Loving Heartbreaker von Vienne (Liebe ist nicht immer leicht) ================================================================================ Kapitel 13: Truth ----------------- 13 Es waren nur noch elf Minuten bis Mitternacht. Nur noch elf Minuten und dieser Tag, ihr Geburtstag wäre endlich vorbei. Auch wenn es im Nachhinein weniger schlimm war, als es Usagi zunächst befürchtet hatte. Ihre Familie hatte alles dafür getan, dass sie sich wohlfühlte. Als sie am Morgen aufgestanden und in die Küche gegangen war, hatte ihre Mutter nur das normale Frühstück vorbereitet. Erst am Ende hatte sie ihre Tochter mit dem heißgeliebten Zitronenkuchen überrascht. Usagi hatte sich wirklich darüber gefreut. Genauso wie sie sich über ihre Geschenke gefreut hatte. Eine neue Tasche und eine schicke Jeansjacke mit dezenten Strasssteinchen. Ihr Bruder hatte ihr schlichtweg einen Blumenstrauß und Schokolade geschenkt. Ihre Mutter hatte eingesehen, dass Usagi kein großes Tamtam um diesen Tag machen wollte. Gemeinsam mit Kenji und Shingo hatten sie daher einen Besuch im Yomiuri-Land geplant. Es war eine wirkliche Überraschung für die Blondine gewesen. Sie verbrachten dort den ganzen Tag und Usagi hatte gar keine Zeit, um auf trübsinnige Gedanken zukommen. Sie genoss den Spaß, den sie dort hatte. Die Geburtstagsanrufe auf ihrem Handy ignorierte sie. Die eintreffenden Nachrichten überflog sie nur. Es stand eh immer das gleiche drin. „Liebe Usagi! Ich wünsche dir alles Liebe und Gute zu deinem Geburtstag!“ Erst spät am Abend waren sie wieder da gewesen. Nach ihrem Ausflug ins Yomiuri-Land hatten sie noch eine Stopp bei einer Fastfood-Kette eingelegt und sich dort die Bäuche vollgeschlagen. Nun lagen ihre Eltern und ihr kleiner Bruder im Bett und schliefen tief und fest. Nur sie nicht. Usagi saß am geöffneten Fenster auf der gepolsterten Fensterbank und schaute hinauf zum Sternenhimmel. Der Tag war schön gewesen. Wenn auch nicht so, wie sie sich ihn erhofft hatte. Aber das war egal. Sie war froh, dass sie sich gestern gegen ihre Freunde und das Crown und für ihre Familie entschieden hatte. Sie bezweifelte, dass sie mit ihrer Clique den gleichen Spaß gehabt hätte. Mit ihnen hätte sie nur rumgesessen und darüber diskutiert, wie sie ihre Unschuld beweisen und ob sie Mamoru noch ein Chance geben sollte. Damit wollte sie sich nun wirklich nicht den Geburtstag versauen. Sie hatte deswegen auch nur Amis Nachricht und deren Frage beantwortet, ob sie morgen ins Crown kommen würde. Usagi hatte es bestätigt. Sie bemerkte, wie gut ihr der Abstand und der heutige Familienausflug getan hatten. Sie fühlte sich entspannt und war gleichzeitig vollkommen erledigt. Aber im positiven Sinne. Nicht einen Gedanken hatte sie an den schwarzhaarigen Oberstufenschüler verschwendet. Erst jetzt, als sie in ihrem ruhigen Zimmer saß und den Mond am Himmel beobachtete, kam er ihr wieder in den Sinn. Wie schon am Vortag verspürte sie keinen Groll gegen ihn, nur weil er mit Saori ausging. Sie konnte es nicht ändern. Aber sie war der festen Überzeugung, dass alles gut werden würde, wenn sie nur lange genug durchhielt. Natürlich würde sie das ihren Freunden nicht sagen. Die Mädchen und Motoki würden sie nur mit einer seltsamen Mischung aus Mitleid und Skepsis ansehen. Usagi konnte nicht verstehen, warum keine daran glauben wollte, dass sie und Mamoru wieder zusammen kommen würden. Warum es so abwegig erschien. Leise seufzte sie auf. Ja, sie liebte Mamoru immer noch. Und das auf tiefstem Herzen. Mittlerweile konnte sie seine Reaktion auf die Fotos verstehen. Hätte man ihr diese Bilder mit ihm und einem anderen Mädchen in eindeutiger Pose gezeigt, hätte sie wohl genauso reagiert wie er jetzt. Auch sie hätte ihm eine Szene gemacht und die Beziehung beendet. Wie er hätte sie rum geschrieen und geflucht. Wieder eine Tatsache die sie ihren Freunden nicht sagen wollte. Auf dem Nachttisch neben ihrem Bett piepste ihr Handy. Sie angelte blind danach. Es war eine Minute vor zwölf. Wer schrieb ihr um diese Zeit noch eine Nachricht? Ihr Herz setzte einen Schlag, oder waren es doch zwei, aus, als sie den Namen auf dem Display las. „Mamoru.“, murmelte sie leise. Luna, die an auf ihrem Schoß saß, hob den Kopf und maunzte leise. Fast schon fragend. Die grünen Katzenaugen suchten die blauen ihres Frauchens. Gedankenverloren strichen Usagis Finger durch das weiche Fell der Katze. Sie zitterten leicht. Mit der anderen Hand öffnete sie die Nachricht. „Usako, ich wünsche dir alles Liebe und Gute zu deinem sechzehnten Geburtstag. Mamoru.“ Tränen traten ihr in die Augen, als sie seine Nachricht las. Nie und nimmer hätte sie damit gerechnet, dass er ihr schreiben und zum Geburtstag gratulieren würde. Und auch wenn er quasi das selbe schrieb, wie die anderen heute im Laufe des Tages, so trafen seine Worte mitten in ihr Herz. Laut schluchzte sie auf. Wischte sich eilig die Tränen weg und sah ihre Katze freudestrahlend an. „Er hat mich nicht vergessen, Luna.