus meiner Brust zu springen, bringt Kiba dazu verwundert nach mir zu rufen. Aber ich antworte ihm nicht. Weil … da steht Sasuke. Eindeutig Sasuke. Ich sehe nur seinen Rücken, doch ich weiß, dass es nur Sasuke sein kann. Seine Frisur, seine Haltung, wie er da steht … Das ist Sasuke. Und dann ist er plötzlich da, der Moment, der alles entscheidet. Innerhalb von Sekunden rast mein Herz so schnell, dass ich mit meiner Atmung kaum hinterher komme. Sasuke bewegt sich. Da folgen leichte, flüssige Bewegungen, die seine Arme ausführen. Er wirkt so ruhig, richtig gelassen – wenig später denke ich, dass er lacht. Liegt das an seiner Begleitung? Sasukes Gesicht sehe ich nur im Ansatz, kann es nicht ganz deuten. Wir sind zu weit weg. Zu weit, um zu hören, was sie sagen. Zu weit, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und doch nah genug, um deutlich zu sehen, wie er in eine Umarmung verwickelt wird. Was ist das? Was genau sehe ich da? Fuck, wieso ist er ihm so nah? Diese zwei Personen, dieses Bild – Sasuke in einer festen, kurzen Umarmung – wühlt mich innerlich auf. Am liebsten würde ich etwas tun. Hingehen, schreien, sie auseinander zerren, doch ich kann nicht. Es tut so verdammt weh. Nichts, nichts kann ich tun, nur hier stehen, steif und untätig, bis ich das Gefühl habe zu ersticken, weil eine einfache Geste und das lösen der Umarmung dafür sorgt, dass Sasuke dabei ist sich umzudrehen. Es sind vielleicht nur Millisekunden, in denen ich realisiere, was mir bevorsteht, wenn er mich hier sieht. So wenig Zeit, was meinen Körper zwingt etwas zu tun, das meinem Herzen lauten Protest abringt. Nur einen Wimpernschlag später lehne ich an einer Wand, zwischen Containern und Abfall, in leichtem Schatten einer Gasse. Shit, warum mache ich das? Warum ziehe ich dieses unangenehme Versteck einer vielleicht einmaligen Konfrontation vor? Ganz tief im Innern weiß ich die Antwort. Kenne sie, in jeder noch so kleinen Einzelheit. Es ist Angst. Einfache, alles kontrollierende Angst. Ich habe Angst vor seiner Reaktion, vor dem, was er sagen könnte. Ich habe Angst vor seinem Blick und sogar davor, was er eventuell nicht sagen oder tun wird. Es ist diese beschissene Angst, die mich lähmt und daran hindert ihm jetzt gegenüberzutreten. „Ähm … Naruto?“, flüstert Kiba neben mir und ich zucke unwillkürlich zusammen. Seine Stimme ist so dicht an meinem Ohr. „Shhh“, zische ich ihm zu und versuche ihn von meinem Kopf zu verscheuchen, wie eine lästige Fliege. „Alter … was geht denn jetzt ab?“, fragt er irritiert. Wieso ist er mir überhaupt gefolgt? Und dann auch noch mit dem Kind? Gott, wenn das einer sieht dann… „Sei leise“, flüstere ich ihm zu und ignoriere somit erfolgreich den Gedanken, der aufkeimen wollte, ehe er mir ein schlechtes Gewissen einpflanzen konnte. Das hier ist definitiv keine besonders gute Umgebung und somit alles andere als richtig. Aber anstatt noch die Kurve zu kriegen und Kiba wegzuschicken, deute ich ihm an, dass er sich näher in den Schatten stellen soll. Mit Kinderwagen im Schlepptau ist das hier natürlich auch super einfach. Scheiße, was hab ich mir dabei nur gedacht? „Ich frage mal besser nicht nach, was du gerade für einen Film schiebst, oder?“ „Nee.“ „Hast wohl zu viel an Windeln geschnüffelt, was? Die Dämpfe scheinen dir jedenfalls…“ „Halt die Klappe. Das ist ... fuck“, fluche ich wispernd, dränge mich näher an die Wand, während ich kurzentschlossen Kibas vorlauten Mund mit meiner Hand verschließe, als Sasuke gerade an der Gasse vorbeigeht. Kaum eine Armlänge von mir entfernt. Allein. Er geht allein. Sekunden später, als ich Kiba von meiner Hand befreit habe, atme ich erleichtert aus, obwohl mein Herz wie wild trommelt. Ich habe das Gefühl, immer noch seinem Rücken nachzusehen, dabei ist er längst aus meinem Blickfeld verschwunden. „Aha…“, macht Kiba wissend neben mir. „War das nicht …“ „Ja … NEIN“, versuche ich schnell abzulenken. Mein Kopf funktioniert nicht mehr. Mein herausgerutschtes Zustimmen hat Kiba natürlich verstanden. „Warum dieses Theater. Du kennst ihn doch, warum versteckst du dich dann?“ „Lange Geschichte“, seufze ich nur. Sasuke ist nun unwiderruflich weg. Und er hat die Chance, doch noch mit ihm zu reden mitgenommen. Einfach so. Die Anspannung, die mich seit dem ersten Moment überfallen hatte, ist nun endgültig verschwunden. Alles was zurückbleibt ist Leere. Tiefe, dunkle Leere. Es ist vorbei. Ich habe ihn verlassen, wiedergesehen und verloren. Er sah so gut aus. Soweit ich das gesehen habe war er doch glücklich, oder? Vielleicht ist es wirklich vorbei – für ihn. Ist es nicht das, was ich wollte? Ich habe ihm die Wahl gelassen, oder? Er sollte sich entscheiden, so stand es auf dem Zettel, den ich ihm dagelassen hatte, richtig? Warum fällt es mir dann so schwer seine Entscheidung auch zu akzeptieren? *** Prasselnd fällt draußen der Regen gegen die Fensterscheiben. Er hinterlässt Schlieren aus Staub und Schmutz, die sich trotz der herrschenden Dunkelheit abzeichnen. Die Unwetterwarnung kam vor wenigen Stunden in den Nachrichten. Wie passend. Ich fühle mich schlecht. Genauso beschissen wie das Wetter da draußen. Vom Bett aus sehe ich zu, wie Tropfen für Tropfen auf das Fensterbrett fällt, wie Windböen durch die Äste fegen und junge Triebe zerstört werden, noch ehe sie richtig aufblühen konnten. Unbarmherzige Natur. Und hier drin, in meiner Wohnung, direkt hinter mir, sieht es nicht besser aus. Hikari schläft schon wieder nicht. Liegt nur da, schreiend und heulend – das was mir meine Mutter versucht hat zu erklären hat nicht funktioniert. Nichts funktioniert. Gar nichts mehr. Stattdessen sind da nur noch Schmerzen. Alles tut weh. Vor mir liegt eine Dunkelheit, die tiefer und unberechenbarer ist, als die Nacht. Eine Finsternis, in die ich täglich immer mehr hineingleite, ohne es aufhalten zu können. Nicht einmal der Gedanke an Sasuke kann es aufhalten, denn Sasuke geht nach vorn. Sasuke tut etwas, was meilenweit von mir entfernt ist – ohne mich. Ohne ein uns. Und doch ist er ständig in meinem Kopf, seit ich ihn wiedergesehen habe. Sein Abbild erscheint so real. Nicht fiktiv, nicht ausgedacht und doch ist es ein Trugbild meines Herzens, das mein Bewusstsein trübt. Es macht mich verrückt. Treibt mich beinahe vollkommen in den Wahnsinn. Manchmal würde ich auch gerne schreien. Laut. Hemmungslos. Bis all der Druck endlich wegfällt, der sich seit Tagen angestaut hat. Meine Grenzen sind schon lange erreicht. Ob es mit Sasuke geklappt hätte? Wäre es mit ihm einfacher? Wäre es leichter? Das alles hier erträglicher? Mit Sasuke? Verdammt. Alles Fragen die durch meinen Kopf schwirren – endlos und lähmend. Der Schwindel und die Kopfschmerzen, die ich vermutlich habe, weil ich das Trinken vernachlässigt habe, wie so vieles andere in letzter Zeit auch, nehmen zu, je länger ich versuche nachzudenken. Eine Lösung. Ich brauche doch nur eine beschissene Lösung. Eine … nicht mehr. „Hör auf!“, flüstere ich den Regentropfen entgegen, direkt ins Kissen, doch es passiert nichts. Ich will Ruhe. Einfach nur Ruhe zum Nachdenken, aber sie gibt keine Ruhe. „Hör auf! Hör endlich auf!“, flüstere ich drängender, heiser und erschöpft. Warum versteht sie mich denn nicht? „Du sollst aufhören, hörst du? Aufhören!“ Ich kann nicht mehr. Bei ihrem Anblick rebelliert mein Magen. Es tut weh sie so zu sehen, leidend und hilfesuchend. Aber ich kann nicht helfen. Es schmerzt und am liebsten würde ich aufgeben. Aufgeben. Jetzt und hier aufgeben klingt so gut in meinen tauben Ohren. Aufgeben, mit Sasukes Bild vor Augen. Warum eigentlich nicht? Was hält mich auf? Als das Display meines Handys aufflackert, Karins Name deutlich lesbar erscheint, drücke ich sie weg. Sie ist die letzte, die wissen muss, dass ich gerade dabei bin kläglich zu versagen. Maßlos und unentschuldbar. Ich weiß, dass es nicht akzeptabel ist, nicht richtig ist. Mein Verhalten ist Scheiße und doch fehlt mir die Kraft, etwas anderes zu tun. Ich kann nicht einmal mehr mein eigenes Kind beruhigen. Kapitel 4: Endstation --------------------- Frischer Wind zieht durch den Bahnhof. Der Zug kommt in zehn Minuten. Die Fahrt dauert nur etwa fünfundzwanzig. Danach noch drei Haltestellen mit der Tram. Überschaubar. Ein absehbares Ende. Zumindest für eine Weile. Somit sind es vielleicht vierzig Minuten, die ich noch durchhalten muss. Keine Ewigkeit. Wir schaffen das. Wir zwei. Hikari und ich. Seltsamerweise ist sie jetzt so still, wie schon lange nicht mehr. Vielleicht hat sie ja die frische Luft müde gemacht oder das Ruckeln des Wagens über altes Backsteinpflaster – keine Ahnung – aber jetzt schläft sie ganz ruhig. Was allerdings kein Grund ist, um meine Entscheidung zu ändern und umzukehren. Nein. Ich brauche Zeit – für mich. Nur ein wenig Zeit für mich allein. Jetzt, nur ein paar Tage. Meine Eltern wissen nichts davon, aber sie sind die Großeltern und ich brauche Hilfe. Auf mich allein gestellt tue ich Dinge, die ich nicht länger verantworten kann, deshalb müssen sie einspringen. Auf jeden Fall solange, bis Karin wieder da ist. Allein geht es nicht mehr. „Naruto?“ Die Stimme meines Vaters erschreckt mich, obwohl es Blödsinn ist, weil ich immerhin vor der Tür meines Elternhauses stehe – In der Kälte, nachts, mit Kinderwagen. Schwer atmend drehe ich mich um, versuche mich an einem Lächeln, das nicht so recht funktioniert. „Hey … ich…“, beginne ich fahrig. Wo sind denn plötzlich all die Worte hin, die ich mir die ganze Zugfahrt über zurechtgelegt habe? „Willst du nicht erstmal reinkommen? Es regnet doch wie verrückt“, versucht es mein Dad mit einfühlsamer Stimme, doch ich schüttle nur den Kopf. „Nein, Nein. Ich … ich wollte nur …“, sage ich und seufze schwer. Es ist schwer. Das Ganze hier. Wie kann man sowas rechtfertigen? „Naruto? Jetzt komm rein! Es ist kalt und spät.“ „Nein. Ich kann nicht, okay? Ist Mum auch da?“, frage ich und versuche vorsichtig an ihm vorbei zu schauen. Wenn sie jetzt gleich hier auftaucht, habe ich keine Chance mehr abzuhauen. „Ja, aber …“ „Gut, könnt ihr die nächsten Tage die Kleine nehmen? Es ist wichtig, Dad. Bitte“, sage ich so drängend und hilfesuchend wie möglich. Mein Anblick jedoch legt ihm Sorgenfalten auf die Stirn. „Ich hab alles hier drin!“ Um meine Worte zu verdeutlichen halte ich ihm die Tasche vor die Nase, die ich gepackt habe. Mit Kleidung, Windeln und alles, was Hikari noch so braucht. „Bitte, Dad!“, flehe ich beinahe, als er versucht etwas zu erwidern. Er seufzt kurz, dann jedoch senkt er den Kopf und nickt – ganz leicht. „Okay“, höre ich ihn und dann bin ich es, der tief und frei durchatmet. „Danke. Es ist wirklich nur für ein paar Tage. Bis Karin zurückkommt, versprochen … und …“ „Willst du wirklich nicht reinkommen, Naruto? Auf einen Tee oder …“ „Nein, wirklich… es geht nicht“, vernichte ich auch diesen Versuch mich zum Bleiben zu überreden. Was er möchte, kann ich mir denken. So sind Väter scheinbar. Sie wollen helfen und darüber reden, weil sie ihr Kind nicht leiden sehen können. Warum ist das bei mir anders? Ich bin hier, um mein Kind abzuschieben, um die Last loszuwerden, die ich nicht tragen kann. So knapp wie möglich erkläre ich ihm alles, was er beachten muss, ohne selbst richtig zu bemerken, dass ich eigentlich schon eine ganze Menge über mein Kind weiß. Er nickt nur hin und wieder und ich ignoriere die sorgenvollen Augen, die mich eindringend mustern, als ich ihm die Tasche übergebe und er den Kinderwagen in den Flur des Hauses schiebt. „Gut. Du meldest dich?“, fragt er und wuschelt mir anschließend durchs Haar. Das hat er schon ewig nicht mehr gemacht. „Mach ich …“, antworte ich leise. Zögernd richte ich einen letzten Blick auf das schlafende Kind und jetzt, wo ich sie so sehe, mit dem Wissen, dass sie nun bei Menschen ist, die nicht so schnell hilflos und überfordert sind, fällt mir sogar das Lächeln wieder leichter. Es ist gut, so wie es jetzt ist. Es ist gut, dass sie hier ist, weil ich weiß, dass es ihr hier besser gehen wird. Bei meinen Eltern – jedenfalls für den Moment. „Ach … ähm, Dad?“, rufe ich noch einmal zurück, ehe mein Vater die Tür schließen kann. Er dreht sich fragend zu mir um. „Bestell Mum bitte einen Gruß von mir, okay? Und ähm … ich hab euch lieb“, kommt es eilig über meine Lippen, bevor ich mich endgültig zum Gehen abwende. Ich meine das, was ich gesagt habe wirklich so, weil ich nicht wüsste, was ich ohne sie tun würde. *** Zuhause empfängt mich Ruhe. Schöne, angenehm leise Ruhe, die ich in vollen Zügen genieße, wären da nicht die Gedanken, die sich um Sasuke kreisen. Wer war der Typ, von dem Sasuke sich umarmen lassen hat? Hat er mich bereits vergessen? Beschreitet er ein Leben, wo ich nie wieder eine Rolle spielen werde? Selbst wenn ich versuche mir einzureden, dass es aus Sasukes Sicht gesehen wohl selbstverständlich wäre, will ich das so nicht sehen. Jetzt, wo ich weiß, dass er die Stadt nicht verlassen hat, kann ich ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. Deshalb ist es wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, dass ich meine freie Zeit nutze, um an den Ort zurückzukehren, wo ich ihn zuletzt gesehen habe. In der Stadt, vor einem Sportzentrum, doch dort taucht er nicht auf. Jedenfalls nicht heute. Und auch nicht den Tag darauf. War das wirklich nur ein einmaliger Zufall? Dabei würde es mir doch reichen, wenn ich ihn wenigstens von der Ferne sehen könnte. Nur einmal sehen … Ich will nicht glauben, dass ich ihn verpasst haben könnte. Die kurzen Gespräche mit meinen Eltern waren nicht ablenkend genug, um meinen Blick vom Sportzentrum zu reißen. Sie fragen nur ständig nach ob alles okay ist. Wie es mir geht und ob ich nicht doch nochmal vorbeikommen will. Hikari scheint bei ihnen ein überaus reizender Sonnenschein zu sein, der keinerlei Probleme macht. Das klingt ja vielversprechend. Aber vielleicht ist es auch nur eine Methode meiner Eltern, die mich dazu animieren soll mich wieder meinem Kind anzunähern. Allerdings sehe ich das anders. Im Moment will ich nichts anderes als Sasuke sehen. Ich muss, weil es mich sonst verrückt macht, wenn ich nicht weiß was er so treibt. Es ist jedoch nicht direkt Sasuke selbst, der mir drei Tage später, nachdem ich Hikari bei meinen Eltern gelassen habe, zeigt, was in seinem Leben gerade passiert. Normalerweise beschäftige ich mich nie mit Zeitungen. Schon gar nicht mit dieser Art von Zeitung. Nicht einmal dann, wenn ich mal beim Friseur sitze, Heute allerdings fällt mir sehr schnell eine ins Auge, die ich aufgrund einer einzigen Schlagzeile kaufe und mit in das kleine Café nehme, in dem ich die nächsten Stunden sitzen werde, bis keine Hoffnung mehr da ist und mein Kopf einsieht, dass Sasuke nicht mehr kommt. Er kommt tatsächlich nicht. Alles was ich habe, ist ein Artikel über Sasuke, der sich zudem noch mehr auf seine Firma bezieht. Ein Artikel, in dem deutlich wird, wie erfolgreich sein Leben verläuft – zumindest beruflich. Da drin steht nicht eine einzige Frage zu seinem Privatleben. Nicht eine. Es wirkt beinahe so, als hätte er keins. Und doch gibt es einen Absatz, der mich schlucken lässt und meinen Körper dazu bringt eine Hitze zu entwickeln, die mich dazu drängt meinen Beobachtungsort vorzeitig zu verlassen. Es ist eine Stelle im Text, in der sie Sasuke zitieren. „Ob ich ihn liebe? Natürlich. Er ist mein Lebensinhalt. Das Einzige, was mich jeden Morgen dazu antreibt aufzustehen und weiterzumachen. Ohne ihn, wäre mir wahrscheinlich schrecklich langweilig. Also ja, ich liebe ihn.“ Es geht um seinen Beruf. Natürlich. Ganz logisch. Aber mein Herz denkt darüber anders. Es sind Worte, die ich so gern auf mich beziehen würde. Worte, die mich unweigerlich an das erinnern, was wir miteinander hatten. Die Stunden, die Nächte – diese eine letzte Nacht. Sein damaliges Stöhnen hallt erneut durch meinen Kopf. Erzeugt Wärme und ein Bedürfnis, das ich vergessen geglaubt habe. Ich denke nicht darüber nach, was genau ich hier tue, als ich mich zuhause ins Kinderzimmer zurückziehe und mich auf den Stuhl vor meinen Schreibtisch setze. Der Artikel landet offen auf meiner Tastatur, während meine Augen immer wieder diese eine Textstelle erfassen. In meinem Kopf höre ich, wie er sie ausspricht. Seine Stimme … rau und heiser – so wie damals, als wir miteinander … „Oh Gott…“, verlässt es zittrig meine Lippen. Bei der Vorstellung, wie wir es miteinander getan haben, überkommt mich ein unstillbares, begehrendes Gefühl es erneut zu tun. Jetzt. Hier. Mit Sasuke. Die Lust, die sich in meinem Körper ausbreitet wie ein Leuchtfeuer, macht mich wahnsinnig. Lässt mich vergessen. Macht mich taub für alles, was um mich herum geschieht. Nur Sasuke und ich. Hier in diesem Zimmer. In einer anzüglichen Abfolge von Gedanken, die so anregend sind, das ich meine Hand nicht mehr aufhalten kann. Es tut so gut. Schon zu lange habe ich das nicht mehr getan. Es ist heiß und ich bin geil. Ich bin verdammt geil und Sasukes Artikel ist schuld. Seine Worte sind schuld. Weil ich mir vorstellen muss, wie er sie mir immer wieder ins Ohr flüstert. Wieder und wieder. Ich liebe ihn. „Fuck …“, keuche ich schwer, als sich meine Hand fester und schneller bewegt. Wie kann sich das nur so gut anfühlen? Das hier zu tun ist befreiend und doch weiß ich, dass es noch schöner sein kann. Mit ihm gemeinsam. Ich ihn ihm. Tief. Tiefer. Sasuke unter mir, mit rasendem Herzen und berauschenden Stößen, die uns dem Höhepunkt näher bringen. So wie mir jetzt. Es fehlt nicht mehr viel, bis ich… „Naruto, was ist denn los bei dir? Warum gehst du nicht … oh…“, kommt es überraschend von Karin. Karin… Scheiße verdammt, was genau macht sie denn jetzt hier? Ich bin so überrumpelt, dass ich abrupt aufhöre meinen Schwanz zu reiben. Da ist nicht einmal mehr Zeit dem schönen Gefühl nach zu trauern, das sich schlagartig in Luft aufgelöst hat. Mir bleibt nur der Versuch fahrig und vermutlich viel zu auffällig nach der Zeitung zu greifen, um sie zu schließen, ehe Karin sie bemerkt. „Fuck… ich…“, versuche ich mich an irgendeiner spontanen Erklärung, doch sie schüttelt nur irritiert ihren Kopf, ehe sie sich umdreht und die Tür wieder schließt. Was bitte war das denn jetzt? Was auch immer das war, es gibt mir immerhin Zeit meine Hose wieder zu schließen, bevor sie doch wieder die Tür öffnet und mich mit einem Blick konfrontiert, der nichts Gutes zu bedeuten hat. Shit. „Hast … hast du dir gerade ernsthaft einen runtergeholt?“, fragt sie mich und wirkt dabei schockiert und enttäuscht gleichermaßen. Ihre Stimme zittert. Sie ist verletzt, das weiß ich, obwohl ich sehe, wie sie sich um Fassung bemüht. „Ich … also … ja“, stammle ich. Mein Gehirn ist scheinbar noch nicht wieder ganz da. Kein Wunder. Eben war ich noch kurz davor auf Sasukes Artikel zu kommen und jetzt? Jetzt läuft hier ne richtig beschissene Scheiße, die ich nicht erklären kann. „Warum?“ „Ähm …“ „Warum, Naruto? Warum tust du das?“ „Naja … du … du warst nicht da und da dachte ich …“ „Das meine ich nicht, Naruto!“, fährt sie mir scharf dazwischen. Wenn sie keine Erklärung dafür haben will, wobei sie mich eben erwischt hat, wofür denn dann? In meiner Brust zieht es verdächtig und ich habe wieder einmal das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. „Sag mir endlich was das soll. Du meldest dich nicht. Reagierst nicht, wenn ich dich anrufe, unser Kind liegt nicht in seinem Bett und dann erwische ich dich ausgerechnet … dabei. Sag mir verdammt nochmal was hier los ist!“ Ihre Stimme wird lauter und erst jetzt merke ich, wie schlecht sie sich fühlt. Mein Zustand der letzten Tage hat auch ihr Nervenkostüm zerrissen. Warum sonst sollte sie auch früher von ihrer Geschäftsreise zurückkommen? Warum sonst stehen ihr jetzt Tränen in den Augen. „Tut mir leid“, sage ich und weiß, dass es nichts entschuldigt. Es entschuldigt nicht einen der weggedrückten Anrufe. „Es tut dir leid? Es tut dir leid?“ „Ja.“ „Ist das alles?“, schreit sie mich an. Ihre Verzweiflung ist so greifbar. „Ja“, ist jedoch alles, was ich erwidern kann. „Wo ist Hikari?“, will sie wissen. Ihre Stimme bebt. Genau jetzt denke ich, dass auch sie weiß, dass es diese Familie nicht mehr gibt. Die Familie, die sie sich in ihren Kinderträumen immer ausgemalt hat. Perfekt, wie im Bilderbuch. Das sind wir aber nicht. „Sie ist bei meinen Eltern… Karin…“ „Nein… nicht jetzt!“, sagt sie und geht. Die Tür fällt zu, ehe ich sie aufhalten kann. Wollte ich das überhaupt? Nachdem sie die Wohnung fluchtartig verlassen hat, was ich ihr absolut nicht verübeln kann, wird mir endgültig bewusst, wie weit wir uns voneinander entfernt haben. Es geht mir nah, keine Frage, aber ich kann auch nicht hinterher. War das eben der entscheidende Moment? Die Chance, endlich offen und ehrlich zu sein? Wenn ja, dann habe ich sie verpasst. Karins verletzter Anblick hat auch mich tief getroffen. Sehr tief sogar. Ich bin unfair, und das schon die ganze Zeit. Darüber bin ich mir im Klaren, doch was ist jetzt die logische Konsequenz? Entschuldigungen? Offenbarung? Trennung? Oder weitere Lügen, für den Schein eines halbwegs funktionierenden Familienlebens? Es sind ratlose Gedanken, die mich schlucken lassen, dabei kenne ich die Antwort bereits. Letzteres wäre so verdammt schwer, selbst wenn es Karin zulässt. Was denkt sie jetzt überhaupt? Wie kann ich ihre Fragen erklären, ohne sie erneut zu verletzen? Worauf läuft es jetzt hinaus? Was will sie? Für mich ist die ganze Sache überhaupt nicht greifbar. Sie war eben nicht wirklich wütend, war nicht sauer oder aufgebracht. Nein, viel eher war sie sichtbar enttäuscht und verletzt. Wie wird ihre Stimmung sein, wenn sie zurück kommt? Meine Eltern werden ihr sagen, dass Hikari nicht erst seit heute Morgen bei ihnen ist. Mit Sicherheit. Karin wird Fragen stellen. Natürlich. Sie wird herausfinden, dass mit mir etwas nicht stimmt. Auf jeden Fall. Wenn sie es durch mein seltsames Verhalten ihr gegenüber in den letzten Wochen nicht schon längst weiß, dann spätestens jetzt. Scheiße, wie konnte ich nur so unvorsichtig sein? Ich … Ich wollte doch immer nur das Beste für alle. Das Beste für Karin, die ich nicht allein mit einem Kleinkind sitzen lassen wollte. Das Beste für Hikari, weil sie auch ihren Vater braucht und nicht nur eine Mutter. Und natürlich das Beste für Sasuke, der sich nicht mit zusätzlichen Dingen belasten sollte, die er nicht zu verantworten hatte. Genau das wollte ich. Und jetzt? Jetzt scheint alles den Bach runterzugehen, weil ich einen blöden Fehler gemacht und nicht aufgepasst habe. Hätte ich doch niemals… Die frische Luft hilft mir kein bisschen. Überhaupt nicht. Das Herumlaufen draußen macht mich nur noch unruhiger. Mein Kopf ist voller quälender Gedanken, die kein Ende finden. Wird Karin zuhause sein? Was tut sie? Wie wird sie reagieren? Und vor allem, was werde ich tun? Es hört nicht auf. Mein Herz spricht eine so deutliche Sprache, doch ich kann sie nicht hören. Will sie nicht hören. Weil sie falsch ist. Hikari ist da. Darum müssen Karin und ich zusammenhalten, ganz gleich was mein Herz sagt. Für Hikari, nur für sie. Vielleicht ist es sinnvoll, den Vorfall von heut Mittag ganz einfach zu erklären. Zu viel Druck. Nur eine Art Stressabbau – genau. Das versteht sie, das hat sie schon immer verstanden. Geht es hier denn überhaupt noch darum? Wenn ja, warum bin ich dann aber so nervös, als ich unsere Wohnung betrete? Leise, fast schon bedächtig laufe ich durch den Flur. Karin sitzt im Wohnzimmer, hält das Kind im Arm und ist dabei ganz ruhig. Hikari schläft. Sie beide wirken wie eine Einheit, wie ein verschmolzenes Etwas, das nicht mehr zu trennen ist. Und ich, ich habe sie einfach weggegeben, Karin ausgeschlossen und damit habe ich wahrscheinlich dafür gesorgt, dass sie die schlimmsten Stunden ihres Lebens durchlebt. Ich habe ihr ihr Kind vorenthalten. Mein Fehler brennt sich mit diesem Anblick tief in mein Herz. Es schmerzt. Höllisch. „Karin, es tut mir echt verdammt leid. Das war alles keine Absicht, wirklich nicht. Ich wusste nur nicht … Scheiße, mir war das nur alles zu viel und … ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, was ich tue.“ Erst bei meinen letzten Worten sieht sie auf. Davor hat sie nicht einmal mit den Wimpern gezuckt. Ihr folgender Blick ist müde – resigniert. Aber da schlummert auch etwas anderes in ihren Augen. Etwas, das in mir Panik entstehen lässt. Was ist das? Ich weiß es nicht. Und vorerst scheine ich das auch nicht herausfinden zu können, denn sie steht auf, geht wortlos an mir vorbei und kaum eine Sekunde später höre ich die Schlafzimmertür zufallen. Fuck. Ich habe alles kaputt gemacht, oder? Alles? „Naruto…“ „Verzeih mir“, sprudelt es aus mir heraus, noch ehe sie die Möglichkeit hat mir etwas zu sagen, was ich vielleicht nicht hören will. Ich will nicht, dass sie leidet. Sie soll nicht meinetwegen leiden. Niemand soll das, verdammt nochmal. „Verzeih mir, Karin. Bitte verzeih mir, dass ich dich nicht angerufen habe. Verzeih mir, dass ich dich so scheiße behandelt habe und verzeih mir bitte, dass ich unser Kind abgeschoben habe. Bitte, es kommt nie wieder vor, versprochen. Ich lerne dazu, okay? Ich …“ „Ich will nur wissen warum?“, unterbricht sie ruhig mein hektisches Gestammel. Ihr folgender Blick setzt meinen Herzschlag kurzzeitig aus. „Warum?“, hauche ich und kann nicht richtig einordnen, was genau sie nun von mir hören will. „Ja, warum? Warum bist du so, wie du bist? Du hast dich verändert, warum?