Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 75: Der vom Blitz getroffene Turm ----------------------------------------- Angespannt warf Harry Dumbledore immer wieder einen Blick zu, bereit nach ihm zu greifen, falls er sich nicht länger auf seinem Besen halten konnte. Der Gryffindor war zwar selbst nach diesem Horrortrip in der Höhle nicht gerade in guter Verfassung, aber er wusste, dass er sich jetzt zusammenreißen und Dumbledore helfen können musste, wenn es nötig wurde. Doch Dumbledores Blick war unentwegt auf das Dunkle Mal gerichtet und schien ihn weiter anzutreiben. Auch Harry betrachtete das Dunkle Mal über dem Astronomieturm und ihm wurde beinahe schlecht vor Angst. Wenn wirklich Todesser im Schloss waren, hatte Harry seine Freunde, die ganze DA sogar, in viel zu große Gefahr gebracht, als er Hermine und Ron den Auftrag gab, Malfoy zu bewachen. Wenn einer von ihnen die Ursache für das Dunkle Mal war, würde er erneut für den Tod eines Freundes verantwortlich sein. Und was war mit Luca? Syndia?... Severus? Alle drei standen auf Voldemorts Abschussliste ganz weit oben. Was Harry aber noch viel mehr Bauchschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass das Mal über dem Astronomieturm schwebte und er kannte nur einen, der sich dort heute Abend vielleicht aufgehalten hatte. Und das nur, weil sie einen Streit gehabt hatten und Severus sicherlich mit ihm hatte reden wollen. Wenn Severus deswegen zum Opfer der Todesser geworden war, könnte er sich das niemals verzeihen. Dann wäre ihre letzte Begegnung... nein, so weit durfte Harry nicht denken, sonst wurde er noch wahnsinnig vor Angst. Dumbledore murmelte Worte in einer fremden Sprache und Harry spürte, wie sie durch die Schutzbänne des Schlosses brachen. Der Direktor erreichte den Turm zuerst und sah sich um, doch weder er noch Harry, der wenige Sekunden später neben ihm landete, konnte irgendwelche Anzeichen eines Kampfes finden oder gar eine Leiche. Zittrig atmete Harry durch und versuchte sich zu beruhigen. |„Was hat das zu bedeuten? Ist es das echte Mal? Wurde wirklich jemand... Professor?“ Erschrocken sah Harry zu, wie Dumbledore sich mit seiner schwarzen Hand an die Brust griff und sich an der Mauer abstützte. Kraftlos sagte er: „Geh und weck Severus. Berichte ihm, was geschehen ist und bring ihn zu mir. Tu nichts anderes, sprich mit niemandem sonst und nimm deinen Tarnumhang nicht ab. Ich warte hier.“ „Aber...“ „Du hast geschworen mir zu gehorchen, Harry... geh!“ Harry riss sich zusammen und ging zur Tür. Doch bevor er sie öffnen konnte, erklangen Schritte auf der Treppe und Dumbledore deutete ihm, von der Tür wegzugehen. Mit gezücktem Zauberstab wich Harry zurück und wartete angespannt darauf, wer nun kommen würde. Die Tür flog auf und sofort schrie jemand: „Expelliarmus!“ Harrys Körper wurde steif und verwirrte ihn zutiefst. Expelliarmus war kein Erstarrungszauber, warum also...? Der Gryffindor sah gerade noch Dumbledores Zauberstab über die Brüstung fallen und da wurde ihm klar, dass Dumbledore ihn gelähmt hatte, statt sich selbst zu verteidigen. „Guten Abend, Draco“, sagte Dumbledore so gelassen wie möglich, obwohl er sich kraftlos und unbewaffnet an der Brüstung festhielt. „Wer ist noch hier?