“ Sie hielt ihrer Katze das leuchtende Handydisplay vor die Nase, so als ob Luna es lesen könnte. Die legte nur den Kopf schief und sah sie mit großen Augen an. Usagi nahm das Handy wieder an sich und las diese eine Zeile immer wieder und wieder. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie musste weinen und lachen zugleich, als sie ihre Antwort an ihn tippte. „Mamo-chan, danke! Usako.“ Mamoru stand an den Rahmen der offenen Balkontüre gelehnt und las die Nachricht auf seinem Handy. Den ganzen Tag schon hatte er überlegt, ob er ihr gratulieren sollte. Immerhin war es ja ihr Geburtstag und egal was vorgefallen war, sollte er daran denken. Sie hätte ihm auch eine Glückwunsch-Nachricht geschickt. Warum sollte er es also nicht tun? Sowieso hatte er schon den ganzen Tag an sie denken müssen. Noch immer spukten ihm die Worte von Minako im Kopf herum. Seit er sie gestern im Park getroffen hatte, hatte er kaum mehr einen klaren Gedanken fassen können. Selbst die restlichen Stunden mit Saori zogen eher belanglos an ihm vorbei. Er konnte sich kaum mehr daran erinnern. Irgendwas hatte sie über die Informationsveranstaltungen in der Tôdai erzählt. Und sie hatte ihn gefragt, ob sie heute was unternehmen wollten. Er hatte sie auf morgen vertröstet. Selbst den Gedanken, sich bei der Brünetten wegen der Fotos und somit verbundenen Aufklärung zu bedanken, hatte er verworfen. Mit dem Handy in der Hand ging er zum Sofa hinüber und ließ sich drauf fallen. Schon seit einer Woche hatte er kaum mehr geschlafen. Vielleicht nur noch vier oder fünf Stunden pro Nacht. Und die letzte Nacht war es noch weniger gewesen. Seit gestern Nachmittag hatte er ein seltsames Bauchgefühl. Und Minakos Worte hatten es auch noch verstärkt. Nach deren Auftritt hatte Saori ihn gefragt, was denn los sei. Er hatte abgewunken und war nicht weiter drauf eingegangen. Ohnehin hatte er eher damit zutun, das Mädchen auf Abstand zu halten. Dafür, dass sie einen Freund hatte, war sie extrem anhänglich. Was ihm doch reichlich seltsam vorkam. Wieder glitten seine Augen über ihre Antwort. Er ahnte nur allzu gut, was jetzt in der Blondine vorging. Wahrscheinlich hatte ihre Herz genauso schnell geklopft wie seines, als er ihre Antwort gelesen hatte. Irgendwie hatte er nicht erwartet, dass sie noch wach war. Geschweigedenn, dass sie ihm antwortete. Und es warf ihn ein wenig aus der Bahn. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er ihre Antwort schlussendlich doch wegdrückte und der Startbildschirm seines Handys zu sehen war. Er und Usagi. Er wusste, dass sie das gleiche Bild auf ihrem Smartphone hatte. Falls sie es noch hatte. Momentan ging er davon aus. Zumindest wenn er an die Begegnung von vor zwei Tagen, Minakos Worte und ihre Antwort jetzt dachte. Sein Herz zog sich zusammen, als er an ihre traurigen Augen dachte. Wieso war sie so verletzt? Es konnte nicht nur an dem schiefgelaufenen Plan liegen. Oder daran, dass er sie angebrüllt und diese Beziehung beendet hatte. Er wollte weiter drüber nachdenken. Doch es fiel ihm immer schwerer. Seine Augenlider senkten sich immer mehr, bis ihm die Augen ganz zufielen. Und obwohl er sich gegen diesen letzten Gedanken wehren wollte, konnte er es nicht. Usagi war einfach noch immer viel zu tief in seinem Herzen verankert. Usagi stand an der Kreuzung gegenüber vom Crown. Sie fühlte sich gut. Und sie wusste, wem sie es zu verdanken hatte. Schon als sie heute Morgen zum Frühstück in die Küche ging, strahlte sie über das ganze Gesicht. Auf die Frage ihrer Eltern was denn los sei, antwortete sie ehrlich und erzählte von Mamorus Nachricht. Kenji war nicht sonderlich begeistert, murmelte aber etwas davon, dass sich Mamoru wohl doch noch besinnen würde. Ikuko war mit einem Schlag genauso glücklich wie ihre Tochter und Shingo fand, dass das ja auch mal Zeit wurde. Dem Jungen war nicht entgangen, wie sehr sich seine große Schwester wieder quälte und sie tat ihm leid. Er verstand sowieso nicht, warum sich Usagi und Mamoru überhaupt gestritten hatten. Beide schienen doch so verliebt ineinander zu sein. Die Ampel sprang auf grün und sie ging zügig über die Straße. Nichts würde ihre Laune heute trüben können. Ganz egal, was die anderen sagen würden. Wobei sie nicht vorhatte, ihnen von Mamorus Nachricht zu erzählen. Wahrscheinlich würden sie ihre Hoffnungen nur wieder zunichte machen. Aber das würde sie nicht zulassen. Entschlossen ging sie durch die sich öffnende Schiebetüre und sah sich um. Motoki stand nicht hinterm Tresen sondern eine seiner Aushilfen. Als ihre Augen in Richtung ihres Stammtisch wanderten, stockte ihr leicht der Atem. „Seiya?