“ „Weil … weil…“, ich kann es nicht sagen. Meine Stimme gehorcht mir nicht mehr. „Weil?“ Weil ich dich nicht mehr liebe. Weil ich dich für Sasuke verlassen wollte, bevor du mir sagtest, dass du schwanger bist. Weil ich mir die Vaterrolle nicht ausgesucht habe und nun maßlos überfordert damit bin. Weil du mich in diese Enge getrieben hast. „Ich weiß nicht genau. Es ist so schwer und als du weg warst, ist mir alles über den Kopf gewachsen und ich hab nicht gewusst, was ich tun soll. Ich wollte dich einfach nicht enttäuschen“, erkläre ich, obwohl andere Worte in meinem Kopf sind. „Aber das ist es nicht“, sagt sie gefasst. „Das ist es nicht, Naruto. Das geht schon lange so. Viel zu lange. Schon bevor Hikari da war.“ Ich sehe, dass ihre Finger zittern. „Du hast dich schon lange verändert. Ich bin nicht blind, Naruto. Du hast dich von mir entfernt – und ich will keine Lügen mehr hören. Sag es mir. Sag mir, was da ist.“ Ich schlucke unbewusst. „Es … es ist nicht so einfach. Ich …“ „Keine Lügen, Naruto!“ Bei diesen Worten klingt ihre Stimme scharf und einschneidend. Mein Kopf ist plötzlich so leer und unter meiner Brust trommelt es wild. Zu wild, um mich nicht zu verraten. „Ich wollte nie lügen, Karin. Echt nicht. Ich wollte für euch da sein, für immer, bis zum Ende, so wie sich das gehört. Aber …“, wieder breche ich ab, weil ich die vernichtende Wahrheit nicht aussprechen kann. Wie könnte ich, wenn ich weiß, dass es ihr das Herz brechen wird? „Aber?“, hakt sie nach. Ihre Stimme bebt. Ihr Anblick lässt mich den Kopf schütteln. Ich will das nicht. Sie darf es nicht wissen, weil es sie kaputt machen würde. Die Wahrheit wäre tödlicher als Gift. „Ich kann es nicht sagen. Ich kann nicht… ich“ Die Verzweiflung in meiner Stimme ist zu deutlich, um sie nicht zu hören. Es gibt keinen Ausweg. Nichts, was uns länger vor der Wahrheit bewahrt. Entweder ich sage es oder … „Es ist Sasuke! Sasuke ist der Grund, hab ich recht?“, bringt sie überraschend zur Sprache und in dem Moment, wo sie meine geschockten und weit geöffneten Augen sieht, weiß sie die Antwort. Das sehe ich auf ihren schmerzverogenen Gesichtszügen. Ein gezielter, verbaler Schlag und grobe Risse zieren die langbehütete Maske. Sie droht zu fallen. „Nein … ich …“ „Du lügst schon wieder! Du lügst. Hast du damals auch gelogen? Hast du gelogen? Was war wirklich der Grund? Wieso habt ihr euch plötzlich nicht mehr getroffen?“, erhebt sie nun plötzlich ihre Stimme. Ein unausweichlicher Ausbruch, der ihre innere Wut deutlich ans Licht befördert. Sie zittert. In ihren Augenwickeln glänzen Tränen. „Warum denkst du das?“, frage ich belegt. Sie ist der Wahrheit so gefährlich nahe. Ich müsste nur nicken. „Ich bin nicht dumm, Naruto. Du hast die Zeitung liegen lassen. Eine Zeitung über Wirtschaftsthemen…“, sagt sie und ihre Tränen laufen augenblicklich. Sie weiß es. Sie weiß, was ich benutzt habe, um … „Ich wollte es dir sagen … Ich wollte wirklich“, flüstere ich erstickt. Das, was gerade unausweichlich ist, erdrückt mich. „Wann?“ Ihr geht es nicht besser. „Damals im Café, als du mir …“ „So lange? So lange schon?“, sagt sie. Es klingt nicht nach einer Frage, die sie beantwortet haben möchte, doch ich nicke trotzdem. „Ja, aber … aber ich hab mich für dich entschieden. Für dich, hörst du? Für dich und …“ „Wie kannst du sowas sagen? Du hast dich nicht für mich entschieden. NIE. Das einzige, was dich hier hält ist ein beschissenes Pflichtgefühl, weil du ein wenig Pech hattest, und dich jetzt um eine Tochter kümmern musst. Das bedeutet nicht, dass du dich für mich entschieden hast, Naruto“, schreit sie mich an und ich kann es verstehen. Sie ist zu recht wütend und verletzt, weil ich gerade ihre Welt zerstört habe. Als hätte ich noch einmal nachdrücklich Bomben in ohnehin schon zerrüttete Ruinen geworfen. „Aber ich hab es versucht…“ Ein freudloses Lachen bricht aus ihrer Kehle. Im Moment ist egal, was ich sage. Die Situation macht nichts besser. Nicht einmal eine Entschuldigung. Ich habe sie belogen. Ich habe ihr über Monate etwas vorgespielt und das weiß sie. Karin sieht fertig aus. Kaputt. Zerrüttet. Äußerlich sieht man ihr jeden Schmerz an, den sie innerlich gerade durchlebt, als sie sich kraftlos auf die Couch fallen lässt. Ich sehe sie an. Fühle die Schwere, die sich klebrig ätzend durch den Raum zieht und kann doch nur machtlos hier stehen. „Hast du mich betrogen?“ Dieser eine Satz durchschneidet die Stille und ihr hoffnungsvoller Ton zerreißt mein Herz. Eine Antwort bleibe ich ihr schuldig. „Habt ihr … Hast du mich mit ihm … betrogen, Naruto?“, drängt sie mich heiser zu einer Antwort. Ihr Blick … Als ich mir in Folge der Erinnerungen, die durch meinen Kopf kreisen, in denen ich Dinge mit Sasuke tue, die weit über Freundschaft hinausgehen, auf die Unterlippe beiße, steht sie wieder auf. Ihre Haltung wirkt bedrohlich und ich weiß, ganz gleich was jetzt passiert, es wird genau das sein, was ich verdient habe. „Wir haben uns nicht wiedergesehen. Wir haben es beendet, noch am selben Abend, als du mir gesagt hast, dass du schwanger bist. Danach war nichts mehr“, erkläre ich schwach und sehe, wie sie sich verkrampft. Sie versucht ruhig zu bleiben, doch in ihren Augen schlummert Wut. Haltlose Wut, die nur noch von einem dünnen Hauch Vernunft zurückgehalten wird. „Du warst an dem Abend bei ihm, als du angeblich Nachschicht hattest?“, fragt sie und ich kenne den Ausgang dieses Gespräches bereits. Tausendmal habe ich mir diese Szene schon vorgestellt. „Ja.“ „Habt ihr …“ „Ja.“ Und jedes Mal endete es gleich. Karins Hand hinterlässt einen beißenden Schmerz auf meiner Wange. Die Wucht ihres Schlages lässt mich keuchen, doch ich akzeptiere es. Es ist das, was passieren muss. Eine natürliche Reaktion, die für sie wichtig ist und doch ist es nur ein kleiner Funken Genugtuung, der niemals ausreicht, um das gebrochene Herz wieder zusammenzuflicken. Ich stehe in Mitten des Raumes. Um mich herum nichts. Nur die Scherben meines Lebens. Und unmenschlicher Schmerz, der sich durch meine Eingeweide zieht. Karin hat das Zimmer verlassen. Sie kam nur noch einmal zurück. Mit meinem Bettzeug, das sie wortlos aber schluchzend auf das Sofa geschmissen hat. Es ist vorbei. Auch wenn nicht weiß, wie es jetzt weitergehen wird, weiß ich eines ganz genau. Es ist vorbei. Die Beziehung mit Karin ist am Ende. Es gibt keine zweite Chance. Kapitel 5: Lebenswandel ----------------------- „Karin, wie soll es denn … was machst du da?“ „Ich packe!“ „Ja, aber …“ „Ich werde vorübergehend mit Hikari bei meinen Eltern wohnen.“ „Oh okay, ähm …“ „Ich will, dass du ausziehst, Naruto. Du hast eine Woche, danach will ich dich hier nicht mehr sehen.“ „Verstehe…“ ~*~ „Hey Kiba.“ „Hey, Naruto. Alles klar? Warum rufst du an?“ „Hmm, Ich wollt einfach nur wissen, wie es mit deinem Umzug läuft.“ „Ahhh voll stressig, sag ich dir. Wir schlafen schon hier, dabei haben die uns noch nicht einmal die blöde Badezimmertür eingebaut. Kannst du dir das vorstellen? Ich muss jedes Mal warten, bis Hinata die Wohnung verlässt, bevor ich endlich…“ „Wir haben uns getrennt.“ „Was?“ „Karin und ich … wir sind nicht mehr zusammen.“ „Oh scheiße, warum? Was ist passiert?“ „Das ist etwas … kompliziert.“ „Willst du drüber reden?“ „Ich glaube ja.“ „Gut, dann komm ich vorbei. Hinata kann auch allein auf die Handwerker warten.“ „Danke.“ ~*~ „Mit Sasuke? Ernsthaft?“ „Ja. Damals schon. Auch wenn es da noch nichts Festes war.“ „Krass. Dann haben die ganzen Gerüchte doch gestimmt?“ „Ich glaube nicht, dass ich alle kenne, aber ein großer Teil bestimmt, ja.“ „Oh mann, Alter … Das ist …“ „Krass? Bescheuert? Ekelhaft? Was Kiba? Was ist es? Ich kann nichts für meine Gefühle, okay? Sie sind halt einfach da …“ „Du musst dich überhaupt nicht rechtfertigen, Naruto. Ich finde es nur … unglaublich, dass du die ganze Zeit mit dieser Lüge gelebt hast. Ich meine, ich stelle mir das voll schwer vor und ich wüsste nicht, ob ich das könnte.“ „Es war auch alles andere als einfach.“ „Vermutlich.“ „Weißt du, was das Schlimmste ist? Ich habe absolut keine Ahnung wie es jetzt weitergehen soll. Ich hänge wortwörtlich in der Luft. Karin will, dass ich ausziehe. Verstehe ich auch, total, aber ich weiß nicht wohin. Ich kenne doch hier kaum einen und außerdem will ich sie ja jetzt auch nicht einfach im Stich lassen und Sasuke … der kennt mich vermutlich schon gar nicht mehr.“ „Soll ich vielleicht mal mit Hinata reden, ob du für eine Weile bei uns bleiben kannst? Sie hätte bestimmt nichts dagegen.“ „Das ist echt nett, aber das bringt doch nichts. Das bringt gar nichts, Kiba. Ich weiß überhaupt nicht mehr was ich als erstes tun soll. Im Moment bin ich einfach total durcheinander, verstehst du? Ich will nicht mehr hier sein, aber gleichzeitig will ich auch nicht weg. Das ist doch alles bescheuert.“ „Und … naja, mal angenommen, du würdest zu deinen Eltern zurückgehen, wäre das nicht erstmal eine Möglichkeit? Zumindest vorübergehend, bis…“ „Vergiss es. Die wissen noch nicht einmal von unserer Trennung. Meine Mutter würde mir vermutlich noch vor der Türschwelle den Arsch aufreißen, wenn sie davon erfährt. Und Dad… keine Ahnung. Mein Dad kommt mir wahrscheinlich mit irgendwelchen bescheuerten guten Ratschlägen, die mich nicht weiterbringen. Was soll ich denen auch sagen? Ach ja, hört mal, das mit Karin hat nicht funktioniert, dafür bin ich jetzt aber schwul. Ist doch okay, oder? Immerhin habt ihr ja euer Enkelkind schon, da ist es ja nicht schlimm, wenn ich mich jetzt nochmal neu orientiere, oder? Fuck it, Kiba. Die bringen mich um!“ „Also wirklich, ich glaube, da übertreibst du, Naruto. Ich hab es doch auch akzeptiert, oder? Und deine Eltern werden das auch tun. Okay, vielleicht werden sie erstmal geschockt sein, aber du bleibst immer noch ihr Kind, was sie lieben.“ „Ach scheiße, selbst wenn es stimmt, was du sagst, ich kann trotzdem nicht zurück.“ „Kannst du nicht oder willst du nicht?“ „Vermutlich beides.“ „Du willst nicht, weil du denkst, dass du Sasuke hier wiedersehen könntest, richtig?“ „Ja…“ ~*~ „Hi … ich, also ich hab hier diesen Zettel vom schwarzen Brett aus der Uni und … bin ich hier überhaupt richtig?“ „Vermutlich, kommt ganz drauf an was du hier willst.“ „Okay, ähm, suchst du zufällig immer noch nach einem Mitbewohner, weil ich bräuchte dringend…“ „Ja.“ „Cool, also es wäre echt super, wenn es klappt, weil ich müsste eigentlich schon übermorgen einziehen. Weißt du, ich hab mich nämlich von meiner Freundin getrennt und nun … ach scheiße, das interessiert dich vermutlich gar nicht, hm?“ „Nicht wirklich. Willst du das Zimmer vorher noch sehen?“ „Oh, klar. Ich bin übrigens Naruto. Naruto Uzumaki. Freut mich dich kennenzulernen.“ „Ja, Juugo. Komm rein.“ „Danke … ach ähm, hast du was gegen Kinder?“ „Nicht direkt. Wieso?“ „Ach nur so… Ich denke, das Zimmer ist perfekt, Juugo.“ ~*~ Ich sitze zwischen gepackten Kisten, an einem Ohr mein Handy, aus dem mir der Freizeichenton entgegenschallt, während ich darauf warte, dass Kiba meinen Anruf entgegennimmt. Allein schaff ich es niemals bis heute Abend mit allen Sachen auszuziehen. Deshalb brauche ich ganz dringend Kibas helfende Hände und vor allem sein Auto. Ich hab nämlich echt keine Lust sämtliche Kisten durch die Gegend zu schleppen, auch wenn die neue Wohnung nur drei Straßen weiter ist. „Was willst du?“, kommt es nuschelnd vom anderen Ende der Leitung. Kiba hört sich echt so an, als hätte er gerade den Mund voll. Wirklich! Dieser Gedanke bringt mich direkt zum Schmunzeln. Verdammt, dabei liegt es wahrscheinlich einfach nur daran, dass es gerade Mittagszeit ist und Kiba schön von seiner Freundin bekocht wurde. Zumindest wäre es besser, wenn ich mir nichts anderes vorstelle. Das würde nur mein Vorhaben erschweren, weil … naja, peinliches Rumstottern hat bei Kiba noch nie was gebracht. „Ich brauch mal deine Hilfe“, meine ich also gefasst, mit einem eindeutigen, unmissverständlichen Tonfall, der meine Situation unterstreichen sollte. Gleichzeitig landet ein weiteres Hemd von mir in einer der letzten Kisten, die ich noch zur Verfügung habe. „Wobei?“, entgegnet er und ich kann im Hintergrund leises Klappern von Besteck hören. Da hab ich ihn wohl tatsächlich beim Essen gestört. So ein glücklicher Zufall… „Naja, du weißt doch sicherlich noch, worüber wir neulich gesprochen haben, oder?“, fange ich vorsichtig an und höre ein zustimmendes Brummen vom anderen Ende der Leitung. Gut, er hat nicht gleich aufgelegt. „Es ist so, ich habe eine Wohnung, also eigentlich ist es nur ein Zimmer in einer WG aber … hör mal, Karin wollte heute Abend zurück sein und bis dahin muss ich hier raus. Ich weiß nicht, wie sie sonst reagiert, wenn ich noch da bin. Die neue Wohnung ist auch nicht weit weg und da dachte ich, du könntest für mich vielleicht ein paar Sachen fahren? Ich weiß, es ist ziemlich spontan und so, aber es wäre echt klasse“, erkläre ich ihm und lege so viel Hilfsbedürftigkeit in meine Stimme, wie mir momentan möglich ist. Normalerweise springt Kiba immer darauf an, es sei denn, seine Freundin hat einen besseren Vorschlag zu bieten. „Kommt wirklich ziemlich plötzlich“, meint er dann und schweigt sich anschließend aus. Er tut ja gerade so, als wäre das nicht abzusehen gewesen. Ernsthaft, womit bin ich denn sonst seit Anfang der Woche beschäftigt? „Bitte, Kiba. Ohne dich schaff ich das nicht“, flehe ich gekonnt. Mir fällt es nicht einmal schwer, mir Kibas zwiegespaltenes Gesicht vorzustellen. „Oh, Mann… warte, ich frage Hinata, ob wir den Besuch bei ihren Eltern nochmal verschieben können, okay?“ „Geht klar, danke.“ „Bleib mal kurz dran.“ Ich antworte ihm nicht mehr, da mir ein Rascheln und seltsames Knacken signalisiert, dass er mich scheinbar zur Seite gelegt hat. Ich hoffe nur, dass seine Überredungskünste nicht zu schlecht sind. Weil, ewig in der Leitung bleiben war jetzt nicht wirklich Sinn der Sache. Das hält mich schließlich auch nur auf. „Ich hoffe für dich, dass du gleich ordentlich was springen lässt“, dringt Kibas Stimme schon wenig später wieder an mein Ohr. Das ging schnell, beachtlich. Er klingt nur leicht außer Atem. Seine Worte und indirekte Zusage, zaubern mir jedoch ein Schmunzeln aufs Gesicht. „Heißt also du kommst und hilfst mir?“, frage ich trotzdem nochmal nach. Sicher ist sicher. Das breite, erleichterte Lächeln lässt sich allerdings nicht mehr wegwischen. „Jo, bin gleich da“, bestätigt er und legt auf, nachdem ich mich noch einmal ausführlich bei ihm bedankt habe. Vielleicht wäre es angebracht auch seiner Freundin irgendwas als kleines Dankeschön zu geben, weil sie so viel erdulden muss. Eine Schachtel Pralinen ziehen doch gewöhnlich immer, oder? Tatsächlich habe ich noch schnell ein bisschen Schokolade am nächstgelegenen Kiosk besorgt, die ich später Kiba mitgeben werde. Für meinen besten Kumpel habe ich ein Sechserpack seines Lieblingsbieres gekauft, und das alles noch bevor er bei mir aufgetaucht ist. Keine Meisterleistung, aber ich denke, es wird ihn dennoch freuen. Jetzt muss er nur endlich auftauchen, damit wir anfangen können. So wenig Zeug, wie ich vermutet hatte, habe ich gar nicht. Es sind etliche Kisten, mein Schreibtisch und ein paar wichtige Sachen aus dem Wohnzimmer, die ich damals mit hierher gebracht habe. An Möbeln habe ich allerdings nicht sehr viel, da das meiste von Karin stammt. Sie hat das komplette Schlafzimmer mit in die Beziehung gebracht. Die Wohnzimmermöbel haben wir größtenteils zusammen gekauft. Spätestens jetzt wird klar, wie beschissen eine Trennung ist. Ich habe kaum was. Nur von dem bedrückenden Gefühl, das mein Herz die ganzen Wochen und Monate über schwer schlagen ließ, ist kaum noch etwas vorhanden. Es fühlt sich leichter, befreiter an. Als würde es jetzt wieder eine Chance geben. Eine Richtung, die ich einschlagen kann und die nicht nur für mich besser sein wird. Auch Karin bekommt so die Möglichkeit jemanden zu finden, der ihr das Leben bieten kann, das sie verdient. „Sag mal, bekommst du den irgendwie in dein Auto?“, frage ich Kiba, nachdem wir schon mindestens fünf Mal die Treppen hoch und runter gelaufen sind, und zeige auf meinen Schreibtisch, der so ohne Unterlagen und PC unnatürlich aufgeräumt aussieht. Im Moment ist mir echt schleierhaft, wie wir den in mein neues Zimmer bekommen wollen. Kibas seltsam verzogene Gesichtszüge deuten auch nicht gerade an, dass es einfach werden würde. „Vielleicht … wenn du die Platte abschraubst“, sagt er. Seine Stimme klingt dabei allerdings eher fragend und nicht wirklich selbstüberzeugend. „Wäre ein Versuch, oder?“ „Hm, welche Möglichkeiten haben wir denn sonst?“, fragt er hoffnungsvoll, doch ich zucke nur mit den Schultern. „Keine…“, gebe ich zu und schnappe mir den ersten Schraubenzieher, den ich finden kann. Gemeinsam mit Kiba vergeht die Zeit recht zügig. Die meisten Kisten befinden sich bereits in der WG. Kiba hat Juugo kennengelernt und sie haben beschlossen, dass sie sich irgendwie mögen. Keine Ahnung warum mich das erstaunt. Eigentlich hätte es eindeutig sein müssen. Spätestens nachdem ich erkannt habe, dass Juugo eine Vorliebe für seltene Vögel hat, hätte es deutlich sein müssen. Gut, Kiba hat mit Vögeln zwar nicht sehr viel am Hut, jedenfalls nicht, wenn es dabei um die Tiere geht, aber es handelt sich eben genau darum und jeder Tierfreund scheint dann wohl auch automatisch sein Freund zu sein. Es ist unglaublich, wie viel Spaß und Lebensfreude man mit Kiba bei einem Umzug wiederentdecken kann. Unfassbar. Noch vor einer Woche hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich mich heute wieder so normal und leicht fühlen könnte und das, obwohl hier gerade etwas passiert, das sicherlich für die meisten eine total schwierige Sache wäre. Einzig und allein mein Schreibtisch macht uns Probleme. Er ist das letzte Möbelstück, das nun irgendwie in Kibas Auto muss, doch so richtig will er sich nicht auseinanderbauen lassen. Wer hat das Scheißding nur so perfekt und stabil aufgebaut? Sonst fangen die Dinger doch schon nach kurzer Zeit an zu wackeln. Aber der hier nicht. Ich hänge jedenfalls mit vollem Einsatz an der oberen Platte, während Kiba von unten versucht irgendwas abzuschrauben. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das so eine gute Idee ist. „Halt mal nur fest. Ich glaub, ich habs gleich“, keucht Kiba angestrengt. Im selben Moment, als ich meine Hände löse, um die Platte besser festhalten zu können, rutscht sie ab. Mit einem Ruck, der unerwartet und hart erfolgt. So unerwartet und hart, dass die gesamte Platte ungebremst auf Kibas Kopf landet. „Ahhh fuck, verdammt“, stöhnt er wehleidig und reibt sich die schmerzende Stelle. „Scheiße, ich hab doch gesagt, du sollst sie festhalten“, greift er mich keine Sekunde später an. Meine Hände liegen zum Glück noch, oder eher wieder, an der Schreibtischplatte. „Hab ich doch“, erwidere ich mit einem unterdrückten Schmunzeln. Kibas Gesichtsausdruck erfordert gerade eine riesige Menge an Selbstbeherrschung, die ich mit Sicherheit nicht sehr lange aufbringen kann, wenn er weiterhin versucht, mich so böse anzusehen. „Ja, scheinbar an der falschen Seite, du Idiot“, knurrt er beleidigt und der folgende verbissene Blick, als er prüfend seine Kopfhaut abtastet ist es schließlich, der jedes Fünkchen Kontrolle wegfegt. Das Lachen, das ich zurückgehalten habe schallt durch den Raum, überflutet ihn regelrecht und mir jagt dieses Gefühl ein angenehmes Kribbeln durch den Körper. Wann genau habe ich das letzte Mal so gelacht? Ich weiß es nicht mehr, aber es fühlt sich zu gut an, um jetzt damit aufzuhören. Fuck, das ist … Kiba boxt mir nur murrend gegen die Schulter, bewirft mich mit tadelnden Beschimpfungen, die mir nicht wehtun. Im Moment ist egal, was er zu mir sagt, oder wie er mich nennt und es vergehen nur wenige Minuten, bis Kiba aufhört zu schimpfen und ebenfalls anfängt zu lachen. Es sieht auch echt zu komisch aus. Auch wenn diese Aktion ihre Spuren hinterlassen hat – in Form einer riesigen Beule auf Kibas Kopf – der Tisch liegt jetzt definitiv in tragbaren Teilen vor uns. „Du bist echt so ein Blödmann, weißt du das?“ „Du hättest dich mal sehen müssen“, erwidere ich noch immer lachend. In dieser ausgelassenen Stimmung bemerke ich zu spät, dass das Flurlicht an ist und die Haustür zufällt. Wir sind nicht mehr allein. Kibas Lachen verblasst und auch meins stirbt, als ich Karins Blick begegne. Von jetzt auf gleich ist es hier still und irgendwie fühlt es sich sofort viel kälter an, obwohl das totaler Schwachsinn ist. Aber die beklemmende Gänsehaut auf meinen Armen kann ich nicht ignorieren und scheinbar merkt auch Kiba, dass die Stimmung hier gerade ziemlich abgekackt ist. Karins Blick bohrt sich für zähvorbeiziehende Sekunden in meinen. Ich glaube, all ihren Schmerz zu sehen, auch wenn sie nichts dergleichen ausspricht. Es fällt ihr schwer, mich zu sehen und ich weiß auch, dass sie damit nicht gerechnet hat. Sie war wohl der Annahme, ich wäre schon längst verschwunden und ehrlich, dass wollte ich auch sein. Auf diese Art einer Konfrontation war ich nicht aus. Noch nicht. Man sieht so deutlich, dass es dafür noch zu früh ist. Allerdings … wann wäre denn der richtige Zeitpunkt? Wir haben ein Kind zusammen. Früher oder später hätten wir uns wiedersehen müssen. „Ich bring das schon mal runter“, durchbricht Kiba vorsichtig die anhaltende Stille. Ich nicke nur, während er mir noch aufmunternd auf die Schulter klopft, bevor er sich die eben erst abgeschraubten Teile des Schreibtisches schnappt und an Karin vorbeigeht. Das ist wohl der Moment, der auch Karin wieder aus ihrer Starre reißt. Sie schluckt, wendet sich von mir ab und geht ins Wohnzimmer. Hikari ist nicht bei ihr. „Karin, können wir noch kurz reden?“, frage ich sie, nachdem ich durchgeatmet habe und ihr gefolgt bin. Selbst wenn sie nicht will, ein paar Dinge müssen besprochen werden. Das ist unausweichlich. Nur ihr Anblick zerrt an mir, verletzt mich und macht es alles andere als einfach. „Ja“, haucht sie jedoch zurück. Ihre Stimme wirkt mitgenommen und fremd. „Ich habe mir vorübergehend ein WG-Zimmer gesucht. Es ist nicht weit von hier. Die Adresse habe ich dir aufgeschrieben und der Zettel hängt am Kühlschrank“, erkläre ich und sie nickt. „Ich … ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es nun weitergehen soll. Ich will nur, dass du weißt, dass ich nicht weg bin und …“ „Wirst du ihn wiedersehen?“, unterbricht sie mich leise und gefasst. „Wen?“, frage ich. Wie bescheuert, ich weiß doch genau wen sie meint, doch Karin klingt ganz ruhig, als sie seinen Namen ausspricht. „Sasuke. Wist du Sasuke wiedersehen?“ „Ich weiß noch nicht“, entgegne ich ehrlich. „Ich würde gerne, aber ich habe auch Sasuke sehr verletzt. Ich habe so viele Fehler gemacht“, gestehe ich. Es jetzt ihr gegenüber laut zuzugeben hinterlässt ein seltsames Gemisch aus positiven und bedrückenden Gefühlen. „Versprichst du mir dann eins?“, fragt sie und kurz darauf treffen sich wieder unsere Augen. Sie sieht hoffend und verzweifelt zugleich aus. „Was?“ Im Grunde ist es vollkommen egal, was sie verlangen wird. Ich würde alles tun, was in meiner Macht steht, um ihr die Angst vor der ungewissen Zukunft zu nehmen. „Egal was du jetzt tun wirst, versprich mir, dass du Hikari nicht vergisst. Versprich mir, dass du nie vergisst, dass du eine Tochter hast, Naruto. Bitte, sie braucht dich…“, spricht sie beinahe flehend aus und ich frage mich für einen Moment, wie sie überhaupt auf den Gedanken kommen konnte, dass ich mein Kind vergessen könnte. „Ich werde sie nicht vergessen, Karin. Niemals. Ich werde für Hikari da sein, immer, versprochen. Wenn du möchtest, dann hol ich sie immer vor der Arbeit ab und …“ „Danke. Mehr wollte ich gar nicht hören“, sagt sie und lächelt plötzlich sanft. Als wäre ihr gerade ein großer Stein vom Herzen gefallen. Dieses Lächeln ist so jung, zart und noch unheimlich zerbrechlich, aber es ist ein Anfang. Ein kleiner Anfang, den ich zaghaft erwidere. „Okay, ich … muss dann jetzt. Kiba wartet bestimmt schon ganz ungeduldig.“ „Ja, ich melde mich bei dir, wenn ich Hikari von ihren Großeltern abgeholt habe.“ „Gut…“ *** „Na mal sehen, was für einen Trainingsanzug er heute trägt, was?“, sage ich und blicke geradewegs aus dem Fenster. Mein Beobachtungspunkt ist der beste, den ich finden konnte. Genau gegenüber von der Sporthalle, die Sasuke regelmäßig besucht. Woher ich das weiß? Naja, ich verbringe die meiste Zeit damit, Sasuke hinterher zu spionieren. Okay gut, spionieren klingt so … ach sagen wir einfach, ich versuche herauszufinden, womit Sasuke sich die Zeit vertreibt, wer der Typ ist, mit dem er sich dort immer trifft und gleichzeitig warte ich auf den richtigen Moment, um ihn anzusprechen. Bisher war allerdings noch keine passende Gelegenheit da. „Du tippst also auf den dunkelblauen? Hmm, okay, dann bin ich für den schwarzen, obwohl Moment, heute ist Mittwoch, da könnte er auch auf den … ach was, er trägt den schwarzen, da bin ich mir fast sicher und sollte ich gewinnen, zahlst du die Rechnung von heute.