Flamme der Macht von Gepo (Fantasy, Diplomatie und Intrigen inklusive :)) ================================================================================ Kapitel 1: Der erste Tag ------------------------ Maya hob eine Hand vor die Augen, geblendet von der strahlenden Sonne, als sie aus dem Zug ausstieg. Sie musste einige Schritte nehmen, bevor sich ihre Augen so weit an die Helligkeit gewöhnt hatten, dass sie aufsehen konnte. Mit dem Aufblicken sackte ihr Unterkiefer um sicher einen Zentimeter hinab und mit offenem Staunen betrachtete sie die Stadt, die sich vor ihr erstreckte. Zenair. Sie hatte es geschafft. Sie hatte die Stadt ihrer Träume gefunden. Der in stummer Freude geöffnete Mund wandelte sich zu einem Lächeln, als über ihrem Kopf eine Schwebebahn hinweg zog. Zenair, Stadt der Technik und Erfindungen. Stadt des Wissens und der Künste. Sie sah in der Ferne auf der Spitze des Hügels, um den die Stadt errichtet war, die Akademie der höheren Bildung. Im Kreis darum zogen sich erst die Villen, dann die Häuser der Händler und höheren Handwerker, bevor die Stadt in viele kleinere Stadtteile zerfiel, in denen sich die verschiedensten Gruppen tummelten. Sinar, das Viertel der Alltagshandwerker. Odessa, das Viertel der Künstler. Lamati, das verruchte Viertel. Medin, das Hafen- und Handelsviertel. Alle reihten sie sich um Zenata, die Mitte von Zenair. Maya betrachtete die Akademie des höheren Wissens. Das aus rotem Sandstein errichtete Gebäude war das Ziel eines jeden Schülers, die höchste Ehre eines jeden strebsamen Studenten. Ein Studium an dieser Akademie war das Sprungbrett in die Welt des Großen und Schönen. Maya festigte den Griff um die Mappe, die sie seit Stunden gegen ihre Brust drückte. Sie nickte, um sich selbst Mut zu geben. Heute war der Tag. Sie sah hinab und betrachtete ihre in Spitzensöckchen gekleideten Füße mit einem unsicheren Durchatmen. Das war ihr Schritt in die Zukunft. Sie holte tief Luft und setzte den Fuß nach vorn. Ein Schritt, ein zweiter und sie bewegte sich zum Aufgang zu den Schwebebahnen. Heute war nicht der Tag, um Angst zu haben. Heute war der Tag, ein strahlende Zukunft zu beginnen. Sie schloss die Lider und genoss das Sonnenlicht auf ihrer Haut. Heute oder nie. Sie drückte den Rücken durch wie ihre Mutter sie gelehrt hatte, senkte das Kinn und richtete den Blick nach vorne. Heute war ihr Tag. Ein Gruppe Mädchen kicherte bei ihrem Anblick, als sie die Treppe der Schwebebahn hinab trat. Sie sah unsicher an sich hinab, ob sie einen Fleck auf ihr weißes, mit Blumen besticktes Kleid gemacht hatte, aber es schien so hell wie heute morgen, als ihre Mutter es akribisch auf übersehene Flecken abgesucht hatte. Mit einer Hand prüfte sie den Sitz ihrer Zöpfe, bevor sie weiter ging. Alles schien in bester Ordnung. Das gute Kleid, die polierten Schuhe, das mit Milch gekämmte und straff geflochtene Haar, alles schien, wie es sein sollte. Trotzdem zog sie die Blicke mehrerer Studenten auf sich. Zwischen einem müden Lächeln und offenen Lachen schien ihr, dass die Reaktionen eher herablassend waren. Sie senkte den Kopf und versuchte, sich an der Seite von offenen Plätzen und Gängen zu halten, um nicht gleich von allen bemerkt zu werden. Sie ließ ihren Blick unauffällig zu den anderen Mädchen huschen. Auch sie trugen knielange Kleider, jedoch waren ihre Röcke breiter, ganz als wären sie darunter ausgestopft. Sie