Fachidiot von JiskahRedHood (Die Schmieden von Dravasuum) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Kleine Äste und heruntergefallene Blätter knackten leise unter seinen Stiefeln als er den breiten Pfad entlang ging. Sein herzhaftes Gähnen mischte sich unter die Geräusche des Waldes der ihn umgab. Alles wirkte so friedlich, Vögel zwitscherten, der Wind flüsterte leise durch die Blätter der Bäume und vor seinem Blickfeld jagten sich zwei Schmetterlinge. Schon lange hatte er sich nicht mehr so gelangweilt. Unter einem tiefen Seufzen kramte er aus seiner Tasche die zerfledderte Landkarte ohne die er in diesen fremden Ländereien sicherlich aufgeschmissen wäre. Seine Stimmung hob sich nicht als ihm klar wurde das sein Ziel noch mindestens zwei Tagesreisen entfernt lag. Lieblos faltete er die Karte wieder zusammen und schob sie zurück in die Ledertasche welche er an seinem Gürtel befestigt hatte. Zu allem Überfluss knurrte schon wieder sein Magen, dabei hatte er erst vor einer Stunde gerastet, dieses verdammte Trockenfleisch und Knusperbrot machte ihn einfach nicht satt. Viel mehr würde er lieber wieder einen herzhaften Eintopf zu sich nehmen oder einen Gänsebraten, oder ...nein, er zerstreute rasch seine Gedanken denn der Wasserspiegel in seinem Mund nahm erheblich an. Bevor er seinem knurrenden Magen noch mehr Beachtung schenken konnte, nahm sein empfindliches Gehör etwas in der Ferne wahr. Still verharrte er an Ort und Stelle, sein Blick schweifte vorbei an den knorrigen Stämmen der Bäume, jetzt wurde ihm bewusst war er dort hörte. Schreie. Ganz langsam bewegte er seine Hand zu dem Knauf der hinter seiner rechten Schulter hervor ragte. Ein leises Surren wirkte wie ein Lied, das seine Klinge vor Freude sang als sie ihrer bevorstehenden Aufgabe gegenübersah. Niemals in seinem Leben hätte er sich vorstellen können das er so schnell laufen konnte, aber in diesem Moment fiel ihm das Denken allgemein hin sehr schwer, denn der Sauerstoff den seine Blutkörperchen gerade transportierten, wurde so ziemlich überall in seinem Körper gebraucht. Nicht einmal warf er einen Blick zurück, das brauchte er auch gar nicht, er hörte das Hecheln, das Klappern von Knochen und die langen Krallen die durch den Waldboden pflügten, dicht hinter sich. Dieses Vieh hatte so lange Beine, eigentlich müsste es doch schneller sein als er, oder etwa nicht? Spielte es vielleicht mit ihm? Gedanken die an ihm vorbei rauschten als er über Wurzeln und umgefallene Baumstämme sprang um den gewaltigen Kiefern hinter sich zu entgehen. Neben ihm tauchte plötzlich ein Schatten auf, als Philipp einen Blick darauf warf, blickte er in die blutroten Augen eines zweiten Faulvaruls. „Nein! Verdammt!“ Seine Lunge brannte vor Anstrengung, er pfiff jetzt schon aus dem letzten Loch, doch dann wurde es noch viel Schlimmer. Auch zu seiner linken Seite nahm er zwei herannahende Schatten war, nun waren es schon vier Faulvaruls die an seinen Fersen klebten. Wenn seine Überlebenschancen schon vorher bei Null gewesen waren, wo waren sie dann nun? Vor ihm gaben die Bäume einen Weg frei der nicht mehr war, als ein breiter Trampelpfad. Inmitten dieses hellen Ortes, der so friedlich sein könnte, stand etwas auf diesem Pfad das genauso wenig hier her passte wie die Kreaturen hinter ihm. Überall wuchs saftig grünes Gras, die Stämme der Bäume wuchsen so knorrig in die Höhe das es etwas romantisches hatte, dazu noch die gelben Blätter welche aussahen aus wie kleine Herzen. Farne züngelten sich verspielt empor. Hier, mitten auf dem idyllischen Pfad der sich durch die Landschaft schlängelte stand ein Mann. Mit Sicherheit war er über zwei Meter groß. Seine Schultern könnten fast genau so breit sein, denn sein Körper war in eine massive Rüstung aus schwarzem Stahl gehüllt. Erst hatte Philipp den Eindruck der Koloss würde eine Maske tragen, aber je näher er dem Kerl kam, desto klarer wurde die Gewissheit dass das was er sah tatsächlich Haut war. Sie hatte die Farbe von dunklem Grau, und stand in einem starken Kontrast zu seinem weißen Haar. So genau wollte Philipp diesen Fremden auch gar nicht kennen lernen, denn als er auf ihn zu rannte hob der Koloss sein Schwert das er bis dahin locker in der rechten Hand gehalten hatte. Welcher Tod wohl angenehmer wäre? In Zwei geschlagen, oder von fletschenden Bestien zerrissen zu werden? Philipp versuchte einen Haken zu schlagen um dem Kerl nicht in die Hände zu laufen, aber trotz der massiven Rüstung wich er überraschend schnell in seine Richtung aus und stieß den jungen Mann zur Seite weg. Unter einem leisen Aufschrei landete er unsanft im Dreck und rollte auf den Rücken. Nur einen Augenblick später war ein Surren zu hören, wie von Stahl der aufeinander rieb, und an dem linken Unterarm des Kriegers bildete sich ein Schild. Keine Sekunde zu spät, denn schon prallte der erste Faulvarul bereits dagegen. Das zweite Biest beachtete den Riesen gar nicht und zog einen Bogen, seine leeren Augenhöhlen hatten sich auf Philipp fixiert. Noch nie in seinem kurzen Leben hatte er solch eine Angst verspürt. Allerdings erreichte die Kreatur ihr Ziel nicht, denn mit einem heftigen Hieb drang die Klinge des Schwertes tief in seine Seite hinein. Ein fürchterliches Brüllen des Zornes ließ die Luft ringsherum erbeben, der Körper des Faulvaruls taumelte und stürzte, Beine und Schwanz zuckten im Todeskampf, blind versuchte es mit seinem gewaltigen Kiefer noch nach etwas zu schnappen bevor das Leben aus ihm wich. Nun hatten hatte der Krieger die volle Aufmerksamkeit der anderen drei Bestien, sie fletschten ihre Zähne, unablässig triefte grüner Speichel zu Boden und hinterließ dunkle Flecken. Die Kochen die wie eine zweite Wirbelsäule an ihren Kehlen hinab wuchsen begannen zu zittern, erzeugten somit wieder dieses klappernde Geräusch das Philipps Blut zu Eis gefrieren ließ. Die dunkle Stimme des Kriegers riss ihn aus seiner Starre, er konnte die Worte nicht verstehen, die Sprache war ihm gänzlich unbekannt. Kleine Steinchen und Staub wurden aufgewirbelt als der Fremde mit einem Aufschrei nach vorne stürmte und auf die drei restlichen Varuls los ging. Klauen und Zähne kreischten über den Stahl des Schildes und an Stellen seiner Rüstung, die bis auf seinen Kopf, fast den gesamten Körper einhüllte. Schritt für Schritt wurde er zurück gedrängt als seine Gegner immer unerbittlicher gegen ihn vor gingen. Philipp entschied sich dafür das seine Neugier nicht so gewaltig war, das er unbedingt den Ausgang dieses Kampfes sehen musste. So schnell er konnte sprang er auf seine Beine und rannte davon, einige Meter blieb er auf dem Weg bevor er sich wieder in das Unterholz schlug. Nur einmal blickte er über seine Schulter, aber niemand folgte ihm. Als seine Lungen wieder begannen vor Anstrengung zu brennen und der Kampfeslärm verstummte, wurde er langsamer und blieb schließlich stehen. Mit beiden Händen stützte er sich auf seinen Knien ab, japsend rang er nach Luft. Ihm war speiübel und die Welt um ihn herum drehte sich. Bevor sich sein Körper wieder beruhigen konnte vernahm Philipp ein Rascheln der Blätter in den Baumkronen über sich. Panik griff sofort wieder Besitz von ihm und er versuchte die Flucht nach Vorn anzutreten, aber seine Beine waren schwer wie Blei. Fast schon unbeholfen schleppte er sich weiter und suchte mit seinem Blick hektisch die Baumkronen ab, er konnte nichts erkennen, doch kam es ihm vor als würde er einen Schatten wahr nehmen, der blitzschnell von Ast zu Ast sprang. Ein dumpfes Geräusch erklang und irgendwas landete direkt vor ihm. Beinah wäre er ihr in die Arme gelaufen, nur in letzter Sekunde konnte er abbremsen und versuchte in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Er wollte nicht mehr. Nicht einmal wissend wo er sich befand, schien er von einer Bedrohung in die nächste zu rennen. Weit kam er nicht da packte ihn etwas grob von hinten an seinem Sweatshirt. Ein knapper Aufschrei entfuhr ihm bevor eine Hand seinen Mund bedeckte. Seine Nasenlöcher blähten sich weit, sein ängstlicher Blick richtete sich auf das schwarze Etwas auf seinen Lippen. War das ein Handschuh? Ein Stoßgebet sandte er nach Oben dass es ein Handschuh sein musste. Die fremde Hand war warm und weich, schwarzes Fell bedeckte sie und alle fünf Finger endeten eher mit Krallen, statt mit Fingernägeln. Eine zischende Stimme drang wütend an sein Ohr, er konnte ihren Atem in seinem Nacken spüren. „Halt gefälligst deinen Mund du Narr! Sonst finden sie uns noch.“ Diese Stimme kannte er! Nur woher? Seine Augen weiteten sich plötzlich als ihn die Erkenntnis wie ein Schlag traf. „Wenn ich jetzt meine Hand fort nehme, wirst du die Klappe halten. Ist das klar? Wir können keine Faulvaruls auf den Fersen mehr gebrauchen und schon gar nicht einen Schattenelfen! Der könnte uns sogar bis hier her hören.“ Philipp nickte und war dankbar dass die pelzige Hand von seinen Lippen verschwand. Mit großen Augen wirbelte er herum und traute seinen Augen kaum. „Xii?!“ Mit gebleckten Zähnen fauchte sie ihn leise an und er konnte erkennen das ihre Eckzähne feine Spitzen aufwiesen. Sie hielt sich den Zeigefinger an die Lippen und signalisierte diesem begriffsstutzigen Menschen er sollte doch leise sein. Vor ihm stand nicht mehr der kleine niedliche Wolf im Fuchswelpen Pelz, sie war eine erwachsene Frau die so groß war wie er selbst. Wenn auch ihre Statur menschlich war, wies sie deutlich heraus stechende Merkmale auf die sonderbar wirkten. Das Fell das ihre Hände und die Unterarme bedeckte, fand sich auch an ihren Füßen wieder und endete an ihren Knien. Ihr restlicher Körper war von Haut überzogen wie bei einem normalen Menschen, dessen konnte er sich sicher sein denn wenig Stoff schien eine Vorliebe von ihr zu sein. Ihre fransige Kleidung war mit vielen verschiedenen Federn verziert die sich auch in ihrem langen, schwarzen Haar wieder fanden. Dies trug sie zu einem Zopf am Hinterkopf gebunden, die Spitzen verliefen in ein rot-orange über. Mitten auf ihrem Kopf fiel ihm noch etwas anderes auf. Zwischen ihren Haarsträhnen luchsten zwei große pelzige Fuchsohren hervor die nervös mal nach vorn, mal zur Seite ausgerichtet wurden. Toll, Pocahontas mit Ohren stand vor ihm. Mit ihren großen, eisblauen Augen schaute sie ihn eindringlich an, er merkte gar nicht das ihr Zorn immer mehr anschwoll, je ausgiebiger er sie taxierte. Ihr musste nicht entgehen das sein Blick immer wieder auf ihrem ausladenden Dekolletee haften blieb. „Wenn du mich noch eine Sekunde länger anstarrst Menschen Balg, kratze ich dir die Augen aus!“ Ihre Worte presste sie leise zwischen ihren Zähnen hervor. Xii´s empfindliches Gehör schien etwas wahr zu nehmen, ihre Ohren zuckten und drehten sich wieder nach außen. „Ich... äh... entschuldige. Du siehst nur so... anders aus!“ Auch er flüsterte und nahm aufgrund der bedrohlich wirkenden Situation eine geduckte Haltung ein. Als hätte er gerade eine selten dämliche Bemerkung gemacht, verengte sie ihre Augen und starrte ihn hasserfüllt an. „Das ist eine von meinen wahren Gestalten. Bevor du mir noch eine dumme Frage stellst, es sind Zwei. Endlich habe ich sie samt meiner Kräfte wieder. Mir ist es ein Rätsel wie Lilly oder Morendras das geschafft haben, aber wir sind wieder zu Hause. In Dravasuum.