Girls Girls Boys von Aoki ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Die kühle Luft frisst sich durch den spärlichen Stoff, den man kaum als Kleidung bezeichnen kann. Ich friere, laufe ziellos durch die Straßen dieser Gegend, in der ich noch nie war. Hier ist niemand, nur einzelne Straßenlaternen, die meinen Weg erleuchten und mich weiterführen. Ich kann nicht begreifen, was vor weniger als einer Stunde passiert ist. Ehrlich gesagt möchte ich es gar nicht begreifen. Wenn da nicht dieses widerliche Gefühl in meinem Magen wäre, das mich kontinuierlich an diese Szenen erinnert.   Kiba – Sakura – Naruto. Sie sind Schuld daran, dass ich so aufgewühlt bin.   „Hey Süße.“ Mit einem Zittern ziehe ich meine Jacke enger an mich heran. Vielleicht hätte ich mich umziehen sollen, anstatt völlig überstürzt zu flüchten. Im Ernst, weshalb zwängen sich Frauen freiwillig in solche Klamotten?   „Ich habe Hey gesagt.“ Alles nur, um hormongesteuerten Barbaren zu gefallen? Wie lachhaft.   „Jetzt bleib doch mal stehen!“ Ich erstarre, als mich eine Hand grob am Arm packt und mich festhält. Mein Rucksack rutscht dabei von meiner Schulter.   Was zur Hölle?   „Na geht doch.“ Ich blicke in das Gesicht des Mannes, der mich mit seiner Hand fixiert. Ich kenne ihn nicht. „Was treibt ein kleines Mädchen wie du um diese Zeit hier draußen?“ Dass er mich meint, ist offensichtlich. Er spricht mit mir. Er hält mich fest.   Mit einem Ruck entziehe ich mich seinem Griff. Er hält mich für eine Frau …   „Ich bin kein Mädchen“, antworte ich dunkel. Ich hätte mich definitiv umziehen sollen. Definitiv.   „Woah, was?“ Er sieht mich geschockt an, weicht einen Schritt zurück. „Aber … aber du hast ein Kleid an.“ Ich verdrehe die Augen.   „Und jetzt? Ist es verboten, ein Kleid zu tragen?“   „Ist ja widerlich!“, sagt er, die Nase gerümpft und die Lippen verzogen, während er sich weiter von mir zurückzieht.   „Wenn du meinst“, erwidere ich betont gelangweilt, auch wenn mein Puls sich überschlägt, weil mich diese Interaktion überrascht hat.   Es ist nicht leicht, mit Menschen umzugehen. Schon gar nicht in so einem Fall. Dieser Aufzug vervielfacht mein Unwohlsein. Bringt mich dazu, mich noch kleiner zu fühlen und sorgt dafür, dass sich ein grässliches Gefühl in meinem Inneren einstellt, als ich mich schließlich wieder herumdrehe, um mich weiter zu bewegen.     Weitere Zeit ist vergangen – mittlerweile bin ich an einer Hauptstraße angelangt, in der reger Verkehr herrscht. Warum ich vorher nicht darauf gekommen bin, mein Handy zu benutzen, um mir ein Taxi zu rufen, ist mir schleierhaft, doch jetzt, wo vereinzelte Blicke auf mich gerichtet sind, erscheint mir diese Lösung als einzig mögliche.   Das alte, schwarze Stück Plastik in meiner Jackentasche vibriert, als ich es zu fassen kriege und mein Herz schlägt schneller, da meine Gedanken augenblicklich zu Naruto wandern. Hat er mir eine Nachricht gesendet? Die Vibration ist zu kurz gewesen – sie kann kein Anruf gewesen sein. Mit zitternden Fingern öffne ich die Nachricht. Die Nummer, die dabei steht, gehört nicht Naruto. Sie enthält noch nicht mal eine Ziffer, die seiner gleicht. Ich kenne seine Nummer, ich habe sie auswendig gelernt. Also wer ist es?   'Sie haben eine neue Sprachnachricht' Ich atme tief ein, als ich auf das Symbol drücke, das mich zu der Nachricht führen wird.   'Hey Sasuke, ich bin es. Wie du sicherlich schon mitbekommen hast, hab ich meine alte Karte sperren lassen. Ich hab eine neue Telefonnummer, die eigentlich auf deinem Display angekommen sein müsste. Falls nicht, hier ist meine neue Nummer: 236/789996. Ich würde mich freuen, wenn du mal was von dir hören lässt. Vielleicht können wir dann auch darüber sprechen, was in letzter Zeit passiert ist. Ich schätze, du hast eine menge Fragen. Ich wäre dir nur dankbar, wenn du Ma und Pa nichts davon erzählen würdest, da sie mir verboten haben, dich zu kontaktieren'   Ich lasse das Handy sinken, während ich zeitgleich auf den roten Knopf drücke, der diese Verbindung beendet. Itachi hat recht. Seine Nummer steht auf dem Display. Er hat versucht, mich vor einigen Stunden zu erreichen.   Ich drücke die Rückruftaste, führe das Telefon zurück zu meinem Ohr, während ich mit meinen Augen einen imaginären Punkt fixiere. Mein Bruder hat sich tatsächlich bei mir gemeldet. Mir seine neue Nummer gegeben.   „Sasuke?“   „Tachi.“ Dass meine Stimme weich klingt, kann ich nicht verhindern.   „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Und auch er scheint es zu bemerken.   „Ich … ich hab Probleme“, hauche ich und kneife die Augen zusammen, da ein unangenehmes Brennen in ihnen entsteht.   „Was ist los? Wo bist du?“   „Ich weiß es nicht. Ich war auf dieser Party. Und Naruto hat mich geküsst. Kiba hat mit Sakura geschlafen und da war dieser Typ, der dachte dass ich eine Frau bin und–„   „Sasuke“, unterbricht mich mein Bruder sanft und schweigt daraufhin einige Sekunden. „Bist du noch auf dieser Party?“ Ich schüttle den Kopf und atme hörbar aus.   „Nein. Nein. Ich bin auf einer Hauptstraße“, erwidere ich – mittlerweile fließen die Tränen aus meinen Augenwinkeln – während ich mich umsehe, bis ich ein Straßenschild entdecke. „Die Straße heißt Fairgreen Boulevard.“   „Was machst du da?“   „Ich bin gelaufen. Ich musste einfach raus … ich ...“   „Okay. Steht eine Nummer dabei?“, hakt er nach und ich gehe näher an das Schild heran, da ich ohne meine Brille kaum erkennen kann, was dort klein geschrieben steht.   „Ja, 694.“   „Gut. Bleib dort, ich werde dich sofort abholen, okay?“ Ich schluchze leise, da die Erleichterung, die sich in mir breit macht, gepaart mit der Anstrengung des Abends, sich loslöst.   „Sasuke?“   „Ja?“   „Leg nicht auf, okay? Erzähl mir, was heute passiert ist.“   Während Itachi von dem Ort losfährt, an dem er sich befindet, fange ich an, alles zu erzählen. Die Sache mit Naruto, die Sache mit Kiba und auch, was Sakura dazu beigetragen hat. Ich weiß nicht, ob er alles versteht, was ich versuche ihm zu vermitteln, denn mittlerweile heule ich wie ein Mädchen.   Es grenzt schon an Ironie, dass ich zusätzlich noch wie eines aussehe.   „Ich bin fast da. Komm zur Straße. Ich fahre einen schwarzen SUV.“ Ich tue, was er mir sagt und halte Ausschau nach dem Wagen, der wenig später an der besagten Adresse hält. Auf wackligen Beinen bewege ich mich, fixiere sein Gesicht so gut es mir möglich ist unter dem Schleier der Tränen, die meine Sicht trüben.     Als ich die Tür zum Wagen öffne, strömt augenblicklich vertrauter, beruhigender Duft in meine Nase. Itachi ist wirklich hier. Er sieht mich an, sein Kiefer angespannt, doch das ist mir egal. Er sagt nichts, als ich mich anschnalle und er spricht auch dann noch nicht, als er mit mir über die Straße fährt und wendet.   Erst als wir etwa fünf Minuten gefahren sind, hält er überraschend am Straßenrand und schnallt sich ab. Ich komme noch nicht einmal dazu, etwas zu sagen, denn er löst blitzschnell auch meinen Gurt und zieht mich in eine Umarmung, die mich die Augen aufreißen lässt. Sein rechter Arm wandert um meine Mitte, drückt mich an sich und seine linke Hand fährt zu meinem Kopf. Er drückt mein Gesicht gegen seine Schulter.   „Itachi“, murmle ich gegen seinen Arm, spüre, dass er sich kurz verspannt, doch dann streichelt er über meinen Rücken.   „Ich sollte sie alle umbringen“, brummt er. „Was sie mit dir gemacht haben. Sasuke …“ Erneut erliege ich dem Zwang, mich wie ein pubertäres Schulmädchen zu verhalten indem ich schluchze und flenne. Zwar eine ziemlich abstoßende Tatsache, doch aufhalten kann ich sie nicht. Zu schwer ist dieses hässliche Gefühl in mir. Zu stark der Drang, mich an meinen Bruder zu klammern.   Itachi ist nicht wie Kyuubi. Und ich bin nicht wie Naruto. Ich hasse meinen Bruder nicht. Mein Bruder, der immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Und jetzt hat er mir wieder bewiesen, dass ich mich auf ihn verlassen kann.   Mit diesem Kloß im Hals klammere ich mich an ihm fest, während er mir beruhigende Worte zuflüstert.   Es vergeht eine gefühlte Ewigkeit, die ich in seinen Armen verbringe, ehe er sich langsam von mir löst und mir entgegenblickt.   „Wir fahren zu mir nach Hause, okay? Du kannst bei uns schlafen.“ Ich nicke und lehne mich dann zurück. „Und dann holen wir dich aus diesen Klamotten. Schminken dich ab …“   Itachi redet – es ist nicht gewöhnlich, dass er das tut, denn normalerweise ist er ein sehr ruhiger Mensch – während ich mich im Sitz zurücklehne und aus dem Fenster blicke. Vielleicht egoistisch von mir, ihm keine Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wo hast du diesen Wagen her? Wer ist Uns? Wo wohnst du? Wirst du wirklich Vater? Denn Itachi spricht nicht darüber, sondern nur davon, wie er Kiba malträtieren wird und was für ein homophobes Arschloch Naruto ist.   „Hier sind wir.“ Meine Augen müssen für einen kurzen Moment zugefallen sein, denn als ich sie wieder öffne, stehen wir bereits in der Einfahrt vor einem riesigen Haus.   „Hier wohnst du?