Athelas von yezz ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Frühling ging langsam in den Sommer über und in den letzten Wochen zeigte das Thermometer 20 oder mehr Grad. Lavi rollte seine Ärmel bis zu den Ellbogen hinauf, legte dabei die Tattoos frei, die seine Armen hinunter bis zu den Gelenken gingen. Er wedelte sich selbst abwesend Luft zu, während er in dem Raum umherging. Der Boden war mit Parkett ausgelegt, doch er beäugte die Wand. Sie war etwas eingerissen und gelb, doch es war nichts, was man nicht mit Farbe hinbekommen könnte. Der Boden brauchte eine Politur und weniger überladenes Licht, wie von diesem gotischen Kronleuchter, der von der Decke hing. Aber es war nicht schlecht. Vor allem, wenn man die letzten 7 Objekte bedachte, die sie gesehen hatten. „Es ist ein wenig kostspieliger, meine Herren, aber ich versichere ihnen, dass sie nichts ähnliches in dieser Größe in dieser hervorragenden Lage finden werden“, sagte der Makler und gestikulierte umher. Das stimmte. Das Objekt lag in einer schönen Gegend. Covent Garden. Doch es lag auch in einer ruhigeren Nebenstraße mit wenig Fußgängerverkehr. Dennoch war es relativ preiswert in einer solch angenehmen Gegend. Lavi sah die möglichen Vorteile daran, hier den Laden zu eröffnen. Ein Tattoostudio mit seinem Freund und Tätowierer Tyki Mikk. Während Lavi seine Arme und Beine tätowiert, doch seinen Rumpf unberührt gelassen hatte war es bei Tyki genau das Gegenteil. Es war eine lustige Geschichte, wie die beiden entschieden hatten, sich zusammenzutun. Tyki war von einer Familie voller renommierter Tattookünstler unterrichtet worden, den NOAH. Lavi hingegen hatte die Kunst von seinem Onkel gelernt. Codename Bookman. Irgendwie war es dann dazu gekommen, dass sie sich gegenseitig tätowiert hatten und sich regelmäßig im jeweils anderen Studio besucht hatten. Beide Gruppen waren aufgrund ihrer Expertise sehr bekannt gewesen. Nach einigen Besuchen und Gesprächen während der letzten Jahre, inkl. ihren Ambitionen das Nest zu verlassen, hatten sie sich entschieden, sich selbst einen Namen zu verschaffen. Auch wenn ihre Familien ein wenig deswegen gemurrt hatten. Aber zuerst mussten sie sich einen Standort suchen. Und das taten sie bereits seit 2 Monaten. „Was denkst du Mikk?“, Lavi legte seinen Kopf schief und schaute den anderen an. Tyki brummte. „Zumindest besser, als der Rest. Aber wenn man bedenkt, dass wir hier komplett renovieren müssen und neues Equipment brauchen… Das geht schon ziemlich ins Geld.“ Das war wahr. Lavi seufzte. „Wann müssen wir uns entscheiden?“, fragte er. „So schnell wie möglich“, lächelte der Makler. „Dieses Gebiet ist sehr beliebt, also wäre ich nicht überrascht, wenn sich schnell jemand findet.“ „Ja, aber es ist nicht besonders optimal für Laufkundschaft“, entgegnete Tyki und blickte aus der Fensterfront. „Es ist Samstag, richtig? Ich habe niemanden die Straße runterkommen sehen, seit wir hier sind.“ „Guter Punkt“, nickte der Makler. „Aber mit einem Kundenstamm ist das kein Problem. Nehmen sie den Florist nebenan als Beispiel.“ „Florist?“ „Zugegeben, ihm gehört auch das Gebäude, aber er ist bereits seit 4 Jahren im Geschäft. Ziemlich gut sogar, würde ich sagen.“ Der Makler ließ sie überlegen, während sie langsam umhergingen. Dann blickte er auf seine Uhr. „Nun ja, es tut mir leid, aber ich habe noch einen anderen Termin“, sagte er bedauernd, als er sie aus dem Gebäude führte, um abzuschließen. „Ich werde die Augen nach anderen Objekten offen halten. Rufen sie mich an oder ich werde es tun, wenn ich was anderes gefunden habe.“ „Danke“, Lavi nickte verabschiedete sich, bevor der Makler ging. Gemeinsam standen sie vor dem Gebäude und Tyki suchte seufzend in seinen Taschen nach einer Zigarette. Der bittere Geruch von Teer erfüllte die Luft und Lavi hustete, wedelte mit seiner Hand vor seinem Gesicht. „Junge, guck in die andere Richtung.“ Der andere grinste, gab jedoch nach, atmete den Rauch in die andere Richtung aus. „So, was denkst du, Bookman.“ „Es ist Covent Garden, Mann“, zuckte er mit den Achseln und drehte sich zum potenziellen, neuen Laden um. „Es ist viel schöner, als der Rest, den wir gesehen haben.“ „Das ist auch der Grund für einen astronomischen Preis“, sagte Tyki. „Wir sollten in Camden weiter schauen, nicht hier.“ „Aber ich möchte nicht in der Nähe vom alten Mann oder seiner eigenartigen Familie sein“, schmollte Lavi. „Wir wollen uns für längere Zeit niederlassen, Mikk. Du möchtest nicht in einem schäbigen und heruntergekommenen Schuppen arbeiten, oder?“ „Die Veränderung ist nett, das gebe ich zu“, Tyki nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarette und beobachtet die ruhige Straße. „Aber ich weiß nicht, ob es das Geld wert ist.“ „Wir könnten etwas weniger modernisieren. Ich meine, vielleicht einfach ein bisschen Wachs für den Flur, einfarbig nachlack…“ „Und unsere Ausrüstung? Teures Equipment“, erinnerte Tyki ihn. Lavi seufzte. „Ja, ich weiß. Ich sag es ja nur. Wie auch immer, ich schau mir mal die Gegend an. Es ist verdammt ruhig.“ „Ein großer Unterschied zu Camden“, Tyki drehte sich achselzuckend in die andere Richtung. „Huh. Ich schau mir mal den Hinterhof an.“ „Zünde die Bude bloß nicht an“, rief ihm Lavi hinterher und grinste, als Tyki nur träge seine Hand hob, während er sich entfernte. Lavi drehte sich zum Floristen zu seiner rechten um. Er war tatsächlich unglaublich neugierig, seit der Makler ihn erwähnt hatte. Es war nicht besonders auffällig, wenn man es zuerst betrachtete. Doch was es besonders interessant machte, war die Tatsache, dass dem Ladenbesitzer auch das Gebäude gehörte. Lavi fragte sich, welche Art von Florist sich so etwas leisten konnte. Vielleicht war es ein alter Mann, der seine reichhaltige Pension so ausgab. Als er draußen an den aufreihten Blumen entlanggeht, fiel ihn förmlich der frische Geruch an. Er war süß, aber nicht zu süß. Er entspannte sich unbewusst. Das Ladenschild sagte „Infinity Flowers“. Nicht wirklich einfallsreich. Die Tür war offen und Lavi trat ein, freute sich über die klimatisierte Luft. Im Inneren waren nur Reihen von Pflanzen, aufgereiht nach ihren Farbtönen. Er war nie besonders in Blumen interessiert, aber diese waren wohl die Faszinierendsten, die er jemals gesehen hat. Er erkannte kaum eine Blume. Natürlich hatte er bereits Narzissen, Rosen und Tulpen in seinem Leben gesehen, aber nicht in solchen Massen und Ausführungen. Seltsamerweise war in der Mitte des Ladens ein relativ großes Becken. Es war bis zum Rand mit Wasser gefüllt und beherbergte beeindruckend große Lotusblätter. Da war außerdem auch eine geschlossene Blüte, die nur darauf zu warten schien, zu erblühen. Das sanfte Pink und Weiß… „Fass das nicht an.“ Lavi machte einen Satz nach hinten und zog seine Hand schuldbewusst zurück. „Entschuldigung.“ Und dann sah er ihn. Auch wenn Lavi einige Sprachen fließend beherrschte, konnte er in diesem Moment keine Wörter zu einem Satz zusammensetzen. Das erste, was er bemerkte, war die Haut. Gott, diese Haut. Er hatte einen blassen Teint, aber nicht zu blass. Sie war weich, makel- und fehlerlos. Sie war praktisch die perfekte Leinwand mit genau dem richtigen Ton und genau dem richtigen Glanz. Lavis Finger zuckten. Er konnte sich Millionen Muster und Bilder vorstellen, die er liebendgerne auf den Nacken tätowiert hätte. Oder auf einen dieser definierten Arme, die vor seiner Brust verschränkt waren. Die anderen Besonderheiten rückten erst nach und nach in den Vordergrund. Die dunkelblauen Augen, der scharfe Schnitt des Gesichts und die asiatischen Merkmale. Das unglaublich lange, tiefschwarze Haar und diese Statur. Er fühlte, wie sein Mund trocken wurde. Scheiße. Scheiße. Verdammte Scheiße. „Wonach suchst du?“, fragte der andere ungeduldig, die Arme immer noch verschränkt. „Huh?“, Lavi blinzelte und versuchte, wieder in die Realität zurückzukehren. Er war ein einem Blumengeschäft. Mit einem unglaublich schönen Floristen. Er musste ihn unbedingt tätowieren, diese… „Oh, I-Ich… Ich habe… mich nur umgeschaut.“ Der Florist starrte ihn noch einen Augenblick an. Lavi hatte natürlich den abschätzenden Blick auf seine tattooübersähten Arme mitbekommen. Dann die gepiercten Ohren oder vielleicht seine roten Haare oder das eine Auge, bevor er sich umdrehte und sich ins Innere seines Ladens zurückziehen wollte. "W-warte!", platzte es aus Lavi heraus, bevor er es verhindern konnte. "Ähm. Ähm. Ähm", er geriet leicht in Panik, als es wieder still im Laden wurde. "Ich... Ich möchte eine Blume." Zum Glück verlor der Florist kein Wort über seine merkwürdige Aussage. "Was für ein Anlass?" "Uh. Ähm...", seine Gedanken rasten, um etwas Plausibles zu finden. „Ein Freund hat geheiratet. Also... Ein Gratulationsstrauß vielleicht?“ „Budget?“ „Unter 20?“ „Irgendwelche Allergien?“ „Nicht, dass ich davon wüsste.“ Es schien nach dem perfekten und schlüssigen Anschluss, denn der Florist drehte sich wieder um. Doch dieses Mal schritt er die Reihen der Blumen ab, bevor er stoppte und einige aus einem Bündel zog. Lavi beobachtete ruhig, wie der langhaarige Mann sich bewegte, als wüsste er bereits ganz genau, was er benötigte. In wenigen Minuten kehrte er zum Ladentisch zurück, wo sofort geschickte Finger kunstvoll die Blumen arrangierte. Danach zog er etwas weißes Einschlagpapier heraus und band es schnell in einen adretten Strauß. Die Farben, die er ausgesucht hatte waren gedeckt, nicht das, was Lavi erwartet hatte. Doch irgendwie fühlte er sich beim Anblick des Verlaufs von Weiß zu sanften Pastelltönen seltsam glücklich. „18 Pfund.“ Schon etwas teuer für die Größe, dachte Lavi. Doch er war ja auch nicht gerade ein Experte was Blumen anging. Er griff in seine Tasche und holte Portemonnaie hervor, nur um festzustellen, dass ihm die Scheine ausgegangen waren. „Ah, akzeptierst du auch Karte?“ Mit einer gelangweilten Geste deutete der Schwarzhaarige auf den Kartenleser und Lavi steckte ohne zu zögern die Karte hinein. Dabei verschwendete er keinen Gedanken darin, dass er das Geld definitiv von seinen Lebensmitteleinkäufen für nächste Woche abziehen musste. Während er auf das Gerät wartete, blickte er wieder den Floristen an. Sein Blick glitt weiter zu dessen Hand, die ungeduldig auf dem Tisch tippte. Gott, sogar seine Finger sind lang und wunderschön. Und die Venen auf dem Handrücken... „Wie heißt du?“, fragte er, bevor er sich selbst zurückhalten konnte. Doch machte sofort wieder einen Rückzieher. „Ich meine, diese Blumen sind toll und vielleicht kann ich noch einmal kommen, wenn ich wieder welche möchte?“ Der andere hob eine Augenbraue und deutete mit dem Daumen auf einen Stapel Visitenkarten, die vorne auf dem Ladentisch auslagen. Er nahm sich hastig eine. „In Ordnung, danke.