Training im Schnee 2 oder The american Way of Life... von Venka (Mit Kapitel 33 endet TiS 2. Lillie und ich hoffen, ihr hattet euren Spaß dran!) ================================================================================ Kapitel 26: Ihr beide seid mein ganzer Stolz -------------------------------------------- So! Mal wieder Sonntag! Und es geht auch schon weiter bei uns. Immo haben unsere Charas ja eine kleine Ruhepause hinter sich (was die Action im Verlauf der Story angeht) aber schließlich kann nicht immer was los sein und ein paar Kapitel müssen auch mal ruhiger sein. Viel Spaß beim Weiterlesen! Lillie und Venka ------------------------------------- 26 - Ihr Beide seid mein ganzer Stolz Kai blickte gelangweilt aus dem Fenster. Selbst im Abschlussjahr in der Senior-High war Mathe nicht interessanter geworden. "Ich hasse diese Prüfungsvorbereitungen..." murmelte Joey neben ihm und fing an etwas auf sein Papier zu kritzeln. Doch Kai lies sich nicht aus seiner Ruhe bringen und beobachtete weiter den leeren Schulhof und hing seinen Gedanken nach. ,Warum kann ich jetzt nicht einfach da draußen sein...' Kai seufzte bei diesem Gedanken. Dann entschloss auch er sich seinen Stift in die Hand zu nehmen und die Zahlen auf der Tafel in seinen Hefter zu schreiben. Allerdings kam er nicht sehr weit. Auf ein kurzes Klopfen wurde die Tür abrupt aufgerissen und der Direktor erschien im Klassenzimmer. "Entschuldigen sie bitte die Störung Prof. Cadigan, aber darf ich einen ihrer Schüler entführen?" "Warum nicht, Herr Direktor. Solange ich keine Vermisstenanzeige machen muss!" sagte sie freundlich. "Wen wollen sie denn haben?" "Kai Hiwatari!" war die kurze und knappe Antwort. Kai, der schon wieder seinen Gedanken nachhing, schrak hoch als er seinen Namen hörte. "Was?" "Kommst du bitte mit Kai?" fragte der Direktor mit sehr ernstem Tonfall. Ohne ein weiteres Wort erhob sich der Junge und folgte dem Direktor nach draußen. "Bin mal gespannt, was der ausgefressen hat!" flüsterte Timo zu Joey. "Mir hat er doch gar nichts erzählt." überlegte Joey laut. "Aber wenn sie ihn mit Hiwatari anreden, muss es ziemlich ernst sein!" Es fiel der Klasse schwer nach dieser Unterbrechung zum Unterricht zurückzukehren, doch sie hatten keine Wahl, denn Prof. Cadigan fuhr bereits mit dem Stoff fort. Währenddessen führte der Direktor Kai geradewegs in das Direktorenzimmer. Dort angekommen drückte er ihm ohne ein Wort den Telefonhörer in die Hand. "Spreche ich mit Kai Hiwatari?" fragte eine Stimme am anderen Ende. "Ja!" antwortete er knapp. Das Gespräch dauerte keine fünf Minuten, doch diese kurze Zeit reichte aus um Kais Verfassung um hundertachtzig Grad zu wenden: er war sehr blass geworden und hatte sich sogar an der Wand abstützen müssen, sein Atem ging kurz und stoßweise, in seinem Blick spiegelte sich plötzlich Verzweiflung wieder und seine Augen hatten einen merkwürdig glänzenden Schimmer angenommen. "Ich habe verstanden..." sagte er mit erstickter Stimme und legte den Hörer zurück auf das Telefon. In der Zwischenzeit hatte vor dem Schulhof ein dunkelblauer BBA-Van gehalten. Judy stieg aus und lief mit schnellen Schritten über den Hof in das Schulgebäude. In dem Moment als Kai den Hörer auflegte, betrat sie das Zimmer. Mit besorgtem Blick ging sie auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Kai zuckte leicht