Tollheit und Methode von kaprikorn (Weltenbummler Episode 1) ================================================================================ Kapitel 2: Hilflosigkeit ------------------------ **** |[T]| **** One day I'll be dying Maybe then I'll know what this all meant I just hope that I don't have to wait this long [WILL DRIVING WEST · GROW] Rose stand im Kontrollraum der TARDIS, das Licht der Säule in ihrer Mitte schimmerte in einem sanften, kühlen Blau, das ihr die Nackenhaare zu Berge stehen ließ und sie dazu animierte, sich mit den Händen die Oberarme zu reiben. Außer dem sanften Brummen der Motoren hörte sie nichts und auch, als sie sich einmal um ihre eigene Achse drehte, um aus reiner Gewohnheit nach dem Doctor Ausschau zu halten, bemerkte Rose: sie war allein. Die Blondine runzelte leicht die Stirn, indes sie begann, die Steuerkonsole gemächlich zu umrunden – was wollte sie hier überhaupt? Eine Stimme in ihrem Hinterkopf meldete sich ermahnend, dass sie gerade dringend woanders  gebraucht wurde. Aber weil sie nicht zuordnen konnte, wo sie sonst hätte sein sollen, wenn nicht im Schoß der Zeitmaschine, ignorierte Rose die leise Warnung geflissentlich und ergötzte sich viel lieber an dem willkommen heißenden Gefühl, mit dem die TARDIS sie empfing. Ein Funken weckte schließlich ihre Aufmerksamkeit. Zuerst klein und versteckt unter dem gefächerten und metallenen Boden, der den Kontrollraum umsäumte; dann, bei näherem Hinsehen funkelte die Stelle deutlich aufgebrachter, golden und heischend. Rose zwinkerte, strich sich das Haar hinters Ohr und ging leicht in die Knie, um durch das Bodengitter hindurch, mit zusammen gekniffenen Augen, das Funkeln besser ausmachen zu können. Ihre Mundwinkel krümmten sich in ein amüsiertes Lächeln; sie mochte es, wenn die TARDIS mit und zu ihr sprach und fühlte sich geschmeichelt ob ihrem Interesse an Rose als Person. Dass die Maschine eine eigene Persönlichkeit hatte, war ihr nicht neu – und dass sie um einiges sanfter und sensibler war, wie der Charakter des Doctors, machte das ungewöhnliche Raumschiff unglaublich liebenswert. Rose wollte wissen, was sich unter der Steuerkonsole befand. Ihre Finger verhakten sich im Gitter, das unter ihrer Aufforderung ohne Federlesen ächzend nachgab. Sie ging auf die Knie, war schon daran in die Dunkelheit hinab zu steigen, als sie jäh in ihrer Bewegung inne hielt, weil ein Teil von ihr ahnte, dass etwas nicht stimmte. Rose blinzelte in die Richtung, aus welcher der Schimmer gekommen war. Aus dem einsamen Funkeln war in der Zwischenzeit ein Zweites geworden und beide Lichtpunkte starrten sie, umgeben von Finsternis, unbewegt an. Doch plötzlich bewegte sich etwas, plötzlich fiel die Temperatur in der TARDIS innerhalb eines Herzschlages auf Null, die Funken bebten, wuchsen, wurden größer, kamen plötzlich auf sie zu und in dem Augenblick, wo sich ein Tier, ein Wolf, ein Kreatur, groß und schwarz mit einem Sprung auf sie stürzte, riss Rose die Arme mit einem entsetzten Schrei vors Gesicht. **** |[T]| **** Der Fall von der Bettkante auf den Boden war nicht tief, tat aber trotzdem weh. Das dumpfe Geräusch, als ihr Körper wie ein nasser Sack auf dem Teppich aufschlug, mochte selbst in der Wohnung unter ihr noch gehört worden sein und versetzte Mrs. Ruble sicher einen größeren Schreck, oder einen kleinen Herzinfarkt. Es war allerdings nicht so, als ob die alte Dame das Tohuwabohu der Tylers nicht kannte, wo allen voran Jackie keinen Hehl aus dem Spaß machte, den sie mit dem ein oder anderen Mann in ihrem Schlafzimmer in geübter Regelmäßigkeit teilte. Und auch Roses Mädchenabende mit Elizabeth, Shareen und Phoebe waren Zeuge dafür, dass die Tyler-Domäne ein beliebter Ort für Festlichkeiten aller Art war – oder einmal gewesen sein mochte. Die letzte Party um und mit Rose, einmal abgesehen von der Weltuntergangsfeier auf der sie mit dem Doctor aufgekreuzt war (oder er mit ihr, wie man es auch sehen wollte), war eine