Ein Licht in der Dunkelheit von Rizumu ([Sasuke/Hinata | Winterwichteln '14]) ================================================================================ Prolog: ▷ Prolog ---------------- Der Wind pfiff an den grauen, leblosen und kalten Felsen vorbei und brachte das wärmende Feuer bedrohlich zum Flackern. Die einzige wärmende Quelle in dieser ungemütlichen Höhle stand so weit es ging geschützt und trocken, denn wenn diese erlöschen sollte, würde es nicht mehr möglich sein, ein neues Feuer zu entfachen. Der Schneefall draußen hatte zu einem ausgewachsenen Schneesturm umgeschlagen und sperrte die beiden jungen Menschen zwischen den Felsen ein. Ohne wärmende Kleidung oder Proviant. Sie waren nicht darauf vorbereitet gewesen, sich irgendwo Schutz suchen zu müssen. Besonders nicht draußen in der Natur. Die junge Frau sah zu dem Feuer, dass immer kleiner zu werden schien, denn besonders viel trockenes Holz hatten sie auf die Schnelle in dem Wald, der sich hinter der Felswand befand, nicht finden können. Das Feuer knisterte weiter. Für den Moment würde es dem Wind und der Kälte standhalten können. Die junge Frau strich sich mit den Fingern nervös durch ihr langes, mitternachtsblaues Haar und wendete sich ihrem Partner zu, der an der Wand lehnte und von Schmerz durchtränkte Laute von sich gab. »Sasuke-kun?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Ihr Hals war trocken und ihr Gesicht fühlte sich so kalt wie Eis an. Ihm musste es wahrscheinlich viel schlimmer gehen. Seine grüne Weste war an der rechten Seite auf Brusthöhe zerrissen, genauso wie sein Pullover. Blut quoll aus einer Wunde, deren Ausmaß sie beide noch nicht kannten. Seine Atmung ging schwer und flach, die Augen hatte er seit einiger Zeit geschlossen und seine eh schon blasse Haut war noch um einiges farbloser geworden. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. »Hinata«, gab Sasuke von sich. Seine Stimme war dünn und krächzend, als hätte er tagelang gegen Naruto angeschrien. »Sasuke-kun, wie fühlst du dich?«, fragte Hinata und legte ihre Hand an seine Stirn. Zumindest hatte er kein Fieber. Doch die Wunde war wohl tiefer, als sie befürchtete. »Du solltest gehen.« Ohne auf Hinatas Frage einzugehen, offenbarte Sasuke ihr seinen Plan: »Beeil dich und kehre nach Konoha zurück. Du musst dem Hokage unsere Informationen überbringen. Sei vorsichtig, damit du nicht in die Hände unserer Verfolger gerätst.« »Und was ist mit dir?« »Mich lässt du hier zurück. Ich komme schon klar, aber die Informationen müssen dringend nach Konoha.« »Ich kann dich doch nicht im Stich lassen! Wir … wir sind doch ein Team … Du bist mein Partner!« Sie konnte das, was Sasuke da sagte, nicht verstehen. Es war zwar die Vorschrift, dass die Mission eines Shinobis immer an erster Stelle stand, doch sie konnte nicht einfach einen Kameraden … einen Freund … zurücklassen. »Wenn ich dich hier lasse, wirst du sterben! Es ist viel zu kalt und deine Wunde … deine Wunde-« Hinata verstummte, denn Sasuke legte ihr seinen Zeigefinger an die Lippen. »Geh jetzt. Es ist deine Pflicht.« ▷ Kapitel 1 ----------- »Herzlichen Glückwunsch, ihr drei seid die ersten Jonin eurer Stufe!«, sagte der Yondaime Hokage Namikaze Minato und musterte nacheinander die drei jungen Menschen vor ihm. »Ihr habt es geschafft und seid nun vollwertige Shinobi, so gesehen die Erwachsenen unter euren Kameraden.« »Aber Minato-sama ...« »Was ist denn, Hinata-chan? Du kannst stolz auf dich sein, schließlich hast du es noch vor Sakura-chan und Ino-chan geschafft, diesen Rang zu erreichen.« »Das war ... nur ...« »Nicht so schüchtern «, sagte Minato lächelnd und zwinkerte der Jüngeren zu. »Du kannst viel mehr, als du dir zutraust.« »Da-Danke, Minato-sama«, murmelte das Mädchen verlegen. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie die beiden Jungen, die neben ihr standen, und schmunzelte. Neben Hyuuga Hinata hatten es auch Nara Shikamaru und – natürlich – Uchiha Sasuke zum Jonin geschafft. Keine wirkliche Überraschung, schließlich gehörten beide zu den Besten ihres Jahrgangs. Shikamaru hatte den nötigen Verstand, es gab niemandem, der besser darin war, sich selbst in den kritischsten Situationen eine Strategie zurechtzulegen, und Sasuke war talentiert, intelligent und besaß das Bluterbe seiner Familie: das Sharingan. »Ich verlasse mich darauf, dass ihr auch alle eure Missionen zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigen werdet.« »Gewiss, Yondaime-sama«, sagte Sasuke und nickte. Er wirkte kühl und emotionslos, manchmal auch so als hätte er keinerlei Interesse an anderen, doch das täuschte. Hinata wusste von seinen Teamkameraden Uzumaki Naruto und Haruno Sakura, dass sie immer auf ihn zählen konnte. Sie selbst hatte noch nicht so viel Kontakt zu ihm gehabt, schließlich hatte es bisher keinen Grund dazu gegeben, aber wenn sie mit ihm und seinem Team zusammen eine Mission erledigt hatte, hatte er sich als äußerst fähig herausgestellt. Hinata sah zu dem hoch gewachsenen, jungen Mann mit dem tiefschwarzen Haar. Sasuke war der Schwarm aller Mädchen und die junge Frau konnte auch verstehen warum. Als ihre Gedanken gespürt, drehte er sich zu ihr und ihre Blicke trafen sich. Hinatas Wangen färbten sich zartrosa und sie wandte sich von ihm ab. »Herzlichen Glückwunsch, Jungs«, murmelte sie kaum verständlich und stupste ihre Zeigefinger aneinander. »Ihr habt es verdient.« »Haben Sie noch etwas, dass Sie mit uns besprechen wollen, Minato-sama?«, fragte Sasuke. »Naruto und Sakura warten sicherlich draußen auf dich, Sasuke«, sagte Shikamaru mit einem fast schon schadenfrohen Grinsen im Gesicht. Dies hielt jedoch nicht lange, denn ihm fiel ein, dass seine Teamkameraden ebenfalls auf ihn warteten. Und das bedeutete, er müsste mit ihnen essen gehen. »Mir ist das recht egal«, merkte Sasuke mit einem gleichgültigen Schulterzucken an. »Sie sind sicherlich sehr stolz auf dich, Sasuke-kun.« »Das verbiete ich ihnen nicht, Hinata.« Sasuke schloss die Augen, als würde er nach den passenden Worten suchen. »Ich habe nur keine Lust auf irgendwelche Feiern.« Hinata nickte verständnisvoll. Sie selbst mochte so etwas auch nicht, weil es ihr unangenehm war. Wobei Inuzuka Kiba, einer ihrer beiden Teamkameraden, neidisch auf sie war. Er wäre viel lieber an ihrer Stelle gewesen. Auch wenn Hinata definitiv nichts dafür konnte, dass sie es vor ihm zum Jonin geschafft hatte. Es war einfach Schicksal gewesen – oder so etwas Ähnliches. »Ich habe nichts mehr, dass ich euch mitteilen möchte oder muss. Es ändert sich nicht sehr viel für euch und das Wenige können wir auch noch an einem anderen Tag besprechen«, sagte Minato und winkte mit der Hand, als wollte er die jungen Shinobi verscheuchen. »Vielen Dank, Minato-sama.« Hinata verneigte sich höflichst und lächelte. Sie wünschte dem Dorfoberhaupt noch einen »Guten Tag« und verließ das Büro gefolgt von Sasuke und Shikamaru. Schweigend gingen die drei jungen Shinobi nebeneinander den Flur entlang. Hinata kam nicht umhin, sich mit den beide Männern zu vergleichen. Sie konnten unterschiedlicher gar nicht sein und dennoch hatten sie es alle zum Jonin geschafft. Hintereinander gingen sie die Treppe hinunter, die ins Erdgeschoss führte. Am Empfang saß immer noch dieselbe junge Frau, die sie auch bei ihrem Eintreffen begrüßt hatte. Sie winkte ihnen, ehe die jungen Shinobi das Gebäude verließen und hinaus traten. Der Herbst hatte Einzug gehalten. Die Blätter waren golden gefärbt und die Sonne schien aus Leibeskräften, kam jedoch gegen den kalten Wind nicht an. Es dauerte sicherlich nicht mehr lange, bis die ersten Schneeflocken zu Boden sinken und der Winter Besitz von Konoha ergreifen würde. Hinata war jetzt schon froh über die dicke, warme Weste, die sie trug. Wie würde das dann erst im Winter sein? »Sasuke-kun!«, rief Sakura freudig, die mit Naruto und ihrem Sensei Hatake Kakashi auf ihn gewartet hatte. Auch das Team von Shikamaru war vertreten, blieb jedoch nicht lange vor dem Hokageturm stehen, sondern erfüllte dem nörgelnden Akimichi Choj, seinen Wunsch, essen zu gehen. Hinata lächelte und winkte Yamanaka Ino nach. »Ey, Hinata.« Die junge Frau zuckte zusammen, als Naruto sie so plötzlich von der Seite ansprach. »N-Na-Naruto-kun.« »Gratulation zum Rang-ttebayo«, sagte der Blonde mit einem breiten Grinsen im Gesicht. »Lass dir von dem Miesepeter hier nicht die Show stehlen! Er stellt sich sehr gerne ins Rampenlicht.« Naruto lachte und Hinata sah zu Sasuke hinüber. Er war eigentlich gar nicht so, wie er ihr nun beschrieben wurde. Sasuke war zurückhaltend und sehr stolz. Er wusste, was er konnte, und zeigte das auch. »Sasuke-kun ist sehr nett zu mir«, sagte Hinata leise und sah wieder zu Naruto. Sie wollte dem noch etwas hinzufügen und sich für die Glückwünsche bedanken, als die Stimme ihres Vaters erklang. »Hinata«, sagte er mit strenger und tiefer Stimme zu seiner erstgeborenen Tochter. Hinter ihm stand Hinatas jüngere Schwester Hanabi, die ihr stumm zuwinkte. »Du hast es tatsächlich zum Jonin geschafft.« »Ja, Otosama«, antwortete Hinata und verneigte sich ehrfürchtig vor ihrem Vater. »Danke, dass Ihr mir erlaubt habt, an der Prüfung teilzunehmen.« »Es war deine Pflicht, dem Hyuuga-Clan gegenüber den Rang eines Jonin zu erreichen.« »Gewiss, Otosama.« »Uchiha Sasuke-san«, sagte Hyuuga Hiashi, ohne seine Tochter eines Weiteren zu würdigen, »du hast deinem Clan alle Ehre bereitet. Ich durfte mir die Aufnahmen eurer Prüfungen ansehen und es gab nichts daran auszusetzen. Du bist wahrlich der beste Shinobi deines Jahrgangs und ein Erbe der Uchiha.