Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 12: ------------ Es tat weh. Das letzte Mal, dass ich mich so niedergeschmettert fühlte, war in der High School, als ich beim Abschlussball einfach sitzen gelassen wurde. Bis heute war ich mir nicht darüber im Klaren, warum genau mich mein Date nicht abgeholt hatte. Dennoch gab ich mir nicht die Blöße und ging alleine zum Ball und ertrug jeden Blick, den man mir zuwarf. Ganz gleich, was er auch bedeutete. Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter und drückte mich weiter in die weichen Kissen meines Bettes. Ein wirklich ekelhaftes Déjà-vu. Nur mit dem Unterschied, dass der Traumprinz zwar auftauchte, aber dann schneller verschwand, als ich wollte. Das war so demütigend für mich. In einem Pärchenlokal sitzen gelassen und verschmäht von einem sexy Kerl, der eventuell sogar der Kerl hätte werden können. Der Prinz auf dem weißen Ross, allerdings ohne überflüssige Rose in saftigem Rot. Ich wimmerte kurz auf und erstickte den Laut mit meinem Kuscheltier in Form einer XXL-Schnecke, die ich von meiner Patentante Tsunade zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Es gab sicher bessere Geschenke als das… beispielsweise ein neues Auto. Aber ich war wirklich froh darum, das weiche Herz-erwärmende-Etwas in Händen zu halten und an meinen Körper zu pressen, statt des Blechs eines Autos. Ich schluckte einen weiteren Kloß hinunter und schnappte nach Luft. „Ach, Schätzchen. Eine Absage wäre einfacher zu verkraften, als ahnungslos sitzengelassen zu werden. Er hätte ja wenigstens eine kurze Erklärung abgeben können.“ Ein Zischen entfuhr ihr und mit einer schnellen Bewegung strich sie sich ihr langes, blondes Haar hinters Ohr. Ich grummelte und schielte unter meinen Ponyfransen zu Ino, die mit traurigem Blick auf mich niederschaute. Seit genau zwanzig Minuten saß sie nun neben mir und ich war wirklich dankbar, dass Sai keinerlei Probleme damit hatte. Als ich nach Hause kam, konnte ich sie laut kichernd durch die Zimmertür hören und der Eifersuchtspegel stieg in mir weiter. Gemischt mit meinem bereits angeheiterten Gemütszustand war das fatal. Ich klopfte verärgert gegen die Tür und verlangte Stille und ich glaube, es kam auch etwas wie Geht doch endlich mal zu Sai! Müsst ihr immer hier sein?! Die Betonung lag auf „immer“ und das ziemlich bissig. Keine zwei Sekunden später saß sie mit mir auf meinem Bett und hörte sich die anfängliche Schwärmerei an, bis es zum abrupten Wechsel meiner Stimmung kam und ich den Kerl verfluchte. Ino seufzte schwer und drückte ein Kissen an ihren Bauch. „Der Kerl weiß einfach nicht, was gut ist.“ „Vielleicht hab ich irgendwas Abstoßendes an mir, das alle verscheucht.“ Ihre Mundwinkel zuckten, aber sie beherrschte sich, ein lautes Lachen über ihre Lippen zu bringen. „Der Kerl ist es nicht wert, Süße.“ Sie zwinkerte mir aufmunternd zu. „Wie sagt deine Mum immer? Andere Mütter haben auch schöne Söhne.“ Ich lachte freudlos auf und warf ihr mein Kissen an den Kopf. „Geht es dir besser, wenn ich wieder den Mecker-Part übernehme? Lästern befreit manchmal den angestauten Frust.