Heimliche Hoffnung von Varlet ================================================================================ Kapitel 6: Showdown ------------------- Lächelnd stand Jodie vor dem Babybettchen im Kinderzimmer. Reiji lag friedlich schlafend drin und hielt einen kleinen Hasen im Arm. Sein erstes Plüschtier. Es gefiel Jodie auf Anhieb und auch Reiji schien von ihm begeistert zu sein – zumindest dann, wenn er seine Ohren im Mund hatte und sich der Babysabber im Plüschtier sammelte. Einmal die Woche wurde er in der Waschmaschine gewaschen und dann wieder ihrem Sohn übergeben. Reiji war etwas Besonderes. Ihr kleines Wunder. Gern sah Jodie ihm zu. Beim Schlafen, Spielen oder wenn er neue Sachen lernte. Die Zeit mit Reiji gehörte eindeutig zu der Besten in ihrem gesamten Leben. Es war Wahnsinn, purer Wahnsinn, wie sich alles so schnell veränderte. In ihren Erinnerungen war es so, als wäre die Geburt erst einige Tage her und nicht bereits über drei Monate. Die ersten Wochen waren ungemein anstrengend für Jodie. Zuerst die Umstellung der Hormone und das Wissen, dass das Leben nicht mehr in ihrem Bauch war. Zwei Tage lang lag Jodie im Bett und weinte. Weinen und Zusammenreißen. Aber es musste raus. Selbst Kleinigkeiten, wie eine leere Packung Aufschnitt, brachten sie zum Weinen. Dazu kam noch der ganze Stress mit dem Schlafmangel. Reiji wachte alle zwei Stunden auf und wollte entweder gefüttert, gewickelt oder einfach nur bespaßt werden. Alles, was sie seinerseits in den Büchern las, wirkte auf einmal untertrieben. Das Aufstehen in der Nacht wurde zur Qual. Erst als das leise, friedliche Baby wieder im Arm hielt und ihm zusah, entspannte auch sie sich. Glücklicherweise pendelte sich alles nach einigen Wochen ein. Reiji schlief länger. Aus zwei Stunden wurden drei, dann vier und schließlich fünf. Sowohl für sich, für Reiji, aber auch für Shuichi legte die ehemalige Agentin verschiedene Fotoalben an. Im ersten dokumentierte sie alle Schritte ihrer Schwangerschaft. Ultraschallbilder, Arztbesuche und Fotos von ihrem Bauch. Es war fast unverständlich, wie sie das erste Album so schnell voll bekam. Jodie ließ keinen Schritt der Schwangerschaft aus. Das zweite Fotoalbum war gespickt mit Fotos von ihrem Baby, aber auch von Jodies eigenen Eindrücken, die sie nieder schrieb. Selbst der behandelnde Arzt als auch die Krankenschwester und Hebamme mussten für ein Foto herhalten. Jodie wollte alles für später festgehalten haben. Für Shu. Es war ihr wichtig, zumal Reiji in kurzer Zeit so viele Veränderungen durchmachte. Jeder Tag war spannend und die Herausforderung groß. Allen voran, als sie erst heraus finden musste, warum Reiji weinte. Hatte er Durst? War ihm kalt? War die Windel voll? Hatte er Angst? Oder wollte er einfach nur, dass sie da war? Natürlich war es schwer gewesen sich in Reiji hineinzuversetzen. Er bekam so viele Reize und Veränderungen mit. Täglich wurde seine Sehfähigkeit besser und statt nur noch Kontraste wahrzunehmen, konnte er erste Objekte ausfindig machen. Allerdings war seine Wahrnehmung noch immer beschränkt. Sobald ein Gegenstand oder eine Person nicht mehr in seinem Sichtfeld war, kam es ihm vor, als wäre diese verschwunden. Kein Wunder, dass ihn diese Veränderungen überforderten und er die Gewissheit brauchte, dass alles in Ordnung