« »Hey und was ist mit mir?«, rief Naruto aufgeregt dazwischen, doch Sakura zwang ihn mit einem gezielten Schlag zur Ruhe. Sasuke sagte nichts und sah zu Hinata. Sie konnte den Blick, den er ihr zuwarf, nicht deuten, jedoch war er nicht wie immer. »Meine Tochter kann sicherlich noch so einiges von dir lernen.« Sasuke sah sie immer noch an, und weil ihr das unangenehm wurde, wich sie seinem Blick aus. »Vielleicht … Ja, es wäre eine gute Gelegenheit für Hinata«, sagte Hiashi nachdenklich und zog damit die Aufmerksamkeit seiner ältesten Tochter auf sich, »wenn ihr zusammen trainieren würdet. Es würde ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zweifellos bereichern.« »Aber Otosama!«, rief Hinata, doch eine Handbewegung ihres Vaters brachte sie zum Schweigen. Sie sah zu Sasuke, der, so war sie sich sicher, kein Interesse daran hatte, sie zu trainieren. Er hatte Besseres zu tun und sie kannten sich doch kein Stück. Es vergingen einige Augenblicke, die sich für Hinata wie Stunden anfühlten, bis Sasuke antwortete: »Kann ich machen.« Sie konnte gar nicht glauben, was der junge Uchiha da sagte und dabei die ganze Zeit zu ihr hin sah. Was war es, dass Sasuke dazu bewegte, der Bitte ihres Vaters nachzugeben? Hinata konnte es nicht anhand seiner Mimik deuten, da diese keinerlei Emotionen preisgab. »Bist du dir sicher, dass du das machen willst, Sasuke-kun?«, fragte Sakura mit einem besorgten Blick zu ihrem Kameraden. »Du trainierst selber schon sehr viel.« Sasuke zuckt mit den Schultern und sah zu seinem Team. Auch Naruto schenkte ihm einen fragenden Blick. Allein Kakashi beobachtete die Szenerie ruhig. »Es ist nicht so, dass ich ihr jeden Augenblick meiner Zeit schenken würde. Gegen ein gemeinsames Training spricht nichts, warum also nicht?« »Das nenne ich Einsatz«, lobte Hiashi, der seine Begeisterung nach außen nicht zeigte. Er war stets ein beherrschter Mann, der sein Ansehen wahrte. » Hinata wird sicherlich einiges von dir lernen können.« »J-Ja«, sagte sie nur. Sie spürte den strengen Blick ihres Vaters auf sich ruhen und fühlte den Druck, der plötzlich auf ihren Schultern lastete. Sie sah zu Sasuke, doch dieser schien sie gar nicht mehr zu beachten. Sein Blick galt ihrem Vater und es lag etwas Wütendes in ihm. Oder irrte sie sich? Wahrscheinlich missinterpretierte sie es einfach. Sie kannten sich schließlich kaum, warum sollte Sasuke sich dann um sie bemühen? »Hole Hinata morgen früh um sechs Uhr ab, Sasuke-san«, sagte das Oberhaupt des Hyuuga-Clans streng und wandte sich dann zu seinen beiden Töchtern um, ohne eine Antwort abzuwarten. »Hanabi, Hinata – wir gehen nach Hause.« »Jawohl, Otosama«, sagten beide Mädchen wie aus einem Munde. Gehorsam folgten sie ihrem Vater, während Hinata Sasuke noch einen letzten Blick zuwarf, der ihr jedoch keine Antworten auf ihre Fragen gab. »Sechs Uhr morgens? Hat der sie nicht mehr alle?«, fragte Naruto in einer übertrieben Lautstärke. Es ging viel zu schnell: Sasuke sah nur aus dem Augenwinkel heraus, wie Sakura ausholte, und nur einen Wimpernschlag später verschwand Naruto in einem Trümmerhaufen, der einst ein Zaun gewesen war. »Übertreibst du es nicht etwas, Sakura?«, fragte Kakashi mit einem skeptischen Blick, während sich Naruto aus den Trümmern erhob. »Keeeeh … Das tat weh, Sakura-chan. Wieso hast du das getan?« »Du bist selber Schuld, wenn du so unhöflich bist, Naruto.« Sasuke ignorierte das Gezeter, zu dem seine Kameradin nun ansetzte, stellte sich zu Kakashi und sah ihn an. Sie hatten viel zusammen trainiert, von ihm hatte er das Chidori erlernt und außer seinem älteren Bruder kannte er niemanden, der ihm Tipps für die Unterweisung anderer geben konnte. Außerdem kannte dieser sich eventuell mit dem Bluterbe der Hyuugas – dem Byakugan – aus und konnte ihm dessen Fähigkeit genau erklären. »Ich kann an deinem Gesicht erkennen, was du von mir willst, Sasuke«, sagte der ältere Jonin. »Du bist kein dummer Junge und wirst alleine dahinter kommen müssen, wie du Hinata am besten etwas beibringen kannst.« Neckend stupste er dem Uchiha-Spross gegen die Stirn, so wie es dessen Bruder immer tat, nur um ihn zu ärgern. »Auch ihr, Naruto und Sakura, seid nicht dumm. Ihr habt viel gelernt, seit ihr die Akademie abgeschlossen habt, und seid nun dran, alleine euren Weg zu gehen. Ich bin schon lange nicht mehr euer Sensei und Sasuke hat meinen Rang bereits eingeholt.« Er wandte sich noch einmal seinem ehemaligen Schützling zu: »Vor dir befinden sich nicht mehr viele Ziele, die du anstreben kannst. Außerdem solltest du dir Gedanken darüber machen, ob du dich der Konoha-Polizei oder eventuell den ANBU anschließen willst.« »Tze, bevor ich meine Entscheidung über meine Zukunft fälle, will ich noch weitere Erfahrungen sammeln. »Gut gebrüllt, Löwe. Aber lass dir damit nicht zu viel Zeit.« Kakashi hob seine Hand zum Abschied und ging dann auf den Hokageturm zu. »Ob er nach uns noch andere Genin ausbilden wird?«, fragte Naruto mit einem ungewohnt traurigen Unterton. »Der Gedanke daran ist merkwürdig.« »Es war doch klar, dass es früher oder später dazu kommen würde! Außerdem hatten wir das schon besprochen, als wir drei Chunin wurden!«, mischte sich Sakura ein. »Du klingst immer so vorwurfsvoll-ttebayo.« »Ihr klingt so, als wäre das ein Abschied für immer«, merkte Sasuke an und runzelte skeptisch die Stirn. »Wir sind schon lange keine Lehrlinge mehr und stehen auf eigenen Beinen, ohne dass er uns führen muss. Kakashi sagte nur, wir sollen unsere eigenen Entscheidungen treffen.« »Wie erwachsen du dich anhörst, Sasuke-kun.« »Ich weiß noch nicht, ob ich so erwachsen sein will. Ich will meinen Spaß und-« »Ein Kind wird gewiss kein Hokage, Dobe.« »Tch … Teme.« »Jetzt streitet euch nicht deswegen«, fuhr Sakura schlichtend dazwischen und lächelte. »Sasuke-kun, wie sollen wir deinen neuen Rang feiern? Irgendwelche Wünsche?« »Keine Zeit«, warf Sasuke ein und schob die Hände in seine Westentaschen. »Mein Vater hat noch Erledigungen für mich. Ich bin eh schon spät dran.« »Sogar heute?«, fragte Sakura ungläubig und er antwortete nur mit einem Schulterzucken. Sasuke kannte das schon und machte sich aus dem Verhalten seines Vaters nicht viel. Er würde eine ähnliche Situation erleben, wie Hinata es zuvor mitmachen durfte. Die Aufmerksamkeit seines alten Herrn lag eher bei seinem großen Bruder Itachi – dem Wunderkind des Clans. »Wir sehen uns.« Ähnlich wie Kakashi hob Sasuke zum Abschied einen Arm und machte sich dann auf den Weg nach Hause. Sein Vater würde keine Ausnahme machen, nur weil er soeben zum Jonin ernannt wurde. Dazu kam noch, dass er dem Training von Hinata zugestimmt hatte, dabei kannten sie sich überhaupt nicht. Sie war ein so unscheinbares Mädchen, dass er sie meistens gar nicht wahrnahm. Der Uchiha-Clan lebt schon seit der Gründung Konohas in einem eigenen Viertel des Dorfes und leitete von dort aus die örtliche Polizei. Als Kind hatte sich Sasuke oft nach dem Grund gefragt. Wieso lebten sie nicht unter den anderen Dorfbewohnern? Bis heute hatte er keine wirklich akzeptable Antwort darauf bekommen. Er konnte sich sehr gut daran erinnern, dass es in seiner Kindheit Misstrauen gegenüber seinem Clan gegeben hatte. Sein Bruder meinte damals, es läge an der Abgeschiedenheit und Distanz, weil sie sich abkoppelten, statt mit dem Dorf zusammenzuarbeiten. Es wäre dem Yondaime Hokage zu verdanken gewesen, dass dieses Misstrauen zerschlagen und die beiden Parteien einander näher gebracht worden waren. Die Polizei – einer der größten Streitpunkte – unterlag auch weiterhin der Leitung des Uchiha-Clans, jedoch durften sich nun auch clanfremde Personen anschließen. Sasuke ging durch die Straßen des Uchiha-Viertels und wurde von den Bewohnern begrüßt. Er war der Sohn des Oberhauptes, und auch wenn er nur der Zweitgeborene war, brachte man ihm Respekt entgegen und erwartete viel von ihm. Mit Stolz sollte er das Wappen seiner Familie tragen und dennoch ruhte auf seinen Schultern nicht dieselbe Last wie auf denen seines Bruders. Dem Erben ihres Vaters. »Otouto.« Sasuke hatte gar nicht bemerkt, dass sein Bruder hinter ihm auf den Boden aufgekommen war und war ein wenig überrascht darüber, seine Stimme zu hören. »Oniisan«, beschwerte er sich mit einem leichten Murren in der Stimme, »was soll das?« »Habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht«, entschuldigte sich Itachi. Auch wenn Sasuke mittlerweile 16 Jahre alt war, behandelte sein Bruder ihn immer noch wie ein kleines Kind, um ihn zu ärgern und aufzuziehen. »Ich wollte dir nur gratulieren. Also … Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung! Du hast es dir verdient.« »Danke«, murmelte Sasuke und wurde von seinem Bruder auf die Stirn gestupst. »Wann lässt du das endlich sein?« »Was meinst du, Sasuke?« »Mich wie ein Kind zu behandeln.« Bis vor wenigen Augenblicken hatte Sasuke sich noch wie ein Erwachsener gefühlt und nun – in der Gegenwart seines großen Bruders – fühlte er sich wie ein dummes, kleines Kind. »Und überhaupt … Hast du nicht Dienst?« Itachi hatte es als Wunderkind mit zwölf Jahren zum ANBU und kurz darauf schon zum Gruppenchef geschafft, und als er dann 18 wurde, wechselte er zu der Konoha-Polizei. Laut eigener Aussage um ihren Vater zu entlasten und ihn in ein paar Jahren abzulösen, denn Uchiha Fugaku war nicht mehr der Jüngste und seine Politik sollte genauso überarbeitet werden. »Ich bin fertig«, antwortete Itachi. »Wir sollten schnell nach Hause gehen. Okaasan wartet sicherlich schon mit dem Essen auf uns und sie will dir bestimmt noch gratulieren.