Wolfskinder von kleines-sama (DoflamingoXCrocodile (AU)) ================================================================================ Kapitel 14: Part III: Ballast ----------------------------- "Was machen wir jetzt?", fragte Crocodile seinen Partner mit ruhiger Stimme. Die Drillinge lagen auf dem Bett zwischen ihnen und waren (obwohl sie nicht schliefen) insgesamt sehr ruhig. Doflamingo und er hatten sie gefüttert, gebadet und frisch gewickelt. Nun schienen sich die Welpen sehr wohl zu fühlen und genossen die vielen Streicheleinheiten, die sie seitens ihrer Eltern erhielten. "Wir müssen uns um dieses scheußliche Wolfsrudel kümmern", erwiderte Doflamingo mit fester Stimme, während er einen der beiden Jungen sanft hinter den spitzen Fellohren kraulte. "Was meinst du damit?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Willst du etwa in den Kampf ziehen? Du hast mir selbst gesagt gehabt, dass es sich um ein Rudel von nahezu zwanzig Gestaltenwandlern handelt. Du kannst dich doch nicht allein gegen eine solche Übermacht stellen!" "Es sind bloß noch zwölf", wandte Doflamingo ein. "Davon stellen circa ein Drittel Alte und Kinder da. Und außerdem habe ich ihren Anführer getötet. Sie sind ängstlich und orientierungslos. Mir wird sich keine bessere Möglichkeit ergeben, um diese verfluchte Meute ein für allemal auszulöschen." "Warum lassen wir sie nicht einfach in Ruhe?" Crocodile empfand die Vorstellung, dass sein Partner erneut nach Norden zu dem schrecklichen Wolfsrudel zog, als nur wenig verlockend. Sie hatten sich doch gerade erst wiedergefunden. "Aokiji und Kizaru sprachen davon, die Höhle, die sie derzeit besetzt haben, wieder zu verlassen und weiterzuziehen. Es gibt also keinen Anlass, um sich in Gefahr zu begeben. Das Wolfsrudel wird von selbst verschwinden. Wir müssen nicht noch nachhelfen." "Wir wissen nicht, wohin sie gehen werden", wandte Doflamingo zähneknirschend ein. "Solange ich mir nicht sicher bin, dass dieses Rudel vernichtet ist, habe ich keine ruhige Minute. Sie könnten irgendwann wiederkommen, um Rache zu üben. Und vielleicht sind sie dann nicht mehr bloß zwölf, sondern dreißig oder fünfzig Gestaltenwandler. Jetzt sind unsere Kinder noch klein. Aber was ist in ein paar Jahren? Stell dir nur einmal vor, unsere Welpen spielen draußen im Wald und stoßen auf Wölfe aus diesem Rudel. Davor graut es mir. Ich möchte jedes Risiko ausschließen. Und deswegen muss ich sie auslöschen. Es gibt keine andere Möglichkeit." Crocodile gab es nur ungern zu, doch er konnte die Argumentation seines Partners durchaus nachvollziehen. Der Gedanke, dass diese skrupellosen Gestaltenwandler eines Tages zurückkehren und ihren Kindern etwas antun könnten, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Vielleicht hatte Doflamingo ja doch Recht. Immerhin ging es dabei um ihre Sicherheit. Crocodile seufzte. "Nun gut", sagte er. "Aber wenn du gehst, dann komme ich mit. Ich möchte nicht schon wieder von dir getrennt werden. Ich würde umkommen vor Sorge." "Auf gar keinen Fall", gab Doflamingo energisch zurück. "Nimm es mir nicht übel, Crocodile, aber im Kampf gegen einen Wolf hat eine Hauskatze keine Chance. Du würdest mich nur aufhalten. Und außerdem muss einer von uns beiden hier bleiben, um auf die Welpen achtzugeben. Sie sind viel zu klein, um so lange allein gelassen zu werden. Jemand muss sie füttern und wickeln." "Und da wären wir wieder bei diesem leidigen Thema", meinte Crocodile augenrollend. "Es hat nichts damit zu tun, dass du weniger mutig oder willenstark wärst als ich", sagte Doflamingo mit zärtlicher Stimme. "Aber ich bin nun einmal der stärkere und erfahrenere Gestaltenwandler von uns beiden. Dabei handelt es sich ganz einfach um eine Tatsache; das musst selbst du einsehen. Es macht mehr Sinn, wenn du hier