Wolfskinder von kleines-sama (DoflamingoXCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 11: Part II: Zweifel ---------------------------- Crocodile ärgerte sich, weil er bei seinem Ausflug in die Stadt nicht daran gedacht hatte, einen Rucksack mitgehen zu lassen. Er hatte eine Menge Dinge zu transportieren. Allein, um für die Ernährung der Welpen sorgen zu können, musste er mehrere Liter Wasser, Pulvermilch, einen Kochtopf plus das dazugehörige Gestell sowie Fläschchen hinüber in die beinahe vierzig Kilometer entfernte Höhle bringen. Von Kleidung, Windeln, Babypuder und Weiterem ganz zu schweigen. Wieder einmal verfluchte Crocodile, dass er bloß mit dem Tiergeist einer Hauskatze gesegnet worden war. Da die vielen Utensilien sowie die Babies selbst zu schwer waren, musste er den langen Weg in seiner menschlichen Gestalt zurücklegen. Außerdem rechnete er mit insgesamt mindestens zwei Gängen. Weil er die Kinder über Nacht auf keinen Fall allein lassen wollte, beschloss Crocodile, heute erst einmal Dinge wie Nahrung und Windeln hinüber zu bringen. Erst morgen würde erst selbst gemeinsam mit den Welpen nachkommen. Ehe er sich auf den Weg machte, wickelte er jeden der drei Welpen neu und bot ihnen allen ein Fläschchen Milch an. Als Crocodile hinaus in das Sonnenlicht trat, überkamen ihn jedoch plötzlich heftige Zweifel. Tat er wirklich das Richtige? Er seufzte leise und wischte sich mit seiner freien Hand ein paar dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht. Noch konnte er umkehren. Einen kurzen Moment lang geriet Crocodile tatsächlich ins Wanken. Erst als in weiter Ferne das Jaulen eines Wolfes zu hören war, kam er wieder zu sich. Er festigte seinen Griff um die Stofftasche, die er bei sich trug, und setzte einen grimmigen Gesichtsausdruck auf. Crocodile war kein Feigling. Er würde nicht klein bei geben und sich von seinen geliebten Kindern trennen. Sein Entschluss stand fest. Doflamingo hob den Kopf und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Gerade eben war ihm zum ersten Mal der Geruch von Wölfen in die Nase gestiegen. Er hatte ein fremdes Revier betreten. Trotzdem hielt Doflamingo es für klüger sich nicht zu verstecken, sondern den anderen Gestaltenwandlern mit größtmöglicher Offenheit zu begegnen. Immerhin kam er mit ehrlichen Absichten. Und notfalls, da war Doflamingo absolut zuversichtlich, würde er auch dazu in der Lage sein sich zu verteidigen. Er war ein großer und kräftiger Gestaltenwandler mit viel Kampferfahrung. Er fürchtete sich nicht. Doflamingo drang tiefer in das Revier des Wolfsrudels ein; inzwischen nahm er den Geruch der anderen Gestaltenwandler sehr deutlich wahr. Es handelte sich nur noch um eine Frage der Zeit, bis er auf einen von ihnen treffen würde. Er zeigte es nicht nach außen, doch Doflamingo konnte nicht verhehlen, dass ihn die Nervosität überkam. Bald würde sich alles entscheiden. Fand er ein nettes Paar, das die Drillinge aufnehmen wollte? Oder würde er mit schlechten Nachrichten zu Crocodile zurückkehren müssen? Wobei, schoss es Doflamingo plötzlich durch den Kopf, der Kater die Nachricht, dass niemand Interesse an den Welpen hatte, vermutlich als überhaupt nicht schlecht empfinden würde. Doflamingo spannte den gesamten Körper an, als er zu seiner Linken ein wenig Laub rascheln hörte. Er spürte, dass er nicht allein war. Um keinen Angriff zu provozieren, blieb Doflamingo stehen und rührte sich nicht. Stattdessen wartete er darauf, dass der andere Gestaltenwandler sich zeigen würde. Was schlussendlich auch geschah. Ein großer Wolf mit dunklem Fell und braunen Augen kam zum Vorschein. Mit großen und langsamen Schritten ging er auf Doflamingo zu, ehe er etwa drei Meter von ihm entfernt stehen blieb. Eine Weile lang musterten sie sich stumm gegenseitig, ehe der fremde Wolf schließlich seine menschliche Gestalt annahm. Doflamingo beschloss es ihm gleich zu tun. "Wieso dringst du in unser Revier ein, Fremder?", wurde er in einem wenig freundlich klingenden Tonfall gefragt. Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen. Sein Instinkt sagte ihm, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Er konnte nicht so recht sagen, worum es sich handelte, doch es war wohl klüger vorsichtig zu sein. Außerdem vermutete Doflamingo, dass sein Gegenüber nicht allein unterwegs war. Sicher versteckten sich in der Nähe ein oder zwei Verwandte, die aufmerksam ihr Gespräch belauschten und jederzeit dazu bereit waren einzuschreiten. Wölfe waren Rudeltiere und verließen ihre Höhle nur selten allein. Doflamingo, der jahrelang ein einsames Leben geführt hatte, ehe er auf Crocodile gestoßen war, stellte somit eine echte Ausnahme dar. "Ich bin nicht hier, um Ärger zu machen", erwiderte Doflamingo und bemühte sich um eine feste Stimme. Er wollte die fremden Gestaltenwandler nicht provozieren, doch er war sich dessen bewusst, dass er auch keine Angst zeigen durfte. Unsicherheit und Unterwürfigkeit wurden schnell als Schwäche ausgelegt. Und Schwächlinge wurden von wild lebenden Gestaltenwandlern nicht respektiert. So wollte es das Gesetz der Natur. "Sondern um zu reden. Ich habe ein Angebot zu unterbreiten." "Was für ein Angebot?", kam es sofort überaus misstrauisch zurück. Doflamingo beschloss gleich auf den Punkt zu kommen. Er sah nicht ein, wieso er seine Absichten verschleiern sollte. Immerhin stellte er keine Bedrohung für das fremde Rudel dar. "Vor etwa zwei Monaten stieß ich in meinem Revier auf drei junge Welpen", erklärte er. "Sie waren verwaist; die Mutter lag in der Gestalt ihres Tiergeistes tot neben ihnen. Mein Partner und ich nahmen die Welpen auf und kümmerten sich um sie. Allerdings haben wir kein Interesse daran sie als unsere Kinder anzuerkennen und großzuziehen. Darum bin ich hier." "Du suchst also nach jemandem, der die Welpen aufnehmen möchte?", schlussfolgerte der Wolf. Doflamingo nickte. "Sie sind in einem guten Zustand", fügte er hinzu, um ein bisschen Werbung zu machen. "Zwei Jungen und ein Mädchen, vielleicht fünf Monate alt. Sehr hübsch und insgesamt pflegeleicht. Kennt ihr vielleicht ein Paar, das Interesse hat?" Der Wolf schwieg für einen Moment. Doflamingo versuchte seine Gedanken zu erraten, doch scheiterte kläglich. Er fühlte sich furchtbar unwohl in der Nähe des Anderen. Um seine Nervosität zu überspielen, musterte er seinen Gegenüber mit einem möglichst unbekümmert wirkendem Gesichtsausdruck. Es kam Doflamingo plötzlich sehr seltsam vor, dass der Wolf dunkles Haar hatte. Er erinnerte sich daran, dass sein Vater, der einst häufiger Ausflüge in den Norden gemacht hatte, immer nur von blondhaarigen Wölfen gesprochen hatte. Und auch Doflamingo wusste, dass die meisten Wölfe, die hier in der Region lebten, über helles Haar und blaue Augen verfügten. Da stellte er selbst schließlich auch keine Ausnahme dar. Aber vielleicht hatte er auch bloß Paranoia. Seine Mutter hatte hellbraunes Haar gehabt. "Unsere Höhle ist etwa fünf Kilometer entfernt", sagte schließlich der fremde Gestaltenwandler. "Dort halten sich die meisten Mitglieder unseres Rudels auf. Wir könnten dich hinbringen, damit du dort dein Angebot erneut unterbreitest. Versprechungen machen kann ich jedoch nicht." "Natürlich nicht", meinte Doflamingo und wägte rasch ab, ob er es tatsächlich wagen sollte die Höhle des fremden Rudels zu betreten. Irgendetwas sagte ihm, dass es sich dabei um keine gute Idee handelte. Doch war er nicht aus