Fachidiot von JiskahRedHood (Die Schmieden von Dravasuum) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Jeder Tropfen Blut gefror in seinen Adern zu Eis, auch wenn seine Ohren die Worte der Ellydre gehört hatten, wollte sein Verstand sie nicht wahr haben. Das konnte, nein, das durfte nicht wahr sein. Philipp schoss so schnell von seinem Stuhl in die Höhe dass dieser ins Schwanken geriet und laut klappernd zu Boden fiel. Sekunden fühlten sich an wie Minuten, Minuten wie Stunden. Niemand sprach auch nur ein Wort bis die Stille letztlich unerträglich wurde. „Sag dass das nicht wahr ist!“, wütend packte er Lilly an den Schultern und riss sie so abrupt herum das sie keine andere Chance hatte als in sein Gesicht zu blicken, etwas das sie gerne vermieden hätte. „Du lügst doch! Woher willst du das wissen?!“ In ihren Augen spiegelte sich Trauer wieder, Trauer darüber zu sehen das ein junges Leben zu Ende ging, und wie sehr ihr Freund gegen die Wahrheit ankämpfte. Behutsam legte sie ihre Hände auf seine Oberarme. „Ich habe es gesehen, es in ihrem Blut gelesen. Sie ist dem Tod näher als dem Leben.“ Die Fingerkuppen auf ihren Schultern bereiteten ihr Schmerz, so fest drückten sie auf sie ein. Lilly wehrte sich nicht dagegen. Erneut verging ein ewig wirkender Augenblick bis Philipp seinen Griff lockerte und hinab auf Louisa sah. Qualvoll zog sich sein Herz zusammen als würde eine Faust es fest umschließen. Seine ältere Schwester würde sterben, und das nur weil irgend ein betrunkener Mistkerl sie angefahren hatte. Was war noch gleich das letzte was er zu ihr gesagt hatte? Daran konnte er sich nicht mehr erinnern, so sehr er es auch versuchte. Ein Brennen kroch seine Kehle empor. Neben ihm haderte Lilly im Stillen, es war ein riskanter Gedanke, aber sie wollte es versuchen. Beide Hände legte sie behutsam auf den bandagierten Körper der jungen Frau, dabei schloss sie ihre Augen. Noch bevor sie das erste Wort hatte sprechen können biss sie jemand fest ins Bein. Unter einem leisen Schmerzenslaut zuckte sie zusammen und sah hinab zu dem kleinen Fuchs der sie zornig an bleckte. „Was Ihr vor habt weiß ich genau! Lasst es sein! Diesen Menschen kennt ihr doch kaum!“ Niemals hätte Philipp erwartet das ihn noch etwas überraschen konnte, aber ein sprechender Fuchs war dann doch absurd genug. Er starrte das kleine Tier an und stotterte überfordert das geistreichste daher was ihm einfiel. „Du... du kannst ja sprechen!“ Xii knurrte leise, „Ja, nur tue ich es für üblich nicht mit Menschen! Schon gar nicht mit solchen wie dir!“ Müde trat er mit einer Tasse heißem Kaffee hinaus auf den schmalen Balkon des Krankenhauses. An solchen Tagen brauchte er immer dringend viel frische Luft und etwas flüssiges das seine Lebensgeister wieder ermunterte. Selbstverständlich durfte er sich nichts von dem was hier geschah zu Herzen nehmen, das war sein Beruf. Dennoch fiel es ihm manches Mal schwer das Erlebte abperlen zu lassen, wie Wasser von einer Lotosblüte. Doktor Lauenstein atmete die frische Luft des Abends ein und nahm einen großen Schluck Kaffee. Die Ruhe währte nicht lange, er vernahm Stimmen aus einem der nahen Patientenzimmern indem das Fenster auf Kipp stand. Ganz offensichtlich gab es einen angeregten Streit, etwas das ihm sehr missfiel, besonders wenn er seine wohlverdiente Pause machte. Schräg von seiner Position entdeckte er das Fenster welches der Ursprung des ganzen Lärms war. Leicht kniff er seine blauen Augen zusammen, er sah richtig. Da stand ein Mädchen in dem Zimmer mit langem, türkisfarbenen Haar. Die Jugend heutzutage wurde auch immer verrückter dachte er sich und schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß ganz genau was Ihr vorhabt! Wenn sie dem Tod so nahe ist, dann könnt Ihr nichts mehr für sie tun!“ Lilly ließ stumm all die Warnungen ihrer Leibwache über sich ergehen, den Blick nahm sie nicht von Louisas Gesicht. Stille kehrte ein und sie merkte wie alle Augen auf ihr ruhten. Ganz langsam ging sie vor Xii in die Hocke und legte ihr eine Hand auf den Kopf. Sofort wurde sie abgeschüttelt und die nächste Welle von Warnungen würde sicher nicht lange auf sich warten lassen. Lieber ergriff sie davor selbst das Wort. „Xii, ich weiß du meinst es gut, aber du kennst mich besser als jeder andere. Du weißt das ich sie nicht einfach sterben lassen kann, hier stehe und nichts tue. Vertrau mir, ich weiß wann ich aufhören muss, ich will es zumindest versuchen.“ Es brauchte keine Worte um zu wissen das ihr Gegenüber das in keinster Weise billigen würde, aber das war ihre alleinige Entscheidung, und die war gefallen. Lilly erhob sich wieder und nickte Philipp zu. „Wenn du erlaubst, will ich versuchen sie zu heilen.“ Ihre Worte waren noch nicht fertig gesprochen, da packte er sie fest an ihren Schultern. „Was fragst du da noch?! Bitte heil sie!“ Traurig schüttelte sie den Kopf und betrachtete wieder die Sterbende. „So einfach ist das nicht.“ Eine ihrer Hände legte sie auf Louisas Brust und sie kniff dabei leicht die Augen zusammen. „Es sind diese Geräte vermute ich, die sie noch hier halten. Es fühlt sich unnatürlich an.“ Ihr sorgenvoller Blick fand wieder die verzweifelten Augen ihres Freundes. „Sie ist dem Tod näher denn dem Leben, normalerweise wäre ihre Seele schon nicht mehr hier. Ich kann nicht versprechen das ich sie noch erreichen kann. Aber was noch viel schlimmer wäre, würde ich nur einen Teil von ihr heilen, den anderen aber aus dem Totenreich zurück holen... sie wäre nicht mehr die, die du kanntest. Obendrein ist in dieser Welt nur noch ein Bruchteil meiner Macht vorhanden.“ Philipps Kopf fühlte sich an als wäre er in Watte gehüllt. Noch nie in seinem Leben hatte er so eine Angst, und so eine Verzweiflung empfunden, alles war ihm Recht. Hätte er auch einen Pakt mit dem Teufel eingehen müssen, er hätte es getan. „Versuch es. Bitte!“ Xii versuchte sie ein letztes Mal zu bitten es nicht zu tun, doch Lilly ließ sich nicht mehr abbringen. „Keinen Ton mehr jetzt. Ich muss mich konzentrieren.“ Beide Hände legte sie auf Louisas Körper, die eine auf ihre Brust, direkt dort wo sie ihr schwaches Herz noch schlagen spürte, und die andere auf ihre Stirn. Ein paar Mal atmete sie tief durch dann verdrehten sich ihre Augen bis nur noch das Weiße zu sehen war, bevor sich ihre Lider darüber schlossen. Der Bernstein unterhalb ihres Schlüsselbeins begann in einem warmen Licht zu leuchten und schimmerte durch den Stoff hindurch. Um Lillys Hände begannen sich wieder wie damals im Wald, kleine grüne Ranken zu winden und unter ihren Haarknoten wuchsen die Äste mehr und mehr heran. Zittriger Atem verließ ihre Kehle, die Ranken schlängelten sich bis hoch zu ihren Schultern, breiteten sich überall auf dem Körper des Menschen aus und verbanden beide Seelen miteinander. Ihr Geäst war beachtlich gewachsen und breitete sich so weit aus das Philipp einige Schritte von ihr weg gehen musste, deutlich konnte er erkenne wie Schweiß ihre Stirn hinab lief. Leise stimmte sie den Singsang an und kleine Blätter wuchsen an jedem noch so mickrigen Ästchen. „Ewiglich das Grün, klar und reich dein Atem. Wohlbehütet im finsteren Grunde, ruht immerdar dein Garten. Kehre ein, mein Geist ist frei. Auf das es gibt keine Macht, die uns entzwei. Borge mir, Leib und Seele nun. Kenne den Preis, in deinen Armen werde ich ruhn.“ Als die letzte Silbe ihre Lippen verließ offenbarte eine Knospe eine weiße Blüte die so rein war das er glaubte sie leuchten zu sehen. In nur wenigen Wimpernschlägen zogen sich die grünen Ranken zurück und sie pflückte mit zwei Fingern die Blüte von ihrem Haupt. Augenblicklich färbte sie sich Schwarz und verschwand in ihrem Mund. Die Blätter verdorrten, rieselten zu Boden, verschwanden bevor sie ihn berührten, und die Äste zogen sich knackend wieder zurück. Lilly stöhnte dunkel und schwankte, gerade rechtzeitig erwachte Philipp aus seiner Starre und fing sie auf. Behutsam setzte er sie auf den Stuhl und musterte ihr weißes Gesicht. „Lilly? Was ist los? Hat es geklappt?“ Sie antwortete ihm nicht, aber stattdessen vernahm er hinter sich ein leises Brummen und Keuchen. Würde er nicht sehen wie Louisa ihre Augen aufschlug und sich an den Kopf fasste, er hätte es nicht geglaubt. Seine Schwester regte sich und tastete ihr Gesicht ab. „Was?! Was ist denn... Philipp?“ Bei seinem Anblick setzte sie sich auf und bemerkte erst jetzt all die Schläuche die in ihren Armen steckten. „Mein Gott was ist denn das hier alles?“ Philipp beugte sich über sie und musterte ihr Gesicht, all die blauen Flecken waren verschwunden. „Unglaublich... Du... du bist wieder wach!“ Es war Jahre her das er sie das letzte Mal umarmt hatte ohne das es Weihnachten, Ostern, oder ihr Geburtstag gewesen war. Heute fiel alles zusammen und er drückte sie so fest an sich das ihr die Luft weg blieb. „Hey! Autsch, Moment mal! Könntest du mich bitte los lassen... ich fühle mich als hätte mich ein Bus angefahren.“ „Nein, es war nur ein Auto!“ Philipp drückte sie noch einmal und wirbelte dann herum zu Lilly die noch immer auf ihrem Stuhl saß, so wie er sie hingesetzt hatte, nur das sie ihre Augen wieder geöffnet hatte und ihn müde anlächelte. „Du hast es geschafft! Ich weiß nicht wie ich dir das jemals danken kann!“ Noch völlig mitgerissen von seinen Gefühlen nahm er Lillys Gesicht in beide Hände und küsste sie ohne weiter darüber nachzudenken. Erst als der Geschmack ihrer süßen Lippen bis in sein Gehirn durchsickerte, riss er sich mit großen Augen von ihr los. Wie ein Auto starrte sie ihn an, er musste auch nicht viel besser aussehen. Hinter ihm räusperte sich jemand laut. „Könntet ihr euch dafür ein Zimmer nehmen wenn das noch weiter gehen soll? Den Anblick möchte ich mir schon gerne ersparen.“ Murmelnd entschuldigte er sich und flüchtete zur Tür hinaus um seine Eltern zu informieren. Mit einem Grinsen im Gesicht musterte Louisa die angebliche Studienkollegin ihres Bruders. „Ich habe es doch gewusst! Du...“ Mitten im Satz stockte sie als eine Erinnerung zu ihr durchdrang. „Dich habe ich gesehen. Alles um mich herum war Dunkel und so sehr ich auch versucht habe meine Augen zu öffnen, es funktionierte nicht! Und dann habe ich dein Gesicht gesehen.“ Verwirrt fasste sie sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Was rede ich da bloß für einen Unsinn. Sorry, vergiss das am besten wieder. Ich bin irgendwie total durch den Wind.