“ Doch bevor er noch einen Blick auf die Karte werfen konnte, war die Transaktion erledigt und ihm wurden die Blumen in die Hand gedrückt, bevor er überhaupt realisiert hatte, was passierte. „Schönen Tag“, sagte der andere ohne viel Emotion. „D-danke“, nickte er und nahm die Blumen fest in seinen Arm. Lavi wollte noch bleiben, doch er wusste, dass es seltsam wäre. Also blickte er den Florist noch einmal an, doch dieser hatte sich bereits umgedreht und beschäftigte sich mit etwas anderem. Seine Finger schlossen sich fest um die Karte, während er hinausging. Die Hitze schlug ihm entgegen und brachte seine Haut zum Schwitzen, doch er achtete nicht darauf. Seine Augen waren auf den Druck der Karte gerichtet. „Was ist der Anlass?“ „Hmmm?“, Lavi schaut abrupt beim Klang der Stimme auf. Tyki stand vor ihm. „Oh. Ähm... Nichts.“ Tyki betrachtete ihn ruhig, seine Zigarette lose im Mundwinkel. Der Rothaarige hielt inne, da sein Gegenüber nichts weiter tat, als ihn abschätzend zu mustern. Daher war er nicht darauf gefasst, als dieser ihm plötzlich die Karte aus der Hand zog. „Hey...“ „Yu Kanda“, las der Portugiese vor und blickte dann auf die Blumen, die Lavi in der Hand hielt und zog die Karte darin heraus. „'Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit'. Wer hat geheiratet?“ „Ähm... ein Freund?“ Tyki blinzelte. „Hast du ernsthaft einen Blumenstrauß gekauft, weil du den Floristen heiß findest?“ „Was? Nein, das hab ich nicht!“, beklagte sich Lavi entrüstet und packte die Blumen fester. „Also gut“, grinste der andere. „Welcher deiner Freunde hat geheiratet?“ „Du sagst das so, als würdest du alle meine Freunde kennen“, schnaufte Lavi. „Was du nicht tust!“ Tyki ignorierte ihn. „Jetzt bin ich aber gewaltig neugierig. Ich muss ihn mir ansehen.“ Lavi griff hastig nach dem Arm des anderen, bevor er gehen konnte. „Was? Nein! Das wäre auffällig.“ „Also hat es was mit dem Florist zu tun“, brummte Tyki herablassend und eine leichte Röte stieg in Lavis Gesicht. „Keine Sorge, ich nehme dir deinen zukünftigen Seelenverwandten nicht.“ „Fick dich, Mikk“, grollte Lavi, doch Tyki schüttelte ihn ab und ging zum Blumengeschäft. „Mikk...!“ Der Rothaarige biss sich auf die Unterlippe und ging draußen auf und ab. Doch er achtete dabei darauf, nicht zu nah am Laden vorbeizugehen, damit man ihn nicht sehen konnte. Das hingegen zerrte an seinen Nerven, denn er wollte wissen, was Tyki machte und er den Florist gerne noch einmal sehen würde. Yu Kanda. So ein schöner Name, seufzte er träumerisch in Gedanken und blickte zu dem Blumenstrauß, den er gekauft hatte. Scheiße, was würde er nun mit den Blumen machen? Es quälte ihn lange genug, bis Tyki endlich aus dem Laden und auf ihn zu kam. Er trug eine einzelne weiße Rose zwischen seinen Fingern und grinste viel zu breit. Als er noch ein paar Schritte näher kam, brach der Portugiese in Gelächter aus, schüttelte seinen Kopf und gab Lavi einen mitleidiges Grinsen. Lavi blickte ihn finster an. „Was?“ „Du bist erbärmlich“, sagte Tyki immer noch grinsend. Der Rothaarige blickte auf die weiße Rose. „Du hast auch was gekauft.“ „Er ist ziemlich heiß“, Tyki zuckte mit den Achseln und gluckste dann, als er die Anspannung seines Gegenübers merkte. „Er gehört dir, Bookman, schau mich nicht so an. Du wirst mir jetzt also sagen, dass wir den Laden hier mieten sollen, richtig?“, er hob eine Augenbraue. „I-ich habe nie gesagt...“ Tyki blickte ihn nur ausdruckslos an. „Du wolltest es tun, das weiß ich. Du möchtest das Objekt nur wegen dem heißen Nachbarn anmieten. Nun ja, du hast einen guten Geschmack. Auch wenn seine Persönlichkeit nicht gerade entgegenkommend ist.“ „Es ist nicht wegen ihm!“, beharrte Lavi schnaubend. „Der Ort ist gut, wir können damit arbeiten. Natürlich ist es nicht der Hauptanlaufspunkt für Laufkundschaft, aber wie viele Leute gehen wirklich an einem Tattooladen vorbei und sagen sich 'Hey, ich sollte mir heute wirklich ein Tattoo stechen lassen'?“, argumentierte er. „Wir arbeiten nur mit Terminen. Es ist etwas teurer, aber die Größe ist perfekt. Denk drüber nach, Mikk. Wir werden hier einige Jahre verbringen. Es ist eine Investition.“ „Bist du sicher, dass du dich derart in jemanden verknallen solltest, den du gerade erst getroffen hast?“ „Mikk!“ Tyki schnaubte amüsiert. „Es ist süß, wie durchschaubar du manchmal bist. In Ordnung“, er seufzte und steckte seine Hände in die Tasche. „Ich stimme aber nur unter einer Bedingung zu. Kauf mir die nächsten 2 Monate Mittagessen.“ „Du verdammter Ausbeuter“, Lavi verengte die Augen. „Also?“ Vielleicht würde er sich damit ganz schön in die Scheiße reinreiten, doch daran verschwendete er in diesem Moment kaum einen Gedanken. „Ok.“ „Hervorragend“, nickte Tyki und schlug ihn leicht auf den Arm. „Na los, lass uns den Makler anrufen. Wir wollen doch dein Schicksal mit deinem Traummann nicht verpassen.“ Lavi trat nach Tyki, dabei klemmte er sich den Blumenstrauß jedoch vorsichtig unter den Arm, als sie gemeinsam die Straße hinuntergingen. Kapitel 2: ----------- Es war schon fast Herbst, als sie das Tattoostudio eröffneten. Bunt bemalt und mit der Ausstattung auf Hochglanz poliert. Butterflie’s Ink verkündete das Schild draußen in elegant gebogener Schrift, der Duft der Pakettpolierung hing noch immer in der Luft. Das Geld war knapp in den letzten Monaten gewesen, in denen sie ihre letzten Vorbereitungen getroffen hatten. Doch würden sie ihre Termine für die ersten paar Monate so durchziehen können, dann wäre das ein guter Start. Lavi war froh, in so einer coolen Atmosphäre arbeiten zu können. Er führte bereits eine Liste an guten Restaurants in der Nähe, die er besuchen wollte. Der Blumenladen nebenan war nur ein Bonus. Tyki hingegen glaubte ihm kein einziges Wort. „Also warum bist du noch nicht rübergegangen?“, fragte der andere im Vorbeigehen, als Lavi sich gerade konzentrierte einen Pfeil auf einen seiner Langzeitkunden zu tätowieren. „Wohin gehen?“, fragte er abgelenkt. „Nebenan. Hältst du dich etwa zurück?“, fragte Tyki mit überschlagenen Beinen gelangweilt. Es gab nichts für ihn zu tun, außer seinem Kollegen zuzuschauen, wie dieser an Allen, einem Jungen von der Universität, der bereits in der Vergangenheit einige Tattoos von Lavi gemacht bekommen hatte, arbeitete. Denn er hatte bereits alle Termine für den Tag hinter sich. Es war kurz vor 5, für ihre Nachbarn also schon fast Zeit für den Feierabend. Sie hingegen waren wesentlich flexibler. Lavi war bislang nicht hinüber zum Floristen gegangen, auch wenn es der erste offizielle Tag am neuen Standort war. Der Rothaarige war bereits während den Renovierungen ihres Ladens jedes Mal mit einem neuen Blumenstrauß zurückgekommen, wenn er hinübergegangen war. Und das war über die letzten paar Monate so gegangen. Tyki fand das sehr verdächtig. „Noch besser. Hast du ihm überhaupt gesagt, dass du hier arbeitest?“ Lavis Mund öffnete sich zu einer Antwort, doch der Junge mit den gebleichten, weißen Haaren rührte sich ein wenig. „Redet ihr über den Blumenladen nebenan?“, Allen drehte sein Gesicht irritiert, um Tyki anzublicken. „Was ist damit?“ „Bookman ist in den Inhaber vernarrt“, sagte Tyki fröhlich und Lavi war einfach nur dankbar, dass die Nadel gerade nicht unter Allens Haut war, als dies an seine Ohren drang. „Er hat sogar diesen Ort ausschließlich wegen dieser Tatsache ausgesucht. Und wer bin ich, der sich zwischen solch eine wahre Liebe stellt?“ „Das ist nicht wahr und das weißt du auch!“, grummelte Lavi und versuchte die kitschigen Worte zu ignorieren. „Hör auf, so etwas zu sagen.“ „Natürlich fährst du total auf ihn ab.“ „Wartet. Der Inhaber nebenan… ihr… ihr redet über Kanda, oder?“, unterbrach sie Allen und sah, wie Tyki zustimmend nickte. „Oh, du kennst ihn?“ „Leider“, seufzte Allen tief. „Man könnte sagen, dass ich ihn zu gut kenne.“ Lavi hielt inne, bevor er den nächsten Strich zog. „Wirklich?“, fragte er etwas zu enthusiastisch, doch das war ihm egal. „W-wie kommt es, dass du ihn kennst?“ „Unsere Väter, nun ja Ziehväter, sind alte Freunde. Wir sind mehr oder weniger miteinander aufgewachsen. Als du mir die Adresse gabst, dachte ich mir noch, wie klein die Welt sei. Ich belästige Kanda immer mal wieder in seinem Laden“, gab Allen amüsiert zu. „Lavi“, er hielt plötzlich inne und blickte ihn ernst an. „Magst du ihn?“ „Nun ja, Ich… ähm“, Lavi zögerte und kratzte sich zerstreut den Nacken. „Ich bin vielleicht an ihm interessiert, wenn es das ist, was du meintest“, murmelte er und lief ein wenig rot an. „Ich meine, wenn er nicht an Kerlen interessiert ist, dann ist das auch kein Thema, glaube ich…“ „Vielleicht?“, wiederholte Tyki ungläubig und fing sofort danach an zu husten. „Lavi, bitte nicht“, sagte Allen in einem flehenden Tonfall, den Lavi irritierte. „Huh?“ „Du findest was viel besseres als Kanda, das schwöre ich“, fuhr Allen ernst fort. „Jeder findet sein Gesicht toll, also glaube ich, dass das eine gute Ausrede für dich ist. Aber vertraue mir, und ich sage das, weil ich dich mag und das Beste für dich möchte. Kanda ist ein Arschloch. Er ist es nicht wert.“ Lavis Augenbrauen wanderten so weit nach oben, dass sie schon fast unter seinem Bandana, welches er immer trug, um seine Haare aus dem Weg zu halten, verschwanden. „Ähm… warum sagst du sowas? Er war bisher immer nett, wenn ich Blumen gekauft habe.“ „Standarddienstleistungen sind nicht ‚nett‘, Lavi“, erklärte Allen ihm sanft. „Du hast noch nicht mit ihm geredet, oder?“ „Nun ja.“ „Ihm zu sagen, was du dir für den Strauß vorstellst, zählt nicht.“ „Dann vermutlich nicht“, gab Lavi zu. „Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll!“, verteidigte er sich, als Tyki seufzte und seinen Kopf schüttelte. „Ich möchte ihm nicht zu nahe treten, also… na ja.“ „Gute Entscheidung“, Allen nickte. „Kanda hätte dich geschlagen. Aber ernsthaft, du bist ein guter Kerl, Lavi. Du verdienst was Besseres.“ „Solltest du nicht sein Freund sein?“, fragte er vorsichtig. „Sicher, aber das ändert die Tatsache nicht, dass er ein Doofkopf ist“, antwortete Allen grinsend. „Kanda ist nicht… Er kommt nicht gut mit Menschen klar. Ich möchte nur nicht, dass du enttäuscht bist, wenn es dir… du weißt schon, ernst mit ihm ist.“ „Oh, ich… Ich verstehe“, murmelte Lavi. „Nun ja, mir ist es nicht… ernst. Für diesen Moment möchte ich ihn einfach nur kennenlernen. Das ist alles.“ Tyki seufzte. „Du hast ihn traurig gemacht, Walker.“ „Mikk…“ „Tut mir leid, Lavi“, sagte Allen ernsthaft bedauernd. Lavi rieb sich das Gesicht. „Mikk, hör auf“, er deutete mit finsterem Blick auf seinen Kollegen. „Und Allen, ich muss den Rand fertig machen.“ „In Ordnung.“ Die nächsten 10 Minuten vergingen in Schweigen, bis Lavi seine Arbeit beendete. Allen wimmerte ein wenig, als er Salbe über die rohe Stelle strich und es geübt abklebte. „Du kennst die Regeln, Brite. Nimm es für die nächsten 2 Stunden nicht ab und reibe nicht drüber, wenn du dich wäschst. Wenn sich irgendwas komisch anfühlt, ruf mich an.