genau diesem Grund hierher gekommen? Doflamingo wollte eine Strecke von nahezu einhundertfünfzig Kilometern nicht völlig umsonst hinter sich gebracht haben. Und die Drillinge einfach an jemanden abzugeben, den er noch niemals gesehen hatte, kam für ihn auch nicht infrage. "Ich würde sehr gerne mitkommen", sagte er schließlich. Dann fügte er hinzu: "Mein Name ist Doflamingo." Ihm war nämlich aufgefallen, dass sie sich noch nicht einmal einander vorgestellt hatten. "Akainu", gab sein Gegenüber zurück. Er pfiff einmal laut, was wahrscheinlich eine Art Code darstellte, denn sofort kamen zwei weitere Wölfe herbeigeeilt. "Das sind Aokiji und Kizaru", erklärte Akainu. Weder Aokijo noch Kizaru machten Anstalten ihre menschliche Gestalt anzunehmen; also tat Doflamingo es ihnen gleich und verwandelte sich wieder. Zufrieden stellte er fest, dass er mit Abstand der größte Wolf unter ihnen war. In einem schnellen Lauftempo folgte er den anderen Gestaltenwandlern. Crocodile ließ sich unter den ausladenden Ästen einer Buche nieder und wischte sich mit der rechten Hand den Schweiß von der Stirn. Zwanzig Kilometer hatte er bereits hinter sich gebracht; dieselbe Strecke hatte er noch vor sich. Vom Rückweg ganz zu schweigen. Er gab es nur ungern zu, doch er hatte diese Arbeit eindeutig unterschätzt. Die Stofftasche, die er bei sich trug, war schwer und die Griffe schnitten unangenehm in seine Handfläche ein. Außerdem war es Crocodile nicht gewohnt solch große Strecken in seiner menschlichen Gestalt zurückzulegen. Wenigstens, dachte er, doch dieser Gedanke munterte ihn kaum auf, war es trocken und klar. Schnee, Regen oder Hagel könnte er nun wirklich nicht gut gebrauchen. Crocodile gönnte sich selbst nur wenige Minuten Pause. Er wollte unbedingt vor Sonnenuntergang zurück bei seinen Kindern sein. Die kleinen Welpen fragten sich sicherlich schon, wieso ihre einzigen beiden Bezugspersonen plötzlich verschwunden waren. Dass sowohl er als auch Doflamingo wichtige Dinge zu tun hatten und so schnell wie möglich wiederkehren würden, konnten die Drillinge schließlich noch nicht verstehen. Crocodile biss die Zähne zusammen und setzte seinen Weg fort. Die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten. Wenn er den Heimweg nicht im Dunkeln antreten wollte, musste er sich beeilen. Das fremde Wolfsrudel lebte nicht wie er in einer weitläufigen Erdbau, sondern in einer großen Felshöhle, die aus bloß einem einzigen, großen Raum bestand. Obwohl viele Rudelmitglieder anwesend waren, darunter auch das eine oder andere Kind, empfand Doflamingo diesen Ort als wenig einladend. Im Gegensatz zu ihm und Crocodile trugen die Wölfe keine von Menschen gefertigte Kleidung, sondern Tierfelle, die sie vermutlich selbstständig zusammengenäht hatten. Und auch wenn er selbst zwar auch nicht allzu viel Wert auf Sauberkeit legte, störten doch sogar ihn die abgenagten Tierknochen und stinkenden Innereien, die überall verstreut lagen. Es herrschte alles andere als eine heimelige Atmosphäre. Plötzlich kamen Doflamingo Zweifel. Und an einem solchen Ort sollten die Drillinge leben? Er war sich nicht sicher, ob es ihnen hier gut gehen würde. "Das ist Doflamingo", wurde er von Akainu dem Rudel vorgestellt. Bei ihm schien es sich um den Anführer zu handeln; denn zumindest trat sonst niemand hervor, der sich als solcher zu erkennen gab. "Er und sein Partner fanden vor kurzem ein paar Welpen, die sie allerdings nicht behalten möchten. Nun suchen sie jemanden, der die Kinder großzieht. Es sind zwei Jungen und ein Mädchen." Wenn Doflamingo ehrlich war, dann erleichterte es ihn, dass niemand sogleich starkes Interesse an seinem Angebot äußerte. Als er seinen Blick über die gut zwanzig