Urlaubsreif^3 von flower_in_sunlight (Die Zwei machen mich fertig!) ================================================================================ Kapitel 22: Samstag 6.8. ------------------------ Er hatte schlecht geschlafen. Trotzdem war Mokuba vor ihm auf und brachte ihm einen starken Kaffee ans Bett. Langsam richtete er sich auf, um sich nicht den Kopf anzustoßen und schwang die Beine aus dem Bett. Dann nahm er die Tasse entgegen und starrte auf die Wandbemalung ihm gegenüber. Wie fühlte sich wohl ein Drache, wenn er mit eingezogenem Schwanz nach Hause zurückkehren musste? Besiegt. Gedemütigt. Mit einer äußerst ungewissen Zukunft. Ihm war bewusst, dass er sich nicht so gehen lassen konnte, wie er es gerne gewollt hätte, aber er badete weitere zehn Minuten in Selbstmitleid. Schließlich stürzte er den restlichen Kaffee hinunter und ging hinaus zu Mokuba. Dieser hatte das Frühstück, ein einfaches Müsli mit noch mehr Kaffee, bereits fertig gerichtet und war schon fertig angezogen. Lustlos aß er alles auf, trank den weiteren Kaffee und starrte in den grauen Morgen hinaus. Das Wetter schien sich seiner Laune angepasst zu haben. Der Himmel war bewölkt und dem Glanz auf der Terrasse nach nieselte es kaum merklich. Der perfekte Tag, um einen Urlaub zu beenden. Ohne viel Worte zu wechseln half Seto seinem Bruder beim Abwasch und während dieser die Schränke durchsah, ob sie auch nichts vergessen hatten einzupacken, nahm er seine frische Kleidung mit ins Bad. Er duschte eiskalt und sah während des Zähneputzens sein Spiegelbild durchdringend an. Er hatte schon schlimmer ausgesehen. Die positiven Anzeichen des Urlaubs, weniger hohle Wangen und eine gewisse, wenn auch kaum erkennbare Bräune, waren noch vorhanden, aber der harte Zug um seinen Mund und die Kälte in seinen Augen konnten ihn nicht täuschen. Die Erholung war dahin. Er spuckte aus, trocknete sich fertig ab und zog sich an. Dann packte er die restlichen Kosmetika ein. Zusammen mit dem Schlafanzug schmiss er sie achtlos in den Koffer im Flur und trat wieder zu Mokuba ins Wohnzimmer. „Haben wir alles?“ „Ja. Es sei denn du hast eins von deinen Büchern ins Bücherregal gestellt. Aber schau gerne nochmal nach.“ Mit großen Schritten durchmaß er den Raum. Sah im Kleiderschrank nach, machte nach kurzem Zögern die Schublade des Nachttischs auf. Der Inhalt war glücklicherweise soweit unauffällig. Das Bücherregal streifte er nur mit einem kurzen Blick. Alle Bücher, die er neu gekauft hatte und die er behalten wollte, hatte er eingepackt. Im Zweifelsfall würde er einfach Yuki anschreiben. Er warf einen langen Blick hinaus aufs Meer. Ein kleiner Teil von ihm wäre am liebsten hier geblieben, auch wenn das kindisch war. Es gab nichts mehr, was ihn hier hielt. „Lass uns gehen, Mokuba.“ „Okay, großer Bruder.“ Etwas umständlich, weil das Gepäck einiges an Platz einnahm, zogen sie sich die Schuhe an. Seto zwängte sich mit einer kleineren Tasche durch die Haustür und schloss den Wagen auf. Stück für Stück packten sie ihn so wie auf der Hinfahrt und waren damit erstaunlich schnell fertig. Als Mokuba mit dem letzten Gepäckstück draußen war, schloss Seto die Haustür ab und verstaute den Schlüssel in seinem Versteck. „Ihr hattet aber nicht vor zu gehen, ohne 'Auf Wiedersehen' zu sagen, oder?“, tönte Matts Stimme plötzlich hinter ihm. Überrascht drehte sich Seto um und sah, dass er nicht alleine gekommen war. Er hatte das gesamte Team und die Familie Pegasus im Schlepptau. Eigentlich hatte Seto genau das vorgehabt. „Natürlich nicht!“, entgegnete Mokuba entrüstet. „Wir wollten gerade zu euch rüber gehen.“ Kurz überflog sein Blick die kleine Menschentraube auf dem Vorplatz. „Wo ist...?