“ Dravasuum. Das Wort hallte dumpf in seinem Schädel. Eine Befürchtung hatte ihn schon geplagt, aber nun hatte er seine Gewissheit gefunden. Er war tatsächlich in dieser merkwürdigen Welt, fernab der Erde gestrandet. Träge schluckte er bittere Galle hinunter die in seiner Kehle hinauf kroch. Xii gab ihm ungeduldig einen Wink und schlich in leicht geduckter Haltung weiter durch das Unterholz, dorthin wo der Wald immer dichter wurde. Philipp musste sich beeilen um mit der geschmeidigen Frau Schritt zu halten. Erst jetzt wo sie ihm den Rücken zugewandt hatte fiel ihm noch ein weiteres Merkmal auf. Dort wo ihr Steißbein sein musste, zuckte ein langer buschiger Schwanz umher. Der eines Fuchses. Sein Fell schimmerte verlockend und er musste gegen den Drang ankämpfen ihn streicheln zu wollen, er war sicher unglaublich flauschig. Wild schüttelte er mit dem Kopf um die wirren Gedanken zu vertreiben, er war gerade erst vielleicht eine halbe Stunde in dieser Welt und lief schon Gefahr dem Wahnsinn anheim zu fallen. An Xiis Handgelenken waren goldene Armreifen befestigt und spannten hinter ihrem Rücken ein transparentes Tuch das nach unten hin in ein helles Blau verlief. Ihre Gestalt hatte etwas anmutiges das ihn faszinierte. Allerdings wollte er sie gerade nicht mit persönlichen Fragen provozieren und hob es sich für einen günstigeren Augenblick auf. Sie gab ihm immer noch deutlich zu verstehen das er sich bei ihr auf sehr dünnem Eis bewegte. „Du hast was von einem Schattenelfen gesagt. Was ist das? Etwa der Kerl dem ich eben über den Weg gelaufen bin? Hast du mich beobachtet?“ Es war zu hören wie sie einen tiefen Atemzug nahm. „Ja, ich habe dich beobachtet, du bist nur wenige Meter von mir entfernt mit einem Rudel Faulvaruls an mir vorbei gerannt. Viel mehr war es ihr Gestank der mich aufmerksam werden ließ. Aus sicherer Entfernung bin ich dir gefolgt und habe gesehen wie du dem Schattenelf in die Arme gerannt bist. Eigentlich hatte ich auch nichts intelligenteres von dir erwartet.“ Bevor er sich gegen ihre Nettigkeiten verteidigen konnte, sprach Xii unbeirrt weiter. „Scheinbar war es aber deine Rettung, das er mehr Vorfreude dafür empfand die Faulvaruls zu töten statt dich.“ „Tja, ich bin eben ein Glückspilz.“ „Schattenelfen sind gefährlich, sie sind eines der kriegerischsten Völker die unser Planet besiedelt. Mit ihren Feinden zeigen sie keine Gnade. Schon als Kinder treten sie ein hartes Training an das sie keinen Tag auslassen. Ehre, errungen durch einen Sieg in einem Kampf bedeutet für sie alles. Kurz gesagt man geht ihnen einfach besser aus dem Weg.“ Nervös sah Philipp zurück über seine Schulter, er erinnerte sich an die gold- gelben Augen des Elfen, sie waren so stechend das er das Gefühl gehabt hatte, der Kerl könnte direkt in seine Seele blicken. Unweigerlich musste er darüber nachdenken wer wohl diesen Kampf gewonnen hatte. Der Elf, oder die Faulvaruls. Ihm war als hätte er ihren fauligen Geruch noch immer in der Nase. Es wirkte so real das er würgen musste. Xii blieb so ruckartig stehen das Philipp sie fast über den Haufen gerannt hätte und hart gegen ihren Rücken prallte. Fluchend gab sie ihm eine Klatsche auf den Hinterkopf und herrschte ihn immer noch im Flüsterton an, ob er denn nicht aufpassen könne. Mit einer ihrer Krallen deutete sie nach vorn und bedeckte mit der anderen Hand ihre Nase. Einige Meter vor ihnen war ein toter Faulvarul in einem Gefängnis aus dornenbesetzten Ranken zerquetscht worden. Die Tat musste noch gar nicht all zu lange her sein, aus dem Maul der Bestie troff neben dem ätzenden Speichel auch Blut. „Das muss Lilly gewesen sein. Dornenranken können nur Ellydren heraufbeschwören.“ Peinlich berührt musste Philipp feststellen das seine Sinne von all den neuen Eindrücken so überschwemmt gewesen waren, das ihm noch gar nicht aufgefallen war das Lilly fehlte. Xii würde ihn sicher in der Luft zerreißen wenn er wieder eine „dumme“ Frage stellte, das Risiko war er allerdings bereit einzugehen. „Was ist mit Lilly? Bist du nicht mit ihr zusammen hier... nun, gelandet?“ Xii schüttelte den Kopf, ihr Schwanzende zuckte wie bei einer Katze die auf der Lauer lag. „Ein heftiger Windstoß entriss sie mir, nur einen Augenblick später bin ich hier gelandet. Von ihr habe ich weit und breit nichts gesehen. Bevor ich mit meiner Suche beginnen konnte, bist du an mir vorbei gerannt. Allerdings glaube ich das sie hier auch irgendwo in der Nähe runter gekommen sein muss.“ Wieder deutete sie auf den toten Faulvarul. „Zumindest sind wir auf der richtigen Spur. Komm. Wir müssen sie finden!“ Zusammen schlichen die beiden weiter durch das Unterholz, in der Nähe waren schon nach wenigen Metern Stimmen zu vernehmen. Anscheinend waren es einige Männer die miteinander eine hitzige Diskussion führten. Vorsichtig näherten sich Xii und Philipp der Böschung und gingen hinter den dichten Farnen in Deckung. Sie reckten ihre Köpfe und er konnte hören wie die Fuchsdame neben ihm einen Fluch zischte. Gute drei Meter unter ihnen befand sich ein breiter Pfad auf dem sich acht Männer in imposanten Rüstungen versammelt hatten. Sie waren nicht so imposant wie die des Schattenelfen aber auch ihr Anblick konnte durchaus einschüchternd sein. Zwei der Männer hatten ihre Helme abgenommen und sie sich unter den Arm geklemmt, alle redeten durcheinander und stritten sich scheinbar um irgendwas. Eilig kam ein neunter Mann angerannt und wedelte mit einem massiven Goldring, welcher locker zwei Finger breit war. Einige der Männer lachten und er erkannte nun auch was Xii bereits längst entdeckt hatte, als sie einige Schritte zurück wichen. Auf dem Boden zwischen ihnen lag jemand. Ohne Zweifel erkannte er die Kleidung der jungen Frau, die regungslos da lag. Auf Lillys Kopf waren die kleinen Fortsätze wieder zu einem vollständigen Geäst herangewachsen, nur ein Detail stimmte nicht und passte so gar nicht zu dem Bild in seinem Gedächtnis. Sie war blond. „Das ist doch Lilly oder spinne ich? Ihre Haare...“ Xii brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und flüsterte ihm zu während ihre Augen auf das Geschehen unter ihr gerichtet waren. „Es ist Sommer in diesem Gebiet. Ellydren wechseln ihre Haarfarbe mit der Jahreszeit. In eurer Welt hielt noch der Frühling an, dann sind ihre Haare türkis.“ Xii ballte ihre pelzigen Hände zu Fäusten und schüttelte sie voller Zorn. „Verdammt! Wir müssen Lilly da raus holen! Das sind Soldaten von den Blauen Falken. Sie gehören zu einem Königreich das vielleicht zwei Tagesreisen entfernt von hier liegt. Ich kann es nicht mit neun Kampferprobten Soldaten auf einmal aufnehmen. Aber wenn die Menschen sehen das es doch noch Ellydren gibt, werden sie wieder Jagt auf sie machen.“ Philipps Herz zog sich schmerzhaft zusammen, Lilly hatte ihm von dem Gräuel erzählt das die Menschen ihrem Volk einst angetan hatten. Fast bis zur kompletten Ausrottung wurden sie gejagt weil man von ihren Heilkräften Gebrauch machen wollte, und wenn sie nicht fügsam waren, hat man Medizin aus ihren Knochen hergestellt weil die Menschen fälschlicher Weise dachten es würde ihnen ewiges Leben bescheren. Der neunte Soldat war ziemlich außer Atem, dennoch verlor er keine Sekunde, fiel neben Lilly sofort auf die Knie und werkelte an einen Verschluss herum der den goldenen Ring zusammen hielt. Bis hoch oben konnte Philipp die freudige Erregung in seinen Augen sehen. „Was hat er da!?“ Als Xii ihm nicht sofort antwortete blickte er zu ihr, er erschrak bei ihren weit aufgerissenen Augen. Die Panik die darin lag ging sofort auf ihn über und er boxte sie wütend in die Seite, er wollte eine Antwort auf seine Frage haben. Durch Xiis Körper ging ein Ruck und sie sprang ein Stück weit auf, blieb aber in geduckter Haltung. „Bei Morendras! Das ist ein Bindungsring! Ein magischer Gegenstand der nur von mächtigen Zauberern oder Magiern hergestellt werden kann. Bindungsringe wurden erfunden um die Kraft von Wesen mit Magie zu unterdrücken. Wenn er ihn ihr umlegt, wird sie all ihrer Kräfte beraubt bis man ihn wieder entfernt. Wir müssen etwas unternehmen. Sofort!“ Ihre eisblauen Augen fixierten Philipp und sie packte ihn grob an seinem Kragen. „Wenn dir wirklich was an ihr liegt, dann musst du dich nun für sie opfern. Rasch! Geh dort runter und lenke sie ab! Sie dürfen ihr den Bindungsring nicht umlegen. Wenn ich sie von hinten überrumpeln kann, kann ich einige ausschalten und dann Lilly in Sicherheit bringen.“ Philipp spürte wie der Boden unter seinen Füßen zu verschwinden schien, ihm stockte der Atem denn an ihrem Blick konnte er erkennen wie ernst sie es meinte. Ohne zu überlegen nickte er und stemmte sich auf seine zittrigen Beine. Sterben wollte er nicht, vielleicht war er schnell genug um vor ihnen fort zu laufen, darin hatte er mittlerweile doch schon Übung. Wie schnell konnten sie sich wohl in diesen klobigen Rüstungen bewegen!? Bevor er all seinen Mut zusammen nehmen konnte machte Xii einen Satz fort von ihm und stieß ein lautes Fauchen aus. „Was haben wir denn hier? Das scheint ja ein ganz besonderer Tag zu sein an dem uns viele interessante Gestalten einen Besuch abstatten möchten.“ Philipp wirbelte herum und blickte geradewegs in ein dunkles, hämisches Grinsen mit einigen Lücken. Die restlichen Zähne des Soldaten waren gelb und wurden von einem buschigen roten Bart umrahmt. Sein Haar hatte er scheinbar mit irgendeinem Öl versucht zu bändigen, zumindest glänzte es so sehr wie seine polierte Rüstung. Auf seinem Harnisch war das Symbol von einem blauen Falken auf weißem Grund zu sehen. „Kommandant Brockler! Seid vorsichtig, wer weiß welch dunkle Magie diese beiden Kreaturen besitzen!“ Ein weiterer Soldat näherte sich mit erhobener Lanze und hielt sie eindeutig zu dicht vor Philipps Nase, der sofort einige Schritte zurück taumelte. Hastig blickte er sich zu Xii herum und musste feststellen das sie mit Sicherheit von fast zehn Mann umzingelt waren. Um Xiis Hände ballte sich ein blaues Feuer das keine Hitze auszustrahlen schien.Mit einem wütenden Aufschrei schleuderte sie die Feuerbälle zu Füßen zweier Soldaten wo sie den Boden sofort in Brand steckten. Sie wichen zurück, zögerten jedoch nicht lange und gingen sofort mit ihren Kurzschwertern auf sie los. Xii duckte sich unter den Klingen weg und rollte sich ein Stück zur Seite. Ihr Körper wurde in einen bläulichen Nebel gehüllt und im nächsten Augenblick war die Frau verschwunden. Stattdessen sprang ein Fuchs, groß wie ein Wolf, nur schlanker und einem länglicheren Körper, hervor und rannte in einem unsagbaren Tempo davon. Das musste dann wohl die andere Gestalt sein von der sie gesprochen hatte. Einen Kampfschrei ausstoßend rannten die meisten der Soldaten hinter ihr her, Philipp hatte keinen Zweifel daran dass ihr Unterfangen sinnlos sein würde. Jemand packte ihn grob von hinten und Philipp warf seinen Kopf ruckartig zur Seite, hinunter zu dem Pfad wo Lilly lag. Dort standen acht grinsende Gesichter die zu ihm hoch blickten, ein neunter kniete neben seiner Freundin und schloss den Schnappverschluss des Ringes um ihren Hals. Philipp spürte noch wie eine Woge des Schmerzes in seinem Kopf explodierte, in der nächsten Sekunde empfing ihn eine dunkle Leere und zog in tief hinab. Mit einer Hand auf Mund und Nase ging er einige Schritte zurück und wischte das Blut im Gras von seinem Schwert. Das Ergebnis stimmte ihn nicht zufrieden, er atmete tief ein und hielt die Luft an während er zu dem Kadaver ging um sein Schwert an dem Fell abzuwischen. Schon besser. Er fragte sich beiläufig was anstrengender gewesen war, gegen vier dieser Bestien zu kämpfen die einiges an Geschick und Stärke mit sich führten, oder gegen den Brechreiz der fast unerträglich bei diesem Verwesungsgeruch in ihm die Oberhand gewinnen wollte. Rasch entfernte er sich einige Meter von den vier toten Faulvaruls die in ihren Einzelteilen quer über den Weg verstreut lagen. Fest schloss der Schattenelf seine Augen und schluckte hart, zumindest hatte sein knurrender Magen nun Ruhe gegeben. „Bei Horaks Schwertarm, wie kann man nur so stinken bevor man tot ist? Und das ganze dann im Tod noch um ein weites übertreffen?