zusammen. "Komm..." sagte sie leise. "Ray wartet am Auto auf dich und am Flughafen steht auch schon das Flugzeug bereit. Ihr könnt sofort aufbrechen." "Danke..." sagte er leise, mit den Tränen kämpfend. "Ich möchte aber, dass mein Bruder dabei ist. Es betrifft ihn schließlich auch." Mit zustimmenden Nicken wandte sich Judy an den Direktor. "Wäre es möglich Kai, Joey und Rogue für eine Woche vom Unterricht zu befreien?" "Und was ist mit dem Stoff für ihre Prüfungen?" fragte der Direktor besorgt. "Die Drei schaffen es schon ihn rechtzeitig aufzuholen!" sagte Judy zuversichtlich. "Na, wenn es unbedingt sein muss..." "Danke, Herr Direktor." Judy nickte Kai zu, der sie kurz dankbar anlächelte. Vor dem Zimmer trennten sie sich. Kai ging nach unten und über den Schulhof zum Van, während Judy die Mathematikprofessorin aufsuchte. Prof. Cadigan war nicht begeistert als ihr Unterricht zum zweiten Mal durch Klopfen unterbrochen wurde. In Erwartung Kai stehe vor der Tür rief sie ein: "Du kannst ruhig reinkommen!" in Richtung Tür. "Danke!" sagte Judy als sie die Tür geöffnet hatte. "Oh, Mrs. Tate, entschuldigen sie bitte. Ich dachte Kai wollte uns wieder Gesellschaft leisten." sagte sie entschuldigend. "Nein, das wird er auch so schnell nicht wieder!" sagte Judy bestimmt ernst. "Und ich bin hier um Joey und Rogue abzuholen. Sie sind bereits beim Direktor entschuldigt." Judy wartete nicht erst auf eine Antwort und wandte sich direkt an die zwei Schüler. "Joey, Rogue, kommt ihr Zwei bitte mit? Ach und packt doch Kais Sachen mit ein!" "Da muss was passiert sein..." murmelte Joey zu Rogue während sie ihre und Kais Sachen in die Taschen packten. "Entschuldigen sie bitte noch einmal die Störung!" verabschiedete sich Judy freundlich. Rogue und Joey folgten ihr nach draußen. Als sie bei dem Van angekommen waren sahen sie, dass Kai bereits auf der Rückbank saß und sein Gesicht an Rays Schulter vergrub. "Was ist denn los?" wollte Joey wissen. "Später! Steigt erst einmal ein!" scheuchte Judy die Zwei in das Auto. Erst als sie zwanzig Minuten später im BBA-Flugzeug saßen, wagte es Rogue Joeys - er hatte mittlerweile Sonnenbrille und Kontaktlinsen abgelegt - Frage aufzugreifen. "Was ist denn nun los und wo fliegen wir eigentlich hin?" "Nach Moskau!" beantwortete Judy ihre Frage kurz. "Was um alles in der Welt wollen wir denn in Moskau?" Rogue verstand das nicht und auch Tala sah verwirrt aus. "Ist das denn so 'ne gute Idee?" fragte er. "Es muss sein..." sagte Kai im Flüsterton. "Ich verstehe nur Bahnhof..." sagte Rogue und lies sich zurück in den Sitz fallen. "Wir hatten heute morgen im Center einen Anruf..." begann Judy die Erklärung. "Der Anruf kam aus dem Schloss der Ljubows... - Voltaire liegt im Sterben und will Kai noch einmal sehen." "Was?" war Rogues Reaktion während Tala, ähnlich wie Kai, blass wurde. Fassungslos sah er zu seinem kleinen Bruder, der apathisch in Rays Armen lag. "Kai wollte dich und Rogue dabei haben..." ergänze Judy. "Das erklärt natürlich Einiges." sagte Tala, aber seine Stimme klang sehr monoton. "Aber eins verstehe ich nicht ganz..." sagte Rogue vorsichtig. "Was denn?" wollte Ray wissen und wandte ihr den Blick zu. "Nun ja... - Ihr habt immer so schlecht über ihn geredet." Ray hatte darauf keine rechte Antwort, so dass Kai ihm zu Hilfe kam. "Das mag sein." sagte er fast tonlos. "Aber wir dürfen nicht