Es kommt wie es kommt von Senria (SheenaxZelos) ================================================================================ Kapitel 1: Was immer du suchst ------------------------------ Kapitel 1 Was immer du suchst Die Weltenvereinigung, die Reise, die Abenteuer und Gefahren… Sheena seufzte leise. Das alles lag nun schon ein Jahr in der Vergangenheit, und doch fühlte es sich an, als wäre es eine halbe Ewigkeit her. Wie sehr sich doch alles verändert hatte. Wie sehr sie das alles vermisste. Jeder aus ihrer Gruppe, jeder einzelne von ihnen wurde ihr Freund, ihre Freundin, ein Weggefährte auf einer nie enden wollenden Reise. Ein leichtes Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie an jede Person einzeln dachte. Jeder auf seine Weise wundervoll und doch irgendwie verrückt. Aber sobald Sheena an Zelos dachte, sobald der Name in ihrem Gedächtnis auftauchte, durchfuhr sie ein angewidertes Kribbeln und sie hätte ihm am liebsten sein dummes Grinsen aus seinem Gesicht geschlagen. Und doch… Gerade ihn vermisste die junge Frau am meisten. Diesen selbstsüchtigen, narzisstischen , dummen Auserwählten, der jedes weibliche Wesen anflirtete, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Dieses selbstgefällige Grinsen, diese eisigkalten saphirblauen Augen, die so tief waren wie der Ozean selbst. Die feuerroten Haare, die in jedem Windhauch sanft die Konturen seines Gesichts umspielten, dieser sanfte Klang, den seine ruhige Stimme hatte… „Sheena?“ Erschrocken fuhr die schwarzhaarige Ninja hoch und stieß dabei ein Töpfchen mit Tinte um. „Orochi! I-Ich… Ich hab dich nicht kommen gehört, also ich…“ Panisch versuchte sie die pechschwarze Flüssigkeit mit einem Tuch aufzufangen, ehe sie bemerkte, dass das Tuch einer ihrer Handschuhe war. Seufzend gab sie es auf und rang sich zu einem Lächeln durch. „Ist etwas?“ „Ja, aber geht es dir gut? Du bist so blass.“ Sheena nickte hastig. „Mir geht es prima, mach dir bitte keine Sorgen. Ich hab nur etwas schlecht geschlafen.“ Orochi sah sie nur weiter mit einem prüfenden Blick an. Er kannte seine Freundin lang genug um zu sehen, wenn sie zu lügen versuchte. „Bist du dir sicher?“ „Ich bin… Ich bin mir sicher, Orochi“, gab Sheena etwas genervt von sich. „Worum handelt es sich nun? Wie geht es Igaguri?“ „Es geht ihm besser, aber das ist nicht der Grund, warum ich zu dir kam.“ Eine lange Stille folgte, ehe Orochi weiter in den kleinen Raum ging, langsam auf Sheena zu. „Es ist bald Frühling. Die Kirschblüten werden blühen und die Vögel ihre Lieder singen…“ Der junge Mann wandte seinen Blick für einen Moment von Sheena ab, ehe er zurück zu ihr sah. Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Wir müssen eine Entscheidung treffen, für Mizuho. Und ich weiß, dass Igaguri deine Entscheidung sicherlich mit Freuden erwarten wird!“ Sheena zuckte innerlich zusammen. Am liebsten wäre sie aus seiner Reichweite geflohen, einfach nur raus aus diesem Haus, einfach weg aus Mizuho, zurück zu ihren Freunden, auf die lange Reise um die Welten erneut zu retten. Sie schwieg, wich seinem Blick aus und nahm den mit Tinte durchtränkten Handschuh vorsichtig hoch. „Ich… Ich muss den waschen, sonst kriege ich die Farbe nie heraus.“ Damit stand sie auf und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort zu sagen. „Toll gemacht, Sheena. Alles was du kannst ist weglaufen… Und dich verstecken.“ Ungeduldig tauchte sie ihren Handschuh in den Fluss, das eisig kalte Wasser ignorierend. Sie rieb den Stoff immer wieder aneinander, doch je länger sie in das klare Wasser starrte, desto langsamer wurden ihre Bewegungen. „Warum… Muss ich schon wieder an… an diesen blöden Idioten denken...“ Sie zog den Handschuh aus dem Wasser, sah hinauf zu den Baumwipfeln, an denen die Knospen nur auf die ersten, warmen Sonnenstrahlen warteten und schloss die Augen. Sheena sah die Weiten Tethe’allas, die grünen Wiesen und die seichten Hügel, die das letzte Licht der Abendsonne einfingen und alles in ein warmes Orange färbten. Sie sah Noishe, wie er winselnd hinter Lloyd herlief, wie Colette ihm lachend folgte und wie Genis und Raine ihnen nachliefen. Sie sah Presea und Regal, selbst Alicia konnte sie in diesem Frieden finden. „Darf ich bitten, Mylady?“ Sein sanftes Lächeln, seine Hand, die er ihr entgegenstreckte, seine Haare, die, gebadet in dem warmen Licht, leicht in dem Wind mitwogen… Sobald Sheena ihre Augen wieder öffente, kam ihr die beißende Kälte des Winters entgegen, die warme Abendsonne wich dem kristallklaren Wasser des Flusses und das Lachen formte sich zu einem eiskalten, heulenden Wind. Langsam erhob sich die junge Beschwörerin, wrang den Handschuh aus und ging zurück in das Dorf, welches sie vor nicht allzu langer Zeit panisch verlassen hatte. Wieder einmal. „Sheena? Da bist du ja, ich hab mir schon Sorgen gemacht!“ Orochi lief ihr entgegen, behielt jedoch einen respektvollen Abstand ein. „Wir haben Besuch.“ Sheena sah fragend zu ihm. „Besuch? Ist… Ist Kuchinawa…?“ Ein Kichern und Glucksen beendete ihren Satz schneller als ihr lieb war. „Ahahaha! Nicht alle auf einmal! Es ist für jeden etwas da, für jeden von euch Hunnies!“ Konnte es sein? War das ein Traum? Ungläubig lief sie an Orochi vorbei, eher vorsichtig und langsam nährte sie sich der kichernder Gruppe, die feuerroten Haare stachen ihr sofort ins Auge. Das war kein Traum. Aber was wollte Zelos, der Zelos Wilder hier in Mizuho? Er hatte doch gesagt, er wollte einen langen Urlaub machen, ohne Schnee und ohne, so wie er es nannte, haufenweise Hunnies um die er sich kümmern musste. „Zelos?“ Sofort erstarb alles Gekicher und die Mädchen wichen langsam zu den Seiten aus. Dort waren sie. Die kalten, saphirblauen Augen, die zu ihr hinunter sahen, prüfend, abschätzend, musternd. Sheena konnte nie lesen, welche Emotionen er dahinter verbarg. „Sheena-Honey! Wie ich den wunderschönen Anblick meiner Banshee doch vermisst habe!“ Er lachte aus vollem Halse, kam ihr gefährlich nah und fing sich gleich eine Backpfeife ein. „Was fällt dir ein hier reinzuplatzen, so viel Unruhe zu stiften und dann zu glauben, ich würde dich mit offenen Armen empfangen, nachdem du einfach verschwunden bist?!“ Zelos rieb sich die schmerzende Stelle, grinste jedoch schneller wieder als es Sheena lieb war. „Ich hab dich vermisst! Meine gefährliche Schönheit, der ich doch nie einen Wunsch abschlagen könnte!“ Sheena schnaubte verächtlich. „Erzähl keinen Unsinn! Rück schon raus mit der Sprache, was willst du hier?“ „Ich sage die Wahrheit! Ich habe den üppigen Anblick deines Körpers wirklich vermisst!“ Vollidiot. „Zelos, was willst du hier?!“ Sheena betonte die Worte einzeln. „Bei Martel, ist ja gut. Lass uns das an einem ruhigen Ort besprechen, ja? Meine wunderbare Banshee.“ Da er ihr erneut zu nah kam, schob sie ihn weg. Unsanft. Forsch. Jedoch hatte er ihre Neugierde geweckt. „Also gut. Folge mir. Und ihr anderen, shoo shoo, zurück an die Arbeit! Es gibt genug worauf ihr euch konzentrieren könnt!“ Es gab unzufriedenes Gemurmel und Proteste, die Sheena gekonnt ignorierte. „Nun, was willst du mir sagen?“ Die Arme verschränkt, saß Sheena auf dem Boden, Zelos ihr Gegenüber. Der Auserwählte sah zu ihr, dann zu Orochi, der am Eingang des Raumes stand und die beiden musterte. „Ich fange an, sobald dein Bodyguard sich um seine Angelegenheiten kümmert!“ Seufzend drehte sich Sheena zu Orochi und gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie damit auch allein fertig wurde. Der Ninja sah noch einmal prüfend zu Zelos, dann ließ er die beiden alleine. „Also. Ich warte.“ „Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen, Sheena.“ Zelos lächelte. Aufrichtig und sanft, eine eher seltene Geste, vor allem in ihrer Gegenwart. Die junge Frau verspürte eine eigenartige Wärme, wahrscheinlich konnte er sich das denken, da sich sein Lächeln zu einem verschmitzten Grinsen wandelte. „D-Danke… Es… Es ist auch schön, wieder e-etwas von dir zu hören.“ „Aber mal abgesehen von deinem unglaublichen Körper, Honey, ich wollte über etwas Ernstes mit dir reden.“ Das Grinsen verschwand. „Es gibt eine Menge Streitigkeiten zwischen den Gouverneuren von Tethe’alla und den Leuten aus Sylvarant seit der Weltenvereinigung.“ Seitdem sie ihn kannte, hatte sie dieses ernste Gesicht von ihm nur zwei- oder dreimal gesehen. Egal worum es ging, er war immer Zelos wie ihn alle kannten, der Vollidiot, der kein Blatt vor den Mund nahm, der mit Leichtigkeit durch das Leben ging. Jedoch in diesem Moment war sich Sheena sicher, dass Zelos etwas plagte. Vielleicht etwas, was nicht einmal sie beide zusammen besiegen konnten. Nickend stimmte sie ihm zu. „Ja, ich habe davon gehört. Es soll sogar zu Übergriffen auf einige Menschen geführt haben…“ Zelos schloss seine Augen und lehnte sich leicht zurück. „Wenn es das nur wäre. Tethe’allas Adelige raufen sich zu einem Berg von raffgierigen Spinnern zusammen und versuchen sinnlose Zölle auf die Leute aus Sylvarant zu legen. Seitdem das System mit dem Auserwählten abgeschafft wurde, kann nicht einmal ich etwas dagegen sagen.“ Er fühlte sich für all das Ganze verantwortlich, weil er nichts mehr dagegen tun konnte? Sheena hatte noch immer die Dienste, die sie im Auftrag des Königs ausführte, aber für Zelos… da war kein Platz mehr für einen machtlosen Auserwählten. Sie verstand, was er fühlte, wie frustriert er darüber sein musste. „Was gedenkst du nun zu tun?“, fragte Sheena mit Vorsicht in ihrer Stimme. Zelos sah wieder zu ihr hin. „Ich werde den König direkt darauf ansprechen, aber das kann ich nicht allein. Dort kommt deine überwältigende Schönheit ins Spiel.“ Er konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Sheena gab ein kurzes, genervtes Geräusch von sich. „Was soll ich tun?“ „Ich brauche jemanden, der meine Befürchtungen unterstreichen kann, der ein weiterer Zeuge ist, jemand auf den ich mich vollkommen verlassen kann.“ Sheena überlegte, rieb sich langsam über ihren Arm. „Ich würde dich natürlich unterstützen. Das ist keine Frage, nur…“ Zelos beugte sich leicht zu ihr. „Nur?“ Wie sollte sie ihm das sagen? Lügen konnte sie nicht, er würde sie jedes Mal aufs Neue entlarven. „Sheena?“ Diese Stimme… Sie war so voller Angst, auf das, was sie ihm erzählen würde. Dabei hatte er damit gar nichts zu tun, jedenfalls redete Sheena sich das gerne ein. „Sheena?“, wiederholte Zelos vorsichtig. „Ja, ja, ich hab verstanden… Es ist nicht so leicht zu erklären!“ Sie drehte ihren Kopf zur Seite, spielte unruhig mit der Matte herum, auf der sie saß. Sehen konnte Sheena ihn im Moment nicht, aber hören. Er rutschte näher, berührte sanft ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. „Sheena, egal was du mir sagen wirst, ich bin dir nicht böse. Wir sind Freunde, oder? Wir haben schon viel Schlimmeres erlebt als das hier.“ Da waren sie wieder, diese Ozeane. Und…sie waren traurig? Er fuhr fort. „Nichts auf dieser Welt könnte so schlimm sein, das ich auf dich böse sein würde. Wie soll ich diesen wundervollen Augen jemals böse sein? Nun komm schon. Erzähl Zelos, was in deinem hübschen Köpfchen vorgeht.“ „Hör auf damit.“ Grummelnd schob sie seine Hand weg. „Du hast doch keine Ahnung.“ „Dann verschaffe mir Ahnung, meine dämonische Banshee.“ Der Rothaarige lehnte sich langsam zurück, betrachtete sie jedoch weiterhin. „Es ist bald Frühling. Die Zeit ist gekommen, dass ich Mizuhos Oberhaupt werde.“ Zelos klatschte leicht in seine Hände. „Na prima! Dann bist du die oberste dämonische Banshee! Die Schönste von allen, die Schönste überhaupt!“ „Ich werde heiraten.“ Stille. Es war so still, dass Sheena leicht ängstlich zu Zelos sah und was er als nächstes sagen würde. Doch der junge Mann sagte nichts. Er sah hinunter auf den Boden und lächelte leicht. „Heh“, durchbrach er endlich die Stille. „Heiraten, hm?“ „Ja. Wenn ich nicht heirate, kann ich kein Oberhaupt werden. Ich brauche die Unterstützung meines…Mannes für den Posten.“ Noch immer änderte sich Zelos Mine nicht. Aber Sheena bemerkte, dass die Traurigkeit in seinen Augen, die sie zuvor noch bemerkt hatte, verschwunden war. Sie waren leer und eisig kalt, so wie ein jeder sie kannte. „Ich schätze“, begann Zelos viel zu locker für Sheenas Geschmack, „Dass dein Bodyguard den Posten einnimmt, was?“ Sie ließ sich Zeit mit der Antwort, nickte jedoch leicht. „Ja.“ „Heh.“ Mehr nicht? Kein Kampf um sie? Kein Kampf um ihren ´wundervollen Körper´? „Dann hat er den Jackpot gezogen. Hoffentlich weiß er, wie man mit dir umgeht, hahaha!“ Er lachte laut, rieb sich über sein Gesicht und packte danach urplötzlich ihre Schultern. „Das ist wunderbar! Lad mich zur Hochzeit ein! Es wird sicherlich eine Menge einsamer Hunnies geben, die meine Gesellschaft gut gebrauchen können!“ „Eh…?“ „Oder wir feiern bei mir! Ich hab genug Platz und Sebastian würde sich freuen, dir mal wieder zu helfen! Er scheint dich ja zu mögen!