“ Aus sicherer Entfernung betrachtete er die Kreaturen und zog seine weißen Brauen zur Mitte der Stirn hin zusammen. Grimmig kratzte er sein Kinn und schob das Schwert wieder in den Gurt zurück der auf seinem Rücken befestigt war. Faulvaruls waren ihm nicht fremd, er hatte schon über sie gelesen und Zeichnungen gesehen, getroffen war er zuvor aber noch nie auf einen. Wunderlich war nur sie HIER zu treffen. Der Sage nach waren dies Geschöpfe der Unterwelt die aus den modrigen Tümpeln in den Sümpfen der Verbannten empor krochen. Diese Sümpfe waren ein verwunschener Ort der dunklen Magie, kaum jemand der einen Fuß hinein setzte kehrte wieder zurück, nur hier und da blieb jemand lang genug am Leben um mit seinen letzten Atemzügen von den Kreaturen die dort hausten zu erzählen. Daher waren die Bewohner der Sümpfe der Verbannten mehr Mythen als Realität. Des Schattenelfs Nasenflügel zuckten, diese Faulvaruls waren zumindest ziemlich real, dessen war er sich nun sicher. Vortrefflicher hätten die Erzählungen in den Büchern diese Wesen auch nicht beschreiben können. Vielleicht kam er auf der Reise zu seinem Ziel ja dahinter was sie hier zu suchen gehabt hatten und wer der kleine Mensch mit der merkwürdigen Kleidung gewesen war. Von seiner Mission durfte er sich davon nicht abbringen lassen, dafür stand zu viel auf dem Spiel, zu viel hatte er bereits riskiert. Gerade als er seinen Weg fortsetzen wollte nahm sein unverschämt gutes Gehör in weiter Ferne erneut Schreie war. Dieses Mal waren es nur deutlich mehr und sie schienen weniger ängstlich, sondern viel mehr wütend zu sein. Frustriert stieß er einen lauten Seufzer aus und stemmte seine Hände an der Hüfte ab. Ein kleiner Windstoß wehte ihm einzelne Strähnen seines weißen Haares ins Gesicht das gerade so lang war das es auf seinen Schultern liegen bleiben konnte und bis knapp unter das Schlüsselbein reichte. Das meiste davon hatte er an seinem Hinterkopf zu einem Zopf gebändigt, lediglich den breiten Strähnen die links und Rechts von seinem markanten Gesicht hinab hingen, ließ er die Freiheit. Eine ganze Weile lang ruhte sein Blick auf dem Weg. Genau jener der ihn in die Stadt Algarafiell führen sollte. Sein Ziel, das nach monatelanger Reise nur noch zwei Tagesmärsche entfernt lag. Nach einem neuerlichen Seufzen zuckte er mit den Schultern, die Ketten die über seine Brust verliefen und den schwarzen Umhang an seinem Rücken befestigten, klimperten leise. „Ach, was soll es.“ Dem Weg wandte er den Rücken zu und ging in die Richtung aus der die Schreie kamen. Noch ein wenig mehr Unterhaltung auf diesem langweiligen Fußmarsch konnte nicht schaden. Außerdem würde ihn sein Gewissen noch wochenlang plagen, wenn dort wirklich jemand Hilfe benötigte. Der Inhalt eines ganzen Eimer Wassers ergoss sich über Philipp und riss ihn unsanft aus seinem Dämmerschlaf. Nach Luft schnappend versuchte er die Orientierung zu gewinnen. Ein ganzer Männerchor grölte und lachte höchst amüsiert wie der magere Kerl seinen Kopf schüttelte und wie ein Fisch nach Atem rang und sich in den Seilen wand die ihn an einen breiten Holzpfahl in sitzender Position hielten. Den Pfahl hatten sie nur für ihn tief in den Boden eingelassen. „Guten Morgen Weib! Hast du gut geschlafen?“ Wieder grölte die ganze Meute und Kommandant Brockler drehte sich mit einem breiten Grinsen zu ihnen um. Nur zu gerne badete er, in der durch ihn entstandenen, Begeisterung seiner Soldaten. Philipp blinzelte die letzten Wassertropfen weg die über sein Gesicht liefen und starrte den Kommandanten wütend an. Auch wenn man ihm seine Brille weg genommen hatte, konnte er ihn gut erkennen. Nur Lesen war so unmöglich. „Was fällt euch eigentlich ein einen Reisenden einfach so nieder zu schlagen und ihn gefangen zu nehmen? Da wo ich her komme nennt man das Freiheitsberaubung!“ Seinen Worten folgte abermals Gelächter. Nur Brockler lachte nicht. Er ging bis auf zwei Schritte zu Philipp heran und ging schwerfällig vor ihm in die Hocke. Das knirschen seiner Knie war deutlich zu hören und der schlechte Atem machte dem Geruch der Faulvaruls Konkurrenz. Auf diese Distanz konnte Philipp zumindest nicht mehr die schlechten Zähne erkennen. Er packte in bei seiner dunkelblauen Kapuzensweatjacke und rieb den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. Argwöhnisch betrachtete der Kommandant den Fremdling und setzte ihm einen Finger mitten auf die Brust. Den Druck den er ausübte bereitete Philipp schon Schmerzen. „Da wo du her kommst, Weib? Dann sag uns mal wo du her kommst. Das ist nämlich etwas dass uns brennend interessieren würde. Diese komische Kleidung die du da trägst habe ich noch nie gesehen. Ganz zu schweigen von dem Ding auf deiner Nase.“ Als der Kommandant sich wieder erhob trat einer der anderen Soldaten an ihn heran und reichte ihm die Brille. Brockler faltete die Bügel auseinander und hielt sie sich vor die Augen. „Vermutlich sind das Lesegläser, aber die kann sich nur der Adel leisten, oder die Schreiber des Königs. Zudem sehen sie ganz anders aus. Also? Wo kommst du her Weib?“ Kurz überlegte Philipp wie er diese Situation erklären könnte, aber wie sollte er diesen schlechten Alptraum einem Menschen aus einer anderen Welt, und offensichtlich von einem ganz anderen Entwicklungsstatus erklären. „Ich komme aus Köln. Und das, was du da in Händen hältst, ist meine Brille. Oder meinetwegen auch Lesegläser. Meine Augen sind so schlecht das ich sie zum Lesen brauche.“ Alle Soldaten nahmen einen tiefen Atemzug der Empörung und wichen unweigerlich einen Schritt zurück. Ihr Kommandant reichte die Brille zurück ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Leider konnte Philipp nicht erkennen wie ihm die Zornesröte in sein Gesicht stieg. In einer fließenden Bewegung streifte er sich den Handschuh ab und gab Philipp mit dem Handrücken eine schallende Ohrfeige. Im ersten Moment dachte Philipp er müsste einige seiner Zähne eingebüßt haben und tastete instinktiv mit seiner Zunge danach. Es schien noch alles vorhanden zu sein. Direkt im Anschluss kam er. Der Schmerz. Sein gesamtes Gesicht schien in Flammen zu stehen. Brockler betrachtete ihn hasserfüllt von oben herab und blaffte ihn an sodass feine Speicheltropfen auf ihn nieder regneten. „Wenn du noch einmal so respektlos mit mir redest, du erbärmliche Made, dann schlage ich dir erst dein Gesicht zu Brei und reiße dir deinen Kopf anschließend mit meinen eigenen Händen von den Schultern.“ Philipp wusste erst gar nicht wie ihm geschah und was dieser Wutausbruch zu bedeuten hatte. Dann aber wurde es ihm klar. Er hatte den Kommandanten mit „Du“ angeredet. Ihm kam in den Sinn welche Herabwürdigung das gewesen sein musste. In den Filmen die das Mittelalter als Thematik auffassten, redeten ja manchmal sogar die Eheleute noch in dritter Person. Bevor er irgendwas darauf erwidern konnte ergriff Kommandant Brockler wieder das Wort. Sein Zorn schien schon etwas abgekühlt zu sein. „Einmal werde ich Gnade vor Recht walten lassen, du hast Glück das ich so ein neugieriger Mann bin. Also, von diesem Köln habe ich noch nie gehört. Liegt das hier auf Odaris?“ Wie sollte er darauf antworten? Er wusste ja nicht einmal was dieses Odaris war! Vorsichtig benetzte er mit seiner Zunge seine Lippen, seine linke Gesichtshälfte fühlte sich taub an. „Nein, nicht in Odaris. Weiter im Westen auf … Buxtehude.“ So locker wie nur möglich versuchte Philipp seine Worte hinüber zu bringen, im Stillen betete er zu Gott das er diese Gorillas zum Narren halten konnte. Scheinbar schien sein Plan auf zu gehen, die Männer begannen angeregt zu diskutieren. „Buxtehude? Im Westen? Kenne ich nicht. Ist das eine Insel?“ Eifrig nickte Philipp, Kommandant Brockler kratzte sich das Kinn und sah den Jüngling skeptisch an. Dann ging er wieder vor ihm in die Hocke. „Wenn du mich zum Narren hältst Weib, dann wirst du Bekanntschaft mit Neil machen.“ Mit seiner Hand deutete er zu einem Mann hinüber der keine Rüstung trug, nur ein paar feine Kleidungsstücke aus Stoff. Seine dunklen Augen jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Neil stand an einem Kohlebecken und zog sich einen dickem Handschuh über bevor er ein paar Eisenstangen aus dem Feuer zog um sie prüfend anzusehen. Philipp konnte das leuchtende Weiß der Spitze deutlich erkennen, die Drohung war unmissverständlich. „Ich habe Euch die Wahrheit erzählt. Ich komme wirklich aus Köln.“ Da seine Aussage tatsächlich der Wahrheit entsprach schien er so überzeugend gewesen zu sein das Brockler seinen Worten Glauben schenkte. „Gut. Und dann sag mir was du in der Begleitung von einer Janama machst?“ „Einer Janama? Was meint ihr?“ Brockler schien schon wieder am Rande seiner Geduld zu sein, und leckte sich die Lippen. „Die Hexe mit dem Schwanz und den Ohren du Idiot. Eine Janama! Weißt du überhaupt auf was du dich da eingelassen hast? Sag mir sofort was ihr hier zu suchen hattet und was ihr vor habt. Wenn ihr euch mit den Blauen Falken anlegt, kann ich dir nur sagen, das du wünschen wirst nie geboren worden zu sein.“ Philipp drehte sich der Kopf, ihm war nun klar das er Xii meinte, aber all das hier war zu viel Informationsinput auf einmal. Schattenelfen, Janama, Faulvaruls, Ellydren, darin war er doch kein Experte. Seine Videospiele hatten ihn darauf nicht vorbereitet. „Ich hatte ihr versprochen nach ihrer Freundin zu suchen.“ Philipp atmete tief durch und sah den Kommandanten möglichst hasserfüllt an. „Der, der ihr den Bindungsring umgelegt habt, und sie genau wie mich gefangen nahmt. Ist das so eure Masche? Unschuldige Leute gefangen zu nehmen? Sie zu schlagen und zu fesseln? Obendrein sie noch zu beleidigen? Falls es euch entgangen sein sollte, ich bin kein Weib!“ Er wollte einfach nur nach Hause. Am liebsten auf der Stelle, mit all dem hier wollte er nichts zu tun haben. Die Augen den Kommandanten weiteten sich und er trat wieder einen Schritt an ihn heran. „Du hast also mit dieser Ellydre was zu schaffen. Mit dir könnte es interessanter werden als Gedacht. Selbstverständlich nachdem ich dich für deinen niederen Tonfall zurecht gewiesen habe.“ Mit einem diabolischen Grinsen auf den Zügen winkte er Neil heran, dieser zögerte nicht lange und nahm einen der glühenden Stäbe aus den Kohlen. Die Rufe eines Soldaten rissen ihn aus seiner Vorfreude. „Kommandant Brockler! Kommandant Brockler! Wir haben... Besuch.“ Genervt verdrehte Brockler seine Augen und wandte sich zu dem Störenfried herum. Konnte er nicht einmal in Ruhe seines Amtes walten? „Bei den Göttern, was ist denn jetzt schon wieder?“ „Kommandant! Ein Schattenelf ist gerade in unser Lager marschiert. Er hat sich nicht einmal von unseren Wachen aufhalten lassen! Der Kerl kennt sogar unseren Ehrenkodex und beharrt darauf weil er angeblich auf dem Weg zu König Karl von Nawenn ist!