hatten Ausschnitte, die ihnen erlaubten, Ketten auf der blanken Haut zu tragen. Und ihre Schuhe hatten hinten kleine Stangen, auf denen sie gingen, um größer zu wirken. Maya starrte die schönen, schlanken Gestalten an. Na gut … sie schien hier etwas außer Mode zu sein. In ihrem Dorf war das, was sie trug, todschick. Aber wahrscheinlich auch nur auf ihrem Dorf. Vermutlich wirkte sie hier eher wie ein Dorftrottel auf ihren flachen Schuhen mit den Spitzensöckchen. Maya seufzte. Dann würde sie sich halt etwas Modisches nähen, sobald sie etwas Zeit hatte. Es war nicht der Weltuntergang, nicht die Schönste von allen zu sein. Sicher würde sich morgen keiner mehr an sie erinnern. Sie zog die Mappe näher vor ihre Brust und schlich weiter. „Hast du das gesehen, Alden? Als würde man ein Kinderbuch über Landidylle aufschlagen und das erstbeste Mädchen raus schneiden.“ Ein Anfang zwanzig jähriger, blonder Student schüttelte den Kopf. Er hatte Maya, die am Rande des Platzes den Säulengang durchschritt, schon ein paar Sekunden beobachtet. „Ich dachte, die gäbe es nur im Märchen.“ „Wer weiß? Warst du je auf dem Land?“ Der als Alden bezeichnete, etwas jüngere Mann lehnte sich auf dem Denkmal zurück, auf das beide sich zum Sonnenbaden gelegt hatten. Er zog der Hut, der vorher sein dunkles Haar bedeckt hatte, über sein Gesicht, um die heiße Sonne aus seinen Augen zu halten. „Keine zehn Zentauren könnten mich überzeugen, die Stadt auch nur einen Tag zu verlassen. Ich habe gehört, da gibt es kein fließendes, warmes Wasser.“ Daren schnaubte und sah auf den Hut, als könne er dadurch in die Augen seines Freundes blicken. „Ist doch eklig. Wie soll man denn da sauber bleiben?“ „Frag mich nicht. Ich war sicher noch nie auf dem Land.“ Der Jüngere hob den Hut und wandte den Kopf zu dem anderen. „Meine Mutter meinte immer, dass dort die Luft besser ist und wir sind jeden Sommer in unsere Villa in Orgen gefahren. Aber das heißt nicht, dass ich jemals einen Bauernhof betreten habe.“ „Warum solltest du auch? Da wohnt das niedere Volk.“ Der seitlich auf einem Arm Lehnende sah sich nochmal nach dem Mauerblümchen um. „Meinst du, die hat schon jemals … du weißt schon?“ „Nie im Leben.“ Der andere schnaubte. „Die hat vielleicht eine Kuh gemolken, aber bestimmt noch keinen Kerl.“ Daren prustete, hustete und sah schließlich mit einem breiten Grinsen auf und sagte: „Der war gut … einen Kerl gemolken … hey, wie wäre es mit einer Wette?“ „Ich bin ganz Ohr.“ Die Mundwinkel des Liegenden hoben sich. „Der nächste Kasinobesuch wird dem spendiert, der sie zuerst rumkriegt.“ „Der sie zuerst ins Bett kriegt?“ Auch Alden sah sich nach ihr um, aber sie hatte den Platz wohl schon verlassen. „Meint Vater würde ausrasten, wenn er hört, dass ich mit irgendeiner Bürgerlichen geschlafen habe.“ „Nur, wenn du sie schwängerst.“ Der Ältere legte einen Arm um Aldens Schultern. „Komm, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.“ Dieser verschränkte die Arme und seufzte tief, bevor er schließlich meinte: „Na gut.“ „So lob' ich mir das.“ Daren zog den Arm zurück und schlug dem anderen stattdessen auf die Schulter. „Ich wollte schon immer mal dein Geld verspielen.“ „Glaub mir, das hier wird dich kosten.“ Der Jüngere drehte sich zur Seite und schlug seinem Freund spaßhaft mit einem guten Stück mehr Kraft gegen die Schulter, sodass dieser taumelte. „Wir nähern uns ihr frühestens morgen um neun Uhr morgens und Gewalt ist absolut verboten.