“ Ich blicke mich um, doch außer diesem Haus ist kein weiteres zu sehen. Es scheint eine sehr ländliche, abgeschiedene Gegend zu sein.   „Ja. Komm, die anderen warten bestimmt schon auf uns.“   „Die Anderen?“ Er nickt, dann steigt er aus nachdem er sich abgeschnallt hat.       Was mir als erstes auffällt ist, dass die Fassade des Hauses nicht das widerspiegelt, was sich hier drinnen befindet. Dieser Platz gleicht einer Ruine. Was zur Hölle? Wer würde hier freiwillig wohnen? Abgerissene Tapete, beschmierte Wände. Der Putz hat definitiv auch schon bessere Zeiten gesehen und oh mein Gott, wächst hier etwa Schimmel? Und wir befinden uns immer noch im Flur … sofern man diesen Raum so nennen kann. Wie sieht es dann erst im Rest des Hauses aus?   „Du kannst deine Schuhe ausziehen, wenn du möchtest.“ Sicherlich nicht. Und meine gerümpfte Nase macht ihm deutlich, dass er mich danach auch kein zweites Mal fragen muss.   „Hier lebst du?“ Itachi schmunzelt.   „Wir.“ Bevor ich dazu komme, ihn danach zu fragen, wer Wir bedeutet, öffnet sich eine Tür, die sich rechts von mir befindet. Zum Vorschein bringt sie einen Mann, der blonde lange Haare hat. Er sieht mich finster an.   „Wer ist das?“, brummt er, seinen strengen Blick auf mich gerichtet, doch ich weiß, dass er meinen Bruder anspricht. „Hast du nicht gesagt, du willst deinen Bruder holen?“   „Das, mein lieber Deidara, ist mein Bruder.“   „Eine Transe?“ Mir klappt der Mund auf. Hat er mich gerade wirklich als Transe bezeichnet? Wer von uns beiden hat hier bitteschön die langen Haare? Gut, ich trage eine Perücke, aber dennoch!   „Ich bin ganz sicher keine Transe“, erwidere ich dunkel. „Das nennt sich Kostüm.“ Er zieht eine Augenbraue in die Höhe.   „Aha. Mir egal“, sagt er und richtet seine Augen dann auf Itachi. „Hast du Eis mitgebracht?“ Ich weiß bereits jetzt, dass ich ihn nicht leiden kann. Er scheint ein Arschloch zu sein.   „Nein. Sasuke ging vor. Außerdem sollst du um diese Uhrzeit nichts mehr essen. Du weiß, was sonst passiert.“ Woher kennt mein Bruder diese Gestalt? Ich habe diesen Typen noch nie zuvor gesehen … doch Itachi scheint ihn gut zu kennen.   „Nichts, mit dem du nicht fertig wirst“, schnaubt der blonde Mann, der die Tür jetzt etwas weiter öffnet und die Arme vor der Brust verschränkt. „Aber da du mein Eis vergessen hast, wirst du sehen, womit du heute noch fertig werden musst.“ Dann löst er seinen rechten Arm und wirft mit seiner Hand sein Haar zurück, ehe er sich mit einer Art Zischen von uns abwendet und in dem Raum verschwindet.   „Wer war das?“, frage ich leise, mit einem unwohlen Gefühl im Bauch. Itachi allerdings seufzt nur, ehe er mich in das Zimmer schiebt, in das auch der Freak verschwunden ist.   Zwar sieht es hier definitiv besser aus, doch immer noch so, als hätte man zehn Menschen mit unterschiedlichem Geschmack dazu gezwungen, zu renovieren. Hier passt nichts zusammen. Zusammengewürfelte Möbel, verschiedene Farben – und das, obwohl es nur ein Raum ist – an den Wänden … wow.       Itachi zwingt mich dazu, mich in einen anderen Raum zu begeben, der wohl ein Badezimmer darstellen soll. Im Ernst? Abgerissene Fliesen – meine Mutter würde kollabieren – Schimmel, der aus jeder Ritze sprießt und feuchte Schwere, die in der Luft hängt.   Wann hat man hier zum letzten Mal geputzt?   „Du kannst dich hier umziehen. Und abschminken. Nimm einfach den Entferner von Konan.“ Wer ist Konan? „Wenn du fertig bist, dann stell ich dich den anderen vor.“   Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, ehe ich all die Spuren von dem Schauspiel beseitigt habe und fühle mich – trotz dem widerlichen Badezimmer – gleich tausend Mal wohler in meiner Haut. Itachi wartet bereits im Flur auf mich. Er nickt nur kurz zustimmend, ehe er mich durch das Haus führt, bei dem jedes Zimmer so aussieht, als hätte es eine Sanierung nötig. Eigentlich könnte man dieses Gebäude auch abreißen, es würde kaum einen Unterschied machen. Es sieht mehr als nur baufällig aus und wenn mein Vater wüsste, dass Itachi hier haust, würde er einen Schlaganfall bekommen.   „Wie kannst du hier wohnen?“, bricht es schließlich aus mir heraus, als wir in seinem Zimmer angekommen sind. „Das Haus ist … eine Ruine.“ Itachi gluckst leise.   „Wir fühlen uns hier wohl.“ Ich runzle meine Stirn.   „Wer ist eigentlich Uns? Mit vielen Leuten lebst du hier? Wer ist der blonde? Warum wollte er Eis? Woher kennst du ihn? Wirst du wirklich Vater?“ Dass ich diese Fragen nicht unterdrücken kann, stört Itachi scheinbar nicht, denn er schmunzelt nur. Er kommt auf mich zu und schnippt mir gegen die Stirn.   „Komm mit, dann werde ich deine Fragen beantworten.“ Ich verdrehe die Augen. Wenn er meint, dass er mich so einfach abwürgen kann, hat er sich geschnitten. Ich werde meine Antworten bekommen! Ob er will oder nicht.   Natürlich folge ich ihm. Er führt mich noch tiefer durch das baufällige Haus und hält dann vor einer Tür, die zur Hälfte aus Milchglas besteht. Ich sehe Silhouetten, höre Stimmen, darunter auch eine weibliche. Mein Herz schlägt schneller, denn das bedeutet, dass ich gleich noch mehr von seinen 'Freunden' begegnen werde. Und wenn die nur ansatzweise so sind, wie der blonde Freak …   „Komm.“ Itachi zieht mich einfach an meinem Handgelenk mit in den Raum, der in der Tat mit Menschen gefüllt ist.   Auf Anhieb zähle ich neun Personen. Pardon. Diese Menschen sehen aus wie … wie … ist das ein schlechter Scherz? Blinzelnd blicke ich in die Gesichter, deren Augen natürlich sofort auf mich gerichtet sind.   „Ist das dein kleiner Bruder?“ Die einzige Frau im Raum ist die erste, die spricht. Mein Blick fällt sofort auf ihren Bauch, der sich rundlich nach vorne wölbt.   Sie ist schwanger. Und sie lebt hier. Gemeinsam mit acht Männern?   „Ja, das ist Sasuke.“ Itachi stößt mir leicht mit dem Ellenbogen gegen die Seite, da ich nach wie vor ihren Bauch fixiere.   „Hallo“, sage ich leise und versuche, in ihr Gesicht zu blicken. Sie sieht freundlich aus. Strahlt etwas Ruhiges aus, auch wenn mich ihre Haarfarbe irritiert. Hat sie ein Piercing unter der Lippe?   „Ich bin Konan.“ Sie lächelt mir zu. „Es freut mich, dass du dich dazu entschlossen hast, uns zu besuchen.“ Entgegen meiner Erwartung berührt sie mich nicht. Sie hält mir noch nicht einmal ihre Hand hin. Und das ist definitiv ein Pluspunkt.     Ich schwitze, nachdem die Vorstellungsrunde abgeschlossen ist. Am unsympathischsten ist mir der fluchende Typ mit den silbernen Haaren. Er strahlt puren Wahnsinn aus … und ich kann nicht nachvollziehen, wie man sich mit so einer Person freiwillig den Raum teilen kann. Er ist unangenehm. Noch unangenehmer als der blonde Freak, der mich glücklicherweise ignoriert – wie fast alle aus der Gruppe. Der kindlich aussehende Rothaarige blickt mich zwar seltsam an, doch damit kann ich umgehen.   „Wie lange wirst du bleiben? Willst du beitreten? Wir haben ein Ritual.“ Der Nervigste von allen ist allerdings der Typ, der eine Maske trägt. Ja, eine orangene Maske, die sein komplettes Gesicht verdeckt, mit Ausnahme von einem Auge.   „Er wird nicht beitreten“, antwortet Itachi an meiner Stelle – und wenn er genervt ist, dann zeigt er es nicht im Geringsten. Er wirkt ruhig. Wie immer.   Mittlerweile sitze ich mit den Männern der Gruppe am Tisch, während Konan am Herd steht und in einem großen Topf herumrührt.   „Warum nicht?“, fragt der Mann mit der Maske, der mir als Tobi vorgestellt wurde und rutscht etwas näher an mich heran.   „Weil wir keine Waschlappen aufnehmen“, höre ich Deidara sagen und verenge automatisch die Augen.   „Deidara“, sagt Itachi mahnend, doch der Blonde schnaubt nur und verlässt dann kurz darauf die Küche. Umso besser. Dieser dumme Idiot. Ich mag ihn nicht.   Als Itachi aufsteht, will ich es ihm gleichtun, doch er drückt mich mit einer Hand auf der Schulter zurück in den viel zu weichen Sitz und schüttelt den Kopf.   „Wir reden später.“           Das widerliche Gefühl von Panik steigt in mir auf, als mein Bruder aus der Küche verschwindet, da sich jetzt alle Augen wieder auf mich richten. Und auch Stimmen werden laut. Fragen mich Dinge, die ich nicht beantworten will. Es ist nicht nur unangenehm, es löst auch das Bedürfnis in mir aus, sofort zu flüchten. Was ich natürlich nicht tue, weil ich nicht einmal wüsste, wohin ich fliehen könnte.   Verdammter Itachi. Verdammter, blonder Freak.             „Geht es dir besser?“ Ich habe die Arme vor der Brust verschränkt und blicke Itachi finster entgegen.   „Du hast mich eine Stunde lang mit deinen Freaks alleine gelassen!“, zische ich. Wir sind in seinem Zimmer – Pardon, seiner Bruchbude – und diesmal zum Glück alleine. Nachdem die anderen mich gezwungen haben, gemeinsam mit ihnen zu essen und dumme Fragen zu beantworten, konnte ich nach fast einer Stunde verschwinden, indem ich gesagt habe, dass ich auf die Toilette muss.   Natürlich bin ich nicht mehr zurückgegangen, sondern habe direkt Itachis Zimmer aufgesucht. Mein liebreizender Bruder sitzt völlig gelassen auf seinem Bett. Ohne etwas Sinnvolles zu tun, wie zum Beispiel mich vor der Horde Verrückter zu retten.   „Ich wollte, dass ihr euch kennenlernt.“   „Kennenlernen?“, entgegne ich viel zu hoch. „Das sind Freaks! Im Ernst. Der eine hat tausend Piercings im Gesicht, der andere flucht andauernd und wieder ein anderer trägt eine Maske! Selbst der rothaarige Typ ist nicht ganz richtig! Er redet so als wäre er auf Heroin! Und was ist das überhaupt für ein alter Mann? Und woher hat er das ganze Geld? Und deine Freundin … wie kann sie hier leben, wenn sie ein Kind erwartet? Wie kannst du hier leben?“ Ich rede mich regelrecht in Rage, doch verstumme abrupt, als Itachi anfängt, leise zu glucksen.   „Hör auf damit“, knurre ich, doch er seufzt nur.   „Setz dich, dann erzähl ich dir alles.“ Wenn er meint, dass er mich so ruhig stellen kann, dann hat er verdammt nochmal recht. Ich brenne vor Neugierde. Und er weiß es auch. Doch ich versuche es nicht zu zeigen, als ich mich zu ihm auf die schimmlige Matratze setze, das Gesicht von ihm abgewandt, die Arme noch immer vor der Brust verschränkt.   „Aber nur, wenn du aufhörst zu schmollen und mir versprichst, dass das, was ich dir hier erzähle, auch hier bleibt.“   „Ich schmolle nicht“, brumme ich und blicke ihn dann wieder an. Er schmunzelt.   „Gut. Wo fangen wir am besten an?“   „Am Anfang. Ist sie deine Freundin?“, frage ich geradeheraus, denn der Typ mit den Piercings ist eindeutig zu vertraut mit Konan umgegangen. An Itachis Stelle etwas, das ich unter angenommenen Umständen nicht akzeptieren würde.   „Nein.“ Ich hebe eine Augenbraue an.   „Und es ist auch nicht dein Kind?“ Er schüttelt den Kopf.   „Warum hast du gelogen?“   „Damit ich frei sein kann.“ Jetzt runzelt sich meine Stirn.   „Inwiefern frei? Du warst doch vorher schon frei.“   „Nicht im Geringsten, Sasuke. Vater hätte meine Wünsche nie respektiert, weshalb ich die Wahrheit verbiegen musste, damit er mich freiwillig entlässt.“   „Sprich nicht so geschwollen“, murre ich. „Du hast ihn absichtlich angelogen, damit du in einer Bruchbude unter Freaks hausen kannst? Wo ist da die Logik?“   „Das hier“, sagt er und macht eine abwertende Handbewegung, „ist nur temporär. Wir arbeiten auf ein größeres Ziel hin. Gemeinsam.“   „Ist das dein Ernst? Und was für ein Ziel ist das?“   „Das kann ich dir leider nicht erzählen.“   „Willst du mich verarschen?“   „Sasuke …“ Er klingt mahnend, doch das ist mir egal.   „Warum verlässt du deine Familie? Warum verlässt du mich? Um hier in einer Ruine zu leben? Gemeinsam mit gestörten Menschen? Was ist euer Ziel? Was kann so gut sein, um ein stabiles Leben dafür wegzuwerfen?“   „Freiheit.“ Ich atme schwer hörbar aus, als er dieses Wort ausgesprochen hat. So ruhig und selig. Als wäre es seine Erfüllung.   „Und bei uns kannst du nicht frei sein?“   „Das war ich nie, Sasuke. Doch jetzt, jetzt habe ich den Weg gefunden.“             Mein Kopf dröhnt. Zwar versuche ich mich dazu zu bewegen, endlich einzuschlafen, doch Itachis Worte machen es mir unmöglich. Er hat seine Familie für etwas verlassen, das ich hier nicht sehen kann. Freiheit. Was bedeutet Freiheit? Itachi ist ein erwachsener Mann, aber er benimmt sich wie ein pubertäres Kind, das gegen Hausregeln rebelliert. Sicher, meine Eltern sind streng, doch sie haben uns immer alles gegeben. Alles, was wir gebraucht haben. Itachi hatte durch meinen Vater einen guten Studienplatz, eine sichere Arbeitsstelle … und jetzt? Jetzt hat er nichts mehr. Lebt wie ein Vagabund unter psychisch instabilen Persönlichkeiten, die den Anschein erregen, als wären sie eine Sektengemeinschaft. Nicht ganz richtig im Kopf.   Ich bin alleine in seinem Zimmer – er hat es vor zwei Stunden verlassen, nachdem unser Gespräch sein Ende gefunden hat – und warte darauf, dass er wieder zurückkommt. Doch er kommt nicht. Vielleicht ist er sauer auf mich. Vielleicht versteht er nicht, dass mein Standpunkt seinen ohne Anstrengung aushebeln kann … vielleicht bin ich aber derjenige, der etwas Entscheidendes nicht versteht. Egal was es ist, es ist kein gutes Gefühl, Itachi an diese Menschen zu verlieren.         Das dumpfe Pochen unter meiner Schädeldecke ist nichts im Vergleich von dem panischen Gefühl, das in mir aufkommt, als ich die Augen öffne. Das hier ist nicht mein Zimmer. Nicht mein Zuhause. Und es ist auch nicht das Zimmer von Kiba, in dem ich mich befinde.   „Du bist wach?“ Doch dann kommt die Erinnerung, mit dem Gesicht meines Bruders, der neben dem Bett steht und auf mich hinabblickt.   „Wie spät?“ Meine Stimme klingt heiser. Sie klingt fast so, als hätte ich stundenlang geschrien.   „Eins.“ Ich richte mich auf, reibe mir über das Gesicht. Es ist schon so spät?   „Ich muss nach Hause“, murmle ich. Unsere Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen … ich habe mich gestern nicht mehr gemeldet. Und es ist nicht üblich, dass ich am Wochenende nicht morgens am Frühstückstisch sitze … Um genau zu sein ist es das allererste Mal, dass ich an einem Samstag nicht in meinem Bett aufwache.   „Ich werde dich gleich fahren. Willst du vorher noch duschen? Oder was essen?“ Ich schüttle den Kopf und stehe dann von der unbequemen Matratze auf.   „Wo warst du gestern Nacht?“, frage ich, da ich mich daran erinnere, dass Itachi nicht mehr zurückgekommen ist.   „Unterwegs.“   „Unterwegs? Wohin?“   „Du stellst aber viele Fragen dafür, dass du erst aufgewacht bist“, erwidert er und schnippt mir dann gegen die Stirn. Natürlich verziehe ich daraufhin die Lippen und reibe mir die geschundene Stelle.   „Das tat weh“, brumme ich, doch er schmunzelt nur.   „Komm mit nach unten, ich mach dir was zu essen.“ Ich verdrehe die Augen, folge ihm jedoch.   Manchmal ist es einfach zwecklos, sich gegen Itachi zu wehren. Das war schon immer so. Wenn er sich in den Kopf gesetzt hat, mich herum zu schubsen, dann tut er das auch. Und es gibt selten Momente, wo ich etwas dagegen tun kann.       „Ich hoffe es ist in Ordnung, dass du die letzten fünf Blocks laufen musst.“ Eine Stunde später sitze ich auf dem Beifahrersitz des schwarzen SUVs in gewohnter Umgebung. Itachi hat mich hierher gefahren.   „Kein Problem … und danke für gestern“, erwidere ich und blicke Itachi entgegen. Hätte er sich gestern nicht gemeldet, dann wäre ich aufgeschmissen gewesen.   „Immer. Du hast meine Nummer, also ruf mich an, okay?“   „Ja.“       Sich zweimal innerhalb von 24 Stunden von seinem Bruder umarmen zu lassen, fühlt sich seltsam an. Dabei meine ich nicht unbedingt schlecht seltsam … doch es ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Schließlich ist niemand aus unserer Familie so veranlagt, sonderlich viel Körperkontakt auszuüben. Gut, meine Mutter bildet hier zum Teil eine Ausnahme, doch das liegt wahrscheinlich daran, dass sie eine Frau ist. Apropos Frau … das Kleid, das ich von Kiba bekommen habe, will er hoffentlich nicht zurückhaben, denn ich habe es bei Itachi in den Badmüll gestopft.   Und selbst wenn, dann soll Kiba dahin fahren, um es sich zu holen.   „Warum grinst du so, Spatz?“ Ich blinzle, als ich die Stimme meiner Mutter höre. Keine fünf Meter von unserem Haus entfernt, vor dem Müllhäuschen, das wir uns mit dem Nachbarn teilen, steht sie. Fein gekleidet.   „Eh … ich hab nur nachgedacht. Wohin gehst du?“ Sie lächelt, dann kommt sie mir entgegen und wuschelt mir durch die Haare. Eine Geste, die mich die Stirn runzeln lässt.   „Dein Vater und ich werden uns mit ein paar Kollegen treffen. Also erzähl, warum hast du so gegrinst? War die Party ein voller Erfolg? Hast du ein Mädchen kennengelernt?“   Weil ich mir vorgestellt habe, wie Itachi Kiba den Hintern aufreißt? Und die Party war ein Reinfall … Und übrigens, ich bin schwul, also nein, ich habe kein Mädchen kennengelernt.   „Ja, die Party war schön.“   „Wie heißt die Glückliche?“ Ich will gerade die Lippen verziehen, weil mir ihre Fragen dezent die Laune verderben, doch ich schweige lieber, da mein Vater im nächsten Moment aus dem Haus tritt. Er blickt sich kurz um, die Mundwinkel nach unten gezogen, dann kommt er auf uns zu.   „Sasuke“, sagt er knapp und ich nicke. Dann mustert er mich. Sein strenger Blick ist unangenehm und ich schlucke unbewusst, da es absolut still zwischen uns ist. Nicht einmal meine Mutter sagt etwas. Sie sieht nur stumm zwischen mir und meinem Vater hin- und her.   „Du schuldest mir 20, Mikoto“, bricht er die Stille dann, völlig ruhig und gelassen, ehe auch seine Hand auf meinem Kopf landet, um mir durch die Haare zu wuscheln.   Dass sich bei dieser Aktion meine Augen weiten, versteht sich von selbst.   „Nichts da. Er hat selig gegrinst. Außerdem hat er schon gesagt, dass er ein Mädchen kennengelernt hat.“ Mein Vater hebt daraufhin eine Augenbraue und richtet seinen Blick auf meine Mutter.   Über was sprechen die beiden da?   „Mikoto, glaub mir, er hat es nicht getan“, erwidert mein Vater, „Sieht ihn dir an“, er zeigt auf mich, „er sieht immer noch aus wie ein Welpe. Vielleicht hat er jemanden geküsst, aber das war es schon.“   „Huh?“   „Du hast aber nicht dieses Grinsen gesehen. Er hat gegrinst, Fugaku.“   „Wahrscheinlich, weil er sich daran erinnert hat, wie groß ihre Brüste waren.