“ Ihre Augen leuchteten. Ich nickte und sie ließ sich neben mich fallen. „Er ist ein Schuft, um nicht zu sagen ein Arsch. Sieht vielleicht ganz gut aus, aber so besonders ist er nun auch wieder nicht. Vielleicht ist er ja kein Single, aber seine Freundin ist potthässlich und er wollte einfach mal seinen Augen etwas Hübsches vorzeigen. Möglicherweise wollte er aber nur einen kleinen Zeitvertreib.“ „Der Anfang war nicht schlecht, Yamanaka. Aber der Part mit dem Zeitvertreib war unpassend“, entgegnete ich. Ohne es wirklich zu wollen, entfloh mir dennoch ein erheitertes Lachen. „Na, immerhin hat er die Rechnung vorab bezahlt. Das ändert aber nichts daran, dass er ein ganz armer Wicht ist, über den man sich nicht aufregen sollte.“ „Was du gerade tust“, stellte ich fest. „Ja, weil du es von mir erwartest und ich mindestens genauso gefrustet bin wie du.“ Stille. „Vielleicht ist es ja wirklich dringend gewesen. Oder… muss es ja. Streich das vielleicht.“ „Sakura, du solltest ihn jetzt nicht auch noch verteidigen.“ Ich rollte mit den Augen und schenkte ihr einen mürrischen Blick. „Es wäre unfair, ihn jetzt zu verurteilen. Eigentlich lief es ganz gut.“ „Aber er ist abgehauen. Ohne Erklärung“, erwiderte sie trotzig. Ich schnaubte und rollte mich in meine Decke. „Ich werde als alte Jungfer sterben. Kinderlos und einsam in einem verstaubten Schaukelstuhl irgendwo in einem kleinen Vorort von Tokyo. Die Nachbarskinder werden Angst vor mir haben und immer wegrennen, sobald sie mich entdecken.“ Ich warf meine Hände theatralisch in die Luft, bevor ich sie kraftlos auf die Matratze fallen ließ. Ino lachte glockenhell auf. „Dazu hättest du mit 16 auf deine Entjungferung verzichten sollen. Wie hieß er noch gleich?“ Sie tippte nachdenklich gegen ihr Kinn. „Herbie?“ Mein Mund klappte empört auf und ich pikste sie in den Bauch. „Nicht Herbie! Er hieß Yosuke.“ Ihre Augen blitzten amüsiert auf. „Sicher? Ich fand, er sah aus wie ein Herbie.“ Ich gluckste. „Ich weiß wirklich nicht, was du meinst.“ „Weißt du, wir könnten auch einfach morgen zusammen ausgehen. Wie in alten Zeiten.“ Ino krabbelte unter meine Decke und legte sich neben mich. Sie streckte sich und gähnte dabei. „Nur du und ich. Vielleicht schließt sich Temari an.“ Ich nickte stumm und zog die Decke bis ans Kinn. „Vielleicht.“ Ein Seufzen entwich meiner Kehle, während ich daran dachte, lieber nicht mit den Mädels einen Drauf zu machen. Das würde doch ohnehin nur schiefgehen. Wir redeten noch ein wenig, bevor sie langsam einschlief und inmitten ihres Satzes verstummte. Ich lächelte, beugte mich über sie und knipste die Nachttischlampe aus, damit das helle Licht sie nicht wieder weckte. Ich nahm mein Handy und spürte den Stich der Enttäuschung, da noch immer keine Mitteilung von Sasuke eingetroffen war. Möglicherweise ließ auch er mich sitzen. Wenn man das überhaupt in diese Kategorie einsortieren konnte, immerhin waren wir Chatbekannte. Ein Schmatzen Inos erklang leise und sie drehte mir den Rücken zu. Ich lächelte und spürte das freudige Kribbeln über diese tiefe Freundschaft, die uns seit dem Kindergarten verband und bedauerte zeitgleich den armen Sai. Immerhin lag er alleine in Inos King-Size-Bett, während ihre Wärme sich unter der Decke langsam auf mich übertrug. Selbst wenn alle Männer mich fallen ließen, wie eine heiße Kartoffel… Ino war immer da. Am nächsten Tag wurde ich vom süßlichen Duft von frisch gebackenen Waffeln und dem dumpfen Trällern der Radiomusik geweckt. Hin und wieder war das Mitsingen meiner Mitbewohnerin deutlich zu hören. Schief und viel zu hoch. Ich schob die Decke von mir und schwang müde meine Beine aus dem Bett. Hatte ich mich je so schlecht am Morgen gefühlt? Ich streckte mich, als bereits Ino mit tänzelnden Schritten in mein Zimmer kam. „Guten Morgen“, flötete sie gut gelaunt. „Frühstück ans Bett. Also schwing die Beine wieder unter die Decke.