“ Klirrend zersplitterte der Becher auf dem harten Stein. Sein Kaffee breitete sich aus und versickerte langsam, während er sich nach allen Seiten umsah. Das musste doch noch jemand gesehen haben! Aber dort war niemand der ihm oder dem Fenster, wo gerade ein grünes Licht erloschen war, Beachtung schenkte. Verdammt, er wusste doch was er gesehen hatte! Doktor Lauenstein rannte wieder in das Innere des Krankenhauses und hechtete die Flure entlang. Er wusste genau zu welchem Zimmer das Fenster gehörte, es war nur wenige Stunden her das er dort eine junge Frau hinein gebracht hatte, die kaum noch zu retten war. Schon auf halber Strecke kam ihm eine Krankenschwester entgegen die über den ganzen Korridor rief er müsse sich da mal was umgehend ansehen. Atemlos trat er in den Raum, wo schon allerlei Tumult herrschte. Die Eltern umgarnten ihre Tochter mit Tränen in den Augen und stellten tausend Fragen. Pflegepersonal checkte einen Wert nach dem anderen und machte einen mehr als ratlosen Anblick. Eine der Frauen kam zu ihm und flüsterte ungläubig, „Doktor! Alles stabil, das kann nicht sein! Aber wir haben sie komplett untersucht soweit es uns gerade möglich war!“ Bevor sie noch weiter sprechen konnte, hob er seine Hand und ging auf die junge Dame zu, die immer mehr darauf beharrte man möchte sie doch endlich von diesem blöden Gips befreien. Schließlich ging es ihr gut. Die Augen von Doktor Lauenstein fanden was sie gesucht hatten. In der Nähe des Bettes saß sie auf einem Stuhl und wirkte als würde sie gleich in einen tiefen Schlaf fallen weil sie ihre Augen kaum noch offen halten konnte. Wie in Trance ging er ein paar Schritte auf sie zu, bis jemand an seinem Ärmel riss. „Doktor! Was ist denn jetzt mit unserer Tochter?“ Um sie herum waren viele Menschen in hektisches Treiben verwickelt, Stimmengewirr erfüllte den Raum, und sie fühlte sich als wäre sie meilenweit entfernt davon, dabei spielte sich alles nur wenige Meter weg ab. Einer der Menschen taxierte sie fast ununterbrochen mit seinem Blick, doch Lilly merkte nichts davon. Kraftlos saß sie noch immer in ihrem Stuhl. Das letzte was sie sah war der sorgenvolle Blick von Xii, welche neben ihr am Boden in ihrer Tasche saß. Dann fiel sie in einen traumlosen Schlaf. Als Philipp sie wach rüttelte kam es ihr vor als hätte sie gerade erst die Augen geschlossen, doch um sie herum befand sich sonst niemand mehr in dem Krankenzimmer. „Komm wir fahren nach Hause. Sie wollen Louisa die Nacht noch hier behalten, aber sie konnte sogar schon allein wieder aufstehen. Die Ärzte können kaum glauben das sie wieder vollkommen genesen ist! Meine Eltern bleiben solange hier.“ Er half ihr aus dem Stuhl aufzustehen und stützte sie noch die ersten paar Schritte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Lilly straffte ihren Rücken und klemmte sich die Tasche mit Xii in die Armbeuge. So gut sie konnte lächelte sie Philipp an und nickte ihm zu. „Ich bin nur müde, das ganze hat mich ziemlich erschöpft.“ Ganz recht wollte er ihr nicht glauben, ihm fiel auf das sie nicht einfach nur blass wirkte, sie war fast weiß. Ihre Haut wirkte immer gut gebräunt, sie erklärte ihm einmal dass das damit zu tun hatte wie viel Sonnenlicht sie am Tag aufnehmen konnte. Jetzt aber war ihre Haut so hell das er das Blau ihrer Venen überall durchschimmern sah. Der Parkplatz wirkte schon sehr verlassen und die Sonne war bereits dabei vom Mond für ihre Nachtruhe abgelöst zu werden. Xii hatte genug von all dem Geschaukel und sprang aus der Tasche hinaus. Mit Lilly würde sie später noch ein erstes Wort wechseln! Stinksauer trottete sie weit vor. Ihre Lebensaufgabe war es die Ellydre vor allen Gefahren zu bewahren und sie bis zum letzten Atemzug zu beschützen. Nicht genug das sie in dieser lächerlichen Gestalt auf diesem verdammten Planeten fest saß, sie musste auch noch mitansehen wie ihre Freundin mit dem Leben spielte. Die konnte vielleicht ein Donnerwetter über sich ergehen lassen! Philipp kratzte sich am Hinterkopf und räusperte sich übertrieben bevor er das Wort ergriff. „Übrigens, wegen vorhin. Du weißt schon... Das war so nicht gemeint. Also, ich... war durcheinander. Außerdem war ich dir sehr dankbar das du meine Schwester gerettet hattest, verstehst du? Das war eine unüberlegte Reaktion. Ich wollte dich gar nicht küssen...“ Keine Antwort folgte und er runzelte langsam die Stirn. Hatte sie denn nichts dazu zu sagen? Mit einem Schulterblick wollte er sich vergewissern, ob sie vielleicht zu verlegen war um darauf zu reagieren, doch das was er sah gefiel ihm gar nicht. Besser, das was er nicht sah. Lilly war fort. Erst als der Mensch stehen blieb, drehte sich auch die wütende Xii um. All ihre feinen Härchen stellten sich auf als sie Lilly nirgendwo erblicken konnte. „Lilly?!“ Eiligen Schrittes ging Philipp ein Stück zurück und drehte sich ratlos im Kreis. Sie standen inmitten des Parkplatzes, nur hier und da standen ein paar Autos. „Lilly?! Wo bist du? Jetzt ist keine Zeit für blöde Versteckspiele.“ Nicht zum ersten Mal hätte er sie suchen müssen weil sie wieder an irgendwas interessantem hängengeblieben war. Aber hier stimmte doch was nicht. Xii hielt die Nase in die Luft und witterte noch schwach den ersehnten Geruch. Plötzlich hören sie das Knallen einer Autotür, Motorengeheul, und dann fuhr nur wenige Meter von Philipp entfernt ein Wagen mit quietschenden Reifen davon. Ohne zu zögern sprintete er ihm hinterher, dreimal die Woche Fitnessstudio machten sich die ersten Meter bezahlt, aber die Pause die er eingelegt hatte seit Lilly ihm begegnet war forderte schnell ihren Tribut. Über den Parkplatz und um die Ecke des Gebäudes schaffte er es noch, doch dann konnte er den roten Sportflitzer nur noch beobachten wie er immer kleiner und kleiner wurde. Völlig außer Atem stützte er sich mit beiden Händen auf seinen Oberschenkeln ab. Während er noch nach Luft rang, hörte er wie unweit von ihm eine Frau zu schimpfen begann wie ein Rohrspatz. Direkt neben ihm befand sich eine Feuertreppe die sich am östlichen Rand des Krankenhauses empor schlängelte, daneben war ein Seitenausgang der auf eine kleine Terrasse führte. Dieser kleine Platz war von hüfthohen Büschen umrandet und bot dem Personal somit ein wenig Abgeschiedenheit in den Pausen. Zwei junge Krankenschwestern nutzten ihre Pause gerade um frische Luft zu schnappen. Auch sie hatten den roten Sportflitzer entdeckt der mit einem Affenzahn von dannen gerauscht war. „Das war doch Doktor Lauenstein! Dabei hat er doch noch gar keinen Feierabend.“ „Ach komm, sind wir doch froh drum. Ich kann diesen eingebildeten Schnösel nicht leiden.“ Philipp kämpfte sich durch die Büsche, er japste noch immer und rang nach Luft. Die beiden Damen erschraken, doch ehe eine von ihnen ein Wort sagen konnte, sprudelte Philipp schon los. „Entschuldigen Sie! Kannten sie den Wagen? Wer ist dort weg gefahren?“ „Das war Doktor Lauenstein...“, antwortete die eine Schwester abrupt und bekam von ihrer Kollegin schon einen Boxer in sie Seite. Finster funkelte sie den Fremdling an. „Wieso willst du das wissen?“ „Danke, der Name reicht mir schon.“ Philipp drehte sich herum und rannte wieder los, die beiden Damen sahen ihm verwundert nach, hakten das Ganze rasch ab und gingen wieder an die Arbeit. Nach nur wenigen Schritten kam ihm Xii entgegen gerannt, diese verfluchte ihre kurzen Beinchen und wie langsam sie damit voran kam. „Hast du ihn etwa verloren? Ich habe Lillys Geruch wahr genommen, sie war ganz sicher in diesem Ding drin!“ Ihm kam es immer noch sehr absurd vor sich mit einem Fuchs zu unterhalten, aber im Moment hatte er ganz andere Sorgen als das. „Macht nichts, ich habe dafür seinen Namen. Komm, wir fahren nach Hause, seine Adresse habe ich sicher im Nu raus bekommen.“ Xii verstand nicht wieso er von seinem Haus aus erfahren sollte wo dieser andere Mensch wohnt, aber sie hatte auch keine Zeit um Fragen zu stellen. Beide sprinteten zu seinem Auto und fuhren so schnell wie möglich nach Hause. Endlich machte sich bezahlt das er so viel Zeit vor seinem Computer verbrachte, und das ein oder andere ausprobiert hatte das nicht ganz so legal war. Der Arzt stand natürlich nicht mit seiner Privaten Adresse irgendwo im Telefonbuch, aber das würde er schon heraus finden. Leider brauchte er länger als er gedacht hatte, und die Suche war nicht innerhalb weniger Minuten getan. Dann endlich hatte er Erfolg. Der Nerd sprang so heftig auf das sein Stuhl rücklings zu Boden fiel, mit einem Zettel wedelte er vor Xiis Gesicht herum, die schon langsam ungehalten wurde und die ganze Zeit nörgelte wie lange er brauchte. Schweigend hatte sie ihm deutlich besser gefallen. „Er wohnt vielleicht eine halbe Stunde weg von hier, fahren wir hin und hoffen wir das er auch nach Hause gefahren ist und nicht weiß der Henker wohin.“ Ganz leise nahm sie eine Stimme in der Ferne wahr. Seltsam fremde Gerüche lagen in der Luft, sie kannte diesen Ort nicht. Schon die Augen zu öffnen kostete sie enorm viel Kraft, und erkennen konnte sie im ersten Moment noch nichts. Alles um sie herum war verschwommen, da war nur dieses leise Flüstern. Als sie versuchte sich zu bewegen brach in ihrem Kopf ein Gewitter aus Schmerzen aus. Ein leises Stöhnen verließ ihre Lippen und das Flüstern verstummte. Es gelang ihr nicht ihre Hand zu heben, irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Lilly versuchte sich zu erinnern was geschehen war. Nachdem sie Louisa geheilt hatte war sie mit ihren Freunden auf dem Weg zum Wagen gewesen, und dann? Nichts mehr. „Endlich! Endlich bist du wach!“ Jemand kam auf sie zu gerannt und sie blinzelte einige Male die Benommenheit fort. Grelles Licht blendete sie, schmerzhaft pochte es in ihrem Schädel. „Ah... Wo... wo bin ich.“ „Deine Pupillen reagieren also gleich auf Lichteinfall.“ Die kleine Taschenlampe legte er auf einen Beistelltisch und kritzelte eilig ein paar Notizen in ein kleines Buch. Anschließend verstaute er es griffbereit in der Brusttasche seines weißen Kittels. Langsam klarte sich der Blick der Ellydre auf und sie konnte den Mann vor sich besser erkennen. Er trug das blonde Haar kurz, die Haut war von der Sonne verdunkelt, und sein großer schlanker Körper war in eine weiße Tracht gehüllt. Sie erkannte ihn wieder, er war in dem Zimmer bei Louisa gewesen und hatte sie untersucht. Philipp hatte ihr einmal erklärt was ein Arzt ist, jemand der kranken Menschen hilft, sie brauchte keine Menschenkenntnis um in seinen eisig blauen Augen zu lesen das er ihr nicht beabsichtigte zu helfen. Ein grausames Grinsen lag auf seinen Zügen und sie konnte freudige Erregung in seinem Blick lesen. Der Fremde ging wieder zurück zu einem großen Tisch auf dem viele Papiere gestapelt waren und verschiedene Dinge herum lagen. Vieles konnte sie nicht zuordnen, längliche Gegenstände glänzten im fahlen Licht das Neonröhren dem fensterlosen Raum spendeten. An den Wänden erblickte sie Regale voll mit Büchern, gläsernen Kästen in denen verschiedene Insekten reglos zur Schau gestellt waren und Selbige mit Blättern von Pflanzen. Weiter wirkte der Raum eher kühl und lieblos. Noch einmal versuchte sie sich an den Kopf zu fassen, aber dann wurde sie sich dem bewusst was nicht stimmte. Ihre Hände und auch die Füße waren an den Stuhl gebunden auf dem sie saß und schränkten ihre Bewegungen deutlich ein. „Warum haben sie mich hier her gebracht?