Gestaltenwandler schweifen ließ, die sich in der Höhle aufhielten, fiel ihm niemand auf, dem er seine Kinder anvertrauen würde. Alle machten einen äußerst unfreundlichen und sehr rohen Eindruck. Männer wie Frauen. Nirgendwo sah er ein Gesicht, das er als herzlich beschreiben würde. Auch die Kinder machten insgesamt keinen sonderlich guten Eindruck: Sie schienen ungezogen und ungepflegt zu sein. Außerdem bemerkte Doflamingo, das eines der jüngeren Kinder, ein vielleicht Zweijähriger, sehr mager aussah. War dieses Rudel überhaupt dazu in der Lage noch drei weitere Welpen aufzunehmen? "Wie alt sind die Kinder?", fragte plötzlich eine ältere Wölfin. "Und wann hast du sie gefunden?" "Sie sind etwa fünf Monate alt", erklärte Doflamingo recht zurückhaltend. "Gefunden habe ich sie vor circa zwei Monaten." "Ein riskantes Alter", hörte er jemanden zu seiner Rechten murmeln. "Viele Säuglinge sterben, noch ehe sie den ersten Geburtstag erreichen. Außerdem steht bald der Winter bevor." "Die Kinder sollen robust sein", warf plötzlich Aokiji ein, der sich bisher sehr stark zurückgehalten hatte. "Hat sich denn in deinem eigenem Rudel niemand finden lassen, der die Welpen großziehen möchte?", meldete sich wieder die ältere Frau zu Wort. Sie war dünn und hatte viele Falten im Gesicht, doch erweckte alles andere als einen senilen Eindruck. Doflamingo zögerte. Er war sich nicht sicher, ob er den Wölfen gestehen sollte, dass er selbst gar keinem Rudel angehörte. Dass es nur ihn und den Kater gab. Doflamingo wusste, dass viele Gestaltenwandler es nicht guthießen, wenn Personen mit unterschiedlichen Tiergeistern sich zusammentaten. Da ihn schon die ganze Zeit über ein ungutes Gefühl beschlich und er insgeheim sowieso beschlossen hatten, die Drillinge lieber nicht in die Obhut dieses Rudels zu geben, beschloss Doflamingo zu lügen. "Wir sind bereits eine sehr kinderreiche Gruppe", erwiderte er also. "Darum hat sich niemand finden lassen, der die Welpen dauerhaft aufnehmen möchte. Da wir sie nun ja aber schon einige Wochen lang bei uns haben und die ganze Mühe nicht umsonst gewesen sein soll, wollten wir sie anderen Rudeln anbieten, ehe wir ihnen das Genick brechen. Ihr seid die ersten Leute, die ich frage. Falls hier keiner Interesse hat, versuche ich es einfach beim nächsten Rudel. Und ansonsten müssen die Kleinen eben doch sterben." Doflamingo wusste darüber Bescheid, dass es bei manchen Gruppen gang und gäbe war, unerwünschte Welpen einfach zu töten. Zumeist brach man ihnen das Genick, weil es sich dabei um die schnellste Methode handelte. In Doflamingos ehemaligen Rudel hatte man diese Praxis allerdings nicht gepflegt. Auch wenn es nicht immer einfach gewesen war, hatten alle versucht Waisen und Findelkinder so gut wie möglich mitzuversorgen. Andere Gestaltenwandler töteten sie bloß dann, wenn es keine Alternative gab. Einem völlig wehrlosen Baby den Hals umzudrehen, nur weil sie nicht wussten, was sie sonst mit ihm anstellen sollte, hätte keiner von ihnen übers Herz gebracht. "Ich denke, man sollte den Mitgliedern meines Rudels die Gelegenheit dazu geben über dein Angebot nachzudenken", sagte Akainu. "Die Entscheidung, drei Kinder aufzunehmen und wie die eigenen großzuziehen, fällt man nicht innerhalb von Minuten. Warum bleibst du nicht zum Essen, Doflamingo, und erzählst uns ein wenig mehr von deinem Rudel?" Es widerstrebte Doflamingo die Einladung anzunehmen. Selbst wenn sich jemand finden ließe, der sich dazu bereit erklären würde die Welpen aufzunehmen, käme dieser Deal für ihn überhaupt nicht infrage. Er hatte ein furchtbar schlechtes Gefühl. Hier wollte er die Drillinge auf keinen Fall hingeben. Crocodile wäre entsetzt, würde er die potenziellen