“ „Ich brauche keine Gewalt, wenn ich Frauen verführen kann.“ Dieser grinste. „Wer weiß, ob die so einfach wird.“ Alden griff seine Tasche. „Den Mädels hier wedelt man einfach mit ein bisschen Geld vor der Nase rum, dann hat man sie schon sicher. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei diesem braven Landei auch funktioniert.“ „Ich brauche weder Geld noch Gewalt, um eine Frau zu verführen.“ „Was bleibt denn dann bei dir noch übrig?“ Er grinste. „Arsch.“ Daren setzte seinen Rucksack auf und schwang ihn dabei so, dass er den anderen nur verfehlte, da dieser zurück trat. „Auch wenn du nicht auf Kerle stehst, könntest du ruhig meine Schönheit anerkennen.“ „Träum weiter.“ „Mein Leben ist halt traumhaft.“ „Daren, halt den Rand.“ Alden schüttelte den Kopf. „Leys Party um sieben?“ „Werd' da sein.“ Der Ältere verabschiedete sich mit einem Winken. „Name?“, fragte die Beamtin barsch ohne Aufzusehen. „Maya Karmyn.“ Sie zog ihr Bestätigungsschreiben aus ihren Unterlagen. „Hier ist meine Einladu-“ „Brauch ich nicht. Welches Fach?“ Die Beamtin machte eine Handbewegung als wolle sie eine Fliege vertreiben. „Interkulturelle Wissenschaften.“ Sie zog das Schreiben zurück an ihre Brust. „Geben Sie mir Ihre Geburtsurkunde und die Einschreibegebühr von dreitausend Dukaten.“ Die Dame schrieb etwas in ein Buch, das sie aufgeschlagen hatte, um Mayas Namen darin zu suchen. „Ich habe ein Stipendium ...“, murmelte diese und reichte ihre Urkunde über den polierten Tisch. „Dann geben Sie mir die Stipendiumsbestätigung.“ Die Beamtin riss ihr das Papier praktisch aus den Händen. Maya legte ihr das Bestätigungsschreiben, dass sie ihr zuvor schon hatte reichen wollen, auf den Tisch. Wer wusste schon, ob die Frau es nicht zerreißen würde bei dem Versuch, es ihr aus der Hand zu nehmen. Sie atmete tief durch. Die Beamtin war bestimmt genervt, weil die Immatrikulationstage stressig waren. Es lag sicher nicht an ihr. Oder hatte sie etwas falsch gemacht? „Nun gut.“ Die Dame hatte das Schreiben währenddessen gelesen und sah das erste mal auf. „Das scheint so in Ordnung. Ich werde das Schreiben behalten. Sie kriegen eine Immatrikulationsbestätigung und einen Antrag für einen Ausweis. Füllen Sie ihn aus, lassen sie ein Bild von sich anfertigen und gehen Sie danach damit zu Büro 421.“ „Vielen Dank.“ Maya nahm die gereichten Unterlagen entgegen. „Zu wem gehe ich bezüglich des Wohnheims?“ „Büro 230.“ Die Beamtin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nächster!“ „Zweihundertdrei, zweihundertdrei … wo ist dieses verflixte Zimmer?“ Maya seufzte. Zu ihrer rechten stand einhundertneunzig auf der Tür, zu ihrer Linken zweihundertachtzehn. Hinter ihr lagen einhundertneunundachtzig und zweihundertneunzehn. Vor ihr lag nur leider ein Fenster. „Also ein anderer Gang.“ Sie hatte das Wohnheim mit tiefer Erleichterung betreten, als sie es nach einer Stunde des Suchens endlich gefunden hatte. Sie hatte nur nicht erwartet, dass die Herausforderung nicht der Weg zum sondern durch entsprechendes Wohnheim war. Zwei Etagen höher stieß sie auf Zimmer zweihundertvier und folgte dem Gang, bis sie schließlich endlich ihr Zimmer gefunden hatte. Ostflügel, siebter Stock, zweiter Gang links von der Treppe aus. Mit einem müden Lächeln auf den Lippen schloss sie die Tür auf und hörte nur ein gezischtes „Scheiße!