“ „Du bist die Beste“, grinste ich. Wie konnte man sich diesem liebevollen Befehl auch widersetzen? „Heute ist ein neuer Tag und den muss man optimal beginnen. Und ich habe beschlossen, dass wir an unserem nächsten freien Tag auf Männerfang gehen.“ Ich rollte mit den Augen. „Lieber nicht, Ino. Sowas kann man nicht erzwingen.“ „Aber mit gut durchdachten Aktionen anlocken“, sie zwinkerte mir zu und nahm einen Schluck Kaffee. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Ich griff nach meinem Handy. Sie hatte Recht. Vielleicht lag es einfach an mir, einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Es konnte einem ja nicht immer alles in den Schoß fallen. „Was machscht du?“ „Schluck erstmal dein Essen runter, bevor du redest“, ermahnte ich sie. „Ich schreibe Sasuke.“ „Warum? Hör auf dich so mit diesem Kerl zu befassen.“ Sie klang verärgert. „Ich mag ihn eben.“ „Du hast ihn nie gesehen. Lass es lieber“, brummte sie. „Am Ende ist er wirklich ein schlechter Mensch oder jemand, der dich enttäuscht. Oder ein Amokläufer!?“ Ein Lachen entfloh mir und ich trank einen Schluck Orangensaft. „Nicht jeder Mann, den du noch nicht gesehen hast, ist gleich ein Mörder. Und Sasuke ist nett. Außerdem ist er der einzige Kerl, dessen Telefonnummer ich habe.“ Den Part mit der Enttäuschung überging ich. Sie schnaubte frustriert. Oh bitte, Sasuke hatte nichts falsch gemacht, oder? Als diese Schnepfe ans Telefon gegangen war, hatte ich eine Party im Hintergrund gehört - wahrscheinlich war sie sogar dreist genug gewesen, meinen Anruf aus der Liste zu löschen, so gehässig wie sie geklungen hatte. Manchmal sollte man die Dinge nicht tot-denken. Guten Morgen, Sasuke. Ich hoffe, du kämpfst jetzt nicht mit einem Kater, hat sich immerhin nach einer großen Party angehört. Werde dir vom Date berichten, sobald du online bist. Liebe Grüße, Sakura „Mach doch noch ein Kuss-Smiley dazu. Dann merkt er vielleicht, dass du ein klein wenig verschossen bist.“ Ich äffte ihr Kichern nach und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verschossen.“ Sie hob eine feingeschwungene Augenbraue. „Nein, bist du nicht.“ „Wo ist Sai?“ Ino lachte über meinen schwachen Versuch das Thema zu wechseln und zuckte mit den Schultern. „Er kommt und geht. Wahrscheinlich sitzt er im Park und zeichnet Enten.“ Meine Haut kribbelte, als ihr Blick beim Gedanken an ihren Freund weicher wurde. Gleichzeitig flackerte wieder die Eifersucht in mir. „Ihr solltet einfach heiraten, ein Haus bauen und fünf Kinder bekommen.“ Sie riss entsetzt ihre Augen auf. „Fünf Kinder?“ „Mehr?“ „Nein – und sowieso… es wäre viel zu früh, sich jetzt schon solche Gedanken zu machen.“ Dieses Mal war es an mir eine Augenbraue zu heben. „Du hast vor drei Tagen in der Küche gesessen und deine Unterschrift als Sais Ehefrau geübt.