“ „Vielen Dank, wie immer“, nickte Allen lächelnd. „Weißt du“, begann der Jüngere, als sie darauf warteten, dass die Kartenzahlung vollzogen wurde. „Ich kann dich Kanda vorstellen, wenn du magst.“ „Ich dachte, du möchtest nicht, dass ich ihn kennenlerne“, Lavi blinzelte und riss das Papierchen ab, was das Gerät ausspuckte. „Ich möchte nicht, dass du von ihm enttäuscht wirst“, korrigierte Allen ihn. „Jetzt, wo du das realistischer siehst, kannst du es gerne versuchen. Ich gehe rüber, möchtest du mitkommen?“ „Jetzt?“, Lavi schielte auf die Uhr an der Wand. „Es ist nach 5, der Laden ist geschlossen, oder nicht?“ „Nein, Kanda bleibt immer noch eine Stunde und bereit Sachen für den nächsten Tag vor. Also?“ „Ich…“ „Bookman, worauf wartest du?“, Tyki hob eine Augenbraue und Lavi schnaubte. „Hör auf es so hinzustellen, als sei ich verzweifelt!“ „Ist das nicht auch so?“, grinste Tyki. „Bin ich nicht!“, der Rothaarige streckte ihm die Zunge trotzig raus, doch biss dann etwas auf seiner Unterlippe herum und kratzte sich die Wange, als Allen den Kopf schief legte. „Ja, in Ordnung. Ich komme mit.“ Ein Kribbeln bildete sich in seinem Magen, als sie die kurze Distanz zum Blumenladen überbrückten. Die Tür war geschlossen, aber im Inneren war immer noch Licht. Tyki war nicht auf dem Holzweg, – aber er war nicht verzweifelt! - denn er wollte schon den ganzen Tag hinübergehen, doch er wusste nicht, was er dem Floristen sagen sollte. Vielleicht wieder einen Blumenstrauß kaufen? Doch so langsam gingen ihm die Vasen und Gläser dafür zu Hause aus. Allen ignorierte der Schild mit ‚Geschlossen‘, drückte die Tür einfach auf und ging wie selbstverständlich in den Laden hinein. Lavi folgte ihm, fühlte sich ein wenig deplaziert. „Kanda“, säuselte Allen, worauf der Florist, der gerade einige Dinge am Verkaufsthresen sortierte, aufschaute und ihm mit dem finstersten Blick bedachte, den Lavi jemals gesehen hatte. „Quälgeist“, sagte der Florist. „Was zum Teufel machst du hier?“ Lavi blinzelte über diesen unglaublich barschen Ton. Vermutlich war es das, was Allen meinte. Aber hey, er fluchte ja selbst auch. „Wollte dich nur Besuchen, Liebling“, grinste Allen. „Ich wollte sehen, ob du schon bankrott bist.“ „Als würde mir das jemals passieren, Bohnenstange“, schnaubte Kanda und fing wieder an, seine Sachen zu sortieren. „Hast du nicht irgendwelche Prüfungen, durch die du fallen musst oder sowas?“ „Bist du besorgt um meine Bildung?“ „Bring mich nicht zum Lachen.“ „Als wärst du dazu überhaupt in der Lage.“ Kanda rollte seine Augen. „Ernsthaft, warum zum Teufel bist du hier?“ „Ich habe mein Tattoo gemacht bekommen“, antwortete Allen und lehnte sich mit dem Ellbogen auf die Verkaufsfläche, während er Kanda bei der Arbeit beobachtete. „Ich habe dir erzählt, dass mein Tätowierer umzieht, richtig? Er ist jetzt direkt neben dir. Und wenn wir gerade davon reden, das ist Lavi“, stellte ihn Allen vor und bedeutete ihm, zu ihm zu kommen. „Er hat die letzten 4 bei mir gemacht.“ Kanda blickte Lavi kurz an, bevor er mit der Arbeit fortfuhr, offensichtlich uninteressiert. „Du solltest ihn in Betracht ziehen, wenn du ein weiteres möchtest“, fuhr Allen fort. „Kein Bedarf, Schnarchnase.“ „Ein weiteres?“, wiederholte Lavi unsicher, ob er das richtig verstanden hatte. „Du hast ein Tattoo?“, fragte er überrascht. „Sicher, Kanda hat eins hier“, dabei klopfte Allen auf die rechte Seite seiner Brust. „Darf ich es sehen?“ Die Frage sprudelte aus ihm heraus, bevor Lavi realisieren konnte, dass es noch viel zu früh war, so etwas zu fragen. Der Florist hielt inne und blickte Lavi direkt an. „Nein. Was machst du hier?“ Allen verengte die Augen und blickte den Floristen an. „Kanda, sei kein Arsch.“ „Der Laden ist nicht geöffnet, Vollpfosten. Warum hast du ihn mitgebracht?“ „Ich hab ihn mitgenommen, damit er dich trifft“, sagte Allen seufzend. „Er ist seit heute dein neuer Nachbar. Du solltest ihn kennenlernen.“ „Warum?“ Bevor Allen die Geduld verlor und sein Kopf, aufgrund der schieren Dummheit oder Unhöflichkeit, auf den Thresen hämmerte, schritt Lavi ein. „Tatsächlich…“, er räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ähm. Ja, ich bin dein neuer Nachbar seit heute. Ich bin ein Tattookünstler und wenn du jemals ein weiteres möchtest, dann würde ich liebendgerne… ähm… vergiss es… Das weißt du ja schon, weil es dir Allen erzählt hat“, er wimmerte innerlich. „Wie auch immer. Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber ich habe schon ein paar Mal Blumen hier gekauft. Aber das ist nicht… Ich…“, er suchte peinlich berührt nach Worten, während sein Mund einfach weiterredete. Er bekam am Rande mit, dass Allen sich räusperte und sich etwas wegdrehte. „I-ich… Da wir gerade erst eingezogen sind, dachte ich, ich könnte noch einen Blumenstrauß besorgen. Vielleicht… Um den Laden etwas aufzuheitern?“ Der Florist blickte ihn an. „Wie viel?“ „Huh?“ „Wieviel möchtest du ausgeben?“ „Weniger als 20?“ „Farbliche Einrichtung?“ „Nun ja, es ist… hauptsächlich schwarz und Holz.“ „Hol ihn morgen ab“, sagte der Florist kurz angebunden und Lavi blinzelte. „Oh. Ok.“ Da ist eine kleine Pause, während Lavi zögerte. „Soll ich jetzt bezahlen oder…?“ „Morgen.“ „Ok.“ Wieder trat diese unangenehme Stille zwischen sie, doch dieses Mal schritt Allen ein. „Ich muss nach Hause und Abendessen machen. Bis zum nächsten Mal, Kanda.“ „Komm nicht wieder.“ „Ich weiß, dass du mich liebst“, grinste Allen und schlenderte winkend hinaus. Lavi erkannte die Andeutung und folgte ihm, blickte jedoch noch einmal zu dem Schwarzhaarigen. Dieser schien nicht im Geringsten daran interessiert zu sein, irgendetwas Nettes zu sagen. Aber wow, er hatte auch ein Tattoo. Er fragte sich, was es war. Irgendeine Inschrift? Ein Zitat oder Name? Vielleicht auch ein Symbol? Oder eine vermischte Collage, wie er es hatte? Er überlegte immer noch, als Allen draußen seinen Arm tätschelte. „Ich hab es dir gesagt“, sagte Allen, blickte den Rothaarigen an und seufzte. „Und… du bist immer noch an ihm interessiert. Du hast einen furchtbaren Geschmack“, grinste er kopfschüttelnd. „B-bin ich nicht! Ich habe nur…“, Lavi seufzte tief und rieb sich den Nacken. „Ok, vielleicht bin ich es, aber es ist nichts ernstes, ok? Ich habe mich nur gefragt, was für ein Tattoo er hat.“ „Es ist etwas persönliches“, sagte Allen und Lavi runzelte die Stirn. „Das sagst du jetzt nur, damit ich mehr wissen will und ich davon noch genervter bin.“ Allen lachte, aber er stritt nichts ab. „Wir sehen uns, Lavi. Viel Glück.“ Kapitel 3: ----------- Er sollte eigentlich ein bisschen Gewinn erwirtschaften, um die Miete für den Laden zu sichern und auch das Loch auf seinem Bankkonto stopfen, doch all sein Geld wurde praktisch vom Blumenladen nebenan verschlungen. Lavi presste seinen Kopf gegen die Tischplatte und wimmerte. Er musste auch immer noch Tykis Mittagessen bezahlen. Es war kein gutes Gefühl, so an Geld gebunden zu sein, doch Lavi konnte nicht anders, als weiterhin Blumen zu kaufen, bei denen er nicht wusste, wohin damit. Aktuell standen sie alle auf seinem Esstisch in seiner Wohnung oder waren im Laden verteilt. Nun, da er wusste, dass Kanda auch noch nach 17 Uhr in seinem Laden blieb, ging er manchmal mit dem Vorwand hinüber, um Blumen zur Dekoration des Ladens oder für jemanden anderes zu kaufen. Der Florist bediente ihn nicht um diese Uhrzeit, aber seine Bestellungen wurden immer notiert und Lavi warf immer ein paar Fragen ein, um eine Art Gespräch in Gang zu bekommen. Er wusste, dass seine sozialen Fähigkeiten nicht schlecht waren, doch Kanda schien sich nie wirklich viel zu öffnen. Die Antworten waren immer knapp und niemals eine Einladung, mehr zu fragen. „Also… warum gerade Blumen?“, hatte er einmal gefragt, der andere hob eine Augenbraue. „Warum willst du das wissen?“ „Ich frage mich das nur.“ „Weil ich es möchte“, war die knappe und schroffe Antwort. „Ich habe gehört, dass dir der Laden gehört“, fragte er ein andermal. „Ja.“ „Wie kannst du das aufbringen? Ich meine diese Gegend ist sehr extravagant…“ „Es war ein Geschenk.“ „Von wem?“ „Das geht dich nichts an.“ Oder ein andermal: „Wo kommen deine Blumen her?“ „Händler.“ „Oh.“ Nun seufzte Lavi, als er eine kleine Skizze von einer Sonnenblume ausmalte, die mit einem Strauß kam, den er im Laufe der Woche gekauft und auf seinen Schreibtisch auf der Arbeit gestellt hatte. Sie waren gut zur Übung, doch was auch immer er tat, es führte zu nichts und er war sich auch nicht wirklich sicher, was er da überhaupt tat. Der Florist. Kanda war nun wirklich unglaublich attraktiv, das war sicher. Diese helle Haut, die umwerfenden Augen, diese göttliche, trainierte Figur. Lavi konnte sich nur vorstellen, wie schön es wäre, ihn zu tätowieren. Vielleicht irgendwo am Nacken oder vielleicht sogar die Wirbelsäule hinunter. Scheiße… das… das… er schluckte. Er schweifte ab. „Hey, hör auf Trübsal zu blasen und hol mir mal ein bisschen Desinfektionsmittel, ja?“, rief Tyki von seinem Arbeitsplatz und Lavi erhob sich mit einem Schauben. Tykis Kunde für den heutigen Tag, Tokusa, ein schlaksiger Typ mit sieben Piercings in seinem linken Ohr, legte seinen Kopf interessiert schief. „Probleme mit Frauen?“, fragte er und zischte dann leise, als Tyki das neue Tattoo mit der Flüssigkeit abwischte, welches seinen anderen 6 nun Gesellschaft leistete. „Nahe dran“, antwortete Tyki, als er seine Arbeit abklebte. „Unser Nachbar ist eine richtige Schönheit. Er sabbert ihm schon seit Monaten hinterher.“ „Ernsthaft? Whoa, das muss ich mir später einmal ansehen.“ „W-was zum…“, stotterte Lavi. „Warum erzählst du das jedem?“, klagte er. „Was, bist du eifersüchtig?“ „Nein, ich…“ „Schade“, seufzte Tyki und drehte sich mit seinem Stuhl um, damit er Lavi anschauen kann. „Ich hatte gehofft, du würdest es werden.“ Lavi hielt inne. „Warum?“ „Weil du absolut gar nichts machst, außer Blumen zu kaufen. Das ist langweilig“, gab der andere zurück. „Worauf wartest du? Lade ihn schon ein.“ Als Lavi sich umdrehte und eine Antwort verweigerte, schüttelte Tyki den Kopf. „Du kannst mir nicht ernsthaft sagen, dass du nicht mit ihm ausgehen möchtest.“ „Das ist es nicht“, sagte der Rothaarige leise, guckte aber entschlossen weg. „Ich denke nur nicht, dass er zustimmen wird.“ „Was hast du all die Zeit gemacht, wenn du drüben warst?“ „Ich versuche es, ja?“, verteidigte sich Lavi entrüstet und ignorierte, dass Tyki die Augen rollte. „Er ist nur nicht… sonderlich interessiert.“ „Dann mach ihn interessiert.“ „Das ist nicht so einfach.“ Tyki verengte die Augen und grinste. „Ach wirklich?“ „Hey“, fand sich Lavi am Freitagabend rufend wieder. „Möchtest du mit Soba essen?