« »Bei meinem Glück wartet auch noch Kushina-san bei uns.« »Keine Sorge, Otouto, ich denke nicht, dass wir Gäste haben werden. Otoosan hatte schließlich eine Besprechung.« »Warum?«, fragte Sasuke, während die beiden Brüder nebeneinander den Weg entlang gingen. Sie waren fast gleich groß, nur wenige Zentimeter lagen zwischen ihnen. »Na wegen der Polizei. Er will seinen Posten abgeben.« »An dich?« Itachi zuckte mit den Schultern. »Vielleicht auch an dich.« »Als ob.« »Du hättest sicherlich die nötige Qualifikationen dafür.« Sasuke schwieg. Wie oft hatten sie diese Unterhaltung schon geführt? Egal für wie geeignet sein Bruder ihn hielt, am Ende entschied es ihr Vater und seine Meinung kannten sie beide. Itachi war der weitaus talentiertere der Brüder. Seit er denken konnte, versuchte Sasuke ihm zu zeigen, dass mehr in ihm steckte, als sein Vater sah. Doch dieser alte Mann war stur und hielt an alten Traditionen fest. Genauso wie es Hyuuga Hiashi tat. Itachi und Sasuke gingen bis zu der Tür ihres Elternhauses, ohne ein Wort mit einander zu wechseln. Itachi schob die Tür auf und rief mit fester Stimme: »Wir sind wieder zu Hause« und Sasuke stimmte mit einem »Hallo Okaasan« ein. Er hatte seine Mutter den ganzen Tag noch nicht gesehen, da er früh morgens zum letztem Test der Jonin Eignungsprüfung gegangen war. Damit er sein morgendliches Training absolvieren konnte, hatte er noch früher als alle anderen im Hause aufstehen müssen. Nun war es Nachmittag und die Sonne stand bereits tief. Aus der Küche drang die fröhliche Stimme ihrer Mutter und wenige Augenblicke später lief sie auf ihre beiden Söhne zu. Mit einer schnellen Bewegung zog sie Sasuke in eine feste Umarmung und drückte ihn an sich. »Ich bin so stolz auf dich, Sasuke«, sagte sie und klang dabei, als würde sie weinen. »Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung!« Uchiha Mikoto ließ ihren jüngsten Sohn los und er betrachtete sie genau. In ihren Augenwinkeln glitzerten kleine Freudentränen. »Du hast doch bestanden oder, Sasuke?«, fragte sie mit einem strengen, aber überglücklichen Gesichtsausdruck. Noch bevor er ihr antworten konnte, zog sie ihn erneut in eine Umarmung und schluchzte. »Natürlich habe ich bestanden. Hey, weinst du? Okaasan, nicht weinen!«, gab Sasuke von sich und warf einen überforderten Blick zu seinem Bruder. Doch dieser lächelte nur und zog sich die Schuhe aus. »Ich bin so stolz auf dich«, sagte Mikoto ein wenig undeutlich. »Du bist schon so ein großer Junge. Dabei solltest du doch immer mein kleiner Sasuke bleiben.« »Okaasan, das ist peinlich.« Itachi legte seine Hand auf die Schulter seiner Mutter und brachte sie so dazu, von Sasuke abzulassen. »Ist Otousan zu Hause? Ich denke, Sasuke würde ihm gerne von dem Ausgang seiner Prüfung erzählen.« »Als ob ich das müsste. Es ist selbstverständlich, dass ich bestanden habe.« »Aber Sasuke-chan«, gab Itachi gespielt erschrocken von sich, »früher konntest du es kaum abwarten, unserem Otousan zu erzählen, was du alles gelernt hast.« »Früher, Itachi!«, beschwerte sich der Jüngere. »Ich bin kein kleines Kind mehr!« »Wenn du kein kleines Kind mehr sein willst, dann benimm dich auch wie keins, Sasuke.« Bis auf Itachi hatte niemand bemerkt, wie sich Fugaku der kleinen Gruppe genähert hatte. »Ich-« »Suche nicht nach Ausreden, Sasuke«, sagte das Oberhaupt streng zu seinem Sohn. »Du bist so laut wie ein kleines Kind und weit davon entfernt, ein Erwachsener zu sein.« »Jawohl, Otousan.« »Ich nehme an, du bist zum Jonin befördert worden.« Anhand seiner Stimme konnte man erkennen, dass er keine Abweichung von dieser Erwartung duldete. »Ja, wurde ich.« »Und wer noch?« »Nara Shikamaru und Hyuuga Hinata.« »Hyuuga also.« Fugaku drehte sich um und ging wieder aus dem Raum. »Wir sollten eurem Vater folgen. Er hat sicherlich einiges zu berichten. Und an dich, Itachi, hat er bestimmt auch noch eine Menge Fragen.« Itachi nickte. »Wir sollten jedoch nicht Sasuke vergessen. Schließlich ist er heute befördert worden.« »Das ist schon in Ordnung. Die Arbeit geht vor. Außerdem bin ich nicht der Typ für so etwas.« Fast schon enttäuscht sah Mikoto ihren jüngsten Sohn an. »Dann lass dich wenigstens mit deinem Lieblingsgemüse belohnen. Ich habe auf dem Markt extra viele Tomaten gekauft.« Die Hausfrau kicherte und folgte dann ihrem Mann, der schon längst in der Küche saß und in seiner Zeitung las. »Okaasan hätte gerne mit dir ein wenig gefeiert. So wie früher.« »Ich bin kein Kind mehr, Oniisan.« »Das weiß ich doch. Aber warum sollte Freude kindisch sein?« Sasuke streifte energisch seine Schuhe ab und stieß sie achtlos weg. Dass sie so vollkommen ohne Ordnung mitten im Eingangsbereich herumlagen, war ihm in dem Augenblick egal und doch konnte er nicht anders, als sie ordentlich hin zu stellen. Dann stand er wieder auf, schenkte seinem Bruder einen „schlechte-Laune“-Blick und sagte: »Ich habe Hunger und werde nun essen gehen.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, folgte er seinen Eltern in die Küche, von wo ein köstlicher Geruch aus ging. Mikotos Gemüsecurry. Früher hatte er es gerne gegessen, besonders wenn für ihn ein paar Tomaten – oder zumindest Stücke davon – übrig geblieben waren. Doch nun konnte er sich kaum darauf freuen, weil er es sich verbieten musste. Er sollte sich erwachsen benehmen und dazu musste er all‘ seine kindischen Eigenschaften ablegen. Sasuke setzte sich an die Tischseite gegenüber seinem Vater. Kurz darauf betrat auch Itachi die Küche und setzte sich stumm auf den Platz neben seinen Bruder. Alles war ruhig. Mikoto war noch dabei, das Essen vorzubereiten. Unbemerkt lehnte sich Itachi zu Sasuke und flüsterte ihm ins Ohr: »In meinen Augen benimmst du dich weitaus erwachsener, als man es von deinem Alter erwarten kann. Otoosan ist lediglich nicht in der Lage, es zu erkennen.« Sasuke schloss die Augen. Er hatte Recht, ihr Vater sah nicht, wie sehr er sich bemühte und veränderte. Uchiha Fugaku hatte lediglich Augen für Itachi sonst keinen. Das Oberhaupt legte seine Zeitung auf den Tisch und sah zu seinem ältesten Sohn. »Wie war dein Dienst heute?« Itachi zuckte mit den Schultern. »Ruhig, wie immer. Ich war mit Naoto-san in den Straßen unterwegs-« »Du warst auf Streife?«, fragte Fugaku mit einem wütenden Unterton. Sein Sohn reagierte jedoch mit einer Gelassenheit, die nur er in einer solchen Situation behalten konnte: »Die Arbeit im Büro ist nichts für mich. Ich bin noch jung und möchte lernen, vor allem aber den Bewohnern des Dorfes helfen.« Jedoch schien diese Erklärung für Fugaku nicht ausreichend zu sein. »Du bist mein Sohn und sollst zukünftig die Leitung übernehmen! Du hast keine Zeit, um herumzuspielen.« »Aber genau deswegen ist es für mich so wichtig, jede Arbeit kennenzulernen, Otoosan. Wie soll ich etwas leiten, das ich nicht im Geringsten kenne?« Fugaku zerknitterte die Zeitung in seinen Händen, schloss die Augen und schnaufte. Das war das Zeichen, dass er Itachis Erklärung hinnahm, sie jedoch nicht unterstützte. »Morgen bin ich wieder während deines Dienstes dabei, dann ist die Zeit des Herumtollens vorbei.« Fugaku widmete Sasuke seinen strengen Blick. »Und da du nun Jonin bist, wann wirst du deinen erste entsprechende Mission bekommen? Hast du schon eine?« Sasuke schüttelte den Kopf. »Ich habe noch keine erhalten, dafür ist aber Hyuuga Hiashi-san auf mich zugekommen.« »Hyuuga? Was will er von dir?« »Er hat mich darum gebeten, seine Tochter, Hyuuga Hinata, zu trainieren.« »Das ist doch wundervoll, Sasuke«, sagte Mikoto und stellte ihm einen Teller mit Tomaten auf den Tisch. »Das heißt Hyuuga Hiashi-san erkennt dein Talent und dein Können an.« Sasuke nickte. Er sah die roten Früchte vor ihm an und zweifelte, ob es eine gute Idee wäre, jetzt schon eine davon zu essen, mitten im Gespräch mit seinem Vater. »Ich habe der Bitte zugestimmt. Solange ich keine Mission habe, sollte das machbar sein.« »Noch ein Sohn, der seine Zeit verschwendet«, murrte Fugaku und schlug seine Zeitung wieder auf. Damit war für ihn diese Unterhaltung beendet. Er nahm sich, im Gegensatz zu Itachi, nicht die Zeit, um mit Sasuke weiter über seine Entscheidung zu sprechen. Er wollte nicht einmal den Grund wissen. War er ihm also völlig egal? »Ich-«, fing Sasuke an, doch er wurde von der energischen Stimme seiner Mutter unterbrochen. »Fugaku!« Das Oberhaupt ließ seine Zeitung sinken und sah verwundert zu seiner Frau. »Dein Sohn hat sich dazu entschlossen, eine Hyuuga zu trainieren! Er wurde danach gefragt. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass seine Stärke, sein Talent und sein Können anerkannt werden? Du solltest ihm zumindest in solchen Situationen zeigen, dass du stolz auf ihn bist!« Fugaku sah von seiner Frau zu seinem jüngsten Sohn und musterte letzteren eindringlich. Sasuke versuchte diesem Blick standzuhalten, auch wenn es eine wirklich merkwürdige Situation war. Er hatte seine Mutter noch nie dermaßen laut werden gehört. »Ich werde weder mein Training, noch meine Missionen vernachlässigen, Otoosan«, erklärte Sasuke ruhig. »Dafür hoffe ich, dass ich von Hyuuga Hinata selbst noch einiges lernen kann, besonders was das Byakugan angeht.