Es kommt wie es kommt von Senria (SheenaxZelos) ================================================================================ Kapitel 2: Kalt --------------- Kalt Kapitel 2   „Z-Zelos!“ Eine Dunstwolke formte sich vor ihrem Gesicht, zitternd strich sich Sheena über ihre Arme. Was war bloß passiert? Eiskalt fiel der Schnee in ihren Nacken, schmolz auf ihren schwarzen Haaren, ließ sie die Kälte noch viel stärker spüren. „Zelos, wo bist du? Zelos!“ Er war doch hier, sie war sich sicher! Mit schweren Schritten stapfte Sheena durch den tiefen Schnee. Eine endlose Wüste aus weißer Einsamkeit erstreckte sich vor ihr, egal wohin sie auch sah, bis auf ein paar Berge in der Distanz war alles in dem weißen Glitzer gefangen. „Verdammt ist das kalt…“ Erneut versuchte sie die Kälte aus ihren Gliedern zu reiben. Wie kam sie bloß in diese trostlose Gegend? „Sheena!“ Sofort drehte sich die Beschwörerin um und atmete erleichtert aus, als sie ihn entdeckte. Seine feuerroten Haare, die man nun nicht mehr übersehen konnte, waren ebenfalls durchnässt, und auch die Kleidung des Auserwählten gab ihm fast gar keinen Schutz gegen die beißende Kälte. Keuchend blieb er vor ihr stehen. „Sheena… Bist du verletzt? Geht es dir gut?“ Er streckte eine Hand zu ihr aus, strich ihr die nassen Strähnen aus dem Gesicht. „Mir geht es gut. Mir ist nur unglaublich kalt. Was ist bloß passiert?“ Zelos sah sich um. Sie konnte ihm ansehen, dass er diesen Ort hasste. Dass er den Schnee hasste. Und jetzt waren sie darin gefangen, irgendwo inmitten einer unendlichen Eiswüste, aus der es scheinbar kein Entkommen gab. Der Auserwählte zog seinen Mantel aus und legte diesen über Sheenas Schultern. „Lass uns zu den Bergen gehen. Wenn wir hier bleiben, erfrieren wir.“ Auch wenn sein Mantel ebenfalls durchnässt war, er war warm und gab ihr ein wenig Gefühl in ihre Arme zurück. Dankbar lächelte sie zu Zelos hinauf. Er sah hinunter, sein Blick beruhigend trotz all dieser unsicheren Gefühle. „Bleib dicht bei mir. Wenn wir in Flanoir sind, dann sind auch Sliver nicht weit. Wir dürfen uns auf keinen Fall entdecken lassen!“ Sheena zuckte kurz zusammen. Sliver… Sie hasste diese Würmer abgrundtief, es gab kaum etwas schlimmeres was ihnen nun passieren konnte. Der leichte Druck seiner Hand in ihrem Rücken gab Sheena genug Mut, weiter zu gehen. Sie stolperte mehrmals, landete mit ihrem Gesicht im kalten Schnee, auch wenn Zelos immer wieder versuchte, sie aufzufangen. „Sheena?“ Blinzelnd sah die junge Frau zu Zelos hinauf. „Hm?“ „Ah. Egal was passiert, du bleibst wach, klar?“ Schnaubend bahnte sie sich weiter ihren Weg durch den Schnee. „Du musst mir nicht sagen, dass ich wachbleiben soll. Die Winter in Mizuho sind genauso kalt gewesen, das bisschen Schnee wird mich nicht umbringen.“ Zelos besorgter Blick änderte sich und er lächelte leicht. „Heh, ich habe nichts anderes als Antwort erwartet!“ Grinsend neckte er sie leicht. „Und außerdem bist du weit und breit das einzige weibliche Wesen, ich wüsste gar nicht, was ich ohne meine Hunnies machen sollte!“ „Bescheuerter Auserwählter! Spar dir deinen Atem lieber fürs Laufen!“ Auch wenn sie ihm in die Seite schlug und er japsend und lachend weiter neben ihr herlief, behielt er Sheena im Auge. Die junge Ninja zitterte bei jeder Windböe auf, und auch wenn sie es niemals zugeben würde, sie war müde. Die Zeit verging nur langsam, die Berge waren noch immer unerreichbar fern. Das Einzige was diese winterliche Stille unterbrach war ein Keuchen, ein lautes und erschöpftes Keuchen. Die Frage nach dem Warum hallte Sheena schon eine gefühlte Ewigkeit im Kopf herum, aber sie konnte sich darauf keine Antwort geben. Vielleicht hatte sie jemand mit diesem Licht außer Gefecht gesetzt und sie beide verschleppt? Aber wer würde solch eine Arbeit auf sich nehmen? Wäre es nicht viel einfacher, sie einfach gleich zu töten? Egal wie sehr Sheena darüber nachdachte, sie kam auf keine Antwort. Alles was sie spürte, war die beißende Kälte, manchmal die Hand von Zelos, der sie auffing oder unterstützte. Und die Müdigkeit. Eine unbeschreibliche Müdigkeit, die sich durch alle Glieder zog. Sie wäre so gerne eingeschlafen, hätte sich so gerne in ihren Futon gekuschelt. „Sheena! Sheena, hey!