“   „Fugaku!“   Es ist verstörend, diesen Gesprächsverlauf zu beobachten, doch was mich wirklich umhaut ist die Tatsache, dass mein Vater grinst. Er grinst und meine Mutter wird rot.   Moment … Sie reden über mich?   „Ich hab nicht!“, bricht es geschockt aus mir heraus. „Ich hab mit niemandem geschlafen! Oh mein Gott, ihr habt darauf gewettet?!“ Meine Mutter sieht unschuldig zu mir herüber, während mein Vater mit den Schultern zuckt.   Kann mich bitte jemand erschießen? Jetzt auf der Stelle?   „Ich hab es dir doch gesagt“, brummt mein Dad, ehe er mir seine Hand auf die Schulter legt und leicht zudrückt. „Er ist noch nicht soweit.“   „Dad, bitte …“   „Ich schulde dir trotzdem kein Geld! Du hast bei der letzten Wette verloren und schuldest mir noch 10!“   „Mikoto, du hast verloren. Zweimal. Willst du wirklich aufrechnen?“ Er lässt seine Hand wieder sinken und widmet sich voll und ganz meiner Mutter.   Ich bin fassungslos. Meine Eltern haben um meine Jungfräulichkeit gewettet? Und sie wetten auch noch um andere Dinge?   Ich will gar nicht wissen, wie viele Wetten sie noch am Laufen haben.   „Du hast auch betrogen! Du hast dem Jungen so viel Angst gemacht, dass er sich nicht getraut hat!“, zischt sie ihm zu. „Und außerdem!“ Jetzt richten sich ihre Augen auf mich: „Wen hast du geküsst? Wirst du sie uns vorstellen? Warum hast du mir nichts davon erzählt?“ Ich hebe abwehrend die Hände, brennende Wärme im Gesicht und restlos überfordert.   „Mum, bitte. Ich habe weder jemanden geküsst noch Sex gehabt … ich habe nur gegrinst, weil ich vorhin gesehen habe, wie ein Mann einem Hund hinterhergerannt ist …“ Diese Lüge lässt sie vorerst verstummen. Allerdings nicht lange genug, um meinem Herz die Möglichkeit zu geben, sich von diesem Schock zu erholen.   „Das glaube ich dir nicht. Du hast auf der Party jemanden kennengelernt, richtig?“   „Mum, da waren viele neue Menschen, also ja, ich habe Leute kennengelernt. Aber ich habe niemanden geküsst!“   „Warum wirst du dann rot?“   „Maa, bitte!“   „Hast du nicht deshalb meine Enthaarungscreme benutzt?“ Mir klappt der Mund auf.   „Er hat deine Enthaarungscreme benutzt?“, hakt mein Vater nach, und sieht dabei ziemlich amüsiert aus.   „Hat er. Und er hat gegrinst“, sagt sie, ihre Augen auf mich gerichtet. „Also, erzähl mir, wer ist es?“ Ich lasse den Kopf hängen. Gott, das ist so peinlich. So unendlich peinlich.   „Es gibt kein Mädchen …“   „Ha!“, kommt es dann überraschend von meinem Vater, „ich hab es gewusst! Du schuldest mir 100!“   „Was? Gar nicht wahr! Er hat nicht gesagt, dass es einen Jungen gibt!“ Kann es noch schlimmer werden?   Moment, mein Vater hat mit meiner Mutter darum gewettet, dass ich schwul bin?   „Sasuke, sag es deiner Mutter. Es gibt kein Mädchen, weil es einen Jungen gibt.“ Meine Augen sind vor Schock weit aufgerissen. Ist das hier ein Paralleluniversum? Eine Twilight-Zone, in die ich reingerutscht bin, nachdem ich aus Itachis Wagen ausgestiegen bin?   Meine Mutter greift nach meinem Arm. „Sasuke, sag deinem Vater, dass es ein Mädchen gibt.“   „Ma … es gibt kein Mädchen“, wiederhole ich erneut. „Und es wird auch nie ein Mädchen geben …“ Jetzt ist es raus … ich hab es gesagt.   „Ich wusste es! Ich habe es gewusst.“   „Du hast es ihm eingeredet!“   „So wie ich es Itachi eingeredet habe?“   „Das mit Itachi ist etwas völlig anderes!“   „Weil er beides mag?“   „Fugaku, du bist ein Betrüger!“   „Bin ich nicht. Sasuke“, sagt mein Vater, diesmal wieder mit strengem Blick, was ziemlich verwirrend ist. Eigentlich ist das alles hier verwirrend. „Bist du homosexuell?“ Und widerlich ist es obendrauf. Dass hier fühlt sich schlimmer an, als daran zu denken, wie die beiden Sex haben. „Sasuke?“   „Ja. Ja, ich bin schwul. Ich mag keine Mädchen.“ Meine Mutter stöhnt – mein Vater gluckst. Und ich versuche, an ihnen vorbeizulaufen, doch die Hand meines Dads macht mir einen Strich durch die Rechnung, indem sie mich festhält.   „Sasuke“, sagt er, es klingt fast wie ein Brummen. „Wir sind dir nicht böse.“ Diese Aussage lässt einen Stein von meinem Herzen brechen. Einen großen, schweren Stein, den ich schon so lange mit mir herumtrage. „Und wenn du darüber reden möchtest, dann komm zu uns, verstanden?“ Ich nicke. Mehr kann ich im Moment gar nicht tun. Sie verhalten sich wie ausgewechselt. Nicht so streng wie sonst … zeigen Verständnis. Etwas, das ich nie für Möglich gehalten hätte.   Kennt Itachi diese Seite an ihnen? Weiß er, dass sie Wetten auf uns abgeschlossen haben? Dass es ihnen offensichtlich egal ist, in wen wir uns verlieben?   Warum ist mein Vater dann neulich so ausgerastet? Und warum hat er mich geschlagen? Gibt es da etwas, von dem ich nichts weiß? Etwas ganz anderes?   „Komm her, Spatz.“ Ein seltsames Gefühl überkommt mich, als meine Mutter mich in ihre Arme zieht und mir durch die Haare streichelt, während ich die Hand meines Vaters auf meinem Rücken spüren kann.   Warum ist das alles so verwirrend?       Ich kann mich nicht richtig konzentrieren. Zwar ist es völlig ruhig in meinem Zimmer, nachdem meine Eltern sich bis zum Abend verabschiedet haben, doch die Aufgaben, die vor mir liegen, ergeben keinerlei Sinn. Ständig kreisen meine Gedanken um Naruto, der sich noch immer nicht gemeldet hat, um Itachi, und um das seltsame Verhalten meiner Eltern. Ich habe das Gefühl, so tief im Dunkeln zu tappen, dass sämtliche Überlegungen mich nur unendlich erschöpfen.   Warum verhalten sich alle nur so anders als sonst? Wo sind die Gewohnheiten geblieben?   Mit einem Seufzen schließe ich die Augen und lasse mich auf die Matratze fallen. Vielleicht wäre es besser, nicht mehr darüber nachzudenken. Einfach zu akzeptieren, dass sich Dinge ändern können. Auch, wenn es mir Angst macht. Ich hasse Veränderungen. Unvorhergesehenes …       „Er schläft.“ Meine Augen fühlen sich schwer an.   „War wohl zu anstrengend für ihn.“   „Weckst du ihn? Er hat sicher noch nichts gegessen.“ Ich höre meinen Vater brummen, während ich versuche, dem Schlaf zu widerstehen, der weiter an meinem Körper zieht. Ich bin eingeschlafen … mitten beim Lernen …   „Sasuke“, höre ich ihn sagen und öffne dann die Augen. Er steht neben meinem Bett.   „Bin wach“, nuschle ich und richte mich auf.   „Muss eine anstrengende Party gewesen sein“, erwidert er ruhig. „Deine Mutter macht Abendessen.“ Ich nicke, dann wird es still zwischen uns. Zumindest solange, bis ich ihn seufzen höre.   „Ich denke, wir sollten reden“, beginnt er und setzt sich dann zu mir aufs Bett.   Reden?   „Wenn es um Sex geht … ich habe nicht vor-“   „Nein. Es geht nicht um Sex … ich möchte mit dir über neulich sprechen.“ Ich blinzle. „Über deinen Bruder.“   „Itachi?“ Er nickt.   „Ich möchte mich bei dir entschuldigen.“ Okay, sicherlich träume ich noch. Mein Vater entschuldigt sich bei mir?   „Warum?“, frage ich ehrlich verwundert, während er die Lippen aufeinander presst.   „Weil ich meine Wut an dir ausgelassen habe, obwohl ich weiß, dass es auch für dich schwer sein muss, deinen Bruder zu verlieren.“ Meine Augen weiten sich.   „Ich ...-“ Er schüttelt den Kopf.   „Nein, Sasuke. Ich hatte kein Recht dazu, dich zu schlagen. Und dafür möchte ich mich entschuldigen. Du musst wissen, dass dein Bruder sich einige Dinge erlaubt hat, und dass das, was er mir jetzt serviert hat, das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Ich schlucke. Wie viel weiß er?   „Itachi war schon immer so. Seine Ansichten sind anders als meine, was an sich auch völlig in Ordnung ist, doch bei ihm driftet es immer in die Extreme.“ Ich runzle die Stirn. Bis auf diesen Vorfall mit dem Auszug habe ich nie etwas erlebt, das Itachi mit dem Wort Extreme in Verbindung bringt.   „Ein paar Tage vor dieser Bombe hat er mir mitgeteilt, dass er nicht mehr studieren wird. Dass er sich eine andere Arbeit suchen wird, weil sich seine Pläne geändert haben.“ Also gab es vorher schon ein Gespräch darüber? „Und als er am Wochenende dann verschwunden war, wusste ich, dass er diese Pläne auch in die Tat umsetzen wird“, sagt er und seufzt dann. „Das war schwer, Sasuke. Schwer zu akzeptieren, dass dein eigener Sohn dich hintergehen wird.“   „Hintergehen?“ Mein Vater nickt.   „Ja. Er hat das Geld, das ich für ihn und seine Zukunft angelegt habe, einige Tage vor dem Zwischenfall gestohlen.“ Mein Mund öffnet sich, doch kein Laut dringt hervor. Itachi hat Geld geklaut? „Natürlich weiß ich, dass er nicht Vater wird, also hat er mich zusätzlich noch angelogen.“   „Aber … aber wie?“, stammle ich verwirrt. „Du hast doch mit ihm darum gestritten … ich habe euch gehört …“ Er seufzt abermals.   „Deine Mutter weiß nichts von alledem. Sie weiß nicht, dass Itachi Geld gestohlen hat und sie weiß auch nicht, dass er noch mit diesem blonden Punk zusammen ist. Wegen diesem Mann gab es in der Vergangenheit schon Probleme. Er gehört irgendeiner kriminellen Organisation an …“ Es fühlt sich so an, als hätte man mir in den Magen getreten. Dieser blonde Typ … Deidara … Itachi ist mit ihm zusammen?   