“, fragte Draco angespannt, als er den zweiten Besen entdeckte. Doch Dumbledore wich geschickt aus: „Eine Frage, die ich Ihnen stellen könnte. Oder handeln Sie auf eigene Faust?“ „Nein. Ich habe Unterstützung. Es sind heute Abend Todesser in Ihrer Schule.“ „Schön, schön“, lobte Dumbledore ihn heiter, weshalb Harry ihn zweifelnd anblickte.|² Es entwickelte sich ein Gespräch, dass seitens Draco wie ein Verhör unter Veritaserum und von Dumbledores Art her wie ein Kaffeekränzchen wirkte, was grotesk war. Mit jedem weiteren Satz, rutschte Dumbledore immer weiter an der Mauer herunter und Harry war dazu verdammt tatenlos zuzusehen. |„Draco, Draco, Sie sind kein Mörder“, lächelte Dumbledore sanft und Harry versuchte verzweifelt gegen den Ganzklammerfluch anzukommen. „Woher wollen Sie das wissen?“, erwiderte Malfoy sofort. „Sie wissen nicht, wozu ich fähig bin. Sie wissen nicht, was ich getan habe!“ „Oh doch, das weiß ich“, sagte Dumbledore milde. „Sie hätten um ein Haar Katie Bell getötet. Sie haben mit zunehmender Verzweiflung das ganze Jahr über versucht, mich zu töten. Verzeihen Sie mir, Draco, aber das waren schwache Versuche... um ehrlich zu sein, so schwach, dass ich mich frage, ob Sie wirklich mit ganzem Herzen dabei waren...“ „Das war ich! Ich habe das ganze Jahr daran gearbeitet und heute Nacht...“ Malfoy wurde durch einen erstickten Schrei unterbrochen. „Da liefert sich jemand einen heftigen Kampf“, kommentierte Dumbledore dies, ehe er gelassen fortfuhr. „Also sagen Sie mir doch, während wir auf Ihre Freunde warten... wie haben Sie die hier hereingeschmuggelt? Es hat Sie offenbar viel Zeit gekostet, herauszufinden, wie Sie es schaffen können.“ Draco sah drein, als müsse er den Drang unterdrücken loszuschreien oder sich zu übergeben, ehe er die nächsten Worte geradezu ausspuckte: „Ich musste das kaputte Verschwindekabinett reparieren, das seit Jahren keiner mehr benutzt hat. Das, in dem Montague letztes Jahr verloren gegangen ist.“|² Harrys Körper durchzog ein eiskalter Blitz bei diesen Worten. Das Verschwindekabinett! Das verdammte Verschwindekabinett!! Er hatte es gesehen, hatte davor gestanden, hatte es sogar selig belächelt und war nicht darüber gestolpert, dass Malfoy daran herumbastelte!! Das durfte doch alles nicht wahr sein, er war der Lösung so nah gewesen! |„Das Gegenstück ist bei Borgin und Burkes“, erklärte Malfoy sich weiter, „und zwischen den beiden gibt es eine Art Durchgang.“ Das wurde ja immer besser! Harry wurde abwechselnd heiß und kalt, während er einen Schock nach dem anderen zu verarbeiten hatte. „Sehr gut“, murmelte Dumbledore. „Die Todesser konnten also von Borgin und Burkes aus in die Schule gelangen, um Ihnen zu helfen... ein schlauer Plan... und, wie Sie sagen, direkt vor meiner Nase...“|² Warum lobte Dumbledore das auch noch?! War er jetzt vollkommen durchgeknallt?! |„Wie auch immer, es bleibt wenig Zeit“, sagte Dumbledore. „Also lassen Sie uns über Ihre Möglichkeiten sprechen, Draco.“ „Meine Möglichkeiten!“, zischte Malfoy laut. „Ich stehe hier mit einem Zauberstab... ich werde Sie gleich töten...“ „Wir sollten uns da nichts mehr vormachen, mein Lieber. Wenn Sie mich hätten töten wollen, hätten Sie es getan, als Sie mich mit Ihrem Zauberstab entwaffnet hatten. Sie hätten sich nicht durch diese vergnügliche Plauderei über Mittel und Wege aufhalten lassen.