vergessen, dass er unser Großvater ist und bleibt, was auch immer er getan haben mag." "Aber ich dachte, er hat euch das alles angetan?" Rogue glaubte nicht, was sie da gerade gehört hatte. "Das ist richtig!" stimmte Tala ihr zu. "Aber wie Kai schon sagte: Familie kann man sich nicht raussuchen!" Rogue musste sich damit zufrieden geben, auch wenn sie nicht verstand, wie Tala und ganz besonders Kai wegen so einer Person trauern konnten. Tala fing an sich mit den Wolken außerhalb der Maschine zu beschäftigen, Ray widmete sich wieder Kai, der sich abermals angekuschelt hatte und Rogue beschloss sich zu Judy zu gesellen. Wenig später spürte Ray wie Kai aufgehört hatte in sich hineinzuschluchzen und nun friedlich und gleichmäßig atmete. Behutsam stand er auf, nahm den schlafenden Jungen auf die Arme und trug ihn zu einer Liege. "Bleib bei mir, Ray!" flüsterte Kai als ihn der Chinese vorsichtig hinlegte. Ray lächelte ihn liebevoll an und gab ihm einen Kuss. Dann setzte er sich vor die Liege auf den Boden. Kai rückte näher zum Rand und legte seinen Kopf in die Höhe von Rays Brust. Zärtlich fing dieser an ihm über den Rücken zu streicheln und dann leicht den Kopf zu kraulen. Als Ray aus dem Heck zurückkam saßen Judy, Rogue und Tala zusammen und unterhielten sich. "Er ist endlich eingeschlafen..." sagte Ray und setzte sich zu der kleinen Gruppe. "Ich hätte nie gedacht, dass es Kai so mitnimmt..." sagte Judy. "Ich will dir nicht zu nahe treten..." sagte Rogue zu Tala. "Aber wieso berührt dich das eigentlich nicht so wie ihn?" "Ich war schon 16 als ich erfuhr, dass Voltaire mein Großvater ist und Kai hat schließlich lange bei ihm gewohnt." "Ob das nun gut oder schlecht war, sei mal dahingestellt..." warf Ray ein. Noch während die Worte in Rogues Kopf nachhalten hatte sie plötzlich einen Geistesblitz: "Ich hab' doch gar keine Klamotten dabei!" "Das ist nicht so wild." beruhigte Judy das Mädchen. "Du kannst bestimmt etwas von Josie haben. Wenn wir Glück haben, ist sie sogar mit Lee zu Hause." "Tja, Rogue. Nun lernst du den Ort kennen, an dem alles anfing..." sagte Ray und man hörte ihm an, dass er nicht begeistert war, diesen Ort wieder zu sehen. "Heißt das, wir fliegen bis zum Baikalsee?" "Ja, Schatz! Genau dahin fliegen wir!" sagte Tala. "Zumindest bis nach Moskau." warf Judy ein. "Von dort aus fliegen wir mit dem Helikopter weiter zu dem Schloss der Ljubows. Stanislav hat uns wieder eine Unterkunft angeboten und er hat sich gefreut, als ich sein Angebot annahm, auch wenn die Umstände weniger erfreulich sind." sie seufzte. "Das weckt Erinnerungen..." sagte Tala brummend. "Aber diesmal bitte ohne Absturz!" "Kein Problem!" lächelte Judy ihn kurz an und stand auf. "Ach und Tala..." "Ja?" "Wenn Kai die Biovolt erbt, hast auch du nichts mehr zu befürchten." Der Flug schien für die Passagiere wie eine Ewigkeit. Kai wurde die ganze Zeit von Alpträumen gequält, Ray saß bei ihm und machte die ganzen Flug über nicht einmal die Augen zu. Ebenso Tala, an den sich Rogue gekuschelt hatte und friedlich schlief. Während der Zwischenlandungen kümmerte sich Judy jedes Mal um einen schnellstmöglichen Weiterflug, ansonsten versuchte auch sie mal die Augen zu schließen. Nach einem über 25 Stunden dauernden Flug landete die Maschine schließlich in Moskau, von wo aus sie gleich mit einem Helikopter weiter zum Baikalsee flogen