“ „Also…“ Sheena war überrumpelt, er reagierte so unglaublich anders als sie es erwartet hätte. Da war dieses lähmende Gefühl im Bauch, etwas, was sie schon einmal gefühlt hatte. Als ob sie ihn verlieren würde. Sheena riss sich zusammen. „Was ist mit den Adeligen?“ „Ach wo, mach dir drüber keine Gedanken mehr!“, grinste Zelos und klopfte sich leicht selbst auf die Brust. „Das ist Zuckerschlecken! Krieg ich hin! Du musst dich auf deine Hochzeit konzentrieren. Das verlangt nach einer Menge Planung!“ „Aber…“ „Kein aber, Sheena-Honey!“ Zelos grinste noch breiter als vorher. „Überlass alles andere nur mir! Es gibt nichts, was den großartigen Zelos Wilder aus der Bahn werfen könnte! Ich mach die bösen Jungs schneller fertig, als du Zelos sagen kannst!“ Er reagierte so eigenartig. „Zelos, ich kann dir wirklich dabei helfen, es ist nicht so, dass ich gar nichts mehr tun kann. Ich bekomme genug Hilfe von den anderen Leuten aus Mizuho.“ „Trotzdem. So eine Hochzeit ist etwas sehr wichtiges, eine Entscheidung die man für sein weiteres Leben trifft, da musst du konzentriert sein! Ich möchte dich da nicht mit meinen Lappalien nerven, Honey.“ Und da sagte er etwas, was Sheena dazu brachte, für einen Moment mit einem ganz verstörten Blick zu ihm zu sehen. „Sheena? Ist alles in Ordnung? Du schaust als wäre Martel hinter mir erschienen!“ Blinzelnd und kopfschüttelnd versuchte sie sich von diesen Gedanken zu lösen. „Mir geht es gut. Was… hast du nun vor?“, versuchte sie vorsichtig das Thema zu wechseln und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Ich werde zurück nach Meltokio gehen und mich darum kümmern, den Adligen dort mal gehörig den Kopf zu waschen! Und ich erwarte eine Einladung zu deiner Hochzeit, meine Liebe!“ Sheena zuckte merklich zusammen als er ihr plötzlich näher kam und mit seinem Handrücken über ihre Wange strich. „Wenn er dich nicht glücklich macht, dann… Ahahah! Vergiss es!“ Schnell zog Zelos sich zurück und stand auf, grinste noch immer so schelmisch. „Ich hoffe ich hab dich nicht zu sehr gestört, Honey.“ „N-Nein, im Gegenteil, ich bin froh zu sehen, dass es dir gut geht.“ Sheena erhob sich und klopfte leicht ihre Kleidung aus. „Wirst du Mizuho vorher noch einmal Besuchen?“ Die junge Dame hoffte auf eine zustimmende Antwort, nein, sie flehte dafür. „Ich schätze schon. Wer weiß wie lange es meine Hunnies ohne mich hier aushalten, hmm?“ Seufzend stich sie ihm in die Seite, woraufhin er kichernd zusammenzuckte. „Dann… freue ich mich darauf, dich wieder zu sehen, Zelos“, sagte Sheena aufrichtig und nickte leicht. Der Auserwählte verließ langsam das Zimmer, gefolgt von Sheena. „Ich verabschiede mich noch schnell von den Süßen, also…“ Ohne Vorwarnung drehte Zelos sich zu ihr um und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Bis bald, Sheena-Honey!“, gab er lachend von sich und winkte ihr zu, ließ der Beschwörerin gar keine Zeit zum Nachdenken oder handeln. „Ich warte auf die Einladung!“ Der Auserwählte ließ eine völlig verwirrte Sheena zurück. Dieser Tag… Er fing so seltsam an wie schon lange nicht mehr und er wurde immer seltsamer, selbst nachdem sie ihn wiedergesehen hatte. Ihn, den Zelos Wilder, den dummen Vollidioten, den sie manchmal am liebsten durch drei Wände gleichzeitig schlagen könnte. Die Gefühle die sie hatte waren so unglaublich durcheinander, dass Sheena sich kaum mehr auf ihre Aufgaben konzentrieren konnte. Egal was sie anfing, es missling ihr sofort. Auch nachdem Orochi ihr sagte, dass sie sich eine Pause nehmen konnte, wurde es nicht besser. Im Gegenteil, es wurde schlimmer und schlimmer, je öfter sie seine Worte wiederholte: „So eine Hochzeit ist etwas sehr wichtiges, eine Entscheidung die man für sein weiteres Leben trifft.“ Es tat weh. Ihre Brust fühlte sich an, als würde sie jemand zuschnüren, fester zuschnüren mit jeder Minute die verstrich. Sie hatte sich so gefreut ihn zu sehen in diesem Moment, wo er wirklich in Mizuho stand. Es war, als hätte jemand ihr alle Sorgen von den Schultern genommen, als könnte sie wieder mit allen anderen auf die lange Reise gehen. Warum hatte der Anblick des jungen Mannes ihr bloß so die Sinne vernebelt? Seit wann machte sie sich so viele Gedanken darum, wie er sprach, wie er roch oder wie er sie ansah, mit diesen tiefblauen Augen? Es tat so unglaublich weh zu wissen, dass sie ihn verlieren könnte, erneut einen Freund verlieren würde, der ihr so unglaublich nahe stand. Es gab niemanden, der sie besser kannte, der sie vor allem länger kannte. Niemand war ihr so ans Herz gewachsen, wie dieser dumme Auserwählte. Tief seufzend lehnte Sheena sich an die Wand. Sie hatte sich in ihren Raum zurückgezogen und saß dort in einer Ecke, verloren in ihren Gedanken über alles, was passierte. Warum war alles bloß so schwer geworden? Seit wann fühlte sie sich so leer und einsam? Es konnte doch nicht nur an diesem blöden Auserwählten liegen, dass ihr nichts mehr gelingen wollte! Sheena schüttelte ihren Kopf, angewidert von diesen vielen Gedanken, von dem was aus der starken Ninja geworden ist. „Ich kann so nicht weiter machen… Das Dorf zählt auf mich…“ Bevor Sheena aufstehen konnte, fing etwas an ihr zu leuchten an. Es waren Corrines Glöckchen, verwirrt und überrascht sprang Sheena auf. „Sheena.“ Eine ihr bekannte, warme Stimme war zu hören und mit einem leichten Aufblitzen trat Verius in das Zimmer. „Corrine…“ „Sheena, ich bin hier, um dir etwas zu zeigen.“ Unsicher und noch immer erstaunt ging sie auf Verius zu, legte langsam eine Hand auf seinen Kopf, ehe sie den Summon Spirit des Herzens umarmte. „Corrine! Ich hab dich vermisst. So unglaublich vermisst.“ Die große fuchsähnliche Gestalt drückte seinen Kopf sanft an Sheena. „Es gibt etwas, das ich dir geben möchte. Ein Geschenk.“ „Ein Geschenk?“, fragte die junge Beschwörerin, sah nun zu ihrem Freund, strich weiterhin über sein Fell. „Ja. Eine Reise. Eine Reise für dich und dein Herz.“ Sheena verstand erst nicht, was Verius meinte. Sie war zu glücklich, ihn zu sehen, ihn um sich herum zu haben. Dann jedoch siegte ihre Neugierde. „Eine Reise…für mein Herz?“, fragte sie leise. „Was genau… meinst du damit?“ Verius schien zu lächeln. „Ich möchte dir zeigen, was dein Herz wirklich sucht.“ „Aber ich suche doch nichts, ich habe doch hier-“ „Das glaubst du, Sheena“, unterbrach er sie sanft. „Aber ich bin der Summon Spirit des Herzens. Und deines ist voller Verlangen und Traurigkeit.“ Wie sollte sie ihm etwas anderes erklären? Er hatte es doch schon selbst gesagt. Verius wohnte in ihrem Herzen, es gab nichts, was er nicht über sie wusste. Sheena vertraute ihm. Egal was kommen mag, sie würde jeden Weg gehen, den er ihr geben würde. „Dann bin ich bereit, egal für was es sein wird.“ Der Fuchsgeist sah sie nun direkt an. „Er braucht deine Hilfe. Mehr denn je.“ Sie musste nicht fragen, um wen es ging. Sheena wusste sofort, wen Verius meinte. „Ich werde ihm helfen.“ „Geh, Sheena. Geh jetzt und folge ihm. Zögere nicht.“ Verius stupste sie zart mit seiner Schnauze an. „Geh.“ Sheena drehte sich um und lief zur Tür. Als sie zu Verius sehen wollte, war dieser verschwunden. Mit gemischten Gefühlen, noch immer unsicher und verwirrt, lief sie durch Mizuho, vorbei an den vielen Fragenden Gesichtern. Sie lief hinaus aus dem Dorf, hinein in den Wald. Luftschnappend stoppte sie an einer Weggabelung, ihre Gedanken rasten um das, was geschehen war. Sheena lief weiter, alles was passierte spielte sich vor ihren Augen immer wieder ab. Doch am Ende war es immer sein Gesicht und seine saphirblauen Augen, die ihr zuriefen und sie anlächelten. Das war es, was sie sich schon immer gewünscht hatte, diese Augen strahlen zu sehen, sie glücklich zu sehen. Über die lange Reise die sie zusammen waren, gab es kaum eine Nacht an der sie nicht daran dachte. Doch die größte Frage die sich die junge Ninja stellte war, ob er es genauso fühlen würde? War er bloß der Schatten von dem was sie sich vorstellte? Stolpernd holte sie die Realität zurück. Bevor Sheena weiterrennen konnte, sah sie ihn. Der rothaarige, junge Mann drehte sich in dem Moment um. Er schien erstaunt sie zu sehen. „Zelos!“ Sheena begann wieder zu laufen. Es war nicht mehr weit, ehe sie ihn erreichen würde. Ehe sie endlich verstehen würde, was das alles bedeutete. Er rief etwas, begann zu laufen. „Zelos!“ „Sheena, pass auf!“ Bevor sie ihn erreichen konnte, sprang Sheena zur Seite. Ein unnatürlich großer Bär schlug mit seiner Pranke auf die Stelle ein, wo Sheena gerade eben noch stand. „Air Thrust!“ Mit japsenden und jaulenden Geräuschen zog der Bär sich zurück. „Sheena, bist du in Ordnung?“ Zelos stellte sich beschützend vor sie, sah zurück um sich zu vergewissern, dass ihr nichts geschehen war. „M-Mir geht es gut! Mir geht es wirklich gut!“ „Hah!“, grinste Zelos, sah zurück zu dem Monster und drehte seine Schultern leicht. „Zeit für ein bisschen Action!“ Laut brüllend stellte sich der Bär auf seine Hinterpranken und schlug nach Zelos. Mit Leichtigkeit wich dieser aus. „Demon Fang!“ Die Attacke traf das Monster direkt und warf es auf seinen Rücken. Erneut jaulte es auf. „Sheena, bist du bereit?“ Der Auserwählte trat ein wenig zur Seite und sah zu der Beschwörerin, die nun auch kampfbereit neben ihm stand und nickte. „Ich bin.“ Sie zog eins ihrer Siegel aus einer Tasche und hielt es vor ihren Körper. „Serpent Seal Absolute!“ Innerhalb von Sekunden war der Bär in einem Schwarm von Siegeln gefangen. Zelos erhob sein Schwert, Sheena zog ihr nächstes Siegel heraus und beide wussten genau, was sie tun mussten. „Demon Seal!“ „Grave!“ Beide Attacken trafen das Monster gleichzeitig, es heulte laut auf und verschwand in einer Wolke aus Staub und Blättern. Weißes Licht umhüllte die Gegend und ehe sich die beiden über ihren Sieg freuen konnten, zog ein Blitz sie aus der Realität. Kapitel 2: Kalt --------------- Kalt Kapitel 2   „Z-Zelos!“ Eine Dunstwolke formte sich vor ihrem Gesicht, zitternd strich sich Sheena über ihre Arme. Was war bloß passiert? Eiskalt fiel der Schnee in ihren Nacken, schmolz auf ihren schwarzen Haaren, ließ sie die Kälte noch viel stärker spüren. „Zelos, wo bist du? Zelos!“ Er war doch hier, sie war sich sicher! Mit schweren Schritten stapfte Sheena durch den tiefen Schnee. Eine endlose Wüste aus weißer Einsamkeit erstreckte sich vor ihr, egal wohin sie auch sah, bis auf ein paar Berge in der Distanz war alles in dem weißen Glitzer gefangen. „Verdammt ist das kalt…“ Erneut versuchte sie die Kälte aus ihren Gliedern zu reiben. Wie kam sie bloß in diese trostlose Gegend? „Sheena!“ Sofort drehte sich die Beschwörerin um und atmete erleichtert aus, als sie ihn entdeckte. Seine feuerroten Haare, die man nun nicht mehr übersehen konnte, waren ebenfalls durchnässt, und auch die Kleidung des Auserwählten gab ihm fast gar keinen Schutz gegen die beißende Kälte. Keuchend blieb er vor ihr stehen. „Sheena… Bist du verletzt? Geht es dir gut?“ Er streckte eine Hand zu ihr aus, strich ihr die nassen Strähnen aus dem Gesicht. „Mir geht es gut. Mir ist nur unglaublich kalt. Was ist bloß passiert?“ Zelos sah sich um. Sie konnte ihm ansehen, dass er diesen Ort hasste. Dass er den Schnee hasste. Und jetzt waren sie darin gefangen, irgendwo inmitten einer unendlichen Eiswüste, aus der es scheinbar kein Entkommen gab. Der Auserwählte zog seinen Mantel aus und legte diesen über Sheenas Schultern. „Lass uns zu den Bergen gehen. Wenn wir hier bleiben, erfrieren wir.“ Auch wenn sein Mantel ebenfalls durchnässt war, er war warm und gab ihr ein wenig Gefühl in ihre Arme zurück. Dankbar lächelte sie zu Zelos hinauf. Er sah hinunter, sein Blick beruhigend trotz all dieser unsicheren Gefühle. „Bleib dicht bei mir. Wenn wir in Flanoir sind, dann sind auch Sliver nicht weit. Wir dürfen uns auf keinen Fall entdecken lassen!“ Sheena zuckte kurz zusammen. Sliver… Sie hasste diese Würmer abgrundtief, es gab kaum etwas schlimmeres was ihnen nun passieren konnte. Der leichte Druck seiner Hand in ihrem Rücken gab Sheena genug Mut, weiter zu gehen. Sie stolperte mehrmals, landete mit ihrem Gesicht im kalten Schnee, auch wenn Zelos immer wieder versuchte, sie aufzufangen. „Sheena?“ Blinzelnd sah die junge Frau zu Zelos hinauf. „Hm?“ „Ah. Egal was passiert, du bleibst wach, klar?“ Schnaubend bahnte sie sich weiter ihren Weg durch den Schnee. „Du musst mir nicht sagen, dass ich wachbleiben soll. Die Winter in Mizuho sind genauso kalt gewesen, das bisschen Schnee wird mich nicht umbringen.“ Zelos besorgter Blick änderte sich und er lächelte leicht. „Heh, ich habe nichts anderes als Antwort erwartet!“ Grinsend neckte er sie leicht. „Und außerdem bist du weit und breit das einzige weibliche Wesen, ich wüsste gar nicht, was ich ohne meine Hunnies machen sollte!“ „Bescheuerter Auserwählter! Spar dir deinen Atem lieber fürs Laufen!