“ Langsam ging sie in seine Richtung. Sie war überrascht, ihn hier zusehen. Und noch mehr verwundert darüber, dass er an ihrem Stammtisch saß. Zusammen mit ihren Freundinnen, Motoki und Unazuki. Was ging denn hier vor? „Hallo Seiya!“ „Hallo Usagi!“ „Danke für deine Nachricht gestern. Und euch danke ich auch.“, die Blondine ließ ihren Blick zu den anderen am Tisch wandern. Sie nickten ihr freundlich zu. „Ich hol dir einen Stuhl.“, Motoki war aufgesprungen. Nur um wenige Sekunden später mit einer Sitzgelegenheit wieder zukommen und ihn Usagi unter den Hintern zu schieben. Sie fiel beinahe schon drauf. „Wie war dein Geburtstag?“, Ami sah sie freundlich an und die Blondine hatte das Gefühl, dass hier irgendwas im Busch war. „Äh, schön. Mama, Papa und Shingo haben mich mit einem Besuch im Yomiuri-Land überrascht.“, sie wandte sich von ihren Freundinnen ab und Seiya zu. Sah, wie er nervös seine ineinander verschlungenen Finger betrachtete. Schwitzte er etwa? „Hat dir deine Mama Zitronenkuchen gebacken?“ „Ja, Mako, hat sie. Sagt mal, was geht hier vor? Und warum ist Seiya da?“ Unbehagen machte sich in ihr breit. Sie wusste, dass keiner der Mädchen und Motoki Seiya sonderlich leiden konnten. Sie wussten alles über ihn und es waren nicht gerade postive Dinge. Umso erstaunter war sie, als sie das breite Lächeln in den Gesichtern der anderen sehen konnte. „Äh, ihr macht mir gerade Angst.“ „Seiya will dir was sagen.“, Minako grinste breit und lehnte sich fast schon selbstgefällig zurück. „Stimmt’s?“ Der Schwarzhaarige neben ihr schluckte schwer und nickte. Langsam, fast schon in Zeitlupe, hob er den Kopf und sein Blick traf den von Usagi. Er wusste, dass die Möglichkeit bestand, dass sie ihm den Kopf abreißen würde, wenn sie alles erfahren hatte. Sie würde vielleicht nie wieder ein Wort mit ihm sprechen, oder ihn auch nur eines Blickes würdigen. Wenn er Pech hatte, und seine Chancen dafür standen außerordentlich gut, dann würde sie es sogar der Schule melden und er würde von eben jener fliegen. Üble Nachrede wurde dort nicht geduldet. Und was anderes war es ja auch nicht. Er hatte schon die letzten Tage genug damit zutun, dass die Gerüchte über Usagi nicht überhand nahmen und er hatte sich auch offiziell von seiner geheimen und angeblichen Freundin getrennt. Eine Tatsache die von der weiblichen Schülerschaft mit einem großen Jubel zur Kenntnis genommen wurde. „Seiya?“ Ihre weiche und fragende Stimme drang zu ihm durch. Ihre blauen Augen raubten ihm fast den Atem. „Seiya war am Freitag schon hier.“, Rei hatte sich ebenfalls zurückgelehnt. Ihr tat Seiya gerade schon ein wenig leid. Er saß nicht zum ersten Mal in sich zusammen gesunken hier und wusste nicht, wo er anfangen sollte. „Achso?“, Usagi warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. „Ja. Kurz nach dem du weg warst, kam er hier an.“ Die Blondine wandte sich wieder ihrem Mitschüler zu. Der hatte seinen Blick wieder gesenkt. „Ich muss dir was sagen. Ich weiß, wer die Fotos gefälscht hat.“ Usagi sah ihn sprachlos an. Sie wollte etwas sagen, aber es ging nicht. Sie formte die Worte in ihrem Mund, sie lagen ihr auf der Zunge und wollten doch nicht raus. Langsam wanderten ihre Augen zu den anderen. Sie nickten alle. „Wir wissen es seit Freitag.“, beantwortete Makoto ihre unausgesprochene Frage. „Aber weil du so wütend warst, haben wir Seiya gebeten, heute nochmal zu kommen, um es dir persönlich zu sagen.“ Die Blondine nickte nur und wandte sich dann wieder Seiya zu. Hörte ihm zu, als er davon sprach, wieso er das getan hatte. Wie sehr er sie mochte und wie oft er sich ausgemalt hatte, mit ihr zusammen zu sein. Sie erkannte sich sogar ein Stück weit in ihm wieder. Er fühlte sich so wie sie, bevor sie mit Mamoru zusammen gekommen war. Er offenbarte ihr seine Eifersucht und das er es nicht ertrug, dass sie nun vergeben war. „Aber ich kann doch nicht einfach so meine Gefühle ändern. Oder abstellen.“, sie kam sich hilflos vor. „Ich weiß.“, der Schwarzhaarige nickte schuldbewusst. Er erzählte ihr von seinem Aufeinandertreffen mit einer jungen Frau. Das er mit ihr ins Gespräch und schnell dahinter kam, dass diese in Mamoru verliebt war. „Saori.“, Usagi hatte bei seinen Worten nicht lange überlegen müssen. Sie hatte es schon beim ersten Mal als sie die Brünette hier im Crown traf, bemerkt, dass sie hinter Mamoru her war. Seiya bestätigte durch ein Nicken, genau wie die anderen, dass sie richtig lag. „Wir überlegten uns, wie wir euch dazu bringen könnten, euch zu trennen.“ Usagi traute ihren Ohren nicht. Schwieg aber. „Ich schlug ihr vor, dass sie deine Handynummer durch ihre in seinem Handy ersetzen sollte. Was ja auch geklappt hat. Sie schrieb dir die Nachricht in seinem Namen, dass er etwas Abstand bräuchte und ihr habt euch nicht mehr gesehen. Aber wir haben Mamoru unterschätzt.