“ „Ich habe keine Wahl!“, rief Malfoy aus und erinnerte Harry an ihren Kampf im Bad zurück. „Ich muss es tun! Er bringt mich um! Er bringt meine ganze Familie um!“ „Mir ist bewusst, wie schwierig Ihre Lage ist“, nickte Dumbledore. „Ich habe Sie nicht früher zur Rede gestellt, weil ich wusste, was Voldemort Ihnen antun würde, wenn er dahinter käme, dass ich Sie verdächtige. Aber jetzt können wir endlich offen miteinander reden... ich kann Ihnen helfen, Draco.“ „Nein, das können Sie nicht“, sagte Draco mit bebendem Zauberstab. „Niemand kann das. Er hat mir befohlen, es zu tun, oder er wird mich töten. Ich habe keine Wahl.“ „Kommen Sie auf die richtige Seite, Draco, und wir können Sie besser verstecken, als Sie es sich auch nur vorstellen können. Mehr noch, ich kann heute Nacht Mitglieder des Ordens zu Ihren Eltern schicken, um sie ebenfalls zu verstecken. Draco... Sie sind kein Mörder.“|² Draco starrte Dumbledore an, während sein Zauberstab unentwegt bebte. Schließlich senkte er ihn ein klein wenig ab und Harry hatte bereits Hoffnung... als plötzlich vier Leute in schwarzen Umhängen die Treppe hinaufstürmten. |„Dumbledore in der Falle!“, höhnte einer der Männer, während die Frau neben ihm kicherte. „Guten Abend, Amycus“, grüßte Dumbledore ruhig. „Und Alecto haben Sie auch mitgebracht... wie reizend...“ „Sie glauben wohl, Ihre kleinen Scherze helfen Ihnen auf dem Sterbebett?“, höhnte die Frau zugleich. „Scherze? Aber nein, das sind gute Manieren“|² erwiderte Dumbledore und Harry hätte am liebsten die Augen verdreht. |„Sind Sie das Fenrir?“, wandte Dumbledore sich an den anderen Mann und Harry starrte zu ihm herüber. Fenrir Greyback, der blutrünstige Werwolf in ganz England. „Ich würde mir die Gelegenheit, nach Hogwarts zu kommen, nicht entgehen lassen, Dumbledore“, schnarrte Greyback. „Nicht, wenn es Kehlen aufzureißen gibt... köstlich, köstlich...“|² Harry wanderte ein Schauer über den Rücken und er spürte, wie ihn sämtliche Überlebensinstinkte vor diesem Mann warnten. Dieses widerliche Monster in Hogwarts umherstreifen zu sehen, bekam Harry ganz und gar nicht und selbst Dumbledore war anzusehen, dass ihm der Gedanke nicht gefiel. „Mach schon, Draco, tu es endlich!“, unterbrach die Hexe drängend ihre Unterhaltung und Dracos Hand zitterte mehr denn je. „Mach schon, schnell!“ Doch Draco stand da, voller Angst und fast so blass wie Dumbledore. |„Draco, tu es, oder geh beiseite, damit einer von uns...“|² Die Frau verstummte, als plötzlich eine weitere Person auf der Treppe erschien. Auch das noch... Bellatrix Lestrange. Schnell hatte sie die Situation erfasst und grinste boshaft. „Ah gut gemacht, Draco“, hauchte sie, ehe ihr ein grässliches Kichern entkam. „Was ist denn mit Ihnen los, Dumbledore? Ein kleiner Schwächeanfall?“ Auf den Spott in ihrer Stimme, ging Dumbledore nicht ein und antwortete stattdessen gelassen: „Das Alter macht sich langsam bemerkbar, wie Sie sehen können, Bellatrix.“ „Wir haben ein Problem, Bella“, meldete sich dieser Amycus wieder zu Wort. „Der Junge schafft es nicht.“ Ein lauter Knall war unten zu hören und Personen riefen durcheinander. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, verkündete Bellatrix. „Zur Seite, Draco!