“ Auch wenn sie ihm in die Seite schlug und er japsend und lachend weiter neben ihr herlief, behielt er Sheena im Auge. Die junge Ninja zitterte bei jeder Windböe auf, und auch wenn sie es niemals zugeben würde, sie war müde. Die Zeit verging nur langsam, die Berge waren noch immer unerreichbar fern. Das Einzige was diese winterliche Stille unterbrach war ein Keuchen, ein lautes und erschöpftes Keuchen. Die Frage nach dem Warum hallte Sheena schon eine gefühlte Ewigkeit im Kopf herum, aber sie konnte sich darauf keine Antwort geben. Vielleicht hatte sie jemand mit diesem Licht außer Gefecht gesetzt und sie beide verschleppt? Aber wer würde solch eine Arbeit auf sich nehmen? Wäre es nicht viel einfacher, sie einfach gleich zu töten? Egal wie sehr Sheena darüber nachdachte, sie kam auf keine Antwort. Alles was sie spürte, war die beißende Kälte, manchmal die Hand von Zelos, der sie auffing oder unterstützte. Und die Müdigkeit. Eine unbeschreibliche Müdigkeit, die sich durch alle Glieder zog. Sie wäre so gerne eingeschlafen, hätte sich so gerne in ihren Futon gekuschelt. „Sheena! Sheena, hey!“ Unsanft rüttelte Zelos sie aus ihrem Tagtraum, benommen starrte sie in die blauen Augen bis sie endlich wieder zu sich kam. „W-Was…“ „Sheena, du sollst nicht einschlafen! Du Dummerchen, immer muss ich mich bei dir wiederholen!“ „Ich hab… nicht viel geschlafen gestern.“ Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle, ohne zu zögern zog er den durchnässten und zitternden Körper an sich. „Versprich mir, dass du wach bleibst! Egal was passiert, du darfst nicht schlafen. Bitte, Sheena.“ Wie warm er doch war. Und wie sehr sie in diesem Moment sich nichts sehnlicher wünschte, als das er sie niemals wieder loslassen würde. Hier, in dieser Wüste des eisigen Todes, nur sie beide allein. Niemand, der sie beurteilen würde, niemand, der sie beobachtete oder der über sie schlecht redete. In diesem Moment gab es nur ihn, seine Umarmung, seine Wärme. „Wir sind nicht mehr weit entfernt. Du kannst das, du bist doch meine dämonische Banshee.“ Vorsichtig nahm Zelos ihre Hände in seine und hauchte sanft seinen Atem auf diese um sie aufzuwärmen. „Wenn du es schaffst, hast du einen Wunsch frei. Egal was du von mir verlangst, ich werde alles dafür tun.“ Zelos zog sie langsam mit sich. Auch wenn Sheena noch immer mit ihm mitlief, er war sich sicher, dass sie nicht mehr spürte, was passierte. „Egal was, hörst du? Aber bleib wach. Denk an deine Hochzeit. Ich will dich in einem wunderschönen Kleid sehen, einem langen weißen Kleid. Weißer als dieser verfluchte Schnee. Ich will dein Lächeln sehen, wenn du zu deinem Bräutigam hinauf steigst!“ Mit seinem Handrücken rieb er sich den Schnee aus seinem Gesicht, zog sie weiter ohne zu stoppen. „Ich will deine Kinder sehen, Sheena! Deine kleinen Bälger, die mir durch meine Villa laufen und Sebastian den letzten Nerv rauben!“ Grinsend zog er sie näher zu sich. „Wir sind fast da. Ich verspreche dir, du kannst so viel schlafen wie du willst, halte durch. Nur noch das bisschen.“ Er schaute nicht mehr zu ihr hinunter. Er wusste nicht einmal mehr, ob sie selbst noch lief oder ob er sie nur mitzog. Alles woran Zelos dachte war, dass sie diese Berge erreichen mussten. Er ignorierte den Schmerz in seinen Fingern, seinen Beinen, seinen Armen. Die Nässe und Kälte, den Schnee, den heulenden Wind… „Sheena, Sheena-Honey. Wir sind da. Wir haben es geschafft.“ Verzweiflung übermannte den vor Kälte schlotternden Auserwählten. „Sheena?“ Wie panisch rieb er über die kalten Wangen des zierlichen Körpers, drückte sie an sich und rieb ihr immer wieder über ihre Gliedmaßen. Er fand keine Höhle aber einen Vorsprung, unter den er sie trug und dort wieder an sich drückte. „Verdammte Götter, Sheena, komm zu dir! Du darfst nicht schlafen! Verdammt, verdammt, verdammt!“ Doch sobald Zelos den schwachen Atem der jungen Beschwörerin auf seiner Haut spürte, sah er auf. Er beobachtete sie, rieb ihr wieder über ihre Arme und Beine, und hielt Sheena so nah an sich wie es nur ging. Nein. Nein, nicht erneut. Dieses Mal würde er sie nicht aufgeben, dieses Mal würde er um sie kämpfen. Gefühlt tausend Stunden, rieb er ihr über den Körper, wärmte sie so gut er nur konnte. Jeden Atemzug den sie tat, jede Bewegung die er spürte gab ihm die Kraft, weiter zu machen. Wer auch immer ihren Tod wollte, wer auch immer sich nach den leblosen Körper der beiden sehnte, Zelos würde bis aufs Blut dagegen kämpfen. Sterb. Nein. Nein! NEIN! Sterb. Sterb für uns. Folge uns, Sheena. Wir haben dir vertraut. Wir haben an dich geglaubt und sind gestorben. Sterb. Ich war sieben Jahre alt! Ich war noch so klein! Ich habe doch alles versucht. Alles versucht… Alles… Komm. Mörder. Komm zu uns. Wir werden dich nie wieder loslassen, du wirst bei uns bleiben, das willst du doch. Ich hab Angst. Geht weg! Geht alle weg, bitte, geht weg! Mörder. Mörder. MÖRDER. Panisch holte Sheena Luft. Sie saß aufrecht, starrte auf ihre eigenen Beine. War das ein Traum? „Sheena?“ Die junge Ninja sah zu Zelos, der mit einem fragendem aber sanften Blick antwortete. Doch der Schrecken dieses grausamen Traumes saß ihr noch immer in allen Gliedern, sie begann zu schlucken. Du darfst jetzt nicht weinen! Du bist viel zu stark dafür! Nicht vor ihm! Zelos strich vorsichtig über ihre Wangen, welche durch die frischen Spuren von Tränen leicht glänzten. Ihr Körper bebte, sie versuchte noch immer ihre Fassung zu bewahren, aber als er ihren Kopf an seine Brust drückte, konnte Sheena nicht mehr. Sie fing an zu weinen, laut und ohne Scham. „Shht, meine Kleine, es wird alles gut. Ich verspreche es dir. Es wird alles gut.“ Zelos hielt sie auch weiterhin fest an sich gedrückt, lehnte sein Kinn sachte auf ihren Kopf. Sein Blick streifte über die kahle, weiße Landschaft, über die dunklen Wolken und blieb auf einem weit entfernten Punkt hängen. Also war sie noch immer nicht darüber hinweg, was passierte, was sie vor so langer Zeit erlebt hatte. Egal was sie allen erzählt hatte und wie sehr sie sich für ihr Dorf einsetzte, die Vergangenheit kam immer wieder zurück. Es war an der Zeit, dass er sie aus diesem dunklen Loch zog, das er sie zurückholte. Er, der den Schnee verfluchte und sich selbst für seine Schwester opfern wollte. Doch Lloyd hatte diese Zweifel mit der langen Reise für die Weltenvereinigung einfach hinweggefegt, sie alle waren gewachsen, alle waren stärker geworden. Und selbst wenn Sheena in diesem Loch noch einmal feststecken sollte, Zelos würde sie herausziehen und sie nie wieder gehen lassen. Ein schwaches Husten holte Zelos aus seinen Gedanken zurück und er hob seinen Kopf an, sah dabei zu Sheena hinunter. „Honey?“ Mit einem schniefenden Geräusch sah sie zu ihm hinauf, Tränen liefen noch immer ihre Wangen hinunter. „Es tut mir Leid! Es tut mir so Leid.“ Sie drückte sich zurück an den warmen Körper, versteckte ihr Gesicht in seinem Oberteil. „Es tut mir so Leid.“ Vorsichtig strich Zelos über ihren Kopf und antwortete flüsternd: „Versuch ein wenig mehr zu schlafen. Ich werde auf dich aufpassen. Schließ deine Augen, Sheena. Ich verspreche dir, ich gehe nicht weg. Nicht noch einmal.“ „Aber.“ Zelos gab ein kurzes, aber ermahnendes Geräusch von sich. „Kein Aber.“ Er zog sie auf seinen Schoß, hielt sie in beiden Armen um sie auch weiterhin vor der Kälte zu schützen. „Ich verspreche dir, ich werde dich nicht verlassen.“ Sheena konzentrierte sich auf seinen gleichmäßigen Herzschlag und schloss die Augen. Sie hörte ihn etwas murmeln, es wurde wärmer und wärmer, dann kam die Dunkelheit zurück. Mit einem prüfenden Blick beobachtete Zelos sie eine Zeit lang, strich ihr sanft Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wie lange würde er sie am Leben halten können? Wie lange würde es dauern, bis sie beide erfroren waren? Sein Mana war fast aufgebraucht, zum Fliegen würde es nicht mehr reichen, selbst seine Feuerzauber würden ihm viel zu viel wertvolles Mana kosten. Er konnte nur versuchen, sie mit First Aid zu wärmen. „Ich werde dich nicht sterben lassen.“ Sanft gab Zelos Sheena einen Kuss auf ihre Haare. „Dafür liebe ich dich viel zu sehr.“ Vorsichtig setzte er Sheena zur Seite und erhob sich. Die Kälte brachte seinen Körper fürchterlich zum zittern, er musste sich zusammenreißen, sie nicht ganz fallen zu lassen. Doch Zelos grinste leicht. Er war der Auserwählte Tethe’allas. Nichts würde ihn davon abhalten seine Prinzessin aus dieser Hölle zu befreien. „Verfluchter Schnee. Wir beide werden einen schönen, langen Urlaub in Altamira machen, wenn wir hier rauskommen.“ Sie an sich drückend sah Zelos hinauf in den Himmel. Wenn er wenigstens die Sonne sehen könnte, hätte er eine genaue Richtung, aber so war es ein Spiel auf Zeit und Glück. „Tsk. Nichts auf dieser Welt kann mich daran hindern, ein Honey zu retten. Nicht einmal alle Götter zusammen!“ Zelos verlor keine weitere Zeit mehr. Er orientierte sich an den Bergen, folgte dieser Spur soweit er nur konnte. Seine Schritte waren langsam und schwer, selbst Sheena wurde immer schwerer, je länger er lief, aber er gab nicht auf. Er hatte nicht den ganzen Weg mit Lloyd und seinen Freunden auf sich genommen um hier in dieser trostlosen Einsamkeit zu sterben. „First Aid.“ Sheenas Körper leuchtete sanft auf, die blaue Farbe wich von ihren Lippen. „Schön wie eh und je. Lass uns weiter gehen, meine Prinzessin.“ Zelos wusste, dass er nur noch wenige Male First Aid nutzen konnte. Vielleicht war es sogar schon das vorletzte Mal, aber er konnte sich die Frage nicht beantworten. Die Kälte machte es ihm schwer zu denken, schwer zu handeln. Sein Weg führte ihn weiter an den Bergen entlang, Meter um Meter kämpfte sich der Auserwählte vorwärts, trotzte dem eiskalten Wind, dem Schneeeinfall sogar der Dunkelheit. Aber er konnte Sheena nicht mehr vor der klirrenden Kälte schützen, zu allem Überfluss hatte sich der Wind gedreht und peitschte nun mit voller Härte auf die beiden zu. „Gah!“ Mit einem dumpfen Geräusch fiel Zelos zu Boden. Er versuchte noch verzweifelt Sheena vor dem Aufprall zu schützen, aber er spürte seine Hände nicht mehr und musste sie ebenfalls fallen lassen. Schwer atmend richtete Zelos sich ein wenig auf, zog seinen Körper zu ihrem und drückte sie an sich. „Es tut mir Leid, Sheena. Mir.“ Einmal murmelte er noch First Aid, dann spürte er, wie die Kraft gänzlich verschwand. „Mir tut es so unglaublich Leid. Ich habe dich hier her zum Sterben gebracht, es ist alles meine Schuld. Wäre ich doch nie nach Mizuho gekommen, wäre das alles nicht passiert.“ Fing er tatsächlich an zu schluchzen? Er, der großartige Zelos Wilder, irgendwo inmitten einer Wüste voll von Schnee, fing an zu schluchzen? In diesem Moment war es ihm so egal, so unglaublich egal. Alles was er hatte, alles was er vom ganzen Herzen liebte lag unter ihm, begann langsam zu erfrieren und er konnte nichts dagegen machen. Er war verdammt dazu sie sterben zu sehen! Zelos vergrub seine Hände in Sheenas Oberteil und zog sie noch weiter an sich, drückte sein Gesicht in ihre Halsbeuge. „Einen scheiß kann ich! Einen scheiß! Nichts als große Reden schwingen! Ich bin ein verdammter Versager, der größte Versager überhaupt! Bitte, Sheena. Bitte komm zurück. Lass mich nicht allein! Lass mich nicht allein!“ Egoistisch war er. Egoistisch und verzweifelt. Sie gehörte ihm, Sheena war seins, seins ganz allein. Mit niemanden wollte er sie teilen, niemanden einfach geben. Nicht Orochi, nicht Mizuho, nicht einmal dem Tod höchstpersönlich. „Lass mich nicht allein…“   Lass mich nicht allein. Kapitel 3: Kämpfe für mich -------------------------- Kämpfe für mich Kapitel 3   Etwas berührte ihn an der Schulter. Was war es? Was kam jetzt? War es endlich der Tod den er sich so sehnlichst wünschte? „Hey!“ Zelos schlug seine Augen auf. Seine Bewegungen waren langsam, seine Glieder erfroren, seine Gedanken verschlossen in Eis. „Gut, du lebst.“ Er war am Leben? Er war noch immer am Leben? Warum? Zelos sah hinauf. Das grelle Licht der Sonne blendete ihn, er konnte die andere Person kaum erkennen. Nur langsam schirmte er seine Augen ab um endlich zu sehen, wer da stand. „Wer…“ Seine Stimme war so schwach, er selbst wusste nicht einmal ob er gesprochen hatte oder nicht. „Steh auf. Raus aus dem Schnee.“ Unbarmherzig zog die Hand an seinem Arm. „Sheena…“ „Sie ist tot. Erfroren. Steh auf. Beweg dich. Oder willst du so enden wie sie?“ Zelos sah hinunter. Er sah auf ihr Gesicht, auf die blauen Lippen und das bleiche Gesicht. Mit zitternden Händen strich er ihr über die Wangen, seine Daumen fuhren die Konturen ihres Mundes nach. „Sheena…“ „Ich geb dir zwei Minuten.“ Die Person drehte sich um und stapfte durch den Schnee davon, blieb an einem Punkt stehen und schien etwas zu durchsuchen, aber Zelos hatte keine Gedanken dafür übrig. Tränen fielen auf die eiskalte Haut der Beschwörerin, bahnten sich ihren Weg in den Schnee hinein. „Wach auf… Bitte wach auf…“ Er legte eine Hand an ihre Brust, strich gleichzeitig durch ihre gefrorenen Haare. „Bitte, Sheena.