war. Obwohl die ersten Nächte viel zu kurz waren, liebte sie es, ihn in ihrem Arm zu halten und zu merken, wie er Tag für Tag wenige Gramm zu nahm. Gerne strich sie ihrem kleinen Liebling über den Rücken, legte ihn auf ihren Bauch, der nun auch wieder flacher wurde oder schaukelte mit ihm Schaukelstuhl hin und her. Mutter zu sein, war ein herrliches Gefühl für Jodie. Und obwohl sie wusste, dass Reiji in den ersten Wochen kaum etwas von ihr wahr nahm, belohnte er sie mit seinen Blicken. Es war schön in seine Augen zu sehen und immer weiter die Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Nach rund sechs Wochen lag Reiji das erste Mal auf dem Bauch. Interessiert sah Jodie zu, wie er versuchte den Kopf zu heben und seine Nackenmuskulatur übte. Vom Arzt wusste sie, dass sowohl solche Übungen auf dem Boden, als auch leichte Bewegungen durch Tragen und Schaukeln wichtig für ihren kleinen Schatz waren. Voller Stolz sah sie auf Reiji, als er sie das erste Mal anlächelte. Der Augenblick war so wunderbar, dass sie das Gefühl hatte zu platzen. Ohne zu wollen, musste sie in diesem Moment weinen, was wiederrum dazu führte, dass die ersten Fotos verwackelten. Das zweite Album war binnen kurzer Zeit gefüllt. Gern blätterte Jodie in diesem herum und sah sich die vergangenen Wochen an. Gelegentlich saß sie mit Reiji in ihrem Arm auf dem Sofa und zeigte ihm die Bilder. Er schien interessiert. Zumindest nahm sie dies an. Bereits im Sitzen begann er kräftig zu strampeln und die verschiedensten Laute von sich zu geben. „Ach Reiji“, murmelte Jodie leise. Am liebsten sollte die gesamte Welt von ihrem Glück wissen. Wie oft wollte sie Shuichi anrufen und ihm von ihrem gemeinsamen Sohn erzählen. Genau so oft machte sie bereits Fotos mit dem Handy von ihm und hatte Shus letzte, ihr bekannte, Nummer gewählt. Am Ende ließ sie es wieder bleiben. Sie durfte keinen von ihnen in Gefahr bringen. Nicht jetzt. Und trotzdem hoffe sie, dass die Organisation endlich vernichtet wurde, damit Reiji seinen Vater kennen lernen konnte. So sehr wünschte sie es sich…und ahnte nicht, welche düsteren Wolken sich derweil über Japan hermachten. *** 19:00 Uhr. Shuichi blickte auf das Display seiner Uhr. Bald. Bald begann es. Das Ende. „Sind deine Leute bereit?“ Sein Gesichtsausdruck änderte sich die ganze Zeit über nicht. Er war kühl und schroff. Bereit, alles zu geben und alles zu riskieren. Was hatte er schon zu verlieren? Nichts. Bourbon verengte die Augen. „Ich hoffe, du hast nicht vor mir Befehle zu geben“, entgegnete dieser. „Mach dir keine Sorgen. Japan ist dein Revier. Ich will nur nicht, dass irgendwas schief geht“, antwortete Akai ruhig. „Wird es schon nicht.“ Rei ballte die Faust. „Was ist mit dir?“ Shuichi blickte zu der Frau zu seiner Rechten. „Das CIA ist bereit“, antwortete sie. Akai nickte. „Camel gibt dir Rückendeckung.“ „Wenn möglich müssen wir sie leben bekommen“, fing Rei an. „Sie werden es uns nicht einfach machen und wenn sie merken, dass sie keine Chance haben, werden sie versuchen so viele wie möglich mit in den Tod zu reißen.“ 19:35 Uhr. Chianti positionierte sich auf dem Dach eines Gebäudes. Von dort hatte sie die beste Sicht auf das Pier. Die Scharfschützin grinste und baute ihr Gewehr zusammen. Bald ging es los und sie würde alles andere als zimperlich sein. „Alles ruhig“, sprach sie in ihr Head-Set. „Wie sieht die Lage bei dir aus, Korn?