“ Kanda hielt in der Bewegung am Tresen inne, als der Rothaarige in den Laden gestürmt kam. „Allen hat davon gesprochen und ich habe es noch nie gegessen. Also bin ich neugierig geworden und er sagte, dass du darin ein Experte seist und du einen Ort in der Stadt kennst, der gut ist. Denn ich habe versucht danach zu googlen und habe nichts gefunden. Also können wir gehen?“, sprudelte es aus ihm heraus, ohne wirklich Luft zu holen, während Kanda in anstarrte. „Uh, ich zahle auch!“ „Du kannst alleine gehen“, sagte Kanda endlich und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Arbeit. „Was willst du noch?“ Lavi schloss kurz die Fäuste und verlagerte das Gewicht auf den Füßen. „Ich meinte, ich zahle auch“, versuchte er es erneut. „Ich weiß noch nicht einmal, was ich bestellen soll, wenn ich alleine gehe und ich würde es wirklich gerne ausprobieren. Also bitte?“ Kanda schaute ihn wieder an und Lavi sah schon förmlich das Seufzen des anderen kommen. Er ballte die Fäuste wieder. „Ich werde auch…“ „…In Ordnung“, grummelte der andere. „Ich brauche 30 Minuten zum Abschließen.“ Lavi stand da für ein paar Sekunden und starrte, bevor er sich dazu zwang, in Bewegung zu setzten. „Oh. Uh, in Ordnung. Ich… uh... Ich warte draußen auf dich!“ Er stolperte fast über seine eigenen Füße, so hastig versucht er aus dem Laden zu kommen. Dann lief er in Tyki, der vor dem Laden herumgelungert hatte. „Zehn Mäuse“, sagte Tyki, streckte die Hand aus und grinste. „Ich kaufe dir immer noch ein Mittagessen, also geb mir eine Pause“, Lavi blickte finster. „Dann ein kostenloses Tattoo.“ „Meine Tattoos kosten mehr als 10 Mäuse!“ „10 Mäuse jetzt oder ein Tattoo irgendwann“, Tyki zuckte mit den Achseln. „Immerhin schuldest du mir etwas für dein Date.“ „Ich hasse dich, Mikk.“ „Du kannst mir danken, wenn du ihn heute Nacht in deinem Bett hast“, lachte Tyki und tätschelte Lavi die Schulter. „Ich…“ „Tschüss“, grinste der andere und entfernte absichtlich langsam von Lavi, der vor dem Blumenladen unruhig auf und ab ging. Es ist ein Date. Ein Date. So etwas in der Art. Er hatte zwar gelogen. Na gut er hatte wirklich nie Soba probiert und er wollte nicht alleine essen gehen. Zufällig hat sich eben ergeben, dass Kanda offensichtlich Soba mag und er konnte ihm zum Abendessen überreden. Hitze stieg in ihm auf, je mehr er die Situation realisierte und ließ ihn noch mehr umherwandern. Zum ersten Mal war er kein Kunde, sondern vielleicht… ein Freund? Abendessengesellschaft? Sie würden mindestens eine Stunde zusammen verbringen. Scheiße, worüber sollten sie reden? Lavi kaute auf seiner Unterlippe und ging weiter vor dem Blumenladen auf und ab, so verloren in Gedanken, dass er noch nicht einmal merkte, wie Kanda den Laden verließ und ihn skeptisch beobachtete. Lavi stoppte seine Wanderung, als er ihn bemerkte. „Uh, also los?“, fragte er verlegen. Kanda drehte sich auf dem Absatz um und ging die Straße entlang, ohne darauf zu warten, dass Lavi zu ihm aufschloss, also beeilte sich der Rothaarige. „Und wie war dein Tag?“ „Normal.“ „Irgendwelche interessante neuen Kunden?“ „Nein.“ „Irgendwelche interessante alten Kunde?“ „Nein.“ „Kannst du noch etwas anderes als ‚Nein‘ sagen?“ „Nein…“, Kanda blickte zu ihm herüber. „Was willst du?“ Lavi zuckte mit den Achseln und schluckte kurz. „Ich wollte nur wissen, wie dein Tag war.“ „Indem du dumme Fragen stellst?“ „Das waren einfache Fragen!“ „Scheiß Smalltalk“, schnaubte Kanda. „Ich bin aufgewacht. Bin zur Arbeit gegangen. Habe die Arbeit beendet. Jetzt gehen wir essen. Was sonst noch?“ „… Du bist so zynisch“, stellte Lavi mit einem kleinen Grinsen fest. „Ich bin mir sicher, dass es Dinge bei der Arbeit gab, die auch für dich interessant waren. Du sagtest, du bist Florist, weil du es wolltest.“ „Also?“ „Also was daran magst du? Sich um die Pflanzen kümmern? Blumen zu arrangieren?“ Lavi wartete geduldig auf eine Antwort, während sie weitergingen. „… Die Farben.“ „Was ist mit den Farben?“, fragte Lavi vorsichtig. „Sie verschmelzen“, antwortete Kanda knapp. „Und sie haben eine Bedeutung. Es ist… es ist beruhigend“, sagte er und schaute unentwegt geradeaus ohne zu merken, dass er ungewollt auf eine belebte Straße trat. Lavi schnappte alarmiert nach seinem Arm. „Yu! Sei vorsichtig!“ Kanda erstarrte. „Wie zum Teufel hast du mich genannt?“ „Yu“, Lavi blinzelte und schaute auf. „Das ist dein Name, oder nicht?“ „Es ist Kanda.“ „Aber…“, der Rothaarige runzelte irritiert die Stirn. „Du bist Japaner. Also ist ‚Kanda‘ dein Nachname, richtig?“ „Es ist Kanda“, keifte der andere. „Dummer Hase.“ „…Hase?“, Lavi hielt inne, doch dann bemerkte er, dass Kanda auf seinen linken Arm blickte, wo sein Tattoo von einer Hokusai-Welle, die aber aus Hasen, statt Wasser bestand, war. „Huh.“ Bevor er noch etwas sagen konnte, ging der Florist weiter. „Che. Komm schon.“ Die Stimmung kühlte zwischen ihnen ab, während Kanda ihn zum Restaurant führte, in einem noch schnelleren Tempo als zuvor. Lavi bemühte sich, dem Tempo standzuhalten, war jedoch immer einen halben Schritt zurück. Unbemerkt studierte er Kandas Profil. Es war so einfach, sich im Auftreten des Floristen zu verlieren, in der selbstsicheren und souveränen Haltung, die langen Haare, die hinter ihm wippten. Er war zu sehr in seinem Starren vertieft, dass er in Kanda hineinlief, als er plötzlich anhielt. Lavi blickte sich um und erkannte, dass sie eine der Straßen von Soho erreicht hatten und vor einem Restaurant standen. Kanda schob sich durch den Vorhang, auf dem ein Kanji abgebildet war und begrüßte die Bedienung. „Oh, Kanda-san!“, sagte die Bedienung und leuchtenden Augen. „Du hast jemanden mitgebracht“, sie blinzelte deutlich überrascht doch erholte sich schnell, als Kandas Blick finster wurde. „Möchtet ihr an den Tresen oder einen Tisch?“ „Tresen“, antwortete Kanda. Lavi folgte ihnen mit Unbehagen, als sie an eine Ecke des Tresens geführt wurden und dankte der Kellnerin, als sie ihn warm anlächelte und die Menükarten verteilte. „Was möchten sie haben, mein Herr?“ „Uh…“, Lavi blickte auf die einfach bedruckte Karte. „Was nimmst du, Yu?“ „Nenn mich nicht beim Vornamen“, grummelte Kanda und lehnte sich dabei mit den Ellbogen auf den Tresen, offensichtlich gelangweilt. „Ich bekomme das Übliche.“ „Was ist das Übliche?“ „Zaru Soba mit Tempura“, sagte die Kellnerin hilfsbereit, da Kanda nur geradeaus starrte. „Und einen heißen, grünen Tee.“ Lavi runzelte die Stirn. „Was ist Zaru Soba?“ „Es ist kaltes Soba“, erklärte sie. „Alternativ kannst du auch heißes Soba bekommen, das basiert auf einer Suppe.“ „Ich nehme auch das, was er bekommt“, entschied Lavi. „Wenn es sein übliches Essen ist, wird es gut sein, richtig?“ Das glaubte Lavi auch wirklich, doch als das Gericht serviert wurde, zögerte er bei den grau-grünlichen Nudeln, sie in einem Wirbel auf einer Bambusmatte lagen. Kanda schnappte sich seine Essstäbchen und murmelte irgendetwas, was zu leise war, um es zu verstehen, bevor er aß. Dippte die Nudeln in eine kleine Schale mit dunkler Soße, die an der Seite serviert wurde und schon war es in seinem Mund verschwunden. Er realisierte erst, dass er nur Kanda beobachtete, bis dieser ihn aus dem Augenwinkel einen seltsamen Blick zuwarf. Hastig richtete er seine Aufmerksamkeit auf sein Essen. Nun ja. Lavi vermutete, dass es schon nicht so schlimm sein würde, also dippte er die Nudeln in die Soße, wie er es bei seiner Begleitung gesehen hatte. Der erste Bissen war eigenartig. Die Nudeln waren kalt und Lavi hatte das irgendwie nicht erwartet, auch wenn er kaltes Soba bestellt hatte. Er kaute und schluckte es hinunter, der Geschmack von süßem Seetang und einen Hauch von feinen Gewürzen blieb angenehm in seinem Mund zurück. Lavis Augenbrauen schossen in die Höhe, als er noch ein Bissen kaute und hinunterschluckte. „Das ist tatsächlich… ziemlich gut“, sagte er und hörte, wie Kanda schnaubte. „Ich verstehe, warum das dein Lieblingsessen ist.“ Denn es war so unauffällig und subtil, und dennoch unglaublich intensiv. Alles zur gleichen Zeit. Es erinnerte ihn durch und durch an Kanda. Sie aßen still und Lavi zermarterte sich den Kopf nach einem weiteren Gesprächseinstieg und warf gelegentlich Blicke zum Mann neben ihm. Er fragte sich, ob Kanda nur am Tresen sitzen wollte, damit sie sich nicht in unangenehmer Stille gegenübersaßen und anschauen musste und war sogar etwas dankbar dafür. „Also… ähm… Was ist deine Lieblingsblume?“, war schlussendlich das, was er fragte. „So eine originelle Frage“, schnaubte Kanda. „Das wirst du oft gefragt, huh?“, bemerkte Lavi und hielt beim Kauen inne. „Ich wette, es ist Lotos.“ Kanda drehte sich abrupt zu ihm um und blickte in misstrauisch an, was Lavi grinsen ließ. „Es ist nicht so schwierig, zu erraten, weißt du“, grinste wieder, nachdem er hinuntergeschluckt hatte. „Es ist die einzige Blume, die du nicht in deinem Laden verkaufst.“ „Kein Florist verkauft Lotosblumen“, gab Kanda zurück. „Richtig“, nickte Lavi. „Und dennoch hast du eine in deinem Laden. Lotosblumen sind hier nicht heimisch, oder? Ich weiß noch nicht einmal, wie deine Pflanze bei dem Londoner Wetter wächst. Offensichtlich kümmerst du dich viel darum, denn sie ist so groß und schön.“ „Es ist Wiedergeburt.“ Lavi legte den Kopf schief, verwirrt über den Zwischenruf. „Lotos“, erklärte Kanda. „Sie ist nicht ‚groß und schön‘“, wiederholte er mit finsterem Blick. „Nun ja, das ist sie für mich“, zuckte Lavi die Achseln. „Wiedergeburt. Blumensymbolik, ja? Wie Rosen für Liebe stehen?“ „Ist das das Einzige, was du kennst?“ „Hey, ich bin kein Florist.“ „Also?“ „Ist das nicht teil der Berufsbeschreibung?“, antwortete Lavi verwirrt. „Ich bin sicher, dass die Leute ständig fragen, was für Blumen zu welchem Anlass geschenkt werden. Ich meine, du hast Sträuße für mich gemacht. Ich wüsste noch nicht einmal, was für Blumen ich nehmen sollte. Du hast so viele.“ „Das ist, weil Leute wie du sich nicht darum scheren, was man da gibt“, bemerkte Kanda. „Wenn du es wirklich so meinen würdest, dann würdest du es auch wissen wollen.“ „… Vermutlich“, räumte Lavi ein. „Aber ich könnte sie auf jeden Fall nicht so schön zusammenstellen wie du.“ „Das“, nickte Kanda. „Ist mein Job.