Tessaiga no sentaku von Mimiteh ("Tessaigas Wahl") ================================================================================ Kapitel 3: Tessaiga ------------------- Im ersten Augenblick zuckte Kagome zusammen, dann straffte sie die Schultern. „Schlechter Scherz, Sesshômaru. Vor fünf Minuten war er noch quicklebendig“, fauchte sie wütend. So dreist war selbst der InuYôkai früher nicht gewesen. Gut er hatte schon öfter einmal direkt zu InuYasha gesagt ‚Du bist tot‘, aber das war mitten im Kampf und mit anderer Betonung geschehen. So aber, wie er das jetzt gesagt hatte… wenn Kagome es nicht besser wüsste, dann hätte sie ihm geglaubt. Andererseits verursachte es ein unschönes Kribbeln in der Magengegend, dass Sesshômaru Tessaiga bei sich hatte. Wider besseren Wissens spürte Kagome Zweifel in sich aufkommen. Sesshômarus Worte bestätigten das nur: „Wer auch immer da hinter den Hügeln steht, InuYasha ist es nicht.“ „WAS!?“ Kagome schrie es fast und wäre das nicht völlig gegen seine sonstige Attitüde gewesen, Sesshômaru hätte sich wohl am Liebsten die Ohren zu gehalten. Einen Moment lang standen sie sich stumm gegenüber. Kagome mit fassungsloser Miene, Sesshômaru augenscheinlich gelassen. Aber das musste bei ihm nichts heißen. Schließlich atmete die junge Frau tief durch. Diese Konfrontation war ihr zu viel. Nach allem was geschehen war, nach der langen Trennung, der Zerstörung oder besser dem Verschwinden des Dorfes, der Sorge um ihre Freunde – und InuYashas seltsamem, forschen Verhalten. Dabei würde es das erklären. Wenn das gar nicht InuYasha selbst gewesen war. Ihre Schultern zitterten leicht. Aber das bedeutete, dass Sesshômaru Recht hatte. InuYasha war tot. Ihr InuYasha war tot, bevor sie ihn hatte wiedersehen können. Ein hartnäckiger Gedanke drängte sich ihr auf. Wäre es nicht einfacher, sich der Illusion hinzugeben, dem InuYasha zu vertrauen, den sie bei sich wissen konnte? Heftig schüttelte sie den Kopf. Nein! Wie kam sie denn auf so etwas? InuYasha war einzigartig. Entweder der echte, oder… ja, was oder? Oder niemand? Die Reise durch den Brunnen war eine letzte Ausnahme gewesen. Sie konnte nicht mehr zurück. Sie war völlig allein. Allein in einer Zeit, die sie zwar kannte, die sie liebgewonnen hatte, aber in der sie sich ohne InuYasha verlassen fühlte. Sie ballte die Finger zu Fäusten. „Ich… muss Gewissheit haben. Ich muss wissen, ob das da hinten wirklich nicht InuYasha ist“, murmelte sie mehr zu sich selbst, aber Sesshômaru hatte es dennoch gehört. Ehe sie die Bewegung sehen konnte, hatte er über den Bach gesetzt und stand neben ihr. „Ich zeige es dir. Das ist das Letzte, was ich für meinen Bruder tun kann. Dafür sorgen, dass sein Andenken nicht in den Dreck gezogen wird“, konstatierte er sachlich. Dennoch meinte Kagome ein leises Grollen in seiner Stimme zu vernehmen. Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Sesshômaru wollte ihr helfen? Und er bezeichnete InuYasha als seinen Bruder? Ohne Ironie? Das waren ja ganz neue Töne. Aber vielleicht hätte er das auch niemals getan, wäre InuYasha noch am Leben. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, war Sesshômaru bereits gegangen und unwillkürlich rannte Kagome ihm hinterher. Gerade bevor er die Hügel überquert hatte, holte sie ihn ein. „Warte, Sesshômaru. Lass mich… lass mich den ersten Schritt machen“, sagte sie halb resignierend, halb verzweifelt. Sie musste sich jetzt einfach selbst begreiflich machen, welcher Täuschung sie aufgesessen war. Der InuYôkai antwortete nicht, aber er verharrte und ließ sie vorgehen. Also ging Kagome weiter und gesellte sich wieder zu InuYasha, der noch an Ort und Stelle stand, ihr entgegen blickte. Jetzt wollte er sich schon wieder in Bewegung setzen, da hielt sie ihn am Ärmel seines Suikans zurück. „Sag mal, InuYasha… warum hast du Tessaiga eigentlich nicht mehr? Du… du weißt doch, wie gefährlich das ist!