“ Für einen Moment harrte Zelos in dieser Position aus, selbst wenn er kaum etwas in seinen Händen spüren konnte, etwas war da. Etwas bewegte sich. „Sh-Sheena!“ Flüsternd wiederholte er ihren Namen immer und immer wieder, zog sie langsam aus dem Schnee heraus. „Sie lebt. Sie lebt, sie lebt.“ Endlich konnte er den Mann erkennen, der an einem Schlitten stand und eine Decke herausgezogen hatte. Die Felle die er trug, waren braun und dreckig, sein Kopf geschützt unter einer gleichfarbigen Mütze. Er schien älter zu sein, die tiefen Falten und dunklen Augenringe waren nicht zu übersehen. „Sie lebt!“ „Das bildest du dir nur ein. Leg sie zurück, ich kann keine zwei-“ „Sie lebt!“ Zelos Stimme klang lauter und deutlicher, fester und hoffnungsvoller.  „Ich lasse sie nicht hier!“ „Na gut, wie du willst“, gab der Mann genervt von sich. „Dann wirst du ihr Schicksal teilen!“ „Sheena lebt! Ihr Herz schlägt. Es schlägt unglaublich langsam, aber es schlägt!“ Je mehr Zelos sprach, desto kräftiger wurde seine Stimme. Die Kraft kehrte in seine Arme und Beine zurück, er zog sogar den leblosen Körper komplett aus dem Schnee. „Ich werde sie nicht hierlassen! Nicht in diesem verfluchten und verdammten Schnee!“ Abschätzend sah der Mann auf ihn hinunter, starrte in die kämpferisch, eisig glänzenden Saphire des Auserwählten von Tethe’alla. Natürlich wusste er, welche Person ihn jetzt anstarrte und den scheinbar toten Körper an sich drückte. „…Pack sie auf den Schlitten. Wenn sie noch lebt, dann sollten wir uns beeilen.“ „Ich danke dir. Ich danke-“ „Beweg dich. Ich habe nicht die Lust, hier Wurzeln zu schlagen.“ Zelos verlor keine weitere Sekunde und trug Sheena zu dem Schlitten. Mithilfe des Mannes wickelten sie den leblosen Körper in Decken. „Zieh das über und folge mir. Das wir noch keinen Monstern begegnet sind ist ungewöhnlich schlecht.“ Ohne zu Fragen warum oder wieso folgte Zelos ihm. Er zog die Felljacke die er bekam fester zu, sein Blick blieb starr auf Sheenas bleiches Gesicht gerichtet. „Hey.“, begann der Fremde. „Willst du gar nicht wissen mit wem du unterwegs bist, Auserwählter?“ Grinsend zog der alte Mann den Schlitten weiter, ohne zu Zelos zu schauen. Dieser sah nun endlich auf. „Ich würde unnötige Formalitäten gerne auf später verschieben. Im Moment ist es mir wichtiger, sie aus dem scheiß Schnee zu kriegen.“ Stapfend bahnten sich die beiden Männer einen Weg durch den Schnee, weiter entlang an den Bergen bis sich der Untergrund langsam lichtete und der Fremde anhielt. Er sah sich um, dann deutete er auf eine Höhle mit einem leichten Kopfnicken. „Trag sie da rein. Es ist der einzige Weg sie zurück ins Leben zu holen.“ Vorsichtig hob Zelos Sheena auf seine Arme. „Wo sind wir eigentlich?“, fragte er endlich. „Flanoir. Die Stadt ist aber noch ‘nen Tagesmarsch entfernt.“ „Flanoir, heh. Warum überrascht mich das nicht.“ „Keine Ahnung“, gab der Fremde von sich und stopfte einiges seiner Habseligkeiten in einen großen Sack. „Erzähl dus mir.“ „Würd ich gern, wenn ich es könnte.“ Seufzend betrat Zelos die recht große Höhle. Äste und Gestrüpp lagen in einer Ecke, Steine türmten sich in einer anderen. Der Kerl musste hier wohl öfters hausen, dachte Zelos und setzte sich mit Sheena vor eine Art Feuerstelle. Zumindest meinte er, dass es eine gewesen sein musste. „Hol sie aus der nassen Kleidung raus. Und gib ihr das hier später zu trinken, wenn sie wach ist. Ich werd mich ums Feuer kümmern.“ Leicht verwundert sah Zelos zu dem Alten hin, der das Holz zusammen sammelte. „Bist du schwerhörig, Auserwählter?! Hol sie aus der Kleidung raus!“ „N-Natürlich.“ Aber der Rothaarige zögerte. Er konnte sie doch nicht hier einfach nackt ausziehen, vor allem nicht unter den Blicken dieses komischen alten Kerles! Jedoch schien diesen es herzlich wenig zu jucken, er hatte den Rücken zu Zelos gedreht und begann, das Feuer zu entfachen. „Dann wollen wir mal“, flüsterte Zelos eher leise zu sich und befreite Sheena aus der Decke. Behutsam hob er sie an und öffnete den Obi, streifte sanft den kurzen Kimono von ihren Schultern. Er berührte sie kaum, doch jedes Mal wenn er es tat, fühlte es sich falsch an. Einfach nur falsch. Als würde er gegen ihren Willen kämpfen obwohl die junge Dame keinen Mucks von sich gab. Vorsichtig legte er sie in seinen Arm, zog mit dem anderen die durchnässte Strumpfhose und ihre Schuhe aus, jedoch beließ er es dabei. Sein Blick huschte mehrmals über ihren Körper. Warum wirkte sie so zerbrechlich auf ihn? Als würde allein sein Blick ihre Unschuld komplett rauben, als ob seine Anwesenheit genug war, um jegliche Schönheit des Ninjas im Keim zu ersticken. „Bist du fertig?“, riss ihn die Stimme des Fremden aus seinen Gedanken. „Ja.“, war Zelos kurze und knappe Antwort. „Alles?“ „Uhm…“ Zelos zögerte. Er wollte und konnte einfach nicht… „Zieh ihr alles aus. Sie wird dir später dafür danken. Jetzt mach endlich.“ Den Kopf abreißen passt besser, waren seine Gedanken dazu. Aber der Alte hatte Recht. Mit einem tiefen Atemzug öffnete Zelos ihren Büstenhalter, tat sich unglaublich schwer dabei, das Kleidungsstück abzustreifen. Er würde nichts dagegen sagen, wenn Sheena es freiwillig tun würde, wenn sie ihn damit zu necken versuchte, aber hier… Schnell, fast panisch deckte er ihren Oberkörper mit der Decke ab, legte die Wäsche neben sich und sperrte alle perversen Gedanken, die ihm in dem Moment durch den Kopf gingen so weit weg, wie es nur möglich war. Für einmal in seinem Leben wollte er nicht mit dem Denken, was zwischen seinen Beinen baumelte. Auch den letzten Teil ihrer Unterwäsche zog er ihr aus, seufzte schwer als er es zu dem anderen legte. War es nicht schon immer sein Traum gewesen, den Body dieses Hunnies einmal nackt zu sehen? Und jetzt hatte er sie sogar- Zelos biss die Zähne zusammen. Das hier war ein Spiel auf Leben und Tot, keins seiner dummen, perversen Spielchen so wie Sheena es wohl nennen würde! „Wickel sie zurück in die Decken und massiere ihre Gliedmaßen. Aber langsam und vorsichtig.“ „Wäre es nicht besser, wenn ich sie bei mir behalte?“, entgegnete Zelos energisch. Er wusste selbst nicht warum er jetzt so dafür kämpfte. „Tsk. Mit deiner nassen Kleidung?“ Der Alte starrte kurz zu Zelos runter und hob skeptisch eine Augenbraue, als dieser sein Oberteil auszog, sich näher an das Feuer setzte und Sheena an seine Brust legte. „Mach was du willst, aber halte sie warm.“ Damit verschwand der Alte nach draussen.   „Ich hoffe, es ist nicht ungemütlich, meine Prinzessin“, flüsterte Zelos lächelnd in ihr Ohr, rieb dabei vorsichtig über ihre Arme. „Ich weiß, dass du mich dafür hassen wirst, du wirst mich durch gesamt Tethe’alla jagen, meine wunderschöne Banshee.“ Er zog noch eine weitere Decke über sich und Sheena, die langsam anfing Lebenszeichen von sich zu geben. Es war anfangs kaum spürbar und Zelos dachte, er würde sich das nur einbilden, aber je mehr Zeit verging, desto stärker spürte er ihren Atem auf seiner Haut, wie ihr Körper leicht bebte und wie sie sich ihren Platz im Leben zurück erkämpfte. Zwischendurch legte der alte Mann Holz nach und kochte Schnee auf, füllte etwas von dem Wasser in einen Becher und gab diesen Zelos. „Die Kräuter die ich dir vorhin gab, zerreib sie und misch sie in das Wasser. Am besten trinkst du selbst etwas davon. Schmeckt übrigens scheußlich, hilft aber.“ Mit einem dankbaren Nicken nahm Zelos das Wasser und tat wie der Alte es erklärte. „Ihr habt verdammtes Glück, dass ich euch aufgegabelt hab. Frag mich immer noch, was ihr jungen Hüpfer in der Eiseskälte erledigen wolltet.“ Zelos trank ein paar Schlucke und tatsächlich, der Alte hatte nicht übertrieben. Der Geschmack war… unglaublich grausam. „Was ist das?“, fragte der Auserwählte angewidert. „Schmeckt, als hätte jemand verrottetes Wasser mit diesen grausigen Bitterkräutern aufgemischt.“ Lautes Gelächter ließ Zelos zusammen zucken. „Wahahah! Das ist gut! So ungefähr kannstes dir vorstellen, mein Guter! Aber wie heißts so schön? Es soll nicht schmecken, es soll helfen!“ Einen Nebeneffekt hatte es aber. Eine wohlige Wärme breitete sich in seinem Körper aus. „Weißte, was mich wundert?“, fragte der Alte leicht abwesend und starrte ins Feuer. „Warum sie aussieht wie eine zerbrechliche Puppe und nicht wie ein halb erfrorener Körper.“ Jetzt wo er es ansprach… Zelos sah zu Sheena hinunter. Die feinen Züge ihres Gesichtes waren zwar sehr blass und die sonst so rote Farbe ihrer Lippen fast gänzlich gewichen, aber sie hatte keinerlei Erfrierungen. Vorsichtig zog er eine ihrer Hände unter der Decke hervor und hielt sie in seiner. Sanft strich er über die schlanken Finger, besah sich jeden einzelnen von ihnen, fand jedoch nichts Ungewöhnliches. Außer vielleicht, wie viel kleiner sie waren und das sie mit ihren Händen trotzdem kräftig zuschlagen konnte. Zelos fand so viele kleine Aspekte an Sheena, die er lieben lernte. Allem voran ihr sanftes Lächeln, dieser besondere Ausdruck in ihren Augen, wenn sie sich freute, ihre tanzenden Bewegungen in einem Kampf… Er konnte die Liste unendlich weiter führen ohne jemals ein Ende zu finden. „Du scheinst das Mädel zu lieben?“ Zelos, aus seinen Gedanken gerissen, zog ihre Hand zurück unter die Decke und atmete leise aus. „Scheint so.“ Endlich setzte sich auch der Alte hin, starrte mit neugierigen Augen hinüber zu dem Auserwählten. „Scheint so? Du siehst sie an, als würdest du für sie ohne zu zögern in ein Messer rennen. Scheint so sagt er.“ Es ging den doch nichts an, ob er Sheena liebte oder nicht?! „Und wenn schon. Was willst du damit überhaupt anfangen? Kann dir doch egal sein, was ich tue oder nicht.“ „Hahaha! Schnippig zu Männern wie eh und je! So kenn ich dich, Zelos Wilder!“ Der leicht eisige Ausdruck kehrte in Zelos Augen zurück und er funkelte den alten Mann warnend an. „Ich bin dir dankbar dafür, dass du uns gerettet hast, aber treib’s nicht zu weit.“ „Keine Sorge.“, gab der Alte von sich und verschränkte seine Arme hinter seinen Kopf. „Mir seid ihr so egal wie alle anderen auf dieser Welt. Darum leb ich hier, im Schnee, umgeben vom Nichts!“ Also war doch eine Geschichte hinter dieser ganzen Fassade? Es würde so gut zu seinem eigenen Leben passen. Egal was Zelos zuvor tat, es diente alles um zu fliehen, um sein Leben erträglicher zu machen, um sich selbst eine Maske aufzusetzen und niemanden an sich heran zu lassen. War da nicht noch jemand, der ähnlich handelte? Zelos spürte plötzlich eine komische Bewegung von Sheena, dann durchbrach ein schwaches Husten die Stille. Sie war aufgewacht. „Z-Zelos…?“ Mit ihrer Stimme kaum mehr als ein Flüstern, versuchte Sheena ihre Augen zu öffnen und nach ihm zu suchen. Sie waren beide in dem Schnee gefangen gewesen, er konnte erfroren sein! „Hey, Sheena-Honey.“ Das war eindeutig Zelos Stimme, doch warum klang er so komisch? So nah… Langsam sah sie hinauf zu ihm, blinzelte mehrmals um endlich etwas zu erkennen. Viel sah sie trotzdem nicht. „Bist… bist du verletzt?“ „Nein“, antwortete Zelos mit sanfter Stimme und strich mit einer Hand durch ihre Haare. „Und ich war nie zuvor glücklicher in meinem Leben als ich es jetzt bin.“ Den letzten Satz verstand sie überhaupt nicht, aber das war auch nicht weiter wichtig. Jetzt wo Sheena wusste, dass er in Ordnung war und sie scheinbar alles überstanden hatten, schloss sie ihre Augen um weiter zu schlafen. Es war so schön warm hier, selbst sein Streicheln war nichts Ungewöhnliches. Es fühlte sich an, als würde Sheena einen wunderbaren Traum träumen, einen, aus dem sie niemals aufwachen wollte. „Sheena?“ „Lass sie schlafen, Auserwählter.“ Der Alte stand auf und warf neues Holz in das Feuer. „Was auch immer ihr beiden für eine eigenartige Beziehung habt, wenn ihr auf den Beinen seid, will ich euch nie wieder sehen, klar?“ Zelos gab ihm ein schelmisches Grinsen als Antwort. „Ein langer Urlaub in Altamira wird es sein, sobald ich dieses verdammte Gebiet verlassen habe. Keine Sorge, Freiwillig komme ich nicht zurück.“ „Heh. Bist mir ja doch sympathisch, du komischer Kerl du.“ „Es warten eine Menge Hunnies auf mich, die darf ich doch alle nicht enttäuschen.“ „Hah, eine Menge Hunnies? Das ich nicht lache! Ich wusste gar nicht, dass Weiber auf so einen komischen Kerl stehen! Trägst pink und redest von dir selbst als wärst du der Beste!“ Zelos konnte nur schwer sein Lachen verkneifen. „Ich bin ja auch der Beste. Neidisch, alter Kauz?