“ Noch bevor der junge Malfoy reagieren konnte, schob die Hexe ihn bereits zur Seite und richtete ihren Zauberstab auf Dumbledore. Harrys Herz setzte einen Schlag lang aus. „Avada Kedavra!“ Ein grüner Lichtstrahl schoss auf Dumbledore zu und traf ihn direkt in der Brust. Harry wollte entsetzt aufschreien, doch es kam ihm kein Laut über die Lippen. Fassungslos sah er dabei zu, wie Dumbledore in die Luft flog, kurz in der Schwebe zu bleiben schien und dann über die Brüstung hinab in die Tiefe stürzte. Nein! Nein, das war nicht geschehen... das... es konnte gar nicht sein!! „Und jetzt weg hier, los!“, keifte Bellatrix und eilig verließen alle den Turm. Obwohl die Ganzkörperklammer aufgehoben war, stand Harry noch einen Moment vollkommen gelähmt da und starrte auf die Stelle, wo vorhin noch Dumbledore gestanden hatte. Grauen und Entsetzen flutete sein System. Als würden Dementoren über dem Dach des Turmes schweben, fraß sich eine unerbittliche Kälte in Harrys Eingeweide. Bellatrix Lestrange. Diese verfluchte Sabberhexe hatte jetzt nicht nur Sirius, sondern auch Dumbledore auf dem Gewissen! Wieder hatte sie Harry einen geliebten Menschen geraubt! Zuvor noch unbeweglich, zückte Harry nun blitzschnell seinen Zauberstab, riss den Tarnumhang von sich herunter und schickte den ersten Fluch die Treppe herunter. Er erwischte den letzten Todesser noch auf der Treppe, der keuchend nach hinten fiel. Noch bevor er den Boden erreichte, stieg Harry bereits über ihn rüber und sprang die Treppen hinunter. Er musste sie kriegen, er musste Bellatrix erwischen! Er durfte sie nicht entkommen lassen, nicht schon wieder! Am Fuß des Turmes bot sich Harry der Anblick eines Schlachtfeldes. Die Decke war zum Teil eingestürzt und im Halbdunkeln waren überall Trümmer und leblose Körper zu sehen. Doch Harry hatte keine Zeit sich über diese Menschen Gedanken zu machen, er musste Bellatrix jagen. Mit geduckter Haltung rannte Harry weiter und wich den vielen Zaubern aus, die kreuz und quer durch den Flur schossen. Er sah Ginny, wie sie den Folterflüchen von Amycus ausweichen musste und kurzerhand jagte Harry ihm einen Fluch auf den Hals, um sie zu retten. Er quiekte vor Schmerz auf und wurde von den Füßen gerissen. Im nächsten Moment stürzte sich schon jemand auf Harry und riss ihn zu Boden. Greyback. Sein Atem stank nach Blut und Harry versuchte mit Händen und Füßen seine fiesen Reißzähne von seiner Kehle fernzuhalten, doch dieser Mann war so wuchtig und schwer, dass er keine Chance hatte. „Pertificus Totalus!“ Der Fluch rettete Harry das Leben, als er Greyback im Kreuz traf und dieser über ihm zusammenbrach. Mit aller Kraft kroch Harry unter ihm hervor und rappelte sich schnell wieder auf. Durch den Staub hindurch konnte er Professor McGonagall, Ron und Lupin erkennen, die sich jeweils mit einem anderen Todesser duellierten und dabei immer neue Löcher in die Wände rissen. Stolpernd lief Harry weiter, schleuderte dabei den Todessern einige Zauber entgegen, um den anderen zu helfen und bog dann um die nächste Ecke ab. Schlitternd kam er zum Stehen, als ihm plötzlich eine gewaltige, unsichtbare Kraft auf die Brust drückte, die ihm wie elektrische Ladung vorkam. Einige Meter vor ihm stand Syndia mitten im Flur, umgeben von vier Todessern, die alle verbissen versuchten, ihr