bleibst und ich gehe. Verstehst du das?" Crocodile nickte widerwillig. "Also gut", gab er sich geschlagen. "Aber dann geh bitte erst morgen, ja? Abgesehen von zwei Mardern habe ich heute noch nichts in den Magen bekommen. Wir sollten einen oder zwei Jagdzüge starten." Crocodile fragte sich, ob sein Partner wohl ahnte, dass es sich bei dieser Bitte bloß um einen Vorwand handelte. Er wollte, dass der Wolf sich wenigstens eine Nacht lang ausruhte und die Möglichkeit hatte wieder zu Kräften zu kommen, ehe er sein gewagtes Vorhaben in die Tat umsetzte. Doch Crocodile war viel zu stolz, um seine Sorgen direkt zu äußern. "Gute Idee", stimmte Doflamingo ihm zu. "Dann kann ich wieder ein wenig Wegzehrung mitnehmen. Und für dich legen wir auch genug zur Seite, damit du die Kleinen nicht allein lassen musst, um dir Nahrung zu beschaffen, während ich weg bin." "Wie wäre es, wenn jeder von uns einen Jagdzug startet?", schlug Crocodile vor. "Wenn wir beide uns abwechseln, müssen wir auch die Kinder nicht allein lassen. Sie sind in letzter Zeit sehr anhänglich." "In Ordnung. Möchtest du anfangen?" Crocodile nickte und erhob sich von seinem Platz. Der Welpe, den er besonders nah bei sich gehabt hatte, begann zu quengeln, doch Doflamingo strich ihm rasch beruhigend über den Rücken. "Bevor ich jage, werde ich nach Süßwasser Ausschau halten", sagte Crocodile und deutete auf die leeren Mineralwasserflaschen, die neben den verbliebenen zwei Dosen Pulvermilch standen. "Wir benötigen sauberes Wasser, um die Milch für die Babies zu mischen. Leider verfügen wir hier nicht über den Luxus einer eigenen Süßwasserquelle im Haus. Aber ich meine ganz in der Nähe einen kleinen Bach gesehen zu haben; dort werde ich es versuchen." Doflamingo nickte, doch zog verwundert die Augenbrauen zusammen. Schließlich fragte er ihn: "Woher hast du diese Flaschen?" "Aus der Stadt", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Er sah keinen Grund, wieso er lügen sollte. "Wie gesagt, um die pulverisierte Muttermilch für die Welpen genießbar zu machen, benötigt man Wasser. Also habe mich auf den Weg in die Stadt gemacht und dort in Flaschen abgefülltes Wasser besorgt. Die Kleinen scheinen es gut zu vertragen. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt einen Unterschied zu dem bemerken, das sie sonst immer bekommen haben." "Du bist in der Stadt gewesen?", hakte Doflamingo verwirrt nach. "Wann denn das? Aokiji und Kizaru sind doch bloß ein paar Stunden vor mir losgelaufen. Und allein die Drillinge hierhin zu bringen, muss dich eine ganze Menge Zeit gekostet haben. Wie hast du es denn dann noch geschafft einen Ausflug in die Stadt zu machen?" Crocodile zögerte. Allem Anschein nach war die Situation wohl doch nicht so klar wie gedacht. Doflamingo ging also davon aus, dass er mit den Kindern geflohen war, weil Aokiji und Kizaru sie gesucht hatten. Dass er schon viel früher ihre Höhle verlassen hatte, um deutlich zu machen, dass er die Drillinge keinesfalls weggeben wollte, hatte sein Partner also überhaupt gar nicht begriffen. Crocodile seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Er entschied sich dazu dem Wolf die Wahrheit zu sagen. Hoffentlich würde dieser Verständnis für sein Verhalten aufbringen. "Ich habe die Wasserflaschen vorher schon besorgt", gestand Crocodile. "Und ich habe die Drillinge auch schon hergebracht, ehe ich überhaupt von Aokiji und Kizaru erfahren habe. Ich hatte Angst, dass du sie mir wegnehmen würdest. Darum bin ich verschwunden." Doflamingos verletzter Gesichtsausdruck versetzte Crocodile einen Stich mitten ins Herz. "Du... du bist vor mir geflohen?", fragte ihn sein Partner mit entsetzt klingender Stimme. "Das ist nicht das richtige Wort", erwiderte Crocodile. "Es war nicht meine Absicht lange wegzubleiben. Ich