The Sound of Rain von Sky- ================================================================================ Kapitel 13: Die dunkle Wahrheit ------------------------------- Der Regen war immer schlimmer geworden und Lumis hatte dummerweise seinen Regenschirm vergessen. Also rannte er durch den Regen, um schnellstmöglich sein Ziel zu erreichen. Wohin er genau gehen musste, konnte er nicht direkt sagen, aber er spürte es dafür. Ihre Präsenz war einfach zu deutlich spürbar und dass sie in der Nähe war, bestätigte seinen Verdacht nur. „Würdest du nicht ganz so schnell rennen? In diesem Ding wird mir noch übel und ich kann es immer noch nicht fassen, dass du mich in diesen stinkenden Rucksack gesteckt hast!“ Doch Lumis ignorierte Eurynomes Beschwerden und sagte einfach nur „Du bist selbst schuld, weil du ja nicht mit den Informationen rausrücken willst. Also hör auf, dich zu beschweren, oder du kannst gerne selber durch den Regen laufen, wenn dir das lieber wäre.“ Er war immer noch sauer auf Eurynome, weil der sich mal wieder als vollkommen unkooperativ und nutzlos erwiesen hatte und so war es ja auch letztendlich seine Schuld. Und da der Kater offenbar keine Lust hatte, die Informationen rauszurücken, musste Lumis selbst aktiv werden und herausfinden, was hier vor sich ging und ob Daniel tatsächlich ein Unheilkind war. Und dazu musste er diejenige finden, die schon seit langer Zeit ihre Finger im Spiel hatte. Schließlich erreichte er ein Café und tatsächlich sah er in einer hinteren Ecke am Tisch ein Mädchen sitzen, das nicht älter als elf Jahre sein konnte. Sie hatte gerade geschnittenes, recht kurzes blondes Haar, trug ein schwarzes Kleid mit weit geschnittenen Ärmeln und weißen Kragen. Ihre Augen waren bandagiert und sie hatte einen Kater auf ihrem Schoß, den sie zärtlich streichelte. Bei sich hatte sie einen Butler, der neben ihr stand. Niemand im Café bemerkte die beiden, aber Lumis verwunderte das nicht sonderlich. Dieses Kind mit den bandagierten Augen hatte die Macht dazu und der Grund, warum er sie sehen konnte, war einfach der, weil er gegen telepathische Einflüsse immun war. Als er direkt auf sie zuging, wollte ihn schon der Butler aufhalten, aber da rief das Mädchen „Es ist schon in Ordnung“, woraufhin Lumis weitergehen durfte. Er blieb direkt vor dem Mädchen stehen, welches gerade dabei war, Tee zu trinken. Erst jetzt setzte er auch den Rucksack ab und ließ Eurynome heraus, wobei das Mädchen bemerkte „Also das ist nun wirklich sehr unhöflich, den armen Eurynome in einen Rucksack zu stopfen.“ „Das hat der Flohfänger sich selbst zuzuschreiben und ich bin hier, weil ich mit dir reden muss, Josephine Faustus.“ Das Mädchen hielt inne, als es diesen Namen hörte. Dann aber lächelte sie und trank ihren Tee. „Du kennst also meinen Namen. Nun, dann weißt du sicherlich auch, wie man mich sonst noch nennt.“ „Klar. Die Hexe von Straßburg, die Kinderfresserin von Grenoble, die tausendjährige Hexe, die Teufelsbrut aus dem Schwarzwald und das Monster von Wien. Und ich glaube, da waren noch mehr unrühmliche Namen. Und zusammen mit deiner Schwester Anna nennt man euch die Schwestern des Todes oder auch die Zwillinge des Unheils. Und ich weiß auch, was du bist: ein Unheilkind.“ „Und du bist nicht abgeschreckt?