Switch! von Yidas (Im Körper meines Freu... nein, Feindes!) ================================================================================ Kapitel 20: Perfektion ---------------------- Ganze 2 Monate saß ich nun jeden Tag an Kaibas Bett im Krankenhaus. Meine Freunde löcherten mich mit Fragen um Seto, ich war aber nur in der Lage, knappe Antworten zu geben. Der Einzige mit dem ich mich wirklich über diese Sache unterhalten konnte war Yugi. Es war klar gewesen, daß Yami ihm alles erzählte. Dennoch erklärte das den anderen nicht, wieso ich gerade wegen meinem angeblichen Erzfeind No. 1 so besorgt war. Eigentlich müssten meine Erinnerungen an diesen Tag langsam, emotional gesehen, verblassen, aber sie taten es nicht. Ich fühlte mich noch immer so, als wäre es genau eben passiert. Als ich erkannte, wer ich wirklich war, oder besser gesagt, einst gewesen war, Seth zu mir gehörte und ich zu ihm. Wenn ich so darüber nachdachte und es jetzt mit meinem Wissen betrachtete, dann war es so offensichtlich gewesen. Wir stritten immer! Wirklich immer! Es war meine Art von ihm Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich spürte bei ihm, daß ich lebte und nicht mein tristes Leben einfach daher vegetierte. „Wach doch bitte auf…“ Ich sollte dort liegen an seiner Stelle. Es machte mich fertig, ihn so zu sehen. Seto war kalkweiß, seine Gestalt schien mehr tot, als am Leben, auch wenn die Geräte hier etwas ganz anderes sagten. Ich saß auf einem Stuhl vor seinem Bett. Ich war sofort nach der Schule zu ihm gefahren. Mit meinem Drahtesel. Das Ding fuhr tatsächlich noch, obwohl es durch Kaibas brutale Attacke krumm und schief geworden war. „Bitte.“ Als ich vor dem Grab meines Vaters stand, da brüllte ich alles Leid in mir heraus. Solange, bis sich meine Stimme überschlug. Solange, bis Setos Herz kurz aufhörte zu schlagen. Ich dachte in diesem Moment nicht an seine Krankheit. Rechnete überhaupt nicht damit, daß so etwas passieren konnte. Seto war doch perfekt! Sein Schein nach Außen war perfekt, aber innen drinnen, da war er alles andere als perfekt! Er war ein gebrochener Mann. Eines aber wusste ich, niemand war vollkommen! Man konnte nur versuchen die Perfektion an sich zu erreichen. Der Weg dahin war das, was einen Menschen auszeichnete. Daher wusste ich, er war perfekt für mich! „Diese bescheuerte Kanope.“ Ich verfluchte sie. Wären wir doch nie in dieses Museum gegangen! Hätte ich diese Klassenfahrt doch einfach geschwänzt! Das konnte ich doch so gut! Verzweifelt strich ich mir die Haare zurück, nahm einzelne Tränen dabei mit. Ließ mich zurück an die Lehne des Stuhls fallen und sah zur Decke deren Halogenleuchten unbarmherzig auf uns schienen. Weiß… alles war weiß. Setos Lieblingsfarbe war weiß… Meine Gedanken waren so durcheinander, daß ich Mühe hatte sie zu sortieren. Nicht mal anständige Sätze bekam ich zusammen. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. „Hey Joey… du bist ja schon da.“ Mokuba. Wie jeden Tag. Es war fast schon zu einem Ritual geworden, daß wir uns hier trafen. Vom Jugendamt aus, sollte ich eigentlich schon längst bei Yugi wohnen, aber ich schaffte das einfach nicht. Ich konnte und wollte Mokuba nicht alleine lassen. Ich hing an ihm und er an mir. Ab und an, da schlief er sogar bei mir im Gästezimmer. Immer dann, wenn er in seiner Traurigkeit wegen seinem großen Bruder erstickte. Ja einmal sogar, da hatten wir uns beide in den Schlaf geweint. Ganz bestimmt wusste Mokuba schon bescheid, was mich und Seto betraf. Wahrscheinlich schon eher, als wir selbst. So wohnte ich also weiterhin bei den Kaibas, aber auf dem Papier bei Yugi. Eines musste man Seto lassen, er dachte an alles für den Fall der Fälle. Und genau das war so ein Fall. Wie konnte man nur so weitsichtig sein? Ich könnte wetten, daß er selbst sein Testament in den jungen Jahren schon notariell hatte beurkunden lassen. Seto Kaiba, immer auf der sicheren Seite! Allein für diese Art hätte ich ihm früher eine reinschlagen können! Er sah immer so aus, als würde er sein Leben nicht genießen. Nicht einfach mal die Füße hochlegen, oder feiern gehen, so wie jeder andere auch. Nein, er pinnte sich an seinen Chefsessel fest. Ich schwöre dir Seto, wenn du aufwachst, dann gehen wir verdammt nochmal unser Leben genießen! Wenn du mich lässt. Ich zeige dir, wie es ist, einfach nur zu Leben. Ich wollte dir zeigen, daß du auch einfach mal nur du selbst sein kannst. „War der Arzt schon da?