Flüche auf den Hals zu hetzen, doch das gelang ihnen mehr schlecht als Recht. Syndias sonst so schwarze Augen zeigten ein unterschwelliges, lila Leuchten und auch die Luft im Raum schien aus lila Rauch zu bestehen. Die Gemälde an der Wand zitterten, die Rüstungen klapperten und flogen wie von Geisterhand auf einen der Todesser zu, der hastig ausweichen musste. Weitere Gegenstände flogen durch den Raum, geleitet von Syndias Gesten, die ohne Zauberstab dastand und die Situation vollkommen unter Kontrolle hatte. Eine unheimliche Kraft ging von ihr aus, die Harry so noch bei niemandem erlebt hatte. Es wirkte, als würde sie mit ihrer bloßen Willenskraft den gesamten Flur in Schutt und Asche legen. Zögerlich trat Harry ein paar Schritte zurück, denn er spürte instinktiv, dass er auf keinen Fall in ihre Nähe kommen durfte, wenn er weiterleben wollte. Sich endlich von diesem unglaublichen Anblick losreißend, machte er kehrt und nahm einen anderen Flur, um die fliehenden Todesser zu verfolgen. Hier war Bellatrix mit Sicherheit nicht durchgekommen. Harry rutschte mehr um die Ecken, als das er lief, da seine Schuhe voller Blut waren. Er nahm einen der Geheimwege, um abzukürzen und stolperte sogleich in eine Schar verunsicherter Hufflepuffs. |„Harry! Wir haben Lärm gehört und jemand sagte was vom Dunklen Mal...“, begann Ernie Macmillan, doch Harry schob ihn und die anderen beiseite.|² „Keine Zeit!“, rief er nur und rannte weiter. Gerade hatte er den Fuß der nächsten Treppe erreicht und bog um die Ecke, als er plötzlich mit jemandem zusammenstieß. „Harry!“, schrie Hermine erschrocken auf. „Sind Todesser hier längs gekommen?“, fragte der Gryffindor sofort. „Nein“, schüttelte Hermine aufgeregt den Kopf. „Ich glaube die sind alle zwei Stockwerke höher. Dem Himmel sei Dank bist du hier. Wo ist Dumbledore?“ „Hast du die Karte?“, ignorierte Harry sie hektisch. „Was? Oh, ja“, nickte die junge Hexe und reichte Harry die Karte des Rumtreibers. Eilig schlug Harry sie auf, sodass sie völlig zerknitterte. Hektisch suchte er die Gänge nach Bellatrix Lestrange ab und entdeckte sie in der Eingangshalle. Sie und Draco flohen bereits raus aufs Gelände. Mit einem Fluch auf den Lippen wollte Harry wieder losrennen, als sein Blick zur Grenze der Schlossgründe wanderte. Dort waren zwei weitere Personen, die wild umherzutanzen schienen... Personen mit den kleinen Schildchen Tom Riddle und Severus Snape. „Nein!“, rief Harry unwillkürlich aus, als ihn die Panik packte. Nicht auch noch ihn! Nicht Severus! „Was ist?“, fragte Hermine, doch Harry gab ihr nur schnell die Karte zurück und sprintete los. Er rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, rannte so schnell, wie noch nie in seinem Leben zuvor. Er hatte schon Dumbledore verloren, einen weiteren Toten würde er nicht verkraften. Erst recht nicht Severus! Der Gryffindor erreichte das Schlossportal, bei dem ebenfalls verängstigte Schüler standen und geschockt umher sahen. Das Tor war mit einem Zauber brutal aufgerissen worden und offenbar waren sogar einige Schüler verletzt, doch darüber konnte Harry sich jetzt keine Gedanken machen. Die milde Nachtluft brannte in Harrys Kehle, zerriss seine Lungen, doch das interessierte ihn kein Stück. Ungebremst rannte er weiter und verlangte