Switch! von Yidas (Im Körper meines Freu... nein, Feindes!) ================================================================================ Kapitel 6: Dein Leben --------------------- „Guten Morgen! Es ist 6:00 Uhr.“ Ich weiß. „Heute rechnen wir mit einem Niederschlag von 70%. Die Temperaturen werden die 22 Grad nicht übersteigen.“ Ach echt? "Ihr Tagesplan für heute…“ SCHNAUZE! Genervt und schnaubend setzte ich mich auf und raufte mir die Haare. Wie konnte man sich nur so einen bescheuerten Wecker anschaffen?! Da war man ja schon gestresst, wenn man zum allerersten Mal an diesem Tag die Augen aufschlug! Kein Wunder, daß Kaiba immer so miesepetrig war. Wär ich auch! Das Ding, das Weib musste ich irgendwie abschalten und zwar für immer! Warum eigentlich ein Weib? Egal… ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte, ich musste in die Schule. Außerdem mussten Kaiba und ich heute noch klären, wie es weiter ging. Ich wollte unbedingt mit ihm über Yami reden. Vielleicht wusste er wirklich mehr über diese Kanope, als er am Ausflug zugegeben hatte. Zumindest war das irgendwie unsere letzte Hoffnung. Ich wollte gar nicht daran denken, wie es weiter ging, wenn er auch keinen Ausweg wusste. Wie gestern schon zogen sich die Rolläden von ganz alleine hoch. Würde ich nicht wissen, daß Seto eine Firma leitete, würde ich sagen der Kerl war faul. Aber es war ja nicht so. Müde streckte ich mich einmal der Länge nach, schmatzte und gähnte lautstark, rieb mir den restlichen Schlaf aus den Augen. Ich schlug die Decke beiseite und schlurfte ins Bad. War irgendwie angenehm nicht quer durchs Zimmer zu fallen. Ich sollte zu Hause vielleicht doch ab und an mal aufräumen. Als ich ins Bad ging musterte ich mich wieder. Von oben bis unten. Und… „Olala! Kaiba altes Haus! Doch nicht so gefühlskalt was?“ Zumindest sein Körper nicht. Das Zelt war mir unter Decke war mir beim Aufstehen gar nicht aufgefallen! Was zum Geier hatte ich geträumt?! Musste wohl ziemlich gut gewesen sein. Lachend über diese Tatsache vernichtete ich dieses… doch recht explizite Gefühl mit einer kalten Dusche. Es wäre mir und Seto peinlich, wenn der Zustand anhalten würde. Wobei… wäre er nicht so ein Charakterschwein, könnte ich mir vielleicht sogar überlegen mich an ihn ranzuschmeißen. Kurz dachte ich darüber nach, malte mir aus, wie Seto wohl im Bett war. Bestimmend, er gab ganz bestimmt den Ton an, herrisch… leidenschaftlich auf seine Weise mit einer gewissen Brutalität. Wieso konnte ich nicht das Wort sanft mit ihm verbinden? Hm… Nein, nein nein! Blödes Kopfkino! Es war beängstigend, wie mich das anmachte! Was ein Elend… Ich war so genervt von mir selbst! Diese Situation ließ mich Gedankengänge haben, die ich nie zuvor auch nur mal ansatzweise in Erwägung gezogen hatte! Ich schnappte mir das Handtuch, was ich vorher schon über das Waschbecken geworfen hatte, trocknete mich ab und zog mich an. Alles schön und gut. Die Schuluniform war Pflicht, also war nichts mit coolen, wehenden, sich der Schwerkraft wiedersetzenden Mantel. Ich wollte wirklich wissen, wie Kaiba das immer veranstaltete, daß er immer so perfekt aussah. Wobei, bei den ganzen Tuben und Cremes hier… Eines fiel mir aber sofort ins Augenmerk. Etwas, was ich gestern noch nicht gesehen hatte. Ein Medikament. Tabletten. Roland schoss mir in den Kopf. Der erwähnte gestern schon irgendwas von