“ „Nein. Mich interessiert nur eines: warum bist du hier und wieso geschehen all diese Dinge? Ein Toter bittet mich, einen Konstrukteur zu töten und ein Dream Walker bewacht eben jenen. Und dann noch die Katzen, die du geschickt hast. Irgendetwas geht hier vor sich und ich habe auch schon mit Elyssia Wyatt gesprochen und sie erzählte mir, dass ein neues Unheilkind auftauchen würde. Nun will ich wissen: hast du vor, aus Daniel ein Unheilkind zu machen und wenn ja, warum?“ Josephine schwieg eine Weile, dann wies sie ihn an, sich zu setzen. Zuerst zögerte er noch, dann folgte Lumis ihrer Aufforderung und nahm auf dem Stuhl Platz. Seelenruhig gab Josephine noch etwas Zucker in ihren Tee. „Du bist erstaunlich clever“, merkte sie an. „Aber bei deiner Intelligenz habe ich auch nichts anderes erwartet. Ich muss dich aber korrigieren. Daniel ist schon längst ein Unheilkind, oder zumindest sollte er eines werden. Allerdings lief etwas schief. Unheilkinder werden mit der Begabung geboren, sowohl die Nekromantie, als auch die Telepathie und Telekinese beherrschen zu können. Sie sind überaus talentiert und haben ein gewaltiges Potential. Die Grundbasis ihrer Fähigkeiten ist aber immer die Telekinese. Allerdings werden Unheilkinder nicht mit ihrer vollständigen Macht geboren, sondern lediglich mit dem Potential dazu. Von Geburt an beherrschen sie sowohl Telepathie als auch Telekinese. Um diese Kraft aber einsetzen zu können, braucht es die Hilfe eines Nekromanten, weil der Körper selbst zu schwach dazu ist, um diese enorme Belastung aushalten zu können. Und zudem muss das vorherige Unheilkind seine Kraft auf das neue übertragen, um den Prozess abzuschließen. Das ist der Kreislauf, wie er seit Urzeiten vorgesehen ist. Das Unheilkind präsentiert die Vereinigung aller Kräfte in sich und damit auch ihre Quelle. Wenn sich die Lebenszeit eines Unheilkindes dem Ende zuneigt, muss es einen Nachfolger bestimmen. Wenn dies nicht erfolgt, dann wird die Nekromantie genauso für immer aus dieser Welt verschwinden, wie die Telekinese und Telepathie. Daniel sollte mit beiden Kräften geboren werden, allerdings lief etwas schief, nämlich weil er sich im Anfangsstadium seiner Geburt teilte und damit die eine Hälfte seiner Kräfte verlor. Und diese ging auf seine Zwillingsschwester Tessa über. Und da beide die Fragmente eines Unheilkindes besitzen, sind ihre Kräfte zu groß für sie und führen unweigerlich zu ihrem Untergang. Als Tessa aus Daniel entstand und die Hälfte seiner Kraft in sich aufnahm, da nahm sie auch einen Teil seines Bewusstseins in sich auf. Nämlich jenen Teil, der die Unheilkinder vernichten will. Sie repräsentierte den negativen und zerstörerischen Pol und Daniel, der selbst nur ein unvollständiges Fragment ist, verkörpert das Positive. Tessa wurde von ihrer eigenen Macht in den Wahnsinn getrieben, weil diese zu stark für ihren Verstand war und ihr der ausgleichende positive Pol fehlte, um dagegen zu halten. Betrachte es wie Yin und Yang, die voneinander getrennt wurden. Ohne den anderen werden sie früher oder später zerfallen. Gegensätze brauchen einander, um gemeinsam zu existieren, das ist das ungeschriebene und zugleich das höchste Gesetz der Natur, der sich selbst die größten Mächte nicht entziehen können. Bei Daniel ist es so, dass bei ihm dieser Prozess bereits begonnen hat. Da ihm der negative Pol seiner Schwester fehlt und er nicht in der Lage ist, eine vollständige Ausgeglichenheit zu erreichen, wird er jetzt langsam aber sicher von seiner eigenen Kraft zerstört. Nämlich indem sein Körper zu sterben beginnt.