hatte nicht vor dich zu verlassen. Ich wollte bloß deutlich machen, dass ich mich nicht von meinen Kindern trennen werde. Den Gedanken, dass du sie mir einfach wegnimmst und irgendwem anders gibst, finde ich absolut unerträglich. Und ich dachte mir, dass du deinen Pläne verwerfen würdest, wenn du einsiehst wie ernst mir diese Sache ist. Ich bin nicht vor dir geflohen. Ich wollte bloß meinen Standpunkt deutlich machen. Verstehst du das?" "Ich... finde es nicht gut, was du getan hast", sagte Doflamingo nach einigem Zögern. "Doch ich denke, dass ich deine Beweggründe nachvollziehen kann. Vor allen Dingen nach meinem Besuch bei diesem grässlichen Wolfsrudel. Du kannst dir nicht vorstellen wie diese Leute mit ihrem Nachwuchs umgegangen sind: Ich sah ein vielleicht eineinhalb-, zweijähriges Kind, das völlig abgemagert war. Seitdem verstehe ich deine Bedenken." "Ich wollte bloß das Beste für die Welpen", erklärte Crocodile. "Ich habe befürchtet, dass sie von ihren Adoptiveltern womöglich schlecht behandelt werden würden. Du musst mir glauben, Doflamingo, bitte. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass du sie mir wegnimmst. Ich wollte meine Familie nicht noch einmal verlieren." "Schon gut", erwiderte Doflamingo und zu Crocodiles Erleichterung klangen seine Worte ehrlich. "Ich verstehe dich. Und ich bin auch nicht wütend auf dich. Inzwischen kommt es für mich selbst ja auch nicht mehr infrage mich von meinen Kindern zu trennen. Vermutlich hätte ich nicht anders reagiert, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre." "Also verzeihst du mir?", bat Crocodile. Doflamingo nickte. "Natürlich." Er breitete seine Arme aus und Crocodile sah diese Geste als eine Einladung an. Rasch hastete er zu seinem Partner hinüber und drückte diesen fest an sich. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben", sagte er. "Das bin ich auch", gab Doflamingo zurück und küsste ihn auf die Stirn. "Außerdem sollten wir uns lieber auf unsere Zukunft als die Vergangenheit konzentrieren. Sobald ich Aokiji, Kizaru und die anderen Rudelmitglieder getötet habe, steht einem glücklichen Familienleben nichts mehr im Wege. Wir werden wieder in unsere Höhle zurückkehren und dort unsere Kinder großziehen. Niemand wird unser Glück stören. Da bin ich mir absolut sicher." "Das ist eine sehr schöne Aussicht", gestand Crocodile. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: "Ich bin froh, wenn wir diese Höhle endlich wieder verlassen werden. Sie erinnert mich ganz furchtbar an Law. Sein Geruch hängt noch immer in der Luft." "Es tut mir leid, dass du hierhin zurückkehren musstest." Crocodile winkte ab, doch wirkte nicht ganz so souverän wie er es sich gewünscht hätte. "Es geht schon", sagte er. "Law ist seit zwei Jahren tot. Er kann mir nichts mehr anhaben. Trotzdem freue ich mich darauf wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen. Ich hoffe, dass es dir gelingen wird dem Wolfsrudel rasch den gar aus zu machen." "Ich werde mich beeilen", versprach Doflamingo. "In ein paar Tagen werde ich wieder bei dir und den Kindern sein. Versprochen." Crocodile blieb noch für einige Minuten in den Armen seines Partners liegen. Als er sich schließlich von ihm löste, weil er die Wasserflaschen auffüllen und Nahrung herbeischaffen musste, tat er es nur sehr ungern. Doflamingo ließ den Blick unruhig durch die Höhle schweifen, während Crocodile seinen Rucksack mit Vorräten füllte. Er konnte durchaus nachvollziehen, wieso sein Partner sich hier nicht wohl fühlte und sich nach seinem Zuhause sehnte. Vielleicht handelte es sich bloß um Einbildung, immerhin war Law schon seit zwei Jahren tot, doch auch Doflamingo meinte den Geruch des Luchses wahrzunehmen. Wie ein Gift, das in seiner Nase juckte. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie bald für immer von hier verschwinden würden. Sobald er das fremde Wolfsrudel ausgelöscht hatte, würde er gemeinsam mit Crocodile und den Kindern nach Hause zurückkehren und sie würden ihr Leben wie gewohnt fortführen. Um seiner Familie willen nahm Doflamingo sich vor, sich in seiner Rachsucht zurückzuhalten und die Sache so schnell wie möglich zu beenden. Er wollte die Geschehnisse der letzten Tage einfach aus seinem Gedächtnis streichen und zusammen mit seinem Partner und seinen Kindern eine unbeschwerte Zeit verleben. "Sei vorsichtig", sagte Crocodile zu ihm. "Natürlich", erwiderte Doflamingo, der hoffte, dass sich der Kater nicht allzu große Sorgen um ihn machen würde. "Ich werde gut auf mich aufpassen, versprochen. Du auch, ja?" Crocodile nickte. Er wirkte nicht sonderlich glücklich angesichts der Vorstellung, dass Doflamingo ihn so bald schon wieder verlassen wollte, doch er schien die Entscheidung seines Partners zu akzeptieren. Doflamingo beschloss diesen Abschied nicht noch weiter in die Länge zu ziehen. Er ging hinüber zu den Welpen und gab jedem von ihnen einen Kuss auf die Stirn; anschließend berührte er Crocodile zärtlich an einem seiner schwarzen Katzenohren. Dann war er verschwunden. Draußen schnürrte ihm der kalte Wind den Atem ab. Man spürte sehr deutlich, dass der Winter über den Wald hereingebrochen war. Nur noch wenige Bäume trugen Blätter an den Ästen. Es war bloß noch eine Frage der Zeit, dachte Doflamingo sich, bis die ersten Schneeflocken fallen würden. Er malte sich Crocodiles begeisterten Gesichtsausdruck aus und erhöhte sein Lauftempo. Doflamingo wollte unbedingt dabei sein, wenn sein Partner zum allerersten Mal die weißen Flocken auf seiner Haut spürte. Crocodile seufzte leise und begrub das Gesicht in den Händen. Er hoffte von ganzem Herzen, dass Doflamingo sein waghalsiges Vorhaben gut überstand und unverletzt zurückkehrte. Dass er überhaupt zurückkehrte. Doch was blieb ihm anderes übrig als zu warten? Schweren Herzens ließ Crocodile sich gleich neben den Drillingen auf einer weichen Decke nieder. Sofort stieg ihm Laws Geruch in die Nase. Ein schmerzhafter Knoten bildete sich in seinem Magen. Crocodile konnte nicht verhindern, dass ihm Erinnerungen an die Geschehnisse, die sich vor zwei Jahren ganz in der Nähe dieser Höhle abgespielt hatten, durch den Kopf schossen. Auch wenn er Doflamingo gegenüber zumeist so tat, als wäre er längst über die versuchte Vergewaltigung hinweg, konnte Crocodile sich noch ganz genau an jedes Detail erinnern. Manchmal wachte er nachts schreiend auf, weil er im Schlaf Laws Hände auf seinem Körper oder dessen heißen Atem auf seiner Haut gespürt hatte. Dass er nun in der Höhle genau dieser Person übernachten musste, dass er bei jedem Atemzug Laws Geruch einatmete und niemand da war, der ihm beruhigend über sein Haar strich, wenn er im Schlaf zuckte oder schrie, machte die ganze Sache nicht besser. Crocodile würde verdammt froh sein, wenn er diesen furchtbaren Ort endlich hinter sich lassen konnte. Leider hatte Doflamingo ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Drillinge schienen zu spüren, dass er sich unwohl fühlte. Er hatte schon des Öfteren festgestellt, dass seine Stimmung sich auf sie übertrug. Das Mädchen begann laut zu wimmern und zu quengeln; die beiden Jungen schrieen und weinten sogar. "Ist schon gut", flüsterte Crocodile und streichelte ihnen über ihre Bäuche. Allmählich beruhigten sich die Welpen wieder. Sie richteten ihre kleinen Fellöhrchen auf und schenkten ihm sogar ein zaghaftes Lächeln. "Es ist alles gut", fuhr Crocodile fort und wusste nicht so recht, ob er versuchte die Kinder oder sich selbst zu besuchen. "Ich bin ja hier. Und euer Daddy wird auch bald wiederkommen. Er ist groß und stark; ihm wird bestimmt nichts