“ Sie erinnerte sich an den Abend, als er einfach vor ihrer Tür gestanden hatte. „Und wir unterschätzten dich. Saori hat euch dabei beobachtete, wie du ihm noch eine Nachricht geschickt hast nach eurem Streit und so die vertauschten Nummern aufflogen.“ „Gar nicht so dumm, unsere Usagi!“, grinste Motoki anerkennend und die Angesprochene erwiderte es mit einem leichten Lächeln. Seiya erzählte von seinem anschließenden Telefonat mit Saori und dem Treffen mit ihr. Sprach von dem neuen Plan mit den angeblichen Beziehungen und davon, dass sie so die Eifersucht der beiden schüren wollten. Was ebenfalls misslang. „Aber wie seit ihr dann auf diese beschissene Idee mit den Fotos gekommen?“, so langsam wurde Usagi ungeduldig. „Saori spionierte euch andauernd nach. Und irgendwann bekam sie mit, dass Mamoru zu dir sagte, dass er es nie zulassen würde, dass dich ein anderer Mann küsst. Sie hat mir davon erzählt. Mir fielen die Gerüchte ein, die seit dem Bekanntwerden meiner angeblichen Beziehung in der Schule im Umlauf waren über dich und erzählte es ihr. Dann kam ihr die Idee mit den manipulierten Fotos in den Sinn.“ „Und wer hat die gemacht?“ Seiya entging nicht, wie ruhig das blonde Mädchen neben ihm war. Aber er ahnte, dass sie innerlich kochen musste vor Wut. „Irgendein Mitschüler von ihr. Sie hat ihm wohl Geld gegeben und ich spielte ihr einige Fotos von Jungs aus unserer Schule zu. Damit ging sie dann zu Mamoru. Das war letzten Samstag.“ Usagi stand auf. Lief einige Schritte hin und her. Ihre Freunde sahen, wie aufgebracht sie war. Wirr fuhr sie sich durchs Haar. Immer wieder holte sie Luft, um zum Sprechen anzusetzen. Und immer wieder brach sie einfach ab. Langsam sickerten seine Wort zu ihr durch. Sie und Mamoru wurden hintergangen. Sie wurden beide betrogen. „Warum erzählst du mir das?“, sie blieb mit dem Rücken zu Seiya stehen. „Warum erzählst du es mir erst jetzt?“ „Weil…“ „Warum machst du sowas?“ Er zuckte, wie auch die anderen am Tisch, zusammen. Ihre Stimme war lauter geworden. Schriller und fast schon hysterisch. Aber im Gegensatz zu Seiya hatten die anderen mit solch einer Reaktion von ihr gerechnet. Minako stubste dem Schwarzhaarigen in die Seite. Er sah sie nur fragend an, bevor er ihrem Kopfnicken in Usagis Richtung hin folgte und aufstand. Etwas unbeholfen ging er auf sie zu. Die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er ahnte, dass sie seine Berührungen nicht wollte. „Ich war eifersüchtig. Ich habe mich in dich verliebt und nicht verstanden, warum du als einziges Mädchen in der Schule nicht mit mir zusammen sein wolltest.“ Den Satz von Ami, dass sie und Makoto ihn auch nicht zum Freund haben wollten, überging er. „Aber das hat mich nur noch mehr befeuert.“ „Und warum sagst du es mir jetzt?“ „Weil ich es nicht mehr mitansehen konnte, wie du leidest. Ich weiß, warum du diese Woche nicht in der Schule warst. Und ich weiß, dass du auch nächste Woche noch krank sein wirst. Ich hab eingesehen, dass ich dich so nicht für mich gewinnen kann. Ich sehe, wie sehr du Mamoru liebst. Er hat dich mehr verdient als ich.“ Usagi drehte sich langsam um. Tränen flossen ihr unkontrolliert über das Gesicht. „Er geht mit Saori aus.“ „Was?“, Seiya klang überrascht. „Wusstest du nichts davon?“, Motoki schaltete sich ein und der Schwarzhaarige sah ihn kopfschüttelnd an. „Nein. Als ich letzten Sonntag gesehen habe, wie Mamoru hier ausgerastet ist, hat sie mich angerufen. Ich war ziemlich schockiert davon, was diese Fotos ausgelöst haben. Ich hab nicht damit gerechnet, dass es so heftig wird.“ „Ich bin halb nackt und in eindeutigen Posen darauf zu sehen.“, Usagis Stimme klang verächtlich und sie ließ sich wieder auf einen Stuhl fallen. „Was?“ „Tu nicht so. Du wusstest doch, was drauf zu sehen ist.“ „Nein.“, er schüttelte heftig den Kopf. „Saori hat gesagt, dass es nur Fotos sind, wo du mit anderen Jungs drauf zusehen bist, wie du sie umarmst oder küsst. Aber nicht, dass du halb nackt drauf zu sehen bist. Aber das erklärt auch, warum Mamoru so ausgetickt ist.“ Mittlerweile kam sich Seiya nun selber ziemlich verarscht vor. Erstaunt sahen nun auch die anderen ihn an. „Und nun geht sie mit Mamoru aus?“ „Ja.“, Motoki nickte und erzählte ihm davon, das Saori zwei Tage zuvor hier gewesen war und sich via Handy mit Mamoru verabredet hatte. Minako ergänzte mit ihrer Begegnung im Park. „Usagi, es tut mir leid.“, schuldbewusst senkte er den Kopf. „Ich wollte nicht, dass es so eskaliert.“ „Scheinbar wurden nicht nur Mamoru und ich hintergangen.“, stellte Usagi trocken fest. „Sag mal, Seiya?“ Der Angesprochene hob seinen Kopf und sah in Richtung Unazuki. „Was hälst du davon, wenn du das Ganze nochmal Mamoru sagst?“ „Ich?