“ „Aber ich verstehe nicht ganz, was die Telepathie zu bewirken vermag, dass dieser Zerfallprozess gestoppt wird.“ „Telepathie vermag mehr als nur das Unterbewusstsein, sondern auch alle unbewussten Vorgänge im Körper zu verändern und damit auch die Regeneration. Aus diesem Grund bin ich inzwischen knapp etwas über tausend Jahre alt geworden. Das heißt: die Dream Walker besitzen das Geheimnis zur Unsterblichkeit und ewigen Jugend. Und ohne diese Kraft wird Daniel sterben. Und um zu einem Unheilkind zu werden, ist es nötig, dass er diese andere Kraft erhält und durch die Macht der Nekromanten kann diese Kraft stabil gehalten werden und sichert sein Überleben. Dazu muss er eine Toderfahrung durchlaufen, weil die Nekromantie erst mit dem Sterben vollständig erwacht. Wenn dies geschehen ist, bleibt mir nichts Weiteres zu tun, als meine Macht auf ihn zu übertragen und dann wird mein Leben und das meiner Schwester endlich ein Ende finden und unsere Rolle ist zu Ende gespielt. Ich habe lange genug gelebt und darauf gewartet, irgendwann ein normales Leben führen zu können, zusammen mit meiner Schwester. Doch wir wurden immer geächtet und vertrieben. Selbst in Dark Creek brannte man unser Haus nieder und die wütende Meute erschlug meine Schwester und zu allem Unglück kam unsere Freundin Mallory ums Leben. Wir wurden in einer Zeit geboren, in der man sich vor solchen Dingen fürchtete und diese Angst besteht bis heute noch fort. Wir werden nie unseren Frieden finden und deshalb werde ich das Erbe an Daniel weitergeben, weil er im Gegensatz zu mir und Anna Menschen hat, die ihn lieben und die sich um ihn kümmern. Etwas, das wir nie hatten. Für uns ist nun klar geworden, dass unsere Zeit vorbei ist und eine neue Generation folgen muss. Und das ist von nun an die Generation der Ronoves, die Nachfahren der Faustus-Familie.“ Mit dieser Nachricht hatte Lumis jetzt nicht gerechnet. Daniel war ein Nachfahre von Josephines Familie? „Und was genau hast du jetzt vor? Tessa ist tot und so kann ihre Kraft nicht mehr auf Daniel übertragen werden, was also bedeutet, dass er unweigerlich sterben wird.“ Doch Josephine wirkte sehr selbstsicher. Und das war schon etwas verdächtig. „Es existiert noch ihr Wille“, erklärte Josephine. „Der Wille, Daniel zu beschützen und zu ihm zurückzukehren. Du musst wissen, ihr ganzes Leben lang war sie in einem inneren Konflikt gefangen war. Ihr Bewusstsein, das durch Daniel noch vor der Geburt beeinflusst wurde und was die Zerstörung der Unheilkinder und aller Begabten gewollt hat, lebte im Konflikt mit dem Willen ihrer Kraft. Unsere Mächte haben ihren eigenen Willen, nur setzt sich dieser nie gegen uns durch. Und der Wille von Tessas Macht war, das Getrennte wieder zusammenzufügen und Daniel zu beschützen. Und dieser Wille übertrug sich noch vor ihrem Tod, um dies zu ermöglichen. Folglich also ist Daniels Tod noch nicht besiegelt. Wenn Tessas Wille auf ihn übertragen wird, bevor seine eigene Kraft seinen Körper zerstört hat, kann sein Leben gerettet werden.“ Zusammenfügen, was einst getrennt wurde… Das waren Elyssias Worte gewesen. Jetzt verstand er es auch endlich. Daniel brauchte die Macht, die einst auf seine Schwester überging, um somit das Gleichgewicht wiederherzustellen. „Wie viel hat Malcolm Wilson davon gewusst?