“ Kapitel 4: ----------- Wenn er Kanda eine Blume geben würde, grübelte Lavi, welche würde er nehmen? Amaryllis für seine Schönheit? Butterblume oder Orchidee? Oder seine Bewunderung mit Erikas ausdrücken? Lilien wären schön, aber er war noch nicht bereit mit der Tür ins Haus zu fallen. Dasselbe galt auch für Tulpen oder Lavendelrosen. Rote Rosen waren ein Traum, ebenso wie Vergissmeinnicht. Aber dafür war es zu früh. Viel zu früh. Nicht zum ersten Mal fragte er sich das, doch er tat es nie. Vor allem, weil er dachte, von Kanda Blumen kaufen und sie ihm zurückgeben wäre einfach nur seltsam. Doch irgendwo anders Blumen zu kaufen, war nur noch seltsamer. Kanda könnte glauben, dass seine Blumen nicht gut genug seien und das war ganz klar nicht der Fall. Lavi stupste abwesend die Lilien an, die er vor 2 Tagen gekauft hatte und in einem frischen Glas auf der Fensterbank auf der Arbeit standen. Es war gut, dass ihre Termine schon am Morgen erledigt waren, denn er glaubte, dass er sich nicht mehr genug konzentrieren konnte. Nicht, wenn er immer noch an letzte Woche denken musste. An die Zeit, die sie gemeinsam im Soba-Restaurant verbracht hatten. Da war nichts besonders Spannendes in dieser Nacht passiert, doch sein Herz schlug immer noch schneller, wenn er Tagträume davon hatte. Er wollte es noch einmal machen. Nun wusste er mehr von dem Floristen, als er die letzten Monate herausgefunden hatte. Doch er brauchte eine neue Ausrede. Als Tyki mit seinem Kunden fertig war, kam er herüber und beäugte den gebeugten Körper und das Gesicht, das auf dem Tisch lag. „Du bist heute noch gar nicht drüben gewesen“, stellte er fest und lehnte sich vor, um die Blumenskizze von Lavi anzuschauen. „Hmm, die Empfehlung hat geholfen, solltest du...“ „Der Laden ist geschlossen“, antwortete Lavi faul und stupste die Blütenblätter der Lilien erneut an. „Oh, warum?“ „Ich weiß es nicht.“ Lavi starrte wieder abwesend zu den Lilien, doch wurde in die Realität zurückgerissen, als Tyki summte und mit schnellen Fingern auf seinem Handy rumtippte. „Interessant. Er ist krank.“ „Woher weißt du das?“, Lavi richtete sich sofort mit großen Augen auf. „Ist er in Ordnung? Hat er sich erkältet? Oder hat er Fieber?“ Tyki blickte ihn von der Seite mit erhobenen Augenbrauen an. „Du hast eigene Quellen zur Verfügung, du solltest lernen, sie zu nutzen.“ Als er darauf nur irritiertes Schweigen erntete, rollte er mit den Augen. „Ruf ihn an.“ „Ich... habe nur die Nummer des Laden.“ Der Portugiese blickte ihn ungläubig an. „Was hast du... egal“, er seufzte. „Dann ruf Walker an. Ich bin nicht daran interessiert, die Details herauszufinden.“ Der Rotschopf angelte nach seinem Handy, als Tyki kopfschüttelnd wegging und irgendetwas darüber murmelte, dass nach 'hoffungslos' klang. „Lavi“, grüßte Allen, als er heranging. Er klang nicht sonderlich überrascht. „Rufst du wegen Kanda an?“ „J-ja...“, gab er langsam zu und rieb nervös seinen Nacken. „Ist Yu in Ordnung?“ Als danach eine sehr lange Pause entstand, glitten Lavis Augen besorgt durch den Raum. „Allen? Bist du da?“ „Ja...“, antwortete Allen und klang etwas irritiert, bevor er sich räusperte. „Tut mir leid, ich war nur ein wenig überrascht, dass du Kandas Vornamen verwendet hast. Egal“, fuhr er nun fröhlicher fort. „Ja, der Doofkopf ist in Ordnung. Ich wusste nur, dass er krank war, da ich ihn eben angerufen hatte, kurz bevor sich Tyki bei mir meldete. Kanda wollte mir nicht sagen, was es ist, außer, dass er Kopfschmerzen habe. Also vermute ich nur ein Fieber.“ „Oh.“ „Aber er ist furchtbar, wenn er krank ist. Er isst nie etwas und nimmt auch keine Medizin“, seufzte Allen. „Ich bin immer noch Mitten in den Vorlesungen von heute, also kann ich nicht rüber gehen, aber...“ „Ich kann“, schoss es aus Lavi hervor, bevor er realisierte, was er da gerade anbot. „Ich kann das machen... wenn das ok ist.“ „Bist du dir sicher? Kanda wird nicht die beste Laune haben. Nicht, dass der Idiot das jemals wäre...“ „Das ist in Ordnung“, sagte Lavi schnell. „Soll ich ihm Suppe bringen?“ „Ja, aber es muss klare Suppe sein, keine Cremesuppe oder so. Du kannst auch versuchen, ihm Tabletten zu verabreichen, aber ich bezweifle, dass er sie nimmt. Ich schicke dir die Adresse. Tut mir leid wegen dem Ärger, Lavi.“ „Nein, alles in Ordnung.“ „Oh, und ähm... Nimm es nicht persönlich, wenn er dich nicht ins Haus lässt.“ Lavis Griff ums Handy wurde fester. „Oh, nein, nein. Ich will nur... Ich will nur sehen, ob er in Ordnung ist.“ „Ok. Schreib mir, wenn du noch was brauchst.“ „Sicher. Danke Allen.“ Lavi biss sich auf die Lippe, als er auflegte. „Mikk“, rief er und Tyki drehte sich auf seinem Stuhl um, damit er ihn ansehen könnte. „Ich werde für eine Weile verschwinden, kannst du hier für mich die Stellung halten?“ „Du planst nicht, zurückzukommen, oder?“ „Doch, tue ich!“, verteidigte Lavi. „Ich brauche nur eine Stunde oder so...“ „Du willst noch nicht einmal versuchen, dich um ihn zu kümmern?“, fragte Tyki und der Rotschopf hielt inne. „W-was?“ „Komm nicht zurück, Bookman“, Tyki schüttelte den Kopf und drehte sich wieder mit dem Stuhl um. „Wenn jemand reinkommt, werde ich ihm einen Termin geben.“ Lavi blickte finster. „Ich hasse dich immer noch.“ „Ja, ja. Jetzt geh schon.“ Kapitel 5: ----------- Vermutlich war es eine gute Sache, dass er kein Limit von einer Stunde für einen Ausflug hatte. Denn er hatte bereits mindestens 30 Minuten damit verbracht, in der Apotheke zu entscheiden, was für eine Medizin er holen sollte, bevor er sich für eine einfache Schachtel Paracetamol entschieden hatte. Die nächsten 30 Minuten gingen dabei drauf, dass er zurück zu dem Soba-Restaurant ging. Er kaufte heißes Soba zum Mitnehmen. Dann fand er sich selbst vor der Tür zu Kandas Wohnung wieder, ein Apartment in Holborn, und starrte auf ebendiese. Entweder warf der Laden wirklich viel Profit ab, dass er in einer solch teuren Wohngegend leben konnte oder er kam von einer wirklich reichen Familie. Lavi war sich unschlüssig, was wohl wahrscheinlicher war. Er trat von einem Bein auf den anderen und prüfte die Adresse 3 Mal, bevor er endlich auf die Türklingel der Wohnung drückte. Als nach 5 Minuten niemand reagiert hatte, versuchte er es erneut. Nach dem 3. Mal zählte er eine Minute runter, bevor er aufgab. Das war der Moment, in dem die Tür abrupt geöffnet wurde. Lavi hätte beinahe das heiße Soba fallen lassen, als er den Floristen im Türrahmen lehnen sah, seine langen, tintenschwarzen Haare fielen offen seinen Rücken hinunter. „Warum bist du hier?“, murmelte Kanda, die Stimme leicht heiser, sein Gesichtsausdruck benommen. Die Gesichtsfarbe des Floristen war auch viel bleicher, als normal, doch was Lavi direkt ins Auge fiel, waren die schwarzen Linien, die sich von der linken Schulter bis zu seiner Brust zogen, dort wo sie in das armlose Oberteil verschwanden, das der andere trug. „Allen hat mir gesagt, dass du krank bist“, begann Lavi. „Und?“ „Und da wollte ich dir etwas zu Essen vorbeibringen. Und Medizin.“ Kanda starrte ihn einen Moment länger an, bevor er die Hand wieder auf die Türe legte, um diese zu schließen. „Ich brauche es nicht.“ „Es ist angenehm, etwas… Warte!“, rief Lavi und griff zur Tür, ehe sie sich schloss. „Es ist Soba. Du hast bisher nichts gegessen, richtig?“ „Ich möchte es nicht“, wiederholte Kanda, seine Augen schlossen sich kurz, während die Finger am Rand der Tür hinunterrutschten. Lavi machte besorgt einen Schritt nach vorne, doch etwas Weiches rieb gegen seine Knöchel, was den Rothaarigen zusammenfahren ließ. Eine schwarze Katze quäkte und rieb ihren Kopf erneut gegen sein Bein. Lavi lächelte überrascht. „Hey, kleiner Freund.“ „Che“, machte Kanda genervt. Mit dem linken Fuß schob er die Katze zurück in die Wohnung und stupste sie sanft hinter sich. „Wie heißt sie?“, fragte Lavi neugierig. „Hat keinen Namen“. „… Meinst du das ernst?“ „Ja.“ Der Rothaarige blickte den anderen irritiert an, doch wandelte es sich schnell in Sorge, nachdem Kanda die Tür fester umfasst hatte und seine Augen wieder zukniff. „Du siehst nicht gesund aus“, Lavi streckte einen Arm aus, um ihn zu stützen, doch Kanda schob seine Hand weg. „Mir geht’s gut.“ „Du solltest dich hinsetzen“, sagte Lavi. „Und wessen Schuld ist das?“ „Tut mir leid“, sagte er kleinlaut. „Ich war besorgt. Hier“, er hielt ihm die Plastiktüten hin, doch Kanda schnaubte. „Dummer Hase. Ich möchte es nicht.“ Doch trotz seiner Worte, taumelte er, bei dem Versuch einen Schritt zurückzumachen, etwas. Lavi beeilte sich, um ihn zu stützen. „Du solltest… Du solltest dich etwas ausruhen“, sagte er und richtete Kanda vorsichtig auf. „Uh…“, sein Blick glitt ins Innere, als die Tür etwas aufging, und blieb auf Stühle, die um einen Esstisch standen, hängen. „Setz dich dorthin.“ „Ich kann alleine gehen“, schnaubte Kanda und machte sich von Lavis Griff los. Der Florist ging ins Innere des Hauses und Lavi stand nun in der Tür. Er blickte nach vorne und zurück, zwischen Tür und dem Schwarzhaarigen hin und her. Er entschied, die Tür hinter sich zu schließen. Hastig schlüpfte er aus seinen Schuhen, bevor er die Tüten vor Kanda auf den Tisch stellte, der sich mit geschlossenen Augen die Schläfen rieb. Die schwarze Katze zog ihre Kreise um Lavis Beine, während er sich die Jacke auszog und danach die Suppe und die Medizin auspackte. Er blickte zu dem eingeschalteten Notebook und einem Stift, die auf dem Tisch standen. Er realisierte, dass es eine Auflistung von Blumenbestellungen war. Arbeitete er etwa? In diesem Zustand? „Bist du sicher, dass es dir gut geht, Yu?“ „Ich habe gesagt, dass du mich so nicht nennen sollst“, murmelte er, öffnete dabei noch nicht einmal seine Augen und massierte seine Schläfen heftiger. Lavi blickte ihn an. „Wenn du mich ‚Hase‘ nennst, nenne ich dich bei deinem Vornamen.“ „Che.“ Der Rothaarige schob die Suppe vor Kanda. „Iss was.“ „Ich möchte es nicht“, wiederholte Kanda und blickte ihn diesmal finster an. „Ich bin nicht hungrig.“ „Und trotzdem musst du etwas runterbekommen“, beharrte er. „Trink nur einen Schluck“, er kam näher und legte sanft eine Hand auf die Stirn des anderen, bevor dieser reagieren konnte. „Scheiße, du bist heiß.“ Dann weiteten sich seine Augen. „I-ich meine, du fühlst dich heiß an. Du brennst“, korrigierte er und versuchte zu vermeiden, dass er hochrot anlief. „Wie hoch ist dein Fieber?“ „Weiß ich nicht“, antwortete Kanda müde. „Du hast kein Thermometer?“ „Nein.“ Lavi presste die Lippen aufeinander. „Hast du ein sauberes Handtuch? Oder so etwas?“ Er nahm sich Zeit, sich im Apartment umzuschauen. Es war sauber und es lagen keine Klamotten herum, anders als bei ihm. Es war ein Apartment mit einem Schlafzimmer, dessen Tür geschlossen war. Der Fernseher stand mit der Couch in der einen Ecke, dahinter lag das Esszimmer, welches in die Küche mündete. Er betrat den Raum und suchte zögernd die Schränke ab, in der Hoffnung, Tücher zu finden, die er nutzen konnte. Als er etwas Brauchbares gefunden hatte, befeuchtete er es in der Spüle und faltete es sorgsam in ein Rechteck. Als er zum Tisch zurückkam, hatte Kanda immer noch nichts gegessen. „Trink die Suppe, Yu.“ „Also schön“, grummelte der Florist. „Warum bist du immer noch hier?“ „Ich gehe“, versprach Lavi. „Wenn du etwas gegessen und geruht hast. Du solltest überhaupt nicht arbeiten, was denkst du dir dabei?