“ Auf meinen Lippen zeichnet sich ein Schmunzeln ab, ehe ich noch etwas hinzufüge. „Und glaub mir, ich hebe dir die Rechnung auf, bis du volljährig bist, versprochen“, sage ich grinsend und schiele kurz auf Hikari, die fröhlich in ihrem Kinderwagen mit einer Rassel spielt. Ihre kleinen Finger sind schon richtig geschickt. Kiba meinte neulich sogar, dass sie schon sehr kräftig geworden sei, als sie eine halbe Ewigkeit seinen Zeigefinder festgehalten hatte. Ja, momentan kann ich sagen, dass alles ganz gut läuft. Wenn ich mit Hikari draußen bin, durch die Straßen spaziere, ist sie tatsächlich viel ruhiger, entspannter, was mir natürlich auch ganz gelegen kommt. Wir besuchen Kiba und Hinata so oft es geht, wo sie es neulich zum ersten Mal geschafft hat, sich auf den Rücken zu rollen. Ich werde Hinatas überraschten und verzückten Ausdruck im Gesicht nie vergessen, den sie anschließend ihrem Partner zugeworfen hatte. Ich habe Kiba echt noch nie so verlegen und rot gesehen, wie in diesem Moment. Naja, jedenfalls finde ich, dass wir mittlerweile ein richtig gutes Team sind. Hikari hört mir zu, wenn ich das Gefühl habe meine Entdeckungen zu erläutern und das Beste an der Sache ist, sie kommentiert es allerhöchstens mal mit einem komischen Quietschen oder wie auch immer man ihre Laute definieren soll. „Schau, da kommt er“, sage ich aufgeregt und binnen Sekunden spüre ich mein Herz schneller schlagen. Jeden Mittwoch und jeden Samstag sehe ich ihn hier, immer in Begleitung von diesem anderen Typen. Ich weiß noch nicht wer das ist, aber sie verschwinden immer zusammen in der Halle, nur um kurz darauf wieder herauszukommen und im nahegelegenen Park zu joggen. „Und er trägt … huh? Er trägt heute gar keine Trainingssachen? Was ist denn jetzt? Und warum ist er allein?“, frage ich Hikari, die mir natürlich nicht antwortet, aber irgendwie muss ich ja meine Nerven beruhigen, die gerade etwas verrücktspielen. „Was geht hier vor?“, nuschle ich und schrecke im nächsten Moment zusammen, als mich einer der Kellner anspricht, weil er mir soeben meine bestellte heiße Schokolade gebracht hat. Ich nicke ihm nur eilig aber dankbar zu und will mich gerade wieder meiner Beobachtung widmen, als mir hinter dem Kellner eine Person auffällt, die mir bekannt vorkommt. Das ist doch … Er hat langes, dunkles Haar – trägt es zudem noch offen und seine Haut schimmert blass. Na wenn das mal nicht der Typ ist, der immer mit Sasuke joggen geht. Was macht der denn hier? Und warum lässt er meinen Sasuke einfach in der Kälte stehen? Als sich sein Blick jedoch mir entgegen richtet, vergesse ich schlagartig alle Fragen, die in meinem Kopf herumschwirren. So schnell es geht greife ich nach einer der Zeitungen, die hier rumliegen und halte sie mir vor mein Gesicht. Wie in einem dieser billigen Detektivfilme. Prima, wenn das mal nicht auffällig ist, weiß ich auch nicht. Aber ich hoffe, dass er mich nicht gesehen hat. Wäre nämlich absolut peinlich. Wenn er tatsächlich häufiger hier ist, in diesem Hotel, das zwar verdammt teuer ist, aber sich nun einmal in perfekter Position zum Sportzentrum befindet, dann hat er mich eventuell schon einmal bemerkt und verdammt, er soll natürlich nicht wissen, dass ich ihn und Sasuke verfolge. Gottverdammt nein. „Ist er weg?“, flüstere ich nach einer gefühlten Ewigkeit, als hätte Hikari wirklich innerhalb von wenigen Minuten das Sprechen erlernt, was logischerweise totaler Blödsinn ist, weshalb ich nicht Drumherum komme und vorsichtig an meiner Zeitung vorbeigucken muss. Gleich darauf atme ich erleichtert aus und lasse die Zeitung wieder sinken. „Hm, das nächste Mal lenkst du ihn gefälligst ab“, richte ich mich an Hikari, die nichts ahnend mit ihrer Rassel klappert und kleine Blubberblasen vor sich hin plappert. Genau, du hast es drauf! Innerlich über mich selber den Kopf schüttelnd wende ich mich wieder dem Fenster zu und sehe, wie Sasuke sich mit diesem anderen Mann unterhält. Täusche ich mich, oder zeigt der gerade wirklich in die Richtung des Hotels? Fuck, hat er mich etwa doch gesehen? Vielleicht hat ihm Sasuke ja etwas von mir erzählt? Scheiße, wenn das stimmt dann… oh Gott, ich will gar nicht daran denken, was er ihm über mich erzählt hat. „Ich glaube wir … oh“, entweicht es überrascht meinen Lippen. Sasuke hat sich ganz leicht in unsere Richtung gedreht, doch sein Blick liegt nicht sehr lang auf dem Fenster. Alles nur Zufall, bestimmt. Vielleicht hat sich nur irgendwas in der Scheibe gespiegelt. Ein Sonnenstrahl, oder so. „Ja, wir sollten uns für das nächste Mal wirklich ein neues Versteck suchen“, seufze ich, nachdem sich Sasuke wieder schulterzuckend weggedreht hat. Irgendwie schon seltsam, wie die zwei da stehen. Ich kapier einfach nicht, was die miteinander haben. Manchmal, da wirken sie so richtig eng und vertraut, schenken sich Umarmungen und lachen zusammen – sogar hin und wieder beim Joggen. Und dann gibt es wiederum Tage, wo sie kaum miteinander ein Wort wechseln. Wo sie nur nebeneinander herlaufen und sich zum Abschied die Hand reichen. Was für eine seltsame Art einer Beziehung ist das? Ja gut, ich gebe zu, dass sich mein Kopf akribisch genau dagegen wehrt zu denken, dass sie etwas Ernsthafteres als Freundschaft verbindet. Nur in Momenten wie diesen, wenn sie sich doch deutlich mehr berühren als sonst, keimt in mir ein abscheuliches Gefühl der Eifersucht auf. Meine Fresse, warum müssen die sich denn ausgerechnet jetzt anfassen? Schön, es handelt sich nur um eine kurze Berührung ihrer Hände, aber na und? Das ist schon zu viel. Warum schaut sich Sasuke überhaupt so intensiv diese Finger an? Gott, ich werde noch wahnsinnig, wenn sie sich nicht gleich wieder verabschieden. Was sie leider nicht tun, denn Sasuke nickt ihm zu und gemeinsam gehen sie in die Sporthalle. Na toll. Jetzt muss ich auch noch warten. „Tja, und was machen wir zwei Hübschen jetzt?“, wende ich mich an mein Kind, das irgendwie beruhigend und zufrieden wirkt. Oh Mann, jetzt ist sie bereits etwas über sechs Monate alt und ich habe so lange gebraucht, um sie endlich richtig zu sehen. Sie nicht nur zu bestrafen, für das, was ich getan habe. Es hat viel zu lange gedauert, bis mir endlich aufgefallen ist, wie toll sie eigentlich ist und wie schön es sein kann, mit ihr Zeit zu verbringen. Stressige, anstrengende Tage und Momente gibt es immer noch, klar. Aber es ist okay, solange wenigstens ab und zu ein Lächeln von ihr kommt. So wie jetzt. Es ist unglaublich, wie sowas Einfaches eine so krasse Wirkung haben kann. Ich muss es erwidern, mir bleibt gar keine andere Wahl. „Okay, wenn wir schon warten müssen …“, lache ich leise und zucke kurz mit den Schultern, ehe ich Hikari aus ihrem Wagen hebe und sie auf meinen Schoß setze. Sie hält sich noch nicht so gut im Sitzen, aber für eine Weile geht es. Wenn ich ehrlich bin, dann überrascht sie mich jetzt beinahe jeden Tag mit etwas Neuem. Es geht uns gut. Sie anzusehen, ihr nah zu sein, ist nicht mehr schlimm. Ich kann ihr sogar verzeihen, dass sie mit lebhafter Begeisterung ihre kleine Patschehand kräftig auf meine Nase haut, bevor sie meine Ohren interessanter findet. Ich lache sie einfach nur an, ehe ich ihr ihre Rassel entgegen halte, die sie sich zielsicher schnappt. Erstaunlich, wie schnell kleine Kinder wachsen. Ebenso ist es erstaunlich, wie schnell man sich doch an diese kleinen Geschöpfe gewöhnen kann, wenn man sich selbst von sämtlichen Ballast befreit hat. Letztendlich warten wir beinahe zwei Stunden, in denen ich mir noch einmal zwei heiße Schokoladen bestellen musste, um nicht rausgeschmissen zu werden. Hikari hatte inzwischen auch ihr Fläschchen und ich bin gerade dabei sie wieder zurück in ihren Wagen zu legen und dick einzupacken, als Sasuke wieder herauskommt. Natürlich nicht allein, warum auch? Grauenvoll. „Oh, sieh mal, Kleines. Jetzt scheinen sie doch noch joggen zu gehen“, erkläre ich ihr, nachdem ich erkannt habe, dass Sasuke nicht seinen schönen, teuren Mantel trägt, sondern einen schwarzen Trainingsanzug von Nike. Hah, da habe ich wohl doch noch gewonnen. „Heh, die Rechnung geht dann wohl auf dich“, schnurre ich mit einem Siegergrinsen im Gesicht und lege den offenen Betrag auf den kleinen Teller, zwischen die Serviette und schnappe mir den Beleg der Rechnung, der kurz darauf in meiner Hosentasche verschwindet. „Dann wollen wir mal, was?“ Voller Tatendrang nehme ich noch schnell die Tageszeitung vom Tisch und schiebe Hikari aus dem Hoteleingang. Sasuke und der Langhaar-Typ sind bereits schon einige Meter voraus gelaufen. Ich kann gerade noch so ihren Rücken erkennen, ehe sie in den Park einbiegen. Zum Glück muss ich mich nicht mehr so beeilen, um ihnen hinterher zu kommen. Am Anfang war das echt ein riesen Abgehetze. Aber mittlerweile kenne ich ihre Strecke beinahe in und auswendig. Es ist frisch. Feuchtes Laub glänzt auf den Wegen und zeigt deutlich, dass der Sommer vorbei ist. Nicht sehr viele Menschen befinden sich im Park. Als könnten sie hier jetzt nichts mehr machen. Sicher, die Zeit, um auf den Wiesen zu liegen, ein Buch zu lesen und sich der Sonne hinzugeben, ist definitiv vorbei und doch bietet der Herbst noch andere schöne Aktivitäten. Hier und da sieht man Kinder, wie sie nach heruntergefallenen Kastanien suchen oder bunte Blätter aufsammeln. Häufiger als sonst, sehen wir Menschen, die sich einfach noch ein wenig sportlich betätigen – auf Inlineskates und Fahrrädern, beim Joggen oder Walken - ausgenommen sind nur die Mütter, die mit ihren Kinderwagen spazieren gehen und mich beinahe jedes Mal ansehen, als wäre ich ein Alien. Vielleicht bin ich für sie aber auch nur ein verdammt seltenes Phänomen, was weiß ich. Interessiert mich alles nicht. Meistens ignoriere ich sie, wenn sie auch noch versuchen mich in ein Gespräch zu verwickeln. Von wegen ich sei doch ein so gutes Bespiel für Gleichberechtigung; ihre Männer sollten sich mal ein Beispiel an mir nehmen; ob ich auch wirklich keine Hilfe bräuchte und ob ich nicht Lust hätte mal an ihren Mutter – Kind – Gruppen teilzunehmen. Alles nebensächliches Geschwafel. Ehrlich, ich hab was viel Wichtigeres zu tun. Und das ist gerade Sasuke beobachten. Nicht mehr und nicht weniger. Sasuke steht im Mittelpunkt, so wie es schon immer war. Er sieht gut aus, wenn er joggt. Es gefällt mir, wenn er keuchend an mir vorbeiläuft, während ich auf einer Bank sitze, mit der Zeitung vor der Nase. Meine Finger kribbeln, wenn ich bemerke, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht und sein Haar störend ins Gesicht fällt. Und immer, wenn er eine Pause einlegt, um seine Muskeln zu dehnen, bin ich kurz davor aufzustehen und zu ihm zu gehen. Aber ich tue es nicht. Nie. In solchen Momenten fehlt mir der Mut. Wahrscheinlich, weil ich nicht einmal weiß, was genau ich ihm sagen sollte. Eine einfache Entschuldigung wäre das mindeste, aber ich denke nicht, dass er sich damit zufrieden geben wird. Manchmal frage ich mich, ob er sie sich überhaupt anhören würde. Vielleicht würde er mich nicht einmal ansehen. Und allein die Vorstellung, dass es so sein könnte, tut mir weh. „Hallo, du bist häufiger hier, nicht wahr?“ „Hm…“ Die Frau, die sich neben mich gesetzt hat, mustert mich interessiert von der Seite, aber ich habe kein Auge für sie. Sasuke ist gerade stehengeblieben und macht nach, was dieser Langhaarige eben vorgemacht hat. Sieht seltsam aus. Soll das irgendeine bescheuerte Form von Joga sein, oder was? „Du bist nicht sehr gesprächig, oder?“, lacht sie jetzt verlegen und ich riskiere doch einmal einen kurzen Blick. Blondes Haar, blaue Augen, weiblich – nicht mein Typ. „Im Moment nicht, nein.“ Abwehr ist das beste Mittel, um seine Ruhe zu haben. Außerdem habe ich keine Lust mit ihr zu reden, zu flirten oder sonst irgendwas zu tun. Lieber richte ich meinen Blick wieder auf Sasuke, der mir jetzt auch noch seinen Hintern entgegenstreckt. Also sozusagen. Er stützt nämlich ein Bein auf der Bank ab und beugt sich nach vorn. Dass es ausgerechnet in meinem Blickfeld liegt, ist nur reiner Zufall, klar. „Hm, schade. Ich dachte, ich könnte dich vielleicht auf einen Kaffee einladen.“ Wieso gibt die denn immer noch nicht auf. Merkt sie denn nicht, dass sie mich gerade stört. „Ich trinke keinen Kaffee“, antworte ich gleichgültig und muss mich beeilen, um noch die Zeitung rechtzeitig aufzuklappen, da sich Sasuke wieder in Bewegung gesetzt hat. Der Wind trägt seinen Geruch direkt zu mir. Verführerisch und sanft. Überhaupt nicht auftragend, aber so war das bei ihm schon immer. „Oh“, sagt sie noch sichtlich enttäuscht, ehe sie endlich aufsteht und verschwindet. Mein Blick verfolgt jedoch eher Sasukes schöne Rückansicht und weniger dem Mädchen. Verständlich, oder nicht? Sie begeben sich früher als gedacht auf den Ausgang zu, sodass ich ihnen hinterhereile, weil ich viel zu neugierig bin. Was ist der Grund dafür, dass sie ihr Training frühzeitig abbrechen? Was habe ich verpasst? Bei all diesen unklaren Fragen interessiert man sich doch für keine Weiber mehr. Der Typ neben Sasuke sieht beiläufig auf die Uhr. Schon zum tausendsten Mal heute – sagt mein Gefühl. Als befände er sich permanent unter Zeitdruck. Verfluchtes Arschloch, er könnte die Zeit, die er mit Sasuke verbringt ruhig ein wenig mehr schätzen. Der hat doch keine Ahnung, wie es ist, wenn man sie nicht mehr hat. Es ist verrückt, doch bei diesem Gedanken werde ich richtig wütend. Ich weiß jetzt, leider viel zu spät, was ich verloren habe und es ergibt sich für mich keine Möglichkeit das zu ändern, verdammt. Obwohl es so nah vor mir liegt. Tief in Gedanken versunken gehe ich tatsächlich zu weit. Das Café, in das ich mich immer setze, bevor Sasuke sich von diesem Typen verabschiedet, liegt jetzt hinter mir. Und vor mir steht Sasuke. Oh Gott, wenn er sich jetzt umdreht sieht er mich. Fuck. Es ist nur ein dummer Reflex, dem ich folge, als ich mich kurzentschlossen hinter eines der parkenden Autos hocke. Hikari schiebe ich dicht an mich ran. Es fällt nicht auf. Nein, nein. Das ist alles total unauffällig. Was für einen Schwachsinn versuche ich mir da eigentlich einzureden? Fehlt nur noch, dass jemand vorbeikommt, und mich fragt, ob auch alles okay mit mir ist. Hah, jetzt bloß nicht durchdrehen, Naruto. Guck lieber mal nach, was die zwei da machen. Ja, ich glaube, die Zeit mit Hikari hat mich etwas … verrückt gemacht. Meine Selbstgespräche werden immer häufiger und leider auch immer durchgeknallter. Wenn ich das jemanden erzählen würde … Aber das, was ich jetzt sehe, bilde ich mir ganz sicher nicht ein. Es bringt mein Herz erleichtert aus dem Takt, weil es mir Hoffnung gibt. Da ist ein Mädchen an der Seite des Langhaarigen. Ein Mädchen mit komischer Frisur, geröteten Wangen und einem verlegenen Lächeln auf den Lippen, nachdem sie von ihm geküsst wurde. Mir fällt regelrecht ein ganzes Kilo Steine vom Herzen, als ich begreife, warum sich Sasuke vorhin so lange die Hand des anderen angesehen hat. Das gleiche macht er jetzt auch bei diesem Mädchen, das wirklich süß aussieht neben ihrem Freund. Es scheint so, als wären sie verlobt und da Sasuke vorhin recht überrascht wirkte, sind sie das vermutlich auch noch nicht sehr lange. Aber egal, das bedeutet nur, dass der Langhaarige vergeben ist und ganz sicher nichts mit Sasuke am Laufen hat und das wiederum heißt… Ich komme nicht mehr dazu, meinen Gedanken zu Ende zu denken, da sich die kleine Gruppe vor mir auflöst. Die zwei Verlobten verabschieden sich und steigen nacheinander in ein Auto ein, das auch kurz darauf schon losfährt. Zurück bleibt Sasuke. Und als ich wieder zu ihm sehe, steht er nicht mehr da. Für einen Moment bin ich enttäuscht, dass er schon so schnell wieder in die Sporthalle gegangen ist. Vermutlich um sich umzuziehen. Doch vielleicht ist es so besser. Jetzt habe ich Zeit, mein provisorisches Versteck unbemerkt zu verlassen. „Was genau soll das werden, Naruto? Warum verfolgst du mich? Hast du noch immer nicht genug?“ Wenn eben noch mein Herz ruhig und ausgeglichen geschlagen hat, dann ist es jetzt vollkommen außer Kontrolle. Es hämmert in meiner Brust, beinahe so, als wolle es herausspringen. Seine Stimme würde ich unter tausenden erkennen, dafür müsste ich nicht einmal hinsehen. Und trotzdem drehe ich mich ruckartig um, sehe mit geschockten Augen in seine starren Gesichtszüge. Was … ich schlucke. Die Welt dreht sich viel zu schnell. Was soll ich denn jetzt sagen? „Sasuke …“, verlässt nur sein Name gehaucht meine Lippen. Er steht tatsächlich da. Vor mir. Er sieht mich an. Mit einem Blick, bei dem ich mein Herz am liebsten freiwillig herausreißen würde. Für ihn, um wieder gut zu machen, was ich ihm angetan habe. Kapitel 6: Klärungsversuche --------------------------- Vor nicht einmal einer Woche war ich mir noch so sicher, dass es mir ausreicht, wenn ich ihn hin und wieder mal vom Weiten beobachten kann, doch jetzt sieht es anders aus. Ganz anders. Nur dieser eine Moment hat ausgereicht um mir klar zu machen, dass es genau das ist, was ich will. Nähe. Die Nähe zu ihm, die gerade jetzt zum Greifen nah und doch noch unüberwindbar, viel zu weit weg erscheint. „Sasuke … ich, also ich hab nur …“, unfassbar peinliches Gestammel verlässt meine Lippen, noch ehe ich richtig nachdenken kann, was ich überhaupt sagen will. Ätzend, da stehe ich nun vor ihm und es kommt nichts Vernünftiges bei raus. All die Tage und Wochen, in denen ich mir den Kopf über Worte zerbrochen habe, sind nutzlos gewesen. Schlimmer noch, ich sehe Sasuke an, dass er kurz davor ist wieder zu gehen. Sein Rückzug, seine Flucht liegt in jedem angespannten Muskel seines Körpers. „Ich will deine Erklärungen nicht hören, Naruto.“ „Aber …“ „Nein, Naruto, ich will, dass du verschwindest. Endgültig, hast du mich verstanden? Ich will, dass du aufhörst mir weiterhin aufzulauern und hinterherzurennen und deine bescheuerten Gründe dafür will ich auch nicht wissen. Ich will dich einfach nicht mehr sehen!“ „Woher weißt du, dass ich dir gefolgt …“ „Bitte, Naruto. Du bist so verdammt schlecht darin, dich zu verstecken. Zeitungen hältst du falsch herum und checkst nicht, dass deine Haare hinter dem Auto hervorstehen, weil du dich nicht tief genug dahinter hockst. Außerdem läufst du lauter durch die Gegend als eine Elefantenhorde im Porzellanladen, also halt mich bitte nicht für dumm.“ Er klingt zornig, dunkel – wirkt keines Falls versöhnlich. Noch nie habe ich erlebt, dass sich mein Körper so schnell bewegen kann, wie in diesem Moment. Ich greife reflexartig nach seinem Arm, halte ihn fest, versuche ihn am Gehen zu hindern, während mir mein Herz bis zum Hals schlägt. Es gibt nur diese eine Chance, das weiß ich. Ich sehe es. Wenn ich mich jetzt nicht erklären kann, dann vermutlich niemals. Seine Augen, sein Blick – was er denkt, ist unmissverständlich, aber er stößt mich auch nicht weg. Er hält stand, mit zusammengezogenen Augenbrauen und skeptischen Blick, doch er windet sich nicht aus meinem haltsuchenden, flehenden Griff. Dabei ist er alles andere als kräftig. Wenn er wollen würde, könnte er ihm mit Leichtigkeit entkommen. Will er nicht? „Bitte, Sasuke. Gib mir nur eine Chance. Nur eine“, bringe ich ihm entgegen und kann dabei nun wirklich nicht verhindern, dass meine Stimme mich verrät. Ich flehe, weil es für mich keine andere Art gibt, die ihm deutlich macht, wie wichtig mir dieses Gespräch ist. Wie wichtig er mir ist. „Du hattest schon eine“, entgegnet er hart. Worte, die mir die Vergangenheit schmerzhaft bewusst machen. Worte, die meinen Griff festigen und meinen Willen stärken. Ich weiß, was ich schon einmal verschwendet habe und ich bin wirklich bemüht, diese Fehler kein zweites Mal zu machen. Ich brauche nur eine Gelegenheit um es auch Sasuke begreiflich zu machen. „Ich weiß. Und trotzdem bitte ich dich, mir zuzuhören. Nur noch dieses eine Mal.“ „Es würde nichts ändern.“ „Okay, selbst wenn es nichts ändert, Sasuke, lass es mich erklären. Ich will nur sagen, wieso es so gekommen ist, nicht mehr. Und wenn du danach nichts mehr mit mir zu tun haben willst, dann verstehe ich das und werde gehen, versprochen.“ Oh Gott, es ist unglaublich schwer, ihn nicht einfach zu umarmen, wo er mir jetzt körperlich so nah ist. Der einzige Kontakt, der momentan zwischen uns besteht, ruht auf unseren Augen. Von ihm kommen kühle, resignierte Blicke, die ich hoffnungsvoll erwidere. Meine Hand hat ihn bereits losgelassen. „Dann rede“, sagt er knapp. Selbst ein Blinder würde an seiner Stimme erkennen, dass er sich gerade lieber die Zunge abgebissen hätte, als mir eine weitere Chance zu geben. Aber er hat es, oder? Hat er doch, richtig? Diese Erkenntnis bringt meine Gedanken zum Rasen. Ein wirres Chaos. Ein wildes Gemisch aus Worten, Gefühlen und möglichen Taten, die mich schwanken lassen. Fuck, ich will so viel sagen. So viel erklären. Doch alles ist durcheinander. Und verdammt, das dumme Schicksal meint es auch nicht wirklich gut mit mir, denn genau jetzt klingelt mein beschissenes Handy. Normalerweise würde mich das jetzt absolut nicht stören, aber ich erkenne am Klingelton, wer mich anruft. Es ist Karin, schon wieder. Immer im ungünstigsten Moment. Das Schlimmste an der Sache ist, dass die Erfahrung leider gezeigt hat, wie unpraktisch es ist, sie zu ignorieren, wenn ich mit Hikari allein bin, weshalb ich trotz längerem Zögern und tödlich wirkendem Blick von Sasuke mein Handy aus der Tasche fische. „Warte kurz“, bitte ich Sasuke und keine Sekunde später hallt mir Karins Stimme ins Ohr. Verdammt, sie klingt aufgebracht. Redet von irgendeinem Auftrag, der sie fertig macht, doch ich kann ihr gerade nicht wirklich folgen. Warum ruft sie überhaupt an? Wir wollten uns doch erst in zwei Stunden treffen! „Es ist grade etwas schlecht, kann ich dich gleich zurückrufen, Karin?“, unterbreche ich sie. Den Blick zu Sasuke habe ich keine Sekunde lang unterbrochen und alles an ihm verändert sich schlagartig, als ich Karins Name erwähne. Fuck. Seine Haltung wird grader, steifer – distanzierter. Er weicht zurück. Sein Blick verliert auch den letzten positiven Hauch, der nicht mehr zurückkommt. Auch nicht, nachdem ich Karins erneuten Versuch mit mir zu reden abgewürgt habe. „Möchtest du vielleicht einen Kaffee? Dann haben wir ein wenig Ruhe und stehen nicht so auf der Straße rum, während ich dir alles erkläre …“ „Spar es dir. Es war dumm von mir, dich überhaupt anzusprechen“, sagt er und klingt dabei wütender als zuvor. Seine Stimme bebt. Seine Halsschlagader pulsiert heftig. Wieso muss es so schwer und kompliziert sein? Warum sage ich nicht einfach, was ich fühle. Gottverdammte Scheiße, ich könnte mir für meine Unachtsamkeit auch gleich ein Grab schaufeln. „Sasuke, lass uns reden, bitte. Ich habe dir so viel zu sagen.“ Unbeabsichtigt werfe ich einen Blick auf mein Handy, das immer noch in meiner Hand liegt, als es vibriert. Eine SMS, die mir egal ist, nachdem ich den Absender überfolgen habe, doch Sasuke scheint was anderes zu denken. „Lass mich in Ruhe, Naruto. Du hast doch sowieso Wichtigeres zu tun.“ „Was? Nein, hab ich nicht. Echt nicht? Ich bin nur deinetwegen hier!“ „Vergiss es!“ Mit einem letzten Zischen dreht er sich weg und geht. „Sasuke … warte! Lass uns einfach reden, bitte. Wenn nicht heute, dann morgen, okay? Sasuke!“, rufe ich ihm hinterher, aber er reagiert nicht. Stur läuft er am Sportzentrum vorbei. In verschwitzten Trainingssachen. Scheiße! Was mach ich denn jetzt? Ich kann ihm nicht einmal hinterherrennen, weil Hikari noch da ist. Mit ihr bin ich zu langsam und sie einfach auf der Straße stehen lassen kommt nicht infrage. „Sasuke, verdammt, jetzt warte! Ich … ich habe noch immer die gleiche Telefonnummer, hörst du? Ruf mich an, bitte!“, schreie ich beinahe über die ganze Straße, ohne Erfolg. Wie dämlich. Pure Verzweiflung. Ich weiß nicht einmal, ob er sie überhaupt noch hat. Fuck. Da geht sie, meine Chance. Sie läuft weg, von einer Sekunde auf die andere. Weil ich zu blöd war, um meinen Mund aufzumachen. Ich liebe dich, Sasuke. Ich habe Karin verlassen, Sasuke. Ich habe mich falsch entschieden, verzeih mir, Sasuke. Worte, die plötzlich wieder in meinem Kopf sind, aber nicht ausgesprochen wurden. Was übrig bleibt, ist kalter Wind, ein schreiendes Baby, weil sie ihre Rassel auf den Boden geworfen hat und ich, der sich einsam und verlassen fühlt. *** Die nächsten Tage sind der Horror. Nicht nur, dass sie viel zu langsam, viel zu träge und ereignislos vergehen, nein, sie erscheinen auch noch endlos lang und verhöhnend, weil uns draußen purer Sonnenschein eines wirklich späten Spätsommers durch den Tag treibt. Herrlich. Die Kinder, die jetzt Ferien haben, freuen sich bestimmt ganz furchtbar darüber, während ich hier sitze und beinahe pausenlos auf mein Handy starre und das Wetter verfluche, weil es mir absolut nicht aus dieser Scheißstimmung hilft. Seit ich feststellen musste, dass Sasuke leider nicht so einfach gestrickt ist, wie ich es mir gewünscht habe, ist meine Laune dauerhaft auf dem Tiefpunkt. Ich bin gereizt und jedes Mal kurz davor mein dummes Telefon gegen die nächste Wand zu werfen, wenn Karin oder Kiba mich anrufen, mir Nachrichten schreiben und sogar dann, wenn nur mein bescheuerter Wecker klingelt. Dabei will ich doch nur, dass sich Sasuke endlich meldet. Aber er tut es nicht. Und je länger ich warte, desto mehr schwindet die Hoffnung. Es ist ja auch nicht so, dass ich nicht daran gedacht habe, einfach selbst diesen Schritt zu gehen. Nachdem ich neulich auf der Straße immerhin ein paar Worte mit ihm gewechselt habe, gibt es für mich keinen Grund mehr, mich länger vor ihm zu verstecken. Sein Gesicht geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Sein Körper, seine nahezu perfekte Erscheinung ist etwas, auf das ich nicht mehr verzichten kann. Und seine Stimme zu hören, jeden Tag, jede freie Minute, ist für mich noch wertvoller und begehrenswerter geworden. Ich brauche Sasuke. Für jetzt und für immer, ganz egal wie kitschig es klingen mag. Deshalb habe ich ihn angerufen, seine Nummer gewählt, die ich nie aus meinem Handy gelöscht habe. Mein Herzschlag war noch nie so schnell und kräftig wie in diesem Moment. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt ein richtiges Wort herausbekommen hätte. Ehrlich, mein Mund war so trocken, meine Zunge seltsam belegt und mein Kopf war leer und gleichzeitig voller Hormone, bei denen mir schwindlig wurde. Unangebrachte Reaktionen meines Körpers, die ich nicht beeinflussen konnte. Allerdings wäre es noch enttäuschender gewesen, wenn ich mir über mögliche Worte vorher noch große Gedanken gemacht hätte, denn Sasuke hat sämtliche Möglichkeiten mit ihm in Kontakt zu treten ausgelöscht. Ausnahmslos. Angefangen bei Facebook, einer geänderten Adresse und natürlich seiner Telefonnummer. »Kein Anschluss unter dieser Nummer« Wie oft mir doch diese ätzende Computerstimme diesen Satz nun schon in mein Ohr geflüstert hat. Zu oft, zu häufig. Mittlerweile hört es sich verzerrt an. Verkehrt, nervig und Übelkeit erregend. Trotzdem kann ich es nicht lassen, muss immer wieder seine Nummer wählen, auch wenn sich an der Tatsache, dass ich ihn so nicht erreiche, nichts ändert. Es ändert gar nichts. Nur die Enttäuschung wird größer, während die Grenze zum haltlosen Ausbruch dünner wird. „Naruto, wenn du nicht sofort damit aufhörst, an Sasuke zu denken, schmeiß ich dich raus!“ Mein Gedankengerüst, das ich die letzten Stunden mühsam aufgebaut habe, stürzt unmittelbar in sich zusammen, als Kibas Gesicht vor mir auftaucht. Er sieht nicht gerade begeistert aus, was seine zuvor ausgesprochene Drohung bekräftigt. „Lass mich doch“, zische ich ihm entgegen und schiebe ihn beiläufig zur Seite, um meinen Blick wieder auf den Fernsehbildschirm zu heften. Mich interessiert es kein Stück, dass Yoshi, den ich mir ausgesucht habe, wie ein Irrer die ganze Zeit gegen die Fahrbahnabsperrung knallt, während Kiba scheinbar den ersten Platz gemacht hat. Bei dieser beschissenen Konkurrenz ist das leider auch keine Meisterleistung. „So macht zocken aber auch keinen Spaß!“, murrt er beleidigt. „Dann lass es doch.“ Meine Stimme ist zu bissig, und das obwohl ich sein Gast bin. Ich habe seine Gesellschaft gesucht. Habe ihn um Ablenkung gebeten und zum Dank bekommt er meine miese Laune in vollem Ausmaß zu spüren. Kiba jedoch seufzt nur. „Ich verstehe ja, dass dich die Sache mitnimmt, aber das ist noch lange kein Grund meinen Controller derart zu vergewaltigen“, sagt er in mahnendem Ton und versucht besagten Gegenstand aus meinem festen Griff zu befreien. Meine Hand spüre ich kaum noch. Sie ist taub von den dauerhaften Vibrationen. Nur leider sind es die falschen Vibrationen. „Was weißt du schon? Du hast ja deine Hinata, die dich liebt und keine Sekunde ohne dich sein kann. Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle!“ Ich klinge unfair und giftig, das weiß ich und Kibas Gesichtsausdruck, der sich innerhalb von Sekunden verändert, beweist es. „Zwischen mir und Hinata lief es auch nicht immer rosig, das weißt du.“ „Kleinigkeiten“, erwidere ich eingeschnappt. Wie kann er seine Probleme mit meinen vergleichen? Er hatte schließlich immer die Möglichkeit mit Hinata zu reden, ganz im Gegensatz zu mir. Ich erreiche Sasuke überhaupt nicht mehr. Selbst beim Sport war er die letzten Tage nicht. Zum Kotzen. Hab ich es jetzt wirklich versaut? Für immer? Dieser Gedanke treibt Magensäure unangenehm in meine Speiseröhre. „Weißt du, Naruto, wenn du nur vorbeigekommen bist, um mich mit deinem Selbstmitleid zu nerven, dann kannst du eigentlich auch wieder gehen. Ich hab keinen Bock drauf, mich deinetwegen zu ärgern.“ In Kibas Stimme liegt Endgültigkeit. Harte, entschlossene Endgültigkeit, die er mit einem eisernen Blick versiegelt, ehe er die Konsole ausstellt und alles ordentlich wieder zurück ins Regal legt. „Von mir aus, dann geh ich halt wieder!“, höre ich mich genervt sagen und stehe auf. Dabei will ich das doch gar nicht. Ich will nicht, dass sich zwischen mir und Kiba ebenfalls eine schlechte Stimmung ausbreitet. Ich will nicht gemein oder zickig sein und eigentlich will ich auch nicht gehen, doch als Kiba mir ein „Dann geh eben“ entgegenschleudert, fühle ich mich mehr oder weniger gezwungen tatsächlich zu gehen. Super toll gemacht, Uzumaki. Wir haben Vollmond und die Straßen sind nicht halb so düster und beängstigend, wie sie es sonst sind, wenn man mitten in der Nacht noch durch die Gegend schlendert. Mich treibt im Moment absolut gar nichts nach Hause. Die ruhige, schläfrige Nacht bietet eine angenehme Gelegenheit für einen ausgelassenen Spaziergang, bei dem man seine Gedanken ziehen lassen kann, ohne dass sich andere daran gestört fühlen. Na gut, ein wenig bereue ich schon, wie es bei Kiba gelaufen ist. Im Grunde habe ich das schon gleich, nachdem ich sein Wohnhaus verlassen hatte. Seitdem führen mich meine Füße unentwegt durch verlassene Gassen. Weit ab von den lichtüberfluteten Hauptstraßen, im Dickicht der engstehenden Häuser, dringt kaum noch ein Mondstrahl bis auf den Boden. Hier wirkt alles einsam und verlassen, traurig real. Ich kann nicht sagen, warum es mich ausgerechnet in diese Gegend verschlagen hat. Sie liegt viel zu weit weg von meinem Zuhause, befindet sich sogar in entgegengesetzter Richtung. Hier und da huschen Ratten durch mein Sichtfeld, verschwinden raschelnd unter Papierhaufen und ich merke, wie sich meine Schritte beschleunigen. Wind pfeift durch vernagelte Fenster und Türen, irgendwo am Ende der Gasse heult und winselt ein Hund. Kläglich. Meine Kehle ist trocken und als ich einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich Schatten. Dunkle, abstrakte Schatten, die sich seltsam an den Wänden entlangschlängeln. »Arschloch« Ein einziges Wort blinkt mir von meinem Handy entgegen und bringt mein Herz zusätzlich noch mehr aus dem Takt. Warum verdammt nochmal, habe ich überhaupt nachgesehen? Wieso konnte ich nicht einmal diesem dummen Drang widerstehen? Scheiße. Hinter mir knackt es. Vor mir wird die Gasse von bedrängender Dunkelheit verschluckt. Und die Nachricht in meiner Hand enthält keinen Absender. In gehetzter Eile drücke ich sie weg, ohne darauf zu antworten. Warum auch? Seit wann muss man auf anonyme Beleidigungen antworten? Im besten Fall ist es sowieso nur jemand, der sich versehentlich in der Nummer geirrt hat. »Bastard« Ich stolpere ungewollt über einen Haufen alter Blechdosen und einem verbeulten Einkaufswagen, als ich mit weit geöffneten Augen die neue Nachricht lese. Fuck, das ist echt nicht lustig. Schweiß legt sich auf meine Stirn. Feuchter Angstschweiß, der in meinen Augen brennt. Es ist heiß und kalt zugleich und ich verfluche mich dafür, dass ich nicht doch gleich nach Hause gegangen bin. »Wichser« Okay, jetzt reicht es! Gerade als ich das Ende dieser fürchterlichen Gasse erreicht habe, vibriert es erneut. Was zum Teufel soll das? Ich kenne die Nummer nicht und auch das Licht der Laternen, das sich auf den asphaltierten Straßen spiegelt, bringt mir nur bedingt Erleichterung. Wirklich sicher fühle ich mich nicht. Mein Blick versucht überall zu sein. Hinter mir, vor mir, seitlich von mir – sogar über mir. Nur da ist niemand. Nirgends. Aber mein Handy vibriert trotzdem, kündigt eine neue Nachricht an und wäre es nicht vollkommen absurd, würde ich denken, da hätte jemand ganz besonderen Spaß an meinen Reaktionen. »Du bist echt so ein Wichser, weißt du das, Naruto?« Und damit zerschlägt es meine Vermutung und Hoffnung von einer Verwechslung der Nummern. Wer auch immer das ist, meint tatsächlich mich? »?« Das ich ihm so umfangreich zurückschreibe ist reine Verzweiflung. Ich muss hier weg. Nach Hause, ganz schnell. »Ich sagte, du bist ein Arschloch, Bastard und Wichser« »Und wer bist du? « Ich weiß nicht, damit hab ich mir jetzt bestimmt keinen Gefallen getan. So unbedarft in die Offensive zu gehen, ist nicht immer gut. Vielleicht sollte ich mir das endlich mal merken und demnächst erst nachdenken, bevor ich handle. »Jemand, der so dumm war dir zu vertrauen« Was? Schlagartig bleibe ich stehen. Meine Umgebung verschwimmt in eine unbeachtete Nebensächlichkeit. Diese Worte. Dieser Inhalt. Mir wird schlecht, je länger ich diese Nachricht anstarre. In diesem Moment hätte ein ganzes Dutzend wutentbrannter Serienkiller auf mich zu stürmen können, ich wäre nicht einmal imstande dazu gewesen, mich zu ducken. Die Erkenntnis, über denjenigen, der mir geschrieben hat – so plötzlich und niederschmetternd – lähmt meinen Körper. »Sasuke? Bist du das wirklich?« »Und wenn schon…« Mein Herz pocht wild, schlägt schneller und das hat nichts mehr mit der Panik zu tun, die mich eben in der abgestandenen Gasse beherrscht hatte. Jetzt zählt nur noch eins. Sasuke hat sich gemeldet. Wahrhaftig. Ich hatte die Hoffnung beinahe aufgegeben, hätte mich fast schon mit dem Gedanken abgefunden, dass ich ihn verloren habe, aber jetzt überwiegt die Freude. Jetzt ist sogar egal, dass er mich nur kontaktiert hat, um mich mit Beleidigungen zu überhäufen. Es spielt überhaupt keine Rolle, denn Sasuke hat sich gemeldet. Von sich aus! »Können wir reden? Bitte!« Ich bin nervös. Meine Unterlippe ist bereits taub vom vielen Draufrumbeißen. Ganz nebenbei erreiche ich die nächste Bushaltestelle und setze mich auf die harten, unbequemen Stahldinger, während ich auf den nächsten Nachtbus warte. Mein Handy schwebt mit leuchtendem Display vor meiner Nase, doch Sasukes Antwort bleibt aus. Fuck. Es juckt mir in den Fingern, ihn einfach anzurufen. Ich will mit ihm reden. Jetzt. Unbedingt. Ich will ihn hören, aber ich bezweifle, dass er es mir so einfach machen wird. Noch fünfundzwanzig Minuten bis der Bus kommt, und der erste Anruf geht ins Leere. Ich seufze. Theoretisch könnte ich ihm jetzt auch alles über SMS erklären, doch das wäre irgendwie nicht richtig. Es war schon feige genug mit ihm per Zettel schlusszumachen. Genau jetzt will ich einmal alles richtig machen. Noch zwanzig Minuten bis der Bus kommt, und auch der zweite Anruf bleibt unerwidert. Er drückt mich weg, ein weiteres Mal. Nur kommt jetzt wenigstens etwas zurück. Eine neue Nachricht von Sasuke. »Nicht mehr reden, Naruto … Du bist so ein Arsch, lass mich einfach … und mach es nicht noch schlimmer« Es tut weh, sowas von ihm zu lesen und zu wissen, dass man selbst daran schuld ist. Mir tut das alles so leid. Unendlich. Und ich habe mehr denn je das Bedürfnis alles wieder gut zu machen. Vermutlich wähle ich nur deshalb erneut seine Nummer. Irgendwann, so hoffe ich, muss er doch nachgeben. „Was soll das, Naruto … was fällt dir ein … ich hab doch gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst! Ich. Will. Nicht. Reden. Gott, du bist so lästig und dumm. Ich kann …“, er bricht ab und legt auf. So schnell. Ich hatte kaum Zeit seine Worte richtig wahrzunehmen. Er klang müde und resigniert, aber auch Wut mischte sich zwischen Clubmusik und fremde Stimmen. Sasuke war gerade definitiv nicht zuhause und seine Worte kamen schwer, fast mühselig rüber und ich glaube zu ahnen, weshalb. »Sasuke? Hast du getrunken?« »Und wenn schon? Was interessiert’s dich denn?« »Du warst derjenige, der mich angeschrieben hat und du bist mir wichtig! Du bedeutest mir was, Sasuke. Und ich will nicht, dass es dir schlecht geht« Gott, mein Herz klopft zu stark. Die ganze Zeit. Es rauscht in meinen Ohren. Alles ist still und gleichzeitig zu laut. Der Nachtbus fährt mit quietschenden Reifen an mir vorbei, während ich mein Handy hypnotisiere, weil ich mehr als gespannt bin, wie Sasukes Reaktion ausfällt. »Du redest immer noch zu viel Blödsinn … Außerdem hast DU es versaut … jetzt leb auch damit« Ich schlucke betroffen. Ich kann nicht. Ich kann ihn nicht so einfach aufgeben. Nicht jetzt. Nicht mehr. »Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, wirklich. Lass uns treffen, bitte« »Warum?« »Weil ich dir alles erklären will. Aber nicht über Chat, den Fehler mache ich nicht nochmal. Und wenn es nur dafür sorgt, dass du mit mir abschließen kannst« »Ich habe abgeschlossen! Mit dir. Mit deinem Brief. Mit allem!« »Und warum trinkst du dann?« »Weil ich es kann?« Geschockt und ungläubig sehe ich auf die Worte. Er provoziert. Ganz absichtlich. Mir fällt es schwer, ihm etwas entgegenzusetzen. Was er macht, ist nicht richtig und Sasuke ist sich dessen vermutlich mehr als bewusst. Gerade Sasuke … »Sasuke …« »Was, Naruto? Willst du mir jetzt auch noch verbieten zu trinken?« »Nein, aber du trinkst sonst nie!« »Jeder trinkt mal« »Und wenn es nicht gut endet?« »…« Ich kann nicht verhindern, dass ich mir Sorgen mache. Seine Nachrichten stimmen mich traurig und zeigen mir auf, wie machtlos ich bin. Ich kann nichts tun, dabei würde ich ihn jetzt am liebsten einfach nur in den Arm nehmen – ihn halten und spüren lassen, wie sehr ich mein damaliges Verhalten bereue. Nur lässt er mich nicht. Da ist absolut keine Möglichkeit, denn Sasuke weigert sich schon wieder verbissen mir zu antworten. Anrufe drückt er weg und mittlerweile wird mir kalt. Es nieselt leicht und ein sanfter Nebel legt sich auf die nassen Straßen, als ich mich von der Haltestelle entferne und den Heimweg zu Fuß antrete. »Ich bin morgen im Café neben dem Sportzentrum. Wenn du mir noch eine Chance gibst, dann triff mich dort. Ich warte auf dich, wenn es sein muss sogar den ganzen Tag!« *** Aufgeregt und hibbelig stehe ich im Flur, wartend und nervös mit meinen Fingern spielend, weil sich Karin viel zu viel Zeit lässt. Eigentlich wollte ich schon lange weg sein. Habe Sasuke sogar extra nochmal eine Nachricht geschrieben, dass ich ab zehn Uhr dort sitzen werde und jetzt lässt sich Karin feiern. Dabei wollte ich doch nur meinen Arbeitsplan mit ihrem abklären, einfach nur für den Fall möglicher Missverständnisse, die gegebenenfalls auftreten könnten. „Karin … jetzt mach endlich!“, rufe ich durch den Flur, beuge mich dabei nach vorn, um sehen zu können, was sie dahinten gerade so treibt. Nur sehe ich nichts. Ich höre sie nur fröhlich summen. Frauen! Ganz ehrlich, wenn es genauso absichtlich gedacht ist, wie es sich anhört, dann … dann … Shit, mir fällt im Moment nicht einmal eine passende Bestrafung ein. Dafür ist meine Konzentration eindeutig zu wenig. An ausgiebigen Schlaf war nämlich nicht mehr zu denken. Ständig schwirrte mir Sasuke durch den Kopf. Wie er aussehen wird, wenn er wirklich auftaucht. Was er sagen wird. Ob er mir verzeihen wird. Ich habe mir in aller Einzelheit vorgestellt, was ich sagen will. Tausendmal bin ich in dem kläglichen Rest der Nacht, die mir nach dem übertrieben langen Spaziergang geblieben ist, sämtliche Dialoge durchgegangen. Immerhin weiß ich jetzt, trotz Müdigkeit ziemlich genau, was ich ihm sagen will. Einzige Voraussetzung bleibt, dass er auch auftaucht. „Nächsten Freitag ist der Geburtstag meiner Mum!“, ruft Karin mir zu und läuft vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, an mir vorbei und wieder zurück. Was zum Teufel soll das? Sie benimmt sich wie ein läufiger Tiger im Kleintiergehege. Mit einem Augenrollen und zustimmenden Brummen nehme ich ihre Aussage zur Kenntnis. „Kannst du sie dafür von Sonntag bis Montag nehmen?“ „Wenn du sie mir vorbeibringst? Ich muss am Sonntag bis Mittag arbeiten“, nuschle ich und verfolge ihre hektischen Bewegungen mit ungeduldigen Blicken. Ich traue mich nicht einmal auf die Uhr zu sehen. Mein Gefühl sagt mir, dass ich schon eine Ewigkeit hier bin. Dabei will ich doch nur diesen blöden Zettel mit ihren Arbeitszeiten haben. „Geht klar…“, trällert sie fröhlich. Irgendwie ist sie seltsam gut gelaunt in letzter Zeit. Und manchmal scheint sie sich auch wieder richtig herauszuputzen, wenn sie mir Hikari übergibt. Angeblich ist das alles nur Verkaufsstrategie, auf die man bei wichtigen Meetings nicht verzichten kann. Schon klar! Wem will sie denn sowas erzählen? „Karin! Ich muss echt langsam mal los!“, zische ich jetzt gepresst, nachdem sie Anstalten macht im Bad zu verschwinden. Sowas muss immer schnell verhindert werden, wenn man noch etwas von ihnen möchte. Denn, wenn Frauen im Bad sind, dann dauert es nie einfach nur fünf Minuten. So viel Erfahrung durfte ich immerhin sammeln. Sie sagen, sie gehen nur noch schnell für kleine Mädchen – was unter uns gesagt eigentlich eine Aktion von nicht mal zehn Minuten ist – aber in Wirklichkeit glätten sie sich nochmal die Haare, pudern sich die Nase neu und ziehen den Kajalstrich nach, obwohl es vorher genauso perfekt aussah. „Gibst du mir jetzt endlich deinen Zettel oder soll ich morgen nochmal kommen? Ich hab nämlich keine Zeit mehr.“ „Achso, er liegt doch auf der Anrichte“, sagt sie lächelnd, zuckersüß. „Warum sagst du das nicht gleich?“, fahre ich sie genervt an. Meine Fresse, sie hat mich jetzt nicht ernsthaft hier rumstehen lassen … für nichts? Ich spüre, wie meine Augenbraue zuckt, als ich meinen Blick von ihr abwende. Der Zettel liegt tatsächlich da. Richtig auffällig. Ich Idiot. „Du hättest doch nur was sagen müssen.“ Darauf erwidere ich nichts. Nur einen letzten, wütenden Blick schenke ich ihr, ehe ich den Zettel von der Anrichte ziehe und aus ihrer Wohnung stürme. Mein Gott, das ist doch echt unfassbar. So typisch. Ich fass es einfach nicht. Die ganze Zeit stand ich da oben unnötigerweise rum. Fuck, Mann. Das war alles verdammte Zeitverschwendung, echt jetzt. Wenn ich nicht wüsste, was für mich auf dem Spiel steht, würde ich vermutlich darüber lachen, mich verlegen am Hinterkopf kratzen und mich für meine Dummheit nicht einmal schämen. Jetzt hingegen bin ich sauer, wütend und aufgebracht. So eine Scheiße. Ich erkenne die Ziffern kaum, als ich auf mein Handy sehe und zeitgleich durch die Straßen renne. Immer wieder muss ich mich durch viel zu langsam laufende, alte Menschen schlängeln, die vormittags mit ihren sperrigen Rollatoren die Gehwege blockieren. Als könnten sie nicht auch in der Woche ihre vier Lebensmittel einkaufen. Nervig. Einfach nervig. Ich ahne bereits, als ich über eine rote Ampel laufe, und mir empörte Rufe eines alten Opas hinterherschallen, dass ich nicht mehr rechtzeitig ankommen werde. Ich hoffe nur, dass Sasuke dieses Mal nicht pünktlich erscheint. Irgendwie glaube ich fast, dass er mich warten lassen wird. Ich glaube es nicht nur, ich hoffe es gerade inständig. Es ist kurz nach zehn, als ich das Café erreiche und durch die Tür in den warmen Innenbereich stolpere. Noch immer bin ich innerlich so aufgewühlt und aufgebracht, dass ich am liebsten alle Schuld auf Karin schieben würde. Was mir natürlich nichts bringt, aber … scheiße, ich muss mir ganz dringend einen klaren Kopf verschaffen, bevor Sasuke da ist. Ich konnte es nämlich nicht lassen und habe gleich als erstes meinen Blick durch den Raum gleiten lassen, während ich jede Person dabei eingehend geröntgt habe. Von Sasuke keine Spur. Obwohl es erleichternd sein könnte, ist es das nicht. Normalerweise kenn ich Sasuke als eine Person, die immer pünktlich erscheint. Wenn möglich sogar noch vor Terminbeginn. Nur heute nicht. Heute glänzt er mit Abwesenheit – selbst eine Stunde später noch. Was habe ich erwartet? Ein Seufzen, verzagt und zweifelnd, verlässt meine Lippen. Mein Telefon zeigt keine neue Nachricht. Keine Zusage. Keine Absage. Nichts. Und ich warte. Würde ohne Umschweife meine Worte in die Tat umsetzen und ohne zu zögern den ganzen Tag hier sitzen und warten. Ich bestelle mir in den nächsten anderthalb Stunden zwei Cappuccino, drei Schokomuffins und ein Stück Blaubeerkuchen und noch immer gibt es von Sasuke keinerlei Anzeichen darauf, dass er kommen wird. Über die Möglichkeit, dass er vielleicht gar nicht kommt, habe ich bisher noch nicht wirklich nachgedacht. Wenn ich ehrlich bin, würde ich das auch jetzt nicht machen wollen. Er wird kommen. Er muss kommen. Mein Blick hypnotisiert die kleine Uhr über dem Tresen. Die Zeiger stehen bereits auf halb sechs. Das Café schließt in einer halben Stunde und ich bin mittlerweile total abgebrannt. So langsam glaube ich, dass Sasuke vielleicht wirklich nicht mehr auftaucht. Aber mein Bauch ist dagegen, sowas zu glauben. Ganz im Gegensatz zu meiner Blase, die mittlerweile übervoll ist. Aber ich kann jetzt nicht gehen. Nicht jetzt, vielleicht taucht er ja doch noch auf. Vielleicht hat er sich ganz absichtlich dafür entschieden kurz vor Feierabend zu kommen? Vielleicht will er auf diese Weise verhindern, dass wir ewig um den heißen Brei herumreden? Womöglich will er mich testen? Meine Ausdauer, meinen Willen überprüfen? Ich hoffe, dass es so ist, und sehe zum gefühlt tausendsten Mal heute auf, als die kleine Klingel an der Tür signalisiert, dass ein neuer Gast eingetreten ist. So schnell, wie in diesem Moment, war mein Puls bestimmt noch nie von null auf hundert. Das würde ich vermutlich sogar unter Eid bezeugen. Sasuke steht in der Tür. Trägt einen schönen, schwarzen Mantel, den er sich zügig aufknöpft, ehe sich unsere Blicke treffen. Kapitel 7: Neuanfang -------------------- Neuanfang[/u Mein Körper reagiert ganz von selbst, als Sasukes Anblick meine Sinne überflutet. Ich stehe auf, mit einem Ruck, der das Porzellan meiner Tasse zum Klirren bringt. Er sieht mich daraufhin an, direkt. So direkt, dass ich mein aufgeregtes Herz kaum noch spüre. Fuck, er sieht so … unglaublich aus. „Sasuke … ich dachte schon, du kommst nicht“, sage ich und muss zu meinem Leidwesen feststellen, dass mich meine Stimme verrät. Sie zittert, obwohl ich erleichtert bin. „Wollte ich auch nicht.“ Er klingt fest und kühl, alles an ihm wirkt distanziert, unnahbar. Aber er ist da, setzt sich sogar, obwohl man ihm ansieht, dass er am liebsten wohl sofort wieder aufstehen würde. „Aber du bist hier. Das ist … möchtest du vielleicht was trinken? Sie machen bestimmt noch ...“ „Nein“, erwidert er schroff. Sein Blick ist eindringlich und aufmerksam. Es scheint, als würde er jede Reaktion von mir genau studieren. Doch für mich ist es schwer, seinen intensiven Blick zu erwidern. Unfassbar schwer, weil ich darin auch sehe, wie fertig er ist. Blasse Haut. Müde, erschöpfte Augen, die mit dunklen Schatten verziert sind. Sasukes Nacht muss länger und alkoholhaltiger ausgefallen sein, als ich gedacht habe. „Magst du dann vielleicht noch was essen? Die machen hier auch echt gute Sandwiches. Ich bestell dir noch eins, wenn du magst?“ „Nein.“ „Okay… ähm, wie war denn dein Abend gestern? Warst du noch lange unterwegs?“ „Naruto, ich bin nicht hier um zu essen oder dir von meinem Abend zu erzählen. Wenn du mir nichts zu sagen hast, kann ich auch gleich wieder gehen!“, hallt seine dunkle Stimme drohend, leicht knurrend und beängstigend durch den Raum. Plötzlich ist es hier unangenehm still. Selbst für meine Verhältnisse. „Gut, dann … fang ich einfach mal an, hmm“, stelle ich mehr für mich fest, als für Sasuke, während ich meine trockenen Lippen befeuchte. Er sagt nichts, sieht mich nur weiterhin an. Sein Gesicht ist ausdruckslos, beinahe undurchsichtig. Eine Tatsache, die es nicht leichter macht. Überhaupt nicht. Dass ich außerdem auch noch dringend mal aufs Klo muss, macht die Situation gerade echt unerträglich, aber jetzt schnell verschwinden geht nicht. Sasuke würde doch sofort wieder abhauen. Deshalb atme ich tief ein und vertraue ganz auf mein Bauchgefühl, lasse meinen Bauch reden, ganz ohne Beteiligung meines Kopfes. „Ich habe dich damals nicht verlassen wollen, wirklich nicht“, beginne ich, doch Sasuke schnaubt. „Dann war das leere Bett am nächsten Morgen Einbildung? Und den Zettel haben mir natürlich kleine Heinzelmännchen hingelegt!“ Sarkasmus liegt in der Luft und ich atme hörbar aus. „Nein, natürlich nicht. Aber ich hatte meine Gründe. Mir ist es nicht leicht gefallen zu gehen. Mir ist es nicht einmal leicht gefallen, dir den Brief zu schreiben und ich weiß, dass das absolut falsch war.“ „Es war feige!“, zischt er dazwischen. Wie recht er doch hat. „Ja. Wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen. Aber ich kann nicht. Alles was ich jetzt noch tun kann, ist dir die Wahrheit zu sagen.“ „Und welche? Du hast mir geschrieben, schon vergessen? Ich war ein Fehler. Ein beschissener Fehltritt! Eine Gedankenlosigkeit, oder? Glaub mir, Naruto, ich kenne deine Wahrheit.“ Seine Stimme bebt so heftig, dass sie mir die Luft zum Atmen raubt. Seine Worte legen sich wie festes Tau um meinen Hals, drücken sich unangenehm auf meinen Kehlkopf. Das denkt er? So hat er … Scheiße. „Sasuke …“, hauche ich mitgenommen und weiß nicht einmal mehr im Ansatz, wie ich ihm begreiflich machen soll, dass er das alles total missverstanden hat. „Ich habe nicht dich gemeint, Sasuke. Ich habe niemals dich gemeint. Das ist alles so … scheiße, das tut mir so leid. Ich hab … Sasuke, ich habe ein Kind. Ein Kind, verstehst du? Karin ist schwanger geworden, kurz bevor das mit uns richtig angefangen hat“, sage ich atemlos und sehe, wie sich seine Gesichtszüge verändern. Nur ganz leicht. Er denkt. „Du…“ Energisch schüttle ich den Kopf, bevor er weitersprechen kann: „Ich hab es selbst erst viel später erfahren. Ich wusste nichts davon. Sie hat es mir erst gesagt, als ich mich von ihr trennen wollte. Ich wollte sie verlassen, für dich, so wie ich es dir zuvor gesagt habe. Ich konnte doch nicht ahnen, was sie mir sagen würde. Danach konnte ich es nicht mehr. Es war so schwer, Sasuke. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Karin war so glücklich und ich hab mich so beschissen gefühlt.“ „Und deshalb bist du zu mir gekommen? Du hast mit mir … Wir haben … Warum? Warum hast du mit mir geschlafen? Warum, wenn du vorhattest, mich zu verlassen? Sollte das deine Form von solidarischem Beschissenfühlen sein, oder was?“ Seine Finger verkrampfen sich. Er atmet schnell, genauso schnell wie ich. „Gott, nein. Soweit habe ich nicht gedacht. Damals habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Für mich war es das Beste, was jemals passiert ist. Mir ist klar, dass es ein Fehler war, einfach zu gehen. Deine Nähe war damals einfach beruhigend und schön, ich wollte dir nah sein, weil ich vergessen wollte. Sasuke, es tut mir wirklich leid. Lass es mich … lass mich …“, er zieht seine Hand weg, als ich nach ihr greifen will. Sein ganzer Körper weicht vor mir zurück – flieht. „Nein … Nein, Naruto.“ „Bitte Sasuke. Das mit Karin ist vorbei. Endgültig. Wir haben uns getrennt, weil es einfach nicht mehr ging.“ „Das ändert nichts. Das ändert gar nichts mehr. Das mit uns hast du kaputt gemacht“, sagt er ruhig. Viel zu ruhig. Mit einer Endgültigkeit in der Stimme, die mir mein Herz zerreißt. Er dreht sich um, geht. Ist schon beinahe wieder an der Tür. „Warte, Sasuke!“, rufe ich quer durch den Raum. Mir ist egal, dass sämtliche Augen auf mir liegen. Mir sind alle egal, solange nur Sasuke stehenbleibt und zu mir sieht. „Ich muss dir noch was sagen. Damals hab ich es nicht gesagt und ich hab es die ganze Zeit bereut. Deshalb … ich will, dass du es weißt, bevor du jetzt gehst. Sasuke, ich liebe dich. Ich liebe nur dich!“ Mein Herz schlägt. Rhythmisch, unaufhaltsam – schlägt mir bis zum Hals, als ich sehe, wie sich seine Augen für Sekunden weiten. Die Stille ist geladen. Zum Zerreißen gespannt. Der Moment, der alles entscheidet, ist da. Es liegt in Sasukes Händen. Als sich seine Lippen öffnen, bin ich einer Ohnmacht nahe, doch mein Herz pocht viel zu wild, um mich einfach im Stich zu lassen. „Es … ändert nichts. Es ändert nichts mehr.“ Und es bricht. Lautlos. Zerspringt. Einfach so. Und ich falle zurück auf meinen Stuhl. Bleibe. Regungslos. *** Mir geht es nicht gut. Überhaupt nicht. Die ganze letzte Woche habe ich nachgedacht, bin das Gespräch wieder und wieder durchgegangen und fühle mich jetzt schlechter als vorher. Sasuke hat mich aufgegeben. Er gibt uns auf. Die Gewissheit tut mehr weh, als ich mir jemals vorgestellt habe. All meine Befürchtungen hat er wahr werden lassen, kompromisslos. Eine Tatsache, die den Tag grau und trist macht – jeden Tag, der seitdem vergangen ist. „Sie quengelt momentan sehr viel, also gib ihr einfach diesen Beißring.“ Karin steht vor mir und wühlt die ganze Zeit Kleinigkeiten aus der Tasche, um sie mir zu zeigen. Dinge, die sie jetzt neu für Hikari besorgt hat und die ich zweckgemäß einsetzen soll. Mir fällt es nur unglaublich schwer, ihren Worten zu folgen. „Ohne ihren Schmusi schläft sie übrigens auch nicht mehr ein, also leg ihn ihr immer mit ins Bett.“ Ich könnte heulen. Nicht, weil mein Kind irgendein Schmusetier zum Schlafen braucht, sondern weil ich eines brauch. Doch das, was ich will, kann ich nicht bekommen. „Okay“, erwidere ich leise, beinahe nebensächlich. „Wenn sie trotzdem nicht schläft, dann spiel ihr das hier vor, das mag sie zur Zeit am liebsten“, erklärt Karin weiter, während sie mir irgendein Spielzeugding vor die Nase hält. Ich nicke, obwohl ich keine Ahnung habe, wie dieses Teil funktionieren soll. „Mahlzeiten und alles andere stehen auf dem Zettel.“ „Ist gut.“ „Ich hole sie dann am Sonntagabend wieder ab, okay?“ „Ja.“ „Wenn was ist, rufst du mich an, ja?“ „Sicher.“ „Ich habe Sasuke übrigens gestern in der Stadt getroffen.“ „Was?“, mein Kopf dreht sich augenblicklich zu ihr. Ihre Augen spiegeln mein Empfinden wider. Es ist unglaublich. Sie hat ihn gesehen und jetzt sieht sie mich, mit all der Sehnsucht, die ich verspüre. „Er sah mitgenommen aus, fast so wie damals, weißt du noch?“ Wieder nicke ich. Ja, ich kann mich noch gut an den Moment erinnern. Viel zu gut. „Ja.“ „Weißt du, der Naruto, den ich kennengelernt habe, hätte niemals so schnell aufgegeben.“ Sie spricht diese Worte ruhig und gelassen, mit einem hinweisenden Ton aus, der es mir unmöglich macht darauf etwas zu erwidern. In den nächsten Sekunden sehe ich ihr nur nach. Sie geht aus meinem Zimmer, wirft mir noch ein Lächeln zu, das auf angenehme, warme Weise aufmunternd wirkt, ehe sie die Tür schließt und verschwindet. Hikari strampelt derweil ganz lebhaft und wild mit ihren Beinen, fast so, als würde sie krabbeln wollen, und ich habe unvermittelt das Gefühl, dass auch sie versucht mir etwas Entscheidendes mittzuteilen. Rumsitzen und im Selbstmitleid baden, was bringt das? Sie haben recht, alle. Ich sollte endlich aufhören, immer nur zu denken. Mehr handeln, mehr fühlen, mehr investieren, mehr kämpfen. »Vielleicht ist es noch zu früh, dir wieder zu schreiben. Vielleicht hältst du mich für einen Idioten und wahrscheinlich wirst du diese Nachricht nicht einmal mehr lesen, aber ich kann nicht anders. Ich muss dir schreiben. Ich kann mir nicht länger vormachen, dass alles gut ist. Ich kann nicht länger nur hier sitzen und mein Leben leben, während ich eigentlich viel lieber bei dir wäre. Du fehlst mir, Sasuke. Weißt du, wie gern ich dich jetzt sehen würde? Ich vermisse dich. Ich vermisse die Art, wie wir miteinander reden. Ich vermisse es einfach still neben dir zu sitzen und ich vermisse sogar die kleinen Neckereien, die Spitznamen … alles.« Hikari liegt und krabbelt auf dem Boden herum. Sie sitzt schon lange nicht mehr nur auf der Spieldecke, und ihre Spielsachen hat sie mittlerweile im ganzen Zimmer verteilt. Ein munteres Plappern kommt aus ihrem kleinen Mund und ich sehe kurz auf, unterbreche meinen Monolog, den ich gerade für Sasuke ins Handy tippe. Worte, die aus meinem Herzen kommen. Worte, in die ich sämtliche Hoffnung lege, während Hikari glücklich von einem Ball zum nächsten greift. »Als du letzte Woche aus dem Café verschwunden bist, habe ich zum ersten Mal wirklich begriffen, wie es sich anfühlt, wenn einem das Herz bricht. Du hast in diesem Moment einen ganzen Teil einfach mitgenommen, weil es schon immer dir gehört hat. Ich liebe dich, auch wenn ich weiß, dass unsere Vergangenheit nicht wie eine schöne Bilderbuchgeschichte verlaufen ist und du alles Recht der Welt hast, mich dafür zu verteufeln, hoffe ich dennoch, dass du diese Nachrichten liest. Meinetwegen darfst du mich hassen, mich verabscheuen und ignorieren. Wirklich, Sasuke. Ich kann dir dafür nicht einmal böse sein. Vermutlich habe ich genau das verdient. Ich hab es versaut und das tut mir so unglaublich leid. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich niemals verletzen wollte. Ich liebe dich.« Ich kann es selbst kaum richtig fassen, wie leicht es mir fällt ihm mein Herz auszuschütten. Ihm all diese Dinge zu sagen, zu schreiben fühlt sich gut an. Befreiend und ehrlich. Seit langem habe ich wieder einmal das Gefühl, etwas Richtiges zu tun. Und in dem Moment, als ich Hikari ansehe, ihr süßes Lächeln einfange, fange ich an zu glauben, dass es eine Zukunft gibt. Ich schicke die Nachricht ab, zögere nicht mehr. »In deinen Augen muss ich ein Verrückter sein, oder? Ich hab ja schon immer viel geredet, aber das hier … das sprengt wohl alles. So viel Text … und dabei weiß ich nicht einmal, ob sie dich noch erreichen. Ich bin ein Idiot, aber das ist eigentlich auch egal, weil es sich besser anfühlt. Ich liebe dich und das könnte ich immer wieder sagen, auch wenn du es vielleicht nicht hören willst. Ich würde es am liebsten in die ganze Welt schreien, es auf Plakate schreiben oder es an jede Hauswand sprühen. Meine Worte können vielleicht nicht mehr gutmachen, was ich in der Vergangenheit getan habe, aber vielleicht können sie dafür sorgen, dass wir eine Zukunft haben. Du bist mein Freund und ich vermisse dich. Du bist die Person, die ich am meisten liebe.« Wie oft ich ihm jetzt gesagt habe, was ich für ihn empfinde, wirkt selbst auf mich seltsam. Nicht einmal Karin, geschweige denn Sakura, haben damals ein „Ich liebe dich“ von mir gehört. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Diese Zeit liegt so weit weg – existiert kaum noch. Das Einzige, was ich aus dieser Zeit mitnehme ist Hikari und eine ganze Menge an Erfahrungen, die mich reifer gemacht haben. »Ich habe noch nie wirklich an Zufälle oder Schicksal geglaubt. Habe immer gedacht, dass man für sein Glück selbst verantwortlich ist, doch jetzt bleibt mir nichts anderes über, als daran zu glauben. Nichts kann mir sagen, ob ich glauben oder hoffen darf. Niemand kann mir Gewissheit geben, niemand außer dir. Vielleicht geht es dir wie mir? Vielleicht möchtest ja auch du eine Freundschaft nicht einfach aufgeben? Ich weiß, ich habe dich schon einmal darum gebeten, und ich würde es immer wieder tun, wenn es sein muss, denn ich will dich nicht verlieren. Bitte, Sasuke.« Ich sehe nach draußen, ganz beiläufig und in Gedanken vertieft, die sich um Sasuke drehen. Er hat schon einmal mir zuliebe seinen Stolz vergessen. Hat sich schon einmal überreden lassen. Fast alle Bäume sind bereits kahl. Der Winter naht. Ab wann gibt es den perfekten Zeitpunkt, um neu anzufangen? Im Frühling? Der letzte hat nur dafür gesorgt, dass alles schlimmer wurde. Im Sommer? Da ist es vermutlich zu spät. Auch wenn die Welt so aussieht, als würde sie sich für einen langen Winterschlaf vorbereiten, scheint die Sonne dennoch stark genug, um einen Hauch leichter Wärme in den Tag zu legen. „Na, wollen wir vielleicht ein wenig rausgehen? Im Herbstlaub spazieren gehen?“, mit sanfter Stimme richte ich mich an Hikari, die mich aus großen Augen ansieht und einen Gummiring in ihrem Mund hat. Ich seufze schließlich, ehe ich sie hochhebe und uns beide fertig mache für einen kleinen Ausflug in den Park. »Weißt du, dass ich jetzt ganz in der Nähe vom Park wohne? Vermutlich weißt du das nicht und es ist auch nicht wirklich wichtig. Aber ich bin neuerdings gerne im Park. Gerade jetzt, wo das Laub unter den Füßen raschelt und kaum ein Mensch hier ist. Es ist ganz still hier, ganz friedlich und ruhig und ich muss an dich denken. Ich glaube, dir würde es auch hier gefallen, stimmt’s? Langsam fange ich an, zu verstehen. Ich verstehe, warum es angenehm ist, hier zu sein und einfach auf einer Bank zu sitzen. Machst du das auch manchmal? Würdest du es machen? Vielleicht mal mit mir zusammen? Ich hoffe es.« Sasuke hat mir nicht geantwortet. Auf keine einzige Nachricht. Es ist seltsam, aber ich bin nicht enttäuscht, bin nicht wütend oder traurig. Ich bin nur … ich weiß auch nicht, wie ich diesen Zustand beschreiben soll. Ich will kämpfen. Ich will ihm so viel von mir mitgeben, wie es mir möglich ist. Ich will, dass er weiß, was in mir vorgeht, wie ich denke und fühle. Er soll wissen, was ich mache und vielleicht habe ich Glück. Vielleicht gibt er mir doch nochmal eine Chance? Im Park steht eine große, kräftige Eiche, die ihre Blätter längst abgeworfen hat. Große und kleine bunte Haufen liegen am Boden und ich erinnere mich, dass es ein Foto von mir gibt, wo ich noch klein bin. Auf dem ich mit Strickmütze und Schal mitten in einem Haufen schöner, bunter Herbstblätter sitze. Ich habe dieses Bild immer gemocht. Weil ich finde, dass ich auf diesem Bild richtig begeistert und fasziniert aussehe. Von solch kleinen Dingen. Ob mein Kind das ähnlich empfindet? Ich weiß es nicht genau, aber sie scheint auf jeden Fall neugierig und interessiert, als ich sie aus ihrem Wagen hebe und mich mit ihr auf das trockene Laub setze. Die Fotos, die anschließend entstehen, schicke ich Karin und meinen Eltern und ich überlege kurz, ob ich auch Sasuke eins schicken sollte. Vielleicht … Es ist der Schatten neben mir, der meine Gedanken aufhält. Ein Schatten, der zu einer Person gehört, die sich schweigend neben mich setzt und dafür sorgt, dass ich mein Herz deutlicher schlagen spüre. Der Wind trägt seinen Geruch zu mir. Ein tiefer Atemzug folgt. Es fühlt sich schön an. Er ist nah, obwohl er mich nicht berührt. Er ist hier, und obwohl ich es so sehr gehofft habe, habe ich dennoch nicht damit gerechnet. Es überrascht mich genauso sehr wie es mich freut. „Ist es das? Dein Kind?“, fragt er leise. Bedacht und ruhig. Mir bleibt fast das Herz stehen, während ich nicke. „Sie heißt Hikari. Karin hat den Namen ausgesucht“, erwidere ich und bin seltsam nervös. Ich will es nicht versauen. Nicht schon wieder. Und das folgende Schweigen ist nicht unangenehm. Wir beobachten beide die noch ungeschickten Versuche meines Kindes, Laubblätter in die Luft zu werfen. „Warum hast du geglaubt, dass ich es nicht akzeptieren kann? Warum dachtest du, dass mir ein Kind zu viel werden würde?“, fragt er mich, lässt die Stille einem tiefen Atemzug weichen. „Ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich, weil es mir selbst zu viel war. Ich hatte Angst. Ich glaube, ich hatte einfach nur Angst“, gestehe ich und blicke zu ihm. Das erste Mal sehe ich ihn an, sehe auf sein Profil, doch er sieht nicht zurück. Schaut nach vorn, betrachtet Hikari mit einem nachdenklichen Blick. „Du bist ein Idiot. Ein wirklich dummer Idiot“, seufzt er und schließt für einen Moment die Augen. „Du hättest es mir sagen können. Du hättest von Anfang an mit mir darüber reden müssen.“ „Ich weiß.“ „Du bist so ein … Idiot“, sagt er und klingt hilflos. „Ein Idiot, der Fehler gemacht hat.“ Ich suche seinen Blick, suche Kontakt. Meine Hand trifft seine und dieses Mal zieht er sie nicht weg. Einzig sein Blick ruht trotzdem weiter auf Hikari. „Meinst du, du kannst mir verzeihen?“ „Ich weiß nicht“, sein Blick senkt sich, während er sanft mit dem Kopf schüttelt. „Ich verlange nicht, dass wir da weitermachen, wo wir damals aufgehört haben, wirklich nicht. Ich will nur nicht, dass du mich hasst oder ignorierst. Ich will Zeit mit dir verbringen, irgendwie … wenn …“ „Ich wäre nicht hier, wenn du mir egal wärst, Naruto“, unterbricht er mich und im nächsten Moment treffen sich unsere Augen. „Ich habe dir vertraut“, sagt er leise, beinahe so, als wäre das nur ein Gedanke. In seinen Augen steht der Schmerz, den ich verursacht habe. „Ich weiß nicht, ob es so klug wäre, dir erneut zu vertrauen.“ „Und wenn ich dir Zeit gebe? So viel Zeit, wie du brauchst?“ Ich halte seine Hand fester, vermutlich zu fest, aber das ist egal. Solange er diese Verbindung nicht trennt, ist es egal. Ich will ihn nur halten. „Was ist, wenn es nie wieder so wird, wie du es dir wünschst?“ „Dann kann ich dich immer noch als Freund sehen und treffen, richtig? Eine Freundschaft?“, frage ich in der Hoffnung, dass er nicht sämtlichen Kontakt abbrechen wird. Kein Schlussstrich. Keine Endgültigkeit, bitte! Sein Blick sagt nichts und doch gleichzeitig so viel. „Dir würde eine Freundschaft ausreichen?“ „Nein, aber es wäre besser, als dich ganz zu verlieren“, erwidere ich ehrlich. Er versteht mich, das weiß ich. Er sollte es sehen können, wenn er mich ansieht. „Du bist unverbesserlich.“ Er atmet schwer, ehe er sich erhebt. Ich folge ihm und stehe ihm kurz darauf gegenüber, mit Hikari auf dem Arm, die sich liebevoll meinem Ohrläppchen widmet. „Ich hoffe nicht“, sage ich mit einem Anflug eines leichten Schmunzelns auf den Lippen. „Das hoffe ich auch.“ Und Sasuke erwidert es zögerlich, ganz dünn und leicht, aber ich weiß, dass es da war, denn es bringt mein Herz vollkommen aus dem Takt. *** Die Tage werden kälter, kürzer, dunkler und der November neigt sich stetig dem Ende entgegen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es nicht mehr lang dauern wird, bis der erste Schnee fällt. Ich hoffe nur, dass er sich noch etwas mehr Zeit lässt. Verschneite, eisbedeckte Straßen sind nicht gerade das, was ich mag. Und gebrauchen kann ich sie auch nicht wirklich. Es fällt mir so schon schwer genug jeden Tag zur Tankstelle zu gehen und meine Nebentätigkeit für einen Mindestlohn zu verrichten. Wären jetzt auch noch alle Straßen mit Schnee bedeckt … darüber will ich gar nicht erst nachdenken. Zum Glück lenkt mich Kiba ab, auch wenn es mir schwer fällt, mich seinen Problemen voll und ganz zu widmen. „Ich finde es einfach richtig ätzend, weißt du? Sie hängt die ganze Zeit bei ihrer Familie und hat überhaupt keine Zeit mehr für mich. Wenn sie mal da ist, dann redet sie nur von dieser Hochzeit“, stöhnt er mir genervt und wehleidig entgegen. Den Kunden vor mir lächle ich nur entschuldigend an, da Kiba gerade die ganze Tankstelle unterhält. „Ständig ist sie unterwegs. Wenn sie nicht mit ihren Eltern die Trauungsfeier bespricht, dann ist sie Brautkleider aussuchen, Kuchen verkosten und so´n Scheiß. Ernsthaft, was soll das? Sie ist doch nicht die einzige Trauzeugin, warum muss ausgerechnet Hinata alles mitmachen?“, echauffiert er sich lautstark und sieht mich hilfesuchend an. Er steht an einem der runden Tische, wo normalerweise immer irgendwelche Fernkraftfahrer ihre Bockwurst essen, doch heute steht da keiner. Die haben sich alle schon verzogen. Trotz der angezogenen Kälte stehen sie draußen. „Hast du mal mit ihr drüber geredet? Ich glaube nicht, dass Hinata das mit Absicht macht.“ „Ach was, sie ist ja kaum da. Wann soll ich das denn ansprechen? Ich bin ja schon froh, wenn sie nicht gleich einschläft, sobald sie zu Hause ankommt. Mann Naruto, neulich musste sie sogar mit ihrem blöden Cousin die Ringe kaufen. RINGE. MIT NEJI.“ Er ist aufgebracht und seine Abneigung gegenüber Hinatas Cousin ist greifbar. Aber was soll ich da machen? Ich kann ja auch nichts dafür, dass Hinata sich scheinbar sehr gern um diese Hochzeitsangelegenheiten kümmert. „Mann, ich hab echt keine Lust auf diese blöde Hochzeit. Wenn du gesehen hättest, in was für einen Anzug die mich stecken wollen … Sowas hab ich echt noch nie getragen.“ „Dich stört doch jetzt nicht wirklich ein Anzug, oder?“, frage ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen, ehe ich mich neben ihn stelle. Im Moment ist es zum Glück ziemlich ruhig hier. Kaum Kundschaft. „Nein, nicht wirklich“, murmelt er kleinlaut. Er lehnt sich auf den Tisch und seufzt. „Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt“, sagt er leise und ich hake automatisch nach. „Was genau meinst du?“ „Naja … ich, hmm, ich dachte, wir würden zuerst…“ „Hä? Wie jetzt? Sprich mal Klartext!“ „Na, ich dachte, wir würden noch vor Neji heiraten“, sagt er und mir fallen beinahe die Augen raus. Ich wusste gar nicht, dass es bei Kiba und Hinata bereits so ernst ist. „Echt jetzt?“ Ich bin fast sprachlos. War ich die ganze Zeit wirklich so abgelenkt? „Ja, ich konnte ja nicht ahnen, dass der Arsch seiner Freundin tatsächlich vor mir einen Antrag macht!“, knurrt er und ich schlucke unwillkürlich. „Und warum machst du Hinata nicht einfach jetzt einen? Wenn du sie liebst, ist doch egal ob …“ „Na klar, du Spinner. Wie sieht denn das aus, huh? Ich hab doch keinen Bock auf so eine alberne Doppelhochzeit! Wenn ich Hinata heirate, dann muss das schon etwas ganz Besonderes sein!“, fährt er mir dazwischen, weshalb ich meine Hände abwehrend nach oben nehme. „Schon gut, war ja nur eine Idee. Du musst es ja nicht, wenn du nicht willst“, necke ich ihn und grinse ihn an, während ich wieder hinter die Kasse trete und die Frau abkassiere, die gerade ihr Auto vollgetankt hat. „Du bist echt ein beschissener Freund“, meint er resigniert, aber lächelt anschließend. „Wie steht es jetzt eigentlich mit Sasuke?“, wechselt er das Thema. Vermutlich hat er gemerkt, dass sich die ganze Aufregung kaum lohnt. Er muss es einfach wagen. Irgendwie jedenfalls. „Unverändert. Wir schreiben miteinander, telefonieren manchmal und treffen uns hin und wieder, aber wir sind nicht zusammen“, erkläre ich wahrheitsgemäß. Genau so ist es. Wir sind Freunde, irgendwie. Wenn ich sagen würde, dass es mir reicht, so wie es momentan ist, dann wäre das glatt gelogen. Mir reicht es überhaupt nicht. Es macht mich wahnsinnig, ihn zu sehen, aber nicht berühren zu können. Es macht mich verrückt, ihn reden zu hören, aber nicht küssen zu können. Es macht mich irre, wenn er mir Details aus seinem Leben vorenthält, weil er glaubt, dass es noch zu früh ist, über so private Dinge zu reden, obwohl ich ihm ansehe, dass es ihn belastet. „Hmm“, seufzt Kiba in Gedanken versunken auf. „Wir sind nachher verabredet. Vielleicht gehen wir was essen oder ins Kino, mal sehen“, ich seufze auch, weil es mir schwer fällt, so zu tun als würde da der schönste Abend aller Zeiten auf mich warten. Tut es nicht. Sasuke zu treffen ist zwar toll und ich bin jedes Mal voller Vorfreude, auch jetzt, wirklich. Aber ich weiß auch, dass sich der Verlauf des Abends nicht mit meinen Gedanken und Vorstellungen decken wird. Wir werden uns nah sein, mit unüberwindbaren dreißig Zentimetern zwischen unseren Körpern. Eine riesige Kluft. „Klingt doch … gut“, sagt Kiba und die Hand, die meine Schulter kurz darauf trifft, zeigt so deutlich, dass es ein Versuch ist, mich aufzumuntern. Ein Versuch mir Trost zu spenden, die Situation erträglicher zu machen und ich nehme ihn an, lächle dankbar zurück. *** Sasuke kommt genau pünktlich, wie immer. Ich lege meine Arbeitskleidung unordentlich in den Spind und trete dann zu ihm hinaus ins kühle, ungemütliche Wetter. „Hey“, rufe ich ihm entgegen, während ich noch im Laufen meine Jacke überziehe. „Hey“, erwidert er ebenso und dann stehen wir uns gegenüber, schweigend und keinem scheint wirklich einfallen zu wollen, was gesagt werden kann. Wenn es nach mir ginge, würde ich ihn jetzt am liebsten umarmen und besinnungslos küssen. Mein Tag war nämlich echt anstrengend. Sie haben bei der Schichtverteilung leider zu gut zugehört, als ich leise vor mich hingemurmelt habe, dass heute einer der wenigen Tage ist, wo ich kein Kind beaufsichtigen muss. Karin hat sie mitgenommen zu ihren Eltern und mir haben sie dafür gleich ein paar Stunden mehr eingetragen. Und zum Dank für diese Schufterei werde ich nicht einmal mit einer Umarmung zur Begrüßung belohnt. „Wo verschlägt es uns hin? Hast du dir was überlegt?“, frage ich dennoch bemüht meine Unzufriedenheit nicht ganz so offensichtlich zu machen. Sasuke kann ja schließlich auch nichts dafür. Diese Suppe habe ich mir ganz allein eingebrockt. Da muss ich jetzt durch, ob ich will oder nicht. „Ich weiß auch nicht genau. Hast du Hunger?“, fragt er, doch ich schüttle nur den Kopf. „Nein, hab schon HotDogs gegessen, also meinetwegen können wir gleich was anderes machen.“ „HotDogs sind ungesund, Naruto“, sagt er trocken, mit den Händen in seiner Manteltasche und abwesenden Blick auf die Ampel, die von Rot auf Grün schaltet. Er hat mich doch jetzt nicht wirklich ernsthaft ermahnt, oder? „Kommst du?“, höre ich seine Stimme, als wäre sie viel zu weit entfernt und als ich aufsehe, steht er bereits auf der anderen Straßenseite. Oh … da war ich wohl kurz etwas abgelenkt. Wieder einmal. Das muss dringend aufhören, echt jetzt. „Jaja“, antworte ich beiläufig und überquere zügig die Straße, noch bevor die Ampelphase wieder wechseln kann. „Ich müsste kurz zur Sporthalle, habe gestern meinen USB-Stick dort vergessen und es sind ein paar wichtige Unterlagen drauf“, meint er und ich nicke träge. „Okay.“ Es ist nicht wirklich so, dass ich mich nicht darüber freue, hier mit Sasuke durch die Straßen zu laufen. Hier und da streifen sich sogar mal unsere Hände, wenn ich natürlich ganz ausversehen einen unabsichtlichen Schlenker mache, aber Sasuke reagiert leider nach wie vor viel zu abweisend. Jedes verdammte Mal geht er anschließend bemüht zufällig ganze drei Schritte zur Seite, sodass auch ja wieder genug Platz zwischen uns ist. Wenn er könnte, würde er vermutlich einen ganzen Meter zwischen uns mit Absperrband abkleben, nur um eventuellen Berührungen ausweichen zu können. Da bin ich mir fast sicher, und das ist frustrierend. Vor allem, wenn man gedacht hatte, dass man sich wieder näher kommen könnte, je mehr Zeit man miteinander verbringt. Im Moment scheint das alles nur so unglaublich weit weg. Sasuke ist da, steht eine Armlänge von mir entfernt und ist doch nicht greifbar. In der Sporthalle angekommen lässt mich Sasuke kurz allein, während er in die Richtung der Umkleidekabinen verschwindet, wo er angeblich nur schnell seinen USB-Stick holen will, den er unverständlicherweise in seine Sporttasche getan hat. Währenddessen sehe ich mich um. Immerhin ist das der Ort, den Sasuke schon längere Zeit aufgesucht hat und den ich nie zuvor betreten wollte. Es gibt eine riesige, extra abgeteilte Halle, in der mehrere nebeneinander liegende Tennisfelder genutzt werden können, aber momentan ist niemand da, der sich sportlich austobt. Ganz anders sieht das in diesen luftdichten Kästen aus, die es auf der anderen Seite gibt. Bälle fliegen mit einer enormen Geschwindigkeit gegen die Wände und Schläger der Spieler und jedes Mal knallt und klatscht es. Das folgende Schlucken kämpft sich unangenehm meine trockene Kehle hinunter. Dieser Sport ist alles andere als harmlos. Wenn ich es genau beschreiben soll, dann sieht es sogar verflucht brutal aus und so wie sich diese Beschreibung in meinem Kopf bildet, muss wohl auch mein Gesicht aussehen. „So wie du aussiehst brauch ich dich wohl nicht fragen, ob du Lust hast, das mal auszuprobieren, oder?