“ „Ebenfalls alles ruhig.“ Der Angesprochene saß mehrere Häuser weiter auf seiner Position und beobachtete den Hafen von einer anderen Seite aus. Chianti schmunzelte. „Ich freu mich schon sie alle abzuknallen. Ich hoffe, Vermouth kommt auch zu diesem Spektakel.“ „Überlass Vermouth mir. Ich kümmere mich um sie“, zischte Korn. „Das kannst du vergessen“, pöbelte Chianti. „Diese Schlampe hat Calvados auf dem Gewissen und mit dem Spitzel Bourbon zusammen gearbeitet. Mir kann sie nicht weis machen, dass sie nichts von seiner Zugehörigkeit wusste.“ „Keine Alleingänge, Chianti.“ Die Angesprochene schnaubte. „Der Boss will Vermouth lebendig sehen und sich selbst um sie kümmern.“ Erneut schwieg sie. „Hast du verstanden, Chianti?“ Seine Stimme wurde rauer. „Ja, Gin.“ 19:55 Uhr Kir parkte ihren Wagen. Nervös tippte sie auf dem Lenkrad herum. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Immer wieder. Nach so vielen Jahren war er da. Der große Showdown. Das Ende. Zumindest hoffte sie, dass es nun zu Ende ging. Es musste einfach. Nun gab es keinen Spitzel mehr. Kein FBI-Agent, kein CIA-Agent, kein Agent der japanischen Geheimpolizei. Sie alle flogen auf. Nun gab es keine andere Wahl mehr. Hidemi blickte nach vorne. Alles war ruhig. „Camel, hören Sie mich?“, sprach sie in ihr Head-Set. „Ja. Bin grade angekommen.“ Zur Sicherheit fuhren sie aus verschiedenen Richtungen auf verschiedene Parkplätze und parkten mehrere Straßen weiter. Den restlichen Weg legten sie zu Fuß fort. Eine typische Akai-Handlung. Hidemi bewegte sich langsam zum Gebäude hin, achtete auf ihre Umgebung und versuchte sich im Schutz der Dunkelheit zu bewegen. „Camel, wo sind Sie?“, flüsterte sie in das Mikro. „Auf dem Weg.“ Hidemi atmete tief durch und beobachtete die Gegend. Als sie die Umrisse einer Person erkannte, zog sie vorsorglich ihre Waffe. Man merkte, dass das Leben in der Organisation nun ihren Schatten warf. Hidemi veränderte sich. Sie wurde vorsichtiger und machte sich zu viele Gedanken über mögliche Vorkommnisse. „Ich bins“, sprach Camel. „Bereit?“, wollte Kir wissen. Camel nickte. Ihr erstes Ziel waren die Scharfschützen. Zuerst die aufbrausende Chianti, dann der ruhigere Korn. Anschließend sollte es weiter gehen. Camel schlich sich ins Gebäude, lief die Treppen nach oben und positionierten sich auf dem Dach. Im Schutz der trat er an den Rand. Das Gebäude mit Chianti lag direkt vor ihm. Nun durfte er sich keinen Fehler erlauben. Keinen. Alles musste perfekt passen, perfekt sein. Camel hob seine Waffe und schaltete das Licht an dieser an. Ein kleiner roter Punkt kam in der Ferne zum Vorschein. Jetzt musste er nur noch Chianti treffen. Innerlich wünschte er sich Akai her. Shuichi war definitiv ein besserer Schütze. Er war ruhiger und er brauchte nicht die Hilfe des Infrarot-Lichts. Camel beobachtete Chianti einen kurzen Moment über das Fernrohr seiner Waffe. Durch Akai und Bourbon, die genügend Erfahrungen mit der Organisation hatten, wussten sie, wo die sich die beiden Scharfschützen aufhalten würden. Wie sich zeigte war die Einschätzung der beiden Männer richtig. Chianti lag auf der Lauer. Noch bemerkte sie Camel nicht. Er durfte nicht versagen. Nicht jetzt, wo sie an diesem Punkt waren. Camels Hand verkrampfte sich. Er spürte das Zittern. Seine Nerven durften nicht durchdrehen. Er durfte nicht. Die Mission durfte nicht wieder wegen ihm scheitern. Der Agent atmete tief durch und schoss… 20:20 Uhr „Camel?