“ „Ich kann nicht schlafen, also wo verdammt noch Mal ist das Problem?“ „Wegen deinen Kopfschmerzen?“ „Was glaubst du, was der verschissene Grund dafür ist?“ Lavi grinste leicht und stellte sich hinter den anderen. Sanft nahm er Kandas Haare zur Seite und platzierte das feuchte Tuch in Kandas Nacken, hielt es fest, als Kanda zusammenzuckte. „Was zum T…“ „Du musst dich abkühlen“, erklärte Lavi ihm, dabei rieb er langsam das Tuch gegen den Nacken. Es war ein wenig alarmierend, dass sich das Tuch in weniger als einer Minute aufwärmte. Daher wiederholte er den Vorgang schnell. Kanda lehnte sich nach ein paar Runden mit dem Kopf in seine Handfläche, während sein Ellbogen auf dem Tisch ruhte. „Yu, trink etwas von der Suppe“, forderte der Rotschopf ihn auf. Ganz langsam hob Kanda den Deckel des Behälters und nahm einen Schluck. Zögernd legte Lavi eine Hand auf Kandas Nacken und, als der andere sich nicht regte, begann er sanft sie zu massieren. Dabei suchte er den Punkt, der Kandas Kopfschmerz lindern würde. Dieser grunzte, als er ihn gefunden hatte, nahm aber einen weiteren Schluck von der Suppe. Der Rotschopf arbeitete still weiter, während der Florist trank. Nachdem er die halbe Schüssel geleert hatte, lehnte er sich zurück, offensichtlich an dem Rest nicht mehr interessiert. „Besser?“ Kanda grunzte. „Glaubst du, dass du jetzt schlafen kannst?“ „Nein.“ „Ok. Wie wäre es mit Fernsehgucken?“ „Was denn?“ „Ich weiß es nicht“, Lavi zuckte mit den Achseln. „Hast du irgendwelche Filme?“ „Nein.“ „Nun ja, du hast einen Fernseher. Geh rüber zur Couch, da sollte es bequemer sein.“ Es benötigte noch ein wenig Drängen seitens Lavi, bis der Florist widerwillig aufstand und sich auf die Couch fallen ließ. Lavi vermutete, dass Kanda nur zugestimmt hatte, weil es viel bequemer auf dem weicheren Sofa war. Er verschwand schnell in die Küche, um das Tuch noch einmal zu befeuchten und legte es diesmal, nachdem er zurückgekehrt war, auf Kandas Stirn. Der Schwarzhaarige versuchte, ihn wegzuschieben, doch Lavi war unnachgiebig und es war offensichtlich, dass das Fieber dem anderen nicht viel Ausdauer ließ, um wirklich zu protestieren. „Wolltest du nicht gehen?“ „Nachdem du dich ausgeruht hast“, erinnerte Lavi. „Such dir einfach das Programm aus. Na los.“ Der Florist schnaubte und schaltete durch die Sender, bis er endlich etwas gefunden hatte. Lavi schaute hinüber und merkte, dass Kanda ziemlich unfokussiert war, die Augen nicht so aufmerksam, wie sonst. Das Tuch wärmte sich schnell auf, sodass Lavi es neu faltete. „Che. Hör auf, dich zu bewegen“, grummelte Kanda und diesmal seufzte Lavi, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber dem Fernseher zu. Irgendwie endete es damit, dass sie irgendeinen Thai-Horror-Film schauten. Lavi wusste nicht, ob Kanda das absichtlich ausgewählt hatte oder es einfach das am wenigsten langweilige Programm war. Doch innerhalb von 10 Minuten saß Lavi halb eingerollt auf dem Sofa und war voll drin. „Sie wird sterben“, sagte Kanda plötzlich, als eine Frau auf der Bildfläche auftauchte und zögernd eine verlassene Toilette betrat. Die gruselige Musik wurde lauter und lauter, als das die Frau zu den Waschbecken trat und neugierig in den eigenartigen Nebel im Spiegel schaute. Dann wurde Dunst schwarz und etwas bewegte sich darin… Lavi hätte sich beinahe die Zunge abgebissen, als etwas in seinen Schoß sprang. Kanda blickte hinüber und schien vollkommen unbeeindruckt, als würde es ihm nichts ausmachen, dass diese unförmige Kreatur über die Fließen der Toilette im Fernseher krabbeln oder, dass Lavi das wohl peinlichste Quietschen jemals entfuhr. Es war Kandas Katze, die über seine Oberschenkel kletterte, sich dann mehrmals um sich selbst drehte, bis sie sich in Lavis Schoß legte. Der Rothaarige legte den Kopf zurück, versuchte sich immer noch vom Schock zu erholen. Abwesend kraulte er der Katze das Ohr, während sein Blick wieder zu dem Fernseher glitt. Eine Stunde, 4 Herzinfarkte und die Erkenntnis, dass er die Nacht nicht in der Lage wäre, zu schlafen, später, rollte der Abspann über den Bildschirm. Er gähnte herzhaft und fragte sich, wie spät es nun schon war. „Yu, gib mir mal die Fernbedienung, wenn…“, begann er, doch als er hinüberblickte, sah er, dass Kandas Augen geschlossen waren und sein Kopf auf der Lehne ruhte. „Yu?“, er stupste ihn sanft, doch bekam keine Antwort, außer leise Atemgeräusche. Gut. Es war ja auch an der Zeit, dass Kanda etwas zur Ruhe kam, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie jemand bei einem solchen Film einschlafen konnte. Lavi blickte sich kurz um und fragte sich, was er machen sollte. Kanda aufwecken? Doch er wollte ihn nicht stören, nicht, wenn er so tief schlief. Unbehaglich pflückte er die Katze aus seinem Schoß, die sich in seinem Griff zu winden begann. Er setze sie wieder auf der Couch ab, nahm das Tuch und wusch es noch einmal aus. Als er wieder kam, verharrte er kurz auf der Stelle, bevor er sich auf den Boden kniete. Er hielt Kanda an den Schultern, während er ihn langsam und behutsam in eine liegende Position brachte. Kanda war viel schwerer, als er dachte, doch er war irgendwann erfolgreich, auch wenn Kandas Haare wie ein Vorhang vor dessen Gesicht fielen. Er bewegte Kanda so viel, wie es ging, ohne dass er aufwachte, korrigierte die Position, bis es bequem aussah und strich dann die Haare aus seinem Gesicht. Dann legte er das kühle Tuch auf Kandas Stirn, presste es mit seiner Handfläche auf die Haut darunter, während er still den anderen anblickte. Während er schlief war sein Gesicht frei von jeder Emotion. Er hatte niemals die Möglichkeit gehabt, ihn länger von Nahem anzuschauen. Seine feinen Gesichtszüge, die langen Wimpern, die vollen Lippen. Lavis Brust zog sich zusammen. Gott, er war wunderschön. Er lehnte sich weit genug vor, um den sanften Atem zu spüren. Sein Blick glitt zu dem leicht geöffneten Mund und bevor er wusste, was er tat, legte er seine Lippen auf seine. Er vergrub seine Hände in das Sofa, als er die Augen schloss und seine Lippen fester auf seinen Mund presste, so nahe, dass die Zungenspitze Kanda schmecken konnte. Er war warm. Und so weich. Etwas streifte sein Knie und er zog sich mit geweiteten Augen sofort zurück. Er atmete langsam aus, als er bemerkte, dass sich Kandas Katze an seinem Bein rieb. Dann erstarrte er. Er leckte sich einmal über die Lippen und sein Blick glitt schnell zu Kanda zurück, der immer noch fest schlief. Er hat gerade… er hat gerade… Er leckte wieder über seine Lippen und riss seinen Blick von dem Schlafenden. Scheiße, er hatte gerade Kanda geküsst. Und er konnte einfach nicht bleiben, denn er wollte es wieder tun. Das war verdammt noch Mal lächerlich. Panisch versuchte er sich aufzurichten, doch stolperte beinahe in den Fernseher hinter ihm. Oh Scheiße, oh Scheiße. Er musste gehen. Sofort. Kandas Katze mauzte, als er sich beeilte, um zur Eingangstür zu gelangen. Er sprang in die Schuhe. Doch bemerkte dann, dass seine Jacke immer noch über einen Stuhl im Esszimmer hing. Also zog er sie wieder aus, um sie zu holen. Die Katze saß da und beobachtete, wie er wieder an seinen Schuhen herumfummelte. Dann miaute sie lauter, als er sie endlich an hatte. Lavi wollte zum Türgriff greifen, doch hielt in der Bewegung. Er beugte sich hinunter, um den Kopf der Katze noch einmal zu streichen. „Sag es nicht Yu, ok?“, lächelte er schwach und floh dann aus der Wohnung. Kapitel 6: ----------- Hallo zusammen, bitte entschuldigt, dass ich euch so lange hab warten lassen... Dafür gibt es heute ein besonders tolles Kapitel für die Freunde der Dialoge unter euch xD Vielen Dank an Rinali- für den Kommentar Freue mich jedes Mal sehr darüber. tysunkete im Übrigen auch, ich soll dir im Besonderen und auch alle anderen Leser herzlich grüßen ;) Viel Spaß beim Lesen! __________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Als die Glocke an der Eingangstür läutete, war Lavi angenehm überrascht. Weder seine noch Tykis Termine waren um diese Uhrzeit, also musste es ein Kunde sein, der gerade vorbei kam oder zumindest ein Interessent. Das passierte nicht oft, aber schon ein paar Mal. Manchmal sogar neugierige Kunden mit Blumen aus dem Laden nebenan in der Hand. Scheiße, nein. Lavi sollte jetzt nicht an den Blumenladen denken, der irgendwie unglaublich erfolgreich war und einen unglaublich attraktiven Besitzer hatte, der gerade... "Yu", er erstarrte, als er sah, wer genau da vor der Ladentheke stand. "... Hi. F-fühlst du dich besser?" Es war das erste Mal, dass Kanda in den Laden gekommen war und unter normalen Umständen wäre er hocherfreut gewesen. Doch heute war er am Rande einer vollständigen Panikattacke. Wusste Kanda was passiert war? Würde er sterben? Er legte eine Box auf die Theke. "Ich schulde dir gar nichts", sagte Kanda unverblümt, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und durch die Tür verschwand. Lavi starrte vor sich hin, nicht in der Lage, die vergangenen Sekunden zu verarbeiten. Tyki kam neugierig heran und nahm die Box, da es schien, dass der Rothaarige die Fähigkeit, sich zu bewegen, verloren hatte. "Es ist eine Lunch Box", fand Tyki heraus, bevor er den Deckel anhob. "Wow." Der saftige Geruch von Hähnchen und süßer Sauce und gedämpften Reis erfüllte den Laden. Da ist auch noch eine Beilage mit Karotten und anderem Gemüse sowie eingelegte Pflaumen an der Seite. Lavi nahm die Box wie betäubt entgegen, als Tyki sie ihm reichte. Als zwischen ihnen mehrere Minuten Schweigen herrschte, blickte der Ältere ihn an. "Wir haben Taschentücher, wenn du anfängst zu weinen", bemerkte er. "... Ich kann das nicht essen", wisperte Lavi mit hängendem Kopf. Tyki hielt bei der Tonlage inne. "Hey, was ist gestern passiert?", seine Augen verengten sich ernst. "N-nichts", murmelte Lavi und schloss die Box wieder. Tyki riss ihm die Box aus der Hand und starrte auf ihn hinunter. "Spuck es aus. Was ist passiert?" „Nichts!“ „Was hast du mit deinem Freund gemacht?“ Lavi hob seinen Kopf mit geweiteten Augen. „E-er ist nicht mein...“, stammelte er. „Ich... Scheiße“, fluchte er und blickte weg, als Tyki fragend eine Augenbraue hob. Tyki grinste nur. „Dein Gesicht ist knallrot, Bookman.“ Lavi blickte finster und weigerte sich, den anderen anzuschauen. „... Ich bin eine furchtbare Person“, sagte er stattdessen. „Das wissen wir“, nickte Tyki. „Nein, ich meine das nicht wie... du verstehst es nicht!“, rief er schon fast, klar frustriert. „I-i-i... I-ich habe ihn geküsst! Ich habe ihn GEKÜSST, Mikk. Und er hat geschlafen und er war krank und ich habe mir das zum Vorteil gemacht. Scheiße ich, bin das Letzte. Ich... Scheiße.“ Lavi vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Wie konnte er jemals wieder Kanda gegenüberstehen. Gott, er war das Letzte, das absolut Letzte... „Hey, Update. Bookman hat Kanda geküsst.