Die Erkenntnis prasselt wie harter Platzregen auf mich ein. Natürlich. Die Begrüßung gestern, Itachis Verschwinden, nachdem Deidara sich verzogen hat … sein Fernbleiben in der Nacht … Die Worte meiner Eltern heute Mittag. All das ergibt auf einmal Sinn. Und jetzt wird sogar bekannt, dass mein Bruder unsere Eltern beklaut hat? Auch, dass diese Typen, mit denen Itachi verkehrt, keine ehrlichen Menschen sind? Was mich allerdings nicht im Geringsten wundert.   „Es sind neun. Sie sind zu neunt“, antworte ich abwesend, doch dann blicke ich meinem Vater entgegen. Der hat die Stirn gerunzelt.   „Wer?“   „Itachis Freunde! Sie sind zu neunt. Sie haben ein baufälliges Haus, außerhalb der Stadt.“   „Du weißt davon?“ Ihn anzulügen bringt nichts. Und auch wenn Itachi gesagt hat, dass ich dichthalten soll … ich kann nicht.   Also erzähle ich meinem Vater all das, was gestern vorgefallen ist. Angefangen von der Wette, bis hin zur Party und dem Absturz.   Als ich fertig bin, sieht er mich ausdruckslos an.   „Das ist wirklich … eine ganze Menge …“ Ich nicke vorsichtig, da ich seinen Blick nicht deuten kann. Wird er jetzt ausrasten?   „Aber danke, dass du so ehrlich zu mir warst.“   „Sasuke, Fugaku, das Essen ist fertig!“ Meine Mutter ruft von unten zu uns hoch.   „Wir werden das hier erstmal verarbeiten … und später noch einmal darüber reden, okay?“ Ich nicke abermals.   „Was wirst du jetzt tun? Wirst du Itachi anzeigen?“ Denn das ist genau das, was ich nicht will. Auch wenn Itachi dafür geprügelt werden sollte, dass er meine Eltern beklaut hat und mit diesen Kriminellen unter einem Dach lebt … er soll nicht ins Gefängnis kommen.   „Nein. Aber vielleicht werde ich noch einmal mit ihm reden, wenn sich die Lage etwas entspannt hat.“ Ich atme erleichtert aus. „Und jetzt komm, deine Mutter wartet nicht gerne.“       Ich kann nicht genau sagen, was sich verändert hat, doch ich muss zugeben, dass es sich positiv auf unser Familienleben auswirkt. Mein Vater wirkt entspannter, meine Mutter glücklicher – auch wenn sie mich beim Abendessen mit Fragen über mögliche Partner nervt – und das fühlt sich seltsamerweise gut an.   Das Geheimnis zwischen meinem Vater und mir lässt uns zu Verbündeten werden.   Auch am Sonntag stehe ich nicht gewohnt mit einem genervten Gefühl auf – auch wenn ich von Naruto nach wie vor nichts gehört, und ihn auch nicht in seinem Zimmer gesehen habe – sondern frühstücke in Ruhe mit meinen Eltern. Der restliche Tag verläuft routiniert, das heißt, meine Eltern beschäftigen sich mit sich selbst und ich sitze in meinem Zimmer, um mich auf den Unterricht des nächsten Tages vorzubereiten.   Zumindest solange, bis sich eine SMS auf meinem Handy ankündigt.   'Hey Sasuke-Cakes … hab Freitag wohl ganz schön übertrieben, huh? Ich kann mich zwar nicht mehr an Einzelheiten erinnern, doch ich weiß, dass ich am Ende des Abends auf Kibas Schuhe gekotzt hab. Ich lag den ganzen Samstag flach … und wie ist es dir ergangen? Sorry, dass ich mich erst jetzt melde … hast du den Kostümabend gut überstanden? Ich werde Kiba übrigens noch dafür verprügeln, dass er dich in ein Kleid gesteckt hat.'   Ich lese die Nachricht mehr als nur einmal. Er kann sich nicht erinnern? Ernsthaft?   'Hey … ist schon okay. Du kannst dich wirklich nicht daran erinnern, was alles passiert ist?'   Seine Antwort kommt nur eine Minute später.   'Nein Mann! Ich hab den totalen Filmriss. Ich weiß nur, dass ich mit Kiba gestritten habe wegen deinem Outfit … danach hab ich mich wohl abgeschossen … wieso? Hab ich irgendwas angestellt?'   Dieser dumme Idiot! Natürlich hat er etwas angestellt!   'Nicht dass ich wüsste'   'Gut, ich dachte schon, heh … Ich hab gestern übrigens mit Sakura geredet … wir wollen es noch einmal versuchen'   Was? Was meint er damit?   'Was versuchen?' Diesmal dauert es zwanzig Minuten, ehe seine nächste Antwort kommt:   'Na mit unserer Beziehung. Und ehrlich gesagt bin ich froh darüber. Ich denke, wir können unsere Probleme aus der Welt schaffen, wenn wir es nochmal versuchen'   Und diese Nachricht bohrt sich geradewegs in mein Herz. Sie wollen es nochmal miteinander versuchen? Nach all dem, was passiert ist? Weiß er davon, dass Kiba mit seiner Freundin geschlafen hat? Dass … dass Kiba sie gefickt hat, während er mit mir auf der Terrasse war?   Ich schreibe ihm nicht mehr zurück, sondern schalte mein Handy aus.     Es ist ein unnatürlich schmerzhaftes Gefühl, das mich in dieser Nacht überfällt und es mir fast unmöglich macht, einzuschlafen.     Dementsprechend gerädert verlasse ich am nächsten Morgen das Haus, um in die Schule zu fahren. Naruto hat sich nicht mehr bei mir gemeldet, wie ich feststelle, nachdem ich mein Handy wieder angeschaltet habe.   „Da bist du ja endlich!“, zischende Worte, gefolgt von einem festen Griff, der mich packt und mich gegen die Schulmauer drückt. Es ist Kibas Gesicht, das mir entgegenblickt. Er hat ein blaues Auge.   „Lass mich los“, zische ich zurück und entreiße mich seiner Hand.   „Fang nicht so an“, knurrt er zurück. „Wegen dir haben wir Probleme!“   „Probleme? Wegen mir? Du hast wohl zu heiß gebadet.“   „Gutes Comeback, Sasuke“, sagt er trocken. „Aber ja, wegen dir. Siehst du das?“, er zeigt auf sein Auge, „wegen dir ist die ganze Planung verkackt!“ Von was redet er?   „Hat er dich etwa dafür geschlagen, weil du mich in ein Kleid gesteckt hast? Oder weil du Sakura gefickt hast?“, sage ich dunkel und füge dann hinzu: „Das war übrigens eine wirklich widerwärtige Aktion von dir.“ Er verdreht die Augen.   „Jaja, der böse Freund, der die Freundin seines besten Freundes poppt, ist angekommen. Aber das löst nicht unser Problem!“   „Ich habe kein Problem, du hast es.“   „Verarsch mich nicht, Sasuke. Weil du abgehauen bist, hat er mich mit der Schlampe erwischt!“ Ich schüttle den Kopf.   „Du hättest sie nicht ficken müssen.“   „Das war aber Teil des Plans“, sagt er. „Alles sollte darauf hinauslaufen, dass sie sich von ihm fernhält!“   „Indem du sie fickst?“   „Du kleiner Pisser“, zischt er und packt mich am Kragen meiner Jacke. Okay, vielleicht sollte ich ihn nicht provozieren …   „Lass mich los.“   „Du wirst mitkommen.“   „Kiba, ich mein es ernst, lass mich los.“ Doch er hört nicht auf mich, sondern schleift mich zur Turnhalle, wo um diese Zeit noch kein Unterricht stattfindet.   „So, jetzt erzähl mir genau, was zwischen euch passiert ist“, fordert er, und entlockt mir damit ein schiefes Schmunzeln.   „Warum willst du es wissen? Er geht wieder zurück zu Sakura. Also ist es scheißegal. Er kann sich ja nicht mal mehr daran erinnern, was auf der Party passiert ist.“   „Bullshit! Er ist kurz nach dir ins Zimmer gestürmt und völlig ausgerastet! Also, was ist passiert?“   „Wir haben uns geküsst.“ Kiba zischt auf.   „Wo?“   „Wie wo?“   „Wo habt ihr euch geküsst?“   „Auf deiner Terrasse ...“ Warum ihn das interessiert ist mir ein Rätsel.   „Und warum bist du dann abgehauen? Hättest du ihn nicht länger küssen können? Ich war fast fertig mit der Aufnahme.“   „Aufnahme?“ Von was redet er?   „Ich hab die Schlampe dabei gefilmt! Ich wollte sie damit erpressen, dass sie sich von ihm fernhalten soll, sonst hätte ich Naruto den Film gezeigt!“   „Eine weitere Erpressung? Was läuft bei dir nicht richtig?“ Sein Kiefer spannt sich an, dann macht er einen Schritt auf mich zu, während ich einen weiter nach hinten gehe. Ich sollte mir wirklich vornehmen, ihn nicht zu provozieren.   „Das war der Plan. Du gewinnst ihn für dich, ich ficke Sakura und filme sie dabei“, brummt er. „Dann hätte ich ihr gesagt, dass du schwul bist und sie keine Chance bei dir hat, was sie natürlich dazu gebracht hätte, wieder zurück zu Naruto zu gehen … und dann wäre mein Film ins Spiel gekommen.“   Wow … wie durchtrieben kann ein Mensch eigentlich sein?   „Aber jetzt ist alles kaputt! Er hat uns erwischt und mir eine verpasst! Und dann erzählt sie mir gestern, dass das mit uns nichts wird und sie zurück zu ihm geht und sie über alles geredet haben!“ Und Naruto? Naruto weiß davon, dass sein bester Freund mit Sakura geschlafen hat und nimmt sie trotzdem zurück? „Als ob ich was von der Schlampe wollen würde! Ich will, dass sie sich von Naruto fernhält!“   Das ist alles kaum zu glauben …   „Du hast überhaupt nicht wissen können, ob Naruto was von mir will … und du wusstest auch nicht, dass Sakura auf mich steht … also warum das Ganze?“   „Du bist wahrscheinlich blind. Und vielleicht auch gar nicht so schlau, wie du immer tust“, erwidert er und reibt sich mich der flachen Hand über das Gesicht. „Sakura sabbert dir schon seit Monaten hinterher. Und Naruto ist nur zu dumm, es zu bemerken.“   „Das erklärt aber nicht, wie du darauf kommst, dass Naruto an mir Interesse hat!“ Seine Rechnung hat zu viele Fehler.   „Weil ich Naruto schon lange kenne! Und seit du da bist und von ihm gesehen wirst, ist er wie ausgewechselt …Jedes Gespräch endet damit, wie eklig er Schwule findet.“   „Was natürlich dafür spricht, dass er mich geil findet.“   „Ich glaube du verstehst nicht, was ich dir damit sagen will! Naruto redet nur so abfällig darüber, weil er es insgeheim geil findet! Du hättest mal sehen sollen, wie er sich verändert hat, nachdem ich ihm gesagt habe, dass es Typen gibt, die auf ihn stehen! Er ist der wandelnde Homophob geworden!