“ Neil legte den glühenden Stab, offensichtlich enttäuscht, zurück in die Kohlen. Kommandant Brockler benetzte den Soldaten der ihm die Neuigkeiten gebracht hatte mit einem Regen aus kleinen Spucke Tropfen als er ihn voller Zorn anbrüllte. „Ein Schattenelf? Welcher Teufel geht hier heute einher? Das darf doch alles nicht wahr sein! Er soll zusehen das er das Weite sucht!“ Der Kopf des Kommandanten wurde so rot vor Zorn wie sein Bart, Philipp befürchtete er könnte jeden Augenblick explodieren. Vielleicht wäre das aber auch gar nicht so schlecht. „Keine Sorge Lord Kommandant Gustav Brockler, der Blauen Falken. Ich befinde mich lediglich auf der Durchreise und werde eurer Kompanie sicherlich nicht zur Last fallen. Lediglich erbitte ich eine warme Mahlzeit und einen Schlafplatz. Morgen in der Früh werde ich schon wieder weg sein, rasch wie der Wind.“ Strahlend weiße Zähne blitzten auf, als der Schattenelf ein amüsiertes Grinsen auflegte. Er sah dass das Gesicht des Kommandanten zusehends erbleichte nachdem er ihn gesehen hatte. Er war so frei gewesen die Rufe der Wachen zu ignorieren und sich direkt dem Kommandanten vorzustellen. Schließlich war er gut erzogen und Brockler war mit seinem Geschrei so zuvorkommend gewesen das er ihn in dem Lager rasch ausgemacht hatte. Eine erdrückende Stille breitete sich in dem Lager aus die Philipp frösteln ließ. Schwer zu erkennen war die Bedrohung nicht, die in der Luft waberte. Sofort erkannte er den Elfen wieder der ihm das Leben gerettet hatte, damit war auch die Frage um den Ausgang des Kampfes geklärt. Kommandant Brockler schien sich seiner Sprache wieder zu erinnern und schnalzte genervt mit der Zunge. „Dann geht doch weiter wenn ihr zum König wollt, und lasst uns in Frieden. Wir haben hier selbst unser Nachtlager errichtet weil wir auf der Rückkehr von einem Einsatz sind. Unsere Vorräte sind demnach knapp, wir haben nicht genug noch ein weiteres Maul durchzufüttern. Woher kennt ihr überhaupt meinen Namen? Wer zum Teufel seid ihr?“ Der Schattenelf ließ einmal seine Schultern kreisen und trug noch immer ein recht amüsiertes Schmunzeln auf seinen Lippen. All die menschlichen Soldaten in ihren stolzen Rüstungen sahen fast mickrig gegen ihn aus. Selbst den größten Menschen schien er um gute drei Köpfe zu überragen. Dieser Riese wirkte wie eine lebendig gewordene Waffe. Genau das schienen auch die Soldaten zu empfinden und trauten sich nicht mal näher als zwei Meter an ihn heran. Nervös hatten alle die Hände auf den Griffen ihrer Schwerter liegen und prüften das sie auch locker in der Scheide saßen. „Nein was bin ich aber auch unhöflich. Verzeiht.“ Leicht senkte der Elf seinen Kopf als wolle er eine Verbeugung andeuten, dabei ließ er den Kommandanten keinen Moment aus den Augen. „Mein Name ist Mervan Yarveal. Hand des Königs Melchakor von Tummalys. Welcher mich im Übrigen auf die Reise sandte um mit eurem König zu sprechen. Euren Namen kenne ich, weil ich ihn aus einem Plausch eurer Soldaten heraus hörte. Was hattet ihr mich noch gefragt?“ Eine Hand stemmte Mervan in die Hüfte und hob den Blick gen Himmel, seine Unterlippe schob sich vor und er rieb sich der Länge nach mit dem Zeigefinger sein Kinn. „Oh, ich erinnere mich! Wegen der Sache und dem kurzen Aufenthalt in eurem Lager. Ihr müsst wissen...“, aus seiner ledernen Umhängetasche zog er ein zusammen gerolltes Dokument mit einem Sigel aus rotem Wachs. „ ...dieses Schreiben hier gab mir mein König mit. Es ist ein Friedenspakt. Seht ihr hier das Siegel? Ich bin mir sicher ihr habt es gehen.“ In aller Seelenruhe steckte er das Dokument wieder in seine Tasche und blickte dem Kommandanten erneut direkt in die Augen. „Schließlich sind die Fünfzig Jahre seiner Gültigkeit vorüber und König Albrecht, der damals den Pakt mit uns schloss, nun leider tot. Wir wollten nur sicher gehen das König Karl unsere Interessen teilt, schließlich würde sonst für das Land Nawenn der Großteil seiner Handelsruten zusammen brechen. Sicherlich liegt das auch in eurem Interesse Lord Kommandant. Oder? Die Suche nach neuen Handelspartnern könnte, Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Da wäre ein Gespräch doch sicher angenehmer für euch.“ Für einen Moment huschte über Mervans Raubtierzüge ein bedauerlicher Ausdruck den ihm Philipp sofort abgekauft hätte, hätte er nicht das Spiel dahinter erkannt. „Heißt also ich bin das was man unter Eurem Ehrenkodex, Lord Kommandant, einen Friedensbewahrer nennt. Einem Friedensbewahrer steht es zu das man ihm überall, wenn er es benötigt, eine warme Mahlzeit und einen Schlafplatz zur Verfügung stellt. Seit Monaten bin ich für das Wohl eures Volkes unterwegs, mit Verlaub, für uns sind die Handelsrouten nicht all zu wichtig, langsam habe ich Hunger und bin von all dem marschieren müde geworden. Ihr wollt bestimmt nicht versehentlich gegen euren Kodex verstoßen, nicht wahr?“ Auch wenn der Elf sich alle Mühe gegeben hatte, er konnte das Grinsen das seine weißen Zähne nun entblößte, nicht länger zurück halten. „Es ist euer Kodex, nicht ich habe ihn mir erdacht.“ Kommandant Brocklers Gesichtsfarbe war kaum noch von der seiner Haare zu unterscheiden, seine zu Fäusten geballten Hände zitterten vor unbändigem Zorn. Philipp erwartete das es gleich einen lauten Knall geben würde und kleine Brockler Brocken um seine Ohren sausen. Dieser unwillkommene Elf hatte ihn ohne Punkt und Komma in den Boden geredet und ihm nicht einmal die kleinste Lücke gelassen, das er sich aus der Sache doch noch heraus winden könnte. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet dass sich dieser Schattenelf so gut mit dem Ehrenkodex der Blauen Falken auskannte. Brocklers Wut entlud sich an seine eigenen Männer als er sie zusammen brüllte sie sollten sofort mit dem Kochen des Eintopfes beginnen, er hätte seit heute Morgen nichts mehr gegessen und habe Hunger. Weiter gab er den Befehl eines der Lager der Fußsoldaten räumen zu lassen. Mervan sah zufrieden mit sich und der Welt aus. Langsam verstreuten sich die Soldaten in alle Richtungen des Lagers, jeder suchte eine Ecke um beschäftigt zu wirken und dennoch mit genug Kumpanen zusammen zu stehen damit man in eine zufällige Unterhaltung Anschluss finden konnte. Scheinbar sah man nicht alle Tage einen Schattenelfen der dazu noch ihren Kommandanten wie einen dummen Burschen da stehen lassen konnte. Philipp sah den Männern nach und verharrte mit seinem Blick auf einem Zelt das ihm vorhin schon nebenbei aufgefallen war. Im Gegensatz zu den anderen Zelten sah es deutlich weniger mitgenommen aus, und ein ganz wichtiges Detail war ihm sofort aufgefallen. Vier bewaffnete Männer standen davor Spalier und hatten sich keinen Meter fort bewegt, vielleicht wurde darin Lilly gefangen gehalten. Grimmig zog er seine Brauen zusammen und seufzte genervt. Als er seine Hände bewegte, spürte er wie die Fesseln bereits seine Haut aufgeschürft hatten. War es nicht erst vorgestern gewesen das Lilly entführt wurde und er sie gerettet hatte? Nun war sie schon wieder in Gefangenschaft, er obendrein dazu. Plötzlich überkam ihn ein Schauer der seine Schultern erzittern ließ, ein beunruhigendes Gefühl als würde er beobachtet werden machte sich breit. Mit einem kurzen Seitenblick fand er die Ursache und erstarrte. Goldgelbe Augen schienen direkt in seine Seele zu sehen, so eindringlich war der Blick des Schattenelfen. Mervan hatte sich nicht bewegt seit Kommandant Brockler sich von ihm abgewandt hatte und einige Meter weiter mit Neil ein angeregtes Gespräch begonnen hatten. Philipp schluckte und versuchte Mervans kalten Blick grimmig zu erwidern, so machte man das doch bei Raubtieren, bloß keine Angst zeigen. Nun zeigte sich der Vorteil seiner sitzenden Position, sein Gegenüber konnte nicht sehen wie seine Knie sonst zittern würden. Plötzlich begann Mervan wieder zu schmunzeln und trat langsam auf ihn zu. Wie in Zeitlupe ging sein Retter vor ihm in die Hocke und legte den Kopf schief während er Philipp eingehend taxierte. Einen seiner Handschuhe streifte er sich ab, und nahm den Zipper des Reißverschlusses von Philipps Sweatjacke zwischen zwei Finger. Langsam zog Mervan den Reißverschluss bis zum Bauch auf, und wieder zu. Seine Brauen schossen in die Höhe und ein spitzbübisches Grinsen überzog seine Miene. „Interessant.“ Noch drei Mal zog der Elf den Reißverschluss wieder auf und zu bevor er ein leises glucksendes Lachen von sich gab. „Ihr Menschen seid wirklich immer für Überraschungen gut. Daher besuche ich euer Volk so gern, es wird niemals langweilig.“ Kommandant Brockler bemerkte das sein Gefangener Besuch bekommen hatte und kam mit großen Schritten auf die beiden zu. „Hey! Das ist unser Gefangener! Keine Gespräche mit ihm.“ Die Hände in die Hüften gestemmt reckte Brockler seine Brust heraus herrschte den Schattenelf an, für einen Moment sah er sogar bedrohlich aus. Bis zu dem Augenblick zumindest da Mervan sich langsam wieder erhob und auf den Kommandant hinab blickte der neben ihm wie ein gedrungener Zwerg wirkte. „Der Eintopf sollte bald fertig sein, setzt euch doch dort drüben an die Feuerstelle. Wir werden Euch gleich etwas bringen.“ Mervan klatschte in die Hände und rieb sie sich in freudiger Erwartung. „Wunderbar!“ Als wäre nichts passiert ging er zu der Stelle die ihm angewiesen wurde und nahm vor dem Feuer seinen Platz ein. Tropfen für Tropfen plätscherte von dem krummen Holzlöffel in die kleine Schale die Mervan in Händen hielt. Diese Flüssigkeit war mehr Wasser als Suppe, aber noch immer besser als zu hungern. Dezent angewidert betrachtete Mervan den Löffel als er seinen Lippen näher kam. Wenn er sich etwas leckeres vorstellte, würde der zweite Löffel vielleicht schon besser schmecken. Während er seelenruhig weiter aß beobachtete er wie der Kommandant und zwei weitere Soldaten immer wieder dem Jungen Fragen stellten. Diese Menschen wussten sich in sicherem Abstand, blickten immer wieder fast schon nervös in seine Richtung, sie konnten nicht ahnen das er sich nicht einmal anstrengen musste um auf diese Entfernung jedes einzelne Wort von ihnen zu verstehen. Es belustigte Mervan dass der Junge schon lange nicht mehr auf ihre Fragen antwortete, und wie der Kommandant immer wütender wurde weil er genau wusste das es eine dumme Idee war in der Anwesenheit eines bewaffneten Schattenelfen diesen wehrlosen Menschen zu foltern um an Antworten heran zu kommen. Etwas das auch der Junge wusste, sonst würde er nicht immer zu ihm hinüber sehen wenn Brockler kurz davor war seine Beherrschung zu verlieren. Seit ungefähr einer Stunde hatte der letzte Soldat aufgegeben zu ihm zu kommen um ihn zu seiner Schlafstätte zu führen. Die Sonne war untergegangen und die Nacht würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, aber müde war er noch nicht. Viel lieber blieb er hier noch eine Weile sitzen und vertrieb sich seine Langeweile. Gelohnt hatte es sich alle Male, in diesem Zelt, das besser bewacht war als das des Kommandanten, befand sich eine Ellydre. Dessen war er sich sicher, es wurde ständig im Lager darüber getuschelt. Mervan war von Natur aus schon immer neugierig gewesen, die Gelegenheit sich mit dieser Ellydre zu unterhalten wollte er sich keines Falls entgehen lassen. Sein gutes Gehör hatte noch etwas anderes aufgefasst, während er auf dem Boden vor dem Feuer in Einsamkeit saß und seine Suppe löffelte. Kommandant Brockler hatte mit einer Hand voll Soldaten geflüstert, er wollte die Ellydre nicht zu seinem König bringen. Sein Begehr richtete sich auf ihren Knochenstaub der, wenn man ihn einnahm, ewiges Leben und