“, fragt mich Sasuke, als er unerwartet wieder neben mir auftaucht. Mein Kopf schüttelt sich fast von selbst. „Lieber nicht. Das sieht heftig aus“, entgegne ich heiser. Ehrlich? Warum sollte ich mich selbst dem sicheren Tod ausliefern? Niemals. Sasuke würde mir vermutlich die Eier mit einem einzigen Aufschlag zermatschen. Nein danke, darauf kann ich verzichten. Ich werde ganz sicher nicht freiwillig zu seiner Zielscheibe. „Schade, jetzt wo Neji nicht mehr so viel Zeit hat, hätte ich schon einen neuen Squashpartner gebrauchen können“, seufzt er leise. Als ich daraufhin zu ihm sehe, zum einen weil er mich als potentiellen Partner überhaupt in Betracht zieht, und zum anderen, weil er mir gerade wieder ein weiteres, kleines Puzzleteil serviert hat, das sofort abgespeichert wird, verfolgt er fast ein wenig desinteressiert dem Schlagabtausch vor uns. „Also Squash ist nun wirklich nicht so mein Ding“, sage ich mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. Meine Eier sind mir dann doch eindeutig zu wichtig. „Aber vielleicht hast du Lust auf Kino? Ich lad dich auch auf Popcorn und ne Cola ein“, grinse ich und habe dabei ganz andere Gedanken im Kopf. „Von mir aus“, sagt er und wendet sich schließlich von diesem heftigen Sport ab, um mir nach draußen zu folgen. Als wir wenig später im Kino sitzen – und es sind wirklich erstaunlich viele andere Menschen hier – bereue ich meine Entscheidung fast schon wieder. Hier drin haben wir ja noch weniger Kontakt als draußen auf der Straße! Sasuke sitzt in seinem Stuhl, zwischen uns befindet sich diese dumme, störende Lehne und nicht einmal unsere Füße können sich berühren, weil ständig irgendwer durch die Reihe laufen muss. Ätzend. Dabei hatte ich mir das ganz anders vorgestellt. Irgendwie… einfacher und schöner. Nicht so überromantisch, wie es in schnulzigen Filmen vermittelt wird, aber doch schon wenigstens ein bisschen intimer. Jetzt kann ich ja nicht einmal mehr mit ihm reden. Dumme Idee. Ganz dumme Idee. Es ist frustrierend. Fast die Hälfte des Films ist bereits abgespielt und es langweilt mich, hier zu sein. Meine Augen fahren unruhig über die Leinwand, von links nach rechts, immer wieder, und doch erfassen sie nichts. Ich weiß nicht ein winziges Detail von dem, was uns dieser Film zeigen und vermitteln will. Ich suche lediglich nach möglichen Fixpunkten, um nicht dauerhaft zu Sasuke zu sehen. Aber genau das ist unfassbar anstrengend. Ich will ihn sehen. Ich will ihn anfassen. Verdammt nochmal. Warum kann er mir nicht wenigstens seine Hand geben? Mich beruhigen? Mir das Gefühl geben, dass er wirklich hier ist. Mit mir. Ich kann das genervte Stöhnen nicht aufhalten, das meine Lippen verlässt, als ich einen Moment vom Film einfange, der mir nicht gefällt. Bescheuerte Filmverzögerung, das würde mein Vater dazu sagen, wenn sich Hauptdarsteller Nummer eins von Hauptdarsteller Nummer zwei abknutschen und verführen lässt, nur um wenig später eine angedeutete Bettszene zum Besten zu geben. Letztendlich ist es genau der Moment, der mich aufgeben lässt. Ich sehe zu Sasuke, wobei ich wirklich bemüht bin, nicht zu auffällig zu sein und betrachte sein Profil. Seine Züge wirken entspannt, nicht mehr so nachdenklich und konzentriert wie vorhin. Scheinbar kann er hier wirklich abschalten, auch wenn das stetige Naschen vom Popcorn dagegen spricht. Beim Kauf vorhin hatte er noch gemeint, dass er Popcorn eigentlich nicht mag und jetzt verschwindet seine Hand immer wieder wie von selbst in der großen Tüte, die ich für uns beide gekauft habe. Das Grinsen, was sich auf meine folgenden Gedanken hin bilden will, versuche ich zu unterdrücken. Echt mal, mein grandioser Einfall ist so klischeehaft und vorhersehbar, dass es sich genau deshalb so perfekt anbietet. Wenn ich es schaffe, das ganze wie einen Zufall aussehen zu lassen, dann … Ich denke nicht länger darüber nach, befeuchte kurz meine Lippen und passe den Moment ab, als Sasuke seine Hand erneut in die Tüte steckt, nur um es ihm gleichzutun. Zunächst spüre ich gar nichts, doch als ich meine Finger auf der vermeintlichen Suche nach Popcorn ausstrecke, treffe ich auf Sasukes warmen Handrücken und schließlich auch auf seine Finger. Es ist nur eine leichte, kurze Berührung. Mit dem Daumen steife ich seine Haut, ganz sanft. Ein kaum spürbares Zucken nehme ich wahr und alles andere ist Nebensache, als ich wieder zu ihm sehe und Sasukes dunkle Augen auf mir liegen. Er sieht mich an, ohne seine Hand wegzuziehen. Im Hintergrund dröhnen Actionszenen aus den Lautsprechern, doch nichts ist vergleichbar mit dem Gefühl, das mich momentan beherrscht. Es ist so schön, ihn zu sehen und endlich auch wieder von ihm gesehen zu werden. Ob er mir ansieht, dass ich diesen Moment sabotiert habe? Ob er weiß, dass ich es absichtlich inszeniert habe? Vielleicht. Aber es spielt auch keine große Rolle. Sasuke bricht den Kontakt ohnehin wieder ab, leider viel zu schnell für meinen Geschmack. Ich sehe ihn noch schlucken, ehe er sich wieder nach vorn richtet und seinen Blick beinahe starr auf der Leinwand hält. Seine Hand ist ebenfalls weg. Ohne Popcorn. Und er greift auch in den nächsten darauffolgenden Minuten nicht wieder in die Tüte. Scheiße. Dieser Moment eben, das war eindeutig ein Moment zwischen uns. Einer, der einem das Herz stillstehen lässt, obwohl es rasend schnell in der Brust schlägt. Ein Moment voller Gefühle. Selbst in Sasukes Augen habe ich sie gesehen, trotz der schlechten Lichtverhältnisse. Es war nur leider viel zu kurz. Jetzt weiß ich, dass mein Bestreben nicht einseitig ist. Ich weiß, dass Sasuke zumindest ähnlich fühlt. Ich weiß es! Diese Erkenntnis macht mich nervös, unruhig, zittrig und durstig. Ich will mehr. Viel mehr, als nur einmal in seine Seele zu blicken. Ich will es jeden verdammten Tag. Jede Minute. Ab jetzt und für immer, egal wie idiotisch das klingen mag. Meine plötzlich viel zu trockene Kehle erschwert mir das Schlucken und ich greife noch völlig benebelt von meinen Gedanken nach dem Getränk zwischen uns. Sasuke ist noch hier. Er ist nicht geflohen, obwohl er die Chance dazu hätte. Er bleibt. Der Strohhalm liegt zwischen meinen Lippen, befördert zügig kühlende Flüssigkeit in meinen Mund und ich atme seufzend aus. „Das ist übrigens meine Cola, von der du da trinkst“, flüstert mir Sasuke von der Seite in mein Ohr und fuck … ist das sein angenehm warmer Atem, der da über meinen Hals streift? Ist es seine Nähe, sein Geruch, sein Blick, dem ich ausgesetzt bin? Ich fass es nicht. Mein Gehirn scheint gerade vollkommen zu überdrehen, an der Flut neuer Ereignisse, die auf mich einströmen, als ich meinen Kopf wieder leicht in seine Richtung drehe. Der Film ist längst nicht mehr interessant – falls er es überhaupt je gewesen ist. Jetzt ist er nur noch eine begleitende Geräuschkulisse. Seine Augen fixieren mich. Fixieren meinen Mund, der den Strohhalm gefangen hält. Ich schlucke, obwohl ich überhaupt nicht mehr trinke. Das hier ist so … Wahnsinn. Momentan könnte ein Flugzeug neben uns abstürzen und ich würde es vollkommen ignorieren. Diese Situation ist aufregend. Faszinierend und aufwühlend zugleich. Einfach nervenaufreibend, obwohl gar nichts passiert. Da sind nur Blicke. Seine Augen, die ganz langsam über meine Lippen wandern. Wie gern ich sie jetzt in Beschlag nehmen würde. Wie gern ich sie verwöhnen und küssen würde. Sie wirken so einladend, so verführerisch und sehnsuchtsvoll. Im Moment will ich nicht denken, dass ich mir das alles nur einbilde. Nein. Sasuke zieht mich an, doch alles wozu ich mich traue ist den Strohhalm loszulassen und mir betont sinnlich über die Lippen zu lecken. Viel lieber würde ich das jetzt bei ihm machen. Ihn fühlen und schmecken, weil das letzte Mal schon viel zu lange zurück liegt. „Hmmm“, summe ich. Mein Kopf neigt sich seinem ganz von selbst leicht entgegen und ich spüre jeden seiner Atemzüge an meiner Nasenspitze. „Ich hab mich schon gewundert, sie schmeckt tatsächlich ein wenig süßer als meine“, hauche ich mit versucht zweideutiger Betonung zurück. Dass sich mein Blick in seinen Augen verfängt, lässt sich nicht verhindern. Sie sind zu intensiv, zu fordernd. Immer. Doch unter ihnen entsteht eine sanfte, kaum sichtbare Röte auf seiner makellos blassen Haut. Fast wie die Röte, die durch eisige Wintertage auf hohen Wangenknochen entsteht. Eine schöne, einzigartige Reaktion, die ich mir stundenlang ansehen könnte, würde Sasuke sich nicht abwenden, als der Filmabspann beginnt und das Licht allmählich wieder den Saal erhellt. „Du bist ein Idiot“, sagt er sanftmütig. Sogar ein Lächeln zuckt um seine Mundwinkel. Kapitel 8: Annäherungen ----------------------- Annäherungen Angespannt und auf Zehenspitzen laufe ich durch mein Zimmer, bedacht und konzentriert darauf, keinen unnötigen Lärm zu machen, während ich die Spielsachen meines Kindes wieder zusammenräume. Kuscheltiere, Gummibälle, irgendwelche seltsamen Bauklötze und ihr neues buntes Entdeckungsbuch landen kurzerhand alle zusammen in einer blauen Kiste, die ich nach hinten vor das Fenster schiebe, da Hikari gerade friedlich schlummernd ihren Mittagsschlaf hält. Sie liegt in meinem Bett und für einen Moment lausche ich ihrem ruhigen Atem, ehe mir auffällt, dass ich mal dringend zur Toilette muss. Na prima, ausgerechnet jetzt. Seufzend mache ich mich daran, eine riesige Kissen- und Deckenburg um mein Kind zu bauen. Auch wenn ich nicht vorhabe ewig auf dem Klo zu sitzen, ist es dennoch möglich, dass sie sich im Schlaf dreht, und wenn sie das tut und dadurch ganz blöd vom Bett rollt, bin ich am Arsch. Karin würde mir den Hals herumdrehen. Als ich Sekunden später auf mein Werk sehe, kann ich selbst kaum glauben woher ich überhaupt so viele Kissen habe. Ernsthaft? Wer schleppt die Dinger immer an? Vermutlich Karin … Naja, immerhin habe ich sie jetzt für einen eventuellen Sturz gut gepolstert, weshalb ich mich grinsend umdrehe und leise mein Zimmer verlasse. „Hey, ich hab dir deine Post mit hochgebracht. Liegt auf dem Küchentisch“, sagt Juugo, als ich am Wohnzimmer vorbeigehe, nachdem ich das Badezimmer wieder verlassen habe. Er sitzt vor einem neuen, riesigen Käfig und streichelt irgendeinem fellartigen Ding den Rücken. „Okay … was ist das denn?“, frage ich und der Geruch, der mir in die Nase steigt, je näher ich dem Käfig komme, lässt vermuten, dass ich mich zukünftig wohl noch seltener im Wohnzimmer aufhalten werde. „Das sind Frettchen“, erklärt er. „Frettchen? Ist das normal, dass die so stinken?“ Meine Nase kräuselt sich von ganz allein. „Schon, ja. Aber sie bleiben nicht lange hier“, meint er, bevor er das kleine Fellknäuel wieder zurück in den Käfig legt. Seine Aussage jedoch erleichtert mich. Ich hatte schon die Befürchtung diese Tiere würden neue Untermieter werden. „Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet du Sozialwissenschaften studierst. Ehrlich, hast du nie über eine Ausbildung zum Tierpfleger nachgedacht oder so?“ Ich denke laut, während Juugo mir schulterzuckend in die Küche folgt. „Doch schon. Gab aber keine freie Stelle damals“, erklärt er knapp und nimmt sich ein Glas aus dem Schrank, um es anschließend mit kaltem Leitungswasser zu füllen. „Und deshalb gleich Sozialwissenschaften?“ „Warum nicht?“ „Weil es irgendwie nicht passt. Versteh mich nicht falsch, aber hättest du mir damals gesagt, dass du im Zoo arbeitest, dann hätte ich dir das echt sofort abgekauft, wirklich“, erkläre ich überzeugt von meinen Worten und öffne ganz beiläufig meine Post. Es ist nichts Wichtiges dabei. Das meiste davon ist Werbung. Prospekte und Gutscheine von irgendeinem Lieferservice. „Ich hab meine Tiere hier zuhause, das reicht völlig“, erwidert er und es klingt fast wie sein ultimatives Totschlagargument, auf das ich dieses Mal nur mit den Schultern zucken kann. Die Hälfte der Briefe landet im Papierkorb, als ich wieder in meinem Zimmer bin. Hikari ist zum Glück nicht aus dem Bett gekullert und liegt nach wie vor schlafend zwischen aufgetürmten Decken, die ich jetzt vorsichtig wieder wegnehme. Sie muss ja nicht gleich hier liegen wie die Prinzessin auf der Erbse, oder? Und während sie schläft, was noch gut zwei Stunden sein kann, beschließe ich, mich an meinen Computer zu setzen. Nach dem Kinobesuch mit Sasuke, der nun genau zwei Wochen zurückliegt, habe ich nämlich beschlossen, mich so langsam mal wieder intensiver um mein Studium zu kümmern. Ich habe mir Unterlagen besorgt, mich mit einigen Professoren getroffen und festgestellt, dass ich zwar einiges aufzuarbeiten habe, aber dass es nicht unmöglich ist. Außerdem scheint Sasuke in den letzten Tagen auch sehr beschäftigt zu sein. Zu neuen Treffen kam es bisher nicht wieder, weil er ständig seine Arbeit vorgeschoben hat. Aufträge, Meetings … was weiß ich. Allerdings glaube ich nicht, dass er etwas anderes macht. Nach dem Kino ist zwar nichts mehr gelaufen, aber ich hab durchaus gemerkt, dass wir irgendwie einen kleinen Schritt weiter gekommen sind. Einen klitzekleinen Schritt. Nur, dass wir uns in letzter Zeit kaum sehen, stört mich. Es fördert nicht unbedingt meine Absicht, ihm näherzukommen. Ganz und gar nicht, aber es lässt sich nicht vermeiden, wenn seine Nachrichten mir vermitteln, dass er geschäftlich unterwegs ist. Erst gestern hat er mir geschrieben, dass er zu einer Besprechung fahren muss – an den Arsch der Welt, meiner Meinung nach. Und er weiß nicht genau, wann er wieder da sein wird. Super, und ausgerechnet jetzt habe ich das ganze bevorstehende Wochenende frei. „Naruto? Du hast Besuch!“, folgt auf das Klopfen, nachdem Juugo seinen Kopf durch den Türspalt gesteckt hat und mich von meinen Bildschirm ablenkt. Recherchen. Nichts weiter als Recherchen, die mich müde machen. „Komme“, gebe ich als Antwort und schiebe die Notizblätter zur Seite. Juugo nickt nur und dreht sich wieder um, noch bevor ich überhaupt von meinem Stuhl aufgestanden bin. Ein letzter, versichernder Blick auf Hikari und ich folge ihm. Meine Tür bleibt vorsichtshalber mal offen. Vielleicht ist es ja auch nur Kiba, der ein wenig Beschäftigung braucht, weil Hinata zum Junggesellinnenabschied eingeladen ist. Doch es ist nicht Kiba, der vor mir steht, als ich die Haustür erreiche und sie zur Seite ziehe. Es ist erstaunlicherweise Sasuke und shit, ich trage nur so eine billige Jogginghose, während er das perfekte Outfit zur Schau stellt. „Hey.“ „Hey, ich dachte du bist nicht in der Stadt?“ Noch während ich spreche deute ich ihm an, dass er reinkommen soll. Mich streift sein Geruch. Er riecht angenehm nach teurem Parfüm, das ich leider nicht zuordnen kann. Aber verdammt, es ist gut. „Ich bin schon heut Morgen wieder zurückgekommen“, erklärt er. Nebenbei sieht er sich um und sein Blick schweift kurz über die Garderobe und anschließend wieder zu mir. „Eigentlich dachte ich, wir könnten vielleicht irgendwo zusammen was essen gehen oder was unternehmen?“, fragt er mich zögerlich. Seine Haltung wirkt unsicher, als ob er selbst nicht ganz fassen kann, dass er wirklich hier ist. In meiner Wohnung – bei mir. Ich kann es tatsächlich nachempfinden. Für mich kommt das auch sehr plötzlich. „Ich würde jetzt wirklich wahnsinnig gern mit dir irgendwohin gehen. Vor allem weil Juugo neuerdings diese Frettchen im Wohnzimmer stehen hat, aber es geht nicht“, erkläre ich kopfschüttelnd und definitiv mit bedauerndem Unterton. „Okay, dann…“, beginnt er und ich habe automatisch die Befürchtung, dass er jetzt wieder gehen will, als er zögernd überlegt. „Aber ich kann dir gern ein Toast machen, wenn du willst? Hikari schläft hinten und wir können gern danach noch irgendwo hingehen“, werfe ich zügig ein, noch bevor Sasuke sich die Sache anders überlegen kann. Und er nickt. Er nickt tatsächlich. „Okay, gut … was möchtest du? Ich habe … komischen Stinkekäse, Putenwurst …“ „Tomaten? Hast du Tomaten?“ Verwundert suche ich seinen Blick. „Tomaten? Du willst Tomaten auf dein Toast?“, frage ich ihn skeptisch. Sasuke erwidert meinen Blick und zuckt mit den Schultern. „Warum nicht?“ Okay … Das ist seltsam, aber wenn er es so will, dann soll er es auch so bekommen. Irgendwo im Gemüsefach finde ich wirklich noch ein paar Tomaten, die zum Glück noch nicht total vergammelt sind und drücke sie ihm kurzentschlossen in die Hand. Wenig später sitzen wir in meinem Zimmer. Ich am Schreibtisch und Sasuke hat es sich auf meinem Bett bequem gemacht, nachdem er die Tomaten in Rekordzeit gegessen hat. Das Toastbrot liegt allerdings noch immer auf dem Teller, als er diesen neben mir auf dem Tisch abstellt. „Was machst du da?“, fragt er und ich spüre seine Nähe, als er sich leicht zu mir beugt, um über meine Schulter zu sehen. Sein Duft ist jetzt noch intensiver als zuvor. „Nur recherchieren. Mein Prof. meinte, dass das ziemlich wichtig sein wird für die nächste Prüfung und ich dachte, solange Hikari schläft, kann ich mich damit ja mal auseinandersetzen.“ „Und, ist es interessant?“ Seine Stimme wandert direkt in mein Ohr. Schmeichelt mir, ist dunkel und tief, geht direkt durch meinen Körper. „Nicht wirklich“, gebe ich zurück. Ob meine Stimme bei ihm auch ein leichtes Kribbeln erzeugt? Spürt er auch diese Vibrationen, das raue Flüstern? „Hmmm“, überlegt er summend und jeder Ton legt sich zielsicher auf meinen Schritt. Fuck, wenn er nicht aufhört, dann weiß ich nicht, wo es enden soll. „Sieht auch nicht wirklich interessant aus“, murmelt er. Sein Atem streift mein Ohr. Ich spüre die Wärme, die von ihm ausgeht. Zwischen uns liegen vielleicht gerade mal fünf Zentimeter. Lächerliche fünf Zentimeter, die ich nur zu gern auslöschen würde. „Ist eben nur Theorie. Das ist immer langweilig. Mich begeistert viel mehr die Praxis“, flüstere ich ihm dezent unterschwellig zu. Die Zweideutigkeit ist so offensichtlich, dass sich Trockenheit in meinem Mund bildet. „Aber ohne Theorie gäbe es keine Praxis.“ Wie er das sagt. Diese paar kleinen Worte. Oh Gott, alles kribbelt. Wirklich, ausnahmslos alles. Wenn ich mich umdrehe, zur Seite blicke, was werde ich dann sehen? Nur Sasukes Profil oder mehr? Fuck, ich würde so gerne sehen wollen, wie er in diesem Moment aussieht. Ob er weiß, was er in mir hervorruft? „Na zum Glück hat man von der Praxis am Ende mehr, sobald man die Theorie einmal drauf hat“, erwidere ich und atme unbewusst viel tiefer ein, als eigentlich notwendig wäre. „Dann sorg mal lieber dafür, dass du die Theorie schnell drauf hast.“ Das kurze Lachen, das nach seinen Worten folgt, bringt mich beinahe dazu über ihn herzufallen. Es fehlt echt nicht mehr viel. Doch im entscheidenden Moment lenkt Sasuke meine Aufmerksamkeit ab. Sein Arm streift meine Schulter auf der anderen Seite, greift an mir vorbei und ich habe das Gefühl, seinen Oberkörper an meinem Rücken zu spüren. Wann waren wir uns das letzte Mal so nah? Ich weiß es nicht mehr, aber es fühlt sich unglaublich an. Es ist, als wäre es noch nie anders gewesen. Aufregend. Sämtliche Nerven meines Körpers reagieren auf seine Reize und ich frage mich ernsthaft, wie weit ich gehen kann, ohne ihn direkt wieder zu verschrecken. Es ist berauschend, dass all die Initiative momentan von ihm aus geht. Es ist beruhigend. Aber leider verblasst das Kribbeln in meiner Leistengegend, als sich Sasuke nur eines meiner wenigen Bücher aus dem Regal zieht und sich viel zu schnell wieder von mir entfernt. Verdammt. „Stört es dich, wenn ich ein wenig lese?“ „Nein“, sage ich, obwohl ich ihm am liebsten ein lautes Ja entgegen schreien würde. Ernsthaft, warum ist er denn jetzt wieder so kühl? Eben war er noch … Es fällt mir schwer, diese Wendung der Dinge zu akzeptieren, doch ich muss. Ich habe ihm immerhin mein Wort gegeben. Ihm Zeit zu lassen. Zu warten. Aber ich will nicht mehr warten. Und trotzdem lasse ich zu, dass es still wird zwischen uns. Sasuke legt sich hinter Hikari aufs Bett und blättert seelenruhig in dem Buch herum, während ich versuche, mich auf den Text zu konzentrieren, der mir vom Computerbildschirm entgegen strahlt. Endlos viele Worte und jedes dritte scheint mein Gehirn mit Sasuke zu verbinden. Es entstehen Assoziationen, die ich selbst für absolut verrückt halte. Seltsame Verbindungen, die mich ganz wuschig machen. Am Ende habe ich kaum was auf meinem Notizzettel stehen. Im Grunde nur ein Wort, seinen Namen, den ich mit einem unförmigen Herz umrahmt habe. Hinter mir ist es auch verdächtig still geworden. Da rascheln keine umgeschlagenen Blätter mehr. Nur regelmäßiges, ruhiges Atmen erfüllt den Raum, weshalb ich mich umdrehe und nicht nur Hikari schlafend vorfinde. Sasuke sieht so hübsch aus. Sein Gesicht wirkt entspannt und in seinen Händen hält er noch ganz locker mein Buch über Computerarchitektur. Muss für ihn wohl eine sehr langweilige Lektüre gewesen sein, wenn er dabei sogar einschläft. Doch als ich direkt vor ihm stehe, sein Gesicht mir so nah ist, dass ich die Spuren langer Nächte deutlich erkenne, bin ich mir ziemlich sicher, dass es nicht am Buch lag. Sasuke muss wirklich unglaublich viel gearbeitet haben. Von nahem wirkt seine Haut noch blasser und unter seinen Augen liegt ein ermüdeter Schatten. Vereinzelte Strähnen seines tiefschwarzen Haares lenken von diesem kleinen, unbeabsichtigten Makel ab. Ich könnte ihn stundenlang ansehen. Würde ihm nicht von der Seite weichen, solange er hier schläft. Auf meinem Kissen, neben Hikari. Zusammen geben sie ein unfassbar süßes Bild ab, das ich in einem Foto nur für mich festhalte. Alles wirkt harmonisch. Als müsste es genauso sein. Er fühlt sich warm an. Meine Fingerspitzen kribbeln sanft, als sie seine Haut berühren, um ihm die eine lästige Strähne aus dem Gesicht zu streifen. Diese Berührung existiert kaum. Ist nur ein kurzer Hauch und doch scheint es Sasuke zu bemerken. Mit schnell schlagendem Herzen folge ich seinem Versuch die Augen zu öffnen. Er blinzelt. Mehrmals. Ich kann ihn nur ansehen und lächeln. Meine Hand ruht auf dem Kissen neben ihm und auf seinen Augen liegt ein verträumter, müder Schleier, von dem ich mich nicht abwenden kann. Sasuke scheinbar aber auch nicht. Er sieht fast genauso intensiv zurück. Wenn ich diesen Moment beschreiben müsste, würde ich vermutlich kläglich versagen. Es gibt keine Beschreibung. Nichts, was passend ausdrücken würde, wie ich mich gerade jetzt fühle. Da ist Aufregung und Freude. Nervosität und Verlangen, aber auch ganz viel Vorsicht. Ich weiß, ein falscher Schritt und dieser Moment zerplatzt. Und das ist das letzte, was ich will. Herzrasen. Feuer. Blicke. Ich will mehr von dem, was er mir gerade gibt. Viel mehr. Seine Augen schließen sich für Sekunden. Ein kurzes Blinzeln, gefolgt von einem seufzenden Atemzug, der zittrig meine Lippen streift, ehe ich seine Hand in meinem Nacken spüre. Seine Finger sind ruhig. Ruhiger als der Sturm in seinen Augen vermuten lässt. Sie streifen durch mein Haar, sind sanft und vielleicht ein bisschen träge, aber dennoch bestimmend genug, um sanften Druck aufzubauen, der mich in seine Richtung drängt. Er will mich näher? Mir ist nicht klar, wie viel Zeit vergeht. Wie oft sich gerade die Welt um uns dreht oder wie viele Kinder in der Zwischenzeit das Licht der Welt erblicken. Alles verblasst und wird überschattet, als seine Lippen auf meine treffen. Seine weichen, dünnen Lippen. Sasukes Lippen. Es ist nicht grob. Nicht wild und auch überhaupt nicht leidenschaftlich, aber es ist ein Kuss. Ein richtiger, zärtlicher Kuss. Mit langsamen Bewegungen, bei denen ich meine Augen schließe, um sie voll und ganz genießen zu können. Ein Traum könnte nicht schöner sein, niemals. Sasuke raubt mir den Boden unter den Füßen. Raubt mir auch den letzten klaren Gedanken, als sich unsere Zungen berühren. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass dieser erste Kuss nach so langer Zeit ausgerechnet von Sasuke ausgehen würde. Absolut niemals. Zu keinem Zeitpunkt, und doch ist da gerade so viel Gefühl vorhanden, dass sich mein Puls rasend verdoppelt. Seine Finger kraulen meinen Nacken, streicheln und verwöhnen mich. Es ist schön, befriedigend schön. Solange ich mich in diesem Kuss verlieren kann, ist die Welt mehr als in Ordnung. Der ganze Schmerz aus der Vergangenheit ist weg. Hat sich binnen Sekunden in Luft aufgelöst. Es ist das sinnliche, zufriedene Geräusch – einem Schnurren gleich – das diesen Kuss beendet. Ein Schnurren, das von mir kommt und Sasuke zurückweichen lässt. Wache, geweitete Augen sehen mir entgegen. In ihnen spiegelt sich Erkenntnis und Unglaube. Das Ergebnis einer Lippenberührung, die er vermutlich nicht geplant hatte. Als er seine Hand ebenfalls zurückzieht, verlässt mich auch seine wohltuende Wärme und ich habe das Gefühl, dass mein Blutdruck rapide fällt. „Ich …“, beginnt er heiser, räuspert sich beinahe verlegen. Eine Art, die ich so nicht kenne. Liegt das wirklich nur an dem Moment, von dem er selbst überrumpelt wurde? „Ist okay. Vielleicht sollten wir jetzt Hikari wecken und ein wenig an die frische Luft gehen, hm?