“ Lauenstein kam mit großen Schritten auf sie zu und grinste beinah über das gesamte Gesicht. „Du hast mich neugierig gemacht, ich habe dich nämlich gesehen. Das Grüne Leuchten... diese Tentakeln an deinen Armen. Sehr unvorsichtig und dumm.“ Er zog einen Bürostuhl an sich heran und ließ sich ihr direkt gegenüber nieder. „Dazu noch eine Patientin für die ich keine fünfzig Cent mehr gewettet hätte und die plötzlich wieder kerngesund war.“ Bedächtig schüttelte er den Kopf als er sie mit seinen Augen zu verschlingen schien. „Was bist du?“ Lilly presste ihre Lippen zu einer dünnen Linie zusammen die rasch weiß wurde als das Blut entwich. Es fiel ihr schwer gerade sitzen zu bleiben, sie war bereits durch die Heilung sehr geschwächt. „Könnt ihr mir etwas Wasser geben bitte? Ich...“ Mitten im Satz riss sie eine schallende Ohrfeige aus dem Takt. Der Sturm aus Blitzen, welche sich schmerzhaft in ihren Kopf bohrten kehrte zurück. Bevor sie wusste wie ihr geschah schnarrte der Fremde leise, „Die Fragen stelle ich hier. Also, was oder wer bist du?“ Als sie ihre Augen wieder aufschlug rollte ihr Kopf langsam zur Seite, was sollte es ihr bringen zu schweigen, er würde keinen Nutzen durch ihre Informationen davon tragen. „Lillaraya ist mein Name und ich bin eine Ellydre.“ Schweigen trat ein und der Fremde schien sie durchschauen zu wollen, sprach sie die Wahrheit oder log sie ihn an? „Ellydre? Noch nie gehört.“ Lilly schluckte schwer, ihr Hals war so trocken dass das Sprechen selbst ihr Qualen bereitete. „Ich bin ein Naturgeist, wie eine Fee oder ein Kobold. Wir wohnen unter den Wurzeln alter Bäume und sind normal viel kleiner. Doch um unter euch Menschen zu wohnen habe ich diese Gestalt angenommen.“ Ihre Farce schien Erfolg zu haben, die Augen von Dr. Lauenstein weiteten sich und er machte wieder einige eilige Notizen in sein Buch. Als Philipp einmal ihre Fragen satt hatte, gingen sie in eine Bücherei und sie durfte sich alles ausleihen was sie lesen wollte, darunter auch ein Buch mit irischen Sagen und Legenden. „Sag mir wie du es geschafft hast diese Frau zu heilen!“ „Ihr Bruder bat mich darum... wenn ein Mensch krank ist kann ich ihn heilen. Aber der Preis ist hoch, dafür gehört seine Seele dann mir. Wenn der Tod letztlich über den Menschen kommt, wird er keine Erlösung finden. Bis in alle Ewigkeit wird die Seele in Schwärze und Dunkelheit gefangen sein. Ihr Leid und ihre Qual ist die Kraft die ich beziehe wenn ich wieder jemanden anders heilen muss.“ Lauensteins blaue Augen verengten sich und er musterte sie skeptisch. „Wieso heilst du sie dann erst? Was für einen nutzen hast du dadurch?“ Die trockenen Lippen der Ellydre bildeten ein breites, boshaftes Grinsen. „Ewiges Leben. Durch jede Heilung bekomme ich mehr Lebenskraft. Man muss mich nur um die Heilung bitten. Wie einer Hexe der man Eintritt gewähren muss, sonst kann sie das Heim nicht betreten.“ Der Fremde packte sie grob an ihrer Bluse und zerrte sie dicht an sich heran. „Dann bist du doch mehr ein Dämon. Etwas boshaftes.“ Grüne Augen starrten geradewegs in die seinen und er hatte das Gefühl in einen dunklen Abgrund gezogen zu werden. „Nicht boshaft, nicht gütig. Alles hat einfach seinen Preis. Dafür gebe ich schließlich auch das wertvollste Gut der Menschen. Gesundheit.“ Nach kurzem Zögern ließ er sie wieder los und stand auf. Nachdenklich ging er in dem dunklen Zimmer auf und ab. Lilly betete still zu Morendras das er ihre Geschichte glaubte, so würden ihre Kräfte sicherlich nicht so verlockend klingen. „Als ich dein Blut untersucht habe, war ich erst enttäuscht. Es war rot und gewöhnlich. Aber was ich in dieser Substanz gesehen habe, ist mir absolut unbekannt. Ich interessiere mich für Biologie, und forsche neben meiner Arbeit gerne an Insekten und Pflanzen.“ Er schien eher mit sich selbst zu reden als er so auf und ab ging, sich dabei das Kinn rieb und murmelte. „Aber da waren diese gewaltigen Äste auf deinem Kopf die ich gesehen habe. Also scheinst du wirklich so eine Art Naturgeist zu sein...“ Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken als er stehen blieb und sich langsam zu ihr herum drehte. Mit wenigen schnellen Schritten war er bei ihr angekommen und packte sie fest in ihrem Haar, riss ihren Kopf mit einem Ruck nach hinten. Lilly schrie vor Schreck auf und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Doktor Lauenstein rupfte grob an ihren Haarknoten herum und staunte nicht schlecht als darunter tatsächlich kleine Ansätze von Ästen zum Vorschein kamen. „Interessant...“ Er betastete die Wucherungen und Lilly kniff fest ihre Augen zusammen. „Hören sie auf! Bitte! Ich habe ihnen doch alles gesagt!“ Ohne ein Wort wandte er sich wieder ab und ging zu dem Tisch mit den komischen Gerätschaften. Lillys Herz schlug ihr bis zum Hals, sie musste sich befreien, aber wie? Ihr Blick fiel auf etwas befremdliches in seiner Hand. An dem Griff war ein silberner Bogen befestigt und an einer Seite hatte dieser Bogen viele kleine Zacken. So etwas hatte sie bei Philipp noch nie gesehen. „Du wirst entschuldigen kleiner Naturgeist, aber ich will alles über dich wissen! Alles erforschen! Mit dir kann ich reichlich Geld machen! Viele Patienten würden sicher ein Vermögen zahlen wenn ich ihnen etwas anbieten könnte das sie von all ihrem Leid heilt.“ Sein Mund verzerrte sich zu einem dunklen Grinsen. „Nun ja und ich bin einfach sehr neugierig.“ Ohne zu verstehen was er meinte oder was er beabsichtigte starrte Lilly ihn mit großen Augen an, bis er hinter sie trat und aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie versuchte einen Blick über ihre Schulter zu werfen aber eine Hand packte sie fest in ihrem Haar. „Au! Bitte lassen Sie mich los ich...“ Bevor noch ein weiteres Wort fallen konnte blitzte etwas in ihrem Augenwinkel auf und in der nächsten Sekunde füllte der entsetzliche Schmerz alles in ihr aus. Die Säge grub sich in das Holz von einem ihrer Äste, ein schriller Schrei ließ den Arzt kurz inne halten, dann zog seine Hand ihren Kopf weit in den Nacken und die Säge schnitt tiefer und tiefer eine Kerbe in die Wucherung auf ihrem Kopf. Lillys Körper verkrampfte sich, und sie versuchte verzweifelt sich von ihren Fesseln zu befreien, der Schmerz nahm kein Ende. Endlose Sekunden vergingen, kleine Späne rieselten von ihrem Kopf, bis es endlich vorbei war. Ihr Atem ging stoßweise, feste gruben sich ihre Fingerkuppen in die Stuhllehne, die Agonie wollte kein Ende nehmen. Erst jetzt brannten Tränen heiß in ihren Augen, feste biss sie sich auf die Unterlippe aber sie konnte sie nicht zurück halten. Tropfen für Tropfen rann ihre Wangen hinab, fiel hinab von ihrem Kinn und versickerte in dem weichen Stoff ihrer Kleidung. Wimmernd wand sie sich auf ihrem Platz. Staunend ging Lauenstein um sie herum und hielt die Scheibe Holz in seinen Händen. „So viel Harz habe ich ja noch nie gesehen, fast als würdest du richtig bluten.“ Ehrfürchtig betrachtet er das zitternde Geschöpf, an der Stelle wo er das Stück abgesägt hatte, floss zäher Harz hinab und tropfte in ihr Haar. „Sieh mich nicht so an, schau, ich habe doch nur ein kleines bisschen abgeschnitten. Einem Baum tut es ja auch nicht weh wenn man einen seiner Äste abbricht.“ Der blonde Mann ging weiter zu seinem Tisch und ließ sich dort auf einem Bürostuhl nieder. Ganz genau untersuchte er das Holz. Blut sickerte ihren Mundwinkel hinab, so feste hatte sie sich auf die Lippe gebissen. Stöhnend rollte ihr Kopf zur Seite, nur ganz langsam ebbte der Schmerz den er ihr zugefügt hatte ab. „Doch... sie fühlen Schmerz...“, flüsterte ihre raue Stimme, doch der Fremde reagierte gar nicht darauf. Was sollte er tun? Klingeln? Um das Haus herum schleichen wie ein Verbrecher? Grübelnd trommelte Philipp auf seinem Lenkrad herum und betrachtete das Gebäude seiner Begierde. Es war durchaus schick, man sah das der, der dort wohnte keine Geldsorgen haben musste. In zwei der großen Fenster brannte Licht, beschien den säuberlich gemähten Rasen vor der Tür und an dem massiven Tor, was Fremde von der Einfahrt fort hielt, hing ein Schild: „Achtung bissiger Hund.“ Eine krächzende, wütende Stimme störte seine Ruhe. „Worauf wartest du noch verdammt? Wir haben keine Zeit zu verlieren! Für Lilly zählt jede Sekunde.“ Verwirrt sah er zu dem kleinen zänkischen Fuchs der auf seinem Beifahrersitz hockte und aufgeregt den Schwanz zucken ließ. „Was meinst du damit, es zählt jede Sekunde?“ Xii bleckte ihre Zähnchen und knurrte leise. „Du hast ihre Dienste in Anspruch genommen ohne die Folgen zu kennen!“ Wunderlich blinzelte Philipp ein paar mal und echote fragend, „Was denn für Folgen?“ Gerade als Xii ihm antworten wollte zuckte sie zusammen und sprang in den dunklen Fußraum des Wagens. Keinen Atemzug später klopfte es an seiner Fensterscheibe. Schockiert starrte er die Frau im Satinbademantel an, ihr blondes welliges Haar umrahmte ihre harten Züge. Er schätzte sie auf ungefähr sechzig Jahre. Vorsichtig kurbelte er sein Fenster einen kleinen Spalt auf und räusperte sich. „Ja...?“ „Kann ich Ihnen helfen?“ Ihre Stimme und ihr Blick waren völlig gelassen, mit der richtigen Prise Strenge und einer Messerspitze von Gefahr. „Mir ist nicht entgangen das Sie schon eine Weile vor meinem Haus herum lungern.“ Philipp war kurz davor im Boden zu versinken, er erkundigte sich nach einem Doktor Lauenstein der hier wohnen sollte. Die Frau klärte ihn auf das dieser Doktor schon eine Weile nicht mehr hier wohnte, er war zutiefst enttäuscht von seiner miserablen Suche. Doch wie der Zufall es wollte, konnte die Dame im Seidenmantel sich noch erinnern wohin ihr Vormieter ziehen wollte. Erleichtert auf der einen Seite einen Hinweis bekommen zu haben, frustriert auf der anderen Seite das sie nun wieder in eine ganz andere Richtung mussten, fuhr er zu seinem neuen Ziel los. Nachdem er sich eine Standpauke von Xii hatte anhören müssen wünschte er sich, er hätte etwas um ihr den Mund zu stopfen. Stumm hatte sie ihm eindeutig besser gefallen. Als er eine Weile lang die Autobahn entlang fuhr fiel ihm wieder etwas ein und er warf seinem Fahrgast einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Was meintest du vorhin damit das ich ihre Dienste in Anspruch genommen hätte ohne die Folgen zu kennen? Welche Folgen?