irgendwelchen Tabletten, die Kaiba angeblich ja immer nahm. Das waren sie wohl. Zögerlich griff ich mir die Packung. Irgendwie fühlte ich mich schuldig. Zählte das schon als Schnüffeln? Aber was, wenn es nicht Setos Psyche betraf, sondern etwas anderes? Das Zögern verflog. Ich nahm mir die Packung, konnte mit dem Namen allerdings nichts anfangen. Ich nahm die Packungsbeilage heraus und faltete diesen riesenhaften Zettel auf. Je weiter ich las, desto mehr Angst bekam ich, desto mehr wurde mir bewusst, daß Kaiba auf keinen Fall perfekt war! Der Schein trügte! Und wie! Das einzige was an Kaiba perfekt war, das war seine Maske, die er jeden Tag aufsetzte. „…Müdigkeit, Abgeschlagenheit und stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Atemnot, Bluthusten… mögliche Nebenwirkungen sind…“ Ich war erstarrt. Ich kannte die offizielle Diagnose nicht, aber alleine die ersten paar Sätze reichten aus um zu verstehen, was mit Kaiba nicht stimmte. Ich drehte die Packungsbeilage um und las weiter. Sie bestätigte alles, was das Durcheinander in meinem Kopf sich schon zusammen gesponnen hatte. „… wird verschrieben bei Herzfehlern. Bitte nehmen Sie morgens und abends jeweils eine Tablette zu Ihren Mahlzeiten ein.“ Fassungslos fiel mir der Zettel aus der Hand. Ich hielt mich krampfhaft am Blister Tabletten fest, den ich in meiner Hand quasi zerquetschte. Ich sah in den Spiegel und brauchte wirklich einen Augenblick, bis ich wieder einigermaßen zu mir kam. Wie schaffte er das? Wie konnte er eine Firma leiten, sich um seinen kleinen Bruder kümmern, großer Bruder sein, Turniere veranstalten und sich dabei so derbe verstecken? Sich nichts anmerken zu lassen? Kaiba lehnte aus Prinzip jede Hilfe ab, die man ihm anbot. War es deswegen? Und ich dachte, ich hätte Probleme! Ich mein, ich hatte ja welche, aber das?! Mir… mir ging es zumindest körperlich gut… Wie belastend musste das sein, wenn man immer nur zurück stecken musste? Wie musste es sein, wenn man sein ganzes Selbst aufgab, damit es der kleine Bruder gut hatte und das Jugendamt ihn nicht holen kam? Hatte er deswegen die Narbe? War Kaiba Operiert? Zum ersten Mal verstand ich, daß Seto Kaiba, unser Arsch vom Dienst, vielleicht gar nicht so arschig war, wie ich eigentlich dachte. Unbewusst strich ich über diesen kleinen Makel auf Kaibas Brust. Fast schon erfürchtig. Kaiba war mächtig, erhaben und besaß Größe, keine Frage, aber jetzt begriff ich, daß seine wahre Stärke ganz wo anders lag.Wir mussten wirklich dringend reden! Er konnte und durfte mir das, jetzt wo ich in seinem Körper steckte nicht verheimlichen. Was wenn ich da drin abkratzte?! Dann wars das! Im Gegenzug musste ich ihm aber auch von meinem Vater erzählen. Würde ich es nicht tun, war das genauso unfair. Kurzum steckte ich mir den Blister in meine Jackentasche. Packte diesen blöden, silbernen Koffer und lief nach unten, wo mir Mokuba schon wieder um die Beine sprang. „Guten Morgen Seto! Frühstückst du mit mir?“ „Moin, moin kleiner Mann! Klar. Komm.