“ Martine schüttelte nur kurz energisch den Kopf und mied seinen Blick. Zögernd, aber in dem Bewusstsein, was gute Manieren verlangten, stieg Seto die Stufen hinab und folgte Mokubas Beispiel, der sich begeistert ein letztes Mal knuddeln ließ. Die Zwillinge sprangen aufgekratzt um sie herum. Matt und Cian klopften ihm aufmunternd auf die Schulter. Shin schüttelte ihm kräftig mit beiden Händen die Hand, während Pegasus es bei einem distanzierten Nicken beließ. Hans hingegen zerquetschte ihm fast die Hand, während er mit der linken Martines Hand sachte hielt. Als er jetzt direkt vor ihr stand, sah er, dass ihre Augen stark gerötet waren. Sie schluckte schwer, bevor sie sprach: „Ich freue mich auf die weiterhin gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Sie haben sich meines Vertrauens mehr als würdig erwiesen.“ Das, was sie nicht laut auszusprechen wagte vor den anderen, las er in ihrem Blick. Es tut mir Leid. Er deutete das mal so, dass er von ihrer Seite her, nichts mehr zu befürchten hatte. Yuki kam als Letzte und zog ihn in eine lange Umarmung und flüsterte ihm ins Ohr: „Keine Ahnung wie, aber das wird schon wieder.“ Und er hatte keine Ahnung, woher sie diese Zuversicht nahm. Er spürte wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, räusperte sich kurz. „Wir sollten dann mal wirklich los. Vielen Dank für die Gastfreundschaft. Mokuba?“ „Ja, Seto?“ „Willst du fahren?“ Ungläubig sah er ihn an. „Ist das dein Ernst?“ „Würde ich sonst fragen?“, erwiderte er leicht spöttisch. Er warf seinem kleinen Bruder den Autoschlüssel zu und rettete sich dann auf den Beifahrersitz. Kurz darauf stieg auch Mokuba ein und startete den Motor. Langsam fuhren sie den Waldweg entlang. Das Tor öffnete sich für sie automatisch und nach einem kurzen Blick in beide Richtungen ließ Mokuba sich hinaus auf die Straße rollen. Er fuhr ruhig, hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. „Willst du darüber reden?“, versuchte er nach einer Weile einen Vorstoß. „Nein.“ Also drehte Mokuba die Musik lauter und fuhr so perfekt, als hätte er von Roland persönlich gelernt. Manchmal überraschte er Seto dann doch noch. Als ein Handy vibrierte riss es Seto aus seiner Trance. Er hatte die Geräte noch aus und sie befanden sich irgendwo hinter ihm. Doch Mokuba verrenkte sich auf dem Fahrersitz, um an seine hintere Hosentasche zu kommen. „Das müsste Midori sein. Gehst du bitte dran?“ Er warf das Handy ohne auf das Display zu schauen einen Sitz rüber und fuhr weiter. Statt eines Anrufs waren eine Reihe von Nachrichten eingegangen. „Sie hat dir geschrieben.“ „Cool, dann ist die Nachricht von vorhin bei ihr angekommen. Lies vor!“ „Wann hast du ihr geschrieben?“ „Noch im Hotel. Ich hatte gehofft, dass die Nachricht rausgeht, sobald wir wieder Netz haben. Jetzt lies endlich vor!“ Seto tat wie ihm geheißen. Midori schien seinen Bruder ehrlich vermisst zu haben. Und einmal mehr bestätigte sie den guten Eindruck, den er zuvor von ihr erhalten hatte. Ihre Nachricht war liebevoll ohne das ganze Gequietsche, das er mit jungen Frauen ihres Alters normalerweise verband. „PS: Willst du heute Abend noch zum Ausruhen?“, las er vor. „Was meint sie denn damit?“ „Ob wir uns treffen.“ Seto überlegte kurz und tippte dann: „Hallo Midori, hier ist Seto. Mokuba fährt gerade. Er hat sich genug ausgeruht. Ich schicke ihn dir vorbei, sobald er ausgepackt hat.“ Senden. Entsetzt sah Mokuba zu ihm hinüber. „Was schreibst du da in meinem Namen?“ „Nichts.