“   „Und dann ausgerechnet mich?“   „Weil er ständig über dich redet, wenn wir alleine sind. Keine Sakura, kein Sport, nur du und deine bescheuerte Nachhilfe und sein dämlicher Schwulenhass!“   „Das ist alles so weit hergeholt, sorry, ich glaube, du liegst einfach falsch.“   „Und ich glaube, du willst es nicht sehen! Seit Wochen nervt er mich mit Geschichten über dich! Er ist einfach scharf auf dich, glaub mir!“ Ich schüttle den Kopf. „Und auch sein homophobes Verhalten ist ausgeprägter. Als müsste er sich verstecken!“   „Vergiss es einfach. Ich will es nicht hören. Er ist zu ihr zurückgegangen, oder? Obwohl er weiß, was zwischen dir und ihr passiert ist … also lass es einfach.“ Ich laufe an ihm vorbei, ungeachtet dessen, dass er meinen Namen ruft.   Sie sollen mich einfach alle in Ruhe lassen. Kiba, Naruto und Sakura. Ich brauche Abstand. Einen klaren Kopf, der mir hilft, diese Sache objektiv betrachten zu können.     Allerdings habe ich in der Schule auch nicht meine Ruhe, da Naruto sofort auf mich zustürmt, als er mich im Flur gesichtet hat. Mittlerweile bin ich acht Minuten zu spät. Beziehungsweise sind wir beide zu spät.   „Sasuke! Fuck, du kommst du spät? Was ist passiert?“ Er sieht aus wie immer. Wunderschön. Da sind keine Spuren, die einen glauben lassen, dass sich etwas verändert hat. Auch sein Grinsen ist präsent.   „Hab verschlafen“, lüge ich, das Kribbeln in meinem Bauch ignorierend, als er gegen meine Schulter schlägt.   „Na dann los, bevor Ebisu uns die Haut abzieht.“ Ich laufe neben ihm, halte Schritt, während er unkontrollierten Unsinn von sich gibt. Ich kann nicht glauben, dass er es wirklich wieder mit Sakura versuchen will. Aber danach fragen kann ich auch nicht. Irgendetwas hält mich davon ab.   „Und Mann, du hättest Kibas Schuhe sehen sollen! Ich glaub, die kann er wegschmeißen.“   „Aha.“   „Übrigens, kommst du übermorgen zum Lernen? Wir müssen unser Projekt auch langsam mal anfangen.“ Er will mich bei sich haben?   „Wenn deine Freundin nichts dagegen hat?“ Er runzelt die Stirn und bleibt dann stehen. Wir haben unser Klassenzimmer schon fast erreicht.   „Warum sollte sie was dagegen haben?“ Ich zucke mit den Schultern. „Naja, ihr habt sicher noch viel zu besprechen … und-“   „Ach Quatsch! Alles gut. Wir haben uns wieder vertragen.“ Sein Grinsen tut weh. Warum sieht er so glücklich aus? Wie kann er nur glücklich sein, nachdem sie ihm das angetan hat?   „Okay …“ Er nickt, dann öffnet er die Tür und verkündet wie gewohnt seine Standard-Entschuldigung, in die er mich diesmal mit einschließt.   Kiba fehlt an diesem Tag, er kommt nicht in den Unterricht, den ich damit verbringe, mich nicht ablenken zu lassen. Sakura ist anwesend, sie sieht ab und an zu mir herüber, doch ich ignoriere sie. Sie kann mich mal … nicht. Sie wird mich niemals haben können. Selbst wenn ich nicht schwul wäre, diese Art von Mensch widert mich an und hätte null Chancen bei mir.   Ich lasse mich in der Pause von Naruto mitschleifen, sitze an dem Tisch in der Cafeteria, wo ich Zeuge davon werden muss, wie gut sich das frisch zusammengeschlossene Paar versteht. Fast schon übertrieben. Als wollte Naruto, dass ich sehe, wie gut es ihm mit ihr geht. Es löst unbändige Übelkeit in mir aus, doch ich lasse es über mich ergehen. Etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig.   Auch am nächsten Tag ist es derselbe Anblick. Ein Anblick, der meinen Magen dazu bringt, zu rebellieren. Kiba fehlt auch immer noch und ist laut einem unserer Klassenkameraden für den Rest der Woche krankgemeldet.   Das ist alles nur seine verdammte Schuld! Hätte er sich nicht eingemischt …           „Kommst du dann später zu mir? So gegen vier?“ Irre ich mich, oder wirkt er nervös? Der Unterricht ist vorbei und wir stehen alleine vor dem Schultor, da Sakura sich schon von uns verabschiedet hat   „Ja …“   „Gut. Ich geh dann mal zum Sport?“   „Ist das eine Frage oder eine Antwort?“ Er lacht, doch es hört sich falsch an.   „Na eine Antwort natürlich! Wir sehen uns später, Sasuke-Cakes!“ Er sprintet davon, während ich brummend zurückbleibe. Auch wenn sich mein Herz darüber freut, endlich wieder die Möglichkeit zu haben, mit ihm alleine zu sein, mein Kopf sträubt sich dagegen.                 „Ist die Musik zu laut?“, fragt er, ohne mich dabei anzusehen. Ich bin hier. Tage nach dem Zwischenfall, der für ihn in Vergessenheit geraten ist. Auch wenn er sich anders benimmt als zuvor in der Schule. Anders als in Sakuras Anwesenheit. Fast mach es den Eindruck, als wüsste er genau, was auf der Party passiert ist, es jedoch verdrängen will.   Allerdings … warum sollte ich mich beschweren? Weil es wehtut? Weil es mich innerlich umbringt, zu wissen, wie es sein könnte? Wie gut es war?   „Nein, ist okay“, antworte ich, obwohl gar nichts okay ist. Absolut gar nichts.   „Heh, gut. Also, womit fangen wir an?“ Er setzt sich zu mir aufs Bett, mit großem Abstand, die Unterlagen zwischen uns ausgebreitet. „Ich würde ja vorschlagen, dass wir das Projekt gliedern. Netzplan erstellen usw.“ Während er redet, beobachte ich ihn.   Ich kann immer noch nicht glauben, dass er zu ihr zurückgegangen ist, obwohl er genau weiß, was zwischen Kiba und ihr passiert ist. Ständig denke ich daran.   „Und am besten übernimmst du die Gliederung. Ich rechne dann die Zeiten aus.“ Als er mich ansieht, überkommt mich das flaue Gefühl von Sehnsucht. Sehnsucht, die man verspürt, wenn etwas in unmittelbarer Nähe ist, man es aber nicht fassen kann. Als wäre etwas zwischen uns, das es mir unmöglich macht, zu ihm durchzudringen.   Er will es auch gar nicht.   „Ist das okay?“   „Ja.“ Nein. Es ist nicht okay. Merkst du nicht, dass mich dieses Spiel hier innerlich aushöhlt? Was muss ich tun, damit du endlich siehst, was ich für dich empfinde?   „Cool!“ Und dein falsches Grinsen macht es nicht besser.     Und doch tue ich das, was er vorgeschlagen hat. Versuche, mich von ihm abzulenken – ihm, der direkt neben mir ist – und die Gliederung zu erstellen. Es ist ein schwieriges Unterfangen, das kaum gelingen will, weil Naruto selbst überhaupt nichts tut. Beobachtet er mich?   „Du hast echt ne komische Schrift.“ Bei dieser Aussage runzle ich die Stirn und blicke von dem Blatt auf in seine Augen. Er hat sich halb über die Unterlagen gebeugt.   „Hab ich nicht“, erwidere ich ruhig, doch er nickt nur und grinst dabei.   „Doch, hast du. Wie ein Arzt. Ist voll schwer, was zu erkennen.“   „Du hattest schon öfter Unterlagen von mir.“   „Jaha, und die meiste Zeit hab ich versucht, deine Schrift zu entziffern.“   „Aha …“ Dieser blöde Idiot. „Warum hast du nie was gesagt?“   „Weil es unhöflich gewesen wäre, schließlich hast du mir deine Notizen gegeben.“ Ich hebe eine Augenbraue an.   Manchmal. Manchmal bist du wirklich seltsam. Seltsamer als ich – obwohl das fast kaum möglich ist. Aber es steht dir. Dieses Verhalten. Leider weiß ich nicht, ob ich dich dafür hassen oder lieben soll.   „Du bist ein Idiot“, seufze ich mit einem Anflug eines Lächelns auf den Lippen und stütze meinen Kopf auf meiner Handfläche ab. Naruto sieht mich nach wie vor an. Doch irgendwie hat sich sein Blick verändert. Wirkt nachdenklicher. Von seinem Grinsen ist nichts mehr zu sehen.   „Was ist los?“, frage ich und zucke im nächsten Moment zusammen, da er sich weiter nach vorne beugt und nach einer meiner Haarsträhnen greift. Diese Geste versetzt mich in eine Art Schockstarre und wirft mich gedanklich zurück zu dem Abend, an dem er mich geküsst hat.   „Deine echten Haare sind viel weicher“, sagt er leise – und bestätigt mir damit, dass er mich angelogen hat. Eine Lüge, die ich bereits vermutet habe, doch sie jetzt offengelegt serviert zu bekommen, hinterlässt ein unangenehmes Gefühl in meiner Magengegend. „Viel weicher als-“ Er unterbricht sich selbst, sieht mich geschockt an. Und dann weicht er zurück. Rutscht nach hinten, blickt mich an, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen.   Du hast es bemerkt, mein Liebster.   „Ich. Ich …“, stammelt er los, während ich mich aufrichte. „Also ich meine, ich hab vermutet, dass die Perücke viel zu borstig war. Ich meine, sie war nicht so glänzend wie dein Haar und-“   „Lass es“, entgegne ich schroff. „Lass es einfach gut sein. Ich verstehe schon. Du bist nicht schwul.“   „Sasuke!“, bricht es aus ihm heraus – er klingt leicht panisch, seine Stimme ist zu hell. „Ich … ich hab nur … ich meine die Perücke!“ Das Lachen, das daraufhin aus mir heraussprudelt, ist nicht mehr aufzuhalten.   Wer ist hier eigentlich lächerlich? Ist es er? Bin ich es? Ist es diese Situation?   Alles. Einfach nur alles.   „Warum lachst du?“, schrillt er, während ich nicht mehr damit aufhören kann. Es ist einfach zu lachhaft. „Sasuke!“ Ich schüttle den Kopf. Merkt er nicht, wie lächerlich das hier alles ist?   