“, sage ich und biete ihm tatsächlich einen Ausweg an. Mit einem Satz direkt in die Freiheit, wo er Zeit haben wird, um darüber nachzudenken. Zeit, die ihn unter Umständen wieder von mir entfernt. Nur warum fühlt es sich trotzdem richtig an? *** Er hat zugestimmt. Natürlich hat er das. Dafür reden wir jetzt kein Wort mehr miteinander, während wir nebeneinander herlaufen. Durch die Straßen, bis zum Park, wo wir uns schließlich immer noch stillschweigend auf eine Bank setzen. Ganz ehrlich, ich weiß auch nicht, was ich jetzt sagen soll, obwohl da so viele Worte in meinem Kopf sind. Vielleicht bin ich nicht ganz so überfordert mit der Situation wie Sasuke, aber ich kann mir dennoch ganz gut vorstellen, wie sehr es ihn beschäftigt. Sein angespannter Körper verrät es. Verrät ihn und seine Gefühlslage, die er doch sonst immer einwandfrei im Griff hat. Nur jetzt gerade nicht mehr. So deutlich ist zu sehen, dass er grübelt. Über den Kuss. Über den Moment. Vielleicht sogar über uns. Ist das Gefühl, das mich seitdem beherrscht falsch, wenn es ihn scheinbar zu schaffen macht? Keine Ahnung, aber für mich fühlt es sich gut an. Sehr gut sogar. Das bezieht sich nicht auf die Tatsache, dass Sasuke gerade allem Anschein nach ziemlich mit sich zu kämpfen hat, nein. Aber zu wissen, dass endlich etwas passiert ist, fühlt sich im Moment einfach verdammt gut an. In welche Richtung es jetzt auch immer gehen mag, ist eigentlich vollkommen egal, weil mein Kopf in einvernehmlicher Zusammenarbeit mit meinem Herzen schon beschlossen hat, wo das mit uns enden wird. Und dafür bin ich bereit, Sasuke noch ein wenig Bedenkzeit zu lassen. Naja, vielleicht liegt es aber auch an dem Anruf, den Sasuke gerade mit irritiertem Ausdruck im Gesicht entgegen nimmt. „Was willst du?“ Sasukes Stimme neben mir verursacht eine Gänsehaut, die sich selbst unter meiner dicken Jacke ausbreitet. „Ja, ist mir bewusst. Ich fahre heute Abend … was? Nein, vergiss es. Das kannst du schön allein machen“, beteiligt er sich an einem hitzigen Wortaustausch. Mit wem telefoniert er da? „Es ist mein freier Tag, Itachi.“ So wie er das sagt, der tiefe Ton und das samtweiche Grollen in der Stimme, bewegt mich dazu, zu ihm zu sehen. „Ich weiß und ist mir egal. Wenn du meinst, sowas Dämliches zu machen, dann mach es, aber ohne mich! Ich hab mir schließlich nicht grundlos heute frei genommen.“ Ich höre ihn seufzen und sehe, wie sich sein Profil verändert. Seine Gesichtszüge werden hart und distanziert, dabei führen die Schmetterlinge in meinem Bauch regelrecht riesige Freudentänze auf. Bedeuten seine Worte wirklich das, was ich denke? Heißt das, er hat sich extra für mich … Ich wäre im Himmel, wenn das wirklich stimmt. Wahnsinn. Es ist unglaublich, wie er es schafft mich immer wieder aus dem Konzept zu bringen. Ständig neue faszinierende Puzzleteile, die er mir Stück für Stück überreicht. Nicht direkt, oder so. Natürlich nicht. Es handelt sich hierbei schließlich immer noch um Sasuke. „Itachi … Ich finde deine Idee bescheuert“, murrt er laut. Seine Stirn liegt in Falten. Verdammt, was genau verstimmt ihn da so? Worum geht es in diesem Gespräch? „Sie werden es genauso bescheuert finden, das weißt du schon, oder? Sie werden es nicht mögen, auch nicht, wenn du mich dabei hast!“, sagt er genervt, mit knirschenden Zähnen, weil er seine Kiefer fest aufeinander presst. Dann stöhnt er resigniert auf, atmet hörbar aus und fährt sich mit flacher Hand über sein Gesicht. Reibt über strapazierte Augen und in mir stirbt das freudige Flattern sämtlicher Schmetterlinge, als ich merke, dass Sasuke kurz vor einer Kapitulation steht. „Verdammt, Itachi …“, seufzt er hörbar müde. „Meinetwegen, aber nur für zwei Stunden und wenn es beschissen läuft, dann bin ich wieder weg, klar? Ich mache mich nicht für dich zum Vollidioten!“ Und damit gibt er wohl auf. Zerstört auch die letzte Hoffnung in mir, den Tag noch mit ihm verbringen zu können. Toll. Super. Ich hasse es. Wie es aussieht, muss ich mich gleich von Sasuke verabschieden, obwohl ich das überhaupt nicht will. Der unzufrieden wirkenden Verabschiedung nach, will er es genauso wenig. Warum verdammt nochmal hat er dann zugestimmt? Warum hat er einfach nachgegeben? Was ist so wichtig, dass er nicht mehr hier bei mir bleiben kann? „Meine Eltern haben Hochzeitstag“, erklärt er knapp, nachdem er das Gespräch mit seinem Bruder beendet hat und das Handy wieder still in seiner Manteltasche liegt. „Okay“, erwidere ich. Ich weiß sowieso worauf es hinausläuft. „Heute. Er ist heute“, meint er leise, nachdrücklich, als müsse er mir deutlicher sagen, was ohnehin schon offensichtlich genug ist. Ich nicke nur. „Normalerweise feiern sie diesen Tag nicht. Das haben sie noch nie wirklich. Meistens gab es nur ein gemeinsames Abendessen im engsten Kreis der Familie, nicht mehr, aber mein Bruder hat sich jetzt eine spontane Überraschungsfeier in den Kopf gesetzt und will, dass ich dabei bin“, wieder ist da dieser dunkle, fiese Unterton in seiner Stimme. Ein Merkmal seiner Unzufriedenheit. „Kann man wohl nichts mehr machen, hm?“, entgegne ich mit schwindender Hoffnung. Um uns herum ist es still. Zu still. Kein Vogelgezwitscher, kein Straßenlärm – nichts. Selbst Hikari verhält sich ruhig in ihrem Wagen, auch wenn sie wach ist und ihre Augen uns beobachten. „Nein“, bestätigt er leise. „Aber ich melde mich, wenn ich den Tag überlebe, okay?“ Ein sanftes Schmunzeln begleitet seine Worte. „Okay, ich hab übrigens frei und werde vermutlich zuhause sein“, gebe ich zurück, als er bereits aufgestanden ist. Er lächelt leicht und geht, während ich einfach mal hoffe. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Hoffe auf die Chance, diese Beziehung zwischen uns endlich zu vertiefen. *** Nachdem er mich im Park allein gelassen hat, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Den ganzen Tag nicht. Es kam keine Nachricht, kein kurzes Telefonat – nichts. Ist das seine Art, eine durchaus existente Tatsache zu verdrängen? Will er die Sache herunterspielen, als wäre sie niemals passiert? Sieht er den Kuss zwischen uns womöglich nur als Ausrutscher? Mittlerweile habe ich eindeutig zu viel Zeit gehabt, um nachzudenken. Mir gefallen diese Gedanken nicht. Absolut nicht. Sie sind wie Gift, wie Herpes, das man verabscheut aber nicht immer verhindern kann, wenn man die Veranlagung dazu hat. Wie hält man aber Gedanken auf sich falsch zu entwickeln, wenn der Verursacher sich in Schweigen hüllt? Verdammt, Sasuke macht mich wahnsinnig. Selbst dann noch, wenn er gar nicht anwesend ist. Oder vielleicht gerade weil er nicht anwesend ist. Was weiß ich. Jede Tätigkeit, die ich bisher an diesem Sonntag begonnen habe, endete vorzeitig, fahrig und abrupt. Absolut auf nichts konnte ich mich länger konzentrieren, weil ich alle paar Minuten auf mein Handy geguckt habe. Vielleicht ist er ja wirklich beim Hochzeitsessen mit seiner Familie gestorben? Obwohl, ich kenne Mikoto, das würde sie nicht zulassen. Irre Gedanken, die meinen Kopf überfluten, als ich mich ins Wohnzimmer setze und Juugo dabei beobachte, wie er diesen scheußlich stinkenden Frettchenkäfig säubert. „Was ist los?“ „Hm?“ „Du siehst aus, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen.“ Keine Laus, aber dafür Sasuke. Beziehungsweise die Arschlochseite von Sasuke Uchiha. „Mh, nee … passt schon“, brumme ich zur Antwort. Juugo macht das Fenster auf, als er fertig ist, was ich eigentlich ganz gut finde, würde nicht augenblicklich kalte Luft ins Innere der Wohnung strömen. Na toll. Und wo sind jetzt die Decken, die hier sonst immer rumliegen? „Bist du sicher? Ich hab nämlich keine Lust darauf meine Wohnung als Trümmerhaufen wiederzufinden, wenn ich morgen wieder zurückkomme. Wenn dich was frustriert dann rede lieber jetzt“, meint er, blickt mich an mit seinen kleinen roten Augen. Was ist das überhaupt? Trägt er Kontaktlinsen? „Ja, ich will nicht drüber reden“, entgegne ich seufzend und genervt. Ich kann doch auch nichts dafür, dass meine Laune auf dem Tiefpunkt ist. Immerhin habe ich gedacht, dass sich Sasuke gleich nach diesem Familienfest wieder bei mir meldet. Ein kleiner Teil meines Gehirns hat sogar gedacht, dass er sich noch währenddessen meldet, aber nichts da. Ich habe mich verrannt. Schrecklich. „Okay, in meinem Zimmer wäre ein Boxsack, also bevor du dich an den Möbeln vergreifst, kannst du dich da austoben“, sagt er leichthin, beinahe so, als wäre ich in meiner momentanen Verfassung ein unberechenbares Monster. Was denkt der denn von mir? Dass ich über sämtliche Tische und Stühle herfalle, sobald er aus dem Haus ist? Ich schüttle den Kopf, über diesen unsinnigen Gesprächsverlauf und will gerade zurück in mein Zimmer gehen, um dort auf meinem Bett zu liegen und weiter vor mich hinzugrübeln, warum Sasuke mir nicht mal auf die einfachsten Nachrichten antwortet, und das obwohl er sie gelesen hat, als es an der Tür klingelt. „Naruto, es hat geklingelt“, kommt es nüchtern von Juugo, der an mir vorbei geht und im angrenzenden Badezimmer verschwindet. „Ach, was du nicht sagst.“ Seufzend begebe ich mich zur Tür, drücke auf den Summer, um unten die Haustür zu öffnen und warte einen Moment, ehe ich auch oben die Tür einen Spalt weit öffne. Ich kann mir nicht im Ansatz vorstellen, wie sich meine Gesichtsmimik innerhalb weniger Sekunden verändert, als ich realisiere, wer da die Treppen hochgekommen ist. Das einzige, was ich mit erschreckender Sicherheit merke ist, wie sich meine Laune hebt. „Sasuke… Wo kommst du denn her?“, frage ich dumm. Ernsthaft? Wo kommst du her? „Von unten würde ich sagen“, antwortet er. Dass er dabei irgendwie planlos wirkt, ist nur Zufall, oder? Ich meine, er sieht etwas durch den Wind aus, ein bisschen durcheinander vielleicht. Oder rede ich mir das jetzt gerade ein, um selbst von meiner Dummheit abzulenken? „Ähm ja, blöde Frage. Willst du reinkommen?“ „Nein…“, sagt er. „Wie nein?“ Er irritiert mich. Seine Erscheinung irritiert mich. Warum ist er hier, wenn er doch nicht reinkommen will? „Ich glaube, ich muss mit dir reden.“ Gut. Reden. Reden klingt gut. Oder? „Und das willst du im Hausflur machen?“, hake ich nach. Meine Fresse, was wird das hier gerade? Warum sieht er so aus, als würde er gleich den Kopf verlieren? Also nicht im wörtlichen Sinne, aber seine Haltung ist ungewohnt unstetig. „Ja … nein …“, erwidert er fahrig und als er sich eine Haarsträhne zur Seite streicht, weiß ich, dass mich mein Empfinden nicht täuscht. Sasuke ist nervös. Irgendwie jedenfalls. „Sasuke, was ist …“ „Sag mal, bist du grade allein? Also ich meine allein, so richtig allein?“ „Hä? Also, fast. Juugo wollte gleich weg, dann wäre ich theoretisch allein.“ „Gut…“, macht er nachdenklich. „Dann, also …“ „Okay, bin dann weg, lass die Bude stehen, Naruto“, unterbricht ihn Juugo, bevor er sich mit Vogelkäfig in der Hand an uns vorbeischiebt. Sasuke sieht er nur kurz an, ehe er eilig im Treppenhaus verschwindet. „So, jetzt wäre ich allein, es sei denn, du kommst rein, dann bin ich nicht mehr allein“, sage ich im Anflug eines Lächelns. „Ja“, nickt er, bewegt sich aber nicht. „Okay …“, dränge ich ihn, weil es kalt wird. Außerdem muss nun wirklich nicht die ganze Nachbarschaft mitbekommen, worüber Sasuke mit mir reden will. „Ja“, wiederholt er sich, nickt und scheint sich endlich zu bewegen. Zögerlich setzt er einen Fuß vor den anderen. Jetzt stehen wir da. Voreinander. Im Flur. Wie gewohnt schweigend, während ich voller Erwartung bin. Sasuke macht es unerträglich spannend. Was genau will er mir sagen? Was ist es, was es ihm so schwer macht? Am liebsten würde ich ihm diese Fragen stellen, würde ihm das Sprungbrett geben, das er scheinbar nötig hat, doch ich tue es nicht. Weil seine Worte genauso gut negativ ausfallen können. Nur deshalb. Wenn er mir sagt, dass er meine Gefühle nicht erwidert, was ich ihm keinesfalls abkaufen werde, dann wird es trotz allem unheimlich wehtun. Das will ich nicht. „Weißt du noch, als ich dir damals gesagt habe, dass ich nicht auf Mädchen stehe?“, fragt er plötzlich, total aus dem Zusammenhang gerissen und ich nicke. „Daran hat sich nichts geändert.“ Mein Herz klopft wild, bei dieser Aussage, obwohl ich nicht wirklich geglaubt habe, dass es anders sein könnte. „Ich hab gesagt, dass ich auf raue Hände stehe, richtig?“ „Ja.“ „Und auf tiefe Stimmen …“ Ich nicke. Was wird das? Wo führt dieses Gespräch hin? Sasukes Blick ist unfixiert, wandert beinahe unruhig durch den Flur, über mich und wieder zurück. Was soll das? „Manchmal hast du keine rauen Hände.“ In seiner Stimme schwingt Erkennen mit. Eine Feststellung, keine Reue. Mein Herz pocht trotzdem zu schnell. „Du hast meistens nicht einmal eine tiefe Stimme.“ Aber das hatte ich doch noch nie, will ich ihm am liebsten entgegen schreien. Mich verteidigen, weil ich nicht weiß, warum er mir das jetzt alles sagt. Wohin uns das führt. „Aber du hast einen Schwanz“, murmelt er leise, fast verlegen. Okay, jetzt wird es seltsam. Sein Blick wirkt glasig, als er mich endlich richtig ansieht. „Sasuke? Bist du irgendwie betrunken?“, frage ich, weil es die einzige Möglichkeit ist. Im nüchternen Zustand würde er mir doch jetzt niemals sowas sagen, oder? Sein Blick wirkt kurz abwesend, ehe er sich wieder auf mich richtet. „Ich hab gesagt, dass ich auf dich stehe“, haucht er. Meine Frage scheint er einfach zu ignorieren. „Ich … ich kann es nicht ändern“, sagt Sasuke, mit leichter Verzweiflung und etwas, das ich nicht ganz einordnen kann. „Was? Was, Sasuke?“ „Auf dich zu stehen! Ich kann nicht ändern, dass ich auf dich …“ Er endet abrupt, als ich die Distanz zwischen uns verringere und ihm meine Lippen aufdrücke. Ich muss ihn küssen. Muss ihm zeigen, wie erleichtert ich bin, dass er mir das gesagt hat. Dieses Mal sind die Bewegungen nicht mehr langsam, nicht mehr sanft. Sasuke erwidert die Berührung ebenso stürmisch und grob, wie ich sie begonnen habe. Mehr noch, er zieht mich an sich, keucht. Es ist gut. Fühlt sich so gut an, ihn zu küssen, ihn zu schmecken. Nicht einmal die feine Note von irgendeinem alkoholischen Getränk, das ich von seinen Lippen lecke, stört mich. Überhaupt nicht. Dieser Moment ist echt. Unvergleichlich und Realität. Sasukes Zunge drängt sich in meinen Mund. Seine Zähne beißen, bohren sich in meine Unterlippe, je mehr ich ihn an mich drücke. Meine Finger krallen sich in sein Haar und ich stöhne gemeinsam mit ihm auf, als wir auf meine geschlossene Zimmertür treffen. Seine Lippen lösen sich, halten für einen Moment inne, während er mir durch halbgeschlossene Augen entgegenblickt. „Weißt du, was du willst?“, flüstert er fragend gegen meinen Mund. Der Schleier um meinen Kopf, der sich innerhalb von Sekunden gebildet hat, macht es mir fast unmöglich richtig zu antworten. Zuerst ist da nur ein Nicken, das ich zustande bringe. „Wirklich?“ „Ja“, entgegne ich heiser. Ja, natürlich weiß ich das. Ich will Sasuke. Ich will ihn endlich. „Ganz sicher?“ Warum zögert er denn noch? Er merkt es doch. Das Problem zwischen meinen Beinen existiert doch bereits und lässt sich nicht mehr leugnen. Wie eindeutig braucht er es denn noch? „Ja, verdammt. Ich bin mir sicher“, bestätige ich und jetzt klinge ich hoffentlich so dunkel und verführerisch, wie er es mag. Meine Stimme hört sich in meinen Ohren jedenfalls um einiges tiefer an als sonst und der Kuss, den ich entfache, wird von ihm hungrig erwidert. Sein Stöhnen verschlucke ich, aber es ist geil. So verflucht geil, dass ich die nächsten Minuten wie im Rausch erlebe. Wir stolpern in mein Zimmer, über Kleidung, die wir uns vom Körper reißen. Die Küsse zwischen uns sind ungehemmt, voller Verlangen und mir wird heiß. Rasend schnell wird mir unheimlich warm, im Gesicht, in der Brust – überall. Ich brenne, so wie Sasuke, als er über mir ist. Nackt und schön. Er sitzt auf mir, bewegt sich … Ich spüre alles. Jede Bewegung. Jeden Muskel, den er zusammenzieht. Es geht so schnell. Das alles hier, doch jetzt kann es nicht schöner sein. Warme, weiche Haut liegt unter meinen Händen. Ich fühle seinen Rücken, halte seine Hüfte, die er rhythmisch kreisend auf mir bewegt. Er legt den Kopf in den Nacken und stöhnt, als ich ihm entgegen komme. So tief. So warm und eng. Sasuke vernebelt meine Sinne. Zunehmend. Meine Sicht verschwimmt, als er sich hart auf mich senkt, mich noch tiefer lässt und doch hab ich noch nie klarer gesehen als jetzt. Er ist unglaublich. Sieht so schön aus. Seine Augen sind geschlossen. Seine Lippen rot und geschwollen. Immer wieder bohrt er seine Zähne genussvoll in seine Lippen, je tiefer und schneller ich ihn ausfülle. Sasuke beherrscht das Tempo vollkommen. Sasuke beherrscht mich, drückt mich mit einer Hand fest aufs Bett und ich verspüre nicht das geringste Verlangen, jetzt etwas daran zu ändern. „Sasuke …“, stöhne ich voller Zufriedenheit, während meine Hände in seinen Nacken wandern. Ich kraule ihn sanft, halte ihn fest, als er sich aufbäumt, ehe ich ihn zu mir nach unten ziehe. Seine Brust kommt schwer auf meiner zum Liegen, doch ich konzentriere mich nur auf seine Lippen. Küsse ihn, während er sich auf mir bewegt. Da ist nur noch Sasuke. Im ganzen Zimmer nur noch Sasuke. Sein Duft, seine Wärme, alles von ihm umhüllt meine Sinne, verführt sie, bettet sie ein. Fast wie damals. Ähnlich, aber es ist besser. Noch besser. „Gooott … oh ohh … fuuuck“, keuche und stöhne ich. Seine Haut schmeckt salzig. Ich kann nicht mehr, aber Sasuke scheint kein Ende zu sehen. Im Gegenteil. Er quält mich, als er sich aufrichtet, sodass meine Lippen den Kontakt zu seiner Haut verlieren. „Sasuke …“, verlässt ein tiefes Knurren meine Kehle, als er sich weiter von mir entfernt. Ich will ihm nach, ihn aufhalten. Was auch immer er tun will, mich hier kurz vorm Ende liegen zu lassen ist unfair. Doch Sasuke grinst nur. Er grinst und ich habe das Gefühl völlig den Verstand zu verlieren. Den Versuch, ihm nachzugehen, ihn wieder an mich zu pressen, vereitelt er, indem er mich zurück aufs Bett stößt. Was zum … Ich kann kaum richtig protestieren, da hat er sich schon umgedreht, wirft ein Bein wieder über mich und rutscht hoch zu meinem Becken. „Hnhm …“, seufze ich, weil mein harter Schwanz seinen Hintern streift. Wieder, immer wieder. Sich an mir reibend sitzt er auf mir. Bewegt sich hin und her, während ich hinter ihm stöhne. „Shit, Sasuke …“, keuche ich angestrengt. Meine Hände finden Platz an seiner Hüfte. Helfen ihm, unterstützen und dirigieren ihn, ohne dass ich in den Genuss komme wieder in ihm zu sein. Solange, bis ich es einfach nicht mehr aushalte. Ich stütze mich hoch, hauche nebenbei verspielte Küsse auf seinen Nacken. Sasukes Rücken ist warm und verschwitzt. Ich fühle seine Muskeln, alles. „Du bist so … hmm … geil“, stöhne ich in sein Ohr. Hier mit ihm zu sein, diese Dinge zu tun, raubt mir den Verstand. Meine Finger greifen um seine Oberschenkel, ehe ich ihn leicht anhebe, um wieder in ihn einzudringen. Hitze empfängt mich erneut. Unschlagbare, wohlige Wärme. Fuck! „Hmm, Naruto … ahh … ich, fuuuck …“ Sasukes dunkles Stöhnen erfüllt meine Ohren, treibt mich an fester in ihn zu stoßen. Gott, ich könnte es ewig so weiter treiben. Ewig. Aber es findet viel zu schnell ein Ende, als Sasuke vor mir zu seinem Orgasmus kommt, in meiner Hand, schnell und hart. Ich reibe ihn weiter, noch ein bisschen, bis auch ich stöhnend in ihm komme. Wir fallen zurück aufs Bett – Sekunden später. Schweres Atmen liegt zwischen uns und ich drehe mich zu ihm. Seine Augen sind geschlossen, die Wangen leicht gerötet. Er sieht gut aus. Zufrieden. Ruhig. „Sasuke“, hauche ich entspannt, während meine Finger sehnsüchtig über seine Stirn streifen, hinab zu seinem Kinn. Er öffnet die Augen, ganz leicht. „Ich liebe dich“, gestehe ich ihm flüsternd, ehe der Moment verschwinden kann. Ich erwarte keine Erwiderung. Ich erwarte nichts, nur dass er bleibt. Mehr nicht. Ich will nicht, dass er bereut, was er eben mit mir getan hat. Seine Augen schließen sich seufzend, bevor er näher rutscht, seinen Kopf auf meine Brust legt. Von mir aus kann es so bleiben. Für immer. Kapitel 9: Liebe ---------------- Liebe Es ist schwer zu beschreiben, schwer zu verdeutlichen, wie leicht es tatsächlich ist, sich in seinen Gefühlen zu verlieren. Es reicht eine Berührung, eine einfache Geste, manchmal nur ein flüchtiger Kuss auf geschlossene Lippen. Du denkst, es ist ein Traum. Eine schöne Erinnerung oder eine faszinierende Lichtspiegelung, wie ein Regenbogen, der plötzlich deine Sinne verführt und dich glauben lässt, dass alles gut wird. Da ist nichts Schlechtes, nichts Böses mehr – du fühlst dich gut, so lange er da ist. Der Moment, der dein Herz berührt. Du musst nicht mehr tun, als ihn festhalten. Die Chance ergreifen, den wundervollen, einzigartigen Moment verinnerlichen, wenn du begreifst, was dein Herz schon immer wusste. Verschließ es nicht mehr, halt es nicht mehr zurück. Ab jetzt kann es nur noch eine Richtung geben. Nur noch einen Weg, der breit genug ist für zwei. Für mich und Sasuke. Sollte es trübe Gedanken geben, die schwerelos zwischen uns dahintreiben, dann will ich sie nicht sehen. Es sind nur taube Gespenster, ein Trugbild des Herzens, das noch nicht vollständig erkannt hat, was offensichtlich ist. Für mich existieren sie nicht. Ich spüre nur Sasuke, neben mir liegend in meinem Arm, seine Haut an meiner. Es ist ruhig. Wir atmen schwer, gemeinsam. Darüber, was das hier genau ist, haben wir nicht gesprochen. Noch nicht. Es wurde weder von ihm noch von mir durch irgendeinen Begriff definiert. Unser Zusammensein beschreibt eine Zeit, in der es nur uns gibt. Es gibt Küsse, es folgen Berührungen und Gespräche zwischen dem Hier und Jetzt, haarscharf vorbei an der Realität. Ist das eine Beziehung? So richtig, mit allem Drum und Dran? Nie im Leben würde ich mich soweit aus dem Fenster lehnen und unser existierendes Dasein als Beziehung deklarieren, wenn ich nicht mal im kleinsten Ansatz Sasukes Gedanken dazu kenne. Vielleicht ist es eine Beziehung. Vielleicht ist es das, was wir uns aus ganzem Herzen wünschen. Zusammensein, er und ich. Auf jeden Fall ist es etwas, das auf der Basis gleicher Gefühle besteht und das sich stumm, einvernehmlich und ohne Austausch großer Worte einfach entwickelt hat. Etwas anderes zu behaupten wäre falsch. Wenn ich so darüber nachdenke, dann kann man diese Form des Zusammenseins nicht mehr anders beschreiben, richtig? Wir sind zusammen, führen eine Beziehung, sind nicht mehr länger allein. Wir sagen es nur nicht, vermutlich aus Vorsicht und Angst, etwas so Frisches und Junges kaputtzumachen, bevor es richtig angefangen hat. Ob Sasuke allerdings meine Ansicht der Dinge tatsächlich teilt, kann ich nur vermuten. Er ist schweigsamer, stiller geworden und noch nachdenklicher als vor Wochen, als er mir gestanden hat, dass er noch immer auf mich steht. Jedoch auf körperlicher Ebene sind wir uns seither noch nie näher gewesen als jetzt. "Itachi feiert seinen Geburtstag am Wochenende", nuschelt Sasuke halblaut an meinem Hals. Wir liegen noch immer im Bett. Die schwere, schläfrige Stille hat uns längst ergriffen. Es ist nur eine sinnlose Frage der Zeit, bis wir ihr erliegen. "Ich weiß, seine Statusnachricht hat ihn verraten", erwidere ich müde. Sasukes Haar riecht leicht nach Kirschblüten. Aber vielleicht ist es auch nur Einbildung, ein Streich meines Gehirns, weil ich mit ihm am Vormittag noch unter einem blühenden Kirschbaum stand. Küssend. Ganz zufällig. "Hm", macht er und lässt die Stille zurückkehren. Beinahe habe ich das Gefühl, dass Sasuke mehr sagen wollte. Mehr, als nur den banalen Hinweis auf den Geburtstag seines Bruders, der mich doch eigentlich sowieso nicht interessiert. Doch die Bitte erholsamen Schlafes zerrt an meinem Körper, je länger ich versuche diesen wachähnlichen Zustand aufrecht zu erhalten. "Wir sind eingeladen." Okay, das wusste ich nicht. Sasukes Stimme ist dumpf, kurz davor dem Dämmerzustand nachzugeben, der seinen Körper schon längst beherrscht. "Wir?", hauche ich dennoch, in Berücksichtigung übergreifender Freude, weil ein einziges, winziges Wort so unfassbar viel bedeuten und verändern kann. "Ja, wir", sagt er und es klingt so, als wäre das die Endgültigkeit, das letzte kleine Zugeständnis von Sasuke, das es gebraucht hat, um all das hier richtig zu fühlen. Die blöden Geister voll und ganz zu vertreiben, um offen genug zu sein für das Gemeinsame, das Schöne. Nur ein Satz von mir begleitet unser Einschlafen: "Wir ... klingt schön!" *** Es ist Sonntagabend, eine Stunde bevor mich Sasuke abholt um den Geburtstag seines Bruders zu feiern. Eine, mir bleibt eine Stunde, nur noch eine verdammte Stunde, um das perfekte Outfit zu finden, mich irgendwie ansehnlich herzurichten und das einfallsreichste Geschenk aller Zeiten einzupacken. Eine riesige Flasche Jack Daniels aus dem Sonderangebot. Ob Itachi sowas trinkt? Keine Ahnung, ehrlich. Aber besser als mit leeren Händen dort zu erscheinen, richtig? Es ist unglaublich, wie nervös ich bin, was ich mir für Gedanken mache, während ich planlos durch die Wohnung laufe, von einer Ecke in die nächste. Dabei hab ich Kiba neulich noch großspurig davon berichtet, wie cool es doch ist und wie überaus glücklich es mich macht, dass Sasuke mich zu seiner Familie mitnimmt und keine Sekunde habe ich geglaubt, dass es für mich in einer Katastrophe enden könnte, doch jetzt würde ich am liebsten kurz mal in den nächsten Flieger steigen, um mich irgendwo in der Antarktis mal schnell abzukühlen. Ich schwitze. Mir ist warm. Meine Haare kleben leicht in meinem Nacken, dabei habe ich schon drei Mal geduscht und für ein weiteres Mal ist keine Zeit mehr. „Naruto… es klingelt! Gehst du mal …“ „Nicht jetzt!“, brülle ich gehetzt zurück und Juugo seufzt schwer. „Ich kann aber auch nicht …“ „Warum nicht?