Adoptiveltern kennenlernen. Und Doflamingo könnte es ihm nicht einmal verübeln. "Sehr gern." Doch er war kein Dummkopf. Doflamingo wusste, dass er nun diplomatisch vorgehen musste. Immerhin befand er sich derzeit in Gesellschaft von etwa zwanzig erwachsenen Gestaltenwandlern, die allesamt den Tiergeist eines Wolfes besaßen. Doflamingo war stark und schnell, doch er legte es nicht auf eine Konfrontation an, wenn es sich vermeiden ließ. Er wollte das Problem klüger lösen. Mit gemischten Gefühlen erreichte Crocodile die Höhle, die einst Law bewohnt hatte. Sie befand sich mehrere Meter über dem Erdboden an einem Steilhang. Rein praktisch gesehen handelte es sich um den perfekten Zufluchtsort: Die kleine Höhle war unauffällig und die steile Felswand für die meisten wilden Tiere und Gestaltenwandler nur sehr schwer zu erklimmen. Doch obwohl Crocodile freiwillig einen Weg von annähernd vierzig Kilometern zurückgelegt hatte und nun endlich sein schweres Gepäck ablegen konnte, überkam ihn keine echte Erleichterung, als er die verlassene Behausung betrat. Diesen Ort verband er mit schlechten Erinnerungen. Hier hatte einst Law gelebt: Der hinterlistige Luchs, der ihn um ein Haar vergewaltigt hätte und außerdem für die Vernichtung von Doflamingos Rudel verantwortlich war. Crocodile schluckte. Auf leisen Sohlen sah er sich um. Die Höhle bestand lediglich aus einem einzigen Raum, der nicht einmal besonders groß war. Für seine Zwecke waren die Räumlichkeiten allerdings mehr als ausreichend. Im hinteren Bereich lagen mehrere Decken, Felle und Kissen auf einem Haufen; vermutlich hatten sie Law als Bett gedient. Ein kalter Schauer lief Crocodile den Rücken hinunter, als er mit der Hand darüber strich. Hätte er dem Luchs damals nicht eines seiner Felle gestohlen, um sich vor dem Erfrieren zu schützen, hätte dieser ihn womöglich niemals gefunden. Crocodile musste würgen, als ihm der Geruch des zum Glück längst toten Gestaltenwandlers in die Nase stieg. Sein Gestand haftete noch immer an den Stoffen. Rasch machte Crocodile sich daran die mitgebrachte Tüte auszupacken. Die Babynahrung, Windeln und so weiter wirkten völlig fehl am Platz. Es würde ihn eine Menge Überwindung kosten morgen zu diesem Ort zurückzukehren, dessen war Crocodile sich sicher. Doch was blieb ihm Anderes übrig? Er wollte seine Kinder nicht in die Obhut irgendwelcher Personen geben, die er überhaupt nicht kannte. Wie konnten sie denn sicher gehen, dass man die Drillinge auch gut behandeln würde? Dass sie immer genug zu essen hatten und nicht frieren mussten? Sie kannten dieses Wolfsrudel, das Doflamingo gerade aufsuchte, doch gar nicht. Crocodile war von Natur aus eine sehr misstrauische Person. Ehe man ihm nicht von sich überzeugte hatte, dachte er von jedem nur das Schlechteste. Eine Eigenschaft, die gerade, wenn man draußen in der Wildnis lebte, durchaus keinen Nachteil darstellen musste. Er war kein naiver Idiot, der seine Kinder an irgendwelche Fremden gab in dem Glauben, diese würden die Drillinge genauso sehr lieben wie er. Und wie Doflamingo. Noch immer glaubte Crocodile fest daran, dass auch seinem Partner die Welpen am Herzen lagen. Er kannte den Wolf gut genug, um zu wissen, dass dieser längst nicht so skrupellos war wie er sich manchmal gab. Er würde Doflamingo bloß die Augen öffnen müssen. Und dies tat er am besten, indem er absolut unmissverständlich klar machte, dass er ohne die Drillinge nicht leben wollte. Seinem Partner würde schlussendlich nichts Anderes übrig bleiben als sich anzuschließen. Crocodile verharrte nicht länger als nötig in Laws ehemaliger Behausung. Zum Einen, weil er nur ungern den in dieser Höhle allgegenwärtigen Erinnerungen an den Luchs nachhing, zum