und zum Schloss der Ljubows. Es war bereits spät Abends als sie in dem Schloss eintrafen, so dass Judy beschlossen hatte, erst am nächsten Tag zum Herrenhaus zu fahren. Kai war zu müde um sich dagegen zu wehren und Tala wusste nicht, ob er seinen Großvater überhaupt wieder sehen wollte. Tala und Rogue zogen sich sofort in ihr Zimmer zurück und Ray brachte Kai ins Bett, bevor er noch einmal kurz zu Judy und Stanislav Ljubow ins Kaminzimmer ging. "Wissen sie, wie es Voltaire geht?" hörte er Judy gerade fragen. "Ich war gestern Vormittag bei ihm und da meinte er, dass er seinen Enkel noch einmal sehen wollte. Daraufhin habe ich sie ja angerufen." Er seufzte. "Ich denke, dass es nicht gut um ihn steht. Er wird wissen, dass seine Zeit um ist." "Also müssen wir morgen auf das Schlimmste gefasst sein!" sagte Ray ohne emotionale Regung des Mitleids. "Ray, wie kannst du nur so kühl bleiben?" Judy sah den Chinesen erstaunt an, diese Art an ihm kannte sie gar nicht. "Ich kann einfach nicht vergessen, was er Kai angetan hat." "Du wirst dich wundern, Ray!" sagte der Schlossherr. "So, werde ich das?" "Ja! Voltaire ist ein alter und gebrochener Mann. Ich denke, er weiß, was er falsch gemacht hat und er will Kai noch einmal sehen, damit er ihn um Verzeihung bitten kann." Ray blieb hart, nicht einmal die mitleiderregenden Worte Herrn Ljubows, konnten ihn umstimmen. "Es tut mir leid..." sagte er bestimmt. "Aber ich habe für diese Person nichts übrig und wer weiß, was er diesmal vor hat!" Mit diesen Worte erhob sich der Chinese und ging zur Tür. "Und was ist, wenn du dich irrst Ray?" fragte Judy besorgt über seine Einstellung. "Ich irre mich nicht!" sagte Ray ohne sich umzudrehen und ging aus dem Raum. Judy schüttelte besorgt den Kopf. "Ich weiß nicht genau, was damals wirklich passiert ist, Ray hat nie darüber gesprochen, aber was immer es auch war, er muss Voltaire mächtig dafür hassen." "Das wird wohl nur Ray wirklich wissen..." sagte der Schlossherr und nickte zustimmend. Ray war aufgewühlt. Er hatte den ganzen Flug nicht geschlafen und nun lag er neben Kai und konnte wieder kein Auge schließen. Die Erinnerungen waren einfach zu stark. Zu viele Emotionen überwältigten ihn. Er wälzte sich noch lange hin und her, bevor er in einen unruhigen Schlaf viel. Bereits früh am nächsten morgen wurde er von Kai geweckt und nach einem kurzen Frühstück brachen sie mit der Schlittenkutsche zum Herrenhaus auf. Als sie die Toreinfahrt passierten kam ihnen ein Fahrzeug entgegen. Kai brauchte nicht einmal hinzusehen um zu wissen, dass dort Boris drin saß. Sein ehemaliger Trainer warf ihm und den anderen Insassen der Kutsche einen todbringenden Blick zu, doch Kai ließ das kalt. Sie hielten vor dem Eingang. Sofort kam ein Bediensteter nach draußen und geleitete sie in das Haus. Kai war nicht einmal von sich überrascht als er mechanisch anfing mit dem Bediensteten Russisch zu sprechen. An der Zimmertür angekommen drückte er die Klinke nach unten. Ray, Judy, Rogue und Joey, er trug wieder sein Kopftuch, aber keine Kontaktlinsen, warteten vor der Tür. Voltaire hörte wie die Tür aufgemacht wurde und drehte den Kopf. Seine Augen weiteten sich als er Kai erblickte. "Kai!" sagte er mit erstickter Stimme. "Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst..." Kai setzte sich ohne eine Reaktion auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand. "Schön, dass