Gesundheit bringen sollte. Diese Wünsche konnte er den Menschen nicht verübeln. Mehrmals hatte er sich Gedanken darüber gemacht wie es war wenn das eigene Leben schon nach Fünfzig, wenn man Glück hatte sogar mit Sechzig oder Siebzig Jahren, verwirkt war. Insgeheim bewunderte er die Menschen für die Schnelligkeit mit der sie lebten, welche Fähigkeiten sie sich in so kurzer Zeit aneignen konnten, mit welchem Ehrgeiz sie dabei waren ihre Spuren in der Welt zu hinterlassen. Mervan war vierhundertfünfundzwanzig Jahre alt. Fast jung in den Kreisen seines Volkes. Langsam legte er den Löffel in die leere Schale und stellte sie vor sich auf dem Boden ab. Als er die Knöchel seiner Rechten Hand gegen die Handfläche seiner Linken Hand drückte, kackten sie laut. Finster fraß sich sein Blick in den Nacken des Lord Kommandanten. Es gab etwas das Mervans Pfade noch mehr lenkte als seine Neugier. Alles auszurotten was gegen die Ideale seiner guten Erziehung sprach. Wenn er etwas nicht leiden konnte, war es die Gier nach Etwas das man nur erreichen konnte, wenn man auf einen Berg aus Leichen stieg und sich das Blut Unschuldiger anschließend von den Fingern leckte. Brocklers Geduld hatte sein Ende erreicht. Bald würde die Nacht herein brechen und dieser merkwürdige Kerl aus dem unbekannten Buxtehude verweigerte ihm jedes Wort. Mit dem kleinen Finger hätte er ihm alles entlocken können, wenn er gewollt hätte, doch der Grund wieso er es nicht konnte saß einige Meter hinter ihm. Wann immer Brockler zu ihm hinüber sah, winkte dieser dreckige Elf ihm grinsend zu. Zähneknirschend stellte er sich vor wie er ihm den Kopf von den Schultern schlug. Ihm war bewusst das dieser Elf mit ihm spielte, ihn zum Narren hielt, und er konnte wegen diesem verfluchten Kodex nichts dagegen ausrichten. Viele seiner Männer lebten jeden Tag nach diesem Kodex, vor ihnen würde er sein Gesicht verlieren und die Strafe für diese Verletzung war der Tod. „Gut, Weib. Für heute lassen wir es gut sein. Morgen bist du reif, dann kannst du dich nicht mehr wie eine feige Ratte hinter dem Rücken dieses grauen Abschaums verstecken. Wenn du brav Antworten lieferst werde ich deiner kleinen Freundin, nicht weh tun.“ Brockler wandte sich ab um die Nacht in seinem Zelt zu verbringen. Für heute hatte er eindeutig die Schnauze voll. Morgen würde er sich um alles weitere kümmern, der Gedanke eine Ellydren geschnappt zu haben, hob seine Stimmung enorm. Ein dünnes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, das rasch verschwand als ein dunkler Schatten seinen Weg versperrte. Mervan senkte leicht seinen Kopf und betrachtete wie rot das Gesicht von dem Kommandanten wurde, so hatte er große Ähnlichkeit mit einem Schweinchen, dachte er sich. „Ich danke euch für eure Gastfreundschaft Kommandant Brockler, aber ich habe mich doch dazu entschlossen heute aufzubrechen. Bitte denkt nicht das ich unhöflich bin, es ist nur so das meine Beine ledig bis zur Hälfte auf meinem Schlafplatz zum Liegen kommen. Meine Größe übersteigt eure Kapazität.“ Sein Gegenüber schien aufrichtig überrascht, jedoch keines Wegs traurig über die Pläne des Fremden. „Aber die Sonne wird jeden Moment unter gehen. Wir haben nicht genug Lampen das wir euch...“ Bevor Brockler seinen Satz beenden konnte hob Mervan lächelnd die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann deutete er auf seine Augen. „Keine Sorge. Wir Schattenelfen sehen bei Nacht besser als am Tage. Damit habe ich keine Probleme. Zudem könnt ihr euch nicht vorstellen wie heiß es in der Sonne in meiner Rüstung ist, da tut ein Marsch in der kühlen Nacht besonders gut.“ Argwöhnisch musterte der Kommandant den Elfen und zuckte lediglich mit den Schultern. „Dann gehabt Euch wohl.“ Mervan verabschiedete sich mit einem Wink und trottete gemütlich an den tuschelnden Soldaten vorbei in die eintretende Dunkelheit. Philipp war nicht wohl bei dem Gedanken diesem Trupp nun, sozusagen schutzlos, ausgeliefert zu sein. Die Anwesenheit des Elfen hatte ihm Sicherheit vermittelt. Die Nacht brach rasch herein, im Lager wurde es ruhiger, und dazu bedeutend kälter. Philipp zog seine Beine dicht an den Körper heran und blickte zu den Wachen die Lillys Zelt nicht aus den Augen ließen. Zumindest war er sich sicher das darin Lilly gefangen sein musste, er fragte sich wieso er noch keinen Muckser von ihr gehört hatte. Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum und fragte sich wie er sich aus dieser Situation befreien könnte. Mehrfach hatte er bereits versucht sich des Seils zu entledigen mit dem man ihn an den Pfahl gebunden hatte, aber all das Reiben und Rubbeln hatte seine Wirkung verfehlt. Ohne Unterlass hatte Philipp in den letzten Stunden versucht sich zu befreien, doch der lange Tag und die vielen Ereignisse forderten ihren Tribut. Er fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf, der allerdings nicht lange andauerte. Etwas kitzelte ihn an seinen Unterarmen und Philipp blinzelte die Benommenheit fort. Irgendwas war direkt hinter ihm, dort wo er es nicht sehen konnte. „Hey!“ Erschrocken zuckte er zusammen und versuchte instinktiv aufzustehen, vollkommen unvorbereitet kippte er nach vorn und landete mit seinem Gesicht im Staub. „Hör auf so einen Lärm zu machen du Narr! Es ist schon schlimm genug das du dich in diese Situation gebracht hast.“ Diese Stimme kannte er, doch was ihn beunruhigte war die Tatsache das er sie nicht mit seinen Ohren vernahm, sie schien viel mehr in seinem Kopf widerzuhallen. Verwirrt drehte er sich herum und blinzelte ein paar mal. Die Gestalt vor sich konnte er nicht im Detail erkennen, aber ihm war klar das es sich um den Fuchs handelte in welchen sich Xii verwandelt hatte. „Xii?! Was machst du denn hier?“ Der große Fuchs setzte sich auf seine Hinterläufe und verdrehte genervt die eisblauen Augen, kein Zweifel blieb bestehen das es sich wirklich um Xii handelte. „Vielleicht einen Fehler als ich beschloss dich zu befreien. Wir haben keine Zeit zum plaudern. Wir müssen Lilly finden.“ Es war kein Irrtum gewesen, ihre Stimme hallte wirklich in seinem Kopf wieder, ihr Mund bewegte sich kein bisschen. Wie das möglich war, war ihm ein Rätsel, für dessen Lösung er keine Zeit hatte. Nach kurzem Zögern deutete er zu dem Zelt indem er Lilly vermutete. „Dort drinnen müsste sie sein! Das Zelt wird so stark bewacht wie das des Kommandanten.“ Xii zog erkennbar ihre Brauen zusammen als sie seinem Fingerdeut folgte, ihr Kopfschütteln war begleitet von einem mürrischen Brummen. „Wachen? Dort sind keine Wachen.“ Überrascht musste Philipp feststellen das sie Recht hatte. Dort stand nicht mal mehr ein Mann postiert. Das alle zur selben Zeit eine Nachtruhe einlegten, wunderte ihn sehr. Bevor er aber genauer darüber nachdenken konnte schlich sich Xii langsam voran in Richtung des Zeltes das er für wichtig erachtet hatte. Kurz rieb Philipp sich seine schmerzenden Handgelenke, erst jetzt wurde er sich bewusst das Xii seine Seile durchgeknabbert haben musste. Eilig wollte er aufspringen um ihr zu folgen, doch seine Beine waren so träge das sie sein Körpergewicht kaum halten konnten. Nur mit Mühe gelangen ihm die ersten Schritte, in geduckter Haltung huschte er hinter Xii her. Von der Seite schlichten sie sich an das Zelt heran und die Fuchsdame begann zu schnuppern. Augenblicklich stellten sich ihre Ohren auf. „Ihr Duft ist hier überall. Da warst du ausnahmsweise mal aufmerksam. Bleib hier, ich gehe rein und befreie sie.“ „Danke für dein nettes Lob... aber ich werde mit Sicherheit nicht hier draußen warten. Was ist wenn das eine Falle ist? Wenn sie damit gerechnet haben dass du zurück kommst?“ Ganz langsam drehte sich ihr Kopf zu dem Menschen herum, irgendwie erwartete dieser, dass sie gleich ihre Zähne in seiner Kehle zu versenken würde. „Keine Sorge. In diesem Lager sind lediglich Artgenossen von dir. Einfältige, dumme Menschen. Wir haben keine Zeit für sinnlose Diskussionen. Komm eben mit, aber sei mir nicht im Weg!“ Xii schob ihre Schnauze unter die Zeltplane hindurch und nach kurzem Zögern auch ihren Kopf. Nur einen Augenblick später war sie vollkommen verschwunden. Philipp, dem das ganze noch immer nicht geheuer war, blickte sich noch einmal um. Niemand war in Sicht, also folgte er ihr unter der Plane hindurch. Im Inneren des Zeltes war es stockdunkel, er konnte nicht einmal die Hand vor Augen erkennen. Plötzlich begann vor ihm ein blaues Licht zu flimmern und wurde rasch heller. Als es die Leuchtkraft einer Kerze erreicht hatte, konnte er erkennen das Xii wieder die menschenähnliche Gestalt angenommen hatte. Um eine ihrer Hände hatte sich das blaue Licht gebildet und loderte wie eine Flamme die keine Hitze auszusenden schien. „Verflucht, was hat das zu bedeuten?“ Philipp suchte hektisch das Zelt ab, doch von Lilly war weit und breit nichts zu sehen. Es war verlassen. Nur eine kleine Pritsche stand in einer Ecke, unter der ihn etwas anfunkelte. Der Nerd ging in die Hocke und zog eine stämmige Kette hervor, die ganz offensichtlich dafür gedient hatte jemanden an diesem Ort gefangen zu halten, denn das zweite Ende war tief im Boden verankert. Hinter ihm stieß Xii einen leisen Fluch aus, sie hätte ahnen können das auf die Aussagen dieses Menschen kein Verlass war. Ihre Ohren zuckten ehe sie zu dem Zelteingang herumwirbelte, im nächsten Augenblick wurde die Plane zur Seite gestoßen und eine handvoll Schwertspitzen deuteten auf ihr Gesicht. „Wisst ihr nun wieso ich euch die Köpfe hätte abschlagen sollen, als ihr diese verfluchte Janama habt entkommen lassen? Ich wusste sie würde wieder kommen!“ Kommandant Brocklers Stimme donnerte hinter den bewaffneten Soldaten durch die Luft bevor er mit einer Fackel in der einen Hand, und einem Kurzschwert in der anderen das Zelt betrat und sich in die erste Reihe durch schob. „Eine falsche Bewegung und ich schwöre dir, diese Schwerter werden dich durchbohren bevor du auch nur einen Finger rühren kannst! Du Hexe!“ Brocklers Blick huschte hektisch durch das Innere des Zeltes, seine Zähne blitzen auf als er die Oberlippe hoch zog und wütend knurrte. „Wo ist sie?! Verdammt noch eins!“ Xii wich einen Schritt zurück als der Kommandant seine Schwertspitze hob und direkt zwischen ihre Augen zielte. Kleine Speicheltropfen regneten umher als er vor Wut die Eindringlinge anbrüllte. „Und was zum Henker habt ihr mit meinen Soldaten gemacht!?“ Auf Xiis Gesicht spiegelte sich für einen kurzen Augenblick Überraschung wieder, schnell aber wich es einem dunklen Grinsen, noch immer glimmte ein schwaches blaues Licht um ihre erhobene Hand. „Das werde ich euch mit Sicherheit nicht verraten.“ Kaum hatte die letzte Silbe ihre Lippen verlassen duckte sie sich blitzschnell unter seinem Schwert hindurch und stieß ihre Hand mit dem magischen Licht nach vorn, sie war Brockler so nah das ihre Finger fast seinen Brustpanzer berührten. Eine Druckwelle aus blauem Feuer breitete sich aus, fegte den Kommandanten nach hinten, und riss einige seiner Männer mit zu Boden. Die Wände des Zeltes schwankten so sehr das Philipp befürchtete es würde gleich über ihnen einstürzen. Die Benommenheit der Soldaten dauerte nur wenige Sekunden, genug das Xii ihre beiden Hände in das blaue Feuer hüllen konnte. „Kommt her und ich brenne euch das Fleisch von den Knochen!