“ „Nicht im geringsten“ , gab der Alte zurück und grinste, entblößte dabei eine Menge fehlender Zähne. Als sich Sheena zur Seite drehte, waren beide Männer sofort stumm, Zelos rutschte in eine für sie etwas angenehmere Position und seufzte leise. Seit diese Weltenvereinigung stattgefunden hatte, war so einiges passiert. Aber er hätte nie gedacht, dass alles so enden würde. So seltsam und unvorhersehbar. Über all den Fragen wie das passieren konnte stand noch immer die größte von allen: Wessen Schuld war das? Wem musste Zelos den Kopf abreißen? Wer hatte Schuld an diesem Chaos? Er sah zu ihr hinunter und strich ihr sanft eine Strähne hinters Ohr. Wer wollte dieses Wesen umbringen und warum? Dieses unschuldige und junge Mädchen, seine Demonic Banshee, seine, ganz allein. Zelos hätte es verstanden, wenn das Ziel nur der er selbst gewesen wäre. Es gab viele, die ihm trotzdem nach der Vereinigung von Sylvarant und Tethe’alla aus dem Weg geräumt haben wollten, schließlich war es ja auch seine Schuld, dass alles so verlief und Lloyd die größte Entscheidung seines Lebens traf. Es hatte genug Drohbriefe gegen Zelos gegeben, selbst die Martel Anhänger verhielten sich seltsam, wenn er sie darauf ansprach. Aber warum sie? Sheena hatte nichts falsch gemacht. Alles was sie tat, alles was sie getan hatte, wurde ihr aufgezwungen. Sie hatte so viel für alle anderen verloren, aber nie dabei an sich selbst gedacht. Sie war so anders als er. Hinter ihrer Maske verbarg sich eine ängstliche, zerbrechliche Persönlichkeit, jemand der sich selbst die Schuld für alles gab, jemand der sich nie selbst verzeihen würde. Zu allem Überfluss hatte er auch noch dazu beigetragen, dass sich Sheena noch weiter hinter ihrer Mauer, ihrer Fassade versteckte. Er wollte ihr nicht wehtun, ihr keine falschen Versprechen geben und doch hatte er genau das getan. Er hatte ihr wehgetan, sie beleidigt, sie auf ihren Körper reduziert. Dabei war sie eine so aufgeweckte junge Frau, mit so viel Stärke und Durchsetzungsvermögen, intelligent und schön zugleich. Hatte er wirklich gesagt, dass sie das Gehirn einer Amöbe hätte? War er wirklich so unglaublich gemein zu ihr gewesen? Als ob Zelos es damit wieder gutmachen konnte, küsste er sie sanft auf die Haare. „Es tut mir Leid.“ Sanft zog er seine Arme weiter um sie und vergrub sein Gesicht in den schwarzen Haaren der Beschwörerin. Sollte kommen wer wolle, ob es Orochi wäre, Kuchinawa oder wie auch immer ihre ganzen komischen Mizuho Kollegen hießen. Sie gehörte ihm. Er kannte Sheena in- und auswendig, er wusste was sie fühlte, wie man ihr ein glückliches Lächeln auf die Lippen zaubern konnte und wie man ihr Vertrauen gewann. Er allein.   Er würde sie nie wieder hergeben. Kapitel 4: Bonus Kapitel: Warum trägt er pink?! ----------------------------------------------- Bonus Kapitel Warum trägt er Pink?!   „Wir haben sie!“ „Wie? Wie, ihr habt sie? Wen habt ihr?“ An dem jungen Mann liefen zwei weitere, mittelstarke Kerle vorbei, einer lauter als der andere. Sie triumphierten über ihren Fang und nannten sie Weib, sprachen und grölten darüber, dass sie doch endlich sprechen würde! Der Rothaarige zog eine Augenbraue hoch. Wie konnte jemand bloß so unsittlich von einer Frau sprechen? Aber auch ihn trieb die Neugier durch die Korridore des alten Schlosses, hinüber zu dem Raum, in dem die beiden Kerle verschwunden waren. Ruhig stellte sich der Rotschopf an die angelehnte Tür. „Jetzt bist du nicht mehr so übermütig und lautstark, was?“ Der größere Kerl zog der jungen Frau an ihren strubbeligen, pechschwarzen Pferdeschwanz, aber sie verzog nicht einmal die Mundwinkel. „Sei nicht so grob zu unserem Blümchen, ich will noch ein bisschen Spaß mit ihr haben!“ „Eher würde ich sterben!“ Oh, sie hat eine wirklich laute Stimme für so ein kleines Persönchen, dachte der Rotschopf. Er hatte solch eine Frau noch nie vorher gesehen. Sie hatte bernsteinfarbene Augen, die zu ihren Entführern funkelten wie glühende Kohlen, ihre Haut war so fein und makellos unbefleckt, keine Narbe zierte ihr Gesicht, keine Farbe übertönte ihre natürliche Schönheit. Sie war dünn, aber gut trainiert. Ihre ganze Statur wirkte unglaublich feminin, kein Wunder das die beiden Vollidioten von ihr sprachen, als wäre sie irgendeine Trophäe in einem grausigen Wettbewerb. Und dann war da ihre Kleidung. Was war das nur für eine seltsame Art, sich so freizügig zu kleiden? Er konnte ihr direkt ins Dekolleté schauen, und erahnen, was sich unter dem weißen Büstenträger verbarg. Sie war in der Tat eine Blume, eine wilde Blume, etwas, das über alles andere hinauswuchs, selbst wenn Gestrüpp ihr den Platz streitig machen würde. „Bevor wir aber unseren Spaß haben“, begann der Größere erneut mit seiner dunklen, heiseren Stimme „wirst du uns alle Plätze nennen, wo ihr eure Schätze aufbewahrt! Mizuho  Ninja Volk müsste bergeweise Gold besitzen, was meine Süße?“ Er strich ihr grobmotorisch über die Wange, was die junge Dame mit einem Schnappen und einem Knurren zurückgab. „Hast du das gesehen?! Sie wollte mich beißen!“ „Lass mich mal ran. Du hast keine Ahnung, wie man Weiber zum sprechen bringt!“ Unbarmherzig zog der Kleinere den Stuhl, auf dem sie gefesselt war, zu sich rüber. „Hör mal zu, Kleine.“ Er packte ihre Haare und zwang sie damit, zu ihm hoch zu schauen. „Entweder du singst uns jetzt das Lied über das Gold, oder du wirst vor lauter Schmerzen nicht mehr wissen, was Arm oder Bein ist!“ Hüstelnd betrat nun der Rotschopf den Raum und grinste schelmisch. „Na, na, na. So behandelt man doch keinen Gast. Habt ihr beiden denn nichts gelernt?“ „Was willst du denn hier?!“ „Misch dich nicht ein!“, gab auch der zweite von sich und sah dem Rotschopf nach, wie dieser um die drei herum ging und die Hand, die noch immer die Haare nach unten riss, packte. „Ich bitte nur einmal höflich darum, dieses junge Mädchen nicht zu besudeln, verstanden?“ Mit einem grausigem, eiskalten Blick durchbohrte er die beiden förmlich. Der Kleinere ließ den Zopf los und zog sich mit einem tiefen knurrenden Geräusch zurück. Der Rothaarige stand noch immer hinter der Ninja, die vorsichtig versuchte, einen Blick von ihm zu erhaschen. „Hab keine Angst, meine Liebe. Diese beiden werden dir kein Haar mehr krümmen.“ „Nachdem du also deine beiden Hunde auf mich gehetzt hast, glaubst du wirklich, du kannst mich mit diesem Gefasel rumkriegen?“ „Wohohoo! Sie kann ja richtig zischen!“ Er lachte auf, ging um sie herum und blieb vor ihr stehen. „Mein Gefasel gefällt dir also nicht?“, fragte er mit weinerlicher Stimme. „Dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben... Hach, jammerschade. Hey!“ Er drehte sich zu den anderen beiden um und nickte mit seinem Kopf Richtung Tür. „Lasst mich mit ihr ein bisschen allein. Und egal worum es geht, ihr bekommt es später.“ „Ich vertraue dir nicht, du Schlange. Das wäre nicht das erste Mal, dass du uns reinlegen willst.“ Der Rotschopf seufzte theatralisch auf. „Kommt schon. Ich versprech euch, ihr bekommt all das Gold was sie scheinbar versteckt!“ Die beiden sahen sich an, nickten dann jedoch zur Freude des Rotschopfes, dessen Blick sich verschärfte. „Nun gut. Eine Stunde, dann wollen wir die Plätze wissen.“ Nachdem sich die beiden verzogen hatten und der Rotschopf allein mit der Ninja war, sah er wieder zu ihr hinunter und grinste leicht. Doch die junge Dame ignorierte ihn und versuchte, die Fesseln um ihre Handgelenke zu lockern. „Ah ah ah, das solltest du lieber lassen, meine Schöne!“ Er packte sanft ihren Kopf und zwang sie damit, ihn anzusehen. Still starrten sich die beiden an, jedoch versuchte sie wieder auszuweichen. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Rotschopf, nachdem er sie wieder freiließ. „Ich bin Zelos. Zelos Wilder, du musst mich bestimmt kennen!“ „Noch nie gehört“, antwortete sie knapp und versuchte erneut, sich zu befreien. „Was? Du kennst mich nicht? Den großartigen Zelos? Den, de-“ „Noch nie gehört!“ Seufzend gab er es auf. „Dann verrat mir wenigstens, wie du heißt.“ Die Ninja zog mit aller Kraft an den Seilen, sprang sogar leicht mit dem Stuhl auf, aber die Fesseln blieben hartnäckig. „Kleines, ich hab dir doch gesagt, das sollst du lassen! Es bringt dir nichts. Komm schon, erzähl mir wie du heißt, vielleicht lass ich dich dann frei.“ Abschätzend sah sie zu ihm hin. Er war ein seltsamer Kerl. Seine langen roten Locken fielen ihm weit über die Schultern, die saphirblauen Augen starrten mit einem eiskalten Ausdruck triumphierend zu ihr hinunter und selbst diese Kleidung die er trug war seltsam. Warum trug er Pink?! „Tsk. Als ob.“ Sie sah zur Seite weg, als er bemerkte, wie sie ihn musterte. „Gefällt dir, was du siehst?“ „Von wegen! Du bist der komischste Idiot, den ich je gesehen hab! Welcher Kerl trägt pinke Kleidung?!“ Zelos lachte auf. Es war ein eigenartiges Lachen, so künstlich und unwirklich. Unsicher beobachtete sie ihn genau. „Schätzchen, Pink ist eine Farbe, die nur von bestimmten Leuten getragen werden darf. Aber weniger zu mir und mehr zu dir. Komm schon, erzähl mir deinen Namen.“ Er ging erneut hinter sie und legte seine Arme auf die Rückenlehne des Stuhls. Langsam beugte er sich zu ihr hinunter und flüsterte leise in ihr Ohr: „Wenn du wirklich die Nacht mit den zwei Hübschen von vorhin verbringen magst, bitte. Ich zwinge dich zu nichts. Aber es wäre in deinem Interesse, wenn du mir hilfst.“ Ihr jagten tausend Schauer über den Rücken und selbst als er ihr Haar in seine Hand nahm und daran roch, konnte sie noch immer nicht darauf reagieren. Sie war wie gelähmt. „Du riechst gut. Nach Erde und Gras. Jammerschade, dass die beiden deine so makellose Schönheit-“ „Sheena.“ „Hm? Wie war das?“ Sheena grummelte leise, wiederholte sich danach jedoch lauter. „Mein Name lautet Sheena.“ Zelos lächelte finster. Er ließ ihre Haare los und trat an ihre Seite. „Sheena also. Ein schöner Name.“ „Was hast du mit mir vor?“ Sie versuchte stark und kalt zu klingen, schluckte jedoch kurz unsicher. Die beiden anderen Kerle waren nichts besonderes, aber dieser Zelos hier… Sheena konnte ihn nicht einschätzen, geschwiege denn lesen, was seine Augen über ihn verrieten. Jedes Mal wenn sie tiefer in die Saphire schaute, verschwand die Wahrheit in ihnen und sie blickte in dunkle, kalte Ozeane die ihr keinerlei Geschichten preisgaben. „Ich? Das kommt darauf an, wie kooperativ du sein wirst.“ Dieser Unterton in seiner Stimme ließ Sheena zusammenzucken. Es war, als würde er ihr jeden Moment ein Messer in den Hals stechen wollen, gleichzeitig aber ihr die Welt zu Füßen legen. Dieser Kerl konnte jede Frau mit ein paar Sätzen verwirren und mit ein paar Wörtern gefügig machen. Langsam kroch eine Angst in ihre Glieder, die sie nicht beschreiben konnte. Quiekend schreckte Sheena auf, als er sich direkt zu ihr hinunter beugte. „Du gefällst mir. Du bist so anders als diese oberflächlichen Weiber da draussen.“ „W-Was soll das heißen?“ Sheena versuchte erst gar nicht mehr, ihre Angst zu verbergen. Er spielte mit ihr und wusste, was sie fühlte. „Das soll heißen, dass du mir gehören sollst. Mir allein. Ganz allein.“ „Vergiss es! Du perverser Spinner, du b-“ Er küsste sie. Fordernd und beherrschend, küsste er sie und hielt ihren Kopf fest, sodass sie sich nicht herauswinden konnte. „Wie ich es mir dachte“, sprach er mit einem Grinsen als er sich zurücklehnte und sie freigab. „Du schmeckst unglaublich süß.“ Er hatte sie geküsst. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Sheena starrte komplett erschrocken in sein Gesicht, strich nur flüchtig seinen Blick. Ihr Körper war steif gefroren, sie blinzelte nicht einmal mehr. „Vergiss nicht zu atmen, meine Kleine.“ Was war das bloß für ein Mensch?! Wärme kroch in ihr Gesicht und er bemerkte sofort, dass sich ihre Wangen färbten. Warum bei Jizou musste das auch unbedingt jetzt passieren?! Zelos Grinsen wurde breiter. Diese Sheena  war wirklich interessant. Sie war es definitiv wert, die beiden Flachzangen auszuschalten. Er würde sie nicht mehr freigeben, koste es was es wolle. Und wo er schon mal beim kosten war… „Du bist so niedlich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich dich verschlingen würde.“ „D-Deine perversen Spielchen kannst du dir in die Haare schmieren, du blöder Idiot. Wenn ich hier rauskomme werde ich dich als erstes töten!“ „Hmm, du machst es mir so schwer, dich nicht gleich hier zu meinem Eigentum zu machen.“ „W-Was?“ „Ah, dieses Funkeln in deinen Augen! Es hat etwas von einer Banshee, einer dämonischen Banshee.“ Gab dieser perverse Spinner ihr Spitznamen?! „Halt deine dämliche Klappe du Idiot! Und nimm deine dreckigen Pfoten von mir!“ Zelos zog sich zurück, grinste jedoch noch immer über sein kleines Spielzeug. Egal was er sich in seinem Leben wünschte, er hatte es bekommen, man hatte ihm immer alles gegeben. Er würde sie genauso bekommen. Sie würde ihm gehören, von Kopf bis Fuß würde sie seins werden. Sie hatte gar keine andere Wahl. „Zu allererst werde ich dich vor diesen Trotteln beschützen. Ich möchte nicht, dass die deine Haut mit ihren schmutzigen Fingern beflecken.“ Der Kerl hatte nicht nur einen Sprung in der Schüssel, er hatte einen ganzen zerstörten Porzellanladen in seinem Kopf! „Was redest du da für einen Stuss?! Ich schwöre bei Jizou, wenn ich freikomme wirst du sowas von tot sein! Aber sowas von!