du da bist!" sagte Voltaire und lächelte ihn glücklich an. "Ich glaube du bist noch ein Stück gewachsen in den letzten drei..." Voltaire wurde von einem Hustenanfall unterbrochen. ,Er sieht alt aus!' schoss es Kai durch den Kopf und seine Hand zuckte in Richtung seines Großvaters. Der alte Mann brauchte eine Weile ehe er wieder normal atmen konnte. Dann plötzlich, ohne dass Kai sich wehren konnte und wollte, griff er nach der Hand seines Enkels. "Du trägst gar nicht deine üblichen Sachen." sagte er und seine Gesichtszüge wurden weich und zärtlich. "Und wo sind eigentlich das Halstuch und die Schminke?" "Das ist meine Schuluniform, da passt das Halstuch nicht dazu und die Schminke war nur um mich dahinter zu verstecken..." Ohne dass er es eigentlich gewollt hatte, wurden auch seine Gesichtszüge gutmütiger. "Hast du dich vor mir versteckt?" fragte Voltaire schuldbewusst. "Vor allem, besonders vor dem ganzen Leben..." "Was habe ich dir nur angetan?" schluchzte Voltaire auf und fing an zu weinen. "Egal was es war und wie sehr wir uns es auch wünschten, die Vergangenheit kann man nicht ändern..." sagte Kai lange nicht so hart, wie er wollte, denn auch er kämpfte mit den Tränen. "Ändern nicht, aber wir können uns ihr stellen!" sagte er und strich Kai eine Träne aus dem Gesicht. "Und wozu hast du dich entschieden?" fragte Kai und zog sein Gesicht von der Hand weg. "Für dich..." flüsterte Voltaire und begann wieder stumme Tränen zu weinen. Das Eis in Kai war gebrochen. "Großvater..." schluchzte er und begann zu weinen. Liebevoll streichelte Voltaire über die Hand seines Enkels, wobei er den Ring an dessen Finger entdeckte. Kai wollte die Hand zurückziehen, doch Voltaire hielt sie nur noch fester und sah sich das Schmuckstück genauer an, wobei Kai eine leichte rötliche Farbe bekam. "Wer ist den die Glückliche?" fragte der Großvater. "Ray..." zögerte Kai mit der Antwort. "Ist sie hübsch?" "Ich habe Ray mitgebracht!" sagte Kai und wollte damit eigentlich weiteren Fragen aus dem Weg gehen, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass es sein Großvater verstehen würde. Doch Voltaire ließ nicht locker. "Und warum hast du sie mir noch nicht vorgestellt?" ,Wenn ich seiner Antwort ausweiche, wird er nur noch mehr Fragen stellen.' dachte sich Kai. "Ich habe ihn mitgebracht." sagte er deshalb. Wie erwartet horchte Voltaire auf. "Ihn?" "Ja, nach Boris Beschreibung der kleine dumme Chinese." Kai hatte sich entschlossen zu Ray zu stehen. Schließlich liebte er ihn und ob es sein Großvater nun verstand oder nicht, würde das nichts an dieser Tatsache ändern. Voltaire sah seinem Enkel in die Augen, die bei dem Namen einen glücklichen Ausdruck annahmen. Ihm kam die Erinnerung wieder als er Ray hatte verprügeln lassen, nur damit Kai das verdammte Blade startete... ,Ja, du hast ihn schon damals geliebt, auch wenn du es dir noch nicht eingestanden hattest...' Er musste lächeln. "So wie ich deinen Freund kennen gelernt habe, kann er sehr gut auf dich aufpassen, besser als ich es je gemacht habe... - Ich sollte ihm dafür dankbar sein, dass er das wieder gut gemacht hat, was ich versäumt habe... - Er hat aus dir einen glücklichen jungen Mann gemacht..." Ein erneuter Hustenanfall unterbrach ihn. Kai beugte sich besorgt über ihn. "Großvater?" "Kai..." sagte er matt. "Du kannst dir