“ „Genug, um verhindern zu wollen, dass dies geschieht. Er wollte nicht zulassen, dass die Unheilkinder weiter fortbestehen, weil es immerhin Tessa zu verantworten war, dass die Familie Ronove getötet wurde. Tessa wollte ihren Bruder unter allen Umständen töten, um damit das Schicksal der Unheilkinder endgültig zu besiegeln. Und dazu wollte sie ihre Mutter benutzen und hat sie über die Jahre manipuliert. Doch Desdemona wehrte sich dagegen und selbst, als Tessa den Mord an ihrer Tante und ihren Großeltern anzettelte, um ihre Mutter endgültig zu brechen, erhängte sich diese stattdessen, um Daniel beschützen zu können. Eine wirklich traurige Geschichte, die aber auch zeigt, wie gefährlich es ist, wenn die Macht eines Unheilkindes aus dem Gleichgewicht gerät. Es hat nicht nur für den Träger selbst schlimme Folgen, sondern auch für sein gesamtes Umfeld.“ Das mochte vielleicht so sein, aber Daniel ließ ein ganz bestimmter Fakt nicht los. Nämlich diese ganze Tragödie geschehen war und Josephine von all dem gewusst hatte. „Warum hast du zugelassen, dass dieses Unglück passiert, wenn du gewusst hast, was passiert?“ „Weil ich es längst aufgegeben habe, den Menschen helfen zu wollen. Ich habe für sie Krankheiten geheilt und was tun sie? Sie verbrennen mich, oder stechen mir die Augen aus und mauern mich in der Mauer eines Klosters nieder. Sie danken mir für meine Hilfsbereitschaft, indem sie mich immer wieder aufs Neue als Hexe hingerichtet und dann auch noch meine kleine Schwester erschlagen haben. Wenn du es wissen willst: es war mir egal, was mit Desdemona und ihrer Familie passiert. Mit den Menschen bin ich schon lange durch und meine Hauptaufgabe besteht einzig und allein darin, das neue Unheilkind vorzubereiten und sowohl auf die Dream Walker, als auch auf die Nekromanten und Konstrukteure Acht zu geben. Das habe ich getan und mehr kann man von mir auch nicht erwarten. Ich helfe den Menschen schon lange nicht mehr.“ Da Sunnys Sorge um Daniel zu groß war und er sich ziemlich erschrocken hatte, als dieser plötzlich Blut hustete, brachte er ihn sofort ins Krankenhaus. Der 19-jährige wehrte sich vehement dagegen und erklärte, dass es ihm gut ging, aber der Student ließ sich nichts vormachen. Spätestens nachdem Daniel Blut gehustet hatte, stand für ihn fest, dass da etwas Ernstes sein musste und da hatte er auch nicht mit sich reden lassen und so fuhren sie direkt ins Krankenhaus und kamen in die Notaufnahme. Daniel sah aus, als wollte er schnellstmöglich wieder verschwinden und er schien offenbar ziemlich Angst vor Krankenhäusern zu haben. Aber darauf konnte Sunny auch keine Rücksicht mehr nehmen und so hatte er sich letzten Endes durchgesetzt. Mit großem Widerwillen ließ sich Daniel auf die Untersuchung ein und als er plötzlich wieder Blut zu husten begann, ordnete der Arzt ein CT an, um genauer feststellen zu können, was nicht stimmte. Sunny saß die meiste Zeit draußen und wartete ungeduldig auf das Ergebnis. Es dauerte jedoch knapp eine Stunde, bis er erfuhr, dass Daniel operiert werden musste, nachdem er einen plötzlichen Zusammenbruch erlitte habe. Entsetzt wandte er sich an den Arzt und fragte „Was ist mit ihm, Doktor?