“ „Thehehe. Du bist unglaublich niedlich!“ „Du bist sowas von tot!“, keifte Sheena und schnappte nach ihm. Es war der einzige, klägliche Versuch des Angriffs, den sie übrig hatte. Zelos jedoch grinste amüsiert über seine kleine Banshee und vergrub eine Hand in ihren Haaren. „Wenn du dich weiter so vorzüglich wehrst, dann bin ich gezwungen dich eventuell doch gleich hier zu meinem Eigentum zu machen.“ Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt, zurückweichen war aussichtslos. Sie konnte nicht anders, als in die tiefblauen Augen ihres Gegenübers zu blicken. Die Kälte der Saphire ließ sie aufzittern. „Ein bisschen Zeit haben wir noch. Ich glaube sogar genug, um mit dir ein wenig zu spielen.“ Sheena schluckte schwer. Ihre Angst wuchs mit jeder Sekunde die verstrich und als ob er das spüren konnte, grinste Zelos noch finsterer und leckte sich langsam über seine Lippen. Kapitel 5: Besitz ----------------- Besitz Kapitel 4   Der Hunger trieb Sheena dazu, ihre Augen zu öffnen und für einen Augenblick in das Feuer zu starren. Sie waren dem Schnee entkommen, sie waren sogar dem Tod von der Schippe gesprungen. Aber Sheena konnte sich daran nicht mehr wirklich erinnern. Alles was sie noch wusste, alles was sie von den Erinnerungen behalten hatte war sein Gesicht, seine Bewegungen und sein Flüstern. Die Kälte und das Gefühl schlafen zu wollen und nie wieder aufzuwachen. Ihre Glieder waren noch immer so schwer, alles lief wie in einer Zeitlupe vor ihren Augen ab. Ihr ganzer Körper war so langsam, selbst sich etwas aus seinem Griff zu befreien dauerte gefühlte Stunden! Zelos lag so unglaublich schwer auf ihr, zumindest verstand Sheena, dass er eingeschlafen war und sich deshalb so auf sie beugte. Dummer, schwerer Auserwählter! Er ließ aber auch nicht locker! Im Gegenteil, er zog seine Arme fester um die sich windende Sheena und murmelte etwas im Schlaf vor sich her. Seufzend gab sie es auf und sah hoch zu ihm. Trug er keine Kleidung? In dem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie war splitterfasernackt, sie trug ein Hauch von Gar nichts, besser sie trug überhaupt nichts und er war ebenfalls nackt und überhaupt! Mit einem Mal war sie hellwach und ihr schoss alles Blut ins Gesicht. Ihre Wangen glühten, sogar ihre Ohren nahmen die knallrote Farbe an. Sie war in ihrem ganzen Leben zuvor noch nie so rot gewesen wie in diesem Moment. Die erste Frage die ihr im Kopf rumspukte war, wer hatte sie ausgezogen und wie viel hatte derjenige gesehen? Und war Zelos ebenfalls nackt?! Vorsichtig tastete Sheena zu seiner Brust, strich an seiner Seite entlang, vorsichtig, bis sie zu seinem Hosenbund kam und atmete auf. Er war nicht komplett nackt. Jizou sei Dank. „Beweg dich nicht zu viel, Mädel.“ Sheena schreckte sichtbar auf und sah in die Richtung aus der die Stimme kam. Es war noch immer der Alte, der angelehnt an einer der Höhlenwände wohl vor sich hergedöst hatte. „Er ist für dich durch die Hölle gegangen. Hat sich nichtmal selbst um seine nassen Haare gekümmert, der Idiot.“ „Hat er…“ „Dich ausgezogen?“, beendete der Alte den Satz so abrupt, dass Sheena wegsah. „Jep. Aber keine Panik, Kleines. Er hat die ganze Zeit weggesehen.“ Er hatte sie nicht angesehen oder die Situation ausgenutzt? Sheena sah zu ihm hoch. Zelos schlief noch immer tief und fest, sein Gesicht hatte so weiche Züge und sah ganz anders aus, wenn er entspannt war. Warum war ihr das vorher nie aufgefallen? Er war wirklich schön und selbst in dieser seltsamen Situation musste sie es zugeben. Doch mit einem Mal verwarf sie die Gedanken. Das hier war Zelos Wilder, der Auserwählte von Tethe’alla, ein Freund, nichts weiter. Er war nur ein Freund. Ein Freund, der die Hälfte seines Gewichtes auf ihren Oberkörper drückte. „Z-Zelos, du erstickst mich!“ „W-Was?“ Verschlafen schreckte Zelos auf und sah sich um. „Sheena?“ „Gib mir Platz zum atmen!“, fiepte Sheena unter ihm hervor und sofort setzte Zelos sich auf. „‘Tschuldige. Alles in Ordnung?“ Erleichtert seufzte Sheena auf. „Jetzt ja. Aber mal eine andere Frage:  Zelos, warum im Namen Jizous bin ich nackt?!“ „Oh… Ahaha… Ja, deine Kleidung war nass und… Ich musste dich ja warmhalten.“ Etwas verlegen kratzte Zelos sich am Hinterkopf   „Und das ging nur so?! Ist das dein Ernst?“ Ihr Ausdruck änderte sich und die junge Dame sah mit einem durchbohrenden Blick in seine Augen. „Sheena, beruhige dich. Ich schwöre dir, alles was ich tat war, um dir zu helfen!“ Zelos versuchte fast schon verzweifelt sie davon zu überzeugen und zog sogar den Arm weg, der den Körper noch immer festhielt. In dem Moment, sackte Sheena zur Seite, sie blinzelte verwirrt und versuchte,  den Sturz noch zu verhindern. Zelos reagierte schneller und fing sie auf. „Vertraust du mir?“, fragte er leise, seine Hand ruhte nun an ihrer Seite. Sheena schluckte kaum merkbar. Diese Schwäche… Sie waren sicherlich für Stunden draussen in dem Schnee gefangen gewesen. Urplötzlich räusperte sich der Alte und warf mehr Holz in das Feuer. „Mädchen, du bist nicht geheilt. Ein bisschen Wärme wird deinen Körper nicht auf wundersame Weise wieder erstarken, bla bla. Bleib liegen und vertrau diesem Spinner.“ „Hey! Jetzt werd mal nicht persönlich!“ „Ahahaha! Ich mach doch nur Witze, du komischer Kauz. Kümmer dich um dein Weib. Ach und jetzt, da sie wach ist, gib ihr den Kräutertee. Sie soll den ganzen Becher austrinken.“ Weib? Komischer Kauz? Sheena war so verwirrt, dass sie gar nicht auf Zelos Begegnungen achtete, der sie vorsichtig wieder an sich zog und ihren Körper mit einem Arm stützte. Erst als sie sein Kinn auf ihrem Kopf spürte, entspannte Sheena sich. „Ich vertraue dir. Aber das gibt dir trotzdem nicht das Recht, mich einfach auszuziehen.“ Zelos grinste leicht. „Meine dämonische Banshee. Mit einem unglaublich üppigen Körper!“ „Zelos!“, zischte Sheena und sah zu ihm hinauf. Doch anstatt seines üblichen dämlichen Grinsens, lächelte er sanft. Verwundert über diese ungewohnte Reaktion zuckte die junge Ninja ein wenig zurück. „Ah, natürlich. Hier, kannst du den halten?“ Zelos hielt den Becher vor sie. Es dauerte einen Moment, ehe Sheena zitternd ihre Hände danach ausstreckte und ihn festhielt. „Nicht erschrecken. Es schmeckt widerlich.“ Als sie erneut sein Kinn auf ihrem Kopf spürte, wusste Sheena nicht mehr, was sie tun sollte. Was sie denken sollte. Was war das für eine seltsame Situation? Warum? Warum tat er das? „Sheena? Du sollst ihn trinken, nicht fallen lassen.“ „E-Entschuldige.“ „Dummerchen. Wenn du Hilfe brauchst, sag es mir.“ Seit wann gab er ihr diesen eigenartigen Spitznamen? Sie hatte ihn nie zuvor gehört, jetzt nutze Zelos das Wort andauernd. Normalerweise beleidigte er sie auf die übelste Art und Weise, reduzierte sie auf ihren Körper oder wie die Situation gerade passte. Selbst wenn das Wort einen dummen Klang hatte, er legte dort eine seltsame Betonung hinter. Eine warme, weiche Betonung. „Sheena, brauchst du Hilfe, oder…“ „Nein.“, gab sie schnell von sich und begann zu trinken. Es war grausam, ganz so wie er vorgewarnt hatte. „Igitt. Bist du dir sicher, dass das was bringen soll?“ Zelos Körper bebte leicht auf. Er unterdrückte ein lautes Kichern. „Du bist doch aus Mizuho, dem Naturvolk, du müsstest wissen, dass es nicht schmecken, sondern helfen soll.“ „Lach nicht!“, grummelte Sheena leise, gab ihn als Warnung einen leichten Schlag mit ihrem Ellbogen in den Magen. Zelos zuckte zusammen und konnte nur schwer ein weiteres Kichern unterdrücken. „Na los. Trink es aus.“ Seufzend leerte sie den Becher, verzog mehrmals das Gesicht dabei. Grausamer Geschmack. „Geht doch. Wir werden hier noch die Nacht verbringen und uns dann auf nach Flanoir machen.“ „Wir sind tatsächlich in Flanoir?“ Sie wusste es. Es gab nur diesen einen Platz mit so viel Schnee und Eis. „Jep, genau, Sweetie. Bester Platz auf dem gesamten Globus, um Urlaub zu machen.“ Er tat ihr Leid. Sie wusste, wie sehr Zelos den Schnee verabscheute, jetzt darin gefangen zu sein glich sicherlich einem Albtraum. So wie sie es abgrundtief hasste, wenn es anfing zu Gewittern. Zelos zog die Decke weiter um Sheena, positionierte ihre Füße in eine bequemere Lage und drückte sie wieder stärker gegen seine Brust. „Der Alte wird uns dabei helfen. Mach dir keine Sorgen, wir werden dich wieder nach Hause bringen.“ Nach Hause… Sheena kuschelte sich vorsichtig an ihn heran, legte ihren Kopf in seine Halsbeuge um dann einfach nur auf seinen Cruxis Crystal zu starren. Sie wusste nicht einmal warum sie das tat, aber es gab ihr einfach das Gefühl der Sicherheit. Sie konzentrierte sich auf das stetige Heben und Senken seiner Brust, auf seinen Herzschlag und darauf, was er leise zu ihr flüsterte. „Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich dich auf ein Dinner einladen, Sheena.“ Die junge Beschwörerin lächelte leicht. Ein Dinner nur für sie beide. Hoffentlich gab es da wieder diese tollen Reisgerichte! „Nur, wenn du mich nicht wieder auf meinen Körper reduzierst“, gab sie leise als Antwort. „Nie wieder.“ Er küsste sie sanft auf ihre schwarzen Haare. „Nie wieder werde ich das tun. Nie wieder dich so verletzen. Ich habe gar keinen Grund mehr, meine wunderschöne Banshee.“ Mit großer Vorsicht strich Sheena über den Kristall und fuhr um die Schutzfassung herum. Sie wollte ihn schon immer Mal fragen, ob Seles den Kristall hatte, oder ob das hier wirklich der Echte war. Doch bevor Sheena überhaupt dazu kam, das erste Wort zu sagen, hob er sanft ihr Kinn an. Die tiefblauen Saphire starrten nun zu ihr hinunter und sie konnte nicht anders, als mit einem leicht gerötetem Gesicht zu antworten. Wie schön er doch war. Warum er wohl gerade sie ausgewählt hatte? Die unscheinbare Ninja aus Mizuho, die dafür verantwortlich war, dass so viele Menschen… Sheena wich seinem Blick aus und er erkannte sofort, woran sie dachte. Es gab kaum etwas, was sie vor ihm verheimlichen konnte. „Sheena. Sieh mich an.“ Sheena zögerte. Sie sah flüchtig zu ihm, leichte Frustration stieg in ihr auf. „Ich will nicht. Ich bin müde.“ Zelos gab ihr keine Möglichkeit, auszuweichen. „Hör mir zu, Sheena. Egal was du denkst oder hoffst zu sein, du bist und bleibst die Ninja, die die Welt mit gerettet hat. Die beide Welten gerettet hatte. Niemand wäre in der Lage gewesen, mit den Summon Spirits einen Pakt zu schließen. Nur du allein konntest das. Du bist so viel stärker als du glaubst.“ Zelos lächelte sie an, sein Blick jedoch war voller unerklärbarer Trauer. „Du gibst dir noch immer die Schuld für so viele Dinge, aber…“ Der Auserwählte schüttelte seinen Kopf leicht. „Sheena, ich wünschte ich hätte dir das alles schon viel eher sagen können, dich schon eher so halten können ohne… dir wehzutun. Du bist wunderschön, du bist so einzigartig. Du bist all das, was ich nicht bin.“ Er strich über ihre Wange, gab ein kurzes Raunen von sich. „Ich dachte ich würde dich verlieren, ich dachte du wärst tot. Das einzige was ich wollte war, dass du lebst und lachst. Das du alles was du haben wolltest, auch bekommst. Ich liebe dich, Sheena. Mehr als du dir das vorstellen kannst.“ Sheena zuckte zusammen. Zelos ließ ihr Gesicht los, damit Sheena die Möglichkeit hatte, sich einfach zurück zu ziehen. Was sie auch tat indem sie sich wieder an seinen Hals schmiegte. Sie fühlte sich eigenartig, leer und verwirrt, wütend aber doch ängstlich. Sie wusste nicht warum, konnte es sich selbst nicht erklären. Natürlich sagte Zelos zu jedem weiblichen Wesen welches er traf, dass er sie doch abgöttisch liebte. Und wie oft hatte er ihr diesen Satz schon an den Kopf geschmissen, doch es wühlte kein einziges Mal diese Gefühle auf, wie es das jetzt tat. Jetzt fühlte es sich so unglaublich ehrlich an. Es schnürte ihr fast schon die Kehle zu. Wenn Sheena könnte, wäre sie aufgestanden und aus der Höhle gelaufen. Aber ihre Beine waren noch zu schwach um sie zu tragen, selbst ihre Hände waren schwer wie Blei. Zelos musste das wissen, er gab kein weiteres Wort von sich und hielt sie nur an sich gedrückt. „Wenn ihr beiden entschieden habt, wann die Hochzeit ist, gebt mir Bescheid“, durchbrach der Alte plötzlich die unangenehme Stille und stand sich streckend auf. „Ich übernehm die Nachtwache. Sorg dafür, dass sie genug Schlaf bekommt. Schlaf und Wärme. Verwirr sie nicht noch weiter mit Liebesgeschwafel. Ihr beide seid noch nicht in Flanoir. Bin ich froh, wenn ich diese liebestollen Vögel los bin…“ Er murmelte den letzten Satz eher zu sich, verschwand dann aber endlich nach draussen.   