gar nicht vorstellen wie glücklich du mich machst. Tu mir nur noch einen Gefallen!" "Jeden, den du willst, Großvater!" sagte Kai und Tränen stiegen erneut in ihm auf. "Genieße dein weiteres Leben in vollen Zügen!" Kai wollte etwas antworten, doch es bewegten sich nur seine Lippen. "Nun kann ich in Ruhe sterben und deinem Bruder Gesellschaft leisten. Er war schließlich lange genug alleine..." Kai sah ihn verwirrt an. "Wieso mein Bruder?" "Du weiß doch, dass Tala dein älterer Bruder war?" "Ja, das weiß ich, aber er war doch nie allein. Er hat doch seine Freunde, Rogue und..." "Kai..." Voltaires Stimme versagte. Ohne ein weiteres Wort stand Kai auf und ging zur Tür. "Joey, kommst du mal bitte?" "Kai, was hat das zu bedeuten? Joey ist doch ein Mitglied der Majestics!" "Nicht nur..." gab Kai zurück und machte den Weg für Joey frei, der jetzt nur noch das Kopftuch trug. Sein Blick und der von Voltaire trafen sich. "Aber..." Voltaire traute seinen Augen nicht. "Nach Biovolt Informationen müsstest du grüne Augen..." er brach ab und winkte den Jungen zu sich. Ohne ein Wort folgte Joey der Aufforderung und setze sich auf den freien Stuhl, auf dem kurz zuvor Kai gesessen hatte. Er sah Voltaire offen in die Augen. "Das ist unmöglich..." flüsterte Voltaire. Seine Hand zitterte als er nach dem Kopftuch des Jungen griff. Dann hielt er inne. "Warum tun sie es nicht?" fragte Joey. "Weil ich nicht weiß, was ich sehen oder doch nicht sehen würde!" Das Zittern lag nun auch auf seiner Stimme. Doch unbeirrt griff Joey nach der Hand des alten Mannes und zog mit ihm gemeinsam das Kopftuch herunter. "Ta...-la..." Voltaire versagte die Stimme. "Ja, ich bin es Gaspatin!" antwortete Tala steif. "Warum so förmlich, Tala?" sagte Voltaire. Er konnte es noch immer nicht fassen, dass dort sein älterer Enkel saß. Voltaire konnte deutlich sehen, dass Tala versuchte seinem Gesicht eine harte Komponente zu geben, was allerdings seine Augen wiederlegten, die den alten Mann fast milde anschauten. Unwillkürlich hob Voltaire seine Hand und berührte Talas Gesicht. "Schon dass es Kai gut geht, macht mich glücklich, aber dass du noch am Leben bist, ist ein Wunder, das ich nicht mehr zu hoffen gewagt hatte." "Großvater..." Talas Fassade fiel zusammen. Weinend warf er den Kopf auf die Brust seines Großvaters, der anfing ihn liebevoll zu streicheln. "Schon gut, mein Junge!" sagte er. "Ich bin es doch gar nicht Wert, dass du deine Gefühle an mich verschwendest, heb' dir das lieber für deine Freunde und deine späteren Kinder auf!" Er winkte Kai auf an seine linke Seite und fuhr fort. "Macht es besser als ich... - Versprecht es mir!" Seine Enkel nickten, wobei beiden stumme Tränen über die Wangen liefen. Es klopfte. Kurz darauf ging die Tür auf und die Köpfe von Ray und Rogue erschienen in der Tür. "Mhchm..." räusperte sich Rogue leise. "Entschuldigt bitte die Störung, aber der Arzt meinte, dass es besser wäre ihn jetzt alleine zu lassen. Zu viel Aufregung ist nicht gut für euern Großvater." "Ja, Schatz! Wir kommen gleich!" sagte Tala leise während er seinen Kopf hob. "Nein, bitte bleibt doch!" sagte Voltaire als Ray und Rogue wieder gehen wollten. Sehr überrascht gingen die Beiden zu Kai und Tala an das Bett des alten Mannes; Rogue zu Tala und Ray zu Kai. ,Stanislav hatte Recht, Voltaire sieht wirklich alt und gebrochen aus...' musste Ray sich