geraume Weile her. Der Blonden entfuhr ein erschöpftes Seufzen durch halb geöffneten Mund; diese Alpträume waren ihr nicht neu, entwickelten sich manchmal spontan aus völlig anderen Traumbildern heraus und endeten ständig mit diesem großen, hässlichen Wolf. Böser Wolf. In ihrem Hinterkopf kribbelte es. Sie musste kurz eingenickt sein bei ihrer Wache am Bett des verletzten TimeLords, von dem, mit Ausnahme seines stetigen Atems, kein Geräusch bekundete, dass er am Leben war. Ihn so zu sehen, so regungslos und blass, brach ihr schier das Herz. Nachdem Mickey den Gallifreyan, mitsamt der Hilfe von Bob aus dem ersten Stock, nach oben getragen hatte und Mum und Rose sich darum kümmern konnten, den Doctor so bettfertig wie möglich zu machen, hatte sie kaum die Kraft gehabt etwas anderes zu tun, als mit unterschlagenen Beinen am Bettrand zu sitzen und ihn fassungslos zu mustern. Er war gerade noch bei ihr gewesen, kaum wenige Stunden zuvor. Sie war wegen ihm auf Satellit 5 zurück gekehrt, damit sie die Daleks gemeinsam besiegen konnten, damit er nicht auf sich allein gestellt gegen den Imperator kämpfen musste – und sie hatten es schließlich auch geschafft, oder nicht? Die Bilder waren so unscharf und zusammenhanglos in ihrer Erinnerung, dass ihre Schläfen pochten – wann hätte sich der Doctor verletzen, wann etwas mit dem Zeitstrom anstellen können? Aber wer war sie schon, ein Urteil zu fällen, umzingelt von verblassten Augenblicken. Rose zog hörbar die Nase hoch. Sollte sie tatsächlich nach diesem Abenteuer die letzte Überlebende des kleinen TARDIS-Teams sein? War ihr mehr Glück vergönnt, als einem Jack Harkness, der so viel mutiger war wie sie oder einem TimeLord, dessen Fähigkeiten die ihren bei Weitem übertrafen? Ihr Magen verkrampfte sich. Fairness fühlte sich anders an. Rose hatte sich auf die Knie zurück gekämpft und mit den Armen auf der Matratze abgestützt. Ihr Kinn ruhte auf gefalteten Händen und auch, wenn ihr Rücken protestierend unter der Haltung ächzte, blieb sie sitzen: hilflos, kraftlos und eine Spur verloren. "Was ist mit dir passiert?", hauchte die Britin dabei so leise, dass sie sich selbst kaum verstand. Nachdem sie so gut wie nichts über den TimeLord wusste, von seiner Anatomie und den beiden Herzen einmal abgesehen, und der Doctor aus sich selbst eher ein Rätsel, wie ein offenes Buch machte, hatte sie keine andere Wahl, als zu warten. Zumindest hatte seine Haut aufgehört zu leuchten, die goldenen Fäden, die sich zuvor durch seine Adern pumpten wie fremder Lebenssaft, waren verebbt und das Fieber zurück gegangen. Mum sagte, es war besser ihm einfach die Zeit zum Ruhen zu geben, die sein Körper brauchte; früher oder später würde er dann schon wieder von alleine zu sich kommen. Taffer Kerl, dieser Doctor. Aber was, wenn TimeLords über Jahre oder Jahrhunderte hinweg in einen Schlaf verfielen, wenn man sie verwundete? Was, wenn sie all die Energie, die sie sonst zum Einsatz brachten und die sie so lebendig werden ließen, wieder aufladen oder regenerieren mussten? Der Doctor schlief für gewöhnlich kaum, das war kein Geheimnis. Der Umstand seiner anhaltenden Bewusstlosigkeit war demnach sicherlich ein Grund zur Sorge. **** |[T]| **** Sich von der Seite des Außerirdischen los zu eisen kostete Rose alle Überwindung, die sie aufzubringen im Stande war. Nachdem sich allerdings so wohl ihre Blase, wie auch ihr Hunger rührten und sie dem Doctor nicht dabei half gesund zu werden, wenn sie neben ihm kümmerlich einging wie ein ausgesetztes Haustier, war sie ihrem Drang nachgegangen und hatte sich durch die kleine Wohnung zuerst zur Toilette und anschließend in die Küche vorgewagt. Der Fernseher flimmerte auf dem Sportkanal – Wrestling. Nichts, was Rose interessiert hätte, vor allem nicht nach den Boxkämpfen der Zyklopen auf Kyarant-8 in der zehnten Galaxie, auf die Jack buchstäblich sein letztes Hemd verwettet hatte. Er wollte seinerzeit unbedingt einen Abstecher dorthin machen, hatte