« Stille herrschte, dann schließlich nickte Fugaku. »Solange du darauf achtest, sollte es in Ordnung sein. Außerdem wäre es nicht schlecht, wenn wir Beziehungen zu dem Hyuuga-Clan knüpfen könnten.« Sasuke nickte zustimmend. »Wann beginnt das Ganze?« »Ich werde morgen früh um sechs Uhr beim Anwesen der Hyuugas erwartet.« Fugaku nickte erneut und widmete sich dann wieder seiner Zeitung. Für Sasuke war das in Ordnung. Wenn er ehrlich war, hatte er keine Lust dazu, dass sich seine Mutter oder Itachi einmischten, weil das doch nur bewies, dass er ein kleines Kind war. Sasuke wollte sich seinem Vater gegenüber auch alleine behaupten können. »Bist du dir sicher, dass du das machen möchtest, Sasuke? Du kennst dich weder mit dem Byakugan noch mit den Fähigkeiten oder Techniken des Hyuuga-Clans aus«, merkte Itachi besorgt an. Er hatte zwar Recht, doch dass der Jüngere noch nicht genau wusste, wie er dieses Problem lösen sollte, wollte er definitiv nicht vor seinem Vater zugeben. Sonst würde sicherlich alles von vorne beginnen. »In der Vergangenheit habe ich mit Hyuuga Neji arbeiten dürfen und kann mich dementsprechend für morgen vorbereiten. Außerdem habe ich noch das Sharingan.« »Aber Neji-san stammt von der Zweig- und Hinata-san von der Hauptfamilie ab, da ist also ein himmelweiter Unterschied.« »Willst du mir damit also sagen, ich wäre mit dieser Aufgabe überfordert, Aniki?« »Gewiss nicht. Ich will nur klarstellen, ob du dir deiner Verantwortung bewusst bist.« »Es ist nur Training, mehr nicht. Es geht hier nicht um eine Eheschließung«, sagte Sasuke kopfschüttelnd und nahm sich eine Tomate. »Ich weiß auch noch nicht, wie lange ich sie trainieren werde. Vielleicht erledigt sich das schneller, als wir alle denken.« »Sie ist ebenfalls Jonin, Sasuke. Sie trägt also Potential in sich.« Sasuke seufzte. Genau, sie hatte zwar die Prüfung geschafft, doch trotzdem wurde ihre viel jüngere Schwester als Erbfolgerin bevorzugt. »Ich finde ja«, wandte Mikoto ein und stellte eine Schüssel mit dampfendem Reis auf den Tisch, »es ist wichtig, dass Sasuke Spaß hat und tun kann, was er möchte. Wer weiß, was ihm dieses Training für Möglichkeiten aufzeigt?« »Ich habe nicht vor, irgendwelche Genin zu trainieren, falls du das meinst, Okaasan.« Mikoto lächelte milde und stellte eine weitere Schüssel, mit ihrem köstlichem Gemüsecurry gefüllt, dazu. »Ich bin ja so gespannt, was aus meinen beiden talentierten Söhnen werden wird«, sagte sie im Plauderton und setzte sich auf ihren Platz neben ihren Mann, der nun endlich die Zeitung komplett beiseite legte. Mikoto nahm die Kelle zur Hand und befüllte Fugakus Schale mit Reis. »Jetzt wird aber nicht in die Zukunft geschaut, sondern gegessen, damit meine Männer für ihre Arbeit gestärkt sind. Guten Appetit!« ▷ Kapitel 2 ----------- Hinatas Wecker klingelte an diesem Morgen bereits um 4:00 Uhr, damit sie sich vor Sasukes Ankunft noch fertigmachen und Essen für sich und ihren Trainer vorbereiten konnte. Vielleicht war das eine Chance, ihn besser kennenzulernen, so unähnlich waren sie sich zumindest nicht. Sie stammten beide aus angesehenen Familien des Dorfes, die mächtige Dou-Jutsu – Kekkei Genkai genannt – beherrschten. Nach der Dusche betrat Hinata die Küche. Im ganzen Anwesen herrschte Ruhe, weil alle noch am Schlafen waren. Wahrscheinlich war der Einzige, der schon wach war, Neji, doch der wohnte in einem anderen Gebäude. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass Hinata nicht mehr lange alleine bleiben würde, ihr Vater wäre der Nächste, der aufstand. Also band sie sich eine fliederfarbene Schürze um und begann, ein paar Onigiri für sich und Sasuke zu machen. Es war das erste Mal, dass sie für einen einzigen Jungen etwas kochte, sonst stand sie nur für ihr Team in der Küche und das sah ihr Vater nicht gerne. „Verschwendete Zeit“ nannte er das Kochen für Andere, auch wenn er die Meinung vertrat, dass gutes Essen wichtig war. Uchiha Sasuke war jedoch etwas Besonderes, das konnte man zumindest Hiashis Worten entnehmen. Und dass er ihrem Training zugestimmt hatte, ohne dass sie sich wirklich kannten, grenzte beinah an ein Wunder. Ein kleines Dankeschön war also mehr als nur angebracht. Die Zutaten, die Hinata vorsorglich am vorherigen Tag gekauft hatte, reichten für genau sechs mit Thunfischpaste gefüllte Onigiri. Sie hoffte, es würde für Sasuke und sie reichen. Vielleicht sollte sie noch etwas mehr mitnehmen? In der Küche fand sie noch ein wenig Obst und Gemüse – Äpfel, Trauben und ein paar Tomaten. Schnell hatte Hinata all‘ die Lebensmittel in einem kleinen Picknickkorb verstaut und stellte sicher, dass sie durch die Bentobox, in der sich die Onigiri befanden, keine matschige Dellen bekommen oder braun werden konnten. Erneut sah Hinata zur Uhr. Ein wenig Zeit hatte sie noch, ehe Sasuke hier auftauchen würde. Allerdings sah er aus wie jemand, der überpünktlich war, also bestand die Möglichkeit, dass er schon längst unterwegs war und früher als geplant hier auftauchten würde. Immerhin war Sasuke nicht wie Naruto. Sie legte die Schürze ab und hängte sie an ihren angestammten Platz, ehe sie die Küche wieder aufräumte und alle von ihr hinterlassenen Spuren entfernte. Niemand musste wissen, dass sie hier gewesen war, um zu kochen. Vor allem nicht ihr Vater, denn das wäre in seinen Augen sicherlich wieder mal verschwendete Zeit, die sie für die Vorbereitung ihres Trainings hätte verwenden sollen. Schnell hatte Hinata das kleine Chaos beseitigt und alle Geräte, die sie gebraucht hatte, weggeräumt. Alles sah wieder so aus wie vorher. Hinata schnappte sich ihren Korb und machte sich auf den Weg in den Eingangsbereich, wo sie sich ihre Schuhe anzog und vor dem Spiegel noch einmal kurz ihr lang gewachsenes Haar, insbesondere ihren Pony, ordnete. Kurz überlegte sie, ob sie sich einen Zopf machen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Mit einem letzten Blick vergewisserte sie sich, dass sie alles hatte – Korb, Schuhe, Jacke, Ausrüstung – Ihre Ausrüstung! Dabei hatte sie ihre Waffen gestern Abend noch gesäubert und in ihren Taschen verstaut. Und dann ließ sie diese einfach in ihrem Zimmer liegen? Energisch schob sie ihren Korb beiseite, zog ihre Schuhe aus und lief wieder zurück in ihr Zimmer. Auf dem Weg dorthin begegnete sie ihrem Vater, weswegen sie abrupt stehen bleiben musste, um diesen zu grüßen. »Guten Morgen, Otosama«, sagte sie und verneigte sich vor dem Familienoberhaupt, das wie immer beschäftigt und reserviert wirkte. Hiashi nickte seiner Tochter kurz zu und ging einfach weiter. Als sie gerade an ihm vorbei war, hielt er inne und drehte sich zu ihr um. »Wo willst du hin, Hinata? Solltest du dich nicht für dein Training bereitmachen?« »Ich wollte nur noch mal kontrollieren, ob ich alles habe«, antwortete Hinata hastig und verschwieg, dass sie bereits etwas vergessen hatte. »Das ist ein guter Gedanke«, sagte ihr Vater, jedoch konnte man aus seinem Tonfall keinerlei Lob oder Anerkennungen heraushören. »Das sollte aber nicht von Nöten sein.« »Gewiss nicht, Otosama. Jedoch kann man nie ordentlich genug sein, das ist es doch, was Ihr immer sagt.« »Deine Schwester hat so etwas nicht nötig. Du solltest dir ein Beispiel an ihr nehmen«, sagte er streng. »Vielleicht solltest du Uchiha Sasuke-san fragen, wie er seine Vorbereitung handhabt.« »Gewiss … Das werde ich machen, Otosama«, erwiderte Hinata und senkte ihren Blick. »Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet. Sasuke-kun wird sicherlich bald eintreffen.« »Beeile dich und lass ihn nicht warten. Mach‘ uns keine Schande.« »Gewiss nicht, Otosama.« Hinata verneigte sich ein letztes Mal und setzte dann ihren Weg fort. Manchmal wünschte sie sich, er wäre nicht so streng mit ihr. Wenn sie die Väter ihrer Teamkameraden so anschaute, so kam sie nicht umhin, einen großen Unterschied zu ihrem eigenen festzustellen. Bei den Hyuugas lief es eben etwas anders, aber trotzdem fand sie es nicht gut. Hinata stand in ihrem Zimmer und griff nach ihrer Waffentasche. Sie wusste zwar nicht, ob sie diese brauchen würde, weil Sasuke und sie sich noch nicht abgesprochen hatten, aber besser sie nahm ihre Ausrüstung mit und brauchte sie nicht, als dass sie diese hier ließ und doch hätte nutzen sollen. Schnell zählte sie die Kunai und Shuriken ab, verstaute sie in den Taschen, die sie sich umschnallte – die Kunai an ihren rechten Oberschenkel und die Shuriken hinten an den Rand ihrer Hose – und zog ihre Jacke darüber, sodass man diese nicht mehr sehen konnte. Vielleicht war das ein wenig unpraktisch im Kampf, weil sie nicht sonderlich gut da rankam, aber fürs Training sollte es reichen. »Hinata!«, drang die laute und strenge Stimme ihres Vaters zu ihr hoch. »Beeile dich!« »Ich komme schon, Otosama!«, rief sie und eilte wieder zurück. Sie lief schneller als sonst, vor Aufregung und irgendwie auch vor Vorfreude, so genau konnte sie das nicht sagen. Sie flog quasi die Treppenstufen hinunter und fühlte sie sich leicht und aufgeregt wie ein kleines Mädchen, das gerade erst Genin geworden war und nicht wie eine Kunoichi die bereits zu den Jonin gehörte. Noch gerade rechtzeitig kam sie am Ende der Treppe zum Stehen, ehe sie in ihren Vater hineinrennen konnte. »Verzeiht mir, Otosama«, sagte sie, doch Hiashi gab nur einen abfälligen Laut von sich und ging an ihr vorbei hoch in die obere Etage. Hinata wartete einen Augenblick, ehe sie zum Eingangsbereich lief, ihren dort versteckten Korb nahm und hinausging. Sasuke wartete bereits auf sie. Er stand am Rand des Gehweges zum Anwesen der Hyuugas und betrachtete den Vorgarten, in den Hinatas Mutter sehr viel Zeit investierte. Sasuke trug ein blaues, kurzärmliges Oberteil mit hohem Kragen und dem Wappen seiner Familie auf dem Rücken und dazu eine weiße, etwas gräulich wirkende Hose. Das Outfit hatte er schon damals getragen, als sie noch zur Akademie gegangen waren. Seine Hände waren lässig in die Hosentaschen gesteckt und er schien sie gar nicht zu bemerken. Erst als sie die Tür wieder zuschob, wandte er ihr seinen Kopf zu. »Guten Morgen, Sasuke-kun«, sagte sie und strich sich verlegen eine lange Haarsträhne hinters Ohr. »Habe ich dich lange warten lassen?