“ „Chianti ist bewusstlos und in unserem Gewahrsam“, erzählte der FBI-Agent, während er sich Blut von der Wange wischte. „Korn war nicht so kooperativ. Nachdem er zu sehr in die Enge getrieben wurde, erschoss er sich selbst.“ „Verstehe.“ „Wie schaut es bei euch aus?“, wollte Camel dann wissen. Seine leichten Verletzungen erwähnte er lieber nicht. „Wir fangen gleich an“, klinkte sich Bourbon ein. „Sorgen Sie dafür, dass sich Chianti nicht in eurer Obhut erschießt. Die Frau kann listig sein.“ „Verstanden.“ Jemand klatschte in die Hände. Sofort blickten die beiden Männer in die Richtung aus der das Geräusch kam. Shuichi verengte die Augen. Da war er. „Gin.“ „Rye. Bourbon. Oder sollte ich lieber Shuichi Akai und Rei Furuya sagen. Wie schön, dass ihr hier her gekommen seid. Leider wird euch das auch nichts mehr nützen.“ „Immer noch der Alte, Gin.“ Shuichi leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Endlich standen sie sich gegenüber. Endlich befanden sie sich an diesem Punkt. „Was musstet ihr uns auch verraten.“ „Du kannst in deiner Zelle darüber jammern“, entgegnete der FBI-Agent ruhig. „Das seh ich nicht so.“ Rei schluckte und blickte zu der zweiten Person, die soeben auftauchte. Seine Kehle schnürte sich zu. Er war also gekommen. Der Mann mit den zweifarbigen Augen. Ein hohes Mitglied. Eines, das direkt unter dem Boss stand und seine Identität kannte. Ihn zu bekommen, war der Traum eines jeden Spitzels. „Rum.“ 21:01 Uhr Blutüberströmt lag Rei Furuya neben seinem Auto. Rum war ein harter Gegner. Er machte es ihm nicht leicht und trotz seiner schusssicheren Weste steckte er so einige Hiebe und Schüsse ein. Rum war gefährlich und ein guter Nahkämpfer. Außerdem kannte er die Schwächen seines Gegners und war sich nicht zu schade dieses einzusetzen. Bourbon rollte sich zur Seite als Rum ihm den Gnadenstoß verpassen wollte. Aus dem Augenwinkel sah er den nächsten Zug seines Gegners. Das würde sein Ende sein. Rum hielt seine Beretta auf Bourbon und fiel anschließend regungslos zu Boden. Langsam versuchte sich Rei aufzurichten. Es war schwer und kostete ihn seine gesamte Kraft. Das Bild vor seinen Augen verschwamm, die Fesseln der Frau, die nun vor ihm stand, nahm er kaum noch war. Rei ließ sich zu Boden sinken. Sein Kopf fühlte sich so schwer an, als er hoch sah. „Ver…mo.u…th.“ „Das ausgerechnet du für die japanische Geheimpolizei arbeitest…“ Sie kniete sich zu ihm runter und hielt ihm den Lauf ihrer Waffe vor das Gesicht. „Was für ein Glück für dich, dass ich dir Rum vom Hals geschafft hab. Ich frage mich, was ich nun mit dir anstellen soll“, sprach sie gespielt nachdenklich „Wie…so?“ „Er hat mich schon immer genervt“, antwortete sie. Vermouth blickte zur Seite. Sie hörte Sirenen. „Wie schön, deine Leute sind bereits auf dem Weg. Du solltest wirklich deine Schusswunden untersuchen lassen. Die an deiner Schulter schaut wirklich böse aus.“ Vermouth stand nun wieder auf. „Wa…rum?“ Sie lächelte leicht, zuckte dann aber mit den Schultern. „Man sieht sich.