“, jetzt sackte ihm sein Herz gewaltig in die Hose. Es war ihm schon schwer genug gefallen, Usagi die Wahrheit zu sagen. Lieber wäre es ihm gewesen, ihre Freundinnen hätten es getan. In seinem Namen. Aber Mamoru war nochmal eine ganz andere Kategorie. Im Gegensatz zu Usagi würde er ihm mit hoher Sicherheit den Kopf abreißen und ihn anschließend persönlich aus dem Land jagen. Er schluckte schwer. „Ja du. Usagi wird er kaum glauben.“ „Könntet ihr vielleicht mit dabei sein?“ Die anderen grinsten amüsiert, nickten aber. So ganz im Regen konnten sie ihn nun doch nicht stehen lassen. Immerhin hatte er ja schon den Mut gefunden und seinen Fehler eingestanden. „Seiya?“ Er wandte seinen Kopf der Blondine neben sich zu. „Danke, dass du es mir gesagt hast. Aber bitte versteh mich, dass ich dir nicht so schnell verzeihen kann.“ „Okay. Ich will nur, dass du glücklich bist.“ Usagi hob den Kopf, wischte sich ihre Tränen weg und sah ihn leicht lächelnd an. „Das will ich auch.“ Es war die erste Nacht seit seiner Trennung von Usagi, dass er wirklich gut geschlafen hatte. Er wusste nicht, ob es an ihrer Antwort auf seine Glückwünsche lag. Doch selbst als er vor einigen Stunden wach geworden war, machte sein Herz vor Freude einen Extraschlag, als er wieder daran dachte. Als einige Zeit später sein Handy klingelte, sprintete er fast schon vom Bad ins Wohnzimmer. Er wusste, worauf er hoffte. Umso enttäuschte war er, als nur Saori am anderen Ende der Leitung war. Sie fragte ihn, ob er bei dem schönen Wetter Lust hatte, mit ihr im Jubaan-Park Tretboot zu fahren. Mamoru hätte sie nur allzu gerne abgewiesen. Aber dann fing sie an zu jammern und er war auch noch so nett und fragte nach, was denn los sei. Sie schluchzte fast in den Hörer, dass ihr Freund sie verlassen hätte und sie ganz dringend eine Ablenkung bräuchte. Ihm kam ihr Rumgeheule leicht übertrieben vor. Schließlich waren die Brünette und ihr Freund gar nicht so so lange zusammen gewesen. Vielleicht vier Wochen. Doch er schwieg, als er sich daran erinnerte, dass auch Usagi ihre Trennung nahe gegangen war. Und ihm ja irgendwie auch. Also willigte er ein. Mamoru war ein wenig zu früh dran. Eigentlich viel zu früh. Sie waren für drei Uhr vorm Parkeingang verabredet. Es war gerade mal kurz nach zwei. Daher entschloss er sich, spaßenshalber mit dem Bus noch bis zum Crown zu fahren und den Rest des Weges wieder zurückzugehen. Sein Gefühl sagte ihm, er solle einen unverfänglichen Blick ins Crown werfen. Und vielleicht hatte er Glück und Usagi war ja da. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann wollte er sie unbedingt sehen. Wollte sehen, ob ihr Blick immer noch so traurig war oder ob seine Glückwunsch-Nachricht vielleicht etwas bewirkt hatte. Innerlich hoffte er es, weil es ihm immer noch einen Stich in sein Herz versetzte, wenn er an ihre sonst so selten traurig wirkenden Augen dachte. Als der Bus hielt und er ausgestiegen war, ließ er den Blick schweifen. Es war erst eine Woche her, dass er von Motoki rausgeschmissen wurde. Und trotzdem kam es ihm vor, als wäre es eine kleine Ewigkeit her, in dieser Gegend gewesen zu sein. Er seufzte leise und ging über die Straße, als die Ampel das kleine grüne Männchen aufzeigte. Sein Herz schlug mit jedem Schritt schneller und er kam sich vor, als wäre er in ein Joggingtempo verfallen. Was jedoch nicht der Fall war. Scheinbar war es die bloße Vorstellung, gleich Usagi zu sehen, die dafür sorgte, dass ihm sein Herzschlag so ungesund vorkam. Mamoru kam zum Stehen und schaute direkt in die Richtung der breiten Fensterfront des Crown, hinter der er wusste, dass dort der Stammtisch der Clique stand. Augenblicklich stockte ihm der Atem und sein Herz setzte aus. Da saß sie! Dort saß Usagi zusammen mit den Mädchen und Motoki. Sie lachte. Sie wirkte glücklich. Und er wusste warum. Wut brodelte in ihm auf, er hörte sein eigenes kochendes Blut im Ohr rauschen. Ohne weiter groß darüber nachzudenken, ging er in großen Schritten auf die Schiebetüre des Cafés zu und trat hinein. Er sah sich gar nicht erst groß um, sondern lief direkt auf den Tisch zu. Mamoru ging gar nicht erst auf die erstaunten Ausrufe ein, die erklangen, als er am Tisch stand. Seine Augen waren auf Usagi fixiert, die ihn überrascht ansah. Er sah ihre Verwirrtheit, ließ sich jedoch davon nicht irritieren. „Ich wusste es!“, polterte er los. „Von wegen du heulst dich wegen mir die Augen aus.“ „Was?“, irritiert und mit großen Augen sah Usagi ihn an, blickte dann zu den anderen. Doch die sahen sie ebenso fragend an. „Mir macht Minako versteckte Vorwürfe, weil ich einen Nachmittag mit Saori verbringe und du bist nicht besser. Nein! Du schmeißt dich ausgerechnet an Seiya ran. Wie armselig bist du eigentlich und wie nötig hast du’s?