“ Unsanft rüttelte Zelos sie aus ihrem Tagtraum, benommen starrte sie in die blauen Augen bis sie endlich wieder zu sich kam. „W-Was…“ „Sheena, du sollst nicht einschlafen! Du Dummerchen, immer muss ich mich bei dir wiederholen!“ „Ich hab… nicht viel geschlafen gestern.“ Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle, ohne zu zögern zog er den durchnässten und zitternden Körper an sich. „Versprich mir, dass du wach bleibst! Egal was passiert, du darfst nicht schlafen. Bitte, Sheena.“ Wie warm er doch war. Und wie sehr sie in diesem Moment sich nichts sehnlicher wünschte, als das er sie niemals wieder loslassen würde. Hier, in dieser Wüste des eisigen Todes, nur sie beide allein. Niemand, der sie beurteilen würde, niemand, der sie beobachtete oder der über sie schlecht redete. In diesem Moment gab es nur ihn, seine Umarmung, seine Wärme. „Wir sind nicht mehr weit entfernt. Du kannst das, du bist doch meine dämonische Banshee.“ Vorsichtig nahm Zelos ihre Hände in seine und hauchte sanft seinen Atem auf diese um sie aufzuwärmen. „Wenn du es schaffst, hast du einen Wunsch frei. Egal was du von mir verlangst, ich werde alles dafür tun.“ Zelos zog sie langsam mit sich. Auch wenn Sheena noch immer mit ihm mitlief, er war sich sicher, dass sie nicht mehr spürte, was passierte. „Egal was, hörst du? Aber bleib wach. Denk an deine Hochzeit. Ich will dich in einem wunderschönen Kleid sehen, einem langen weißen Kleid. Weißer als dieser verfluchte Schnee. Ich will dein Lächeln sehen, wenn du zu deinem Bräutigam hinauf steigst!“ Mit seinem Handrücken rieb er sich den Schnee aus seinem Gesicht, zog sie weiter ohne zu stoppen. „Ich will deine Kinder sehen, Sheena! Deine kleinen Bälger, die mir durch meine Villa laufen und Sebastian den letzten Nerv rauben!“ Grinsend zog er sie näher zu sich. „Wir sind fast da. Ich verspreche dir, du kannst so viel schlafen wie du willst, halte durch. Nur noch das bisschen.“ Er schaute nicht mehr zu ihr hinunter. Er wusste nicht einmal mehr, ob sie selbst noch lief oder ob er sie nur mitzog. Alles woran Zelos dachte war, dass sie diese Berge erreichen mussten. Er ignorierte den Schmerz in seinen Fingern, seinen Beinen, seinen Armen. Die Nässe und Kälte, den Schnee, den heulenden Wind… „Sheena, Sheena-Honey. Wir sind da. Wir haben es geschafft.“ Verzweiflung übermannte den vor Kälte schlotternden Auserwählten. „Sheena?“ Wie panisch rieb er über die kalten Wangen des zierlichen Körpers, drückte sie an sich und rieb ihr immer wieder über ihre Gliedmaßen. Er fand keine Höhle aber einen Vorsprung, unter den er sie trug und dort wieder an sich drückte. „Verdammte Götter, Sheena, komm zu dir! Du darfst nicht schlafen! Verdammt, verdammt, verdammt!