“ fragte er sofort und erfuhr, dass Daniel mehrere innere Blutungen und einen Lungenriss habe. Sowohl in der Lunge, als auch im Hirn und mehrere Blutgefäße seien geplatzt. „Wir müssen die Blutungen stoppen, bevor sich ein Gerinnsel im Gehirn bildet. Das kann unter Umständen auch tödlich werden“, erklärte der Arzt ihm, wobei er sich noch nach Daniels Familie erkundigte, die man verständigen könnte. Doch Sunny schüttelte nur den Kopf und antwortete, dass Daniel keine Familie mehr habe und er die einzige Ansprechperson sei. Besorgt fragte der Student nach, wie es überhaupt passieren konnte, dass es so gefährliche inneren Blutungen gab. Der Arzt erklärte, dass diese normalerweise bei Gewalteinwirkung oder schweren Verletzungen passieren konnte. Und tatsächlich hatte man bei Daniel auch Spuren von Gewalt gefunden. Sunny erklärte dem Arzt daraufhin die Sache mit seinem Onkel und von der Misshandlung. Doch ob die inneren Blutungen von den Verletzungen stammten, ließ sich schwer sagen. Erst einmal müssten diese Blutungen gestoppt werden. Diese Nachricht musste Sunny erst einmal verdauen und er machte sich schwere Vorwürfe, dass er sich nicht besser um Daniel gekümmert hatte. Er hätte mehr auf ihn Acht geben sollen, dann wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Hoffentlich ging es Daniel bald wieder besser und es war nicht allzu ernst. „Sunny!“ Er schaute auf und erkannte seine Mutter, die auf ihn zukam. Offenbar hatte sie von ihren Kollegen gehört, dass er hier war und machte sich wahrscheinlich Sorgen. „Mum…“ Er stand auf und kam auf sie zu. Immer noch trug sie ihre Sanitäterjacke und so wie sie aussah, war sie sofort hergekommen. Sie sah ihn genau an, um sicherzugehen, dass ihm nichts fehlte. „Wieso bist du in der Notaufnahme? Ist irgendetwas passiert?“ „Daniel ist zusammengebrochen und wird gleich operiert. Er hat innere Blutungen, allerdings ist noch nicht ganz klar woher.“ „Und wer ist der behandelnde Arzt?“ „Das war… ich glaube, sein Name war Dr. Langdon.“ „Okay, ich rede mit ihm. Vielleicht klärt sich ja was.“ Unruhig wartete Sunny und erst knapp drei Stunden später kam Dr. Langdon zu ihm und konnte ihn mit der Nachricht beruhigen, dass die Blutungen gestoppt werden konnten und Daniels Zustand stabil sei und er bald aus der Narkose erwachen würde. Allerdings müsse er noch ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Diese Nachricht erleichterte den Studenten wirklich und er konnte erst mal durchatmen. Gott sei Dank war alles gut gegangen. „Darf ich zu ihm?“ Da Dr. Langdon keine Einwände sah, brachte er Sunny ins Zimmer, wo Daniel lag. Den 19-jährigen in diesem Zustand zu sehen, tat ihm unendlich weh und es gelang ihm nur mit Mühe, sich zusammenzureißen. Wenigstens war er schon wieder halbwegs bei Bewusstsein und lächelte, als er den Literaturstudenten sah. „Daniel!“ Sunny ging zu ihm hin und strich ihm vorsichtig über den Verband, der um seinen Kopf gewickelt war. „Wie geht es dir denn?“ „Ich bin noch ziemlich müde. Aber… ich glaube, es geht schon. Tut mir leid, dass ich dir so einen Schreck eingejagt habe. Und ebenso tut es mir leid, dass ich solche Probleme mache. Das wollte ich nicht.“ „Jetzt hör doch auf, dich für alles Mögliche zu entschuldigen. Als ob das wichtig wäre. Jetzt geht es erst einmal darum, dass du wieder gesund wirst, okay? Du bleibst schön hier und siehst zu, dass du wieder auf die Beine kommst und es dir besser geht. Du kannst froh sein, dass es nicht so ernst war und keine akute Lebensgefahr bestand. Aber bitte, Daniel… mach so etwas nie wieder. Irgendwie hängt das mit deinen Kräften zusammen und ich will nicht, dass dir wieder so etwas passiert.“ Daniel nickte und versprach es. Da er sich noch nicht so wirklich gut fühlte und immer noch mit den Nachwirkungen der Narkose kämpfte, ließ Sunny ihn erst mal alleine und versprach, ihm ein paar Sachen vorbeizubringen. Bevor er aber ging, hatte Daniel noch eine Bitte. „Könntest du Orobas sagen, dass ich ihn dringend sprechen muss?