“ Beharrliches Schweigend setzte ein und er dachte schon sie würde ihm auf seine Frage nicht mehr antworten, doch sie schien ihre Meinung geändert zu haben. „Das Lied das Lilly verwendet hatte als sie deine Schwester heilte nennt sich Der Segen der Hüterin. Ellydren erbitten damit die Kraft von Morendras, was für uns so etwas ist wie für euch Mutter Natur. Morendras schenkt ihnen ihre Gabe, alles Leid zu nehmen und eine weiße Blüte erscheint.“ „Oh die habe ich gesehen! Diese die Lilly gegessen hatte? Sie wurde ganz...“ „Sei endlich ruhig Mensch und hör mir zu. Die Ellydren müssen die Blüte wieder in sich aufnehmen, sonst ist die Magie verwirkt. Sie wird Schwarz weil sie das Leid, die Krankheit und den Schmerz des Geheilten in sich trägt. All das wurde von Lilly aufgenommen, und da sie jemanden von der Schwelle des Todes zurück geholt hat, ist das Übel das sie aufnahm enorm. Eigentlich müsste sie jetzt unbedingt ruhen und Wasser sowie Sonnenlicht zu sich nehmen.“ Den Blick auf die drei breiten Spuren vor sich gerichtet dachte Philipp über ihre Worte nach, er hatte bemerkt das es Lilly nach der Heilung nicht gut gegangen war und sie erschöpft wirkte. Fragend schürzte er kurz die Lippen und zuckte mit den Schultern. „Aber was heißt denn sie hat das Leid in sich selbst aufgenommen? Verspürt sie dann den Schmerz des, sagen wir, Patienten?“ Wieder trat eine lange, unangenehme Stille ein bevor Xii ihm antwortete. „Im Moment des Heilens ja. Aber der Preis den Ellydren zahlen müssen da sie sich die Kraft Morendras ausgeliehen haben, ist weit höher. Sie zahlen ihn mit ihrer eigenen Lebensenergie.“ Fast wäre Xii in den Fußraum gepoltert als Philipp mit einem Ruck des Lenkrades auf den Seitenstreifen fuhr und dort eine Vollbremsung hinlegte.Schrill erhob er seine Stimme. „Habe ich das richtig verstanden? Sie hätte sterben können? Aber warum hat sie denn davon nichts gesagt?“ Xii schüttelte sich und blickte zu dem Menschen auf der ihr dumme und nervige Fragen stellte. „Nein und Ja. An der Heilung selbst kann sie nicht sterben, nur wenn sie sich danach nicht erholen kann. Ihre verbrauchte Energie macht sich am Ende des Lebens bemerkbar, es wird sozusagen verkürzt.“ Kaum konnte er glauben was er da gerade zu hören bekam, das sollte heißen das Lilly früher sterben würde, nur weil sie seine Schwester geheilt hat? Ein schwerer Stein lag in seinem Magen und raubte ihm die Luft zum atmen. Dutzende von Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, hätte er sie denn gebeten seine Schwester nicht zu heilen, hätte er all das früher gewusst? Eine Frage die er sich nicht stellen wollte, solch eine Entscheidung zu treffen war schrecklich, und er war froh das er es nicht tun musste. „Können wir jetzt endlich weiter fahren? Lilly braucht Hilfe. Wir wissen schließlich nicht was dieser Mensch mit ihr vor hat, oder wieso er sie überhaupt mitgenommen hat.“ Auch wenn es Philipp denkbar schwer fiel, konzentrierte er sich wieder auf den Straßenverkehr und fuhr so schnell er konnte. Immer mehr Last zog ihre Augenlider nach unten, sie wusste nicht wie lange sie schon in diesem dunklen Loch gefangen war. Immer wieder hatte dieser Arzt sie mit Fragen gelöchert und so langsam fielen ihr keine Lügen mehr ein die sie ihm noch erzählen konnte das er nicht auf die Idee kam ihre Kräfte sehen zu wollen. Mit der Zunge fuhr sie sich über ihre spröden Lippen, so oft hatte sie ihn gebeten ihr Wasser zu geben aber er wollte sie nicht erhören. Sie fühlte wie die Erschöpfung sie immer mehr ins Dunkel ziehen wollte, jede Bewegung kostete sie eine Menge Überwindung. Doktor Lauenstein saß an seinem Tisch und untersuchte noch immer ganz faszinierend das Blut und das Stück Holz dieses komischen Wesens. Er sah förmlich schon all die bittenden Menschen vor ihm, die ein Vermögen dafür zahlen würden wieder gesund zu werden. Die krächzende Stimme unterbrach seine freudigen Gedanken. „Wasser... bitte. Ich... sterbe sonst...“ Hellhörig richtete er sich auf und betrachtete die junge Frau. Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und ging auf sie zu. Ihm entging nicht wie blass sie geworden war, jede kleine Ader unter ihrer Haut stach blau hervor. Als er sie mit seinen Fingern am Kinn fasste um ihren Kopf zu ihm zu drehen spürte er auch wie rau und trocken sie sich anfühlte. Unter einem Seufzen wandte er sich wieder ab und zuckte mit den Schultern. „Na schön, ich brauche dich ja schließlich lebend.“ Kurze Zeit später kehrte er mit einem Glas Wasser zu ihr zurück und setzte es an ihren Lippen an. Gierig begann sie zu trinken, Tropfen rannten an ihrem Kinn hinab und benetzte den Stoff ihrer Bluse. Als das Glas geleert war bat sie ihn um mehr, doch er schüttelte lediglich lachend seinen Kopf. „Schau nur wie du gekleckert hast! Wenn du so verschwenderisch bist bekommst du sicher nichts mehr von mir.“ Gerade als er wieder zu seinem Tisch zurück gehen wollte fiel ihm etwas auf. Der feuchte Stoff hatte sich auf ihre Haut abgesenkt und darunter zeichnete sich etwas ab das goldgelb schimmerte. Mit großen Augen trat er wieder näher an sie heran und fuhr über die kleine Wölbung, sie fühlte sich hart und glatt an. Erst hatte er nur gedacht es sei eine Kette, aber sie ließ sich nicht verschieben und blieb fest an ihrem Ort. In Lilly stieg Panik auf, immer kürzer wurden ihre Atemzüge. Mit einer groben Handbewegung riss er ein kleines Stück weit ihre Bluse auf und staunte nicht schlecht als er sah das direkt unterhalb ihres Schlüsselbeins ein ovaler Stein in ihre Haut eingewachsen war. Er schimmerte klar wie ein Bernstein und um ihn herum war die Haut bräunlich gefärbt und wirkte sehr knorrig. Als er mit dem Finger darüber fuhr, fühlte es sich wie Rinde an. Dazu verspürte er ein prickeln in seinen Fingerspitzen und ein unsagbares Glücksgefühl kam über ihn. Völlig fasziniert von dem Anblick bildete sich wieder dieses grausame Grinsen auf seinen Zügen, dieses Wesen war weitaus interessanter als er angenommen hatte. Doktor Lauenstein ging zurück zu dem Tisch mit all seinen Utensilien und suchte sich das passende heraus. Als sie den spitzen Gegenstand in seiner Hand sah versuchte sie mit aller Kraft die ihr noch geblieben war von diesem verdammten Stuhl los zu kommen. „Kommen sie mir damit nicht zu nahe! Sie dürfen meine Seele nicht beschädigen! Sonst bin ich für sie nicht von Nutzen!“ Ihre Worte schienen Wirkung zu zeigen, er blieb vor ihr stehen und überlegte während er sie musterte. „Deine Seele? Das ist ja interessant. Und was machst du damit? Wofür ist sie gut?“ „Sie... beinhaltet meine Lebenskraft. Wenn Sie sie beschädigen werde ich sterben.“ Ganz genau taxierten seine Augen die Ellydre, log sie ihn an oder sprach sie die Wahrheit? Sollte er dieses Risiko eingehen? Er erinnerte sich an das intensive Gefühl das über ihn gekommen war als er diesen Stein berührt hatte, er wollte es haben. Um jeden Preis. Mit einer Hand drückte er sie fest in den Stuhl und setzte mit der anderen die Spitze des Messers an ihrer Seele an. „Glaubst du mich zum Narren halten zu können? Wäre dieses Ding hier so wertvoll, wäre es doch nicht so leicht zugänglich oder?“ Lilly war als würde sie sich nicht mehr erinnern wie es war zu atmen, keuchend schüttelte sie wild den Kopf. Viele Lügen hatte sie diesem Menschen erzählt, aber dieses Mal entsprachen ihre Worte der Wahrheit. Ein lautes Klacken war zu hören, langsam drehte sich Lauenstein herum und starrte auf die Tür, die aus dem Keller hinauf in sein Haus führte. Sie stand offen, aber er erinnerte sich sie nicht zugemacht zu haben als er das Glas Wasser geholt hatte. Lauschend stand er einen Augenblick lang da, doch er hörte nichts mehr. Seine Anspannung spielte ihm wohl einen Streich. Schmunzelnd wandte er sich wieder der jungen Frau zu, die ihn ängstlich anstarrte. „Wo waren wir noch gleich?“ Die spitze Klinge des Messers kam wieder nahe an sie heran, blanke Panik wallte in der Ellydre auf, mit ihrem gesamten Körpergewicht warf sie sich hin und her, der Stuhl geriet ins Schaukeln und wäre fast zur Seite gekippt. Eine harte Ohrfeige traf sie und benebelte sie für einen kurzen Augenblick. Ein entsetzlicher Schmerz fuhr durch ihren Körper als Lauenstein versuchte den Bernstein aus seiner Fassung zu hebeln. Sie stieß einen lauten Schrei aus und wand sich vor Qual. „Bitte! Bitte aufhören!“ Der grausame Mensch dachte nicht daran, Blut quoll bereits hervor aber der Stein ließ sich nicht lockern. Wütend bleckte er die Zähne und stieß leise Flüche aus. „Lilly!!!“ Vor Schreck zuckte der Arzt zusammen und fuhr blitzschnell herum, er traute seinen Augen kaum. Dort oben auf der Treppe stand ein Bursche mit einem Fuchswelpen. „Hey! Wie bist du hier rein gekommen!“ Statt zu antworten polterte Philipp die wenigen Stufen hinunter und marschierte auf ihn zu, wütend blaffte er sein Gegenüber an. „Was hast du mit ihr gemacht du Mistkerl?! Dafür wirst du bezahlen!“ Noch nie in seinem Leben war Philipp so außer sich vor Zorn gewesen. Nicht nur das dieser Kerl Lilly einfach entführt hatte, sondern das er ihr noch sehr schwer zugesetzt zu haben schien brachte sein Blut vollends zum kochen. Das Echo ihres Schreis hallte noch immer in seinen Ohren wieder. Als Lauenstein seine Fassung wieder hatte stellte er sich aufrecht hin und packte mit der einen Hand Lillys Haar, mit der anderen hielt er ihr die Klinge seines Messers an die Kehle. Die Entwicklung dieses Abends gefiel ihm so gar nicht. Ein Mörder war er in keinem Fall, aber dieser junge Kerl hatte eindeutig zu viel gesehen, mit dem Wissen konnte er ihn nicht laufen lassen. Den Fang der ihn reich machen würde, ließ er sich ebenfalls um nichts in der Welt mehr weg nehmen. „Bleib besser stehen Kleiner. Sonst geht’s deiner Freundin gleich sehr schlecht. Hier einfach in mein Haus einzubrechen war ein denkbar schlechter Plan von dir...“ Seine Augen huschten suchend umher, war da vorhin nicht noch ein Fuchswelpe gewesen? Ein Detail das ihn nur einen Augenblick später nicht mehr kümmerte. Ohne zu zögern blieb Philipp ein gutes Stück weit von den beiden entfernt stehen, missmutig kaute er auf seiner Unterlippe herum. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als er zum ersten Mal ganz genau seine Besucherin aus einer anderen Welt musterte. Kabelbinder fixierten ihre Arme und Beine an einem Stuhl, ihre Bluse war zerrissen und frisches Blut breitete sich auf dem weißen Stoff aus. Ihre Haut war fast weiß wie Schnee, irgendwas gelbes war auf ihre Schulter getropft und an ihrem Arm hinab gesickert. Als sein Blick die Spur nach oben verfolgte fiel ihm auf das ihr linker Ast ein Stück kürzer war als der andere und auch dort die gelbe Flüssigkeit überall klebte. Aus müden Augen sah sie ihn an, und dennoch lag auf ihren spröden Lippen ein warmes Lächeln. Ihre leise Stimme war wie ein raues Krächzen. „Phil... ich bin so froh dich zu sehen...