« Sasuke schüttelte den Kopf und wandte sich ihr komplett zu. »Das ist gut.« Innerlich seufzte sie erleichtert auf. »Ich habe schon befürchtet, dass ich zu langsam war.« Erneut schüttelte der Uchiha den Kopf und musterte sie. Sein Blick blieb an dem Korb hängen, was Hinata leicht errötend auffiel. »Ah, das?« Sie hob den Korb an. »Ich dachte, wir könnten ein wenig Verpflegung gebrauchen für eine Mittagspause oder so. Ich hoffe, du magst Onigiri.« Sasuke zuckte mit den Schultern. »Warum nicht.« »Das dachte ich mir auch.« Sie ließ den Arm mit dem Korb wieder sinken. »Zu welchem Trainingsplatz wollen wir gehen?« Sasuke trat auf sie zu und griff nach dem Korb. »Lass mich den tragen«, sagte er nur und Hinata überließ ihm mit roten Wangen ihre Verpflegung. »Mein Clan hat einen Platz im Wald.« Die junge Frau nickte. Ihre Familie hatte auch ihre eigenen, teilweise geheimen Trainingsplätze, schon allein aufgrund des Byakugans. »Dann komm.« Hinata lies Sasuke vorgehen und folgte ihm schweigend. Es war merkwürdig, dass gerade er derjenige war, der ihr beim Training helfen würde, wo er doch als so unnahbar galt und als Schwarm aller Mädchen des Dorfes bekannt war. Sie wollte nicht daran denken, wie die anderen Mädchen darauf reagieren würden, wenn sie erführen, dass sie Zeit mit Sasuke verbrachte, wo sie sich doch bereits wegen jeder Kleinigkeit, die ihn betraf, in den Haaren lagen. Sasuke führte sie quer durch das Dorf und sprach kaum mit ihr. Sie war noch nie im Viertel der Uchiha gewesen. Es hatte bisher aber auch nie einen Grund dafür gegeben. Die Uchihas zogen sich zurück und so hatte sie manchmal sogar das Gefühl, dass es den Clan nicht wirklich in Konoha gab, dass er überhaupt nicht zum Dorf gehörte. Warum war das eigentlich so? Sie hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht und jetzt war doch die perfekte Gelegenheit, um hinter dieses Geheimnis zu kommen. »Oh hallo, Sasuke-kun«, sagte eine alte Frau, die gerade den Weg vor ihrem Laden fegte. »Guten Morgen, Obasan«, grüßte Sasuke sie und blieb stehen. Hinata tat es ihm gleich und stellte sich daneben. »Ah, was hast du da für eine hübsche Freundin?«, fragte die Frau lächelnd und Hinata verneigte sich nervös. »Mein Name ist Hyuuga Hinata. Ich bin nicht Sasuke-kuns Freundin, er hilft mir nur bei meinem Training.« Die Frau lachte. »Ich freue mich darüber, dass Sasuke eine so hübsche Trainingspartnerin hat.« »Das reicht langsam, Obasan«, meldete sich nun auch Sasuke zu Worte. »Aber es ist doch wahr. Du bringst so selten Freunde mit. Dein Onkel und ich haben uns schon gefragt, ob du überhaupt welche hast.« Hinata sah zu Sasuke, doch seine Miene war regungslos. »Ich habe eben viel zu tun.« »Genauso wie dein Vater«, merkte die Frau an und winkte die Hyuuga zu sich. »Warte eben kurz auf mich, ich bin gleich wieder da.« Hinata bekam den Besen in die Hand gedrückt und die Frau verschwand in ihrem Laden. Sasuke rief ihr noch ein „Wir haben keine Zeit“ hinter her, doch seine Tante reagierte nicht darauf. Ihm war die Situation sichtlich unangenehm, denn sonst würde er sie nicht anlügen, schließlich hatten sie keinen Zeitdruck. »Ich bin doch schon wieder da«, sagte die Frau unbekümmert und reichte Hinata eine durchsichtige Tüte voller Kekse. »Lass sie dir schmecken, Liebes. Und vor allem: Lass dich nicht von Sasuke ärgern. Er ist in Wahrheit ein lieber und sensibler Junge.« »Obasan!« Hinata nickte und lächelte. »Vielen Dank für die Kekse. Sasuke und ich werden uns sicherlich gut verstehen.« »Komm, Hinata«, sagte Sasuke barsch und wandte sich zum Gehen. Hinata hörte den Unmut aus seiner Stimme raus, schwieg jedoch, weil es sie nichts anging. Sie waren ja nur Kameraden, keine Freunde. Hinata folgte Sasuke wieder durch das Viertel der Uchiha. Immer mal wieder grüßten die Bewohner sie und Hinata winkte freundlich zurück. Der Bezirk wirkte wie ein ganz eigenes, kleines Dorf voller netter Menschen. Doch warum war das so? Sie sah zu Sasuke, der ihr den Rücken zugewandt hatte, was nicht wirklich verwunderlich war, schließlich ging er vor. »Sasuke-kun?« »Hm?« »Was-« Hinata verstummte. Es ging sie wirklich nichts an, warum der Uchiha-Clan so lebte. Vielleicht hatte es ganz banale Gründe und sie interpretierte lediglich zu viel in die Sache hinein. So wie es aussah, war der Uchiha-Clan viel größer als der ihre oder es lag einfach daran, dass sie alle auf einem Fleck versammelt lebten. »Ich wollte fragen, wo wir hin gehen.« »Zum Wald da vorne.« Hinata sah geradeaus, wo sich Baumkronen über die Hausdächer erhoben, um sich gen Himmel zu strecken. Er sah wundervoll einladend aus. »Trainierst du oft da?« Sasuke nickte. Sie gingen schweigend die Straße entlang, an Häuser und Menschen vorbei, an einem Seeufer entlang, immer näher dem Wald entgegen und schließlich hinein. Da Hinata den Wald nicht kannte, wusste sie auch nicht, wie weit sie hineinlaufen würden. Um sie herum war außer den Bäumen nichts zu sehen, noch nicht einmal den Himmel konnte man erkennen. Sie folgten einem Trampelpfad, der wohl über all die Jahre in den Boden eingestampft worden war. Hinata fragte sich, ob sie die erste Clanfremde war, die hierherkam. Oder trainierte er auch mit Naruto und Sakura hier? Sasuke führte sie zu einer nicht sehr großen Lichtung. An den Bäumen und dem großen Felsen in der Mitte waren Zielscheiben angebracht, die mit hunderten von Löchern übersät waren und deren Farbe abblätterte und teilweise schon verblichen war. Hinata konnte sich kaum von dem sich ihr bietenden Anblick losreißen und erschrak als sie ein Knacken hörte. Ein Blick zu ihren Füßen verriet ihr, dass sie auf eine Zielscheibe getreten war. Warum sie auf den Boden lag, wusste sie nicht. »Es tut mir leid, Sasuke-kun ...« Sasuke zuckte mit den Schultern. »Die sind eh schon alt«, sagte er und deutete auf einen Haufen zerstörter Zielscheiben. »Mach‘ dir deswegen keine Sorgen.« Hinata nickte. »Wie sieht der Trainingsplan aus, Sasuke-kun, ich meine, -sensei?« »Sasuke reicht voll und ganz aus«, meinte der junge Uchiha und sah sich um, als wäre er selber lange nicht mehr hier gewesen. »Mit deinem Byakugan kannst du jede der Zielscheiben ausmachen oder?« Erneut nickte sie. »Hmm.« Sasuke schien zu überlegen. »Wir nutzen diesen Ort, um unsere Kunai-Techniken zu trainieren.« »Es ist nicht leicht, jede Scheibe zu treffen, oder?« Sasuke zuckte mit den Schultern. »Versuch es.« Hinata aktivierte ihr Byakugan, um alle Ziele auszumachen, und musste feststellen, dass sie nicht genügend Kunai dabei hatte. Aber darum wollte sie sich erst später Gedanken machen. Sie griff in ihre Waffentasche und zog ein Wurfmesser heraus. »Nicht einzeln«, sagte Sasuke, »sondern alle auf einmal.« »Wie soll das denn gehen?« Hinata hielt inne. »Du musst es nicht alles gleichzeitig schaffen«, erklärte er und stellte den Korb ab, um selber ein paar Kunai aus seiner Waffentasche am Oberschenkel zu ziehen. Er ging in die Mitte der der Lichtung und sprang mit einer geschmeidigen Bewegung hoch. Am höchsten Punkt drehte er sich und warf kopfüber seine Kunai. Im Fall drehte er sich erneut und landete mit den Füßen wieder auf dem Boden. Nicht alle Messer hatten ihr Ziel getroffen, erst recht nicht die Scheibe hinter dem großen Felsen, trotzdem kam Hinata nicht aus dem Staunen raus. »Unglaublich«, sagte sie und schaute sich um. »So viele Treffer.« Sasuke schüttelte den Kopf. »Eigentlich sollte das besser gehen, aber ich hab den Sprung schon falsch angesetzt.« »Trotzdem war das eine tolle Leistung!« Der junge Uchiha zuckte mit den Schultern. »Es geht hier auch nicht darum, alle zu treffen. Wir machen das nur für den Anfang. Wobei …« Er musterte Hinata von oben bis unten. »Du solltest dich zunächst aufwärmen. Am besten läufst du ein paar Runden.« »Laufen?« Sasuke nickte. »Das schaffst du oder?« Hinata bejahte vorsichtig. »Und welche Strecke?« Er seufzte und fasste sich an die Stirn. »Hier um den Platz reicht völlig aus. Versuch, so lang wie möglich zu laufen, ohne eine Pause zu machen.« Sie nickte und sah sich noch einmal um. Der Platz war nicht sonderlich groß, demnach dürfte sie viele Runden schaffen. Um nicht zögerlich zu wirken, lief sie unter dem strengen Blicken Sasukes sofort los und erhöhte bereits nach wenigen Sekunden ihr Tempo. »Es geht nicht darum, schnell viele Runde zu laufen, sondern lange durchzuhalten«, wies Sasuke sie plötzlich an. »Wenn du deine Energie jetzt schon verbrauchst, ist dein Lauf sehr bald schon vorbei.« »Ja-jawohl!