“ Lavi erstarrte und ließ die Hände genauso langsam sinken, wie er aufblickte. Tyki blickte ihn von der Seite an, während er in sein Handy summte. „Das sind 20 Mäuse, Walker. Nein, das hast du nicht gesagt... Nah, offensichtlich hat er geschlafen... Ja“, er legte den Kopf leicht schief und hob das Handy etwas von seinem Ohr weg. „Walker sagt, dass war vermutlich sein erster Kuss.“ „... Erster...“ „Du hast ihn zerstört“, grinste Tyki und sprach immer noch in sein Handy. „... Oh bitte, als hättest du mir gesagt, dass ich ihm das nicht sagen soll.“ „...Kuss...?“ „Wie auch immer, ich muss etwas Schadensbegrenzung betreiben. Bis zum nächsten Mal, meu amigo.“ Tyki beendete das Gespräch und drehte sich um, als er bemerkte, dass Lavi angefangen hatte, im Laden umher zu gehen und dabei zu schimpfen. „Scheiße. Verfluchte Scheiße. Ich werde dafür in die Hölle kommen, scheiße“, murmelte der Rotschopf und gestikulierte dabei wild in der Luft herum. „Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht? Scheiße, scheiße, scheiße...“ „Bookman...“ „Mikk“, Lavi hielt in seinen Bewegungen inne und ballte die Fäuste. „Ich bin erledigt.“ „Wirklich?“, Tyki hob eine Augenbraue. „Ich würde sagen, dass du niemals wieder so weit kommen wirst, wenn du auf deinem Schneckentempo beharrst.“ „Ich meine... du weißt was ich meine“, schnaubte Lavi und biss sich dabei auf die Lippe. „Ich... Ich glaube, ich liebe Yu.“ „... Das hast du erst jetzt bemerkt?“ Lavi biss sich auf die Zähne. „E-es ist nicht mehr ein verknallt sein! Als wir zusammen Soba essen waren, wollte ich ihn mit nach Hause nehmen. Als ich bei ihm zu Hause war, wollte ich... Ich wollte...“, er schluckte bekümmert. „I-ich kann einfach nicht aufhören, an ihn zu denken und es macht mich verdammt noch mal verrückt! Scheiße, ich... Ich will ihn so sehr und ich weiß nicht, was ich tun soll oder was ich überhaupt tue, ich...“ „Sag ihm vielleicht, dass du ihn magst?“ Lavi schaute ihn mit dem traurigsten Blick der Welt an. „Bist du verrückt?“ „Warum verrückt?“, wollte Tyki ungläubig wissen. „Das ist ein absolut logischer Schritt.“ „Yu wird mich hassen! Ich kann nicht... scheiße, ich kann nicht...“ „Ich kann nicht glauben, dass du 25 bist“, seufzte Tyki und schlug Lavi auf den Hinterkopf. „Beruhig dich. Hier iss das“, er kramte in seinen Taschen, holte ein Orangenbonbon heraus und stopfte es den anderen in den Mund. „Gut. Jetzt setzt du dich ihn, lutscht es langsam und denkst darüber nach, was ich gesagt habe. Ich habe in 10 Minuten einen Kunden und muss mich fertig machen.“ Lavi saß schmollend an seinem Schreibtisch und lutschte an der Süßigkeit. Lavi dachte darüber nach, doch die Antwort blieb gleich. Wie konnte er jemals seine Gefühle gestehen, wenn er wusste, dass sie nicht erwidert wurden? Er war sich ja noch nicht einmal sicher, ob er Kanda als Freund bezeichnen konnte. Er war definitiv mehr in der Rolle des Kunden, als irgendetwas anderes und es schien sich nicht zu ändern, egal wie oft er dort Blumen kaufte. Und das... war genau das Problem. Er wusste immer noch nicht, ob Kanda das männliche Geschlecht mochte oder zumindest davon überzeugt werden konnte, es zu mögen. So weit er wusste, interagierte Kanda nur sehr wenig mit anderen Personen und er sollte froh sein, dass er überhaupt zu diesem Kreis gehörte. Doch es war nicht das, was er sich wünschte. Das war auch der Grund, dass trotz das der Winter in den Februar auslief und es Valentinstag war, er sich innerlich fast für den Drang umbrachte, zum Florist zu gehen und Blumen zu holen. Welche er dann wieder nicht demjenigen überreichen würde, der sie bekommen sollte, sondern bei ihm zu Hause stehen würden. Er nahm all seinen Willen zusammen und schob die Tür auf, ignorierte dabei das Geschlossen-Schild, wie er es bereits so oft getan hatte. Er musste Kanda wenigstens einmal an diesem Tag sehen. „Hi, Yu...“, begann er doch hielt sofort inne, als die Person, nach der er suchte, gar nicht mit Laden war. Stattdessen war da eine jüngere, chinesische Frau, sehr hübsch und modisch. Sie saß auf einem Stuhl an der Ladentheke. „Oh?“, sie legte den Kopf neugierig schief, als er eintrat. „Tut mir leid, der Laden ist geschlossen.“ „Nein, uh...“, Lavi steckte seine Hände in die Taschen. „Ich suche Yu.“ „Yu“, wiederholte sie langsam mit seltsamen Ausdruck. „Nun ja, Kanda ist hinten im Laden mit einigen Bestellungen“, lächelte sie. „Arbeitsreicher Tag. Kann ich dir helfen oder soll ich ihn holen?“ „Uh, nein, wenn er beschäftigt ist, ist das ok“, sagte Lavi und versuchte zu lächeln. „Ich... Ich schaue wann anders noch einmal rein.“ „Er kann das, was er gerade tut, auch später machen“, die Chinesin schüttelte den Kopf. „Kanda! Komm her! Hier ist jemand, der dich sehen möchte“, rief sie, bevor Lavi protestieren konnte. Es ertönte Gefluche, das lauter wurde, bis Kanda durch die Tür hinter der Ladentheke hervorkam. „Wer zum Teufel... oh, du. Wenn du nach Rosen suchst, ich habe heute keine mehr.“ „Huh? Oh. Uh, ich brauche keine Rosen, jede... jede Blume reicht aus, denke ich.“ „Ich würde jetzt auch keinen Strauß machen, nur weil du einen brauchst. Hol ihn morgen ab.“ „Ich... nein, Ich“, Lavi überlegte, was er sagen sollte, denn er brauchte kein Valentinstagsstrauß. Doch es war nun einmal so, dass er unter diesem Vorwand herkommen war. Die Chinesin schaute mit einem Lächeln zwischen den beiden hin und her, bevor sie vom Stuhl glitt. „Sei nicht gemein, hilf deinem Freund aus“, tadelte sie. „Wie auch immer, es war ein langer Tag, also mach ich mich auf den Weg, Kanda.“ „Lenalee“, rief Kanda sie zurück, als die Frau gerade einmal 3 Schritte gegangen war. „Du hast das vergessen.“ Kanda deutete mit dem Kopf auf eine einzelne rote Rose, die kunstvoll verpackt war und auf den Tresen lag. Sie drehte sich um und nahm sie an sich. „Oh, Mist. Danke fürs erinnern“, sie lächelte und küsste Kanda auf die Wange. „Wir sehen uns später, bis dann!“ Die Frau lächelte und nickte Lavi zu, bevor sie aus dem Laden verschwand. „Also kaufst du etwas oder nicht?“, wandte sich Kanda an ihn, sobald sie alleine waren. „Ich... ja.“ Kapitel 7: ----------- Anfang Frühling rief ihn Allen an, um einen neuen Termin für ein neues Tattoo auszumachen. Es wird vermutlich ein weiterer Pfeil auf seiner Schulter, um die kreisförmige Ausrichtung zu vervollständigen. Es war ein einfaches und elegantes Design, nicht das er sich beschweren würde, denn er bekam schließlich Geld dafür. Blumen zu horten war ein teures und deprimierendes Hobby, doch er musste zumindest einmal in der Woche den Laden betreten, denn er vermisste Kanda ansonsten zu sehr. Teuer, da er sich mittlerweile Essen von zu Hause mitbringen musste, denn er konnte es sich nicht leisten, auswärts zu essen, damit er noch genug Geld für seinen Mietanteil hatte. Deprimierend deswegen, weil Kanda eine Freundin und er somit keinerlei Chance hatte. "Bookman, hör auf mit der Tagträumerei. Walker ist hier", Tyki gab ihm einen Stoß und stand selbst auf. Allen lächelte aufgeregt, als Lavi auf seine Begleitung zutrat. Und innehielt, als er die bekannt aussehende junge Frau neben ihm erkannte, die ebenfalls aufgeregt zu sein schien. "Lavi, hey." "Hey", grüßte er, beäugte dann misstrauisch die junge Frau. "Und du bist...?" "Lenalee", grinste sie und hielt ihre Hand zur Begrüßung hin. Lavi nahm sie, wenn auch etwas zögernd. "Ich bin nicht Kandas Freundin. Ich möchte das nur klarstellen, falls es beim letzten Mal den falschen Eindruck gemacht hat. Ich habe ihm an den Tag nur ein wenig geholfen und die Rose war für meinen Bruder.“ Lavis Griff fror förmlich ein, während Lenalee lachte. „I..Ich-“, stotterte er, ganz klar nicht auf ein solches Gespräch vorbereitet. „Das ist also der Grund, warum du in letzter Zeit so deprimiert warst“, summte Tyki hinter ihm. „Halt die Klappe, Mikk.“ „Ich bin heute ihr für die moralische Unterstützung“, sagte sie und tätschelte Allen die Schulter. „Tatsächlich möchte ich nur sehen, wie es ist, ein Tattoo zu bekommen.“ „Dein Bruder lässt niemals zu, dass du dir eins stechen lässt“, warf Allen amüsiert ein. „Das ist der Grund, warum ich es nun indirekt durch dich erlebe, Al.“ „Und du kennst Allen woher...?“ „Wir sind zusammen aufgewachsen“, erklärte Allen. „Mit Kanda. Lenalee kann dir mehr erzählen, wollen wir anfangen?“ „Oh, ja. Auf jeden Fall.“ Sobald Allen sich bequem auf dem Stuhl ausgebreitet hatte, hob er den Daumen in Richtung Lenalee, die nur ein bisschen entfernt saß und begeistert zuschaute. Lavi lächelte über den fasziniert-konzentrierten Ausdruck auf ihrem Gesicht, als er mit seiner Arbeit anfing. Schnell entspannte er sich über seine gewöhnliche Arbeit, Muster in die Haut zu ziehen und auszumalen. Man konnte mit der jungen Frau überraschend leicht reden, die stellte Fragen zu jeder Kleinigkeit seines Berufs, wo er das Handwerk gelernt hatte, was für Werkzeuge er nutzte und ob er einen speziellen Stil hatte. Lavi war fast fertig, als sie plötzlich wieder sprach. „Kanda redet über dich, weißt du.“ Er brauchte einen Augenblick, bis er realisierte, dass sich das Thema geändert hatte. „Tut er das?“ „In seiner eigenen Art und Weise“, nickte Lenalee nachdenklich. „Nachdem ich dich gesehen habe, habe ich begriffen, wen er meint, wenn er über einen 'Hasen' sprach. Typisch Kanda, er nennt niemanden beim Namen.“ „Außer dir“, grummelte Allen. „Er weiß, dass es das Risiko nicht wert ist“, lächelte Lenalee süß. „Aber Lavi, du nennst Kanda beim Vornamen.“ „Ist das seltsam?“, Lavi blickte zu der Frau. „Wir sind nicht in Japan, wir benutzen nicht wirklich Nachnamen hier.“ „Du machst das mit Tyki.“ „Nur, weil er mich beim Nachnamen nennt und es seltsam ist.“ „Es ist eine Angewohnheit“, Tyki zuckte mit den Achseln. „Nun ja, für Kanda...“, grübelte Lenalee. „Niemand nennt ihn beim Vornamen, außer sein Ziehvater. Er mag es nicht, aber er lässt es auch bei dir zu. Du bist besonders, glaubst du nicht auch?“ Lavi errötete stark genug, dass er seine Arbeit kurz unterbrechen musste, um nicht irgendeinen Mist zu machen. „I-i-ich... nun ja. Er mochte es auch am Anfang nicht, aber ich glaube, er hat einfach aufgegeben.“ „Du magst in wirklich“, erkannte sie mit breiter werdendem Grinsen. „I-... vielleicht.“ „Vielleicht?“, wiederholte Tyki fassungslos und Lavi beeilte sich, ihn zu unterbrechen, bevor eine Schimpftirade ausbrach. „Mikk, wage es nicht.“ „Das ist eine gute Sache“, sagte Lenalee lächelnd. „Wir feuern dich an, Lavi. Allen und ich.“ „... Danke.“ Frühling ging in den Sommer über und Lavi drehte sich mit seinem Stuhl, rieb dabei die Blüten einer Narzisse aus einem Strauß, den er gerade gekauft hatte. Die Blumen waren so schön, wie der Florist, von dem er sie gekauft hatte und er seufzte niedergeschlagen. „Wirst du es ihm jemals sagen?