Anderen, weil Zuhause sicherlich schon sehnsüchtig drei kleine Welpen auf ihn warteten. Er machte sich so schnell wie möglich auf den Rückweg. Doflamingo nagte äußerst lustlos an dem Wildschweinbein, das man ihm vor die Füße gelegt hatte. Das Fleisch schmeckte alt. Vermutlich, dachte er, hatte das Wolfsrudel bereits Vorräte für den Winter angelegt. Allerdings fragte er sich dann, wieso man versäumt hatte das Fleisch zum Beispiel durch Räuchern haltbar zu machen, damit es nicht verdarb und somit ungenießbar wurde. "Also, Doflamingo", fragte ihn die alte Wölfin, die sich ihm unter dem Namen Tsuru vorgestellt hatte, "woher kommst du eigentlich?" "Aus dem Süden", antwortete Doflamingo, der selbstverständlich nicht dumm genug war, um völlig Fremden seinen genauen Wohnort zu nennen. Als ihm dieser Gedanke kam, wurde ihm plötzlich schlecht und er legte das Wildschweinbein zur Seite. Wenn er diesen Leuten nicht einmal genug vertraute, um ihnen die Lage seiner Höhle zu verraten, wie könnte er ihnen dann bloß seine Kinder anvertrauen? Unbewusst begann er an seinen Entscheidungen zu zweifeln. Hatte Crocodile womöglich doch recht? War es doch die bessere Entscheidung, die Welpen einfach selbst aufzuziehen? "Und ist das Rudel, das du anführst, groß? Je weiter südlich man geht, desto häufiger trifft man auf Menschen. Sicherlich ist es nicht einfach dort ein großes Rudel vor diesen widerlichen Kreaturen geheimzuhalten, oder? Mit ihren Schusswaffen können Menschen sehr gefährlich sein." Auch wenn er sie nicht mochte, musste Doflamingo zugeben, dass die Fragen der alten Tsuru durchaus nicht unberechtigt waren. "In meinem Revier treffe ich ab und an auf menschliche Jäger", gestand er. "Mein Partner wurde einmal sogar durch einen Gewehrschuss verletzt. Doch das ist lange her. Meistens bleiben die Menschen in ihren Städten; der Wald ist nichts für sie. Insgesamt führen wir ein unbehelligtes Leben." "Hast du nur einen Partner?", wurde er von jemand anderem gefragt. "Oder auch noch eine oder mehrere Frauen? Immerhin bist du doch der Rudelanführer." "Ich habe nur einen Partner", antwortete Doflamingo wahrheitsgemäß. Im Gegensatz zu den Menschen war bei Gestaltenwandlern nicht bloß Homo- bzw. Bisexualität, sondern auch Polygamie sehr stark verbreitet. Gerade bei Wölfen, die ja Rudeltiere waren, nahm sich der Anführer häufig mehr als einen Mann oder eine Frau. Für Doflamingo jedoch käme solch eine Lebensform nicht infrage. Früher hatte er oft mehrere Sexpartner gleichzeitig gehabt, doch keiner von ihnen hatte ihm jemals etwas bedeutet. Aber er käme unter keinen Umständen auf die Idee Crocodile, den er sehr liebte, zu betrügen. (Ganz abgesehen davon, dass der stolze Kater ihn sicherlich niemals mit einer weiteren Person teilen würde.) Und auch schon Doflamingos Vater hatte bloß eine einzige Partnerin gehabt - seine Mutter. "Aber möchtest du denn gar keine Kinder haben?", war die erstaunte Erwiderung, die er erhielt. Doflamingo zuckte mit den Schultern. Um ehrlich zu sein, hatte er kein Interesse daran mit irgendwelchen Fremden über sein Familienleben zu sprechen. Doch wie immer machte er gute Miene zu bösem Spiel. Anstatt seinem aufdringlichen Gesprächspartner über den Mund zu fahren, lächelte er bloß breit und meinte in einem unbekümmert klingenden Tonfall: "Ach, das ist mir nicht so wichtig. Ich führe ein großes Rudel mit vielen Kindern an. Also brauche ich nicht unbedingt eigene, um meine Gruppe abzusichern. Außerdem bleibt dann mehr Zeit für schönere Dinge: jagen, kämpfen und Sex zum Beispiel." Sein Kommentar sorgte für ausgelassenes Gelächter. Noch immer lächelte Doflamingo breit und ließ sich sein Unwohlsein nicht im geringsten anmerken. Er war