“ Weiß traten seine Knöchel hervor als er beide Hände zu zitternden Fäusten ballte. „Ich mach dich fertig du Stück Dreck. Für alles was du ihr angetan hast!“ „Du? Das ich nicht lache! Hör mal Bursche, diese Kleine hier wird mich steinreich machen! Kranke Menschen zahlen ein Vermögen wenn sie von ihr geheilt werden wollen, da bin ich mir sicher. Du hast selbst gesehen was sie mit deiner Freundin im Krankenhaus gemacht hat. Sie hätte die nächste Nacht niemals überlebt. Wenn du mir nicht in die Quere kommst, lasse ich mich gerne dazu überreden dir einen Teil des Geldes abzugeben. Wir zwei könnten uns eine goldene Nase verdienen!“ Seine strahlend weißen Zähne zeichneten sich deutlich von seiner gut gebräunten Haut ab, es wirkte fast sympathisch wie er über das ganze Gesicht grinste. Aber Philipp kam bei seinem morbiden Vorschlag fast die Galle rauf. „Deine Nase wird zwar nicht golden werden, aber ich kann sie in eine peppige Mischung aus Rot, Blau und Lila tauchen wenn du Feigling das Messer weg legst und wir das unter uns klären!“ Es war keine Frage das er an einem Zweikampf noch nie Teil genommen hatte, und er wahrscheinlich keine Chance hatte, aber er war so wütend das sein Adrenalin sicherlich Wunder bewirken würde. So hatte er es zumindest oft schon gehört. Doktor Lauenstein war recht wenig beeindruckt und brach sogar noch in höhnisches Gelächter aus als das halbe Hemd sich vor ihm aufplusterte und mit großen Tönen um sich spuckte. Gerade als er ein paar spöttische Worte los lassen wollte, verspürte er einen Schmerz an seinem Unterschenkel, als würden sich viele kleine Nadeln in sein Fleisch bohren. Wütend stieß er einen Fluch aus uns blickte an sich hinab. Xii hatte die Gelegenheit genutzt und war unter dem Tisch an ihn heran geschlichen. Feste gruben sich ihre kleinen spitzen Zähne in seine Haut. Auch wenn sie diese schwächliche Gestalt verteufelte an die sie in dieser Welt gebunden war, sie würde alles tun um ihre Freundin zu beschützen. „Ah! Das darf nicht wahr sein!“ Mit seinem freien Fuß trat Lauenstein nach dem kleinen Vieh und erwischte es mit einem harten Tritt, fiepend gab Xii nach und bevor sie sich von dem Schmerz erholen konnte, setzte der Mensch mit einem weiteren Tritt nach. Der kleine Fuchs flog in hohem Bogen an die Wand mit all den Regalen und blieb reglos am Boden liegen! „Xii! Nein!“ Fassungslos starrte Lilly auf den leblosen Körper ihrer treuen Begleiterin, ihr Herz schien jeden weiteren Schlag zu verweigern. Neben ihr brach plötzlich Tumult aus als Philipp die Chance nutzte und sich auf den Arzt stürzte. Im wilden Gerangel versuchte jeder die Oberhand zu gewinnen. Philipp bekam beide Handgelenke von Lauenstein zu fassen und drängte ihn an den Tisch wo er die entnommenen Proben von Lilly untersucht hatte. Mit einem schnellen Ruck krachte sein Handgelenk gegen die Tischkante und das Messer fiel ihm aus der Hand. Nein, von diesem Halbwüchsigen würde er sich nicht überrumpeln lassen! Mit aller Kraft schleuderte er Philipp herum, sodass dieser mit seinem Rücken auf der Tischplatte lag, gerade so kam er noch mit seinen Zehenspitzen auf den Boden. Bevor er zur Gegenwehr ansetzen konnte, umfassten zwei Hände seine Kehle und drückten feste zu. Keuchend versuchte Philipp erst den Griff um seinen Hals zu lockern, aber sein Feind gab nicht nach. Verzweifelt schlug er nach Lauenstein, und griff nach dessen Gesicht, doch auch dieser Versuch scheiterte. So sehr er es versuchte, aber er konnte nicht nach Luft schnappen, seine Kräfte ließen langsam nach und schwarze Pünktchen tanzten in seinem Sichtfeld. „Lassen sie ihn los! Aufhören! Ich mache alles was sie wollen, aber tun sie ihm nichts!“ Lillys Worte stießen auf taube Ohren, hilflos musste sie mitansehen wie Philipp um sein Leben kämpfte. Wieder riss sie so fest sie konnte an ihren Fesseln, doch der Kunststoff bohrte sich nur noch mehr in ihre Handgelenke. Ihr Blick fixierte Xii, sie regte sich noch immer nicht. Tränen brannten heiß in ihren Augen und rollten ihre Wangen hinab. Das durfte einfach nicht geschehen, das ihre zwei liebsten Freunde ihr Leben ließen weil sie ihr zu Hilfe gekommen waren. Zum ersten Mal seit sehr sehr langer Zeit wuchs ein Gefühl in ihr heran das ihr so fremd war wie die Welt außerhalb des Hains in dem sie aufgewachsen war. Wut. Ihre Finger krallten sich in die Armlehnen des Stuhls und ihre Zähne knirschten, so feste presste sie diese aufeinander. Philipps Körper zitterte und sie merkte das seine Kräfte am Ende waren. Dieser Fremde hatte sie gequält und was für sie noch viel Schlimmer war, ihren Freunden Schaden zugefügt. Grundlos, und ohne Reue. Immer wieder hatte man sie vor der Grausamkeit der Menschen gewarnt aber sie wollte nicht hören, sie wollte sich ein eigenes Bild machen. Sie hasste diesen Mann dafür das er genau das war, was ihr Volk in jedem Menschen sehen wollte. Ihre Konzentration fixierte sich auf Lauenstein, alles andere blendete sie Stück für Stück aus. Er sollte aufhören! Aufhören! Aufhören! Die Luft um Lilly herum begann leicht zu flirren und zu verschwimmen. Für einen kurzen Augenblick erfüllte der Duft von Wäldern den düsteren Kellerraum, und ein leises Surren lag in der Luft. Die Ellydre riss ihre Augen auf und ein ganzer Schwarm Stechmücken, jede fast so groß wie eine Hand, stürzte sich auf Lauenstein. Die ersten bohrten bereits ihre Mundwerkzeuge in seine Haut und um schwirrten seinen Kopf. Schreiend ließ Lauenstein von seinem Opfer ab und taumelte rücklings während er versuchte nach diesen verfluchten Mücken zu schlagen. Keuchend rang Philipp nach Luft und brach in lautes Husten aus. Sein Hals Schmerzte und er machte taumelnd ein paar Schritte. Es dauerte einen Augenblick bis er sich wieder gefangen hatte, aber dann zögerte er nicht mehr länger. Hastig schnappte er sich ein Skalpell von dem Tisch und stürzte auf Lilly zu. Schockiert sah er zu wie Lauenstein unter Schreien durch das Zimmer stolperte und nach den riesigen Stechmücken schlug. So schnell er konnte kappte er die Kabelbinder um Lillys Gelenke und musterte sie besorgt. „Was hat er nur mit dir gemacht?!“ „Das spielt keine Rolle mehr. Lass uns einfach nach Hause gehen.“ Lilly schenkte ihm ein müdes Lächeln und schloss langsam die Augen. Das Surren verstummte, die Stechmücken taumelten tot zu Boden als hätte das Leben sie mit einem Streich verlassen. Lauenstein blickte die beiden hasserfüllt an, seine Haut war überall mit Golfball großen Schwellungen überseht. „Dafür werdet ihr bezahlen...“ Philipp harkte Lilly bei sich ein, die große Mühe hatte auf den Beinen zu bleiben und richtete das Skalpell gegen den Arzt. Plötzlich bemerkte er eine Regung in den Schatten der Wand direkt hinter seinem Gegner. Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit, es wirkte fast als würde sie aus dem Schatten hinaus kriechen. Lilly klammerte sich feste an seinen Arm und stieß einen schrillen Schrei aus. Sofort löste sie sich wieder von ihm und schnappte sich Xii, dann packte sie Philipp am Ärmel und zog in hastig zurück bis ihre Rücken die Wand berührten. Völlig perplex blickte er erst zu dem Angsterfüllten Gesicht neben sich, und dann wieder zu der Gestalt in der anderen Ecke des Raumes. Fell bedeckte fast den gesamten Körper der Kreatur, nur ihr Kopf war grau und hob sich im fahlen Licht fast schon weiß ab. Rote Augen starrten ihn aus leeren, eingefallenen Höhlen an und grüner Geifer tropfte aus seinem Maul. Ein beißender Gestank nach Verwesung breitete sich aus und brachte ihn fast zum würgen. Seine Gliedmaßen waren schlank und Muskulös, im Gegensatz zu dem buschigen Fell seines Körpers waren dort die Haare bedeutend kürzer. Fast wirkte es auf ihn wie ein Wolf, mit der Mähne eines Löwen, dazu die riesigen, ledrigen Ohren einer Fledermaus. Ein bedrohliches Knurren erschütterte die eingekehrte Stille, die langen Klauen machten einen gläsernen Laut als es langsam einen Lauf vor den anderen stellte. Lauenstein war für das Wesen nur ein lästiger Störfaktor und stand dazu noch in seinem Weg. Mit einem Schwenker seines Kopfes stieß er ihn wie eine Puppe zur Seite, quer flog er durch den Raum und blieb reglos am Boden liegen. Noch immer kämpfte Philipp gegen die Übelkeit an, der Geruch wurde immer intensiver und war schier unerträglich, er drückte sich noch fester an die Wand und keuchte leise. „Lilly was um alles in der Welt ist das?“ „Ein Wesen der Unterwelt, man nennt sie Faulvaruls. Schreckliche Geschöpfe die den Sümpfen der Verbannten entspringen. Ich... ich weiß nicht was er hier zu suchen hat!“ Rote Augen fixierten die Ellydre und ein dunkles Knurren wirkte wie eine Bestätigung ihrer Worte. Grüner Geifer tropfte unablässig zu Boden und brannte sich an den Stellen wo er aufkam, zischend hinein. In Lillys Armen zuckte der kleine Körper und Xii murrte leise als sie wieder zu sich kam. Ihre kleine Nase rümpfte sich. Der Unterkiefer des Faulvaruls zitterte und ließ einen gespenstischen, klappernden Laut entstehen, schon in der nächsten Sekunde schoss das Biest, nach vorn und riss kreischend sein Maul auf. Philipp stieß Lilly zur Seite und brachte sich in letzter Sekunde mit einem beherzten Sprung in die andere Richtung in Sicherheit. Wahrscheinlich war seine Rettung das die Kreatur mit dem glatten Unterboden zu kämpfen hatte und mehr auf sie zuschlidderte als das sie rennen konnte. Mit einem lauten Krachen donnerte der Varul gegen die Wand und heulte wütend auf. Feste presste sich Philipp die Hand auf Mund und Nase, vor Schock riss er weit die Augen auf. Dieses Vieh war größer als er es eingeschätzt hatte. Ein langer Schwanz, der lediglich aus Knochen und langen Haaren, die an ihm herab hingen, bestand zuckte erregt umher. Mit diesem Ding musste er fast fünf Meter lang sein. Noch weniger gefiel ihm das der Varul zu Lilly herum wirbelte und wieder diesen klapprigen Laut mit seinem Unterkiefer erzeugte. Niemals in seinem Leben war Philipp tapfer gewesen, von den Unzähligen Abenteuern an seinem Bildschirm abgesehen, und es gab nie einen Augenblick an dem er so viel Furcht verspürt hatte wie jetzt, aber er würde nicht einfach weg laufen und Lilly hier ihrem Schicksal überlassen. Der Verwesungsgeruch trieb ihm die Tränen in die Augen, aber er erkannte das die Kreatur zum Sprung ansetzte und seine Freundin starr vor Schreck auf dem Boden lag. Noch während er sich auf die Beine kämpfte machte er einen Satz nach vorn