Schlimmes passieren. Wir müssen uns nur ein wenig gedulden. Das ist doch nicht so schwer, oder?" Kaum eineinhalb Tage später erreichte Doflamingo endlich das Revier des Wolfsrudels, das versucht hatte ihn zu töten und seine Familie als Geisel zu nehmen. Er spitzte die Ohren und bewegte sich so leise wie nur möglich fort; immerhin waren seine Gegner deutlich in der Überzahl und besaßen außerdem einen gewissen Heimvorteil. Doflamingo wollte sich nicht einfach wie ein Verrückter auf das Wolfsrudel stürzen; stattdessen ging er strategisch klug vor. Er würde versuchen immer wieder einen oder zwei Gestaltenwandler abzupassen, die allein und abseits vom Rest des Rudels unterwegs waren, um sie möglichst gefahrlos zu töten. Je später die Gruppe seine Anwesenheit bemerkte, desto besser für ihn. Leider stieß Doflamingo, während er vorsichtig das Revier des fremden Rudels durchstreifte, auf keinen einzigen Wolf. Weder allein oder zu zweit, noch in einer größeren Gruppe. Das gesamte Gebiet wirkte wie ausgestorben. Vielleicht, schoss es Doflamingo durch den Kopf, hatten sie ihren Plan tatsächlich in die Tat umgesetzt und waren längst schon verschwunden. Oder sie hielten sich die meiste Zeit über in der Höhle auf, wo ihnen ihre schiere Überzahl zum Vorteil gereichte. Eine große Gruppe bot dem Einzelnen Schutz. Doflamingo beschloss das Lager des Wolfsrudels zu prüfen, ehe er sich wieder auf den Rückweg machte. Wenn Aokiji, Kizaru und all die anderen Gestaltenwandler bereits die Flucht ergriffen hatten, dann machte es keinen Sinn sie zu verfolgen. Er wusste ja nicht einmal wie lange sie schon verschwunden waren; inzwischen könnten sie überall sein. Die Wölfe in ihrer Höhle zu erledigen würde eine echte Herausforderung darstellen, gestand Doflamingo sich unwillig ein. Zwar war er stark und erfahren im Kampf, doch mit gleich einem Dutzend Gestaltenwandler hatte selbst er es noch nie aufgenommen gehabt. Er würde sich irgendeine Strategie überlegen müssen, um die Wölfe aus ihrem Unterschlupf herauszulocken. Ein offener Kampf war äußerst risikoreich und machte nur wenig Sinn, wenn man als Einzelner ein ganzes Rudel erledigen wollte. Bald erreichte Doflamingo die Höhle, die das Wolfsrudel einst eingenommen hatte. Er ging hinter dem dicken Stamm einer alten Buche in Deckung und beobachtete etwa eine halbe Stunde lang aufmerksam den Höhleneingang. Es geschah überhaupt nichts. Kein Gestaltenwandler betrat oder verließ die große Felshöhle. Vom flackernden Licht eines Lagerfeuers war auch nichts zu erkennen. Vorsichtig schlich Doflamingo näher. Dass das Zuhause des fremden Wolfsrudels auf den ersten Blick einen verlassenen Eindruck machte, hatte nichts zu bedeuten. Er wusste ja bereits, dass die alte Tsuru und ihre Freunde sehr listenreich waren. Womöglich taten sie so als wären sie längst weitergezogen, damit er sich in Sicherheit wiegte und sie ihn überfallen konnten, wenn er sich ihrer Höhle näherte. Einen solchen Schritt würde Doflamingo ihnen auf jeden Fall zutrauen. Er zog also lieber keine voreiligen Schlüsse und blieb genauso vorsichtig und aufmerksam wie zu Beginn. Doch auch als Doflamingo die Felshöhle betrat, tat sich nichts. Niemand stürzte sich von hinten auf ihn oder gab irgendein abgesprochenes Signal von sich. Alles wirkte ruhig und vollkommen verlassen. Allmählich ließ Doflamingo sich doch zu der Vermutung hinreißen, dass Aokiji, Kizaru, Tsuru und der Rest des Rudels weitergezogen waren. Doflamingo gab einen frustriert klingenden Laut von sich, ehe er sich in der großen und wenig einladend wirkenden Höhle umsah. Alles, was irgendeinen Wert hatte, war mitgenommen worden: Nirgendwo waren Lebensmittel oder noch brauchbare Tierfelle zu sehen. Doflamingo ärgerte sich. Nun hatte er also völlig umsonst diesen weiten Weg auf sich