seinem Körper das höchste ab. In der Ferne waren Blitze zu sehen, die hin und her schossen. Nach einigen Metern wurde Harry klar, dass sie von Hagrids Hütte kamen und nun konnte er auch die Stimme des Halbriesen hören. Einen Moment lang geriet Harry in Zweifel, doch dann stand seine Entscheidung wieder fest: Hagrid hatte eine dicke Haut, der würde sicherlich ein paar Minuten alleine mit den Todessern fertig werden. Severus hingegen hatte es mit Voldemort persönlich zu tun. Und so rannte Harry weiter über die Wiese, rannte um sein Leben und sah bald die ersten Bäume zu seiner Linken, die die Grenze des Geländes andeuteten. Auch dort sah er Blitze durch die Nacht schießen, nur waren sie wesentlich heller und die Nachtluft trug sogar einen Knall nach dem anderen zu Harry herüber. Noch weitere quälende Sekunden, dann war Harry endlich dicht genug und konnte beobachten, wie Severus sich einen hitzigen Kampf gegen Voldemort lieferte. „Protego!“, rief Harry, als er einen roten Strahl gefährlich auf Severus zurasen sah, der dann aber an seinem blauen Schild abprallte. Sowohl Severus als auch Voldemort wandten die Köpfe, um den Verursacher des Zaubers auszumachen. Das gab Harry Zeit näher zu kommen und schließlich blieb er wenige Meter keuchend und mit erhobenem Zauberstab vor Voldemort stehen. „Harry, welch eine freudige Überraschung“, wurde er von der kalten, dünnen Stimme begrüßt, während Severus bei seinem Anblick erbleichte. „Was zum Teufel tust du hier?!“, rief er ihm aufgebracht entgegen. „Geh zurück ins Schloss!“ „Nein!“, rief Harry entschieden zurück und sah dem Tränkemeister ernst entgegen, ohne den Zauberstab von Voldemort abzuwenden. „Denkst du etwa, ich lasse dich alleine gegen ihn kämpfen?!“ „Verschwinde!“, spie Severus aus, doch Harry ignorierte das gekonnt und sah düster zu ihrem gemeinsamen Feind herüber. „Das ist aber sehr unhöflich von dir, Harry, den Befehl eines Lehrers zu missachten“, grinste Voldemort hämisch. „Mal sehen, wie viele Tote es dieses mal zur Folge hat.“ „Du wirst niemanden mehr töten!“, schrie Harry ihm entgegen. „Das lasse ich nicht zu!“ „Glaubst du wirklich ausgerechnet du könntest mich davon abhalten?“, spottete der Dunkle Lord auf seine kalte, ruhige Art. Dann schickte er Harry einen Fluch entgegen, den Severus für ihn abblockte. „So, du lässt dich also schon wieder beschützen, was“, höhnte Voldemort und zeigte seine spitzen Zähne als er grinste. „Nur zu, versteck dich wieder hinter anderen.“ „Nein!“, rief Harry aus und schickte einen Fluch los. Es entbrannte sofort ein Kampf, der nur ausgeglichen war, weil Severus und Harry gemeinsam Voldemort genügend in Schach halten konnten. Wenn einer von ihnen zu langsam war, half der andere ihm aus der Patsche und so ergänzten sie sich perfekt. Sie beschützten sich gegenseitig und schickten in schnellen Abfolgen Flüche gegen Slytherins Erben. Dieser grinste schon lange nicht mehr, sondern war verbissen in das Duell vertieft, das seine ganze Konzentration abverlangte. Es war offensichtlich, dass er gerne einige mächtige Zauber losgeschickt hätte, dazu aber nicht kam, weil Harry und Severus ihm dafür keine Zeit ließen. „Genug!