und stieß das Skalpell mit aller Kraft in die Flanke des Biestes. Es stieß einen markerschütternden Schrei aus und sein Schwanz schnellte wie eine Peitsche durch die Luft. Sie verfehlte Philipp nur knapp der sich auf allen Vieren so schnell wie möglich von ihm weg kämpfte. Rotes Blut floss aus der Wunde, aber Zeit zum Staunen blieb ihm nicht, denn nun stand er im Visier. Diesmal zögerte der Varul nicht und sprintete auf ihn zu, wieder kamen seine Klauen auf dem glatten Untergrund ins Schliddern. Philipp schaffte es gerade noch unter den Tisch als scharfe Reißzähne hinter ihm zuschnappten. Seine Gedanken überschlugen sich, er wusste nicht was er tun sollte. Der massive Holztisch auf dem Lichtenstein seine Experimente durchgeführt hatte, knackte an allen Enden als der Faulvarul beide Vorderläufe auf die Tischplatte stemmte. Philipp kroch rückwärts bis er gegen eines der Stuhlbeine kam. Die vorderen Beiden brachen unter der Last der Bestie weg, so blieb für ihn nur ein schmales Stück Platz, und Zeit zum beten das der Rest der Tischplatte nicht auch nachgeben würde. Es erleichterte ihn das diese Kreatur nicht verstand das sie ihn von der Seite ohne Probleme erwischen konnte, doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Er hörte wie sich Zähne immer wieder in das Holz gruben und der ätzende Speichel kleine Mulden hinein brannte. Wie ein Kaninchen saß er in der Falle, und der Wolf leckte sich schon die Zähne vor Freude über sein köstliches Mahl. Xii erwachte wieder völlig als sie samt ihrer Freundin über den Boden gerollt war. „Was ist denn los? Dieser Gestank ist ja...“ Der kleine Fuchs paralysierte als er das Wesen aus der Unterwelt, hier auf diesem fremden Planeten erblickte. Hastig befreite Xii sich aus Lillys Armen und machte einen Buckel. Wie sehr sie diese Gestalt verabscheute, wie sollte sie so kämpfen, oder die, die ihr wichtig war beschützen? „Lasst uns verschwinden! Solange dieses Biest noch beschäftigt ist!“ Sie machte einen Satz nach vorn als sie bemerkte das keine Reaktion auf ihre Worte folgte. Wütend drehte sie sich herum. „Kommt!“ „Nein!“ Geschockt starrte Xii in die zornigen Augen von Lilly, die sich mühsam aufrichtete und mit einem Finger in die Richtung des Kampfes deutete. Lange würde der Tisch nicht mehr stand halten. „Ich lasse ihn doch hier nicht sterben! Und auch du bist nicht jemand der so etwas tun würde!“ Zitternd kämpfte Lilly gegen die Erschöpfung an und schloss die Augen. All ihre Willensstärke konzentrierte sie auf den Boden unter sich, auf das feuchte Erdreich, weit unter dem kalten Stein. Xii knurrte wütend über den Dickkopf ihrer Freundin, wegen ihr würden sie noch alle hier unten sterben. Philipp schrie auf als die Tischplatte unter hunderten von Splittern zerbarst und grüner Speichel dicht neben ihm zu Boden fiel. Nun hatte er ohnehin keine Wahl mehr und er rollte sich zur Seite, nur einen Wimpernschlag später war der Tisch hinüber und krachte zusammen. Die Bestie fixierte ihre Beute und klapperte mit ihrem Unterkiefer, ein Laut der das Blut des Menschen gefrieren ließ. Sehnen und Muskeln spannten sich an als sich der Faulvarul mit einem Sprung auf seine Beute stürzte. Die Zeit blieb für ihn stehen als rasiermesserscharfe Klauen auf ihn nieder gingen und er in den schwarzen Schlund blickte der ihn gleich zerreißen würde. Plötzlich schossen um ihn herum dicke Wurzeln aus dem Stein empor und ließen kleine Erdklumpen auf ihn nieder regnen. Sie schlangen sich um den gesamten Leib der Bestie, die wieder voller Zorn aufbrüllte und versuchte sich zu befreien. Aber die Wurzeln zogen ihren Griff immer fester, und Philipp kroch so schnell er nur konnte unter dem Faulvarul weg. Es sah so aus als wäre er mitten im Sprung eingefroren, würde sein langer Schwanz nicht durch die Luft peitschen. Mit aller Kraft versuchte es sich zu befreien, aber es gelang dem Biest der Unterwelt nicht. Erste Knochen knackten und brachen, die Schreie wurden immer schriller, Blut mischte sich zu dem giftigen Speichel der immerzu aus seinem Mund sickerte. Plötzlich erschlaffte der riesige Körper, und eine Ruhe senkte sich über diesen Ort die, nach all der Verwüstung und dem Kampf ums Überleben, fehl am Platz wirkte. Philipp hatte das Gefühl das Herz würde ihm gleich in der Brust zerspringen, so heftig schlug es. Nur schwer schaffte er es auf zu stehen, seine Knie schlotterten wie kahle Äste im Sturm. Ein leises Stöhnen vernahm er hinter sich und als er sich herum drehte entdeckte er dort Lilly, deren Haut schon fast transparent geworden war. Kraftlos sackte sie zusammen und rang nach Luft, Schweiß strömte an ihrem Gesicht hinab. Xii eilte zu ihr und zuckte aufgeregt mit ihrem Schwanz. „Lilly! Steht auf! Wir müssen sofort raus hier! Du da! Hilf ihr!“ Philipp zögerte nicht länger und legte einen Arm stützend um die junge Frau. „Warst du das etwa? Das war... unglaublich. Ich wusste gar nicht das du so was auch kannst!?“ Die Ellydre brachte nur leise ein Flüstern zustande und zeigte mit zittriger Hand auf den bewusstlosen Körper von Lauenstein. „Er hat ein Notizbuch in seiner Brusttasche. Und auf seinem Tisch sind auch Notizen. Wir müssen alles mit uns nehmen was er über mich in Erfahrung gebracht hat.“ Sie schaute sich in dem vollkommen verwüsteten Zimmer um und fuhr sich durch ihr Haar, wie war das alles nur geschehen? Wie war der Faulvarul hier in diese Welt gelangt? Philipp kam mit allem zurück was sie ihm aufgetragen hatte und stopfte alles in einen Beutel der neben den Trümmern des Tisches lag. Gerade als er ihr wieder aufhelfen wollte verdrehten sich Lillys Augen, plötzlich ging ein Ruck durch den Raum und alles was sie herbei gerufen hatte, war verschwunden. Die riesigen Stechmücken, die Ranken und auch die tote Bestie, sowie der unerträgliche Gestank in der Luft. „Lilly!“ Er rüttelte an ihr, doch sie reagierte nicht. Jetzt erst als er sie berührte, merkte er wie trocken ihre Haut war, überall lösten sich feine Schuppen von ihr. Xii fauchte ihn wütend an und sprang aufgeregt hin und her. „Sie braucht Wasser! So schnell wie möglich! Sonst stirbt sie!“ Er schob eine Hand unter ihren Kniekehlen durch, die andere schlang er um ihren Rücken, hob sie empor und rannte im nächsten Augenblick schon los. Zwei Stufen der Kellertreppe nahm er auf einmal und wollte sich gerade auf die Suche nach dem Badezimmer machen, als er in der Ferne das Martinshorn vernahm. Natürlich, der Tumult und all die Schreie waren der Nachbarschaft mit Sicherheit nicht verborgen geblieben, er bleckte die Zähne und stürmte zu einer gläsernen Hintertür die er am anderen Ende des Erdgeschosses erblickt hatte. Zumindest einmal war heute das Glück scheinbar wieder auf seiner Seite, die Tür war nicht abgeschlossen, und führte in einen dunklen Garten. Ungesehen quetschte er sich durch die dichte Hecke und rannte die wenigen Meter zu seinem Auto. Lilly platzierte er vorsichtig auf der Rückbank und startete den Motor. So normal wie möglich fuhr er um die Kreuzung und kam am Haupteingang des schicken Einfamilienhauses vorbei. Etliche Nachbarn standen schon auf den Bürgersteigen und diskutierten miteinander. Ein Polizeiwagen parkte gerade am Straßenrand, er hörte wie einer von den beiden Polizisten die Anwohner fragte, wer denn wegen der Ruhestörung angerufen hatte. Ein Stein viel ihm vom Herzen als er die Stadt endlich hinter sich lassen konnte, das Gaspedal drückte er nun ganz durch und der Motor des alten Kleinwagens rebellierte laut. Tief atmete er aus und drückte den Hinterkopf in die Stütze seines Sitzes. „Als ich die Sachen zusammen gesucht habe, habe ich bei dem Kerl kurz geprüft ob er noch Puls hatte. Auf jeden Fall hat er noch gelebt, dann haben wir vielleicht nicht so viel Ärger am Hals. Auf der anderen Seite...“, nervös kaute er auf seiner Unterlippe herum, „...wird er mich doch meiner Schwester zuordnen können. Unsere Adresse hat er auf jeden Fall. Ich weiß nicht was ich deshalb machen soll!“ Schweigen breitete sich in dem Innenraum des Autos aus, kurz warf er einen Blick über seine Schulter und sah wie Xii sich an die Wange von Lilly gekuschelt hatte und ihr vorsichtig über das Gesicht leckte. Wieder biss er sich auf die Unterlippe und sendete ein Stoßgebet nach dem anderen hinauf. Ihm wurde bewusst dass das erst einmal seine kleinste Sorge sein würde. Nicht mal eine halbe Stunde war vergangen, dann bog er bereits in die Einfahrt seines Elternhauses ein, an diesem Tag hatte er genug von Autofahrten in der sich jede Minute wie eine Stunde zog. Die Haustür trat er hinter sich so feste in das Schloss dass das ganze Haus erbebte, auf dem schnellsten Weg rannte er hinauf in das Badezimmer und legte Lilly in die Wanne. Xii war erstaunlich ruhig geworden und verfolgte ohne Einwände sein Handeln. Das Rauschen des Wassers als er den Hahn aufdrehte war wie Musik in ihren Ohren, sie hoffte inständig das es noch nicht zu spät war. Besorgt wanderte ihr Blick zu dem Fenster, die Nacht war erst angebrochen und die Sonne würde viel zu lange auf sich warten lassen. Philipp setzte sich auf den Rand der Wanne und schöpfte immer wieder Wasser über das Gesicht von Lilly. Behutsam strich er über den kleinen Ast auf ihrem Kopf der deutlich kürzer war als der andere. An der von Harz verklebten Schnittstelle hoben sich kleine Splitter ab. Sein Herz schmerzte als er sich vorstellen musste was dieser Kerl ihr angetan hatte. Ihm wurde schlecht vor Wut als er daran dachte mit welcher Euphorie er gesprochen hatte, als er von seinen Plänen erzählte. Das sie in die Hände eines solchen Teufels gelangen konnte, hätte er sich nie ausmalen können. Er scholt sich einen Narren so unaufmerksam gewesen zu sein, das er nicht gemerkt hatte das jemand die Heilung von Lilly hätte sehen können. Viel zu sehr hatte er sich an die Hoffnung geklammert seine Schwester retten zu können. Bis zum oberen Rand war die Wanne voll gelaufen und er drehte den Hahn wieder zu. Eine Hand hatte er die ganze Zeit in ihrem Nacken liegen um sie über Wasser zu halten. Nichts tat sich. Verzweifelt sah er Xii an, die sich bereits auch auf den Rand gesetzt hatte und Lilly stumm betrachtete. „Gibt es nichts was ich noch für sie tun kann?“ „Nein... nun hilft nur noch abwarten. Abwarten und hoffen.