Keiner von den beiden sprach auch nur ein Wort. Zelos wartete darauf, dass Sheena den ersten Schritt machte und Sheena wusste einfach nicht, wie sie reagieren sollte. Fühlte sie überhaupt mehr für ihn, als sie es für Orochi tat? Sie grummelte innerlich auf. Orochi war ein blöder Vergleich. Er war ihr Kindheitsfreund, jemand, den sie für Mizuho eventuell heiraten würde, nein,  jemanden den sie ganz sicher heiraten… Für Mizuho… Und Zelos? Wo stand er? Wo stand dieser blöde Auserwählte, der sie komplett ausgezogen hatte, der ihr Leben gerettet hatte, der sie nie alleine lies, der selbst damals, nachdem Corrine sich opferte, ihr nachts angeboten hatte, sich mit einem Spaziergang abzulenken. Der ihr von so vielen Dingen erzählte, ihr kleine Geschenke brachte, selbst dann als alle andern es viel nötiger hatten. Der ihre Hand packte und die Finsternis in dem Loch in das sie verschlingen wollte, mit seinen Flügeln einfach wegschlug. Sheena spürte, wie seine Hand sanft an ihrer Seite entlang strich um ihr dann wieder Halt zu geben, damit sie nicht wegrutschte. Seine Brust hob sich etwas und sie sah leicht auf, als sie ihren Namen hörte. „Du solltest schlafen.“ Er hatte den Satz schon einmal benutzt. Damals, als sie wegen Corrine die halbe Nacht in seinen Armen geweint hatte, und als sie von dem Albtraum aufgeschreckt war, der sie in der Kälte wie eine finstere Hand gepackt hatte. „Es tut mir Leid, wenn ich dich verwirrt habe. Vergiss, was ich sagte. Ich red eh viel zu viel.“ Was sollte sie bloß machen? Was sollte sie entscheiden? Für wen? Warum? „Wenn du etwas brauchst, zögere nicht es mir zu sagen. Und jetzt schließ deine Augen, Sheena. Wir haben einen anstrengenden Tag vor uns.“ Seine andere Hand fand ebenfalls einen Platz an ihren Körper, an ihrer Seite und strich langsam auf und ab. Sheena war zwiegespalten. Alles was sie wollte war, dass es ihrem Dorf gut ging. Aber dafür hatte sie eine große Entscheidung zu treffen, etwas, was sie schon längst getan hatte. Die Entscheidung, Orochi als ihren Ehemann zu akzeptieren, damit sie zusammen Mizuho führen konnten. Doch jetzt wollte Sheena gar nicht mehr heiraten. Sie wollte hier nicht weg. Sie wollte Zelos nicht allein lassen. Sie wollte es noch nie. Und er hatte ihr das gerade gezeigt. Mit seinen einfachen aber ehrlichen Worten. Mit einem tiefen Seufzer schloss Sheena ihre Augen. Sie stellte sich Mizuho vor, ihre Freunde dort, ihre Familie und jeden Dorfbewohner. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie Orochi neben sich hatte, wie sie mit ihm das Dorf wieder in bessere Zeiten führen würde. Sie nahm seine Hand und drehte sich lächelnd zu ihm um, blickte in die blauen Augen des Mannes und strich ihm sanft eine der langen, roten Strähnen aus dem Gesicht. So sehr Sheena es auch versuchte, die Gedanken an Zelos verschwanden nicht. Jedes Mal, wenn sie an ihre Zukunft dachte, kam sie nicht an sein Gesicht vorbei, an dem Lächeln und diesen strahlend blauen Augen.   Sie fiel in einen unruhigen Schlaf, Zelos spürte oft genug, wie sie aufzitterte und leise murmelte. Erneut hatte er ihr wehgetan und sie verwirrt, erneut seinen Egosimus auf diese junge Frau gedrückt. Wie sehr er sich doch dafür hasste. Zelos zog die Decke höher, soweit bis er sie unter ihr Kinn legte, dann lehnte er sich ein wenig zurück und starrte in das Feuer. Alles war so unnötig und überflüssig geworden. Alles was er je gesagt hatte lag wie ein riesiger Schatten hinter ihm, es verfolgte ihn aber es war geschehen, es war für immer da. Er schloss seine Augen und alles worauf er sich nun konzentrierte waren die Geräusche des Feuers, das Heulen des Windes und wie Sheena leise atmete.   „Zelos, wir bleiben doch für immer Freunde, oder?“ Grinsend patschte der Rotschopf auf ihren Rücken. „Aber klar doch! Du bist doch mein Ninja, und mein Ninja muss mir für immer gehören!“ Ein empörtes Gesicht sah zu ihm hinauf. „Das stimmt gar nicht! Ich muss dir gar nicht gehören! Ich gehör nur mir ganz allein!“ „Hah, das sagst du! Aber schwupps!“ Er zog seine Hand über ihren Kopf, als würde er etwas einfangen wollen. „Hab ich deine Seele!“ „Huh? Wo? Das geht gar nicht!“ „Und ob das geht!“ Zelos hielt seine Hand hoch und grinste breiter. „Ich bin der Auserwählte und habe magische Kräfte! Damit kann ich Seelen fangen!“ Sheena sah hinauf, sie glaubte ihm kein Wort, oder eher sie versuchte es nicht zu glauben. „Sag, kannst du auch Summon Spirits damit fangen?“ Er legte den Kopf schief und nahm die Hand zurück. „Summon…Spirits?“ „Ja. Große, gemein aussehende Monster.“ Zelos verstand nicht ganz was sie meinte, vor allem warum sie jetzt zur Seite sah. Er mochte den Ausdruck in ihrem Gesicht nicht. „Ich glaube nicht. Aber was solls. Ich habe jetzt die Seele eines echten Ninjas!“ Damit rannte er um den Thron herum, bis Sheena ihm schimpfend folgte. Sie stolperte über den Teppich, stand jedoch sofort wieder auf und fing an zu kichern.   „Zelos…“ Vorsichtig sah er hinunter, wischte sanft die Träne weg, die sich einen Weg über ihre Wange gebahnt hatte. Stumm beobachtete Zelos die junge Ninja eine Weile, wischte jede Träne die folgte erneut mit seinem Daumen weg. Wie konnte er sie bloß wieder gehen lassen? Vielleicht war das seine größte Angst. Sie tatsächlich wieder gehen zu lassen. Er wusste nicht wie Sheena entscheiden würde, ob sie ihren Weg weiter einschlug, oder ob sie sich dazu entschied, ihm zu folgen. Ihm auf einen langen und steinernen Weg zu folgen. Es würde keine leichte Entscheidung sein, aber egal was sie ihm antworten würde, Zelos wollte sie dabei unterstützen. Selbst wenn er seine Schatten alleine weiter tragen musste und sie nur vom weiten bewundern durfte. Aber… Diese Angst, sie zu verlieren, sie war stärker als jedes andere Gefühl, welches in ihm ruhte. Es gab nichts Vergleichbares, nichts, was er sich mehr wünschte zu besiegen. „Alles was ich mir je gewünscht habe, alles was ich mir erträumt hatte, ich habe es hier. Hier in meinen Händen. Meine kleine Ninja.“ Er rieb seine Nase sanft an ihrer Stirn, gab ihr einen Kuss auf die Haare, ehe er selbst endlich in einen traumlosen Schlaf fiel.   Den Hunger den Sheena hatte, der war komplett vergessen.     „Zelos?“ „Hm?“ „Wenn jeder Stern ein Leben wäre, was würdest du ihnen sagen?“ Zelos zögerte. Er sah weiterhin in den dunklen Himmel, überlegte aber ein bisschen an seiner Antwort herum, bis er schnaubte. „Ich würde ihnen sagen, dass sie da oben gefälligst aufzupassen haben. Sie sollen auf die aufpassen, die sie im Stich gelassen haben.“ Sheena drehte den Kopf leicht zu ihm und sah ihn ruhig an. Dann grinste sie leicht, schaute wieder hinauf und zeigte auf einen Sternenhaufen. „Dann ist das da jeder aus Mizuho, den ich kenne! Und ich würde mich bei jedem entschuldigen. Ich werde für sie stärker werden und alles zurückzahlen, was sie brauchen!“ „Brauchen? Sie sind doch da oben?“ Sheena richtete sich auf und grinste leicht, Tränen schimmerten in ihren Augen. „Aber alle die sie noch hier unten haben! Ich werde ihnen damit helfen! Nie wieder werde ich weinen, bis alle glücklich sind!“ „Meinst du, dass du das schaffst? Du weinst doch jetzt auch.“ Sheena wischte über ihre Augen und schüttelte energisch den Kopf. „Tu ich gar nicht!“ „Du bist schlecht im Lügen, aber wenn du willst, helf ich dir.“ „Das würdest du tun?“ Zelos verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und legte sich darauf, schloss die Augen und seufzte laut. „Jemand muss doch auch auf dich aufpassen. Und wenn alle da oben sind, dann mach ich das jetzt.“ „Danke! Du bist ein toller Freund!“ Damit warf sie sich auf Zelos, der ein lautes Prusten von sich gab. Kapitel 6: Bonus Kapitel: Vergangenheit --------------------------------------- Bonus Kapitel:   Vergangenheit   „Wir vertrauen dir Sheena!“ „Du packst das schon!“ „Mit dir wird Mizuho wieder aufleben!“   Ja!   Sieben Jahre jung und trotzdem war Sheena voller Tatendrang, dem großen und ehrfürchtigem Volt entgegen zu treten. Sie hatte alles dabei, was sie benötigen würde; ihre Siegelkarten, ihr Ninjato, sie trug selbst die traditionelle Kleidung des baldigen Oberhauptes. Die Vorfreude war grenzenlos, aber ebenso die Angst und die Neugierde, was sie genau in dem Tempel des Blitzes erwarten würde. Ob Volt einfach so einen Pakt mit ihr eingehen würde? Sicherlich! Großvater hatte ihr alles erzählt, was sie wissen müsste, es konnte einfach nichts schief gehen! Und all ihre Freunde waren dabei, sogar deren Eltern! Sheena grinste zu Orochi, der sachte zu ihr nickte. „Aufpassen, Sheena! Sobald das Zeichen gegeben wird, müssen wir schnell in das Innerste!“ „Ich weiß ich weiß!“ Und wie das alles aufregend war! Überall blitzte und zuckte das Licht, Mana erfüllte den gesamten Vorraum, so viel Mana hatte sie noch nie zuvor gespürt. Sie schien auch die einzige zu sein, die es fühlen konnte. „Wahrscheinlich durch das Elfenblut was in mir fließt!“, hatte sich Sheena als Antwort gegeben. Aufpassen konnte die junge Dame in dem Unterricht, den Igaguri ihr gab, sehr gut. „Sheena! Das Zeichen!“ Sofort sprang das Mädchen auf und rannte los. Jetzt kam der Moment, der Moment auf den sie schon immer gewartet hatte. Sie würde den ersten Elementargeist darum bitten, einen Pakt mit ihr einzugehen! Hoffentlich konnte sie auch wirklich beschwören… „Sheena, konzentriere dich!“ Die ruhige, aber ernste Stimme ihres Großvaters gab Sheena das Gefühl, dass sie alles tun könnte. Die Zukunft Mizuhos hing von diesem Pakt ab! „Nun sage den Spruch des Paktes auf, wie wir es geübt haben, Sheena!“ „Ja, Sensei!“ Sheena schluckte laut, dann aber nickte sie sich selbst zu und sprach mit lauter Stimme: „Ich bin Sheena! Ich bin es, die einen Pakt mit Volt sucht!“ Blitze zuckten um die Ohren des jungen Mädchens, das Mana welches schwer in der Luft hing konzentrierte sich auf einen Punkt und mit einem lauten Krachen erschien ein Wesen, wie Sheena es noch nie zuvor gesehen hatte. Für diesen Augenblick vergaß sie sogar zu atmen, holte dann aber tief Luft. „Das ist tatsächlich Volt! Er ist erschienen!“ Igaguri blieb dicht hinter Sheena, die sich nur kurz zu ihm umdrehte. „Sheena!“ „Natürlich! Ehrm… Volt! Ich will ein Bündnis mit-“ Seltsame Stimmen hallten durch ihre Gedanken, aber Sheena verstand kein einziges Wort davon. Ist das seine Stimme? Ist das Volt der zu mir spricht? Ich verstehe ihn nicht! „Volt?“ Sheena schüttelte leicht ihren Kopf. „Ich verstehe dich nicht!“ Blitze sammelten sich um den Elementargeist und die Stimme, die in Sheenas Gedanken hallte wurde lauter, bis sie verstummte. „Was…“ „SHEENA! SHEENA PASS AUF!”   Ein unbegreiflicher Schmerz betäubte Sheenas Sinne. Der Boden wurde unter ihren Füßen weggerissen, alles drehte sich und sie kam erst wieder zu sich, als sie den Schatten ihres Großvaters vor sich sah. „S-Sensei…!“ Warum lagen alle anderen am Boden? Warum rührte sich keiner mehr? „Diesmal… haben wir versagt… Sheena, flieh! Ich werde ihn beruhigen!“ „W-Was?“ Igaguri zog gerade die Siegelkarten hervor, als ihn ein erneuter Blitz traf und er direkt vor Sheenas Augen zu Boden ging. „Sensei! SENSEI!“ Sie waren tot. Sie waren alle tot. „Ne…. NEEEEEEEEEIN!“ Sheena stand auf. Sie ignorierte die warnenden Blitze des Elementargeistes und rannte zu den leblosen Körper. „Wacht auf! Wacht doch auf! Wir müssen Großvater helfen!“ Verzweifelt schüttelte Sheena den Körper einer Frau, lief zu dem nächsten hin und wiederholte das ganze Trauerspiel. „Bitte wacht doch auf! Bitte…. Bitte wacht doch auf!“ Sie stolperte, fing sich mit ihren Händen auf um erneut auf die Beine zu gelangen, aber die Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, verschleierten alles um sie herum. Sheena schüttelte ihren Kopf immer und immer wieder. „Wacht auf… bitte wacht auf! Ihr dürft nicht schlafen! Wir müssen… müssen doch Großvater he-helfen!“ „Sensei!“ „Bitte, Sensei, wacht auf!“ Schreie ertönten durch den Tempel, Schreie des Entsetzens, der Trauer. So viele starben an diesem Tag, so viele wurden verletzt. „Sheena, wenn Sensei stirbt, dann bring ich dich um!“ „Miststück!“ Igaguri war es, der mit letzter Kraft meinte, man solle Sheena nicht die Schuld dafür geben. Das brauchte auch keiner. Das tat sie selbst.     Jede Bewegung die Orochi machte, wohin er sie auch führte und was auch immer die aufgebrachten Gesichter versuchten zu erklären, Sheena verstand sie alle nicht mehr. Sie saß mit ihrem Großvater und seinen Freunden an dem warmen Tisch. Sie spielen ein seltsames Spiel mit Steinen. Sie lachten laut los, aber warum wollte keiner erklären. Da war Sheena gerade und da wollte sie auch bleiben. „Sheena?“ Die müden Augen sahen hinauf zu dem Ninja, der sie mit Besorgnis musterte. „Wir fahren zurück nach Mizuho.“ Das junge Mädchen lehnte sich an seine Schulter und schloss die Augen. Es war kalt und ein starker Wind zerzauste ihre schwarzen Haare, sorgte mit einer schrecklichen Kälte für gerötete Wangen. Aber die Kälte war nichts im Gegensatz zu der einsamen Stille in ihrem Kopf. „Ist…ist Großvater zurück?“, fragte Sheena leise. Kurze Stille, ehe Orochi ihr flüsternd antwortete. „Alle werden zurückkommen. Eines Tages.“ Ob sie wirklich verstand, was er ihr sagen wollte? Vielleicht würde sie das, irgendwann. „Mein Rücken tut weh.