“ „Ja. Er sagt, daß er eigentlich bald aufwachen sollte.“ Aber nichts passierte. Noch einen ganzen Monat nicht. Die Maschine, die für die Beatmung verantwortlich war, wurde schon vor gut ein paar Wochen abgenommen, da Seto angefangen hatte, wieder selbstständig zu atmen. Selbst im Koma lag er nicht mehr. Er schlief einfach nur. Tief und fest. Irgendwie kam es mir so vor, als würde er auf etwas warten. Wieder saß ich bei ihm. Der Sommer war schon längst vorbei, es wurde Herbst. Die Temperaturen draußen waren wieder kühl geworden und es regnete fast jeden Tag. Es wurde früher dunkel, was jeden dazu veranlasste, sich nach der Schule oder Arbeit einfach gemütlich zu Hause zu verkriechen. „Hey Seto!“ Mittlerweile redete ich mit ihm. Erzählte ihm, wie mein Tag war, was Mokuba alles durchmachen musste. Daß ich den Pizzajob geschmissen hatte, um mich mehr um ihn kümmern zu können. Ab und an, da brachte ich ihn sogar zum Lachen. Da konnte er zumindest für diesen Moment vergessen, daß du nicht da bist. Bei uns. Selbst meine Freunde kommen dich nun ab und an besuchen. Krass, oder? Wenn du wach wärest, würdest du sie rausschmeißen, nicht wahr? Oder aber du würdest dich insgeheim freuen und einfach nur wieder deine raue Schale raushängen lassen. So richtig Kaibalike. Ich wollte einfach nicht aufhören an dich zu glauben. Müde vom Tag, der jetzt schon zur Nacht wandelte, stand ich auf und seufzte. Ich strich dir eine braune Haarsträhne zur Seite. Du sahst so seelig aus. Ich lächelte deswegen. Es war weit nach 21 Uhr, als ich mir einen Kaffee unten am Automaten holte. Selbst die Namen der Krankenschwestern kannte ich schon auswendig. Ab und an unterhielt ich mich mit ihnen, floh aber immer, wenn sie mir unangenehme Fragen über dich stellten. In welchem Verhältnis stehen sie zu Seto Kaiba? Geht euch nichts an. Können sie ihm diese Karte an sein Bett bringen? Klar. In Fetzen! Ist Seto Kaiba Single? Wenn er aufwacht nicht mehr! Es nervte mich tierisch. Wie die Aasgeier! Ich zog zwei schwarze Kaffee aus dem Automaten. Für mich einen und für Seto. Ich tat das immer. Es gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Genauso wie die Tatsache, daß ich ihm jeden Tag die Zeitung aufs Zimmer brachte. Ich wusste das war dumm, aber ich wollte einfach, daß falls es wirklich so war, er vielleiht irgendwas um sich herum mitbekam und etwas Vertrautes hatte. „JOEY! JOEY komm schnell!“ Ich hielt inne, als ich Mokubas Stimme hinter mir hörte. Langsam drehte ich mich um und sah ihn an. Er klammerte sich an das Treppengeländer neben ihm. Er weinte… und er lächelte! Er lächelte! „Seto..“ Ich wisperte seinen Namen, als wäre er heilig. Die Kaffeebecher fielen mir aus der Hand. Hinterließen riesige schwarze Lachen auf dem Fließenboden unter mir. Mein Herz schlug mir bis zum Hals! Mein Puls glich einer Nähmaschine! Ich musste zu ihm… ungläubig von der Nachricht lief ich erst langsam, bis ich auf Mokubas Höhe war. Er sah mich an. Ich haderte mit mir selbst. Hatte Angst vor diesem Moment. Mokuba schien das zu merken. „Jetzt geh! Er hat nach dir gefragt!“ Benommen starrte ich die unzähligen Treppen vor mir an, die hoch in das Stockwerk und Zimmer führte, in dem Seto lag. Ich rannte, ich stolperte, ich fiel. Endlich war ich da, ich riss die Tür auf und da sah ich sie. Diese blauen Augen. „So blau wie das Meer.“ „Hallo… Sonnenkind.“ „3 Monate.“ „Ich weiß.“ Krampfhaft hielt ich mich am Türrahmen fest, sackte dann aber, als ich endlich bei ihm war auf die Knie und hielt mich an seinem Bett fest. Aus Erleichterung, vor Freude, und weil ich weinte. Ich weinte um ihn. Es waren drei Monate. Wie damals. In Ägypten. Wir waren nicht vollkommen. Wir konnten nur versuchen die Perfektion an sich zu erreichen. Der Weg dahin, war das was uns ausmachte. Jetzt wussten wir beide, daß unsere Perfektionen die Schwächen des anderen waren. Denn nur Schwächen verführten uns zu Fehlern, und nur aus Fehlern lernte man. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)