“ 21:25 Uhr Die Jagd war endlich vorbei. Akai kniete neben Gins Leichnam und sah das Organisationsmitglied an. Mehrfach vergewisserte er sich, dass dieser auch wirklich tot war. Shuichi arbeitete gewissenhaft, an seiner Arbeit gab es nie irgendwas auszusetzen, allerdings musste er nun wirklich sicher sein. Gin in wenigen Wochen wieder zu sehen, glich einer Katastrophe. Beide Männer lieferten sich einen erbitterten Kampf. Es fielen zahlreiche Schüsse, Verletzungen wurden dem jeweils anderen zugefügt. In Shuichis linkem Oberschenkel steckte eine Kugel. Den Schmerz verdrängte er und konzentrierte sich stattdessen auf sein Ziel. Sein Adrenalinpegel war erhöht. Nur so konnte er Gin in ein Gebäude folgen und ihn zur Strecke bringen. Beide Männer standen sich auf dem Dach des Gebäudes endlich gegenüber. Nun gab es kein Entkommen. Einer würde überlegen, einer sterben. Immer wieder schossen sie auf einander und versuchten empfindliche Stellen – Hals, Gesicht, Beine, Arme – zu treffen. Shuichi wusste, dass seine einzige Möglichkeit in Gins Gesicht lag. Er musste es beenden… Nur mühsam stand der FBI-Agent auf. Langsam spürte er den Schmerz im Bein. Dennoch zündete er sich zunächst eine Zigarette an, beugte sich zu Gin herunter und durchsuchte diesen. Aus Gins Manteltasche zog er einen kleinen schwarzen Kasten. Auf dem Display lief ein Countdown langsam nach unten. Er hatte dreizehn Minuten Zeit. Akai schnaubte verächtlich. Der Zünder musste versehentlich aktiviert worden sein. Und es gab keinen Zweifel. Er musste weg. Shuichi ließ den Kasten zu Boden fallen und hievte Gin Körper über seine Schulter. Mit langsamen Schritten bewegte sich der FBI-Agent zur Tür. Im Treppenhaus verlor er für einen kurzen Moment das Gleichgewicht. Gins Körper lag auf der anderen Seite der Tür und Shuichi kniete auf dem Boden. Er atmete durch. Aus dem Augenwinkel sah er nach hinten. Er konnte nur schätzen, wie viel Zeit vergangen war. „Ist Gin tot?“ Shuichi sah nach vorne, direkt in ein schwarzes Loch – den Lauf von Vermouths Waffe. Akai presste die Lippen aufeinander und sah sie einfach nur an. „Das halte ich für ein Ja.“ Vermouth sah an ihm vorbei. „Verstehe.“ Langsam bewegte sich Shuichis Hand mit seiner Waffe nach oben. Die Munition war bereits leer, doch er konnte nicht tatenlos dastehen. „Das würde ich sein lassen“, entgegnete die Schauspielerin. „Du willst doch nicht, dass ich zuerst schieße.“ „Was willst du, Vermouth?“, knurrte er. „Weißt du, es kommt mir wirklich sehr gelegen, dass von Gin nichts mehr übrig ist.“ Als würde keine Gefahr vom Agenten ausgehen, ging sie einfach an ihm vorbei. „Trotzdem wirst du es mir sicher nicht verdenken, wenn ich mich selbst davon überzeuge.“ „Dort fliegt gleich alles in die Luft.“ „Ach wirklich? Hat er sie also doch noch aktiviert? Typisch Gin. Er geht gern mit einem Knall hoch“, schmunzelte sie. „Ich nehme an, du kannst es kaum erwarten, dass ich mit drauf gehe.“ Nun legte sich ein Lächeln auf Akais Gesicht. „Ganz im Gegenteil. Ich verhafte dich lieber.“ „Wegen dem Mord am alten Starling? Ist sie immer noch nicht darüber hinweg gekommen? Arme kleine Jodie.“ Vermouth ging an Gins Leichnam und kontrollierte seine, nicht vorhandene, Atmung. Akai verengte die Augen. „Lass sie aus dem Spiel.“ „Wie du willst“, gab die Schauspielerin von sich. Vermouth ging wieder auf ihn zu. „Ab hier würde ich vorschlagen, dass wir getrennte Wege gehen.