«, keuchte Hinata. Er hatte Recht und das spürte sie bereits, denn langsam ging ihr die Puste aus. Ein wirklich klägliches Bild einer Kunoichi. Warum hatte sie so wenig Ausdauer? Wobei die Antwort einfach war: Sie hatte ihre Energie jetzt schon verbraucht, weil sie direkt alles geben wollte, zumindest während einer Mission achtete sie darauf, diese einzuteilen. Als Hinata schließlich anhielt, war sie nicht lange gelaufen. „Zehn Minuten höchstens“, sagte Sasuke, während sie nach Luft schnappte. »Das machst du am besten regelmäßig. Und wenn du deine Energie einteilst, wird das auch besser, glaub mir.« Hinata nickte. »J-ja.« »Wenn du wieder zu Atem gekommen bist, fangen wir mit den Wurfübungen an.« Erneut nickte sie, sagte jedoch nichts und ließ sich zu Boden sinken. »Du nutzt deine Waffen nicht oft oder?« Hinata schüttelte den Kopf. »Das dachte ich mir«, sagte Sasuke eher zu sich selbst. »Du bist im Nahkampf spezialisiert. Es sollte aber nicht schaden, wenn wir mit den Kunai und Shuriken trainieren.« »Okay.« »Bist du eigentlich mit allem einverstanden, was ich sage?« »Ja.« »Warum?« »Wie meinst du das?« »Ich frage mich, ob du alles machst, was man dir sagt.« Hinata sah ihn verwundert an. Sie verstand nicht, worauf Sasuke hinaus wollte. »Du hast dich gegen das Training mit mir nicht gewehrt, nicht einmal etwas eingeworfen und das obwohl wir uns kaum kennen. Warum?« »Ich weiß es nicht.« Sie sprach leise, kaum hörbar, und schaute dabei auf den Boden. Sasuke zuckte mit den Schultern. »Ist ja auch egal. Wenn du etwas nicht willst oder andere Wünsche hast, dann trau dich ruhig, etwas zu sagen. Ich beiße nicht, auch wenn ich so aussehe.« »Okay«, sagte sie, schaute aber wieder auf ihre Füße und sah deshalb sein kurzes, kleines Grinsen nicht. »Aber … Warum hast du zugesagt, mich zu trainieren?« »Hmm«, gab Sasuke nur von sich und Hinata glaubte nicht daran, dass sie eine Antwort von ihm bekommen würde, doch dann sprach er plötzlich weiter: »Weil ich denke, dass wir in ähnlichen Situationen sind. Du wünscht dir die Aufmerksamkeit deines Vaters, ein Lob, und ich das Gleiche von meinem. Nur mit einem Unterschied: Du bist die Erbin und ich nur der Zweitgeborene.« »Nur?«, fragte Hinata. Sasuke zuckte mit den Schultern. »Mein Bruder ist der erstgeborene Sohn und damit der Erbe unseres Vaters.« »Aber das spielt doch keine Rolle!« »Doch, tut es. Auf den Schultern meines Bruders lasten viel mehr Erwartungen und Verpflichtungen als auf den meinen.« »Du bist dennoch wichtig.« »Genau wie du. Dein Vater bevorzugt deine jüngere Schwester, weil er dich für zu schwach hält, habe ich Recht?« Hinata zuckte zusammen. Sie war gewiss nicht stolz auf ihre Situation, dennoch hatte sie mit der Zeit gelernt, zu akzeptieren, auch wenn sie alles gab, um ihrem Vater das Gegenteil zu beweisen. Und der Beitritt bei den ANBU sollte der erste Schritt sein. Schließlich murmelte sie seufzend: »Ich sollte dir nicht Mut für etwas zureden, was ich seit Jahren selbst ignoriere, nehme ich an.« »Genau.« »Vielen Dank, Sasuke-kun.« »Wofür?« »Dass du mich trainierst und mir Mut machst.« Sasuke zuckte lediglich mit den Schultern, als würde ihn das alles gar nichts angehen. ▷ Kapitel 3 ----------- Sasuke und Hinata trafen sich jeden Tag zum Trainieren und auch als der Uchiha auf eine Mission geschickt wurde, ließ die junge Kunoichi ihr Training nicht abbrechen. Sie durfte sogar den Trainingsplatz der Uchiha nutzen, zumindest sofern dieser frei war. Wenn sie das Tor des Uchiha-Viertels durchschritt, war es bei weitem nicht mehr so merkwürdig wie bei ihrem ersten Mal. Jeden Morgen bekam sie frische Brötchen von Sasukes Tante zugesteckt. Es war fast schon so, als würde sie auf Hinata warten, nur um ihr dann die vorbereitete Tüte zu geben. Hinata gefiel das Training, auch wenn es nicht das war, was sie gewohnt war. Aber bei den Missionen trugen ihre Anstrengungen erste Früchte. Und auch wenn sich ihr Stil nicht großartig verändert hatte, fühlte sie sich ungewohnt selbstsicher. Das Training und Sasuke taten ihr gut. Es war der erste Tag nach einer längeren Mission von Sasuke, an dem sie wieder gemeinsam trainieren konnten. Er war mit Team Kakashi unterwegs gewesen, genauere Informationen hatte sie nicht bekommen, schließlich gingen sie die Einzelheiten der Mission sie nichts an. Hinata wusste nur, dass Sasuke sich warme Kleidung eingepackt hatte. Sie trafen sich schon seit langem direkt am Trainingsplatz. Manchmal wartete Sasuke auch schon am Eingangstor auf sie oder sie trafen sich unterwegs. An diesem Tag war Hinata aber früher da und das obwohl sie ein wenig spät dran gewesen war, weil sie ihnen noch jeweils ein Bento zubereitet hatte. Kurz überlegte sie, ob sie auf Sasuke warten sollte, schließlich hatten sie sich die letzte Woche nicht gesehen und ein wenig freute sie sich auf das Wiedersehen. Hinata legte ihre Sachen an den Ort, den sie immer dafür nutzte, und streckte sich kurz, ehe sie anfing zu laufen. Danach würde sie sich noch ein wenig dehnen, ehe sie mit ihrem eigentlichen Training beginnen würde. Doch so weit kam sie gar nicht, denn Sasuke kam endlich am Trainingsplatz an. Er sah ein wenig mitgenommen aus und sein linker Arm war komplett verbunden. »Sasuke-kun«, sagte Hinata. Sie blieb stehen und sah ihren Kameraden besorgt an. »Was ist passiert?« Sasuke zuckte mit der rechten Schulter und sagte, es wäre nur ein Kratzer, doch Hinata war bei weitem nicht so naiv, um nicht zu verstehen, dass der stolze Uchiha die Sache damit nurherunterspielen wollte. Sie wusste aber auch, dass es klug wäre, ihn nicht weiter auszufragen und zu einer Erklärung zu drängen. »Wie war die Mission?«, fragte sie stattdessen. »Nicht sonderlich schwer.« Es war offensichtlich, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte. Hinata musterte den verbundenen Arm genauer. Er war komplett von dem weißen Verband bedeckt, den einige rote Flecken zierten. Einzig die Fingerspitzen lagen frei. »Wie lief es mit deinem Training?« Sie wusste, dass es ein Versuch war, vom Thema abzulenken, aber sie ging darauf ein. »Ich habe jeden Tag trainiert, so wie abgesprochen.« Sasuke nickte anerkennend. »Und dein Vater?« Hinata schüttelte den Kopf. »Er fragt nur ob ich weiter trainiere. Ob ich Fortschritte mache oder nicht, das wollte er bisher nicht wissen.« Nun war sie diejenige, die mit den Schultern zuckte. »Vorgestern hat er sich mit deinem Vater unterhalten.« »Hm«, gab er von sich. »Davon wurde mir erzählt. Weißt du, was sie besprochen haben?« »Nein«, sagte sie und verschwieg, dass sie sich nicht getraut hatte, ihren Vater danach zu fragen. Das Einzige, was sie wusste, war, dass er sehr zufrieden ausgesehen hatte, nachdem er nach Hause zurückgekehrt war. Die Unterhaltung musste also nach seinen Vorstellungen verlaufen sein. »Du solltest weitermachen.« »Hm?« Sasuke nickte kurz. »Du warst gerade dabei, dich aufzuwärmen.« »Ah, ja.« Es war mittlerweile Winter und die Temperaturen waren noch mal gesunken. Die Kinder Konohas freuten sich schon auf den ersten Schnee, jedoch warteten sie darauf noch vergebens. Wenn es nach Hinata ginge, konnte dieser jedoch gänzlich weg bleiben. Sie wollte gerade loslaufen, als eine laute Frauenstimme sie zusammenzucken ließ: »Sasuke-san! Hinata-san!« Es war die Assistentin des Yondaime Hokage in Begleitung Itachis, die zu ihnen eilte. Sie winkte ihnen hektisch zu und keuchte vor Erschöpfung. Anscheinend war sie es nicht gewohnt, so viel zu laufen, oder aber die kalte Luft setzte ihr zu. »Sasuke-san, Hinata-san«, japste sie erneut, als sie vor ihnen zum Stehen kam. »Was gibt es?«, fragte Sasuke mit nüchterner Stimme. Die junge Frau, die Hinata nicht bei ihrem Namen kannte, brauchte ein wenig, um wieder zu Atem zu kommen, ehe sie die Situation erklärte: »Der Yondaime Hokage schickt mich. Er verlangt nach euch.« »Nach uns?«, fragte die junge Hyuuga verwundert und sah Sasuke fragend an. Dieser nickte ihr zu und wandte sich dann an die Besucherin. »Wir kommen sofort«, sagte er und widmete sich anschließend seinem Bruder: »Danke, dass du sie zu uns gebracht hast. Wenn du sie nun wieder hinausbegleiten würdest …« »Natürlich«, sagte der ältere Uchiha und geleitete die Assistentin des Hogake wieder zurück zum Dorf. Sasuke schwieg eine Weile, ehe er sich in Bewegung setzte und Hinatas Sachen aufhob. »Wir müssen los«, sagte er und drückte ihr die Tasche mit dem Mittagessen in die Hand. »Was will der Hokage von uns?« »Wahrscheinlich hat er eine Mission für uns, sehr wahrscheinlich sogar eine, die uns als Jounin zugeteilt wird.« Es wäre nicht Hinatas erste Mission als Jounin, aber die Erste gemeinsam mit Sasuke. »Los, mach dich fertig. Wir treffen uns vor dem Hokagetum.« Sie nickte – nun entschiedener und gefasster – und setzte sich dann genauso entschlossen in Bewegung, um nach Hause zu eilen und sich umzuziehen. Sie würde das allererste Mal auf einer Mission mit Sasuke ihre Jounin-Uniform tragen; die Gleiche, die auch er trug. Sasuke hatte einen kleinen Vorteil, was die Entfernung seines Zuhauses anging, somit wartete er schon vor dem Gebäude des Hokage, als Hinata in voller Montur ankam. Sie trug ihren Winterumhang bereits. Die beiden Bento-Boxen hatte sie in ihre Umhängetasche gesteckt, denn sie wollte diese nicht umsonst gemacht haben. Sasuke trug lediglich eine Tasche und seine Uniform. Der Handschuh verdeckte nicht komplett den Verband um seinen linken Arm. Die beiden entschieden sich dazu nicht den langen Weg über die Treppe im Haus zu nehmen, sondern durch, sondern durch ein Fenster einzusteigen. Dies ging zum Einen viel schneller und zum Anderen sollten die Dorfbewohner sie nicht jedes Mal bemerken, wobei das nun auch nicht mehr wichtig war, wo sie sich doch bereits vor dem Gebäude getroffen hatten. Das Fenster zum Hokagebüro stand offen und Minato saß diesem zu gewandt auf der Kante seines Schreibtisches. Der Raum war leer und die Dringlichkeit ihres Auftrages fast schon greifbar. »Da seid ihr«, sagte der Hokage, der ungewöhnlich ernst klang und äußerst besorgt wirkte. »Was gibt es?