“ Doch sobald Zelos den schwachen Atem der jungen Beschwörerin auf seiner Haut spürte, sah er auf. Er beobachtete sie, rieb ihr wieder über ihre Arme und Beine, und hielt Sheena so nah an sich wie es nur ging. Nein. Nein, nicht erneut. Dieses Mal würde er sie nicht aufgeben, dieses Mal würde er um sie kämpfen. Gefühlt tausend Stunden, rieb er ihr über den Körper, wärmte sie so gut er nur konnte. Jeden Atemzug den sie tat, jede Bewegung die er spürte gab ihm die Kraft, weiter zu machen. Wer auch immer ihren Tod wollte, wer auch immer sich nach den leblosen Körper der beiden sehnte, Zelos würde bis aufs Blut dagegen kämpfen. Sterb. Nein. Nein! NEIN! Sterb. Sterb für uns. Folge uns, Sheena. Wir haben dir vertraut. Wir haben an dich geglaubt und sind gestorben. Sterb. Ich war sieben Jahre alt! Ich war noch so klein! Ich habe doch alles versucht. Alles versucht… Alles… Komm. Mörder. Komm zu uns. Wir werden dich nie wieder loslassen, du wirst bei uns bleiben, das willst du doch. Ich hab Angst. Geht weg! Geht alle weg, bitte, geht weg! Mörder. Mörder. MÖRDER. Panisch holte Sheena Luft. Sie saß aufrecht, starrte auf ihre eigenen Beine. War das ein Traum? „Sheena?“ Die junge Ninja sah zu Zelos, der mit einem fragendem aber sanften Blick antwortete. Doch der Schrecken dieses grausamen Traumes saß ihr noch immer in allen Gliedern, sie begann zu schlucken. Du darfst jetzt nicht weinen! Du bist viel zu stark dafür! Nicht vor ihm! Zelos strich vorsichtig über ihre Wangen, welche durch die frischen Spuren von Tränen leicht glänzten. Ihr Körper bebte, sie versuchte noch immer ihre Fassung zu bewahren, aber als er ihren Kopf an seine Brust drückte, konnte Sheena nicht mehr. Sie fing an zu weinen, laut und ohne Scham. „Shht, meine Kleine, es wird alles gut. Ich verspreche es dir. Es wird alles gut.“ Zelos hielt sie auch weiterhin fest an sich gedrückt, lehnte sein Kinn sachte auf ihren Kopf. Sein Blick streifte über die kahle, weiße Landschaft, über die dunklen Wolken und blieb auf einem weit entfernten Punkt hängen. Also war sie noch immer nicht darüber hinweg, was passierte, was sie vor so langer Zeit erlebt hatte. Egal was sie allen erzählt hatte und wie sehr sie sich für ihr Dorf einsetzte, die Vergangenheit kam immer wieder zurück. Es war an der Zeit, dass er sie aus diesem dunklen Loch zog, das er sie zurückholte. Er, der den Schnee verfluchte und sich selbst für seine Schwester opfern wollte. Doch Lloyd hatte diese Zweifel mit der langen Reise für die Weltenvereinigung einfach hinweggefegt, sie alle waren gewachsen, alle waren stärker geworden. Und selbst wenn Sheena in diesem Loch noch einmal feststecken sollte, Zelos würde sie herausziehen und sie nie wieder gehen lassen. Ein schwaches Husten holte Zelos aus seinen Gedanken zurück und er hob seinen Kopf an, sah dabei zu Sheena hinunter. „Honey?“ Mit einem schniefenden Geräusch sah sie zu ihm hinauf, Tränen liefen noch immer ihre Wangen hinunter. „Es tut mir Leid! Es tut mir so Leid.“ Sie drückte sich zurück an den warmen Körper, versteckte ihr Gesicht in seinem Oberteil. „Es tut mir so Leid.“ Vorsichtig strich Zelos über ihren Kopf und antwortete flüsternd: „Versuch ein wenig mehr zu schlafen. Ich werde auf dich aufpassen. Schließ deine Augen, Sheena. Ich verspreche dir, ich gehe nicht weg. Nicht noch einmal.“ „Aber.“ Zelos gab ein kurzes, aber ermahnendes Geräusch von sich. „Kein Aber.“ Er zog sie auf seinen Schoß, hielt sie in beiden Armen um sie auch weiterhin vor der Kälte zu schützen. „Ich verspreche dir, ich werde dich nicht verlassen.“ Sheena konzentrierte sich auf seinen gleichmäßigen Herzschlag und schloss die Augen. Sie hörte ihn etwas murmeln, es wurde wärmer und wärmer, dann kam die Dunkelheit zurück. Mit einem prüfenden Blick beobachtete Zelos sie eine Zeit lang, strich ihr sanft Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wie lange würde er sie am Leben halten können? Wie lange würde es dauern, bis sie beide erfroren waren? Sein Mana war fast aufgebraucht, zum Fliegen würde es nicht mehr reichen, selbst seine Feuerzauber würden ihm viel zu viel wertvolles Mana kosten. Er konnte nur versuchen, sie mit First Aid zu wärmen. „Ich werde dich nicht sterben lassen.