“ Minute um Minute vergingen ohne das die Ellydre sich regte. Heiße und kalte Schauer liefen über Philipps Rücken, zu allem Überfluss meldete sich auch jetzt noch sein schlechtes Gewissen. Von Anfang an wollte er sie einfach nur noch los werden, er wollte seinen langweiligen monotonen Alltag wieder haben. Auch in den letzten Wochen hatte sie ihn von früh bis spät genervt mit all ihren tausend Fragen, immerzu wollte sie irgendwas unternehmen. Aber ein Teil von ihm hatte diese Abwechslung auch mit der Zeit gefallen, es hatte gut getan mal wieder unter Menschen zu kommen, was anderes zu sehen. Ihre heitere und unbeschwerte Art hatte alles so leicht gemacht. Plötzlich bemerkte er wie sich etwas unter ihren geschlossenen Lidern bewegte, gespannt hielt er den Atem an bis sie endlich ihre grünen Augen wieder aufschlug. Benebelt blinzelte Lilly einige Male und rollte mit dem Kopf zur Seite. Mit einem Lächeln nahm sie die vertrauten Gesichter um sich herum wahr. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen was ich für einen schrecklichen Traum hatte.“ „Du bist wieder wach!“ Im nächsten Moment schlangen sich zwei Arme um ihren Hals und Philipp drückte sie fest an sich. Erst jetzt wurde sie sich all dem Wasser um sich herum bewusst, und auch das der Traum sich mehr nach einer realen Erinnerung anfühlte. Ihre Stimme war so rau das es mehr wie das Krächzen eines Raben klang. „Über deine Zuneigung freue ich mich sehr, aber ich habe einen unsagbaren Durst...“ Sofort sprang Philipp auf die Beine und eilte zur Tür hinaus, im Rennen rief er noch das er ihr etwas zu trinken holen würde. Etwas perplex betrachtete sie die Badewanne voll mit Wasser, das war doch schon mehr als sie trinken konnte. Gierig schöpfte sie ein paar Hände voll und stürzte es hinunter. Kurz schloss sie ihre Augen und atmete tief durch. Obwohl das Wasser lebensnotwendig war, schmerzte ihre ganze Kehle so sehr das es kaum zum aushalten war wenn sie auch nur einen Schluck nahm. Etwas flauschiges schmiegte sich vom Wannenrand an ihre Wange, lächelnd blickte sie hinüber zu ihrer besten Freundin. „Xii. Geht es dir gut? Dieser Mann hat dir einen üblen Tritt verpasst, ich hatte solche Angst um dich.“ „Ihr hattet in eurer Situation auch noch Angst um mich? Ihr seid wirklich unmöglich. Als ich euch angekettet an diesen Stuhl sah, haben sich mir alle Haare aufgestellt. Am liebsten hätte ich diesen Menschen in Stücke gerissen.“ Betroffen senkte sich leicht ihr Kopf und sie schmiegte sich wieder an Lillys Wange. „Vergebt mir das ich euch nicht befreien konnte, als eure Leibwache habe ich kläglich versagt, obwohl ich einst einen Eid ablegte um Euch vor jedem Übel zu bewahren. Diese Welt hat mir diese jämmerliche Statur gegeben und mich all meiner Kräfte beraubt.“ Eine nasse Hand streichelte ihr dankbar den Kopf und Lilly wollte gerade zu ein paar Worten ansetzten als Xii einen kleinen Sprung zurück machte. „Ihr hättet auf mich hören sollen! Dieses Mädchen zu retten war eine Torheit, Ihr habt dadurch viel Zeit eures eigenen Lebens aufgebraucht, schlimmer noch, Ihr hättet es beinahe diese Nacht verloren. Ihr solltet langsam genug Eindrücke dieser Welt gesammelt haben und Euch wieder auf die Suche nach Morendras Stab konzentrieren.“ „Xii... sei doch nicht immer so verärgert. Es ist meine Entscheidung wen ich heile, und wen nicht. Außerdem glaube ich noch immer das der Stab nicht gefunden werden will, und er es ist der zu mir kommt.“ Der kleine Fuchs plusterte sein Fell auf und fauchte leise. „Das kann nicht Euer Ernst sein! Diese Menschen sind schlecht, Ihr habt es am eigenen Leib erfahren! Er hätte Euch getötet aus lauter Gier! Das könnt Ihr nicht einfach so abtun! Wo ist Euer Pflichtgefühl, Eure Verantwortung eines ganzen Volkes gegenüber? Ihr flüchtet Euch in Träumereien statt den Stab zu suchen, so langsam glaube ich Ihr wollt gar nicht mehr zurück, sondern amüsiert euch viel lieber mit diesem dreckigen Menschenabschaum.“ Mit einem Satz sprang sie über das Wasser hinfort und landete anmutig auf den Badezimmer Fliesen, wütend starrte sie hinauf zu Lilly die lieber müde den Kopf in den Nacken legte statt eine Antwort zu geben. Das Schweigen machte Xii noch zorniger und sie nutzte die Gelegenheit um weiter zu wettern. „Na, wenn es Euch hier so gut gefällt dann bleibt! Bleibt in einer Welt die um euch herum stirbt und zugrunde gerichtet wird, das war nämlich das, was ich gesehen habe. Dieser Planet wird bis zum letzten Gut ausgeraubt, bis diese Menschen erkennen das sie all ihr Geld nicht essen können. Doch dann wird es zu spät sein! Ich für meinen Teil werde den Stab Morendras suchen und dann dorthin zurück kehren wo ich hin gehöre.“ Kaum hatte der letzte Ton ihre Lippen verlassen, sprintete Xii los und warf keinen Blick mehr zurück. Da die Haustür nicht abgeschlossen war, war es für sie ein leichtes die Klinke mit einem Sprung zu erreichen und hinunter zu drücken. Ihre Kleine Gestalt verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Philipp, der sich oben im Flur an eine Wand gelehnt hatte, war stumm dem Streit gefolgt. Lauschen war normal nicht seine Art, aber er wollte die beiden auch nicht stören. Langsam ging er wieder hinunter um die Tür zu schließen, zurück im Bad fand er Lilly noch immer völlig schweigsam vor. Sie hatte den Kopf an den Badewannen Rand gelehnt und starrte an die Decke, man sah ihr die Erschöpfung der Nacht deutlich an. Als er ihr die Wasserflasche hin hielt schenkte sie ihm ein dankbares Lächeln und seufzte bei seinem betroffenen Gesichtsausdruck. „Xii ist nicht immer so. In ihrer Brust schlägt ein gutes Herz, und ich muss ihr Recht geben. In der letzten Zeit habe ich immer weniger an die Suche nach dem Stab Morendras gedacht. Eure Welt kennen zu lernen war so aufregend, das ich alles was wichtig war vergessen habe. Oder seien wir ehrlich, ich habe es verdrängt.“ Philipp kniete sich neben der Wanne nieder und legte seine Arme in einer ineinander verschränkten Position auf dem Rand ab. Nach einer Weile der Stille schüttelte er den Kopf. „Ich weiß dass ihr viel an dir liegt, sie hatte sich auf der Suche nach dir große Sorgen macht. Sie erzählte mir das du für die Heilung meiner Schwester einen Teil deiner eigenen Lebensenergie hergegeben hast. Warum hast du mir das nicht selbst vorher gesagt?“ „Hätte ich es dir gesagt, hättest du dich dann anders entschieden?“ Ihre Gegenfrage, und der gelassene Blick mit dem sie ihn betrachtete, warf ihn völlig aus der Bahn. Fast schon beschämt senkte er den Blick, eine Antwort wollte er ihr darauf nicht geben, denn wenn er ehrlich war, wäre diese ein Nein gewesen. „Siehst du, es hätte deine Entscheidung nicht geändert, aber du hättest sie mit einem schlechten Gewissen fällen müssen, und dir unnötig Gedanken darüber gemacht. Das wollte ich eigentlich vermeiden. Wen ich heile, und wofür ich meine Lebensenergie hergebe ist allein meine Entscheidung.“ Unbeholfen schob er seine Hände in die Taschen seiner Sweatjacke, wieder verging eine ganze Weile in der sie einfach nur still dasaßen. Philipp erhob sich langsam, und kratzte sich flüchtig an der Brust während er zu dem kleinen Fenster blickte, er war einfach niemand der sich gern mit langen Reden aufhielt, und schon gar nicht wenn sie so emotional waren wie diese. „Besser ich gehe Xii mal suchen...“ Bevor er sich weg drehen konnte umfasste Lilly sein Handgelenk, Wasser platschte auf die weißen Fliesen, in ihren Augen lag etwas flehendes. „Bitte bleib. Sie wird schon zurück kommen wenn sich ihr Gemüt abgekühlt hat.“, müde senkten sich ihre Lider und ein tiefer Atemzug erschütterte ihren Körper, „Heute möchte ich nicht mehr allein sein.“ Ohne ein weiteres Wort nickte er ihr zu und setzte sich wieder auf den Rand der Wanne, als er sicher war das sie einen tiefen Schlaf gefunden hatte, zog er sich den Sitzsack aus seinem Zimmer heran und ließ sich hinein fallen. Für seinen Geschmack war das eindeutig wieder einer dieser Tage an denen viel zu viel geschehen war, und den man einfach nur vergessen wollte. Dennoch dauerte es eine ganze Weile bis auch seine Gedanken sich beruhigt hatten, und er nicht mehr alle paar Minuten nachsah ob Lillys Kopf noch oberhalb des Wassers war. Sein Schlaf sollte alles andere als erholsam sein, Bilder von seiner mit Bandagen bedeckten Schwester, und Reißzähnen von denen giftiger Speichel troff, verfolgten ihn die nächsten Stunden. Ganz langsam dämmerte Philipp dem Wachsein wieder entgegen, einige Zeit war vergangen, das Licht des Morgens erhellte den Raum bereits vollkommen, dennoch kam es ihm vor als wären nur Minuten vergangen. Herzhaft gähnend schob er seine Brille nach oben und rieb sich den Schlaf aus den Augen, als er versuchte sich zu strecken schmerzte sein Körper ungemein. Für solche Schlafpositionen war er einfach zu alt, Schlaf war ihm heilig, und den vollzog er für gewöhnlich in seinem Heiligtum. Seinem Bett. Träge rollte sein Kopf zur Seite, er wollte sehen wie es Lilly mittlerweile erging. Mit einem Schlag war er hellwach, denn ihr fast schon vertrautes Gesicht war fort. Ruckartig versuchte er aufzuspringen, was nicht so elegant aussah wenn man die ganze Nacht lang in einen Sitzsatz hinein gesogen wurde und nun versuchte aus einem Loch heraus zu krabbeln. Wie eine Schildkröte auf dem Rücken ruderte er mit seinen Armen, gab es schließlich auf und rollte sich seitlich von seinem Gesäßgefängnis weg. „Lilly!?“ Auf Knien robbte er die wenigen Zentimeter auf die Badewanne zu und zog sich an deren Rand etwas in die Höhe, aber bis auf ein wenig Wasser war darin nichts zu sehen. „Guten Morgen! Was bist du denn so aufgeregt?“ Ihre Stimme zu hören versetzte seinem Herzen einen Stromstoß, und es traute sich wieder zu schlagen. Sein Kopf schwenkte zur Seite und kaum hatte er sie erblickt, erschlaffte seine Kinnlade. Lilly kniete auf den blanken Fliesen des Badezimmers, direkt vor dem Fenster, dort wo die wärmende Sonne des Morgens hinein fiel und hatte den Kopf über ihre Schulter zu ihm gedreht. Ihre Arme waren zu beiden Seiten hin ausgebreitet als würde sie etwas anbeten. Das alles wäre noch kein Grund gewesen gleich die Fassung zu verlieren, wäre da nicht die Tatsache das er sehen konnte das ihre Haut sich wieder regeneriert hatte. Sie gewann an Farbe und wirkte straffer, nicht so knittrig am gestrigen Tag. Zu übersehen war das nicht, denn sie kniete dort wie Morendras sie nach ihrem Glauben hin geschaffen hatte. Splitterfasernackt. „Uah! Was machst du denn da schon wieder verdammt!!!“ Eilig drehte er ihr den Rücken zu und schlug sich die Hände vor das Gesicht. Lilly hingegen verstand seine Aufregung nicht, sie fühlte sich wie neu geboren. „Das Wasser hat schon gut getan, aber ich brauche auch dringend Sonnenlicht. Mit eurer komischen Kleidung, die fast die ganze Haut bedeckt, kann ich es doch nicht aufnehmen.“ Ihre nackten Füße platschten leise auf dem Boden und kamen ihm bedrohlich nahe. „Jetzt bin ich wieder völlig bei Kräften! Ist das herrlich!