sich dessen bewusst, dass er auf keinen Fall Schwäche zeigen durfte. In Wirklichkeit jedoch wollte er keine Sekunde länger als unbedingt nötig bei diesem Wolfsrudel verbringen. Er empfand die Gesellschaft der anderen Gestaltenwandler als überhaupt nicht angenehm. Sie schienen zumeist langweilig, oberflächlich und aufdringlich zu sein. Doflamingo bereute es bereits hierher gekommen zu sein; er hatte Sehnsucht nach seinem Zuhause. Nichts würde er lieber tun als die Drillinge in den Schlaf zu singen und anschließend gemeinsam mit Crocodile ein paar Bissen Marder- oder Rebhuhnfleisch zu verputzen. Sein Partner fehlte ihm ganz schrecklich. Doflamingo war überhaupt nicht klar gewesen, dass man jemanden so sehr vermissen konnte. Crocodile war unendlich glücklich, als er bei Anbruch der Dunkelheit endlich die Höhle erreichte, die er zusammen mit Doflamingo bewohnte. Die letzte halbe Meile hatte er praktisch im Sprint zurückgelegt. Und obwohl er außer Atem war, lächelte Crocodile unermüdlich. Hier fühlte er sich deutlich wohler als in Laws enger und ungemütlicher Behausung. Selbst das laute Geschrei dreier Säuglinge und der Gestank ihrer vollen Windeln konnte Crocodiles Laune nicht trüben. Er legte sich neben die Welpen und ließ zu, dass diese sich prompt an ihn kuschelten. Sofort beruhigten sich die Kinder wieder. Es war ein unfassbar schönes Gefühl ihre kleinen Körper so nah zu spüren, wo er sie doch einen ganzen Tag lang hatte allein lassen müssen. Wenn Doflamingo jetzt noch da wäre, schoss es Crocodile durch den Kopf, dann wäre der Moment perfekt. Doch Crocodile war zu erschöpft, um viele weitere Gedanken an seinen Partner zu verschwenden. Er wickelte die Babies und gab jedem zwei Fläschchen Milch, ehe er sich schlafen legte. Der morgige Tag würde nicht weniger anstrengend werden als der heutige. Er musste die weite Strecke zu Laws Höhle noch einmal zurücklegen; dieses Mal jedoch mit drei Welpen im Gepäck. "Wenn hier niemand Interesse an den Kindern hat, würde ich gerne weiterziehen", sagte Doflamingo und legte das Wildschweinbein, das er kaum angerührt hatte, zur Seite. Das Fleisch war alt und schmeckte nicht. Nur aus purer Höflichkeit hatte er notgedrungen ein paar Bissen zu sich genommen; er legte es nicht darauf an das fremde Wolfsrudel zu beleidigen, indem er dessen Gastfreundschaft ablehnte. Den Rest des Wildschweinbeins gab Doflamingo ein paar Kindern, die sich über das unerwartete Geschenk sehr zu freuen schienen; der magere Eineinhalb- bis Zweijährige, der ihm bereits zuvor aufgefallen war, stürzte sich regelrecht auf das Fleisch. Bei genauerem Hinsehen machte der Kleine einen besonders kläglichen Eindruck. "Warum bleibst du nicht über Nacht?", bot ihm die alte Tsuru an. "Es wird bereits dunkel draußen und du scheinst dich in dieser Gegend nicht sonderlich gut auszukennen. Ich denke, es wäre deutlich besser, wenn du uns erst morgen früh verlässt." "Vielen Dank für das verführerische Angebot", gab Doflamingo zurück und bemühte sich um einen glaubhaft klingenden Tonfall, "doch ich mache mich lieber gleich auf den Weg. Je früher ich die anderen Rudel abklappere, desto besser. Ich versprach meinem Partner, dass ich in spätestens vier Tagen zurückkehren würde. Sicherlich vermisst er mich schon sehr." Tatsächlich hatte Doflamingo große Sehnsucht nach dem Kater. Ihm fehlte Crocodiles warmer Körper und seine sture, stolze Art. Auf keinen Fall wollte er länger als nötig bei diesem Wolfsrudel bleiben. Er fühlte sich hier überhaupt nicht wohl. In Gedanken war er längst wieder bei seinem Partner und den Kindern. Das Vorhaben, die Drillinge wegzugeben, hatte Doflamingo insgeheim auch schon längst verworfen. Er würde sich so schnell wie möglich