“ Ein blasser Rotschimmer breitete sich auf ihren Wangen aus. Da hatte ich sie wohl ertappt. Ihr Blick legte sich auf ihre Waffel und ich wusste, ich war vorerst vor ihrem Beschützerinstinkt sicher. Sicher hätte sie am liebsten jedem Kerl, der mir Kummer bereitete, die Augen ausgekratzt. Das Frühstück verlief gut. Und ich war Sai wirklich dankbar, dass er meine Freundin ganz mir überlassen hatte. Hin und wieder fehlte es mir sehr, die Wohnung allein mit ihr zu haben. Sai war ziemlich oft hier und ich verübelte es ihnen beiden auch nicht immer. So war die Liebe. Und sicher wäre es auch anders für mich gewesen, wäre ich in einer Beziehung. Nach einer kurzen Dusche fühlte ich mich befreiter als am Abend zuvor. Ino konnte mit ihrer bloßen Anwesenheit meine Seele glücklich machen. Ich liebte sie wirklich von ganzem Herzen. Auch wenn mich ihre Schminktöpfe im Bad manchmal zur Weißglut trieben. Ich beschloss, meine Gedanken an die Männerwelt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und widmete mich meinen Mails. Viel Werbung, ein lustiges Katzenvideo einer ehemaligen Schulkameradin und eine Nachricht meiner Chefin, die mich dazu aufforderte, in der kommenden Woche nach Tokyo zu reisen. Ich grummelte missmutig. Ich war wirklich nicht gerne in Großstädten und vor allem nicht in Hauptstädten. Seufzend rieb ich mir die Augen und überflog die kurzen Zeilen nochmal. Ich sollte Neji Hyuuga mit dessen neuer Freundin interviewen. Die armen Frauen Tokyos, die darauf hofften, den Jungunternehmer und Langzeit-Jungesellen für sich zu gewinnen, würden in Scharen in Tränen ausbrechen. Arme Dinger. Hey. Ich fürchte, heute wird’s nichts mehr. Komme gerade aus dem St. Luke’s. Naruto muss jetzt aufräumen und ich muss packen, weil ich heute Abend noch nach Fukuoka muss. Sasuke Ich konnte nicht leugnen, dass mein Herz kurz stehen blieb, als ich die Nachricht las. Du warst im Krankenhaus? Nach nur einer Minute trudelte ein simples „Ja“ ein. Ich widerstand dem Drang, ihn zu fragen, was genau gewesen sei und ob es schlimm war. Wäre es heftig gewesen, hätte er immerhin nicht schreiben können, geschweige denn eine Reise nach Fukuoka machen können. Dennoch sorgte ich mich. Aber er war ins St. Luke’s gegangen. Das hieß doch, dass er in Tokyo wohnhaft war. Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte ein aufgeregtes Flattern in meiner Brust, als ich meine Nachricht eintippte. Du wohnst also in Tokyo. Wie lange wirst du in Fukuoka sein? Das Lächeln, dass sich auf meinem Gesicht ausbreitete, war kaum zu übersehen. Immerhin wusste ich nun, wo er wohnte. Und das gerademal drei Stunden entfernt. Detektivarbeit. Bis Mittwoch. Höchstens Donnerstag. Da war sie wieder: Enttäuschung. Aber sie war definitiv mit Freude vermischt. Schade. Ich erwartete eigentlich keine Antwort mehr. Dennoch erhielt ich fünf Minuten später ein einfaches Fragezeichen und kicherte über diese Einfachheit und Faulheit von ihm, eine Frage zu tippen, die tatsächlich auch Wörter enthielt. Werde Dienstag in Tokyo sein. Für ein Interview. Gespannt starrte ich mein Telefon an und spürte das aufgeregte Flattern in meiner Brust. Vielleicht würde er ja seinen Trip verschieben oder früher zurückkehren, um mich eventuell doch zu treffen? Ich runzelte die Stirn. Aber wäre das zu früh gewesen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)