“ „Warum sollte ich dich gehen lassen?“ „Hmm…warum wohl…“, antwortete sie gespielt nachdenklich. „Oh, hab ich schon erzählt, dass ich die letzten Tage in New York war? Lebt Jodie nicht mittlerweile dort?“ Shuichi knurrte. „Was hast du getan?“ Vermouth zuckte mit den Schultern. „Das solltest du sie fragen.“ Mit einem Mal schlug sie die Tür zum Dach zu. Mit letzter Kraft fiel Shuichi gegen die Tür. „Mhmm…“, gab er leise von sich. Erst jetzt merkte er, dass seine Schulter auch etwas Abbekommen hatte. Shuichi legte die Hand auf die Türklinke, wollte sie runter drücken und hielt inne. Er dachte an die Bombe. Jetzt Vermouth zu folgen und sie auf dem Dach zu stellen, war Selbstmord. Ungern gab er auf. Und er wusste, dass ihr Plan nicht der Tod war. Akai zischte und bewegte sich auf die Treppen zu. Gerade hatte er die erste Etage geschafft, da explodierte die Bombe. Das Feuer breitete sich schnell aus und nur mit Mühe kam der Agent aus dem Gebäude. „Vermouth ist noch oben.“ „Wir kümmern uns zuerst um deine Wunden.“ „Halb so wild.“ „Der Krankenwagen ist auf dem Weg“, meinte James. Shuichi aber schüttelte nur den Kopf. Ehe James etwas Sagen konnte, humpelte der Agent zurück zu seinem Wagen. Die Strecke war lang und als er endlich das Auto sah, stand ihm die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Überrascht blickte er auf den Briefumschlag, der zwischen den Scheibenwischern steckte. Langsam nahm er ihn heraus, öffnete seine Wagentür, setzte sich und öffnete den Brief. Er war auf das Schlimmste gefasst. Vermouth sprach von Jodie und so konnte der Agent nur Vermutungen anstellen. In seinem Inneren breitete sich zum ersten Mal, seit sie aktiv gegen die Organisation vorgingen, eine Unruhe aus. Was wenn sie ihm ein Bild der toten Jodie schickte? Akai schluckte und zog langsam das Blatt Papier heraus. Was er da erblickte, verwunderte ihn. Zwei Seiten, mit je drei Spalten, bespickt mit Namen. Namen, die er schon einmal hörte, aber in jenem Moment nicht einzuordnen vermochte. Ganz unten standen zwei, ihm wohlbekannte Namen. Und plötzlich wusste er, was er gerade in seinen Händen hielt. Akemi Miyano. Dai Moroboshi. Eine komplette Liste mit Namen von Organisationsmitgliedern. Sowohl kleine Fische als auch die Hintermänner. Nur zwei Namen tauchten nicht auf. Weder Sharon Vineyard als auch Chris Vineyard waren nicht aufgeführt. Shuichi schnaubte. Natürlich. Warum sollte sie auch sich selber an den Pranger stellen und Gefahr laufen, verhaftet zu werden. Shuichi überflog die Liste. Von unten nach oben. Dann von oben nach unten. Überrascht stellte er fest, dass Vermouth, die wohl für die Liste verantwortlich war, die Decknamen der Spitzel verwandte. Keiner würde Shuichi Akai oder Rei Furuya mit Dai Moroboshi bzw. Torou Amuro in Verbindung bringen. Sie waren sicher. Ganz oben aber stand ein besonderer Name. Ein einziger. Mit einem roten Lippenstift war er umkreist. Akai war sich sicher. Das war der Boss. Der Mann, der die Fäden zog und der Organisation ihre Aufträge gab. Der Mann mit dem Alles anfing und mit dem es nun endete. Nun endlich hatten sie seinen Namen. Ein Schwall von Erleichterung überkam den FBI-Agenten und für einen Augenblick genoss er die Ruhe. Dann wurde alles schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)