“ Noch immer hielt Philipp sich die Hände vor sein Gesicht und stöhnte genervt auf. In gewohnter Manier pöbelte er ihr entgegen das sie sich sofort anziehen soll, der schreckliche Anblick wäre ja nicht zum aushalten. Als er sein Frühstück zu sich genommen hatte, beschlossen die beiden sich auf die Suche nach Xii zu machen. Lilly hätte nie gedacht das ihre Freundin so lange schmollen und die ganze Nacht draußen verbringen würde. Ihre Füße trieben sie an die gewohnte Stelle, dort wo sie damals vom Himmel gefallen waren. Weit ab des kleinen Weges wo sich um diese Zeit viele Spaziergänger aufhielten riefen sie immer wieder den Namen des kleinen Fuchses, eine Antwort aber blieb aus. Mehr und mehr wuchs große Sorge in Lilly heran, denn auf dem erblühenden Waldboden konnte sie nicht eine Spur ausmachen. Immer tiefer gingen sie hinein in die friedliche Idylle des Waldes, Vögel zwitscherten überall und ein herrlicher Duft von erwachendem Leben erfüllte ihre Nasen, nichts davon nahm die Ellydre wahr, alles was sie wollte war Xii zu finden. Plötzlich rief Philipp ihren Namen und deutet auf ein kleine Anhöhe, nur wenige Meter entfernt von ihnen. Mehr als nur ein Stein fiel ab von Lillys Herzen, denn dort oben saß ihre Freundin mit dem Rücken zu ihnen. „Xii!!!“ Sofort stürmte sie den kleinen Hang hinauf und blieb dicht hinter dem Fuchs stehen. „Wieso antwortest du mir denn nicht? Weißt du was ich mir für Sorgen gemacht habe?!“ Beleidigt schaute Xii weiterhin in die Ferne ohne auch nur einen Blick zurück geworfen zu haben. Vor ihnen erstreckte sich eine herrliche Aussicht auf ein Tal aus Laub- und Nadelbäumen, alles wirkte so friedlich in der Frühlingssonne. Die Bewohner des Waldes sangen ihre Lieder und der Wind säuselte über ihnen durch die grünen Blätter. Irgendwo schnatterte ein Eichhörnchen und Vögel huschten von Ast zu Ast. Philipp hätte das ganze sicherlich auch sehr entspannend gefunden, würden die beiden nicht gut einen Meter vor einem steilen Abhang stehen und ihr zorniges Schweigen austragen. „Wollen wir nicht nach Hause gehen und ihr...“ ,aber seinen Worten wurde einfach keine Beachtung geschenkt, stattdessen flötete Xii vollkommen unbeeindruckt los. „Ich habe nur das getan was Ihr hättet schon lange tun sollen. Das Relikt Eures Volkes suchen, statt Euch bei diesem Mensch zu vergnügen. Dabei dachte ich in der letzten Nacht hättet Ihr eine Lektion gelernt.“ Gerade als Xii Luft holte um ihren Vortrag auszuweiten gellte neben ihr ein Schrei auf dessen Echo mehrere Male in dem Tal nachhallte. Vögel kreischten empört auf und flatterten davon. Mit weit aufgerissenen Augen starrten Xii und Philipp zu der Verursacherin des Schreis. Zu Lilly. Zum ersten Mal in ihrem Leben riss ihr der Geduldsfaden und ihre Ohren waren das ewige Nörgeln leid. Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und stemmte sie sich in die Hüften. Philipp hätte nie gedacht das dieses stets heitere Gesicht zu so einer wütenden Grimasse fähig war, im Stillen machte er sich eine Notiz das er sich geirrt hatte. „Mir reicht es langsam mit deinen ständigen Bevormundungen was ich zu tun und zu lassen habe! Seit wir in dieser Welt sind, lässt du an nichts und niemandem ein gutes Haar! Glaubst du wirklich ich habe kein Heimweh? Glaubst du wirklich ich möchte nicht auch nach Hause zurück kehren? Tagelang sind wir durch diesen Wald geirrt ohne auch nur eine Spur von Morendras zu finden! Ich habe die Suche auch nie aufgegeben obwohl es fast unmöglich scheint ihn unter all den Stöcken und Ästen die hier liegen, zu finden.“ Von der knisternden Stimmung angesteckt sprang Xii auf und grub ihre kleinen Krallen in das weiche Erdreich. „Morendras sieht ja wohl ganz anders aus! Wisst Ihr was ich glaube? Inzwischen hat ihn irgendein Mensch in seine dreckigen Finger bekommen, nur weil wir nicht genug gesucht haben!“ „Da irrst du dich aber! Ich sag dir mal was, als wir vom Himmel gefallen sind, und er mir aus den Fingern glitt, hat Morendras seine Form geändert. Er wurde zu einem ganz normalen Stock wie sie hier zuhauf vorkommen. Und bevor du dich jetzt wieder aufregst, kann ich dir sagen wieso ich das die ganze Zeit für mich behalten habe! Weil ich wirklich glaube das Morendras will das ich hier irgendwas finde, und er sich wieder offenbaren wird wenn die Zeit reif ist.“ Der kleine Fuchskörper begann zu zittern und ein leises Zischen erklang als würde Luft durch ein undichtes Ventil entweichen. Scheinbar sah Xii die ganze Sache nicht so gelassen, es wirkte vielmehr als würde es gleich eine folgenschwere Explosion geben. Philipp stand relativ gelassen neben den beiden, begeistert war er von Lillys Geständnis absolut nicht, aber wenn er eines in seinem jungen Leben gelernt hatte, dann das man sich in Streitereien von Damen nicht einmischte. „Das glaube ich jetzt nicht! Wie kann man nur so naiv sein!? Was wenn Morendras seine Kraft verloren hat und wir für immer und ewig in diesem Höllenloch hier festsitzen! Und das alles wegen deinem dummen Egoismus!“ Xii verlor die Beherrschung, der Gedanke für immer hier fest zu sitzen war eindeutig zu viel des guten. Mit einem kraftvollen Sprung attackierte sie Lilly und schlug ihre kleinen Krallen in den dünnen Stoff ihrer Bluse. Mit einem beherzten Schritt zur Seite wollte die Attackierte noch ausweichen, aber der pelzige Dämon hing bereits an ihr. Leider forderte die Unachtsamkeit der Beiden rasch ihren Tribut, denn sie hatten vergessen das direkt neben ihnen ein steiler Hang in die Tiefe führte. Lillys Fuß rutschte ab und jeder Versuch noch Halt zu finden war vergebens, die losen Blätter waren ihr keine Hilfe. Philipp erwachte sofort aus seiner Starre und versuchte noch einen rudernden Arm zu erwischen, aber er war zu langsam. „Lilly! Nein!“ Wieder echote ein Schrei durch das idyllische Tal, doch dieses Mal lag Angst darin. In letzter Sekunde bekam die Ellydre eine Wurzel zu packen und klammerte sich mit aller Kraft an sie. Keuchend hob sie ihren Kopf, keine zwei Meter waren sie abgerutscht, aber sie fand inmitten all der Blätter, Mose und Farne keine Möglichkeit sich an irgendwas hoch zu ziehen. Ihre Füße suchten ebenfalls ohne Erfolg eine Möglichkeit um sich abzustützen. Xii kletterte auf Lillys Schulter und warf einen Blick hinunter, Bäume hatten ihre Wurzeln über Jahre tief ins Erdreich gegraben und trotzten rings um sie herum den Widrigkeiten, allerdings war keiner von ihnen in Reichweite. Unter ihnen wartete der sichere Genickbruch. „Lilly es tut mir leid... Soweit sollte es nicht kommen.“ Die Ellydre schnaubte und klammerte sich verzweifelt an die kleine Wurzel, ihre Arme begannen schon jetzt vor Anstrengung zu zittern. Dennoch formten ihre Mundwinkel ein Grinsen. „Wir sind beide Idioten, und das haben wir nun davon.“ Philipp kniete dicht am Rand des Abgrundes, sein Herz klopfte panisch in seiner Brust. Als er sich flach auf den Boden legte streckte er die Hand so weit es ihm möglich war nach den beiden aus, aber es reichte nicht. Hektisch suchte er die Umgebung ab, irgendwas musste sich doch als nützlich erweisen. Aus lauter Verzweiflung griff er nach einem Ast der auf jeden Fall bis zu Xii und Lilly reichen würde und einen robusten Eindruck machte. Aber würde er ihn auch halten können? Ohne weitere kostbare Minuten zu verschwenden ging er vor der Absturzstelle auf ein Knie nieder und klemmte sich das eine Ende des Astes in seine Achselhöhle, es musste einfach klappen, er würde sie nicht schon wieder fast verlieren. „Halt dich an dem anderen Ende fest! Ich werde euch dann hochziehen!“ Zittrig löste Lilly eine Hand von der lebensrettenden Wurzel und versuchte nach dem Holz zu greifen, vor Schreck, als sie merkte das die Wurzel ein kleines Stück nachgab, keuchte sie auf und zog die Hand wieder zurück. „Xii! Klettere du als erstes an dem Ast hinauf. Dann kann ich mich besser konzentrieren.“ „Rede keinen Unsinn, ich kann dir keine große Hilfe sein, aber ich werde dich mit Sicherheit nicht allein lassen!“ Lilly stöhnte aufgrund der Sturheit ihrer Freundin auf. Feste biss sie sich auf die Unterlippe, über ihnen rief Philipp immer wieder sie soll endlich zugreifen. Ein letztes Mal atmete sie tief durch und setzte alles auf die eine Karte die sie noch hatte. Sie griff nach dem Ast und kaum das ihre Hand sich festklammerte, ging ein schwaches Licht von dem toten Stück Holz aus. Von oben kämpfte Philipp gegen das Gewicht an und versuchte die beiden nach oben zu ziehen, dann bemerkte auch er das schwache Licht und dass das Holz des Astes begann sich zu verformen. „Was zum?!“ Er erschrak so sehr das er das Gleichgewicht verlor und seine Füße den Hang hinunter schlitterten. Blätter taumelten wild durcheinander, Schreie erklangen und schreckten die letzten Vögel auf. Ein gleißender Lichtblitz blendete ihn und er stürzte mit Lilly und Xii in die Tiefe. Der erwartete Schmerz blieb aus, stattdessen hatte er das Gefühl immer weiter zu fallen. Plötzlich jauchzte eine Frauenstimme vor Freude auf und er traute sich wieder die Augen zu öffnen. Noch immer hielt er das eine Ende des Astes in Händen, und Lilly das andere, aber etwas ganz entscheidendes hatte sich verändert. Knorrig zwirbelte sich das Holz um kleine und große Bernsteine die leuchteten als wären sie aus Gold. Feine grüne Ranken schlängelten sich empor wo eine Gabelung zwei große Bögen beschrieb die sich zur Mitte hin wieder vereinten. Genau dort ruhte der größte aller Bernsteine und spiegelte sein verblüfftes Gesicht wieder. „Das ist Morendras! Wir haben ihn gefunden! Oder er uns! Xii, Philipp, ist das nicht unglaublich?“ Um sie herum herrschte vollkommene Finsternis und sie schienen in ein endloses Nichts zu stürzen, Lillys Freude konnte Philipp nicht wirklich teilen, er machte sich vor Angst fast in die Hosen. Xii krallte sich so fest sie nur konnte an den Stoff der Lillys Schulter bedeckte, auch sie jubelte auf als sie erkannte welch glorreichen Fund sie gemacht hatten. Eine starke Böe riss an ihnen und plötzlich blitzten überall Lichter in allen möglichen Farben auf und rasten an ihnen vorbei. Philipp verlor den Halt und rutschte von Morendras ab, vor lauter Furcht gelang es ihm nicht einmal mehr zu schreien als er sah wie weit er sich von Sekunde zu Sekunde von ihnen entfernte. Grelles Licht blendete ihn und er bedeckte seine Augen, ihm war als würde sein Fall gebremst, ein Gefühl als ob sich ein riesiges, weiches Polster unter ihm auftat. Leider schien das Polster nicht sehr robust zu sein, denn im nächsten Augenblick prallte sein Rücken auf etwas hartem auf. Ein fauliger Geruch stieg ihm in die Nase, ließ ihn sogar fast würgen, und es dauerte auch nicht lange bis er sich erinnerte woher er diesen Geruch kannte. Ein klappernder Laut ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)