“ Motoki wollte aufspringen, aber Seiya war schneller. Er ging um Usagi herum und stellte sich zwischen sie und Mamoru. Er versuchte mutig zu sein, aber er war alles andere als das. Sein Gegenüber war einen guten Kopf größer als er und schaute auch nicht gerade freundlich aus. Eher das Gegenteil. Mamorus ozeanblaue Augen funkelten wütend. Seine Fäuste waren geballt. „Sie hat sich nicht an mich heran geschmissen.“, Seiyas Stimme zitterte leicht. „Nimmst du sie in Schutz?“ „Ja. Weil du gerade Blödsinn erzählst.“ Die Blicke der beiden Schwarzhaarigen trafen sich. Usagi hielt die Luft an. Gerade wusste sie nicht so recht, was sie von diesem ungleichen Hahnenkampf halten sollte. In Mamorus Augen konnte sie Wut sehen und Seiya stand einfach nur stocksteif da. Die Luft zwischen ihnen war zum Zerreissen gespannt. Nicht nur sie fragte sich, ob die beiden nur miteinander reden oder ihre Fäuste sprechen lassen würden. „Usa, du musst was tun. Sonst schlagen die sich gleich die Schädel ein.“, Ami hatte sich über den Tisch gebeugt und sah besorgt zwischen Usagi und den beiden jungen Männern hin und her. Die Blondine nickte nur und stand langsam auf, schob sich an Seiya vorbei und streckte vorsichtig ihre Hand aus, um die von Mamoru zu greifen. Dieser war überrascht über diese Geste und sah zu Usagi. Er sah das Flehen in ihren Augen und wie sie den Kopf leicht schüttelte. „Mamo-chan.“ Er schwieg. Sie sah zu Seiya, der ihren Blick erwiderte und dann wieder zu Mamoru sah. „Es ist meine Schuld, dass ihr beide euch getrennt habt.“, seine Stimme war fest und klar. „Wenn du mir fünf Minuten gibst, werde ich es dir erklären. Und danach wirst du begreifen, dass Usagi die Unschuld in Person ist.“ „Ich geb dir drei Minuten. Und wenn es mich nicht überzeugt, dann gnade dir Gott.“, die Stimme des Oberstufenschülers glich einem Knurren. Sein Blick war auf die Augen seines Gegenüber geheftet. Eine Tatsache die Usagi ihrerseits nutzte und ihn widerstandslos auf ihren Stuhl platzierte. Sie selbst nahm sich einen neuen. Seiya vermied den stechenden Blick von Mamoru. Es reichte, dass der Ältere es damit schaffte, bei ihm eine Gänsehaut hervor zurufen. Er schluckte schwer. Aus dem Augenwinkel sah er, wie auch Usagi ihren Blick gesenkt hatte. Genau wie die anderen. Scheinbar wagte es keiner, Mamoru anzusehen. Als er anfing zu erzählen, erkannte er seine eigene Stimme nicht mehr wieder. Sie klang seltsam fremd und rau. Und gleichzeitig viel zu hoch. Seiya hatte das Gefühl, dass sich Unmengen an Schweiß auf seiner Stirn und in den Innenflächen seiner Hände bildeten. Immer wieder kam er ins Stocken, weil er neuen Mut sammeln musste, um weiterzusprechen. Alleine die Statur von Mamoru reichte aus, um ihm Angst einzujagen. Und dabei saß er noch. Er wollte sich nicht ausmalen, was passierte erst, wenn er aufsprang?! Er konnte hören, wie sein Sitznachbar scharf die Luft einzog, als er zu dem Teil mit den Fotos kam. Vorher war er noch halbwegs gelassen gewesen. Zwar angespannt, aber nicht so wie jetzt. Seiya sah nur halb, wie Mamoru unruhig zu Usagi sah, die nun auch den Kopf gehoben hatte und seinen Blick erwiderte. Ihre Hand hielt immer noch seine und als ob sie ihn beruhigen wollte, strich sie mit dem Daumen über seinen Handrücken. „Ich hab es schon Usagi gesagt. Ich wusste nicht, dass es solche Fotos sind. Ich dachte, es wären harmlose Knutschbilder. Und keine, auf denen Usagi halbnackt auf einem Kerl sitzt.“ Mamoru gab nur ein verständnisloses Schnauben von sich. „Ich wäre auch ausgerastet, wenn ich solche Fotos gesehen hätte.“ Der Oberstufenschüler stand schweigend auf. Fuhr sich durch die Haare und ging einige Schritte, während die Wahrheit zu ihm durchsickerte. Die anderen am Tisch erinnerte es an Usagi, die nach dem Geständnis ihres Mitschülers genauso umher getigert war. Seiya fiel auf, dass er nicht mehr so angsteinflössend war. Er suchte Usagis Blick, doch sie hatte nur Augen für Mamoru. Usagi achtete nicht mehr auf die anderen am Tisch. Für sie zählte jetzt nur eine Person hier im Crown. Sie stand auf und ging langsam zu Mamoru. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Seine Hände waren immer noch zu Fäusten geballt und er schien zu zittern. Liebevoll umschlang sie ihn von hinten mit ihren Armen und drückte sich vorsichtig an ihn. Sie spürte, wie er eine Hand auf ihre legte. Sie war so groß, dass sie problemlos ihre beiden kleinen Hände umfasste. „Hinterzimmer?“, ihre Stimme war leise und nur für ihn hörbar. Er nickte nur und folgte ihr, noch immer ihre Hand haltend zur Tür hinterm Tresen. Seiya sah ihnen wie der Rest des Tisches hinterher. Traurigkeit schlich sich in sein Herz. Ihm war klar, dass die beiden wieder zueinanderfinden würden. Und er war sich bewusst, dass Mamoru für Usagi die bessere Wahl war. Dennoch machte sich sowas wie Liebeskummer in ihm breit, als er sich abwandte und betrübt auf den Tisch vor sich schaute. „Du hast das Richtige getan.