“ Unsicher kamen die Männer ins stocken, es war ihnen anzusehen welche Angst ihnen die Magie bereitete, viele wichen ein Stück zurück doch Brockler, der sich endlich wieder aufgerappelt hatte schob sie energisch nach vorn und brüllte über ihre Köpfe hinweg. „Tötet diese Hexe oder ich schwöre euch, ich werde euch schlimmeres antun als sie!“ Unter einem Kampfschrei, der ihnen Mut verleihen sollte, stoben die Männer nach vorn und attackierten Xii. Leise fluchend wich sie den Schwertern aus, Philipp spürte das sie irgendwas zu hemmen schien, das sie ihre Drohung gerne in die Tat umsetzen wollte, es aber nicht konnte. Der geringe Platz in dem Zelt trieb sie schnell in die Enge, doch noch war es niemandem gelungen ihr bedrohlich nahe zu kommen. Als Xii die Plane an ihrer Schwanzspitze spürte stieß sie einen Schrei aus und zeigte ihre spitzen Eckzähne. Die Soldaten hielten inne vor Schreck, sie rechneten jeden Moment damit das die Magie der Hexe sie traf. Lange mussten die Männer nicht warten. Xii nutzte die Gelegenheit aus und machte eine schnelle Bewegung nach vorn, ihre Fingerspitzen berührten nur für Sekunden die Klingen ihrer Gegner. Bevor sie wussten wie ihnen geschah, glühten ihre Waffen auf und sie ließen sie unter Schmerzensschreien fallen. Noch einen weiteren Soldaten konnte sie so außer Gefecht setzen bevor die Restlichen ihre Absicht durchschauten. Einer der Krieger, der sich seine schmerzende Hand hielt, trat mit seinem Stiefel nach ihr und erwischte sie beim Ausweichen noch an ihrem Knie. Xii knickte ein und konnte einer herannahenden Attacke nicht mehr ausweichen. Blut floss an ihrem Arm hinab und tropfte zäh zu Boden. Zischend wich sie zurück bis die Zeltwand hinter ihr sie ausbremste. Die Klinge hatte ihren Arm nur gestreift, aber einen tiefen Schnitt im Fleisch hinterlassen. Feste biss sie sich auf die Unterlippe, sie wusste, wenn sie überleben wollte, musste sie ihr Versprechen brechen. Zwischen den Männern hindurch sah sie das breite und gehässige Grinsen des Kommandanten, der noch keinen Finger gerührt hatte. Ihr war klar wieso, er fürchtete sich vor ihrer Magie. Niemand hatte auch nur einen Augenblick auf Philipp geachtet der wie eine Salzsäule erstarrt noch immer am Boden kauerte. Seine Gedanken überschlugen sich, in den Computerspielen mit denen er seinen Alltag vertrödelte, hatte er unzählige Helden gespielt, Krieger, Magier, welche die schrecklichsten Kreaturen erschlagen hatten. Nun kroch er wie eine feige Made hier im Dreck herum während jemand anders in Not war. Sein Blick richtete sich auf das Schwert das vor ihm auf dem Boden lag. Er zählte durch, neben dem Kommandanten befanden sich sieben Soldaten in dem kleinen Zelt, alle fixierten sich auf Xii. Philipp nahm all seinen Mut zusammen und schnappte sich den Griff des Schwertes, es war weitaus schwerer als er es vermutet hatte. Versagen stand außer Frage, Xii war in Gefahr, und wer wusste schon was mit Lilly geschehen war, vielleicht brauchte sie Hilfe. All seine Kraft zusammen nehmend machte er zwei große Schritte und befand sich hinter dem stämmigen Rücken von Brockler. „Halt! Oder euer Kommandant braucht einen neuen Kopf!“ Nicht nur Brockler riss erschrocken die Augen auf, auch die Soldaten wandten sich erstaunt herum, selbst Xii suchte den Blickkontakt und konnte kaum glauben was sie sah. Philipp hielt das Schwert vor Brockler mit beiden Händen hoch, nur wenige Millimeter von seiner Kehle entfernt. Der Erdenbewohner war einen halben Kopf größer, war jedoch kaum hinter dem breiten Kreuz des Kommandanten zu erkennen. Mit aller Mühe verhinderte er das seine Arme vor Anstrengung zitterten. „Geht weg von ihr! Sofort!“ Keiner rührte sich, bis Brockler seine Fassung wieder fand und vor Wut rot anlief, wegen diesem schmächtigen Kerl mit der Statur eines Weibes verlor er vor seinen Männer das Gesicht. Nein, nicht ein Kommandant Gustav Brockler. Mit Wucht rammte er dem Jungen seinen Ellenbogen in die Magengrube, sofort fiel das Schwert vor ihm zu Boden. Würgend und keuchend vor Schmerzen stolperte Philipp einen großen Schritt zurück, er schmeckte bittere Galle, sein Verstand war ganz benebelt. „Du kleine Made! Ich werde dich...“,hinter ihm brach plötzlich die Hölle los. Soldaten brüllten durcheinander und als Brockler sich zu ihnen herum drehte, lagen bereits zwei seiner Männer am Boden. Xii saß regungslos da und blickte starr geradeaus, er konnte nicht sagen ob ihre Augen die Farbe von Weiß angenommen hatten, oder ob sie so weit nach hinten gedreht waren das von ihrer Iris nichts mehr zu sehen war. Ein anderes Detail aber verstörte ihn am meisten, einer seiner Soldaten schlug einen weiteren nieder, zögerte nicht lange und griff direkt den nächsten an. Einer nach dem anderen ging ohnmächtig zu Boden, so hart und präzise waren seine Faustschläge. Seine Kumpanen wussten gar nicht wie ihnen geschah, da lag auch der letzte am Boden. Nun war Brockler an der Reihe. In den Augen seines Untergeordneten sah er nicht die gewohnte Farbe, sondern das helle Eisblau wie er es zuvor in den Augen der Hexe gesehen hatte. „Du Bestie! Ich werde deinem Treiben ein Ende machen!“ Der Kommandant machte einen Satz nach vorn und hob eines, der am Boden liegenden, Schwerter auf. Doch noch bevor er es gegen seinen eigenen Soldaten schwingen konnte, bekam er einen kräftigen Stoß in den Rücken. Philipp hatte seine letzten Kräfte mobilisiert und Brockler aus dem Gleichgewicht gebracht. Bevor er sich zur Rache einen Faustschlag einfangen konnte, hatte der Soldat ihn erreicht und schlug ihn nieder. Das letzte was Brockler wahr nahm, war der Geschmack des Staubes als es sich seine rechte Gesichtshälfte auf dem Boden bequem machte und die Ohnmacht ihn in einen tiefen Schlaf zog. Die Farbe von Eisblau wich aus den Augen des letzten, noch stehenden Soldaten und auch seine weichen Knie gaben nach. Philipp hatte das Gefühl sein Herz würde vor Aufregung jeden Moment in seiner Brust zerspringen, er wischte sich über den Mundwinkel und hielt sich noch immer die schmerzende Stelle an seinem Bauch. Xiis Körper erzitterte und sie blinzelte einige Male bevor sie wieder auf die Beine kam. „Los! Wir müssen hier weg! Vielleicht hat Lilly sich alleine befreien können. Wir müssen sie finden!“ Vor dem Zelt wurde Gemurmel laut und sie konnten hören das ein Mann durch das Lager brüllte dass das Zelt des Kommandanten leer war. Die Fuchsdame winkte Philipp zu sich heran und zog eine der Verankerungen aus dem Boden damit sie darunter hindurch ins Freie gelangen konnten. Eine gute Entscheidung wie sich rasch heraus stellte. Hinter dem Zelt stolperten sie über vier Soldaten die schnarchend am Boden lagen, jemand musste sie ausgeschaltet haben, aber lange würden sie wohl nicht mehr brauchen um wieder zu sich zu kommen. Hinter ihnen wurde das Lager immer lebendiger, Fackeln wurden entzündet und überall wurden Befehle gerufen. So schnell sie konnten huschten die beiden durch die Dunkelheit der Wälder, wobei es bei Philipp mehr ein Stolpern war. Das Mondlicht beschien gerade so den Weg vor ihm, aber etliche Wurzeln und Steine machten ihm das Leben noch schwerer als es sowieso schon war. Die Gedanken in Xiis Kopf überschlugen sich, wo konnte Lilly sein? Was hatte man ihr angetan? Am liebsten hätte sie das ganze Lager zu Asche verbrannt, aber sie war an ihren Eid gebunden den sie Lilly vor vielen, vielen Jahren gegeben hatte. Keinen Menschen mehr zu töten, hatte er es aus ihrer Sicht auch noch so sehr verdient. Zu aller erst mussten sie genug Distanz zu dem Lager aufbauen, dass wieder jemand gefangen genommen wurde konnten sie sich nicht leisten. Egal wohin Lilly gegangen war, oder wohin man sie gebracht hatte, Xii würde sie finden. Sie rannten lange. Viel zu lange für Philipps Geschmack. In der Dunkelheit vor ihr nahm Xii eine Bewegung wahr, fast vollständig verborgen in der Silhouette eines Baumes, irgendetwas hatte für nur einen Wimpernschlag das Licht des Mondes reflektiert und sich verraten. Xii rollte sich seitlich über den Boden und ließ das blaue Feuer um ihre Hand noch in der selben Sekunde entflammen, ein Ruf donnerte durch die Nacht, dunkel und unbekannt war die Stimme. Sie hatte den blauen Feuerball auf den Angreifer geworfen bevor sie seine Gestalt erkennen konnte, dass Xii ihren Eid nun brechen könnte, kam ihr nicht in den Sinn, Zeit zum nachdenken hatte sie nicht. Philipp, der nicht mit Xii hatte Schritt halten können, kam mit den Ereignissen die einige Meter vor ihm geschahen, kaum mit. Die Finsternis wurde von einem blauen Licht zerrissen und er erkannte Xii die über den Boden rollte, und eine schwarze Gestalt die irgendwas brüllte. Bevor sein Gehirn auch nur den Befehl an seine Füße geben konnte, stehen zu bleiben, flog der Feuerball und das Surren von Stahl auf Stahl hallte durch den dichten Wald. Hatte er das Geräusch nicht schon einmal irgendwo gehört? In tausend Funken stob das Feuer auseinander und ließ den Stahl rot aufglühen, Xii entfachte in ihrer Hand bereits erneut Flammen und machte sich auf einen Angriff gefasst, doch soweit sollte es nicht mehr kommen. Bevor Xii noch irgendetwas tun konnte traf sie ein Schlag ins Gesicht und ließ Sterne vor ihrem Blickfeld tanzen. Taumelnd fiel sie rücklings zu Boden und stöhnte vor Schmerz auf. „Vergebt mir, aber ich bevorzuge irgendwann einen schnellen Tod zu sterben, statt mir die Qualen eines Zauberfeuers aufzuerlegen, das wie ich hörte einem langsam das Fleisch von den Knochen brennt. Haltet mich bitte nicht für einen Rüpel, für gewöhnlich schlage ich keine Frauen, außer sie lassen mir keine andere Wahl und hören mir einfach nicht zu. Und das wo man selbiges für gewöhnlich uns Männern vorwirft.“ Lichtfunken vernebelten Xii noch immer das Blickfeld, sie konnte den Fremden nicht erkennen, das amüsierte in seinen Worten entging ihr allerdings nicht, was ihren Zorn nur noch weiter aufbrodeln ließ. „Ich werde dich...“ Bevor Xii ihre Drohung aussprechen konnte, rief jemand Vertrautes ihren Namen. Laub raschelte leise, neben ihr ging jemand auf die Knie und legte eine warme Hand auf ihre Stirn. Xii schloss die Augen vor Erleichterung. „Lilly...“ Die Ellydre lächelte glücklich über das ganze Gesicht. „Schon so oft habe ich dir gesagt das du zu aufbrausend bist! Du musst zuhören!“ Mit einem Ruck drehte sie sich zu dem Fremden um und nickte ihm zu. „Mervan, könntet Ihr nun bitte die Laterne entzünden? Ohne meine Kräfte kann ich im dunkeln nichts sehen.“ Ohne zu zögern kramte der Schattenelf eine kleine Laterne aus seinem Rucksack hervor und entzündete sie mit Feuerstein und Zunder. Als das kleine Licht entfacht war, gewann auch Philipp endlich seine Orientierung wieder und schlurfte auf das Trio zu, mittlerweile bekam er wieder Luft, war aber nichtsdestotrotz nach einem Tag ohne Essen und Trinken völlig am Ende seiner Kraft. Dennoch lag auf seinen Lippen ein erleichtertes Lächeln als er Lilly wohlauf neben dem Schattenelfen erblickte. „Philipp! Dir geht es gut! In dem Lager habe ich deine Stimme gehört!“ Nachdem Xii Lilly von sich geschoben hatte und mehrmals unterstreichen musste das es ihr gut ging, sprang Lilly auf und begrüßte ihren Freund mit einer überschwänglichen Umarmung. „Kannst du mir einen Gefallen tun? Dich in nächster Zeit vielleicht etwas weniger gefangen nehmen lassen?“ Das Gesicht hatte Lilly in Philipps Halsbeuge vergraben und kicherte leise bei seiner Bitte. „Versprochen. Zumindest gebe ich mir Mühe.