den Doctor in der Tat so weit davon überzeugt, mit ihm eine Runde zu spielen und Rose dabei bezirzt, ihm ein bisschen Geld zu leihen. Schlussendlich waren sie am Ende des Events gezwungen gewesen, wie so oft, die Beine in die Hand zu nehmen, weil Jack auf das falsche Pferd gesetzt hatte – beziehungsweise den falschen Zyklopen – und hinter ihrem Rücken eine nicht unerhebliche Summe in der Wette beisteuern wollte, die selbstverständlich keiner von ihnen hatte auslegen können. Roses lächelte mit einem Anflug von Bitterkeit bei der Erinnerung an das Abenteuer, auf das der Captain sogar stolz gewesen war. Dummer Jack. Dummer Zyklop. Dummer Planet. Aber der Boxkampf war zweifelsohne klasse gewesen. Mickey war im Sessel eingeschlafen, die Fernbedienung ruhte in seiner Hand, die nahe daran war zwischen den Fingern hindurch zu gleiten und zu Boden zu fallen. Sein Mund stand offen, Speichel rann ihm übers Kinn – eine Position, die ihn unweigerlich dazu brachte zu schnarchen. Rose gluckste und schüttelte zu sich selbst den Kopf; ihr Freund aus Kindheitstagen hatte darauf bestanden, an der Seite der beiden Tyler-Frauen zu bleiben, nicht zuletzt wo sie jede Hilfe brauchen konnten. Was, wenn es dem Doctor schlechter ging und sie sich doch dazu entscheiden würden ins Krankenhaus zu fahren? Was, wenn er aus dem Bett fiel, oder anderweitig zu einer Last wurde, mit der die beiden Frauen nicht umspringen konnten? Es war beinahe süß und anerkennenswert, wie sehr es sich darum bemühte, Rose zur Seite zu stehen, wie er sie tröstete und einfach für sie da war und das, obwohl sie inzwischen nicht enger zueinander standen, wie beste Freunde. Für Mickey musste das alles unglaublich schwer sein: ihr Fortgang, der Doctor, die Reisen und ihre pausierte Beziehung. Alles in allem verdiente Mickey etwas besseres – er brauchte lediglich die Zeit, sich diese Tatsache einzugestehen. Mit einem neuerlichen Kopfschütteln ordnete sich Rose in der kleinen Kochnische zwei Tassen und eine Kanne. Der Tee von vor wenigen Stunden, aufgesetzt von Mum, die sich zur selben Zeit ins Bett verabschiedet hatte, war bereits kalt. Es war ein langer Tag gewesen, anstrengend, kaum zu verdauen – wäre die Situation eine andere gewesen, würde Rose vermutlich den Schlaf einer ganzen Woche aufholen. Selbst die feisten Kommentare des Doctors über ihre menschlichen Bedürfnisse, seine ständigen Versuche sie wach zu halten, hätten kaum Einfluss auf sie gehabt oder sie davon abhalten können, sich wie ein Fötus unter der weichen Daunendecke in ihrem Zimmer einzurollen und sich zu erholen. Die Blondine hielt in ihrem Tun prompt inne, würgte den Kloß in ihrem Hals herab, der mit dem Gedanken an den Gallifreyan kam und versuchte vehement zu verhindern sich einzubilden, dass der Doctor nie wieder auch nur ein Wort mit ihr wechseln würde; nie wieder auch nur im Entferntesten liebevoll feist oder gemein zu ihr sein konnte, weil er wahrscheinlich daran war zu sterben. "Blödsinn", schimpfte Rose über ihre eigene Sentimentalität, Tassen und Tee mit einem kleinen Teller Kekse auf einem Tablett abgestellt, das sie hinüber in den Wohnbereich balancierte. Sie machte es sich auf dem Sofa neben Mickeys Sessel bequem, schenkte das heiße Getränk auf und hielt ihrem Freund die Tasse so weit unter die Nase, dass sich die Gewürze ungehindert ihren Weg bis in sein Unterbewusstsein bahnen konnten. Der Dunkelhaarige stockte schließlich in seinem dösenden Schlaf und die Fernbedienung schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf – er wirkte zuerst etwas orientierungslos, bis sein Blick über den Rand der Tasse zu Rose wanderte, die ihm halbherzig entgegen grinste. "Guten Morgen, Sternenglanz." "Mhm…", Mickey fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht, bedankte sich für die Tasse, die er sich angelte und sah sich müde zu beider Seiten um, ehe er sich nach der Fernbedienung beugte und die Lautstärke etwas nach unten drehte. Die Menge im Fernsehen grölte gerade, ob dem Debüt des amerikanischen Wrestling-Helden, der sein Gesicht hinter einer Totenkopfmaske versteckte. "Wie spät'ses?" "Kurz vor eins. Du kannst ruhig nach Hause, Mickey – oder in meinem Zimmer schlafen, wenn es das ist, worauf du spekulierst", Roses Grinsen wurde einen Sekundenbruchteil breiter, bevor es erstarb. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Zu ihrer Überraschung stieg der Dunkelhaarige jedoch nicht auf ihre Anspielung ein, sondern rutschte mit ernstem Gesichtsausdruck an den Rand des Sessels, stützte die Ellenbogen auf die Knie und musterte sie besorgt: "Wie geht's ihm?" Die Blondine hob die Schultern: "Er ist noch nicht aufgewacht, aber das Fieber scheint nachgelassen zu haben." Mickeys Knopfaugen fixierten sie eine Spur intensiver: "Und wie geht es dir?" "Geht so", entgegnete Rose matt und tonlos, ihre Augen wurden ohne ihr Zutun feucht. "Möchtest du mir davon erzählen? Was da passiert ist?" Rose überlegte kurz, sah auf ihre Tasse hinab, auf das verzerrte Spiegelbild in ihren Händen. Ein Teil von ihr wollte nichts lieber als das, wollte Mickey anvertrauen was sie gesehen hatte, was sie noch wusste, der Satellit, die GameStation, die Spiele und die Menschen dort. Die Daleks. Ein anderer Teil von ihr, der größere, ahnte jedoch, dass er es nicht verstehen würde. Weder ihren Wagemut und schon gar nicht ihre Dummheit. "Nein, schon gut. Es spielt keine Rolle mehr … ich … ich weiß nicht einmal, was schief gelaufen ist … Nichts davon hätte passieren dürfen. Jack … der Doctor …" Auf Mickeys Stirn bildete sich eine kleine Falte: "Das hättest auch du sein können, oder nicht? Du, an seiner Stelle? Schon gut, du musst mir keine Details erzählen, nicht erklären wie nahe du vor irgend'ner Katastrophe gestanden bist, weil ich's mir vorstellen kann. Ich hab's gesehen Rose, damals mit den Slitheen. Der Kerl zieht den Ärger quasi an, 's ein Wunder, dass du am Leben bist! Aber zumindest hat er sein Versprechen gehalten und dich beschützt, oder? Nicht, dass es dich gekümmert hätte, so schnell, wie du wieder von hier weg wolltest." Rose stierte Mickey eine Weile mit einer Mischung aus Zorn und Überraschung entgegen. Aber ihm zu widersprechen war sinnlos, weil sie beide wussten, dass er Recht hatte. Also seufzte die Britin ergeben und wich seiner Musterung ungeschickt aus. "Ich verstehe nicht, was du für ihn empfindest, Rosie … wer er für dich ist." Der Schmerz in der Stimme des Dunkelhaarigen verursachte der Blonden Gänsehaut, ihre Unterlippe bebte. "Ich auch nicht", antwortete sie leise. Eine klare, unausgesprochene Frage hing zwischen ihnen, zog sich an ihnen empor wie eine massive Wand, die sie voneinander trennte. Rose wusste sehr wohl, was sie für den Doctor empfand, wusste sehr wohl, weshalb sie tat, was sie nun einmal tat, und wusste ebenso sehr um ihre Angst, es den anderen zu gestehen. Ahnten sie es nicht bereits? "Wenn er aufwacht" Mickey blinzelte auf die Tasse zwischen seinen Fingern. "Gehst du dann wieder mit ihm?" Die Blonde nickte. Natürlich würde sie – was auch sonst? "Dann ist alles klar, nicht wahr?" **** |[T]| **** Kein Mensch hätte geahnt, dass es sich bei den grunzenden Lauten, die aus der Kehle der Kreatur drangen, um eine verständliche Sprache handelte. Sie war erregt und aufgebracht, feurig und voller Motivation. Ihre kurzen Beine trugen sie polternd über die Brücke des Schiffes zu einer Horde anderer seiner Art, deren Aufmerksamkeit sie mit erhobenen Armen auf sich zog. Das allgemeine Grunzen schwoll an, bis es in einem haltlosen Jubel und anschließend in einem gehässigen Gelächter endete. Unweit des Kontrollraums ihres Schiffes wurde eine Maschine in Gang gesetzt, die einer Pumpe gar nicht so unähnlich war und durch deren Schläuche sich jetzt dichter, schwarzer Nebel zwängte. Die Ernte hatte begonnen. (http://www.fanfiktion.de/s/54cb3479000073ff3292e9b8/1/TOLLHEIT-UND-METHODE) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)