“ „Versteht er mich denn überhaupt?“ „Er kann die Menschensprache verstehen und sogar lesen. Das ist alles kein Problem. Sag ihm einfach, was passiert ist und dann wird er schon von selbst zu mir kommen.“ Nun, in dem Fall war es ja kein großes Problem und er versprach Daniel, sich darum zu kümmern. Dennoch verließ er mit gemischten Gefühlen das Krankenhaus. Er konnte es nicht näher benennen, aber er hatte ein mieses Gefühl, was die ganze Sache betraf. Eine schlimme Vorahnung beschlich ihn, dass dies erst die Spitze des Eisbergs war und sich Daniels Zustand noch weiter verschlimmern würde. Aber was konnte er tun? Er wusste so gut wie nichts über Daniels Fähigkeiten und ob sie wirklich verantwortlich dafür waren, dass es ihm so schlecht ging. Na hoffentlich täuschte er sich und steigerte sich in seiner Sorge nur in irgendwelche Ängste rein, die völlig unbegründet waren. Es musste ja nicht unbedingt zur großen Katastrophe kommen. Doch so wirklich beruhigen konnte er sich nicht wirklich und selbst als er nach Hause ging, drehte sich alles bei ihm im Kopf. Zuhause angekommen ging er sofort in Daniels Zimmer und suchte ihm Kleidung fürs Krankenhaus raus. Dabei erregte ein leises Miauen seine Aufmerksamkeit und er sah, dass Orobas am Türrahmen stand und ihn mit seinen goldgelben Augen ansah. Zuerst war er sich nicht sicher, ob er wirklich mit einer Katze sprechen sollte, aber da Daniel ihn darum gebeten hatte, machte er es trotzdem. Sicherheitshalber fragte er aber „Sag mal, kannst du eigentlich verstehen, was ich sage?“ Zuerst gab der Kater keine Reaktion von sich, bewegte aber dann seinen Kopf, um mit einem Nicken zu antworten. Und da Sunny dies als „ja“ interpretierte, erzählte er Orobas von den Geschehnissen. „Daniel hat sich mit drei Typen angelegt, die mich angegriffen haben. Dabei hat er seine Kräfte eingesetzt und sie dabei in die Luft gehoben und so… Danach hat er starkes Nasenbluten bekommen und ist zusammengebrochen. Und anschließend hat er angefangen, Blut zu husten. Er ist jetzt im Krankenhaus und erholt sich von einer Operation. Ich soll dir Bescheid sagen, dass du zu ihm kommen sollst. Ich fahr sowieso noch mal ins Krankenhaus, um Daniel ein paar Sachen zu bringen. Da im Krankenhaus keine Tiere erlaubt sind, müsste ich dich also in der Tasche reinschmuggeln.“ Damit blieb Orobas im Zimmer und wartete geduldig, bis Sunny mit dem Packen der Tasche fertig war. Auch wenn sich der Student nicht ganz sicher war, wie weit eine Katze bitteschön helfen konnte, hoffte er dennoch, dass Daniel vielleicht eine Idee hatte, was zu tun war. Immerhin hatte er ja selbst gesagt, dass Orobas sein Lehrmeister war und viele Leute gekannt hatte, die solche Kräfte besaßen. Und wenn der Kater schon so viel wusste und mit Daniel kommunizieren konnte, bestand vielleicht eine Möglichkeit, dass sie auf die Weise herausfinden konnten, was sie tun konnten. Was auch immer nötig war, um Daniel zu helfen, er wollte nichts unversucht lassen. „Oh Mann, ich hoffe echt, dass das nicht schlimmer wird. Was meinst du?“ Damit wandte er sich Orobas zu, der neben ihm her lief und nur ein Miauen als Antwort gab. „Ach ja“, murmelte Sunny und erinnerte sich wieder. „Du kannst dich ja nur mit Daniel verständigen.