“ Mit einem Grinsen, das über sein gesamtes Gesicht ging, betrachtete Mervan wie der dürre Kerl, für Schattenelfenverhältnisse, unbeholfen die Umarmung erwiderte. Langsam ging er in die Hocke, die Hand ausstreckend um Xii beim Aufstehen behilflich zu sein. Statt die Hilfe anzunehmen schlug Xii die Hand fort und warf dem Fremden einen Blick zu der töten könnte. Mühsam kam sie allein wieder auf die Beine und zeigte nicht das ihr Gesicht vor Schmerz brannte wo er sie geschlagen hatte. Mervan seufzte laut, legte den Kopf leicht schief und stemmte die freie Hand in die Hüfte. „Ganz ehrlich, es tut mir leid. Aber vor Magie habe ich Respekt. In unserem Volk... ist sie ein zweischneidiges Schwert.“ Xii ignorierte den Elfen und blickte Lilly entgegen die Philipp an einer Hand hinter sich her zog. „Seid nett zueinander. Mervan hat mich gerettet! Diese Menschen waren nicht sehr freundlich zu mir.“ „Ja, und ich wüsste gerne wieso ein Dunkler Schlächter sich da eingemischt hat und Euch rettete.“ Xiis eisblaue Augen bohrten sich misstrauisch in Mervan, als wollte sie die Gedanken hinter seiner Stirn lesen. Diesem verging sein Lächeln und er verdrehte genervt die Augen. „Dunkle Schlächter. So vieles verliert sich mit den Jahrhunderten, aber dieser nette Titel für unser Volk scheint sich bis in alle Ewigkeit etabliert zu haben.“ Nach einem tiefen Atemzug fand er wieder zu völliger Entspanntheit zurück und schmunzelte Xii amüsiert an. „Eure Skepsis kann ich nachvollziehen, aber seid beruhigt, es geschah ohne Hintergedanken. Lilly befand sich meiner Meinung nach grundlos in Gefangenschaft. Gegen solche Maßnahmen hege ich großen Groll.“ „Woher wusstet Ihr das sie in dem Lager gefangen war?“ Xii verengte misstrauisch die Augen. „Nachdem ich die Faulvaruls beseitigt hatte die den Kleinen hier verfolgten, hörte ich wütende Schreie und ging dem auf den Grund. Ich sah aus der Ferne wie Ihr vor den Soldaten floht und sie den Menschen gefangen nahmen. Neugierig wie ich bin stattete ich dem Lager einen Besuch ab und entnahm dem Getuschel der Soldaten das sie eine Ellydre gefangen hatten, und wie der Kleine hier immer wieder besorgt zu ihrem Zelt sah.“ „Mein Name ist Philipp.“ Murrte dieser gekränkt. „Entschuldige. Also habe ich Eins und Eins zusammen gezählt und dachte mir das ihr drei zusammen gehört und ihr sie befreien wolltet. In der Nacht verließ ich das Lager als ich merkte das Ihr es auskundschaftet.“ Er deutete auf Xii. Sie schien nicht erfreut darüber das er sie gesehen hatte. „Ich wollte nicht dazwischen stehen wenn ihr angreift, ich muss noch wichtige Gespräche mit dem König führen. Es wäre eine schlechte Grundlage gewesen wenn ich seine Soldaten verprügle.“ „Moment mal, aber du bist zurück gekommen um Lilly zu retten, aber mich nicht? Was hätte das für einen Sinn?“ Nun funkelte auch Philipp ihn wütend an. Mervan seufzte aufgrund von so viel Begriffsstutzigkeit. „Nun gut. Denkt mal nach. So war ich aus dem Schneider. Hätte ich dich auch befreit, wüssten Brockler und seine Männer auf jeden Fall das ich da mit drin hänge. Da aber Xii Stunden nachdem ich fort war, dich rettete und versuchte auch Lilly zu retten, fällt kein Verdacht auf mich. Lilly habe ich einfach schon zuvor befreit und die vier Wachen an ihrem Zelt ausgeschaltet weil ich neugierig war. Da die meisten in dem Lager schon schliefen dachte ich mir, ihr Fehlen fällt keinem so schnell auf.“ „Neugierig?“ Philipp starrte zu Lilly und wieder zurück zu Mervan der wieder über das ganze Gesicht grinste und die Schultern hoch zog. „Hey! Ellydren gelten seit Jahrzehnten als ausgestorben! Wer lässt sich da entgehen eine Überlebende dieses wunderbaren Volkes kennen zu lernen. Ich habe viel über sie in meiner Jugend gelesen und war fasziniert.“ Seine Worte nahmen Xii nicht wirklich das Misstrauen, aber so wie Lilly ihn mit ihren Blicken anhimmelte musste sie das erst einmal so akzeptieren. Außerdem musste sie eingestehen das seine Worte einen gewissen Sinn ergaben, so wie er sie erzählte, und sein Plan war auch noch aufgegangen. Feste packte sie ihre Freundin am Oberarm und zog sie an sich heran. Grimmig betrachtete sie den Bindungsring um den Hals der Ellydre. „Wir müssen noch Morendras holen, in dem Zelt wo sie Euch gefangen hielten habe ich ihn nicht gesehen. Wisst ihr wo sie ihn versteckt halten? Ich gehe allein zurück und werde ihn unbemerkt holen.“ Xii gefiel ganz und gar nicht wie die Farbe aus Lillys Gesicht wich und sie nicht mehr in der Lage war ihr in die Augen zu sehen. So fest, das sie Blut schmeckte, biss sich Xii auf die Unterlippe und Flüsterte leise. Das tat sie immer wenn ihre Wut den höchsten Punkt erreicht hatte, denn Schreien mochte sie nicht gern, aber ihr war nun mehr als je zuvor danach. „Lilly. Wo ist Morendras?“ „Das war ganz komisch weißt du...“ „Lillaraya. Wo ist Morendras?“ „Faulvaruls haben mich angegriffen, ich konnte einen von ihnen ausschalten, aber dann umzingelten sie mich. Ein anderer schnappte sich Morendras und erwischte mich mit seinem Schwanz. Mir wurde von dem Hieb schwarz vor Augen.“ Lilly traute sich ganz vorsichtig den Blick wieder zu heben und schluckte laut als sie sah das Xiis rechtes Augenlid nervös zuckte. Fast kamen ihr die Tränen so fest bohrten sich die Finger ihrer Leibwache und Freundin in ihren Oberarm. „Die Faulvaruls haben ihn mitgenommen? Unmöglich. Das entspricht keinerlei Logik. Faulvaruls sind Geschöpfe der Unterwelt, sie sind von dem primitiven Bedürfnis getrieben zu töten. Sie verfolgen keine Pläne! Sie hätten gar keinen Nutzen davon Morendras mit sich zu nehmen!“ Ein dunkles Brummen folgte ihren Worten und Mervan kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Vielleicht hat sie jemand dazu beauftragt?! Wie ihr schon sagtet, sie sind Kreaturen der Unterwelt, was wenn jemand sie gerufen hat, und sie kontrolliert? Ein Hexenmeister könnte vielleicht dazu in der Lage sein.“ „Redet keinen Unsinn! Warum sollte ein Hexenmeister Interesse an Morendras haben? Nur Ellydren können seine Magie beschwören, für jeden Anderen ist er nutzlos. Außerdem war unsere Ankunft hier sehr spontan, davon konnte niemand etwas wissen.“ Mervan hob abwehrend eine Hand als Xii ihn anfauchte und seine Mutmaßungen in den Wind jagte, er beschloss sich da besser heraus zu halten. Bei der Gelegenheit fiel ihm auf das der Menschen Jüngling sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und reichte ihm einen Wasserschlauch den er an seinem Reiserucksack befestigt hatte. Dankbar riss Philipp ihm den Schlauch aus den Händen und leerte ihn mit einem Zug, anerkennend nickte der Elf langsam mit dem Kopf, wenn der Kleine einen Krug Met ebenso schnell leeren konnte, würde es sicher belustigend sein mit ihm einen heben zu gehen. Das laute Fluchen von Xii riss ihn aus seinen Gedanken. „Wir müssen diese Faulvaruls finden, schnell, bevor ich ihre Spur nicht mehr wahr nehmen kann. Gehen wir zurück zu der Stelle wo sie dich überfallen haben. Erst aber müssen wir diesen Bindungsring los werden, wenn wir auf ein ganzes Rudel von ihnen stoßen kann ich es nicht mit allen auf einmal aufnehmen und noch auf euch beide aufpassen.“ Lilly verzog bitter den Mund und fuhr mit den Fingerspitzen über den goldenen Ring um ihren Hals, schon mehrmals hatte sie versucht den Schnappverschluss zu öffnen, es war hoffnungslos. Ein Bindungsring ließ sich immer nur von dem passenden Schlüssel öffnen, es gab keinen anderen Weg. Unter einem geknickten Senken ihres Kopfes seufzte sie leise. „Die Männer haben über den Schlüssel gesprochen, er befindet sich in der Stadt Algarafiell, zwei Tagesmärsche fort von hier. Dazu noch im Süden, die Faulvaruls aber sind gen Norden gelaufen.“ „Nach Algarafiell bin ich unterwegs, Friedensverträge erneuern. Ich könnte sicher genug in Erfahrung bringen um den Schlüssel für euch zu finden.“ Alle sahen überrascht zu dem Schattenelfen auf, hinter jeder Stirn konnte man förmlich das Rattern vernehmen. Xii fuhr sich mit beiden Händen in ihr schwarzes Haar und schloss die Augen, was sollte sie tun? „Nein! Wir haben keine Zeit, wir verfolgen die Varuls. Dann müssen wir eben später den Schlüssel holen. Wer weiß in wessen Hände Morendras sonst gelangen könnte.“ Xii biss sich auf die Unterlippe schloss für einen Moment die Augen, ehe sie zu dem Elfen aufblickte. „Mervan. Ich traue euch nach wie vor nicht, ihr tragt keinen Nutzen aus der Hilfe die ihr bisher geleistet habt. Dennoch möchte ich Euch inständigst bitten... begleitet uns. Wir brauchen Eure Hilfe.“ Philipp klappte die Kinnlade hinunter, das Xii einmal einen anderen um Hilfe beten würde war so abwegig für ihn gewesen wie auf einem anderen Planeten zu landen. Dies schien eine Zeit der Wunder, in der absolut nichts mehr unmöglich war. Mervan nickte ohne zu zögern und wollte sich zu Wort melden als Lilly ihm ihre Hand auf den kalten Stahl seines Brustpanzers legte. „Nein.“ Ihre Worte sorgten für die nächste Welle der Überraschung, erneut begann das untere Augenlid von Xii zu zucken, ein Hauch von Mordlust lag in der lauwarmen Sommernacht. „Ihr habt eine Mission von größter Wichtigkeit vor Euch! Das dürfen wir nicht behindern. Jeder der den Frieden bewahren möchte, sollte auf seinem Weg nicht aufgehalten werden. Bitte erfüllt Euren Auftrag!“ Mervan riss die Brauen in die Höhe, ihm war, nach dem was im Lager geschehen war, und nach dem Disput mit Kommandant Brockler, klar das er am besten noch vor dem Trupp in Algarafiell ankam. Wer weiß was die Soldaten bis dahin gegen sein Ankommen ausrichten könnten, aber diese kleine Gruppe schien in ernster Not zu sein den verlorenen Gegenstand wiederzufinden. Zudem erwarteten sie ein Rudel Faulvaruls, und wer wusste was sonst noch. Für ihn war es gar keine Frage welche Mission größeres Gewicht hatte. Lilly schien seine Gedanken zu erahnen. „Keine Widerrede. Ihr scheint mir ein Mann von Ehre, die Bitte einer Dame könnt ihr doch nicht ablehnen! Wenn ihr uns helfen wollt, hätte ich eine andere Bitte an Euch!“ Sie legte beide Handinnenflächen aneinander. „Die da wäre?“ „Entfernt mir diesen Halsring. Diese Rüstung verbirgt unverkennbar einen muskulösen Körper! Die Stärke von euch Schattenelfen ist legendär und überall bekannt. Wenn es einer schaffen könnte dann ihr! Bitte versucht es zumindest!“ Irgendwie missfiel Philipp ihre Bitte und er musterte den großgewachsenen Elfen neben sich finster, ja es war keine Frage das er ziemlich muskulös zu sein schien, aber was fanden Frauen daran einmal so toll? Der Sympathiewert gegenüber Mervan landete abrupt im Keller. Diesem schien ihre Bitte ebenso merkwürdig zu erscheinen, schließlich musste er aber doch leise lachen und zwinkerte Lilly sogar zu. „Zuerst sollte ich Euch wohl für das Kompliment danken. Dennoch kann ich Euch versichern das nichts einen Bindungsring öffnen kann, außer der entsprechende Schlüssel, dagegen hilft auch keine Muskelkraft. Ein Versuch kann allerdings nicht schaden. Vielleicht gelingt es mir ja doch, und ich kann vor meinem König gewaltig angeben.“ Lilly kicherte amüsiert, außer ihr schien niemand gerade genug Humor zu besitzen um sich dem Lachen anzuschließen. „Hier, halte das mal Kleiner.