“ Meine Stimme wird gedämpft von dem Hemd, das ich mir zügig über den Kopf ziehe. Jedenfalls versuche ich es. Verdammt, ich hätte doch den oberen Knopf öffnen sollen. „Mein Vogel sitzt auf dem Schrank …“ „Du vögelst auf einer Bank…?“ Ernsthaft? Ich keuche, als ich mich mühselig aus dem verhedderten Hemd winde. „Idiot, die Kiki fliegt durchs Zimmer und jetzt mach endlich die beschissene Tür auf!“, ruft er atemlos. „Das Klingeln macht sie ganz kirre… so krieg ich sie nie…“, seufzt er und ich ebenfalls. Juugo und seine Vögel. Warum lässt er sie auch ständig raus, wenn er sie danach wieder einsammeln muss? Versteh ich nicht. Und jetzt gerade ist es einfach nur lästig. Schwer atmend stolpere ich zur Tür, allerdings nicht, ohne nochmal vergewissernd auf die Uhr zu sehen. Sasuke dürfte es eigentlich noch nicht sein, zu früh kommt er nämlich genauso selten wie zu spät. „Erwartest du denn jemanden?“, frage ich noch beiläufig, während ich den Summer betätige. „Eigentlich nicht … Oh fuck, ist das Küchenfenster zu, Naruto?“ „Keine Ahnung … warum fragst …“ „Meine Kiki …“, ruft er panisch und im nächsten Moment piepst es ungeheuerlich laut, als würde das Tierchen am lebendigem Leib verbrennen. „Oh …“ Ich würde ihm ja helfen, wenn ich wüsste wie. Normalerweise ist Juugo derjenige mit dem besonderen Draht zu Tieren. Er versteht sie, ich jedoch nicht. „Gott, die arme, jetzt ist sie ganz zerzaust“, flüstert Juugo mitfühlend, als er nach heftigen Gerumpel aus der Küche kommt. Der bunte Vogel hockt eingeschüchtert in seinen Händen. Und ehrlich, nicht nur der Vogel sieht zerzaust aus, auch Juugo und vor allem die Küche … „Ihr Herz pocht ganz fürchterlich wild“, nuschelt er und verschwindet im Wohnzimmer, im selben Moment als es an der Tür klopft und ich sie öffne. „Karin?“, begrüße ich sie erstaunt. „Waren wir verabredet? Heute?“ Ihr Blick zeigt deutlich, dass sie mir anhört, wie unpassend ich ihr Auftauchen empfinde. Meine Zeit rennt. Ich glaube, ich habe nicht mal mehr eine halbe Stunde, bis Sasuke hier auftaucht. „Also ja, nein … eigentlich …“, sie seufzt, fährt sich mit einer Hand durch ihr rotes Haar. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie sich hübsch gemacht hat. Unglaublich hübsch. Sie trägt ein schönes, kurzes Kleid, das elegant ihre Beine betont und ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie es für mich schon einmal getragen hat. „Willst du ausgehen?“, frage ich perplex. Also nicht, dass ich ihr das nicht gönnen würde. Nein, nur warum hat sie Hikari dabei? „Nein“, sie schüttelt den Kopf. „Nicht direkt.“ „Sondern? Ich bin wirklich etwas in Eile, Karin“, meine ich mit flüchtigem Blick auf meine Uhr. Jetzt werde ich das Hemd wohl oder übel nehmen müssen, ob ich will oder nicht. „Ich … ich wollte …“, etwas unsicher sieht sie mich an, wandert mit ihrem Blick über meine Erscheinung und das, was sie sieht scheint ihr die restliche Zuversicht zu nehmen. „Du gehst weg, oder?“, flüstert sie schließlich. Ich nicke nur. „Naruto, ich hab ein wichtiges Meeting und ich weiß, dass das sehr plötzlich kommt. Ich bin auch überhaupt nicht begeistert, aber du musst Hikari nehmen, wirklich.“ „Aber das geht nicht. Das ist dein Wochenende“, fahre ich sie etwas harsch an, obwohl ich es eigentlich gar nicht so meine. „Karin, ich bin so gut wie weg, ich kann Hikari nicht nehmen.“ „Und ich kann diesem Kunden nicht mehr absagen. Ich würde dich nicht bitten, wenn ich eine andere Möglichkeit hätte.“ „Aber Sasuke wartet bereits unten auf mich“, höre ich mich übereilt sagen, als ich das Vibrieren meines Handys spüre. Karin versteift sich allerdings nur minimal und für eine unbedeutende Sekunde, ehe sie seufzt. „Und was machen wir jetzt?“, fragt sie sanft, aber ratlos. Sie wirkt nicht so, als würde sie auf irgendetwas beharrlich bestehen, eher so, als wäre sie wirklich gewillt mit mir gemeinsam eine Lösung zu finden. Nur fällt mir leider gar nichts ein. Ich kann sie ja schlecht mitnehmen, auch wenn ich mir kurzzeitig wirklich vorgestellt habe, wie Sasukes Eltern reagieren würde, wenn ich plötzlich Hand in Hand mit ihrem Sohn und einem Kinderwagen vor ihnen stehe. „Ich kann sie unmöglich mitnehmen …“, murmle ich deshalb enttäuscht und bin bereits dabei mein Handy zu entsperren. „Lass sie hier, ich muss nur eben Sasuke absagen…“ Ihr entschuldigender Blick hilft mir leider überhaupt nicht. Das macht nämlich alles nur noch schlimmer, echt. Auch wenn ich vielleicht wirklich wahnsinnig nervös bin und die Befürchtung habe mich dauerhaft und bleibend zu blamieren, habe ich mich dennoch riesig auf diesen Abend gefreut. Es wäre ein so wichtiger Schritt gewesen und … „Ich kann aufpassen“, kommt es von hinten, von Juugo, der mit diesen paar Worten volle Aufmerksamkeit bekommt. „Wirklich?“, frage ich zeitgleich mit Karin. „Warum nicht? Ich hab nichts vor und das erste Mal ist es auch nicht“, sagt er und stellt sich neben mich. Für meinen Geschmack ruhen seine Augen einen Moment zu lang auf Karin, um nichts Tieferes hineinzuinterpretieren. Ich grinse jedoch nur. „Okay, also von mir aus geht es klar!“, strahle ich und lösche die halbe Nachricht, auch wenn Karin noch einen Moment zögert. „Karin, vertrau Juugo, er kriegt das schon hin. Außerdem schläft sie doch sowieso die meiste Zeit“, versuche ich sie zu überzeugen, während ich mir die Schuhe anziehe und nach einer passenden Jacke greife. „Na gut, dann …“ „Super, ich bin dann mal weg!“ Meine Stimme überschlägt sich vor Freude und ich lasse keinen Platz für ein schlechtes Gewissen, drücke Karin noch schnell im Vorbeigehen einen kleinen Kuss auf die Wange und verschwinde im Treppenhaus. Der Jack Daniels bleibt vergessen zurück. *** „Hey“, sage ich lächelnd, nachdem ich Sasukes Auto erreicht und mich neben ihn auf den Beifahrersitz gesetzt habe. Sein Blick richtet sich auf mich und … ja was soll ich sagen? Er sieht toll aus, verdammt toll. Und er riecht gut. Wie immer eigentlich aber heute besonders intensiv. „Hey“, erwidert er leise und ich beuge mich vor. Warme Haut schmiegt sich an meine Finger, die seinen Hals berühren, während ich ihn küsse. „Weißt du, dass du scharf aussiehst?“, flüstere ich heiser an seinen Lippen. Sie sind geschlossen, verziehen sich nur dezent zu einem leichten, aber wissenden Schmunzeln. „Wirst du das auch zu meinen Eltern sagen?“, fragt er neckend. „Hmm, sollte ich denn?“ Als ob ich das wirklich jemals tun würde. Im Leben nicht. „Meine Mutter würde dir dann vermutlich nicht mehr von der Seite weichen.“ „Willst du mir damit sagen, dass deine Mutter auf mich steht?“ Etwas irritiert verziehe ich mein Gesicht bei dieser Vorstellung. Sasuke redet so trocken, dass ich echt manchmal nicht weiß, was er ernst meint und was nicht. Oh Gott! Er schmunzelt mir entgegen, als er an einer roten Ampel hält. „Nein“, sagt er. „Ich glaube, dein Haar wäre ihr zu blond.“ „Was? Aber mein Haar ist toll. Das muss man lieben, selbst deine Mutter!“, erwidere ich halb schmollend. Der folgende Seitenblick in den Spiegel dient nur einer vorsorglichen Vergewisserung, ob sie noch genauso wuschelig schön aussehen wie heute Morgen. Danach wird es still zwischen uns. Angenehm ruhig. Jedenfalls so lange, bis ich doch wieder etwas sage. „Wie lange müssen wir fahren?“, frage ich mit Blick auf sein Profil. „Halbe Stunde, wenn wir gut durchkommen.“ „Hm“, mache ich nachdenklich. „Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte?“ Meine Hand legt sich leicht auf seinen Oberschenkel. Der Stoff seiner Hose fühlt sich dünn, aber teuer an. Sasuke schluckt. „Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich es zuletzt gemacht habe.“ Meine Hand wandert höher, tiefer zwischen seine Beine, die er stumm und wie selbstverständlich etwas spreizt. Gut so. „Sasuke, ich könnte dir jetzt voll einen runterholen, huh?“, grinse ich verspielt und lasse meine Hand leicht über seinen Schritt wandern. Sasuke atmet nur etwas lauter als zuvor, während er starr den Verkehr auf der Straße beobachtet. Sein äußerer Rand am Ohr ist gerötet, sein Gesicht unbewegt, selbst noch als ich anfange wirklich leicht an ihm zu reiben. „Hmmh, meinst du, es ist sehr unbequem jemandem beim Fahren einen zu blasen?“, schnurre ich leicht, beuge mich ihm so weit wie möglich entgegen und sehe, wie sich sein Kehlkopf hektisch bewegt. Fuck, das gefällt mir. „Naruto …“, keucht er, mit leiser, grollender Warnung in viel zu tiefer Stimme. „Was? Denkst du, ich kann das nicht?“ Ein gehauchter Kuss streift sein Ohr. Es ist heiß. „Nein, aber …“ „Was aber?“, raune ich dunkel. Das Ganze hier macht mich an. Es ist aufregend, verboten. Sasuke leckt sich erregt über die Unterlippe, meine Hand ruht auf seinem Bauch unterhalb seines Hemdes und der Bund seiner Hose ist locker. „Ich …“, er stöhnt gedämpft, als er den Fuß auf die Bremse drückt, viel härter als nötig, weil dabei meine Hand weiter in seine Hose rutscht, direkt auf seinen halbharten Schwanz. Oh Shit. Er atmet schneller. Die Ampel vor uns ist rot. „Das … lass … Naruto …“, stammelt er fahrig, ein seltsames Gemisch aus Flehen und unerfüllter Erwartung. Seine Hitze überträgt sich auf mich, lässt mich kaum noch klar denken. Sasuke umklammert mit eisernem Griff das Lenkrad, bohrt seine Nägel tief in glattes Leder. Erst das drängende, nervige Hupen hinter uns reißt mich zurück, raus aus dieser faszinierenden Situation. Das hier geht wahrscheinlich wirklich ein kleines Bisschen zu weit. Schade. „Später, okay?“, hauche ich hoffend und Sasuke nickt, nachdem er wehmütig bemerkt, dass ich meine Hand zurückziehe. Wir schweigen, trotz der aufgeladenen Stimmung im Auto. Sasuke fährt. Immer häufiger fällt mir in letzter Zeit auf, zu welchen Dingen er mich bringt, ohne großes Zutun. Allein seine Anwesenheit lässt die verrücktesten und wie eben leider auch gefährliche Gedanken entstehen, die ich kaum steuern kann. Und Sasuke ist scheinbar nicht in der Lage sie von außen zu kontrollieren, er hätte sich eben tatsächlich hingegeben, richtig? „Scheiße …“, lache ich verlegen. „Du hättest dir eben wirklich einen runterholen lassen, oder?“ Auf einen Schlag sind seine Wangen so farbig wie schon lange nicht mehr. „Halt einfach deine Klappe, Naruto!“ *** „Das ist ja abartig riesig.“ „Hm.“ „So groß hab ich das gar nicht in Erinnerung.“ „War es auch früher nicht. Der Teil dahinten ist neu.“ „Echt? Warum das denn?“ „Keine Ahnung. Itachi? Die Hoffnung auf Enkelkinder…“ „Sasuke?“ „Hm?“ „Wissen sie eigentlich bescheid?“ „Worüber?“ „Na über uns! Wissen sie, dass wir …“ Sein Schweigen sagt mehr als mir lieb ist. Ob es was bringt, wenn ich mir in diesem riesigen Vorgarten schon mal einen Platz aussuche, wo sie mich später begraben können? „Nein“, sagt er, aber es bezieht sich nicht wirklich auf meinen Begräbniswunsch. „Dafür werden sie es gleich erfahren …“, fügt er nuschelnd hinzu und klingelt, in absoluter Rücksichtslosigkeit zu meinem Herzen, das wild und nervös unter meiner Brust schlägt. Na prima. *** „Also ich weiß nicht …“, höre ich mich murmeln. Wir sitzen in einem Saal. Einem riesigen Saal, mit Tischen und Stühlen und einer aufwendigen Dekoration, die unweigerlich an Hochzeit erinnert, nur dass das keine ist. Am anderen Ende legt ein DJ seltsame Musik auf, zu der niemand tanzt, obwohl der Raum voller Menschen ist. „Hm?“, brummt Sasuke neben mir. Er nippt an seinem Wasserglas, ehe er es wieder abstellt. „Naja, sie haben kaum was dazu gesagt“, erkläre ich und meine natürlich die erste Begegnung zwischen mir und Sasukes Eltern. Gut, sie haben mich von früher erkannt, aber da waren wir schließlich auch nur Freunde und jetzt sind wir immerhin ein Paar. Wir sind zusammen und sie haben es nur mit einem schwachen Nicken und einem milden Lächeln kommentiert. „Was sollten sie denn sagen? Wir sind erwachsen und sie mögen dich.“ „Wirklich, meinst du?“ „Ja, meine Mutter erzählt es bereits jedem“, meint er und deutet in eine Richtung, wo sich Mikoto inmitten einer Traube aus weiblichen Bekanntschaften befindet. Ihr Blick streift für Sekunden meinen und schlagartig fühlen sich meine Wangen wärmer an. Och nö, das ist jetzt auch irgendwie unangenehm. „Was wäre dir lieber? Dass sie dich hassen, oder lieben?“ Sasukes Stimme neben mir ist rau, so unglaublich dunkel. Sein Atem kitzelt meinen Hals, ehe ich mich zu ihm drehe. Er ist nah. Aufregend nah. „Eigentlich ist es mir egal, solange du mich liebst“, hauche ich zurück, bevor ich den geringen Abstand überbrücke und seine Lippen mit meinen vereine. Es entsteht ein zärtlicher, tiefer Kuss auf den keine Reaktion der zahlreichen Anwesenden irgendeinen Einfluss hat. „Komm mit“, unterbricht Sasuke nach einer gefühlten Ewigkeit unser leidenschaftliches Zungenspiel und zieht mich mit. Warum wirkt er so drängend? Das ist überhaupt nicht nötig, weil ich ihm doch so oder so bereitwillig folgen würde. Egal wohin. Alles ist besser als allein hier zu sitzen und Itachis schamlosen Racheaktionen ausgeliefert zu sein, weil er von mir kein Geschenk überreicht bekommen hatte. Zwar habe ich versucht ihm glaubhaft zu machen dass ich ja im Grunde sowas wie sein Geschenk bin, da ich ja jetzt dafür sorge, dass sein kleiner Bruder glücklich ist, aber Itachi hat mir das wohl nicht abgekauft. Was ich ehrlich gesagt absolut nicht nachvollziehen kann. Ich bin doch … Oh fuck! Meine Gedanken stoppen abrupt, als mich Sasuke auf einem Balkon gegen das Geländer drückt. Seine Zunge drängt sich fordernd in meinen Mund, er saugt, er zieht an meinen Lippen und bringt mich zum Keuchen. So schnell. So verflucht schnell. Sasukes Zunge windet sich, umkreist meine, erzeugt einen berauschenden Schwindel, der heiße Lust entfacht, die sich in meiner Körpermitte anstaut. Scheiße, was tut er denn? „Sas…“, keuche ich mit schwerem Atem, als er mir Zeit gibt, das alles zu verarbeiten. Es ist dunkel, nur schwaches Licht vereinzelter Fackeln gibt mir die Möglichkeit seine markanten Gesichtskonturen zu erkennen. Er leckt sich über seine dünnen Lippen, was in Anbetracht des Zwielichts ziemlich verwegen und unanständig aussieht. „Ich finde …“, beginnt er anzüglich. „Jetzt ist es spät genug“, raunt er und seine Hände tasten nach meinen. „Huh?“ Ziemlich intelligente Aussage für jemanden, der sonst immer sofort kapiert, wenn Sex zum Thema wird. Nur gerade jetzt weiß ich einfach nicht was ich sagen soll. Oder wie ich reagieren soll. „Eine private Party hier draußen klingt doch interessanter, oder?“ Warum schnurrt er denn jetzt so hingebungsvoll? Wie ein kleines, unzüchtiges Kätzchen mit dreckigen Gedanken. Ist das die unausgesprochene Rache für den Vorfall im Auto? Oh Shit, ich werde verlieren! Sasuke schiebt meine Hände direkt unter seine Shorts, tiefer. Seine Lippen küssen meinen Kiefer und das Geländer drückt sich in meinen Rücken. Von unten sind dumpfe, halblaute Stimmen zu hören, die mich nicht mehr ablenken, als sich Sasuke gegen meine Hand bewegt. „Mach schon, Naruto. Hol mir einen runter“, flüstert er heißer an meinem Ohr, das er mit Zähnen und Zunge liebevoll bearbeitet, ehe ich stöhnend nachgebe. „Genau … ahh, reib ihn … hm, fester … härter“, stöhnt Sasuke, gerade das letzte Wort klingt vielversprechend und es ist der Auslöser für den folgenden Stellungswechsel. Sasuke landet mit dem Rücken am Geländer, die Hose rutscht bis auf den Boden und ich hocke vor ihm, auf den Knien mit seiner Hand in meinem Haar. Er hält mich, zieht und krault, bis ich auch seine Shorts entferne und direkten Blick auf seine harte Erektion habe. Erst jetzt fällt mir der Metallring auf, der sich um seine Wurzel schließt, ihn einengt und scheinbar noch geiler macht. Seine Erregung steigert. Mir entlockt er nur ein erstauntes, schiefes Grinsen. „Was?“ Sasuke sucht meinen Blick, schluckt, verkrampft für einen Bruchteil seine Finger. „Nichts“, versichere ich ihm mit einem Schmunzeln, das sich selbst für mich ziemlich versaut anfühlt, aber Himmel nochmal, Sasuke ist geil. Er überrascht mich. Jedes Mal aufs Neue. Und als sich meine Lippen um seine Härte legen, Sasuke dunkel aufstöhnt, seine Finger über meine Kopfhaut kratzen und seine Erregung noch deutlicher anschwillt, ist mir vollkommen egal, ob uns jemand hört oder sieht. Dieser Moment gehört uns. Uns allein. „Fuck … Naru ... to …“, presst er atemlos hervor. Ich lecke, sauge gleichmäßig an seinem Schaft. Spüre und schmecke ihn je tiefer und weiter ich ihn aufnehme und verdammt … ich will mehr. Sasuke stößt sein Becken vor, dringt noch tiefer in meinen Mund und ich schlucke willkürlich. „Shit, das ist … fuck“, keucht und stöhnt er heftig. Gedanklich kann ich ihm nur zustimmen. Sasuke ist einmalig. In allem was er tut. Selbst in der Art, wie er stöhnt, als ich ihm meine Finger gebe. Er macht sie feucht, benetzt sie so gut es geht mit seinem Speichel, ehe ich sie gegen ihn drücke. „Hast du Sasuke gesehen, Fugaku? Er hat wirklich richtig zufrieden gewirkt, oder?“ Eine Gänsehaut überzieht meinen Nacken, als ich Mikotos Stimme höre und Sasukes Hand sich fester gegen meinen Kopf drückt, beinahe so, als hätte er Angst, dass ich aufhöre. Verdammt nochmal nein, das geht nicht mehr. Mein Finger massiert ihn träge, während meine Zunge wilder wird. „Schon, es hat ja auch lange genug gedauert“, erwidert ein ungewohnt sanfter Fugaku und ich muss mich zwingen nicht laut aufzustöhnen, als Sasukes pralle Härte verdächtig heftig in meinem Mund zuckt, ohne mir auch nur einen Tropfen seiner Lust zu schenken. Mein Finger fickt ihn trotzdem weiter, schneller und gezielter durch seinen stillen Orgasmus, den er schnaufend auskostet. „Heh…“, grinse ich, bevor ich mich aufrichte. „Was glaubst du, wie lange brauchen sie, um zu bemerken, was wir hier tun?“, flüstere ich ihm leise zu, lasse einen zweiten Finger in ihn gleiten, kreisend und reibend, fast schon quälend langsam. „Das ist mir sowas von egal.“ Lust schwebt auf seiner Stimme, ganz sanft und leicht, es raubt mir den Atem. „Fick mich einfach. Jetzt!“ Und das tue ich. Sasukes Mutter höre ich nicht mehr. Da ist nur noch sein Stöhnen, sein hingebungsvolles Entgegenkommen, sein fesselnder Geruch, der mich antreibt tiefer und hemmungsloser in ihn zu stoßen. „Ahhh … hmm, ich … kann nicht … shit, Sasuke“, dringt es heiser aus meiner Kehle. Sasuke liegt halb auf dem Geländer, stützt sich und pumpt sich mit der anderen Hand selbst, während ich seine Hüfte halte, ihn an mich ziehe. Rhythmisch und tiefer. Er stöhnt nur noch, unablässig und gelegentlich meinen Namen. Ich atme schwer in die lauwarme Nacht. „Fuck, fuck …“ So schnell ich kann ziehe ich mich zurück, drehe Sasuke erneut herum und drücke ihn nach unten auf die Knie. Mein Sperma landet halb in seinem Gesicht und zur Hälfte in seinem weit geöffneten Mund. Seine Lippen sind weich und himmlisch, seine Zunge feucht, als sie alles von meiner Eichel leckt. Fuck, wie kann sowas nur so verflucht gut sein? „Du bist so versaut, Baby“, flüstere ich in die Dunkelheit, streichle sanft über seinen Kopf und spüre beiläufig, wie auch Sasuke erneut kommt. Dieses Mal richtig, in ziemlich beeindruckenden Schüben, nachdem er den Metallring gelöst hat. „Hn.“ *** Es ist wahnsinnig spät, als wir vor meiner Wohnungstür stehen. Knutschend und eng umschlungen. Naja, eigentlich ist eher früh, weil der Morgen bereits graut. Nachdem wir nämlich die peinliche Stellungnahme bei Sasukes Eltern hinter uns hatten, ging die Party erst richtig los. Die Musik änderte sich schlagartig. Itachi lieferte sich ein heftiges Zungengefecht mit seinem blonden Arbeitskollegen, während die Hälfte seiner anderen Freunde sinnlos betrunken nicht minder unartige Dinge taten. Da fielen Sasuke und ich kaum auf, wirklich. Unsere Balkonaktion war unglaublich schnell wieder vergessen. Zu unserem Glück. Ich glaube, seine Eltern haben sich irgendwann klammheimlich zurückgezogen, um sich weitere Unannehmlichkeiten ihrer Kinder zu ersparen. „Ist es wirklich okay für dich, wenn wir hier schlafen?“ „Falls wir noch zum Schlafen kommen, ja“, antwortet er. Seine Anspielung ist deutlich, aber irgendwie mag ich noch nicht reingehen. Das bedeutet Hikari, und Juugo … und überhaupt. Wir sind sowieso nur deswegen hier, weil ich Juugo mein Kind nicht auch noch in den frühen Morgenstunden aufhalsen wollte. „Ist ja gut“, murre ich dennoch und drehe mich von Sasuke weg, um endlich die Wohnungstür aufzuschließen. Im Inneren ist es still. Schläfrige Ruhe liegt auf der Wohnung, und das ist schon beruhigend. „Sie schlafen noch, also können wir… oh mein Gott, Sasuke …“, perplex bleibe ich stehen. Vor dem Wohnzimmer. „Wie viel hab ich nochmal getrunken?“, frage ich ihn und starre unablässig auf die Couch. „Keine Ahnung, wieso?“ Mit einem Nicken deute ich auf das Sofa, auf zwei Gestalten, die dort liegen, in einer innigen Umarmung, mit verdammt wenig Stoff am Körper. „Oh“, macht Sasuke hinter mir ähnlich erstaunt. Also ist das keine Einbildung? Keine Fata Morgana? Heilige Scheiße. „Tun wir so, als hätten wir nichts bemerkt?“ „Zu spät, sie wacht gerade auf.“ „Oi…“ „Naruto?“, sie gähnt und nuschelt verschlafen meinen Namen, noch bevor ich verschwinden kann. Ich grinse dümmlich. Warum ist mir das hier überhaupt unangenehm? Karin ist doch diejenige, die da nackt mit meinem Mitbewohner auf der Couch liegt und sich erklären müsste. „Heh, jaa… ist etwas spät geworden. Schlaf nur weiter, wir verschwinden einfach... und haben nichts gesehen…“, sage ich hastig, noch ehe sie sich ihrer Position richtig bewusst werden kann und schiebe Sasuke einfach weiter, zu meinem Zimmer. Hinter uns schließe ich die Tür ab, gerade in dem Moment höre ich Karin leise und verzweifelt fluchen. „Karin und Juugo also …“ „Karin und Juugo…“ Und mit dieser Erkenntnis falle ich grinsend ins Bett. *** „Nun sag schon, Karin, seid ihr zusammen?“ „Keine Ahnung, vielleicht…“ „Vielleicht? Ihr trefft euch seit drei Wochen!“ „Ja, aber …“ „Aaach, jetzt gib dir einen Ruck. Juugo ist ein guter Kerl.“ „Ich weiß, Naruto.“ „Na also!“ ~*~ „Du weißt hoffentlich, dass dieses hässliche Teil bei mir aller höchstens im Keller landet, oder?“ „Was? Warum das denn?“ „Schau es dir an…“ „Ja und? Das nennt man abstrakte Kunst!“ „Ich nenne es eher einen Unfall.“ „Man, Sasuke…“ „…“ „Sasuke?“ „Hm?“ „Liebst du mich?“ „Hmm.“ „Gut, ich hab nämlich Kiba und so zur Einweihungsparty eingeladen.“ „…“ ~*~ „Sasuke?“ „Hm?“ „Ich will Sex!“ „Du willst immer Sex!“ „Das stimmt doch gar nicht.“ „Das stimmt wohl!“ „Nein.“ „Doch.“ „Sasukeeee.“ „Was, Naruto? Ich arbeite…“ „Aber ich will Sex, jetzt!“ „Kannst du nicht bis heute Abend warten?“ „Nein, kann ich nicht!“ „Und warum nicht?“ „Weil … naja, Karin hat angerufen, sie bringt Hikari nachher noch vorbei und sie soll dann hier schla…“ „Okay, überredet!“ ~*~ „Sasuke, kommst du am Mittwoch mit?“ „Wohin?“ „Hikari hat Geburtstag und wir fahren zusammen ins Freizeitbad.“ „Kindergeburtstag?“ „Nein … Ja, also … bitteeee!“ „Aber Kinder sind laut, Naruto.“ „Ich weiß.“ „Und nervig.“ „Ich weiß.“ „Und ständig muss ich mit ihnen spielen.“ „Ich weiß, aber Hikari vergöttert dich!“ „Ich weiß…“ ~*~ Als ich die Tür öffne blendet mich strahlender Sonnenschein, der mich von meiner Tochter ablenkt, die sich lachend an mir vorbeischiebt in ihrem kurzen, rosafarbenen Sommerkleidchen und den niedlichen Sandalen. Sie ruft nach Sasuke, ganz so als wäre er viel interessanter, aber ich kann es ihr nicht übel nehmen. Auch bei mir dreht sich seit Jahren fast alles ausschließlich um Sasuke. Wenn man sich erstmal gefunden hat, kann man sich ganz schwer wieder loslassen. Es ist nicht nur die Gewohnheit und das Gefühl bedingungslos vertrauen zu können, was uns zusammenhält, sondern auch der bedeutsame Teil ihn von ganzem Herzen zu lieben. „Ist es auch wirklich okay?“ „Ja. Jetzt mach dir keine Gedanken“, erwidere ich lächelnd auf Karins Frage. Sie steht vor mir, mit rundem Bauch und strahlendem Lächeln, während sie Hikaris Tasche vor mir abstellt. Vor wenigen Tagen hat sie geheiratet, ganz glücklich und zufrieden und die erneute Schwangerschaft steht ihr gut. Wirklich. „Aber ich weiß, dass ihr momentan so viel um die Ohren habt und …“ „Karin, es sind nur zwei Wochen“, versichere ich ihr, weil ihre Sorge total unbegründet ist. Hikari verbringt nicht zum ersten Mal mehrere Tage bei uns und eigentlich klappt das immer ganz gut. Sie steht immerhin total auf Sasuke und darauf, wie er ihr abends etwas vorliest. Was soll also schiefgehen? „Wir schaffen das“, meldet sich Sasuke zuversichtlich zu Wort und taucht hinter mir auf. Hikari hängt kichernd an seinem Bein. „Okay, aber wenn was ist, dann ruft ihr an, ja?“ „Ja, versprochen und jetzt los, ihr habt noch eine lange Fahrt vor euch!“, sage ich und scheuche sie geradewegs in Juugos Arme, der mir vom Weiten zunickt. „Okay, bis dann und viel Spaß.“ „Auf Wiedersehen, Mami“, brüllt ihr Hikari hinterher, ehe sie mit großen Augen zu Sasuke aufsieht. „Zeigst du mir jetzt das mit den Gummis? Ich möchte das wirklich echt auch mal machen und auch so schöne Blumen haben wie die Akane“, plappert sie unschuldig drauf los und als ich Sasukes irritiertes Stammeln höre, als er versucht meiner Tochter zu erklären, dass die Akane dafür bestimmt ganz andere Gummis hat, kann ich nur herzhaft lachen. Das hier ist richtig. Sasuke, Hikari und ich. Wir sind eine Familie und die Zeit wird zeigen, wo wir in ein paar Jahren stehen. Ganz ungezwungen, gemeinsam … vielleicht für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)