“ Der Hanyô blickte sie unergründlich an. „Ich brauche es nicht mehr. Ich bin stark genug, mich selbst zu kontrollieren.“ Kagome verharrte in der Bewegung. War das des Rätsels Lösung? War sie zu misstrauisch gewesen? Hatte er in den vergangenen drei Jahren gelernt, seinen Dämon zu kontrollieren? Hatte sein Verhalten sich deswegen verändert? Spielte Sesshômaru hier das falsche Spiel mit ihr? Sie schluckte heftig. Ihre Augen brannten schon wieder und daran merkte sie, wie gerne sie einfach daran glauben wollte, dass sie hier doch ihrem InuYasha gegenüber stand. Ihre Gedanken fuhren Karussel. Was war jetzt richtig und was war falsch? Was stimmte und was war Täuschung? Sie war beinahe froh, als in diesem Moment Sesshômaru hinterher kam und auf die Hügelkuppe stehen blieb. „Beweise es mir, Halbblut. Beweise mir, dass du dich zu kontrollieren weißt“, verlangte er kühl. InuYasha sah auf, seine Augen bohrten sich in die ebenso goldenen des InuYôkai. Dann schob er Kagome von sich. „Bittesehr…“, knurrte er. Kagome spürte die Aggressivität in InuYasha, sah seinen flammenden Blick. Unwillkürlich trat sie noch einen Schritt mehr zurück. In seinen Augen war kein Rot. Aber dennoch erinnerte seine Haltung sie nur zu sehr an die paar Male, die er durchgedreht war. Jede Faser angespannt, den Kopf leicht vorgeneigt, stand InuYasha da, wartend auf den Angriff. Sesshômaru hat ihn nicht einmal mit Namen angesprochen…, schoss es ihr durch den Kopf. Ironie hin oder her, immerhin das hatte Sesshômaru früher gemacht. Sie schlug die Hände vors Gesicht, wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte und was nicht. So hörte sie nur, wie Sesshômarus Energiepeitsche einem Stromschlag gleich durch die Luft zuckte, auf InuYasha zu, wie der beiseite sprang und direkt konterte. „Sankontessô!“, hallte es wieder. Und dann entbrannte der Kampf richtig. Als Kagome wieder aufsah, schlug die Energiepeitsche ihre erste Wunde. InuYashas einzige Reaktion war der Griff zur Schulter, das kurze Eintauchen seiner Klauen in das frische Blut. Er wechselte den Klauenangriff: „Hijinkessô!“ Sesshômaru sprang zurück, wich dann in die Luft aus. Obwohl er wohl gekonnt hätte, griff er nicht zum Schwert. Bakusaiga hing unberührt in seinem Hüftttuch. Stattdessen beließ er es bei der Energiepeitsche, die nun aber immer schneller, immer unberechenbarer und immer gleißender leuchtend auf InuYasha zu zuckte. Kagome ahnte, dass Sesshômaru nun mehr Yôki hinein geschickt hatte. Er meinte es wirklich ernst. Sie erschauerte, als das leuchtende Energieband InuYashas Bein traf und es beinahe auf halber Länge aufschlitzte. Blut tränkte den roten Stoff, spritzte regelrecht hervor. Und plötzlich wurde InuYashas Knurren dumpfer. Kagome erstarrte. War es soweit? War der kritische Punkt erreicht? Auch Sesshômaru verharrte in der Luft, sie ahnte, dass er witterte, ebenfalls ergründete, inwieweit InuYasha sich tatsächlich unter Kontrolle hatte. Aber noch wusste InuYasha offenbar, was er tat, denn er stand still da, den Blick auf den InuYôkai gerichtet. Dann streckte er plötzlich die Arme zur Seite weg – und schlug mit beiden Händen zugleich durch die Luft, wie er es sonst zum Klauenangriff tat. Kagome nahm wahr, dass sich Sesshômarus Augen kurz weiteten, ehe der dem leuchtenden Angriff auswich, der sich von InuYasha Fingern gelöst hatte. Das war keine neue Variante des Sankontessô gewesen, das war ein völlig neuer Klauenangriff. Das Licht zischte an ihm vorbei und grub sich tief in die Hügel hinter den beiden Kontrahenten. Staub und Erde wirbelten auf, Grasklumpen flogen durch die Luft und verwirrten die Sicht. Aber Kagome hörte es. Das Kichern, dass es ihr augenblicklich eiskalt den Rücken runterlaufen ließ. Noch ehe der Staub sich legte, sah sie die rotleuchtenden Augen. Der Dämon in InuYasha war erwacht. Im gleichen Moment landete Sesshômaru nicht weit entfernt. „Halbblut!