“ Sanft gab Zelos Sheena einen Kuss auf ihre Haare. „Dafür liebe ich dich viel zu sehr.“ Vorsichtig setzte er Sheena zur Seite und erhob sich. Die Kälte brachte seinen Körper fürchterlich zum zittern, er musste sich zusammenreißen, sie nicht ganz fallen zu lassen. Doch Zelos grinste leicht. Er war der Auserwählte Tethe’allas. Nichts würde ihn davon abhalten seine Prinzessin aus dieser Hölle zu befreien. „Verfluchter Schnee. Wir beide werden einen schönen, langen Urlaub in Altamira machen, wenn wir hier rauskommen.“ Sie an sich drückend sah Zelos hinauf in den Himmel. Wenn er wenigstens die Sonne sehen könnte, hätte er eine genaue Richtung, aber so war es ein Spiel auf Zeit und Glück. „Tsk. Nichts auf dieser Welt kann mich daran hindern, ein Honey zu retten. Nicht einmal alle Götter zusammen!“ Zelos verlor keine weitere Zeit mehr. Er orientierte sich an den Bergen, folgte dieser Spur soweit er nur konnte. Seine Schritte waren langsam und schwer, selbst Sheena wurde immer schwerer, je länger er lief, aber er gab nicht auf. Er hatte nicht den ganzen Weg mit Lloyd und seinen Freunden auf sich genommen um hier in dieser trostlosen Einsamkeit zu sterben. „First Aid.“ Sheenas Körper leuchtete sanft auf, die blaue Farbe wich von ihren Lippen. „Schön wie eh und je. Lass uns weiter gehen, meine Prinzessin.“ Zelos wusste, dass er nur noch wenige Male First Aid nutzen konnte. Vielleicht war es sogar schon das vorletzte Mal, aber er konnte sich die Frage nicht beantworten. Die Kälte machte es ihm schwer zu denken, schwer zu handeln. Sein Weg führte ihn weiter an den Bergen entlang, Meter um Meter kämpfte sich der Auserwählte vorwärts, trotzte dem eiskalten Wind, dem Schneeeinfall sogar der Dunkelheit. Aber er konnte Sheena nicht mehr vor der klirrenden Kälte schützen, zu allem Überfluss hatte sich der Wind gedreht und peitschte nun mit voller Härte auf die beiden zu. „Gah!“ Mit einem dumpfen Geräusch fiel Zelos zu Boden. Er versuchte noch verzweifelt Sheena vor dem Aufprall zu schützen, aber er spürte seine Hände nicht mehr und musste sie ebenfalls fallen lassen. Schwer atmend richtete Zelos sich ein wenig auf, zog seinen Körper zu ihrem und drückte sie an sich. „Es tut mir Leid, Sheena. Mir.“ Einmal murmelte er noch First Aid, dann spürte er, wie die Kraft gänzlich verschwand. „Mir tut es so unglaublich Leid. Ich habe dich hier her zum Sterben gebracht, es ist alles meine Schuld. Wäre ich doch nie nach Mizuho gekommen, wäre das alles nicht passiert.“ Fing er tatsächlich an zu schluchzen? Er, der großartige Zelos Wilder, irgendwo inmitten einer Wüste voll von Schnee, fing an zu schluchzen? In diesem Moment war es ihm so egal, so unglaublich egal. Alles was er hatte, alles was er vom ganzen Herzen liebte lag unter ihm, begann langsam zu erfrieren und er konnte nichts dagegen machen. Er war verdammt dazu sie sterben zu sehen! Zelos vergrub seine Hände in Sheenas Oberteil und zog sie noch weiter an sich, drückte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. „Einen scheiß kann ich! Einen scheiß! Nichts als große Reden schwingen! Ich bin ein verdammter Versager, der größte Versager überhaupt! Bitte, Sheena. Bitte komm zurück. Lass mich nicht allein! Lass mich nicht allein!“ Egoistisch war er. Egoistisch und verzweifelt. Sie gehörte ihm, Sheena war seins, seins ganz allein. Mit niemanden wollte er sie teilen, niemanden einfach geben. Nicht Orochi, nicht Mizuho, nicht einmal dem Tod höchstpersönlich. „Lass mich nicht allein…“   Lass mich nicht allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)