“ Murrend nahm Philipp die Laterne entgegen die ihm der Elf in die Hand drückte. Mit Daumen und Zeigefinger fuhr Mervan den Rand des Ringes entlang und versuchte seine Hand darum zu schließen. Seine Finger passten nicht in den schmalen Spalt zwischen Metall und dem Hals von Lilly, also streifte er sich seine Handschuhe ab und warf sie in das weiche Moos zu seinen Füßen. Philipp konnte die leichte Erschütterung spüren und betrachtete die Handschuhe skeptisch. Mit seinem Fuß versuchte er einen davon zu verschieben, aber er hatte mehr das Gefühl seine Fußspitze gegen einen Felsen zu drücken als gegen einen Handschuh. Mit großen Augen ging er in die Hocke und versuchte den Handschuh anzuheben, doch das Gewicht war so enorm das er ihn nicht einmal einen Zentimeter hoch bekam. Mervan begann zu lachen. „Das ist Schwarzstahl, Kleiner. Er entstammt einem Erz das nur in meiner Heimat vorkommt, und unserem Volk vorenthalten ist. Aus gutem Grund wie mir scheint.“ Philipp starrte den Handschuh ehrfürchtig an, er verstand immer besser wieso die Menschen und Xii diesem Elfen mit Vorsicht entgegen getreten waren. Er wollte sich nicht vorstellen was dieser Kerl mit seinen Händen anrichten könnte. Mervan ließ seine Finger laut knacken und umfasste den massiven Goldring mit beiden Händen und drehte den Schnappverschluss mittig dazwischen. „Dann wollen wir mal.“ Lilly lächelte ihn an und war voller Zuversicht dass dieses Unterfangen sicher die Früchte des Erfolges tragen würde. Der Schattenelf atmete tief durch und spannte seine Muskeln an, dann begann er kräftig an den Enden des Ringes zu ziehen. Schnaufend kapituliere er als der Ring nicht einmal die kleinsten Anzeichen machte sich zu verformen. Er wollte seine Finger heraus ziehen um sie vor einem zweiten Versuch zu strecken, doch er bekam sie nicht mehr frei, irgendwas stimmte nicht. Lilly umfasste seine beiden Handgelenke und riss ihre Augen weit auf, er konnte die aufkommende Panik darin erkennen bevor auch er es spürte. Der Bindungsring zog sich zusammen. Sofort versuchte er erneut den Ring auseinander zu ziehen, doch auch dieses Mal geschah nichts. Aus Lillys Kehle drang ein Röcheln und ihre Knie begannen zu zittern, hätte Mervan versucht seine Finger zurück zu ziehen, es wäre ihm nicht gelungen, sie waren eingeklemmt zwischen Metall und dem Hals der Ellydre. Doch Mervan dachte nicht einmal daran, er versuchte noch immer den Ring auseinander zu drücken. „Was ist los? Nimm deine Hände von ihr!“ Xii hob ihre Arme in die Luft und um ihre Klauen entflammte wieder Feuer. „Xii nein! Irgendwas stimmt nicht.“ Philipp hob eine Hand und stellte sich Xii in den Weg bevor sie die Feuerbälle auf den Elfen schleudern konnte. Auf Mervans Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen und er presste die Worte angestrengt zwischen seinen Zähnen hervor. „Der Ring! Er zieht sich zusammen! Es scheint ein Schutzmechanismus zu sein! Ich kann ihn nicht aufhalten.“ Lillys Knie zitterten kraftlos, ihr Gesicht nahm bereits eine bläuliche Farbe an. „Nein! Nein! Nein!“ Xii versuchte ebenfalls ihre Finger um den Ring zu legen, aber er hatte sich schon zu fest zusammen gezogen, Tränen schossen ihr in die Augen. Sie konnte doch nicht mitansehen wie ihre Freundin starb! Auch Philipp umrundete die drei panisch, er wusste nicht wie er helfen sollte. Das Knirschen von Mervans Zähnen war deutlich zu hören und eine Ader pulsierte auf seiner Stirn. Die Muskeln seines gesamten Körpers begannen vor Anstrengung zu zittern, das Gefühl in seinen Fingern hatte er längst verloren. Ein dunkler Schrei durchdrang die Nacht als er all seine Kraft in einen letzten Versuch mobilisierte. Als hätten alle Götter die in den letzten Augenblicken angerufen wurden, die Hände von den Ohren genommen, geschah das erhoffte Wunder keine Sekunde zu spät. Grelle Blitze stoben auseinander als der massive Bindungsring zerbarst. Lilly fiel in die Arme ihrer Leibwache und ging hustend und japsend zu Boden, Philipp stürzte neben ihr auf die Knie und sah erleichtert zu wie die Farbe in ihr Gesicht zurück kehrte. Auch Mervan sank erschöpft hinab und versuchte seine Finger vergebens zu strecken, eine Schweißperle tropfte von seinem Kinn. Er hob den Blick als vor ihm ein grünes Licht erschien. Der Körper der jungen Frau glühte auf und merkwürdige Wucherungen bildeten sich auf ihrer Stirn. Dort wo die ersten Haare sprossen. Erstaunt sah er zu wie sie zu Ästen heranwuchsen an denen sich kleine Blätter bildeten. „Du dämliche Närrin! Die Borkenkäfer sollen dich holen! Hör doch einmal im Leben auf das was ich sage!“ Noch immer japste Lilly nach Luft, aber bei den Worten von Xii musste sie kurz Lachen, das rasch von einem Husten erstickt wurde. Ihre Stimme war nicht mehr als ein raues Krächzen. „Ist doch alles gut gegangen...“ Es fiel Lilly nicht leicht sich aus dem Klammergriff von Xii zu befreien, aber ihr Dickkopf gewann abermals. Sie lächelte Mervan dankbar an und nahm seine beiden Hände in die ihren. „Der Segen unserer Mutter Morendras soll ewiglich über euch liegen Mervan Yarveal. Ihr habt mein Leben gerettet. Wusste ich doch das ich Euch und euren Muskeln vertrauen konnte.“ Ihr herzliches Lächeln schien sein Herz zu erwärmen, zumindest fühlte es sich wirklich so an. Plötzlich spürte er wie das Gefühl in seine Hände zurück kehrte und seine Finger sich ohne Probleme wieder bewegen ließen. Ein breites Grinsen überzog seine Züge. „Dabei dachte ich heute Mittag noch das würde wieder einer dieser langweiligen Tage werden.“ Es bedurfte noch vieler Worte die mit Nachdruck gesprochen wurden um Mervan schließlich davon zu überzeugen sie nicht auf ihrem Weg zu begleiten. Philipp war der einzige der diesen Entschluss zu bedauern schien, auch wenn es ihm nicht gefallen hatte dass er ihn immer „Kleiner“ nannte, war er ihm für alles was er getan hatte äußerst dankbar. Wer weiß was diese Soldaten sonst mit ihm gemacht hätten. Lilly empfand noch immer das er sich von seiner wichtige Mission nicht abbringen lassen sollte, wenn auch Mervan immer wieder erklärte das diese freundschaftliche Beziehung zu dem Königreich Nawenn für die Schattenelfen nicht von solch enormer Wichtigkeit war. Man wollte einfach nur die bequemen Handelsrouten pflegen. Die Ellydre aber sah mehr dahinter, ohne zu ahnen das sie Recht hatte, und Xii wäre am liebsten sowieso anscheinend allein weiter gereist, nachdem Lilly außer Lebensgefahr war, verfiel sie wieder in ihre notorisch schlechte Laune. Mutig reichte Philipp dem Elfen zum Abschied die Hand, er bereute es zugleich, ertrug es dennoch wie ein heranwachsender Mann. Der Händedruck war so fest das er noch am nächsten Tag etwas davon haben würde. „Pass gut auf deine Freundin auf Kleiner. Eine Frage hätte ich allerdings noch.“ Mervan beugte sich hinab und nahm den Zipper von Philipps Sweatjacke zwischen zwei Finger und grinste ihn breit an. Der Blick seiner goldgelben Augen jagte ihm noch immer einen kalten Schauer über den Rücken. „Du kommst nicht wirklich aus diesem Buxtehude oder?“ „Nein. Aber du... ich meine Ihr würdet mir niemals die Wahrheit glauben.“ Der Elf schmunzelte amüsiert und ließ anschließend die herzliche Verabschiedung von Lilly über sich ergehen. Ihre Begegnung war von kurzer Dauer gewesen, in seinem Leben war er schon auf einige Personen gestoßen die ihm lange im Gedächtnis blieben, aber er würde diese kleine merkwürdige Gruppe niemals vergessen. Er blickte ihnen nach bis sie selbst für ihn im dunklen Dickicht der Wälder nicht mehr zu sehen waren. Mervan schüttelte langsam den Kopf und machte sich selbst auf den Weg. Als Lilly endlich aufgehört hatte sich ständig umzudrehen und energisch zu Winken, blieb Xii stehen und blickte über ihre Schulter hinweg zu Philipp. „Ehe ich es vergesse. Für einen Menschen hast du dich heute in dem Zelt gar nicht so nutzlos angestellt.“ Alles hätte Philipp erwartet, aber wahrlich kein Lob von ihr. Zumindest hielt er es für eines. „Danke für deine äußerst herzlichen Worte. Mir geht das Herz auf.“ Eigentlich war er ganz froh das Xii ihre folgenden Worte so leise murmelte das er es nicht verstand. Plötzlich wurde ihr Körper in einen bläulichen Dunst gehüllt und ihre Statur verformte sich. Nur einen Augenblick später stand sie in der Gestalt eines viel zu großen Fuchses vor ihnen und schüttelte ihr rostrotes Fell. „Lilly, du hast deine Kräfte wieder, und wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich werde an dem Ort wo die Faulvaruls dich angegriffen haben ihre Spur aufnehmen und dort wieder zu euch stoßen wenn ihr dort ankommt.“ Nachdem Lilly ihr zugenickt hatte, sprintete die Füchsin schnell wie der Wind davon und war im Nu verschwunden. Neben Philipp war ein lauter Seufzer zu hören. „Xii ist stinksauer auf mich. Sonst würde sie mich nicht mit dir allein lassen. Kaum wenige Minuten weicht sie mir sonst von der Seite.“ „Vielleicht liegt es daran das du es geschafft hast in nicht mal einem Tag deinen Stab wiederzufinden und gleich wieder zu verlieren. Dazu hätte dich anschließend irgendein magischer Halsring beinah erdrosselt.“ Sogleich spürte er ihren grimmigen Blick auf sich ruhen. Unbeholfen kratzte er sich am Kopf und sprach rasch weiter. „Im Übrigen wäre ich auch ganz froh wenn du dich zur Abwechslung mal nicht gefangen nehmen lassen würdest. Langsam wird es lästig. Außerdem bin ich nicht nur des Rennens müde, und wo wir beim Thema sind, ich könnte ein wenig Schlaf vertragen.“ Verwundert sah er hinunter zu seiner Hand, denn Lillys Finger schlossen sich sanft darum. Es gefiel ihm nicht wie sie ihn anlächelte, und das er sich alles andere als unwohl dabei fühlte. Mit grimmiger Entschlossenheit blickte er wieder nach vorn, doch ein Zerren an seiner Hand brachte ihn abrupt zum stehen. Bevor er auf irgendwas reagieren konnte, stellte sich Lilly auf die Zehenspitzen und küsste seine Wange. „Wa- Was soll das denn?“ „Ein Dankeschön das du dich in Gefahr gebracht hast um mich zu retten. Du musst großes vollbracht haben wenn Xii dir gegenüber ein Lob ausspricht. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Ich verspreche dir auch das wir so schnell wie möglich einen Weg finden werden dich nach Hause zu schicken, sobald wir Morendras wiedergefunden haben.“ Das er sie aus weit aufgerissenen Augen anstarrte brachte sie zum Grübeln, nachdenklich legte sie einen Finger an ihre Lippen. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Oh! Das war nicht höflich genug, richtig?“ Eilig stellte sie sich wieder auf die Zehenspitzen und spitzte die Lippen als sie seinen näher kam. In letzter Sekunde erwachte Philipp aus seiner Starre und bedeckte ihren Mund mit seiner Hand und drückte sie energisch fort. „Hey! Hör auf damit. Was ist denn los mit dir?“ Verwundert blinzelte sie ihn an und legte den Kopf leicht schief. „Ich wollte mich bedanken und meine Zuneigung dir gegenüber ausdrücken. Das war doch richtig oder etwa nicht? Im Krankenhaus hast du dich doch schließlich auf selbe Weise bei mir bedankt.“ Grob zerrte er sie hinter sich her als er mit großen Schritten wieder los marschierte, er senkte die kleine Laterne die er in der anderen Hand hielt ein Stück damit sie nicht erkennen konnte wie rot sein Gesicht wurde. „Das war ein Versehen! Aus dem Affekt heraus! Das hatte gar nichts zu bedeuten. Vergiss das am besten wieder, und hör endlich auf so zu kichern!“ „Aber es ist witzig wie du versuchst wütend zu sein, es aber eigentlich gar nicht bist. Das merke ich daran das deine Stimme etwas schwankt.“ Grob blaffte Philipp sie noch eine Weile lang an während er sie hinter sich her zog, sie dachte nicht einmal daran das Kichern einzustellen. Mit ihrer Hand betastete sie ihren Hals, der ihr noch immer starke Schmerzen bereitete, dennoch war sie einfach nur glücklich in diesem Moment neben ihm her gehen zu können. Fast hätte sie diesen Augenblick nicht mehr erleben können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)