«, fragte Sasuke, während er Hinata dabei half, durch das Fenster ins Büro zu steigen. »Hi no Kuni hat unsere Hilfe angefordert. Ihr beide seid die einzigen Jounin, die wir gerade entbehren können.« Minato reichte Sasuke eine Schriftrolle, da dieser ihm am nächsten stand und erklärte weiter: »Ein paar Häftlingen des Landesgefängnisses gelang es, auszubrechen. Ihr sollt so viele wie möglich einfangen und – wenn es sein muss – auch zur Strecke bringen. Aber das Wichtigste ist, herauszufinden, wie dies geschehen konnte und wer ihnen geholfen hat, damit sich ein derartiger Vorfall nicht wiederholen kann.« »Jawohl!«, sagten die beiden jungen Jounin wie aus einem Munde. »Alle wichtigen Informationen könnt ihr der Schriftrolle entnehmen. Beeilt euch und viel Glück.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sprangen Sasuke und Hinata aus dem Fenster hinaus, durch das sie hineingestiegen waren, und machten sich auf den Weg. Sasuke hatte während Minatos Erklärung die Schriftrolle gelesen und weihte Hinata mit knappen Worten ein. Ihr Ziel lag im Norden von Hi no Kuni, einer weitaus kälteren Region, in der es wahrscheinlich schon seit langem schneite. Hinata war froh, ihren Umhang zu haben, denn die Temperaturen nahmen immer weiter ab, je näher sie ihrem Ziel kamen. Es dauerte nicht lange, bis sie den ersten Schnee sahen und dicke Flocken ihnen den Weg erschwerten. Sie gönnten sich jedoch keine wirklich nennenswerten Pausen und folgten weiter ihrem Weg. Sie sprangen durch die Baumwipfel und mieden Straßen, um nicht gesehen zu werden. In der Schriftrolle stand, dass die Gesuchten sich weiter Richtung Norden bewegen und wohl allem Anschein nach zum Meer wollen würden, um von dort zu flüchten. Es war also wichtig, dass sie die Sträflinge fanden, bevor sie nur einen Fuß auf ein Schiff setzen konnten, sonst würde die Suche nach ihnen um einiges schwerer werden. Das Gefängnis lag einsam auf einem Berg. Die Ausbruchsspuren waren nur allzu deutlich zu sehen: Leichen von Häftlingen wie auch von Wärtern, Spuren von Kämpfen und Zerstörungen. Den Trümmern nach hatten die Befreier mit Sprengladungen gearbeitet. Überlebende Wärter hatten Hinata und Sasuke mit Begeisterung empfangen und ihnen die Lage erklärt, in der Hoffnung, die Jounin aus Konoha könnten alles wieder in Ordnung bringen . Es waren bereits andere Shinobi und Söldner unterwegs, doch von diesen war noch keinerlei Rückmeldung gekommen. »Wir brechen auf«, sagte Sasuke und wandte sich gen Norden. »Aber … Was ist mit deinem Arm?«, fragte Hinata plötzlich. Sie hatte sich die ganze Zeit über Gedanken gemacht, wie Sasuke so eigentlich kämpfen wollte, schließlich war er Linkshänder und auf dem Hinweg hatte die junge Kunoichi beobachten können, wie der Uchiha seinen linken Arm so wenig bewegte und benutzte, wie es nur ging. Selbst ein Blinder konnte sehen, dass er eingeschränkt war. »Das ist egal. Wir gehen.« Sasukes Tonfall war unerbittlich und duldete keine Widerrede. Warum hatte er dieser Mission zugesagt, wenn er sich doch allen Anschein nach bewusst war, dass er seinen Arm schonen musste? Hinata folgte ihm . Je schneller sie die Mission beendeten, desto früher konnte Sasuke nach Hause, um sich vollständig auszukurieren. Mithilfe des Byakugan und des Sharingan war es eine Leichtigkeit für die beiden, die Flüchtlinge ausfindig zu machen. Diese machten ihnen die Verfolgung allerdings auch nicht sonderlich schwer, denn bei einer Gruppe von mehr als zehn Leuten – es war nicht ersichtlich, wie viele Personen von außerhalb bei ihnen waren – waren sie nicht gerade diskret. Ob sie sich sicher fühlten oder ihre Verfolger einfach nur unterschätzten, war nicht klar. Der Schnee lag in dieser Gegend hoch und es kam mit jeder Minute immer mehr dazu, jedoch noch längst nicht genug, um die Spuren gänzlich zu verbergen. »Da vorne«, raunte Sasuke und Hinata nickte. Sie konnte die Gruppe sehen, zwar nur schemenhaft, aber das war genug. »Zehn ...« Leise zählte sie die Personen. »15 … 19 … 22 … Es sind 26. Allesamt Männer mittleren Alters«, berichtete sie, als sie nahe genug an die Gruppe gelangt waren. »Gut. Wir sollten vorsichtig sein. Denk daran: Wir müssen herausfinden, wer die Fäden in der Hand hält.« Sasuke zog mit seiner rechten Hand ein Kunai aus seiner Waffentasche. Normalerweise war er Schwertkämpfer und führte sein Kusanagi mit seiner stärksten Hand. Ob er auch in der Lage war, es mit rechts zu führen, wusste Hinata nicht. Aber wenn dem nicht so war, hätte er einen Nachteil im Nahkampf. »Pass auf dich auf«, flüsterte sie. Die beiden hatten einen Standpunkt eingenommen, von dem sie die Gruppe gut beobachten konnten, jedoch zogen ihre Ziele immer weiter, sodass sie nicht lange an der Stelle verweilen konnten. »Mach dir lieber um dich Sorgen. Wir haben keine Ahnung, wie die Typen kämpfen, und deine Techniken sind auf den Nahkampf ausgelegt.« Hinata nickte. »Damit habe ich keine Probleme, aber du-« »Ende der Diskussion«, sagte der Uchiha mit scharfer Stimme. »Es geht hier um unsere Mission.« Sie nickte erneut und wandte sich wieder der Gruppe zu. Es waren zu viele, um einfach in die Gruppe zu springen und anzugreifen, und sie hatten auch nicht genügend Zeit. Zudem waren sie deutlich in der Unterzahl. Hinata zuckte zusammen, als sie neben sich eine Bewegung wahrnahm. Sasuke hatte sein Kunai geworfen, an dem ein Zettel hing. Kurz darauf explodierten vor ihnen die Baumkronen und Rauch stieg auf. Und Sasuke stürmte los, jedoch nicht durch den Rauch hindurch, sondern um die Gruppe herum, um weitere präparierte Kunai aus allen Himmelsrichtungen zu werfen. Die junge Frau hatte die nun alarmierte Gruppe aus sicherer Entfernung beobachtet. Sasuke hatte sich und Hinata mit seinem Angriff eine gute Deckung und somit einen Vorteil verschafft. Besonders die Hyuuga, deren Sichtfeld durch den Rauch nicht beschränkt wurde, konnte nun aus sicherer Entfernung mit Kunai und Shuriken angreifen. Treffsicher warf sie die Waffen und dezimierte die Gruppe mit Sasukes Hilfe auf 18 Stück. Nicht alle waren leicht zu treffen und die Restlichen waren aufmerksamer, nachdem sie die ersten ihrer Kameraden hatten fallen gesehen. Außerdem löste sich ihre Deckung im wahrsten Sinne des Wortes langsam in Rauch auf. Zeit für einen frontalen Angriff! Es ging alles schnell: Hinata fand sich inmitten der Gruppen wieder, attackierte einen Angreifer nach dem anderen mit ihren flachen Händen und rang nacheinander die Gegner zu Boden. Der Vorteil an ihrer Technik war, dass ihre Opfer nur bewusstlos umkippten und sie – sollte es von Nöten sein – diese später ausfragen konnten. Was Sasuke tat, sah sie nur aus dem Augenwinkel. Sie hatte nicht die Zeit, sich Sorgen um ihn zu machen, obwohl ihr Herz sie dazu drängen wollte. Die Mission war wichtiger und Sasuke war ein erfahrener Shinobi. Er wusste, wie er mit seiner Verletzung umgehen musste. Um sie herum ging alles so schnell. Männer griffen sie an und fielen zu Boden wie die Schneeflocken, die so leise und sanft durch die Nacht hinab segelten, als würde nichts passieren. Als würden sie nicht um ihr Leben kämpfen, welches ihre Gegner ihnen zu gerne nehmen würden. Hinata nahm nichts mehr wahr, keine Zeit, keinen Laut, auch nicht Sasuke. Ihre vollste Konzentration galt allein ihren Gegnern, den Schmerzen in ihren Händen und den Stellen am Körper, an denen sie getroffen worden war. Sie wusste nicht einmal, wie viele der Männer noch gerade stehen konnten und wie viele auf dem Boden lagen. Aber noch viel weniger wusste sie, wie sie an die Informationen gelangen sollten, und langsam spürte sie zudem auch die Erschöpfung durch die Reise und den Kampf. Sie waren am Morgen aufgebrochen und zum gegebenen Zeitpunkt stand bereits der Mond hoch oben am Himmel. Sie hatten den ganzen Tag kaum geruht und nichts gegessen, nur getrunken, aus Hast und wegen der drängenden Zeit. Schreiend kam ein Mann angerannt und nutzte unbewusst die unruhigen Gedanken Hinatas, um sie von hinten zu attackieren. Sie bemerkte zwar den Angriff, jedoch nicht früh genug, um entsprechend reagieren zu können, und landete unsanft auf dem Rücken. »Diese Uniform kenne ich«, raunte der Mann. »Ihr seid aus Konoha, stimmt's?« Hinata schwieg, schließlich musste sie ihre Identität und damit ihre Familie schützen. »Konoha schickt uns also kleine Kinder«, rief der Mann spöttisch und stellte seinen rechten Fuß auf Hinatas Bauch, sodass sie aufschrie. Alle hielten inne und sahen zu den beiden, auch Sasuke, der genauso wie Hinata das Limit seiner Ausdauer langsam erreichte. Er zwang sich jedoch dazu, sich nichts anmerken zu lassen. »Ich denke, Konoha nimmt uns nicht ernst, Boss«, sagte ein Mann mit einer recht hohen Stimme. »Scheinbar. Aber das sollten sie«, sagte der angebliche Anführer und bückte sich zu Hinata herunter. »Aber es kommt uns gerade sehr gelegen, dass ihr beiden aus Konoha stammt.« Er sprach mit leiser Stimme, jedoch laut genug, dass Sasuke ihn auch hören konnte. »So können wir eurem Dorf durch euch eine Nachricht zukommen lassen. Sehr praktisch.« Hinata gab einen Laut von sich, als würde sie knurren – etwas für sie vollkommen Untypisches. »Was wollt ihr von Konoha?