“, ein dumpfes Aufkommen eines großen Gegenstands auf dem Boden und eine aufgebrachte weibliche Stimme: „Raus hier!“ Maya nahm einen Schritt zurück und zog die Tür erschrocken zu. Was … was war das denn jetzt? Hatte sie doch die falsche Tür? Nein, zweihundertvier. Sie prüfte den Anhänger ihres Schlüssels. Zweihundertvier. Sie war richtig. Anscheinend hatte sie eine Mitbewohnerin. Eine, die nicht sehr erfreut schien, jemand Neues kennenzulernen. Maya atmete tief durch und klopfte. „Ja, ja, gleich!“, fuhr sie eine genervte Stimme von drinnen an. Eine andere Stimme zischte etwas zurück, aber es war zu leise als dass sie es verstehen könnte. Also zwei Mitbewohnerinnen? Wie groß waren die Zimmer hier denn? Sie sah zu den anderen Türen und schätzte den Abstand auf zwölf Ellen. Das reichte doch gerade, um die Betten unterzukriegen, oder? Wo sollte sie denn ihre Kleider aufbewahren? Eine Wanne passte da doch auch nie und nimmer hinein. Vielleicht reichte es für einen Zuber? Obwohl sie gehört hatte, dass es Badehäuser in großen Städten gab. Vielleicht war es vorgesehen, dass sie sich dort reinigte. „Was?“, fragte eine barsche Stimme. Maya brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass die Tür aufgerissen worden war. Darin stand eine dunkelhaarige Frau mit blonden Strähnen im Haar, die nichts als ein Männerhemd trug, dass ihr bei weitem zu groß und daher an den Ärmeln aufgerollt war. „Ich wollte … ich ...“ Maya starrte sie mit geweiteten Lidern an. „Wollen Sie sich nicht etwas bedecken?“ „Sind Sie die Haushälterin oder so was?“ Die fremde Frau musterte sie von oben bis unten. „Oder von der Verwaltung?“ „Ähm, nein, ich bin … also-“ Ihr Blick fiel auf den Schlüssel, der noch immer in der Tür steckte. Wie sollte sie denn auf so etwas reagieren? Waren denn alle Menschen hier durchgehend unfreundlich? „Ich wohne in diesem Zimmer?“ „Aha?“ Es hob sich eine dunkle Augenbraue und die Fremde folgte dem Blick zum Schlüssel, den sie abzog und griff. „Zweihundertvier, Tatsache. Also meine Mitbewohnerin?“ „Ja, genau.“ Maya lächelte. „Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.“ „Na dufte.“ Die andere schüttelte den Kopf. „Wenn 's denn sein muss.“ Sie wandte sich ab und ging zurück ins Zimmer. „Tom, raus hier. Find' 'nen anständigen Ort für 's nächste mal.“ „Tom?“ Maya nahm ihre Tasche und folgte ihr. „Sehr erfreut, Sie-“ Sie erstarrte und schaffte es daher nicht, den Satz zu beenden. Vor ihr stand ein junger Mann – ein gutaussehender Mann – ohne Hemd und knöpfte seine Hose zu. Wahrscheinlich war es sein Hemd, dass die Dame trug, die Maya immer noch nicht ihren Namen verraten hatte. Sie senkte beschämt den Kopf und scheute vor ihm weg, als er sie passierte. „Wir können auch zu mir gehen, Aaron ist pokern“, meinte er im Rausgehen, als er sich nochmal umdrehte. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich jetzt noch-.“ Sie stieß einen Schrei aus und raufte sich die Haare. „Du bist doch unfassbar!“ Er blinzelte nur einmal und fragte nach einem Moment: „Kommst du?“ „Ja, ja. Idiot.“ Sie schüttelte den Kopf, griff ein Kleidungsstück und einen Schlüssel, die beide Teil eines Kleidungs- und Müllberges waren, der den Boden bedeckte und verließ das Zimmer. Maya sah ihnen hinterher, blinzelte mehrfach und fragte schließlich den Raum, als könne er eine Antwort geben: „Was war das denn jetzt?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)