auf den Rückweg machen und Crocodile einfach erzählen, dass sich niemand hatte finden lassen, der die Welpen aufnehmen wollte. Der Kater wäre sicherlich alles andere als traurig angesichts dieser nur halb erlogenen Nachricht. "Ich bestehe darauf, Doflamingo", erwiderte zu seinen Ungunsten jedoch Tsuru mit unerwartet energischer Stimme. "Dieser Wald ist ein gefährlicher Ort. In der Nähe gibt es einige Rudel von Gestaltenwandlern, die Fremden nicht wohlgesonnen sind. Bären und Füchse. Einem einzelnen können sie leicht gefährlich werden." "Ich komme schon zurecht", sagte Doflamingo mit nicht minder energischer Stimme. Für ihn kam es überhaupt nicht infrage länger als nötig bei diesem Wolfsrudel zu bleiben. Er wollte einfach bloß nach Hause. "Ich bin stark und schnell. Es besteht kein Grund zur Sorge. Vielen Dank für die Gastfreundschaft." "Bist du dir sicher, dass..." "Ja, ich bin mir sicher! Verdammt sicher sogar", unterbrach Doflamingo die alte Wölfin mit zischender Stimme. Allmählich verlor er die Geduld. Außerdem war er alles andere als naiv und dumm. Längst schon vermutete er, dass hier irgendetwas ganz gehörig faul war. Wieso sollte ein völlig fremdes Rudel, das offensichtlich Schwierigkeiten hatte die eigenen Welpen vernünftig zu ernähren, einem völlig fremden Gestaltenwandler ihre Gastfreundschaft aufdrängen? Die Wölfe verfolgten doch irgendeinen Plan! Und wenn Doflamingo ehrlich war, dann war er nicht sonderlich erpicht darauf, ihn zu erfahren. "Ich mache mich jetzt auf den Weg", meinte er und bemühte sich nicht einmal mehr darum einen fröhlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Er hatte genug. Doflamingo wollte bloß noch zu seinem Partner und seinen Kindern zurück. "Das kommt nicht infrage", entgegnete Tsuru, die nun ebenfalls keine Zeit mehr darauf verschwendete gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Sie verzog den faltigen Mund; ihr Blick war finster. Als Doflamingo bemerkte, dass Akainu und seine beiden Begleiter erneut die Gestalt ihres Tiergeistes annahmen, zögerte er nicht auch nur für eine Sekunde. Rasch tat Doflamingo es ihnen gleich. Und noch im selben Augenblick rannte er in seinem schnellsten Lauftempo davon. Er war kein Feigling, doch Doflamingo wusste, dass er es nur schwer mit einem gesamten Rudel aufnehmen könnte. Darum überlegte er sich rasch eine Strategie. Er würde den Vorteil ausnutzen, dass er deutlich schneller und ausdauernder war als seine Verfolger. Zuerst lockte er Akainu, Aokiji und Kizaru fort vom restlichen Rudel. Die Jagd, welche die Drei auf ihn machten, würde sie bald ermüden. Erst dann schlug Doflamingo zu und erledigte die feindlichen Gestaltenwandler im Kampf. Er war zuversichtlich, dass ihm dies relativ problemlos gelingen würde. Immerhin war um einiges größer und stärker als die anderen Wölfe; sie kämen niemals gegen ihn an. ~ Derzeit hing bloß noch Akainu an seinen Fersen; Aokiji und Kizaru waren weit zurückgefallen. Die beiden waren längst außer Atem und hatten die Jagd nach ihm eingestellt oder zumindest unterbrochen. Akainu hingegen schien zu stolz zu sein, um ihn einfach laufen zu lassen. Auch wenn die Verfolgungsjagd ebenfalls an seinen Kräften zehrte und der Abstand zwischen Doflamingo und ihm sich mit jeder Sekunde vergrößerte, gab er nicht auf. Doflamingo konnte gar nicht anders als die unfassbare Sturheit des anderen Gestaltenwandlers zu bewundern. Gleichzeitig fragte er sich wie man bloß so dumm sein konnte. Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde immer breiter. Blitzschnell schlug Doflamingo einen Haken und ging hinter einem hellen Farnkraut in Deckung. (Auszug aus Kapitel 11) bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)