“ Als er die Wagentür öffnete und die Tasche mit den Klamotten auf den Rücksitz legte, machte es sich der Burma-Kater gleich daneben bequem und wartete. So fuhren sie wieder zum Krankenhaus und als Sunny kurz in den Rückspiegel sah, glaubte er kurz wieder den schwarzen Mercedes zu sehen. Als er dann aber genauer hinschaute, war dieser wieder weg. Oh Mann, dachte er und schüttelte den Kopf. Ich glaube, ich werde langsam echt paranoid. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass es Daniel schlecht geht, jetzt sehe ich diesen blöden Mercedes wirklich überall. Er musste sich wirklich mal auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Jetzt war es erst einmal wichtig, Daniel zu helfen. „Na hoffentlich kannst du Daniel helfen“, murmelte Sunny schließlich und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „Egal was mit ihm ist, ich mache mir wirklich Sorgen und ich habe wirklich die böse Vorahnung, dass das noch nicht alles war und Daniel noch irgendetwas Ernstes passiert. Und dann noch diese Sache mit Lumis gestern… irgendwie ist das Ganze doch ziemlich seltsam.“ In diesem Moment wünschte er sich wirklich, er könnte mit Orobas sprechen und auf diese Weise Antworten bekommen. Aber da musste er wohl warten. Als sie im Krankenhaus waren und Sunny den Kater in der Tasche in Daniels Zimmer geschmuggelt hatte, kletterte der kleine Stubentiger auf das Bett, nachdem der Student die Tasche wieder geöffnet hatte. Daniel, der immer noch ziemlich benommen wirkte, streichelte den Kopf seines tierischen Freundes und lächelte müde. „Ich glaube, ich habe es übertrieben, Orobas.“ „Ja. Sunny hat mir bereits erzählt, was passiert ist. Bei aller Vernunft, aber das war wirklich mehr als verantwortungslos von dir. Ich habe dich ausdrücklich gewarnt, deine Kräfte einzusetzen, um lebende Objekte zu bewegen. Dazu ist die Telekinese nicht ausgelegt und beansprucht dich so sehr, dass es zu Schäden in deinem Körper kommen musste.“ „Ich weiß, aber ich konnte doch nicht zulassen, dass sie ihm wehtun.“ „Sunny macht sich auch schon große Sorgen. Und ich fürchte, dass es ernst aussieht, Daniel. Ich hatte gehofft, dass dieser Umstand nicht passieren würde, wenn du deine Fähigkeiten kontrolliert einsetzt und es schaffst, dich selbst vernünftig einzuschätzen, würde so etwas niemals passieren. Aber ich fürchte, dass es lediglich das Unvermeidliche hinausgezögert hat und es letzten Endes nichts gebracht hat. Daniel, es tut mir wirklich leid. Ich habe mein Bestes gegeben und konnte es doch nicht verhindern.“ Diese Worte beunruhigten Daniel und ein wenig packte ihn die Angst. Dass Orobas so seltsam sprach, konnte nichts Gutes bedeuten und so fragte er ihn, was er damit meinte und warum er so etwas sagte. „Weil ich fürchte, dass dir nicht mehr viel Zeit bleiben wird, Daniel. Du wirst sterben.“ Diese Nachricht war nun endgültig zu viel für den 19-jährigen. Der Schock war so groß, dass das Glas eines Bilderrahmens zersprang. Und in dem Moment packte Daniel ein heftiger Kampf. Er begann nach Luft zu schnappen und er würgte einen Schwall Blut hervor. Das EKG begann immer schneller zu piepen und Panik überkam den Studenten. Er eilte zum Flur raus und rief nach dem Arzt. Mit zwei Krankenschwestern kam dieser in Daniels Zimmer und Sunny wurde rausgeschickt. Was im Zimmer passierte, ließ sich schwer sagen und er bekam nur mit, dass nach einem Defibrillator gerufen wurde. Und wenig später wurde Daniel auf die Intensivstation verlegt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)