“ Immer noch benommen von dem Schock, versuchte ich nun, mir nichts weiter anmerken zu lassen. Es gelang mir aber nicht, wie es schien. Alleine meine Begrüßung ließ Mokuba schon komisch drein schauen. „Fühlst du dich nicht gut? Ist alles in Ordnung? Hast du…“ „Ja hab ich. Mokuba…“ Die Tabletten. Er wusste es also. Ich setzte mich auf Setos Platz. Direkt gegenüber von Mokuba und sah mich erst einmal um. Hier war es anders, als in den Räumen, die ich schon von der Villa gesehen hatte. Zwar auch alles weiß, aber die Einrichtung war sehr antik. Die Möbel waren verschnörkelt gearbeitet, auch hier hingen Spiegel, die ebenso alt waren. Wie auch unzählige Gemälde von verschiedenen Künstlern. Richtig romantisch angehaucht. Die Terrassentür stand weit offen. Von hier aus, konnte man in den Garten, oder besser gesagt in den Park, den ich gestern schon von Kaibas Zimmer aus bewundert hatte. Es wehte ein seichter Wind, der vereinzelt Kirschblütenblätter in den Speiseraum tanzen ließ. Einige verfingen sich in Mokubas schwarzer Mähne, was mich lächeln ließ. Der Kleine war einfach nur niedlich. Diese Freude darüber, daß er mit seinem großen Bruder wenigstens zusammen frühstücken konnte, ließ mein Herz erwärmen. Sowas gab es bei mir zu Hause nicht. Diese Liebe und diese Wärme. Vor mir lag die aktuelle Tageszeitung. Der Wirtschaftsteil war schon aufgeschlagen. Eine Bedienstete schenkte mir Kaffee ein, den ich dankend annahm. Der Tisch war reich gedeckt an Leckereien. Mokuba griff auch beherzt zu. So wie auch ich! Ich konnte mich gar nicht satt sehen an diesen vielen bunten Sachen! Auch etwas, was ich nicht hatte! Ein ausgiebiges Frühstück jeden Morgen! Ich nahm mir Brötchen, Eier, Speck, Käse… Marmelade und Nutella! Unglaublich war das hier! Natürlich sah man mich verdattert an. Was war denn jetzt schon wieder? „Seto?“ „Ja Mokuba?“ „Seit wann isst du morgens? Vor allem so viel?! Die Zeitung hast du auch nicht angefasst.“ Perplex sah ich Mokuba an und blinzelte. Seto frühstückte nicht? Warum nicht? In der Packung stand doch morgens und abends… zu den Mahlzeiten! Wie leichtsinnig war das denn bitte?! „Naja, ich denke, ich sollte, etwas mehr auf mich achten.“ Mokubas Augen erhellten sich schlagartig. Die Herzlichkeit um seine Lippen war so echt und so wahrhaftig, daß ich neidisch wurde. Wenn Seto das nur sehen könnte. Auch das war ein Moment gewesen, über den ich noch viel nachdachte, als Roland Mokuba an seiner Schule absetzte. Wir fuhren weiter zu meiner. Als die Limousine hielt, stieg ich aus und sah von weitem schon Seto alleine auf dem Schulhof stehen. Die Hände auf den Knien abstützend, schwer atmend und nach Luft ringend. Schweiß perlte seine Stirn herunter über das Kinn und tropfte zu Boden. Ich wusste nicht, was passiert war. Wieso er aussah, wie ein aufgescheuchtes Tier. Sah ich auch immer so aus wenn er… wenn ich… Da wusste ich es. Mein Vater! Verdammte Scheiße! Ich war nicht besser als Kaiba! Ich hatte den gleichen Fehler begangen wie er! Ich hatte etwas Wichtiges verschwiegen. Langsam lief ich auf ihn zu, ließ ihn noch einen Moment in seiner Verletzlichkeit. Solange, bis ich ihn dann doch ansprach. „Guten Morgen Kaiba.“ Er drehte sein Gesicht zu mir, sah mir diekt in die Augen und richtete sich auf. Er sprach kein Wort mit mir. Kein Einziges und das amchte die Stille so erdrückend zwischen uns. Er schien mich auf eine Art zu mustern, die noch herablassender, noch gemeiner und noch angeekelter war, als sonst. "Kaiba es tut mir... wirklich ich..." Ich fand meine Sprache nicht. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich spürte mein Herz bis zum Hals schlagen. Dieses kranke, schwache Herz. Es erdrückte mich. "Mir auch." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)