“ Mokuba nahm eine Hand vom Lenkrad und versuchte an das Handy zu kommen, um das Unheil mit eigenen Augen zu sehen. „He! Konzentrier dich aufs Fahren! Wenn du es genau wissen willst: Ich habe ihr nur geschrieben, dass du heute Abend ganz ihr gehörst. Und ich habe geschrieben, dass diese Aussage von mir kommt. Zufrieden? Und jetzt hör bitte auf mit den Schlangenlinien! Sonst gebe ich dir nie wieder einen Autoschlüssel!“ Das wirkte und die restliche Fahrt verlief ereignislos. Die kleine Kabbelei zwischen ihm und Mokuba hatte ihn kurz aus seinem Trübsinn gezogen und ihm gefiel der Gedanke bald mit seinen düsteren Gedanken allein sein zu können. Die Straße, in der die Villa lag, war menschenleer und nur vereinzelt standen Autos am Straßenrand. Doch als Seto sah, wo ein schicker Sportwagen mit laufendem Warnblinker geparkt war, schoss sein Puls nach oben. „Mokuba, du bleibst im Wagen!“, sagte er noch, bevor er ausstieg und dessen Handy mitnahm, um sofort die Polizei zu verständigen. Um auf den Fahrersitz sehen zu können, musste er um den Wagen herum laufen. Doch der Sitz war leer. Erbost stellte er sich auf den Gehweg, musterte das Kennzeichen und wählte. Den Daumen über dem grünen Kopfhörer schwebend blickte er noch einmal auf und sah, dass jemand sich im Schatten, den das Fahrzeug auf die Gehwegplatten warf, aufsetzte. Vor Schreck fiel ihm das Handy aus der Hand. „Was machst du hier?“, rief er entgeistert. „Ich wollte etwas mit meinem Architekten den Neubau eines Gebäudes mit Internetanschluss besprechen, aber der ist für ein verlängertes Wochenende ausgeflogen, und den Schlüssel für die Wohnung habe ich vergessen“, antwortete Joe unschuldig. „Aber was machst du HIER?“ Seto verstand immer noch nicht. „Autos heizen sich im Sommer sehr schnell auf und ich warte hier schon seit vier Stunden. Ich wollte nicht riskieren, dass jemand die Scheibe einschlägt.“ „In dieser Gegend wird in so einem Fall das Tierheim angerufen. Wieso bist du nicht bei Marik und Ryu?“ Jetzt stand Joe auf und kam auf ihn zu. „Dreimal darfst du raten, wer mein Architekt ist! Und ich dachte über die Hündchen-Vergleiche wären wir längst hinaus. Wobei“, hob er den rechten Arm und deutete auf das Armband, „ich fast vermute, dass das deine Interpretation eines Halsbands ist.“ „Joseph Wh... Pegasus. Ich frage dich ein letztes Mal. Was zum Teufel machst du hier?“ „Nun ja. Du hast bei mir gewohnt. Da ist es doch nur natürlich, dass ich so lange bei dir wohne, bis dein Umzug zu mir angeleiert ist, oder? Für den Anfang überlasse ich dir den Speisesaal als Büro und wenn wir uns ranhalten, ist unser neues Domizil bis zum Frühjahr fertig.“ Endlich machte es bei Seto klick. „Seit wann bist du hier?“, fragte er vorsichtig. „Ich bin heute Nacht irgendwann losgefahren, als durch den Waldrennen nicht mehr half. Irgendwie bin ich dann in Domino gelandet. Hi, Mokuba. Ich fürchte dein Bruder hat dein Handy geschrottet. Ist aber meine Schuld. Ich habe ihn erschreckt.“ Entsetzt bückte sich Mokuba, hob das Gerät auf und begutachtete es. „Nein, es ist noch ganz!“ Schnell entfernte er sich und rief Midori an, um zu erzählen, dass sie gut zu Hause angekommen wären. „Heute Nacht?“ „Ja. Ich bin aus Haus 3 raus. Bin durch den Wald gelaufen. Dann war ich kurz im Hauptgebäude, bin Martine begegnet. Dann bin ich wieder in den Wald und... Machen wir es kurz, damit selbst so ein Genie wie du es kapiert: Du darfst bei mir einziehen. Und so schnell wirst du mich auch nicht mehr los.“ Vollkommen verwirrt gab Seto Joe eine schallende Ohrfeige. Dieser erwiderte die Geste, indem er ihn zu sich in die Arme zog und hart küsste. „Nachdem wir das jetzt endlich geklärt haben. Machst du endlich das Tor auf, um mich einzulassen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)