“, Tyki hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust, während er auf seiner Seite des Raumes stand. Lavi blickte finster und drehte sich weiter mit seinem Stuhl, denn er wurde nun schon zum x-ten Mal damit gepiesackt. Manchmal überlegte er es sich, doch manchmal, wenn er dachte, dass er es sollte, blieben ihm die Worte im Hals stecken. Er konnte die Szene eine Millionen Mal in seinem Kopf wiederholen, wie er vor dem Floristen bei dem Versuch stotterte, seinen Standpunkt klar zu machen und dabei scheiterte. Und wenn es mit einem 'Nein' endete, würde er nicht wissen, was er mit dem Rest seines Lebens anstellen sollte. „Weißt du was?“, begann Tyki ernst. „Da du es nie tun wirst, gehe ich rüber und sags ihm.“ „Mikk.“ „Ich mache keine Witze. Es war am Anfang lustig, aber jetzt ist es nur noch erbärmlich. Warum ziehst du dich selbst so runter?“ Lavi seufzte. „Lass mich damit bitte in Ruhe. Warum kümmert es dich so sehr?“ „Ich brauche ein Tapetenwechsel auf der Arbeit“, antwortete Tyki trocken. „Ein verdammtes Jahr, Bookman. Ein Jahr und du schmachtest immer noch genauso unserem Nachbarn nach, wie vor einem gottverdammten Jahr. Ich kann noch nicht mal mehr an dich glauben.“ Lavi runzelte die Stirn und versuchte das Chaos in seinem Kopf zu ordnen. „Ich habe es dir bereits gesagt. Ich möchte es nicht versauen, ok? So kann ich ihn jede Woche sehen oder sogar mehr...“ „Das ist der Punkt. Du siehst ihn und das ist auch schon alles. Bist du wirklich zufrieden, dass er nur deine Wichsvorlage ist? Möchtest du nicht irgendwann auch die echte Person?“ „Mikk!“ „War das eine Lüge?“, fragte Tyki herausfordernd. Der Rotschopf blickte finster, blieb jedoch still. „Wenn du es ihm nicht sagst“, drohte der Andere. „Dann sag ich es ihm und ich werde ihm auch sagen, dass du ihn geküsst hast, als er geschlafen hat.“ „Verpiss dich, Mikk“, zischte Lavi und ballte seine Fäuste. „Ich weiß, du denkst, es ist lustig und alles wäre ein bescheuertes Spiel, doch so ist das nicht, ja? Ich bin so in ihn verliebt, dass es verdammt noch Mal weh tut, wenn ich ihn angucke, also... also halt gefälligst deine Nase da raus...“ „Ich gebe zu, dass es mich amüsiert“, unterbrach ihn Tyki. „Aber nein, ich werde mich nicht raushalten.“ „Fick dich, Mikk, fick dich...“ „Denn“, fuhr er mit festem Ton und Blick fort. „Ich bin dein Freund und du machst den dümmsten Fehler deines Lebens und es ist nervtötend. Warum zu Teufel sind wir hier überhaupt hingezogen, hmm? War es nicht wegen ihm?“ Lavi biss die Zähne zusammen. „Der Standort...“ „Netter Standort, sicher. Aber wir brauchen es nicht so extravagant“, schnitt Tyki ihm das Wort ab. „Der Platz? Wir hätten genauso viele Quadratmeter für den halben Preis in Camden haben können. Das ist nicht die Umgebung für ein Tattoostudio und du weißt es, Bookman. Hätte ich darauf bestanden, woanders hinzugehen, wärst du eben wieder zum Floristen gefahren und das weißt du auch“, sagte er ruhig. „Ich warne dich, Bookman, ich warne dich. Schau mich an und sag mir die Wahrheit: Bleiben wir nicht nur wegen ihm?“ Tyki hat ihn wortwörtlich in den Laden des Floristen getreten. Das ist der Grund, warum er hineingestolpert kam und sich erst fangen musste, bevor er noch flach auf dem Boden endete. Als er sich aufrichtete, schloss sich die Tür hinter ihm und kein Tyki war in Sicht. Lavi blickte zur Ladentheke und erstarrte innerlich. Kanda blickte ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, doch das war vermutlich nur, weil er den Laden während der Öffnungszeiten besuchte, statt danach. „Hi.“ Kanda nickte lediglich, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte. Lavi kam zögernd näher, ließ seinen Blick über die Blumen gleiten, schindete so viel Zeit, wie er konnte. Er musste sich wohl zu viel Zeit genommen haben, denn Kanda drehte sich um und starrte ihn an. „Was brauchst du?“ „Uh. Ähm. Ich...“, begann Lavi, Hände zu nervös, um still zu stehen. „Wenn... Wenn i-ich jemanden etwas gestehen möchte, was für Blumen sollte ich nehmen?“ Er wusste nicht, ob er errötete, doch ihm war in diesem Moment extrem heiß und sein Herz fühlte sich an, als würde er sterben. Doch im Kontrast zu seiner inneren Panik deutete Kanda gelangweilt auf die Reihe Rosen zu ihrer linken Seite. „Richtig“, hustete er. „Die Person, die das erhält, kann es nicht für etwas anderes halten, oder?“ Es ist wahrscheinlich eine hypothetische Frage, denn Kanda hob eine Augenbraue. „Wie viele willst du?“ „Ähm. Wie viele sollten es denn sein?“ „Was möchtest du sagen?“ „Was meinst du?“ „Verschiedene Anzahl von Rosen bedeuten verschiedene Dingen“, erklärte der Florist ungeduldig. „Was möchtest du denn damit ausdrücken?“ „... Ich l-liebe dich?“, stotterte Lavi, seine Stimme brach beinahe in ein Wispern. Scheiße, das ist das Ende. Er biss sich auf die Lippe und beobachtete Kanda, wie er 3 blutrote Rosen nahm und geschickt die Dornen am Stil entfernte. Der Schwarzhaarige hielt inne und suchte ein paar kleinere Gräser und arrangierte sie behutsam an der Seite zu einem Bündel. Lavi starrte auf die sich bewegenden Hände, bis Kanda sprach. „8 Pfund.“ Lavi griff in seine Gesäßtasche nach seiner Geldbörse, doch erstarrte, als er bemerkte, dass er es ihm Studio auf seinem Tisch vergessen hatte. „Tut mir leid, ich glaube, ich habe beim Portemonnaie nebenan vergessen“, sagte er, doch wollte den Floristen verlassen. Denn er glaubte, wenn er dies nun tat, könnte er nie wieder kommen. Er stand an der Ladentheke und wusste nicht, was er tun sollte, bis Kanda ihn anschaute. „Warum bist du noch hier?“ Lavi biss sich hart auf die Unterlippe. „Fragst du noch nicht einmal, wem ich sie gebe?“ Kanda runzelte die Stirn. „Die selbe Person, der du sie immer gibst?“ „Huh?“, Lavi blinzelte heftig. „Welche Person?“ „Was zum Teufel weiß ich. Du kaufst ständig Blumen für jemanden.“ Jemanden? „Warte, du glaubst, ich kaufe die Blumen für jemand?“, wiederholte er ungläubig. „Warum würdest du denn dann jede verdammte Woche Blumen kaufen?“, erwiderte Kanda. „Weil es die einzige Möglichkeit ist, dich zu sehen!“ Vielleicht war seine Erklärung etwas zu laut, denn die Stille danach kroch ihm unter die Haut. „Y-yu“, er atmete tief ein, versuchte Kanda fest anzusehen, trotz seiner bebenden Stimme. „Das. Das ist für dich“, gestand er. „Für dich. Das ist für dich.“ Kanda starrte. „... Das ist nicht lustig.“ „Das ist kein Witz“, antwortete Lavi, seine zitternden Hände umschlangen sich gegenseitig. „Ich. Ich... I-ich mag dich wirklich.“ „...“ „Seit wir uns das erste Mal gesehen haben, möchte ich dich so unglaublich gerne tätowieren... Ich meine, scheiße, ignorier das. Ich. Ich“, er seufzte frustriert. „Ich mag es, dich zu kennen, Yu. Je mehr ich über dich kennengelernt habe, desto verrückte wurde ich nach dir. Und als du krank warst, wollte ich mich für immer um dich kümmern und als ich das erste Mal Lenalee sah, war ich so verdammt eifersüchtig, dass ich für eine ganze Woche nicht schlafen konnte. Und ich kaufe seit einem Jahr Blumen von dir, weil ich eine Ausrede brauchte, um dich zu sehen und... und, scheiße, es klingt gerade so verdammt gruselig, aber Yu, kannst du nicht bitte auch irgendetwas sagen, dass ich aufhöre wie ein Idiot zu plappern?“ „... Was zum Beispiel?“ Lavi schluckte. „Zum Beispiel... wie du für mich fühlst?“ „Du bist nervtötend“, sagte Kanda sofort und blickte Lavi ins Gesicht. Es sah aus, als würde der Rothaarige tatsächlich fast in Tränen ausbrechen, also fuhr er hastig fort. „Aber du bist... ok“, seufzte er widerwillig. „Glaube ich.“ „Wenn... wenn ich dich einladen würde, w-würdest du mit mir ausgehen?“, hakte Lavi neugierig nach. „Ich meine das wirklich ernst mit dir. Wirklich ernst. Und wenn du Zeit brauchst, um darüber nachzudenken...“ „Also schön.“ Die gemurmelte Antwort verblüffte Lavi genug, dass sie danach wieder in komplette Stille verfielen, bis die beiden sich nur stumm anstarrten. „Was?“ „N-n-nichts! Ich bin nur... ich...“, er verdeckte seinen Mund und sein Gesicht war leuchtend rot. „Ich würde dich jetzt wirklich gerne küssen“, sprudelte es aus ihm heraus. „Dummer Hase“, Kanda rollte die Augen, doch Lavis Blick fing einen leichten Rotschimmer auf den Wangen des anderen ein, als dieser sein Gesicht wegdrehte. „Du bezahlst mich immer noch für die Blumen.“ Epilog: -------- „Du bist so schön, Yu“, murmelte er. „Habe ich dir das jemals gesagt?“ „Die ganze, verdammte Zeit“, grummelte Kanda, doch das Rot an seinen Ohren verriet ihn. „Lass los... Ich kann nicht atmen.“ Lavi gluckste, doch löste den Griff um den anderen, drückte sein Gesicht in den Nacken von Kanda. Es war ein Jahr vergangen, seit sie zusammengekommen waren, die unangenehme Ausgehphase bereits längst hinter ihnen. Er verbrachte die meisten Nächte in Kandas Wohnung. Natürlich nur, weil sie viel Näher an der Arbeit war, als seine. Da Kanda nichts dergleichen besaß, hatte er langsam den Hauptteil seiner Bücher und DVDs mitgebracht. Lavi atmete gegen die Haut von Kandas Schulter, nahm sich Zeit, sich den Weg zum Nacken zu küssen, wo eine Lotosblüte tätowiert war, leckte und presste seinen Mund gegen die Wirbelsäule des Anderen, folgte somit dem Stil. Auf Kandas Haut war das Lotos-Tattoo, welches er vor einigen Monaten gemacht hatte, pure Perfektion. Er glaubte nicht, dass er jemals eine schönere Arbeit abgeliefert hatte, nicht mit den sorgsamen Schattierungen, die er gewählt hatte oder dem verflochtenen Muster, das die Erhebungen von Kandas Wirbelsäule folgte. Er hatte sie in all die empfindlichen Stellen von Kandas Rücken gemalt, sodass er bereits in der Hälfte sich seine Rückenmuskeln angespannt und leicht gezittert hatten. Er lächelte gegen Kandas Haut und küsste sich wieder seinen Weg nach oben, saugte sanft an der Schulter des anderen und drängte ihn dazu, sich umzudrehen. Kanda drehte sich mit einem Gähnen um, seine Augen immer noch geschlossen. Doch er verdeckte Lavis Mund, als er Anstalten machte, ihn zu küssen. „Putz dir erst die Zähne.“ Lavi schmollte. „Yu“, grummelte er und zielte stattdessen wieder auf den Nacken. „Che“, Kanda schlug halbherzig nach ihm. Lavi schaffte es, sich rittlings auf den anderen zu setzen, ohne das sich dieser besonders wehrte und drückte Küsse auf Kandas Schlüsselbein. Als er die Mitte erreichte, blickte er auf und lächelte sanft in Kandas schläfriges, aber leicht genervtes Gesicht. „Du bist so schön“, musste er einfach noch einmal flüstern und küsste ihn auf den Mund. Kandas Finger glitten in das rote Haar, griffen danach und zogen ihn nach ein paar Sekunden weg. „Dummer Hase“, sagte er und drehte sich weg, doch Lavi erkannte den gleichen, leichten Rotschimmer, den er zum ersten Mal im Blumenladen gesehen hatte. Er grinste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)