“, brüllte er schließlich und eine kräftige Schockwelle traf Harry und Severus, die zurücktaumelten und ihren Angriff beenden mussten. Keuchend standen sie da und sahen in diese rot glühenden Augen, die sie für einen Moment musterten, ehe Voldemort ein kaltes Lachen von sich gab. „Ihr glaubt tatsächlich, jetzt wo ihr zusammen Necrandolas überlebt habt, alles meistern zu können, was?“, spottete er und ließ sein schauerlichstes Lachen hören, ehe er abbrach und mit schneidender Stimme ausrief: „Da habt ihr euch gewaltig geirrt! Ihr seid nichts gegen mich! Ich werde euch zeigen, wie leicht es mir fällt, euch einfach auseinanderzureißen!“ Er verschränkte die Arme über seinem Kopf und die Luft wirbelte um ihn herum auf. Severus und Harry wappneten sich für den nächsten Angriff, doch plötzlich war Voldemort verschwunden. Alarmiert sahen sich die beiden an, doch keiner wusste, was geschehen war oder geschehen würde. Bis Harry sich keuchend nach vorn beugte und die Augen aufriss. Bilder flackerten vor seinen Augen, sein Denken wurde in die hinterste Ecke seines Hirns verdrängt und höhnisches Lachen breitete sich in seinem Kopf aus. 'Nein', dachte Harry nur, als ihm bewusst wurde, was Voldemort da gerade tat. 'Doch!', hörte er die Antwort in seinem Kopf. Severus hingegen sah nur, wie Harry zitternd auf die Knie sank und ins Nichts starrte. „Harry?“, fragte er misstrauisch nach und als Harry ihn ansah, sah er das rote Funkeln in seinen Augen. Der Tränkemeister schluckte. „Harry, lass nicht zu, dass er dich kontrolliert. Verbanne ihn aus deinen Gedanken!“ Harry hörte die Stimme des anderen nur gedämpft. In seinem Inneren war ein Kampf entbrannt, ein Kampf um die Vorherrschaft seines Denkens. Voldemort blockierte seine Gedanken, wühlte in seinen Erinnerungen und Harry brauchte seine gesamte Kraft, um die Erinnerungen an die Horkruxe und Severus' Vergangenheit zu schützen. Er durfte nicht zulassen, dass Voldemort auch nur einen winzigen Bruchteil davon zu sehen bekam. Wenn er das nicht schaffte, war alles aus. Der Gryffindor nahm nur am Rande wahr, dass er sich erhob und zu Severus herübersah, der angespannt zurückblickte und offenbar nicht wusste, was er tun sollte. Harrys Augen waren nun glühend rot und ein gehässiges Grinsen formte sich auf seinen Lippen. „Wirklich interessant“, sprach Harry mit einer fremden Stimme. „Er weiß also erst seit kurzem, dass du es warst, der mir von der Prophezeiung berichtet hatte.“ Severus schluckte und wurde deutlich nervöser, während sein Gesicht erbleichte. Mit ruhiger Stimme sagte er: „Harry, sperr ihn aus...“ „Das hat keinen Sinn, Severus, und das weißt du auch“, fiel Harry ihm gelangweilt ins Wort. „Der Junge ist viel zu schwach, um sich gegen mich zu wehren. Er hätte vielleicht eine Chance gehabt, wenn er nicht ohnehin gerade so wütend auf dich wäre. Das gibt mir den idealen Nährboden.“ Severus spannte den Kiefer an und während er nach außen hin relativ ruhig wirkte, war er innerlich vollkommen aufgewühlt und nervös. Harry hingegen schrie innerlich, dass er nicht auf Voldemort hören sollte, dass er ihm kein Wort glauben sollte, doch es war vergeblich. Er schaffte es zwar inzwischen, Voldemort von seinen Erinnerungen fernzuhalten, aber dafür hatte er keinerlei Kontrolle über seinen Körper. „Soll ich seine Wut noch ein wenig anheizen?