genommen. Auf seine Rache würde er verzichten müssen. Das Wolfsrudel, das er auszulöschen geplant hatte, könnte inzwischen schon eine Strecke von mehreren hundert Kilometern zurückgelegt haben. Und er wusste nicht einmal in welche Richtung. Gerade wollte Doflamingo sich wieder auf den Rückweg machen, als er aus dem Augenwinkel heraus eine flüchtige Bewegung wahrnahm. Sofort ging er in Angriffsposition über und fletschte wütend die Zähne. War er etwa doch in einen Hinterhalt geraten? Kaum hatte Doflamingo den Ursprung der verdächtigen Bewegung ausgemacht, verflüchtigte sich sein Zorn ebenso schnell wieder wie er gekommen war. Im ungemütlichen Dämmerlicht hier im hinteren Teil der Höhle war das kleine Kind, das zusammengekauert auf dem kalten Boden saß, kaum zu erkennen. Doflamingo traute seinen Augen nicht. Es handelte sich um den vielleicht eineinhalbjährigen Welpen, der ihm zuvor schon aufgefallen war. Man hatte ihn einfach völlig skrupellos zurückgelassen. Rasch nahm Doflamingo seine menschliche Gestalt an und hastete zu dem ganz verwahrlosten Kind hinüber. Selbst seine Kleidung hatten ihm die Mitglieder seines Rudels abgenommen; der kleine Junge trug nichts am Leib abgesehen von einer dreckigen Stoffwindel. Dabei herrschten derzeit Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt! Doflamingo schlüpfte eilig aus dem Hemd, das er trug, und legte es um den Körper des frierenden Welpen. Anschließend hob er den kleinen Jungen hoch; Doflamingo musste schlucken, weil er sich so federleicht anfühlte. Aus seinem Rucksack kramte er die Reste seiner Vorräte hervor. Es war nicht mehr viel da (den Großteil hatte Doflamingo unterwegs schon zu sich genommen), doch er fand zumindest noch den sorgsam gerupften Schenkel eines Rebhuhns, den er er dem abgemagerten Kind hinhielt. Der Welpe aß nur zögerlich; vermutlich, dachte Doflamingo bitter, war er zu schwach, um vernünftig abzubeißen und zu kauen. Um ehrlich zu sein, konnte Doflamingo seinen Fund nicht so recht fassen. Er hatte zwar gewusst, dass es sich bei Tsuru und den Anderen um ein sehr grausames und hinterlistiges Rudel handelte, doch damit, dass sie einfach eines ihrer Kinder zurücklassen würden, hatte er nicht gerechnet gehabt. Vermutlich wollten sie das Risiko, dass ihr jüngstes Rudelmitglied sie aufhielt, nicht eingehen und hatten es darum hiergelassen. Genauso wie all die anderen Dinge, die sie nicht gebrauchen konnten. War der kleine Junge, schoss es Doflamingo durch den Kopf, für sie tatsächlich genauso wertlos wie die durchlöcherten Decken und die alten Knochen, die überall auf dem kalten Höhlenboden herum lagen? Doflamingo schluckte schwer. Was sollte er denn jetzt bloß tun? Er war hergekommen, um zu töten. Damit, dass er auf ein verwahrlosten, völlig unterkühltes und fast verhungertes Kleinkind treffen würde, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet. Trotzdem stand seine Entscheidung eigentlich längst schon fest: Doflamingo war sich sicher, dass er es nicht übers Herz bringen würde den kleinen Welpen hier zurückzulassen. Wäre er denn sonst auch nur um einen Deut besser als das Wolfsrudel, dessen Verhalten ihn so furchtbar entsetzte? ~ Der Welpe zeigte zum allerersten Mal eine echte Reaktion, als Doflamingo ihn sanft in eine Kuhle nahe einem alten Baumstumpf absetzte. Er begann furchtbar zu wimmern und zu fiepen. Verzweifelt streckte er seine kleinen Ärmchen nach Doflamingo aus und sah ihn aus ängstlichen Augen heraus an. Sofort spürte Doflamingo, der sich bisher immer für alles andere als weichherzig gehalten hatten, wie sich ein schmerzhafter Knoten in seinem Magen bildete. Anscheinend befürchtete der kleine Junge, dass er nun wieder zurückgelassen werden würde. (Auszug aus Kapitel 14) bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)