eingestehen. ,Aber dennoch, er hat Kai...' Voltaire unterbrach seine Gedanken. "Kai ist mit Raymond glücklich..." Er sah den Chinesen an. "Verzeih mir, bitte! Ich glaube du hast es lieber, wenn man dich mit Ray anredet." Ray war erneut überrumpelt. Er hatte darauf keine Antwort und nickte bloß, aber innerlich setzte ein Kampf ein. ,Er war so ein harter Mensch, dem nichts fehlte außer Menschlichkeit. Kann sich jemand wirklich so ändern?' "Ich danke dir, Ray, dass du meinen Enkel so glücklich machst." ,Er meint es anscheinend doch ernst!' dachte Ray und lächelte zaghaft zurück. Dann wandte sich Voltaire an Tala. "Aber ich kenne die bezaubernde junge Dame neben dir noch nicht. Möchtest du sie mir denn nicht vorstellen?" "Ich bin Rogue." sagte das Mädchen und streckte ihm die Hand entgegen. Voltaire nahm ihre Hand entgegen und gab ihr einen Handkuss. "Versprich mir, dass du auf meinen Jungen gut aufpasst!" "Das mach' ich doch immer..." entgegnete Rogue mit Tränen in den Augen. Voltaire wollte ihr noch etwas sagen, doch ein erneuter Anfall kam dazwischen. Heftig hustend verkrampfte sich der ganze Körper, er verzog schmerzhaft das Gesicht und presste die Hände gegen die Brust. "Großvater..." Kai und Tala hatten sich gleichzeitig über ihn gebeugt, die Gesichter noch blasser als zuvor. Schwer atmend ergriff der alte Mann je eine Hand seiner beiden Enkel. "Versprecht mir..." sagte er keuchend. "dass ihr die Biovolt niemals zu den Dingen missbraucht, wie ich es getan habe! Lasst sie zu einem Anlaufspunkt für junge Blader werden..." "Wie die BBA?" fragte Ray überrascht, denn er hätte nie mit so einer Wesensveränderung gerechnet. "Ja, wie die BBA..." sagte Voltaire und lächelte Ray erneut an. Dann sah er noch einmal zu Kai und zu Tala. "Versprecht es mir... flüsterte er. Beide nickten und erneut flossen ihnen die Tränen über die Wangen. Mit einem glücklichen und zufriedenen Lächeln legte Voltaire seinen Kopf entspannt auf die Kissen. Er schloss die Augen und starb. Stille trat ein. Dann, als ob Tala es bewusst wurde, ließ er die Hand seines Großvaters los, die schwer auf das Bett fiel. "Großvater?" fragte er leise. "Großvater..." wiederholte er eindringlicher. Doch von Voltaire kam keine Antwort mehr. Verzweifelt legte der Junge seinen Kopf auf die Brust seines Großvaters und fing an zu schluchzen. Rogue stand wie angewurzelt hinter ihm. Kai dagegen hatte sich Ray an die Brust geworfen, und schluchzte in sich hinein, während ihn der Chinese tröstend an sich drückte. "Es wird jetzt wirklich Zeit, dass..." Judy war hereingekommen. Sie hatte ihren Satz abgebrochen als sie den toten Voltaire erblickte, dazu Kai, der sich an Ray festhielt und Tala, der halb auf dem Bett lag. Rogue blickte sie verzweifelt an. Sie zuckte mit den Schultern um ihre Ratlosigkeit zu unterstreichen. "Komm!" sagte Judy sanft zu Tala, ging zu ihm hin und zog ihn mit sanfter Gewalt von seinem Großvater weg. Tala blickte sie an, wie sie es bei ihm noch nie zuvor gesehen hatte. In seinem Blick lag tiefste Verzweiflung, vermischt mit Schmerz und einer dunklen Leere. "So schmerzhaft es für euch ist..." sagte sie und strich Tala dabei über den Rücken. "Ihr dürft eines nie vergessen! Ihr habt eurem Großvater das schönste Geschenkt seines Lebens gemacht: ihr ward bei ihm als er gestorben ist!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)