“, Makoto sah Seiya aufmunternd an. „Hoffentlich.“ Das verstaubte Fenster des Hinterzimmers ließ nicht viel Licht herein. Aber es genügte für den Augenblick. Usagi ließ sich auf das alte und durchgesessene Sofa fallen. Wie oft hatte sie hier schon gegessen? Sie wusste es nicht. „Willst du dich nicht setzen?“, sie sah zu Mamoru, der mit dem Rücken zu ihr stand und scheinbar eifrig die im Regal liegenden Kaffeepäckchen bestaunte. Er schüttelte mit dem Kopf. Er kam sich vor wie der letzte Idiot. Seine Usagi war unschuldig gewesen und er hatte ihr nicht geglaubt. Sie hatte soviele Tränen wegen ihm vergossen und doch war sie jetzt hier mit ihm im Hinterzimmer und sprach kein böses Wort über seine Dummheit. „Ich hab mich über deine Nachricht gestern Abend gefreut.“ Sie versuchte Normalität zwischen sie zu bringen. Er bewunderte sie dafür, verstand aber ihre Vorgehensweise nicht. „Usako. Du solltest mich hassen.“, seine Stimme klang brüchig. „Warum sollte ich das tun?“ Wie naiv sie doch war. Er lachte leise auf. „Ich hab dir so wehgetan und nicht geglaubt. Ich bin so ein Idiot!“ Die Blondine sah, wie seine Schulter bebten und sie sprang auf. Rannte um den Tisch herum und fasste ihn am Arm. Sie spürte seinen Widerstand, ließ ihn aber nicht zu. Mit ein wenig Schwung drehte sie ihn um. Er wandte sein Gesicht ab, aber selbst im schwachen Lichtschein konnte sie sehen, dass er weinte. Sanft fuhr sie mit ihrer Hand über seine Wange und fing so ein paar Tränen auf. „Es tut mir so leid, Usako.“ Ohne das sie es hätte aufhalten können, sank er auf die Knie. Den Fluss an Tränen konnte er genauso wenig aufhalten wie sein Schluchzen. Ja, er hatte auch in den letzten Tagen wegen ihr geweint. Aber nicht so heftig. Es war lange her, dass es ihm so erging wie jetzt. Mamoru bemerkte, wie sie ihre Arme um ihn schlang. Sein Kopf lehnte an ihrer Brust und ihre Finger fuhren beruhigend durch seine schwarzen Haare. „Scht, alles ist gut. Du kennst doch jetzt die Wahrheit.“ „Warum hasst du mich nicht?“, schluchzte er und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust. „Ich kann doch nicht den Menschen hassen, der mir am meisten auf der Welt bedeutet.“ Er schwieg. „Du hast mir meinen ersten Kuss geschenkt und meinen ersten Liebeskummer. Selbst wenn Seiya heute nicht die Wahrheit gesagt hätte, hätte ich dich nicht hassen können. Ich hätte auf dich gewartet. Solange bis du es eingesehen hättest.“ „Und wenn das nie geschehen wäre?“ „Dann wäre ich wohl als alte Jungfer irgendwann gestorben.“, sie lachte leise und schob ihn ein wenig von sich. „Ich liebe dich, Mamo-chan.“ Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre kleinen Hände und näherte sich langsam seinem. Hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor ihre Augen seine trafen. Mamoru sah sie mit großen Augen an. Er verstand nicht, wieso sie ihm so schnell verziehen hatte. Und doch war er ihr dafür unendlich dankbar. „Ich hab mich so einsam ohne dich gefühlt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte.“ „Warst du deshalb krank?“, sie sah ihn fragend an. Wischte ihm eine neue Träne von der Wange. „Ja. Ich kam mir so unvollständig vor. Du hast mir so gefehlt. Ich konnte nicht richtig schlafen und habe mich so gefühlt wie damals, als meine Eltern gestorben waren.“ Usagi hielt die Luft an. „Sie hatten doch versprochen, immer für mich da zu sein.“ Die Blondine schloss ihn wieder in ihre Arme. Fuhr ihm zärtlich über den Rücken. „Als ich dich das erste Mal getroffen hatte, hatte ich so ein komisches Gefühl.“ „Ein komisches Gefühl?“ „Ja. Ich hab dich gesehen und wusste, dass du was Besonderes bist.“ „Wir haben uns immer nur gestritten.“ Jetzt löste Mamoru sich ein wenig von ihr, wischte sich die letzten Tränen weg und lächelte leicht nickend. „Schon. Aber immer wenn ich auf dich traf, fühlte ich mich weniger einsam. Deswegen war ich auch so überfordert, als du mir gestanden hast, dass du in mich verliebt bist. Ich habe damit nicht gerechnet. Ich war immer so unfreundlich zu dir. Und im Gegensatz zu mir bist du so ein fröhlicher Mensch. Nicht so ein Griesgram und Gefühlsautist wie ich. Ich war so glücklich, als du Ja zu dieser Beziehung auf Probe gesagt hast. Aber ich war auch eifersüchtig. Das war ich schon, seit wie uns kennen. Immer wenn du dich mit Motoki normal unterhalten hast, war ich sauer. Sauer auf mich, weil ich scheinbar nicht dazu in der Lage war und sauer auf dich, weil du Motoki mit vorgezogen hast und auf ihn, weil er es in meinen Augen ausnutzte. Als mir Saori dann die Fotos gegeben hat und ich dich darauf sah, wie du wohl mit einem beziehungsweise mehreren Jungen rumgemacht hast, sind bei mir die Sicherungen durchgeknallt. Ich kam gar nicht auf die Idee, diese Fotos zu hinterfragen.“ „Deshalb hast du mir nicht geglaubt.