«, fragte sie raunend, während Sasuke sich erneut gegen Angriffe der Männer wehren musste. Er wollte Hinata helfen, kam jedoch nicht an sie ran. »Krieg«, antwortete der Mann grinsend, als würde es ihn freuen, ihr dies sagen zu können. »Wir wollen die Macht zurück, die man uns nahm. Ihr glaubt, ihr hättet das zu Recht getan, doch da irrt ihr arroganten Shinobi euch.« Krieg! Wer wollte Krieg mit ihnen? Das waren anscheinend schon mal die ersten Informationen, an die sie bei dieser Mission kommen sollten. Der Mann erhob sich, ohne Hinata frei zu lassen, und gab seinen Männern ein paar Zeichen, die die Kunoichi nicht verstand. Dann beugte er sich wieder zu ihr hinab. »Kannst du eurem Hokage diese Nachricht überbringen?«, fragte er und schielte zu Sasuke. »Oder soll ich dich töten und ihn schicken?« Hinata wurde kreidebleich im Gesicht. Der Mann lachte. »Du kannst ruhig egoistisch sein und an deinem Leben hängen, Kleine.« Wie konnte dieser abscheuliche Mann sie so etwas Grausames fragen? Sie sollte entscheiden, wer sterben und wer leben sollte? »Nimm … ihn ...«, krächzte sie mit heiserer Stimme. Ihr Hals fühlte sich wie zugeschnürt an und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wollte nicht Schuld an Sasukes Tod sein. »Na gut.« Der Mann hob seine rechte Hand, in der er ein Schwert hielt, und ließ die Klinge auf das Mädchen niedersausen. Doch bevor die Spitze ihre Brust durchstechen konnte, ging der Anführer zu Boden. Blitze zuckten durch die Luft. Es war Sasukes Chidori, das er zu einem Sperr geformt und mit dem er Hinata vor dem Tod bewahrt hatte. »Steh auf!«, schrie er. Unter seinem Haaransatz quoll dickes, klebriges Blut hervor und sein linker Arm sah schlimmer aus als vorher. Er konnte sich kaum bewegen. »Na los! Beweg dich endlich!« Hinata zitterte am ganzen Körper und erhob sich. Lediglich mit Sasukes Hilfe brachte sie ihre Beine dazu, zu rennen. Sie konnte sehen, wie schwer es Sasuke fiel, sich zu bewegen und seinen Körper aufrecht zu halten. Was für Schmerzen musste er durchstehen? Hinter ihnen schrie der Anführer etwas. Hinata vermutete, dass es ein „Folgt ihnen!“ war, doch sie wagte es nicht, sich um zudrehen und nachzuschauen, ob sie wirklich verfolgt wurden. Sie rannten so schnell sie durch den dichter werdenden Schneefall kamen. Um sie herum war es still und außer dem Rasseln ihres schweren Atems und dem immer stärker werdenden Wind war nichts zu hören. Hinata spürte Nässe auf ihrer Haut und hoffte, dass der Schnee nicht in Regen wechselte. Doch die Tropfen waren viel zu dick und warm, um Wasser zu sein, weswegen sie das Schlimmste vermutete. »Wir sollten einen Unterschlupf suchen!«, gab Hinata heiser von sich. »Der Schneesturm wird zu stark!« Sasuke sagte nichts und rannte einfach weiter. Hinata vermutete schon, dass er sie nicht gehört hatte. Vielleicht war das auch besser so, denn so konnten sie ihren möglichen Verfolgern eventuell noch entkommen. Als sie jedoch an einem Höhleneingang vorbei kamen, steuerte Sasuke zielsicher darauf zu. Sie drangen so tief wie möglich hinein, sodass man von außen keinen Feuerschein sehen konnte. Mit dem Stoff seines Umhanges, den er die ganze Zeit über in seinem Rucksack mit sich getragen hatte, entzündete er ein wärmendes Feuer. Erschöpft ließ sich Sasuke zu Boden sinken und keuchte vor Schmerz auf. Erst in diesem Moment konnte Hinata die roten Flecken auf seiner Brust deutlich erkennen. Er musste unheimlich viele Wunden am Körper haben. »Verdammt«, gab Sasuke von sich, als er selbst das Blut entdeckte. »Sind das alles frische Wunden?« »Nein«, murrte er. »Von der letzten Mission.« Hinata wollte nicht weiter nachfragen. Es ging sie ja auch nichts an. »Lass mich mal sehen«, sagte sie und setzte sich neben den Uchiha. Vorsichtig legte sie ihre Hand an seine Stirn. Fieber hatte er zumindest keins. Wenigstens etwas. »Du musst weitergehen.« »Und was ist mit dir?« »Ich komme schon klar, aber du musst die Mission zu Ende bringen.« »Ich lass dich nicht hier zurück! Du bist viel zu verletzt, um alleine bei dieser Kälte zu überleben.« Sasuke gab einen undeutlichen Laut von sich. Wegen der Schmerzen? Wegen ihrer Entscheidung? »Ein Shinobi muss sich an die Vorschriften halten und das bedeutet, dass die Mission Vorrang hat! Du musst dem Hokage schnellstmöglich Bericht erstatten.« »Aber du bist mein Partner! Mein Kamerad!« Hinata spürte, wie Tränen in ihren Augenwinkeln aufkamen, die sie nicht unterdrücken konnte. »Ich lass dich nicht allein zurück, Sasuke-kun!« Sasuke gab einen abfälligen Laut von sich und schloss die Augen. »Bist du immer so?« Hinata schüttelte den Kopf. »Ich kann dich nicht hier zurücklassen.« »Die Informationen müssen aber nach Konoha«, sagte er. Seine Stimme war leise und heiser, als hätte er stundenlang geschrien. »Wir überbringen sie gemeinsam. Außerdem wissen wir noch lange nicht, wer das war.« Sasuke zuckte mit den Schultern und gab einen leisen Schmerzenslaut von sich. »Wir haben schon einiges herausgefunden. Das Gefängnis wird uns mehr Informationen geben können. Aber dafür musst du nun gehen.« »Nein! Ich werde dich hier nicht alleine lassen! Das ist dein sicherer Tod-« Sie verstummte, als Sasuke ihr seinen Finger auf die Lippen legte. »Du musst nun wirklich gehen.« Hinata schüttelte fast schon verzweifelt den Kopf. Sie wollte Sasuke nicht alleine lassen, sie konnte es einfach nicht. Es würde ihr das Herz brechen, wenn er deswegen sterben würde. »Du würdest mich doch auch nicht alleine lassen«, wisperte sie. »Gib es zu … Du würdest nicht ohne mich gehen.« Sasuke schwieg und schloss die Augen. »Gut«, seufzte er schließlich und ließ seine Hand sinken, die die ganze Zeit auf Hinatas Wange geruht hatte. »Der Schneesturm ist eh zu stark, um weiterzuziehen.« Hinata nickte eifrig. »Wir sollten uns auf jeden Fall ausruhen.« »Bist du eigentlich immer so stur?«, fragte er. Es war das erste Mal, dass sie ihn lächeln sah, und eine wohlige Wärme in ihrem Körper erweckte die Hoffnung, dass alles gut werden würde. »Nein. Das bin ich nur bei dir«, flüsterte sie und rutschte näher an ihn heran, um ihm etwas Wärme zu spenden. »Weil ich dich nicht verlieren will.« Sasuke gab nur ein leichtes und leises Brummen von sich, fast schon so, als wäre er zufrieden mit der Antwort, die er bekommen hatte. »Danke«, murmelte Hinata. »Danke für alles. Für das Training und die Zuversicht und das Vertrauen.« »Hm.« »Ich bin dir wirklich dankbar«, sagte sie und schwieg danach. Es war nur noch das Prasseln des Feuers und der Schneesturm draußen zu hören. Keine Schreie, keine Schritte, nichts außer der Natur und ihrer laut schlagenden Herzen. Hinata war sich sicher, sie würde mit Sasuke zusammen nach Hause zurückkehren und die Mission erfolgreich beenden. Alles würde wieder gut werden. Alles. Epilog: ▷ Epilog ---------------- Konoha lag unter einer dicken, weißen Schneeschicht begraben. Die Kinder spielten, warfen mit Schneebällen, bauten Schneemänner oder rodelten auf ihren Schlitten die Hügel hinunter. Es wurde der Schnee von den Straßen gekehrt und wenige Stunden später konnten die Bewohner des Dorfes wieder von vorne beginnen. Sasuke lag noch immer im Krankenhaus. Die Wunden, die er sich von der Mission mit Team Kakashi zugezogen hatte, hätten erst verheilen müssen, ehe er eine neue Mission hätte antreten dürfen. Die Quittung dafür hatte er somit erhalten. Hinata und er hatten alle Informationen an Minato überbringen können und dieser hatte daraufhin schnell gehandelt. Die Drohung ging von einem recht kleinen Land aus, das schon in der Vergangenheit nach Macht gegiert und Kriege angezettelt hatte. Hinata blieb bei Sasuke in Konoha und besuchte ihn jeden Tag im Krankenhaus. Auch wenn sie befürchtete, ihm langsam lästig zu werden, hatte sie auch das Gefühl, dass ihm ihre Anwesenheit gut tat. Seit der Mission hatte sich etwas zwischen ihnen verändert. Sie waren keine Fremden mehr, sondern fast schon so etwas wie Freunde. Hinata fühlte sich wohl und geborgen bei ihm und spürte, dass sie bei ihm sein wollte. Sie wollte und brauchte sie seine Nähe. »Du solltest dein Training nicht vernachlässigen.« »Schon gut«, sagte Hinata. »Und dein Vater?« Sie lächelte. »Er hat nichts dagegen, dass ich meine Zeit mit dir verbringe.« »Hn«, gab Sasuke von sich. Er sah zu der Blume, die Hinata ihm mitgebracht hatte. Er wusste nicht, was es für eine war, doch sie hatte die Farbe rot, weil – zumindest hatte Hinata es gesagt – diese Farbe für Vitalität und Energie stand und sie ihm wünschte, dass er schnell wieder gesund wurde. »Er war hier.« »Wer?« Hinatas Blick war wachsam auf ihn gerichtet. »Dein Vater war vorgestern bei mir.« »Wieso?« Sasuke lächelte. »Um sich bei mir zu bedanken, dass ich mich um dich kümmere. Er hofft, dass es auch in Zukunft so bleiben wird.« Hinata musste schmunzeln. Mittlerweile hatte sie eine Ahnung, warum ihr Vater bei Sasukes gewesen war. Jedoch hatte sie es nie ausgesprochen, bis jetzt: »Ich denke, er erhofft sich, dass wir uns anfreunden.« »Und mehr werden als nur Freunde.« Hinata nickte vorsichtig und errötet. »Ich denke, ja.« »Ich weiß allerdings nicht, ob mein Vater das genauso sieht.« Sie zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Lassen wir uns von den Wünschen unserer Väter leiten?« »Nein«, sagte Sasuke mit strenger Stimme. »Ich folge nur meinem eigenen Kopf, meinen eigenen Wünschen.« »Und ich folge dir, egal wohin.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)