Ich verstumme, als er sich auf einmal gegen mich wirft und nach unten drückt. Er sieht wütend aus. Doch entgegen dieser Aktion kann ich nicht anders, als zu grinsen. Er liegt halb auf mir drauf, blickt mich an – und ich grinse. Wie lächerlich …   Das ist die Bestätigung, dass ich nicht normal sein kann. Etwas läuft eindeutig nicht richtig bei mir.   „Hör auf zu lachen“, sagt er mahnend. „Das ist nicht lustig.“ Ich schließe für einen Moment lang die Augen und seufze.   „Doch, das ist es.“   „Und warum?“ Bemerkt er überhaupt, dass er noch immer halb auf mir drauf liegt? Sein Atem streift meine Wange.   „Weil …“ Weil es so ist. Du küsst mich, lügst mich an, verrätst dich. Und dann gehst du zu ihr zurück, obwohl du genau weißt, was passiert ist. Dass du dir selbst vermutlich nur Dinge vormachst. „Es zum Lachen ist“, beende ich meinen Satz und blicke ihm entgegen.   „Ich … ich hab einen Fehler gemacht“, sagt er leise. Seine Worte grenzen schon an ein Flüstern, das sich geradewegs in meine Brust bohrt. Es schmerzt, lässt mein Herz schneller schlagen – mein Magen fühlt sich flau an. „Ich bin nicht schwul … und ich war betrunken.“ Ich drehe den Kopf zur Seite.   „Dann geh von mir runter.“ Meine Stimme klingt emotionslos. Anders, als ich mich fühle. Steht im völligen Kontrast zu den Empfindungen, die sich in mir festsetzen.   „Sasuke …“   „Was willst du von mir hören, Naruto?“   „Sag mir, dass du mir nicht böse bist. Und dass du mich deswegen nicht hasst.“ Er ist so ahnungslos. So verflucht naiv.   „Du bist wirklich ein Idiot.“   „Es ist mir wichtig, okay? Das war ein Ausrutscher … ein Fehler! Du warst verkleidet und … keine Ahnung, ich war gefrustet-“   „Halt endlich einfach die Klappe“, unterbreche ich ihn dunkel und versuche gleichzeitig, mich aus seinem Griff zu winden. Er soll einfach aufhören. Endlich damit aufhören, mich ständig zu verletzen.   „Sasuke, bitte … ich-“   „Was verstehst du daran nicht?“ Wut packt mich – ich schubse ihn grob zur Seite und stehe von seinem Bett auf. „Bist du wirklich so dumm?“, dröhne ich. „Du hast mich geküsst! Und das war kein betrunkener Kuss. Du wolltest es! Und dann gehst du zu ihr zurück, obwohl sie deinen besten Freund fickt? Bist du wirklich so dumm? Hasst du Schwule so sehr? Bist du so engstirnig? Bist du das? Hä?“ Diese Worte brechen aus mir heraus – und er ist daran Schuld. Er frustriert mich. Macht mich hilflos. Er bringt mich dazu, so zu sein. Und es ist mir egal, dass er mich geschockt ansieht. Es ist seine verdammte Schuld!   „Sasuke … ich hab, ich … ich hab nichts gegen Schwule.“ Ich schüttle den Kopf.   „Lügner. Du bist ein elender Lügner.“ Ich greife nach meinem Rucksack, stopfe meine Notizen hinein, ohne ihn weiter anzusehen. Ich will hier raus. Ich muss. „Lass mich damit einfach in Ruhe. Lass es einfach. Sprich nicht mehr darüber, sag einfach nichts me-“ Meine Tirade verstummt, als er mich erneut packt und voller Wucht zurück auf seine Matratze presst. Seine Arme fixieren mich.   „Sei still“, sagt er ruhig, doch sein Blick ist ernst. Allerdings bin ich zu wütend, um darauf Rücksicht zu nehmen. Ich kann nicht mehr still sein. Ich will nicht mehr still sein. Ich habe genug.   „Lass mich los. Und geh von mir runter.“   „Nein.“ Ich greife nach seinem Unterarm, versuche ihn von mir zu drücken, doch er bewegt sich nicht.   „Naruto, ich meine es Ernst. Wenn du nicht willst, dass … wenn du nicht willst, dass ich nie wieder mit dir rede, dann lässt du mich jetzt los.“ Er seufzt. Leise, doch ich höre es. Und dann geht alles viel zu schnell. Seine nächste Aktion lässt mich abrupt innehalten.   Was. Zur. Hölle?   Seine Lippen sind fest auf meine gepresst und während meine Augen vor Schock weit aufgerissen sind, kneift er seine zusammen. Meine Arme werden augenblicklich schlaff, der Träger meines Rucksacks löst sich aus meiner Hand – Naruto lässt meinen Widerstand sterben, einfach so. Mit einem einfachen Streifen von Haut auf Haut. Federleichten Berührungen, als er sich wieder zurückzieht, um mich kurz darauf erneut zu küssen.   Ist das wahr? Entspricht das wirklich der Realität? Habe ich mich so sehr in Rage geredet, dass ich umgefallen bin?   Weshalb?   „Ich bin nicht schwul“, haucht er und ich öffne die Augen, die ich unbewusst geschlossen habe, um seinen Blick zu erwidern. Helles, blaues Funkeln. Feuchte Lippen, keinen Zentimeter von meinen eigenen entfernt. „Aber ich … ich wollte es. Ich wollte dich küssen.“ Bevor ich etwas erwidern kann, küsst er mich ein weiteres Mal. Leidenschaftlicher. Intensiver. Fordernder. Seine Zunge dringt mühelos in meinen Mund, löst ein Feuerwerk in mir aus, das mich so aus der Bahn wirft, dass ich keuchen muss. Seine Finger lösen sich, wandern zu meinem Gesicht, er hält meine Wangen zwischen seinen Händen – er hält mich fest. Und ich? Ich versuche zu erwidern, was er vorgibt. Dieses Tempo, das dafür sorgt, dass mir schwindlig wird.   Würde ich nicht schon liegen, würde ich es spätestens jetzt tun.   Meine Finger verfangen sich in seinem Haar, er keucht, drückt sich mehr gegen mich. Wird wilder. Und ich habe das Gefühl zu zerfließen. Alles fühlt sich heiß an. Mein Puls rast, rauscht in meinen Ohren.   „Fuck“, zischt er leise, und dieses Mal fühle ich mich nicht im Stande dazu, meine Augen zu öffnen. Für einen kurzen Moment verspüre ich die Angst, dass er sich wieder zurückzieht, denn er bewegt sich, doch ich stöhne ein weiteres Mal auf, als ich seine Lippen an meinem Hals spüren kann. Er saugt an meiner Haut, knabbert, leckt und ich werfe intuitiv den Kopf weiter nach hinten, um seinem Mund so mehr Platz bieten zu können. Das hier fühlt sich so gut an. So unbeschreiblich gut.   „Du bist so ...“, haucht er gegen mein Ohr, das er kurz darauf spielerisch zwischen seine Lippen nimmt, „so verflucht scharf. So verdammt sexy, Sasuke …“ Mit einem Ruck drückt er sein Becken nach vorne – ich spüre seine Erregung ganz deutlich – und zwingt mich somit dazu, meine Augen zusammenzukneifen.   Das hier muss ein Traum sein. Naruto ist nicht so. Er würde mir nicht solche Dinge ins Ohr flüstern. Er würde sich nicht immer schneller auf mir bewegen und stöhnen. Das würde er niemals tun. Denn in der Realität, in der wir leben, ist Naruto alles andere als das hier.   „Fuck, ich will …“, keucht er und entfernt sich dann ohne Vorwarnung von mir. Der Druck auf mir verschwindet. Ich höre nur seine angestrengte Atmung und als ich die Augen öffne, darauf gefasst, dass er gleich ausrasten wird, vergesse ich es für einen Moment lang, Luft zu holen. Er zieht sich sein Shirt über den Kopf, atmet immer noch schnell und sieht mich an. Seine Lippen sind geschwollen, seine Haare wirr, seine ohnehin hellen Augen leuchten regelrecht – Gott, er sieht aus wie ein Sexgott. Und dieser Blick. Er ist so intensiv, dass meine Jeans schon alleine von diesem Anblick enger wird.   „Ich … ich will …“, er fährt sich mit der Hand durchs Haar, schüttelt dann den Kopf und dreht sich herum. Wird er jetzt gehen? Mich alleine lassen? Findet er das hier abstoßend? Ich richte mich auf, betrachte seinen muskulösen Rücken, sehe, dass er sich bewegt und habe das Gefühl, dass mein Herz stoppt. Doch nur für einen kurzen Augenblick, denn er verlässt nicht wie erwartet den Raum, sondern dreht den Schlüssel herum.   Hat er uns eingeschlossen?   „Ich will das hier ...“, höre ich ihn sagen. Sein Rücken ist mir nach wie vor zugewandt. „Ich will das hier schon länger.“ Redet er mit mir? Mit sich selbst? „Aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Das alles. Ich weiß nicht, ob ich das hinbekomme. Ich war bisher nur mit Frauen im Bett … und … keine Ahnung, seit Kiba mir gesteckt hat, dass … dass es Typen gibt, die auf mich stehen, habe ich darüber nachgedacht.“ Daraufhin schweigt er. Will er, dass ich etwas dazu sage? Er dreht sich auch immer noch nicht zu mir um. „Bei dir … bei dir habe ich oft daran denken müssen. Wie es wäre, verstehst du? Und jetzt“, er schnauft, „nach diesem Kuss … will ich es noch mehr. Das macht mich wahnsinnig. Obwohl ich genau weiß, dass ich nicht schwul bin …“ Mein Herz schlägt immer schneller. Wort für Wort. Silbe für Silbe, und als er sich schließlich zu mir umdreht, habe ich das Gefühl, dass etwas in meiner Brust explodiert.   Ganz langsam kommt er auf mich zu.   „Und da du nicht wegläufst … denke ich, du willst es auch.“   Du weißt gar nicht, wie sehr ich es will. Wie lange ich mir das hier gewünscht habe. Du hast nicht die geringste Ahnung, Naruto Uzumaki.   Meine Augen weiten sich, als er nach meinem linken Arm greift und mich zurück auf sein Bett drückt – in eine Position, in der gezwungen werde, meine Beine auf die Matratze zu legen.   Was tut er? Warum sieht er so ernst aus?   Ich will etwas sagen, doch ich kann nicht.   „Und deshalb“, spricht er leise, während seine Hände über mein Bein streichen, runter zu meinen Füßen, an denen ich noch immer Schuhe trage, „deshalb denke ich, dass wir es tun sollten.“ Mein Mund öffnet sich, als er sie von mir zieht.   Was sollten wir tun? Was meint er damit?   Ich zucke zusammen, als ich seine Finger an meinem Gürtel spüre.   Öffnet er wirklich gerade meine Jeans?   „Sasuke“, sagt er und seine Stimme klingt dabei rauer als zuvor, „sieh mich an.