“ „Ja. Es tut mir leid, Usako. Ich war am Anfang so euphorisch gewesen, weil wir diese Beziehung hatten. Und dann hintergehst du mich angeblich und lässt mich genauso alleine, wie es meine Eltern getan haben.“ „Oh, Mamo-chan. Du bist so ein Baka!“ „Ich weiß.“, er klang kleinlaut. „Und dann habe ich dir auch noch deinen Geburtstag versaut. Dabei wollte ich dir doch sagen, dass…“ Seine Augen trafen ihre. Er konnte die Erwartung in ihnen sehen. Lächelte leicht und näherte sich mit seinem Gesicht ihrem. Er spürte ihren warmen Atem auf seiner Haut, der stoßweise ging. Sein Herz begann in freudiger Erwartung schneller zu schlagen und ein Kribbeln machte sich in seinem Bauch breit. Usagi würde sagen, er hätte Schmetterlinge im Bauch. „Was wolltest du mir sagen?“, ihre Stimme war nur noch ein Hauchen. „Usako.“, er musste schwer schlucken. Sie schüttelte nur leicht den Kopf. Er musste es nicht sagen. Sie verstand es auch so, als sich ihre Lippen vorsichtig berührten. Der leichte Wind fuhr ihr durch die Haare. Saori war ein wenig zu früh dran. Sie sah nervös auf ihre Armbanduhr. Er zeigte zehn vor drei. Sie stand schon seit fünf Minuten hier und wartete auf Mamoru. Ihre Augen suchten die Umgebung ab, während sie erwartungsvoll auf ihren Füßen vor und zurück wippte. Normalerweise war Mamoru immer pünktlich und meistens eher da als sie. Deswegen war sie heute auch früher losgegangen. Sie wollte ihn nicht zu lange warten lassen. Die Brünette sah an sich herab und strich ihr Kleid glatt, dass sie sich gestern noch gekauft hatte. Weiß mit bunten Blumen am Saum die sich nach oben immer weiter verstreuten. Es würde ihm sicher gefallen. Schon seit ihrem Anruf und seiner Zusage heute Vormittag war sie im Bad gestanden und hatte sich zurecht gemacht. Eigentlich hatte sie mehrere Anläufe für ihr Make-Up gebraucht. Immerhin hatte sie ihm gesagt, dass sie erst frisch getrennt war. Es durfte also nicht übertrieben wirken. Sie kannte Mamoru gut genug und wusste, dass er ihr nicht sofort Avancen machen würde. Das würde noch einige Tage in Anspruch nehmen. Erstmal musste sie die Leidende vorspielen. Sein Mitleid erwecken und noch mehr sein Herz berühren. Mamoru war viel zu viel Gentleman, als dass er ihre Gefühle wegen des vermeindlichen Exfreundes ignorieren würde. Sie musste nur noch ein wenig Geduld haben. Vielleicht sollte sie ihm vorspielen, dass sie schüchtern war. Das sie seine Gefühle für sie ein wenig überforderten. Damit würde sie ihn reizen und aus der Reserve locken und irgendwann seinem Charme erliegen. Obwohl sie das längst schon war. Ungedulig sah sie sich um. Wieder blickte sie auf ihre Uhr. Es war mittlerweile drei. Und Mamoru war nirgends zu sehen. Wo steckte er nur? Sie holte ihr Handy aus der Tasche. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, als sie das Hintergrundbild sah. Es zeigte sie und Mamoru. Jeder von ihnen hatte ein Eis in der Hand. Das Foto hatte sie vor zwei Tagen gemacht, als sie mit ihm spazieren gegangen war. Bevor diese komische Freundin von Usagi aufgetaucht war. Deswegen lächelte Mamoru auch noch. Nach diesem Treffen war er eher in sich gekehrt gewesen. Saori war es nicht entgangen, dass er immer wieder in Gedanken versunken gewesen war. Erst hatte sie sich darüber geärgert. Doch dann begann sie damit, es einfach zu ignorieren. Irgendwie würde sie ihn schon auf andere Gedanken bringen. Zu offensichtlich durfte sie sowieso nicht vorgehen. So gut es ihre Gefühle zuließen, hatte sie noch einen gewissen Abstand zu ihm eingehalten. Auch wenn es ihr schwer gefallen war. Sein männliches Parfüm zog sie mehr und mehr in den Bann. Aber vor zwei Tagen hatte sie ja auch noch einen Freund. Da musste sie sich zurückhalten. Heute sah die Sache ganz anders aus. Ab heute würde sie Mamoru mit jedem Tag und jedem neuen Date mehr und mehr für sich gewinnen. Bald wäre diese Usagi nur noch eine Randerscheinung in seinem Leben. Ein kurzes flüchtiges und dummes Abenteuer, dass man als Jugendsünde abstempeln konnte. Über die man hinweg sehen konnte. Sie selbst hatte es ihm schon verziehen. In einigen Wochen würde er diese dumme Nuss nicht mal mehr grüßen, wenn er Saori doch mal wieder mit ins Crown schleppte. Und wahrscheinlich würde sie ihm das auch abgewöhnen. Es gab wesentlich stilvollere Cafés als diesen Schuppen. Mamoru sollte sich sowieso lieber nach einflussreicheren Freunden umsehen. Sie selbst kam ja aus gutem Hause und er ebenso. Warum sollte er sich dann mit so karriereresistenten Leuten umgeben wie diesen Motoki und seine Schwester? Und Mittelstufenschüler waren sowieso unter seiner und vorallem ihrer Würde. Erneut sah sie sich um. Wo steckte er nur? Ihr Handy zeigte mittlerweile zehn nach drei. Sie suchte seine Nummer heraus und ließ es klingeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)