“, stichelte Voldemort boshaft grinsend weiter. „Soll ich ihm zeigen, wie du vor mir gekniet hast, wie ein höriger Köter? Wie du mir aufgeregt von deinen Beobachtungen erzählt und mit stolz mein Lob angenommen hattest?“ Erneut prasselten Bilder auf Harry ein, nur dieses Mal waren es Voldemorts Erinnerungen und nicht seine eigenen. Severus, wie er vor ihm kniete und ehrfürchtig den Saum seines Mantels küsste, wie er mit gesenktem Kopf die Worte von Trelawney wiederholte... Während Voldemort all diese Bilder vor Harrys innerem Auge abspielte, wich Severus zwei weitere Schritte zurück und schluckte hart. Er fürchtete sich nicht vor Voldemort, sondern vor Harrys Gedanken und Gefühlen. Er konnte nur zusehen, wie Voldemort ihre ohnehin schon schwierige Beziehung noch weiter verschlimmerte, Harrys Hass weiter gegen ihn schürte. Voldemort nahm ihm Harry endgültig weg und es quälte ihn, nichts dagegen tun zu können. Sein Entsetzen bereitete Voldemort diebische Freude und stachelte ihn nur weiter an. „Soll ich dir einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was in dem Jungen vorgeht?“, säuselte Voldemort unheilvoll und hob Harrys Zauberstab. „Crucio!“ Mit Entsetzen sah Harry, wie sein eigener Zauber Severus ächzend zu Boden sinken ließ. Es war nicht das erste Mal, dass Severus gefoltert wurde und so hielt er seine Schmerzenslaute weitestgehend zurück, doch es reichte dennoch aus, um sowohl ihn als auch Harry tief zu erschüttern. Ein weiterer Cruciatus und Severus krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden zusammen. „Oh ja, spüre seinen Zorn“, labte sich Voldemort an seinem Schmerz und streute mit seinen Worten Salz in die Wunde. Harry wollte schreien, aufbegehren, doch er hatte keine Chance. 'Nichts fühlen, nichts fühlen, nichts fühlen', ermahnte Harry sich immer wieder, doch wie in Merlins Namen sollte er das jetzt hinbekommen?! Voldemort unterbrach den Zauber und keuchend lag Severus vor ihm und hielt sich zitternd die Seite. „Was wirst du jetzt tun, Severus?“, hauchte Harry dunkel. „Du könntest dich wehren, indem du den Jungen angreifst. Schalte ihn aus und du hast deine Ruhe.“ Mit zitterndem Arm stützte Severus sich ein wenig ab, um den Kopf besser heben zu können. Sein Blick traf den des Gryffindors und seine Augen spiegelten Trotz wider, hinter dem er versuchte den physischen sowie psychischen Schmerz zu verstecken. Harry wusste, dass dieser Trotz eine letzte, verzweifelte Abwehrreaktion gegen Voldemort war. 'Nein', wollte Harry verzweifelt rufen, als er erkannte, dass Severus Voldemorts Worten wirklich Glauben schenkte. Severus würde sich nicht wehren, niemals. Er würde Harry kein Haar krümmen, egal wie lange er ihn foltern würde. Er war zur Zeit machtlos, sowohl gegen die Flüche, als auch gegen Voldemorts Worte. Er hatte den Kampf bereits aufgegeben, das war für Harry nur allzu deutlich in seinen Augen zu sehen. Sein Blick drückte so viel seelischen Schmerz aus, dass es Harry vor Verzweiflung lähmte. 'Glaub ihm nicht!' Doch wieder verließ Harrys Lippen nur ein hämisches Lachen. „Crucio!“ 'NEIN!' Severus' ganzer Körper verkrampfte sich und er unterdrückte seine Schmerzensschreie nicht länger. Harry stellten sich die Nackenhaare auf bei diesen Schreien, die schlimmer waren als alles, was er je gehört hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)