“ Tatsächlich wandte InuYasha den Kopf und auch Kagome sah den InuYôkai überrascht an, als der plötzlich das eingewickelte Schwert aus seinem Hüftttuch zog und es ohne Vorwarnung in InuYashas Richtung warf. Der Hanyô hob instinktiv die Hand, seine Finger schlossen sich um Tessaigas Heft – und unter einem heftigen Lichtblitz aktivierte sich der Bann, verbrannte die Finger des Hanyô und stieß ihn aufs Heftigste zurück. So sehr hatte Tessaiga sich nicht einmal gewehrt, als Sesshômaru es im Grabe seines Vaters hatte ergreifen wollen. Erneut wirbelte Staub auf, als der Rotgekleidete zu Boden ging. Tessaiga fiel zu Boden. Es hat ihn abgewehrt. Tessaiga hat InuYasha abgewehrt. Wenn das nicht der Beweis ist… Kagome bückte sich unwillkürlich und griff nach dem Schwert, das in ihre Richtung geschliddert war, hielt es fest in beiden Händen. Dann erst wagte sie einen Blick in die Richtung, in die der Hanyô geschleudert worden war. Ihre Augen weiteten sich, als sie sah, wer da lag. Das war nicht mehr InuYasha, das war niemand mehr, der wie InuYasha aussah. Die Gestalt dort hatte dunkle Haare mit deutlich roten Strähnen. Als hätte er in eine Steckdose gefasst standen die Strähnen nach Tessaigas Abweisung in alle Richtungen ab. Spitze Ohren ließen den Dämon erkennen. Da ging ein Beben durch den Liegenden, er kicherte – aber es klang nicht mehr wahnsinnig, sondern eher belustigt und arrogant. Er schlug die Augen auf und tiefviolette Iriden kamen zum Vorschein. Kagome zuckte zurück. Das war also jener Dämon, der sie getäuscht hatte. Seine Illusion hatte sich erst durch Tessaigas Impuls gelöst. Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Wie hatte sie das nicht bemerken können? Wie hatte sie nicht bemerken können, dass sie die ganze Zeit über diesem Dämon anstatt ihrem geliebten Hanyô gegenüber gestanden hatte? Da wurde ihr klar, dass sie es gemerkt hatte. Jedes einzelne Mal, wenn sie sich am vergangenen Tag über sein Verhalten gewundert hatte, hatte sie es gemerkt. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen. Bei dem Gedanken, was dieser Kerl gestern Abend beinahe mit ihr angestellt hätte, drehte sich ihr der Magen um. In diesem Moment sprang der Dämon auf, grinste sie triumphierend an – und wich im nächsten Augenblick Sesshômarus Energiepeitsche aus, die schon wieder auf ihn zu zuckte. Der InuYôkai war wohl der Meinung gewesen, er habe lange genug zugesehen. Doch der Fremde ließ sich davon wenig aus der Ruhe bringen. Die Wunden, die in seinen falschen Körper geschlagen worden waren, waren verschwunden, er war taufrisch – und keineswegs mehr daran interessiert, Kagome aus dem Spiel herauszuhalten. Im Gegenteil. Auf einmal hob er die Arme, streckte sie durch, legte die Hände aufeinander, Handflächen Kagome zugewandt. Ein gezischter Befehl, den Kagome nicht verstand, und plötzlich bildete sich in der Hand des Fremden eine Energiekugel, schwarzleuchtend pulsierte sie, wuchs, bis sie doppelt-faustgroß war. Kagome ahnte instinktiv, dass dieser Angriff nicht geblufft war. Dieser Angriff galt ihr. Und sie besaß keine Waffe, keinen Bogen, kein Nichts. Da schoss die Energiekugel bereits auf sie zu… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)