“   Was zur Hölle? Das hier kann nur ein Traum sein. Niemals im Leben ist Naruto so … so … Ein erschrockener Laut verlässt meinen Mund, da er mir einfach auf die Unterlippe beißt.   „Sasuke“, haucht er, während er weiterhin mit einer Hand versucht, meine Hose nach unten zu zerren. „Küss mich endlich. Küss mich und zeig mir, dass du das auch willst.“ Ich schließe ergeben die Augen. Was soll ich dagegen tun? Was würde ich dagegen überhaupt tun wollen? Ich will das hier. Ich will es so sehr, dass sämtliche Nervenenden bis aufs Äußerste gereizt reagieren, bei jeder Berührung, die mich trifft. Jeder Atemzug, der meine Haut streift. Ich bin schwach. Wunderbar schwach in seinen Armen. Und ich küsse ihn. Taste fahrig mit den Händen über seinen makellosen Oberkörper – spüre, wie die Muskeln unter meinen Berührungen zusammenzucken – bis hin zum Bund seiner Hose, wo ich sie kurz ruhen lasse.   Erst jetzt öffne ich wieder die Augen. Blicke geradewegs in seine, die mir signalisieren, dass es okay ist, weiterzugehen. Dass es okay ist, dass ich seine Jeans öffne und sie mit seiner Hilfe nach unten ziehe.   „Fuck … Sasuke, bitte …“ Ich schlucke, als er sich kurz zurücklehnt, um seine Hose samt Shorts komplett auszuziehen. Ich sehe ihn … ganz. Nackt …   Schwindel überkommt mich, als er auch meine Jeans und Shorts von mir zerrt.   „Dein Shirt“, sagt er rau und greift im selbem Moment danach, um es über meinen Kopf zu ziehen.     Wir sind nackt. Komplett nackt. Ich kann nichts dagegen tun, dass Unsicherheit in mir aufsteigt. Er sieht mich. Er mustert mich, betrachtet meinen Körper, der unter seinen Blicken noch wärmer zu werden scheint.   Findet er mich hässlich?   „So verflucht sexy … fuck“, zischt er und wirft sich dann mit einem Mal gegen mich. Er presst mir sämtliche Luft aus den Lungen – und ich habe nicht einmal die Chance zu atmen, da er sofort damit anfängt, mein Gesicht mit Küssen zu übersähen. Seine Lippen streifen meine Wangen, meinen Kiefer, er wandert zu meinem Mund, küsst mich überall und lässt mich alles vergessen.   Ich bin nur noch im Stande, zu fühlen. Seine Erektion, die sich gegen meine drückt, die Hitze, die er mit jeder Reibung erzeugt, sein Keuchen, das gegen meine Haut schlägt und im Kontrast mit dem Feuer steht, das in mir lodert.   „Naruto“, stöhne ich halb überfordert, weil mich diese Empfindungen völlig unkontrolliert überrollen.         Ich habe das Gefühl, in Flammen zu stehen. Ich schwitze – wir schwitzen – mein Herz schlägt angestrengt in meiner Brust. Die Musik läuft immer noch leise im Hintergrund, wird jetzt erst wieder bewusst von mir wahrgenommen, da er sich erneut aufrichtet und mich ansieht.   „Bist du … bist du …“, fängt er an, doch presst dann die Lippen aufeinander.   Bin ich was?   „Was meinst du?“, erwidere ich leise.   „Hast du sowas schonmal gemacht?“ Ich blinzle.   Nein. Das habe ich nie. Niemals zuvor habe ich so etwas getan. Mit niemandem.   „Was gemacht?“ Seine Wangen, die vorher schon gerötet waren, bekommen noch mehr Farbe. Er dreht den Kopf zur Seite.   „Mit einem Mann geschlafen …“, murmelt er. Jetzt brennen auch meine Wangen.   Praktisch … praktisch habe ich …   „Ja.“ Schließlich ist es keine komplette Lüge. Zwar war ich es, der mit einem Dildo Erfahrungen gesammelt hat, doch das muss er nicht wissen.   „Okay“, atmet er aus und dreht sein Gesicht dann wieder zu mir. „Okay … und willst du … willst du mit mir … also ich meine …“ Ist er verlegen? Ich weiß nicht, woher mein Mut kommt, doch ich muss leicht grinsen.   „Hast du Gleitgel und Kondome?“ Keine schöne Frage, die ich ihm stelle, denn so muss ich unweigerlich an sie denken, doch es ist nötig.   „Ja …“ Es wird kurz still zwischen uns, wir blicken uns einfach nur gegenseitig in die Augen, ehe er neben sein Bett greift und die oberste Schublade seiner Kommode öffnet.   „Das ist … das ist echt abgefahren“, sagt er. Seine Hände zittern, als er mir das Gel und Kondom reicht. „Ich meine … ich bin … ich weiß nicht, ich bin … wow. Ich weiß nicht. Ich will das … ich will mit dir … wow. Ich kann es gar nicht beschreiben.“ Sein Gebrabbel gibt mir genügend Selbstvertrauen, das Ruder zu übernehmen. Ich richte mich ebenfalls auf, knie mich vor ihn und stoße ihn leicht nach hinten, so dass er eine sitzende Position einnimmt.   „Lass mich machen“, hauche ich gegen seine Lippen, kurz bevor ich mich auf seinen Schoß setze und nach seinem Schwanz greife. Ich massiere ihn, während ich ihn gleichzeitig dazu animiere, mich zu küssen, was er nach kurzem Zögern auch tut. Er zieht mich näher zu sich heran, seine Hände klammern sich an meine Hüfte.   „Gib mir deine Hand“, sage ich leise. Er sieht mich kurz verwundert an, doch dann tut er, was ich von ihm verlange. Ich verteile Gel auf seinen Fingern – seine Augen werden dabei immer größer – und dirigiere seinen Arm hinter mich. „Massier mich … hier.“ Ich lasse seine Finger gegen meine Öffnung gleiten, spüre, dass er kurz zusammenzuckt. „Dring in mich ein“, hauche ich und werfe meine Arme dann um seinen Nacken, um einen weiteren Kuss zu entfachen.   Ich zerre an seinem Haar, ziehe und werde hemmungsloser, als seine Finger in mich eindringen.   Gott, das fühlt sich so gut an. So verflucht gut. Unsere Schwänze reiben aneinander, ich stoße vor und zurück, lasse mich von seinen Fingern ficken, während er sich mit seiner freien Hand an mir festklammert und seine Zunge um meine kreisen lässt.   Doch dann lehnt er sich zurück, blickt mich an, während er seine Bewegungen fortsetzt. Seine Lippen sind leicht geöffnet, seine Augen auf Halbmast – er sieht so scharf aus, dass ich die Befürchtung habe, bald zu kommen, wenn dieses Spiel noch länger dauert.   „Sasuke“, haucht er und hält dann inne. „Wann … wann …-“ Ich schneide ihm das Wort ab, indem ich um seine Erektion greife und ihn erneut küsse.   Ich bin bereit. Ich bin mehr als bereit.   Nur kurz massiere ich ihn, ehe ich nach dem Kondom greife und es aufreiße, um es ihm vorsichtig überzuziehen. Auch das Gleitgel verteile ich großzügig.   Sicher wird es wehtun … doch das tut es immer am Anfang.   Ich spreize die Beine weiter, rutsche höher, greife hinter mir nach seiner Erregung, führe sie an die richtige Stelle.   Gleich ist es soweit … gleich werde ich mit ihm schlafen. Mit meinem Traummann. Das hier kann nur ein Traum sein. Aber das ist egal. Ich will es.   Wir stöhnen beide auf, als ich mich langsam auf ihm sinken lasse – seine Hände zittern, meine Finger drücken sich gegen seine Schulter – und ich kneife die Augen zusammen, während ich versuche, den stechenden Schmerz zu ignorieren, der sich durch meine Kehrseite zieht.   „Fuck … fuck. Oh fuck, Shit. Das ist eng. Das ist eng“, zischt er und atmet schnell. „Sasuke!“   „Gleich“, presse ich hervor, nehme die letzten Zentimeter in mich auf und hole dann tief Luft. „Warte ...“ Ein zitternder Atemzug verlässt meine Lippen.   „Fuck, Sasuke … ich glaub ich komme …“   „Noch nicht … warte noch …“ Er stöhnt auf, klammert sich noch fester an mich, als ich anfange, mich auf ihm zu bewegen. Ich werfe den Kopf in den Nacken und begrüße diesen Schmerz, diesen wunderbar erregenden Schmerz, ihn so tief in mir spüren zu können …   „Oh Shit, bitte. Oh Gott.“ Ich keuche bei seinen Worten, bewege mich noch schneller, fühle diese unbeschreibliche Hitze im Zentrum meines Bauches, die schon beinahe ausreicht, um mich zum Kommen zu bringen. Es ist zu gut. So unbeschreiblich gut. Er füllt mich aus, er fickt mich, er saugt an meinem Hals, massiert meinen Hintern im Takt seiner Stöße.   „Naruto“, stöhne ich heiser. „Hör nicht auf, bitte.“   „Sas … Sasuke … ich …“ Seine Stimme wandelt sich, wir höher, als er schließlich in mir pulsiert. Er kommt. Er kommt in mir. Während ich auf ihm sitze.   Wie surreal …   Ich löse eine Hand von seiner Schulter, greife nach meiner Erregung und fange an, sie zu pumpen. Ich will kommen. Ich will auf ihm kommen. Und schließlich tue ich es. Erreiche meinen Höhepunkt zwischen uns, diesen unsagbar geilen Orgasmus, der sich in Erschöpfung verwandelt und mich dazu bringt, meine Stirn gegen seine klammen Schulter zu pressen, heftig atmend.   Ich kann seinen schnellen Puls unter meinen Fingerspitzen fühlen. Sein Herz schlägt genauso fest wie mein eigenes.   Es ist ein unwirkliches Gefühl. Ein wunderschönes, von Glück besessenes Gefühl, das sich in mir breit macht.   Ich habe mit Naruto geschlafen. Ich habe es wirklich getan …   Völlig überraschend. Ohne, dass ich es auch nur im Ansatz vermutet hätte.   Als er sich zurücklehnt, sich auf die Matratze sinken lässt, noch immer mit mir vereint, schmiege ich mich an ihn.   Ich war noch niemals zuvor so glücklich. Ihn zufrieden seufzen zu hören, seine Finger spüren zu können, die über meinen Rücken streicheln …   Wenn ich jetzt sterben würde, dann wäre es der beste Tod, den ich mir nur wünschen kann.   „Wir ruhen uns aus, kay?“, höre ich ihn nuscheln und lächle.   Ja … wir ruhen uns aus. Für jetzt. Am besten für immer. Nur wir beide.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)