“ Orochi drückte sie vorsichtiger näher zu sich. „Halte noch durch, wenn wir zurück sind, helf ich dir.“   Das Schiff auf dem sie zurück nach Mizuho segelten schaukelte leicht auf den Wellen des Meeres. Der eiskalte Wind hatte sich gelegt und die Sonne schien auf die erschöpften und traurigen Gesichter der Dorfbewohner. In der letzten Reihe ging Sheena neben Orochi her, zurück in den dunklen Wald von Tethe’alla. Zurück nach Hause. Sie war so unsagbar müde, dass sie fast beim Gehen einschlief. Orochi schüttelte sie immer wieder, ermahnte sie, wach und aufmerksam zu bleiben. Viel erreichte er nicht. Viele der Dorfbewohner kamen auf sie zugelaufen, aber niemand interessierte sich für das kleine Mädchen, welches langsam durch den Torbogen hinein in das Dorf ging, sich in das Haus begab in dem sie wohnte, ihrem Großvater Gute Nacht wünschte und in einer Ecke nur geschützt von der dünnen Decke zwischen Tonkrügen und Körben einschlief.   Es vergingen Tage, lange und kurze Tage, kalte und dunkle Tage, ehe Sheena sich langsam aus dem Haus traute. Die Stimme des Elementargeistes hallte in ihren Gedanken jedes Mal wieder, wenn sie viele Menschen auf einmal hörte. Viele Stimmen und Geräusche. Die Blitze und das Krachen kehrten zurück, die Schreie und die Angst waren wieder da. Nichts linderte diese unsagbare Angst, nichts machte es besser, außer die Ecke zwischen den Krügen und den Körben. Diese Ecke versteckte Sheena vor all den Blicken und den bösen Gemurmel. Es war vorher nie dagewesen, aber jetzt war es überall. Sie wusste nicht, wie sie es allen Recht machen sollte und niemand wollte mit ihr sprechen oder ihr erklären, was sie zu tun hatte. Aber noch viel mehr schmerzte es Sheena, dass sie ihren Großvater nicht sehen durfte. Er war im Dorf und lebte, aber er kam nicht zum Essen, er kam nicht um mit ihr zu trainieren. Niemand kam. Nur Orochi war dort, half ihr bei allem, was sie nicht allein stemmen konnte. Solange sein Bruder ihn dabei nicht erwischte. Doch auch Orochi waren die Hände gebunden. Sheena wollte alles auf eigene Faust wieder gut machen und versuchte zu helfen, doch die einzige Antwort die sie aus dem Dorf bekam war die Ablehnung.   „Sheena, es ist für dich das Beste, wenn du nach Sybak  gehst.“ Sheena sah zu Tiga hinauf. War es endlich etwas, mit dem sie ihrem Dorf helfen durfte? Nach dem jahrelangen Warten? „Wieso?“ „Dort gibt es eine Akademie, die sich auch mit Elementargeistern und Beschwörungen befasst. Es wäre für dich das Beste, wenn du dort lernen wirst.“ Welche andere Wahl blieb ihr übrig, als diesen Vorschlag anzunehmen? Es dauerte nicht lange bis Sheena all ihre Habseligkeiten gepackt hatte und reisefertig vor dem Tor Mizuhos stand. Wenn es allen hier helfen würde, wenn alle ihr dafür vergeben würden, dann würde Sheena weiter reisen, als diese Welt es erlaubte. Mit einem letzten Blick sah sie zurück auf das Dorf, welches sie eine Zeitlang ihr Zuhause nennen durfte, dann drehte  sich das junge Mädchen um und folgte einem der Dorfbewohner hinaus aus dem Gaoracchia Wald in eine unbestimmte Zukunft.   Was Sheena nicht ahnen konnte war, dass sie wirklich Welten bereisen würde um ihre Schuld zu sühnen.     Bonus Kapitel: Der Junge mit dem feuerroten Haar     Seltsam schmeckte das Essen noch immer in dieser komischen Cafeteria, aber Sheena störte das nicht. Sie knabberte an einem Stück Melone herum und trank den völlig verbrühten Tee ohne auf ihre Umgebung zu achten. Schon seitdem sie das erste Mal in der Akademie übernachtet hatte, ignorierte Sheena jeden einzelnen der Halbelfen, jeden der Menschen die hier herumliefen. Sie blieb an diesem einzelnen Platz sitzen, bis Forscher sie direkt rufen ließen. Das junge Mädchen hatte sich mit diesem Schicksal angefreundet und konnte so einfach Fragen und Gesprächen aus dem Weg gehen. Schnell gewöhnte sich Sheena an all die Gerätschaften, die Umgebung, das seltsame Leben dort. Am Anfang hatte sie jedes einzelne Experiment mitgezählt und versucht zu verstehen, was dort eigentlich geschah, aber auch das gab Sheena eines Tages auf. Es war ihr wichtiger, so viele Versuche wie nur möglich durchzuführen, um am Ende des Monats das erarbeitete Geld nach Mizuho zu senden. Auch die Forscher verstanden, dass die Frage, warum sie denn nichts für sich behielt, schnell überflüssig wurde.   Manchmal saß Sheena auf einen der Dächer in Sybak und beobachtete den Sonnenuntergang. Sie fragte sich wie es ihrem Großvater wohl ginge und ob Mizuho die Verluste überwunden hatte. Aber seit dem Tag, an dem sie hier ankam, gab es keine einzige Nachricht, keinen einzigen der Dorfbewohner, die nach ihr gefragt hatten. Die junge Ninja legte ihren Kopf auf die Knie und seufzte leise. Der Tag verging genauso ereignislos wie jeder andere auch. Wie sehr sie sich doch wünschte zu wissen, was Orochi und Kuchinawa gerade taten. Was Tiga wohl geplant hatte und ob Igaguri vielleicht wieder mit all ihren Freunden trainierte. Doch viel größer war die Frage, ob einer von denen sie überhaupt jemals wieder sehen wollte. Ob sie jemals wieder das Dorf betreten konnte, ohne den Hass zu ernten, den sie verdient hatte. Es wäre zu viel verlangt, nach Vergebung zu bitten.   „Sheena, geht es dir gut?“ Langsam stieg die Ninja aus dem Apparat hinaus. Sie wusste nicht, was dieses Gerät tat aber sie konnte es nicht leiden. „Alles gut, ich bin nur weggedöst.“ Der Forscher schob seine Brille hoch und sah sie noch immer mit einem leichten besorgten Blick an. „Bist du dir sicher? Wir können einen Pause einlegen, wenn du magst!“ Eine Pause klang nicht schlecht. Sie war seit Stunden in diesem Raum gewesen, ohne etwas getrunken oder gegessen zu haben. „Ich glaub die nehm ich mir jetzt. Bin gleich wieder da.“ Bevor Sheena den Raum verlassen konnte, hielt er sie mit einem kurzen „Warte!“ auf. „Hm?“ „Wenn etwas ist, du weißt du kannst mit mir darüber reden, okay?“ Sheena grinste leicht. „Ich glaub wir müssen über meine Arbeitsbedingungen reden, alle zwei drei Stunden 15 Minuten Pause, wie klingt das?“ Winkend verließ sie den Raum und ließ einen verwirrten Forscher zurück. Die Akademie war sehr belebt, ein neues Semester hatte begonnen und viele neue Gesichter begegneten ihr auf den langen Fluren. Doch Sheena ignorierte alle, sah zu Boden und lief einfach weiter zu ihrem Platz in der Cafeteria. Sobald sie um die Ecke ging, stieß sie mit jemanden zusammen. „Uff! Was war das denn?“ „Master Zelos! Habt ihr Euch wehgetan? Du Da! Entschuldige dich gefälligst!“ Sheena rieb ihren Kopf, sah auf und direkt in die musternden, kalten blauen Augen eines jungen Mannes. „Tschuldige.“ Schnell lief sie um ihn herum, um seine Gefolgschaft ebenfalls und verschwand in den Saal.   „Ich bin ein Tollpatsch.“ Seufzend stocherte sie in ihrem Kuchen umher. Der Vorteil vom Semesterbeginn war auf jeden Fall das bessere Essen und die Gratisdreingaben. Sheena hatte schon lange nicht mehr solch einen guten Kuchen gegessen, auch wenn sie das gerade gar nicht realisierte. „Und ein Vollidiot.“ Den Kopf auf den Tisch legend, seufzte sie erneut laut vor sich her und blieb in dieser Position, bis auf einmal lautes Geplapper die Stille des Saales durchbrach. Genervt drehte sie sich zur Wand um und begann, einzelne Krümel von dem Teller zu pflücken.   „Master Zelos, ich habe gerade mit Ihnen gesprochen, ist Ihnen meine Anwesenheit etwa zu viel?“ Der Junge sah weiterhin in die Ecke in der das schwarzhaarige Mädchen saß und zum dritten Mal aufseufzte, diesmal aber trauriger. „Wer ist das?“, hörte Sheena ihn fragen. „Das? Das ist nur das Versuchskaninchen der Halbelfen hier, kümmert Euch nicht um die! Die ist es nicht wert!“ Mit einem Ruck schob Sheena den Stuhl beim Aufstehen von sich und verließ die Cafeteria, ohne die Gruppe eines Blickes zu würdigen. Je weniger Aufmerksamkeit du bekamst, desto weniger würden sie dich ansprechen oder etwas von dir wollen. Oder noch viel schlimmer. Mit schnellen Schritten lief Sheena den Gang hinunter, zurück in den weniger belebten Kellertrakt des Gebäudes. Hierhin würden sich wirklich keine Schüler verirren und hier hatte Sheena alle Zeit der Welt nachzudenken, für sich zu sein und sich zu beruhigen. Neben ein paar unwichtigen Räumen mit Gerätschaften und Putzmitteln waren hier auch die gemeinsamen Duschen. Bevor sie sich wieder den Experimenten zuwenden wollte, verschwand Sheena in den Raum, eine seltsame ruhige Stimmung empfing sie in dem großen Bad. Sie liebte es hier, selbst wenn sie manchmal nicht allein war. Es erinnerte alles an das Onsen, was sie mit den Dorfleuten und Igaguri einmal besucht hatte.   Sheena kümmerte es nicht, dass die Tür offen stand und jeder in den Raum gelangen konnte. Sie drehte eine Dusche auf und begann, sich die Haare zu waschen, nahm sich viel Zeit um das warme Wasser auf ihrer Haut zu genießen. Das hier war das Einzige, was sie sich selbst gönnte. Es war wichtig und würde ihr helfen, für einen Moment an nichts Böses zu denken. Langsam drehte sie sich zur Seite, fingerte nach der Seife, bis sie die feuerroten Haare erblickte, die zu jemanden gehörten, der urplötzlich hinter ihr stand. Sheena brauchte einen Augenblick um zu verstehen, dass das hier keine Halbelfe oder Forscherin war, nein. Es war der seltsame Junge von vorhin, der jetzt nur dastand und sie mit seinen blauen Augen schon wieder musterte. „Hiii….. HYAAAAAAAA!“ Sie warf die Seife nach ihm, griff sich alles was sie erreichen konnte um ihn aus dem Bad davonzujagen. „WAS FÄLLT DIR EIN MICH ZU BEOBACHTEN!!“ Schnell griff die Ninja nach einem Handtuch und versteckte sich dahinter, warf erneut undefinierbare Gegenstände nach dem perplexen Jungen, der endlich Reißaus nahm und das Bad verließ. „DÄMLICHER IDIOT! BLÖDER VOLLTROTTEL! DU DOOFER PENNER!!“ Was fiel diesem Schnösel ein, den Raum zu betreten, sie zu beobachten und dann auch noch wie ein Perversling ihren Körper anzustarren! Der konnte was erleben! In Windeseile zog Sheena ihre Kleidung an und rannte mit noch nassen Haaren und barfuß aus dem Bad hinaus. Lange musste sie nicht nach dem rothaarigen Idioten suchen, er stand an der Wand angelehnt, wenige Meter entfernt. „Da bist du! Du dämlicher Trottel!“ „Hey hey hey, warte warte!“ Der Junge hob schützend seine Hände. „Das war ein Versehen, ich schwörs dir!“ „Ein Versehen?! Du dämlicher Penner, ich zeig dir was ein Versehen ist!“ Bevor Sheena ihn greifen konnte, pflückte der Junge ihre Hände aus der Luft, drückte diese mit einer unglaublichen Kraft an die Wand über ihren Kopf und keilte ihre Beine mit seinen fest. „Beruhige dich! Ich sagte doch es war ein Versehen, es tut mir Leid!“ Ein paar Sekunden versuchte Sheena vergeblich, sich aus dem Griff zu befreien, bis sie ihn wütend anstarrte und nur noch wenige Male zuckte. „Lass mich sofort gehen!“ „Nur wenn du mir versprichst, mich nicht mehr zu schlagen oder Dinge nach mir zu werfen! Die Seife tat ganz schön weh.“ Sie vertraute dem komischen Blick ihres Gegenübers nicht. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie einen Menschen nicht durch seine Augen einschätzen konnte. Seltsame Augen waren es. Kalt und tief, aber sie verrieten kein bisschen darüber, was er fühlte oder wollte. „Na komm schon. Die Position muss dir wehtun, hab ich Recht?“ „Blöder Penner.“ Sheena sah zur Seite weg. „Oder möchtest du, dass ich dir etwas anderes zeige?“ Mit fragendem Blick sah sie zurück zu ihm. „Wie, was anderes?“ Grinsend ließ er sie los. Grummelnd rieb sich Sheena über die Handgelenke, beäugte ihn nebenbei genauestens. Wer war dieser seltsame Kerl, mit seinen feuerroten Haaren und diesem selbstgefälligen Grinsen? Sie hatte ihn hier noch nie zuvor gesehen. Aber viel wichtiger war, dass dieser Perversling es einfach gewagt hatte, ihr beim Duschen zuzusehen! „Wie ist dein Name?“, fragte er plötzlich. „Warum willst du das wissen?!“, zischte Sheena ihm entgegen. „Glaubst du ich-“ „Nur deinen Namen, mehr nicht, mein Honey.“ Sheena wich leicht perplex zurück, als sie seinen Finger auf ihrem Mund spürte. In ihr kochte es, es war gar nicht zu beschreiben wie gerne sie ihn jetzt wegtreten wollte. „Ich bin nicht dein Honey, du verfluchter Vollidiot! Verdammter Schnösel!“ Sie drehte sich um und lief schnurstracks den Gang hinauf um schnellstmöglich aus seiner Reichweite zu kommen. Doch oben erwartete Sheena eine ganze Gruppe von gut und ausfallend gekleideten jungen Frauen, die alle murmelten und tuschelten sobald sie die schwarzhaarige Ninja in ihrem einfachen Outfit sahen. Mit hochrotem, gesenktem Kopf ging sie schnell an der Gruppe vorbei, hörte hinter sich noch ein paar Male „Zelos-sama!“ „Auserwählter!“ „Was macht Ihr bloß mit uns?!“ bog um die Ecke und verschwand in einen leeren Klassenraum. „Alles ist gut, Sheena, alles ist gut. Du wirst diesen Idioten nie wieder sehen. Alles gut.“ Angelehnt an eine Wand versuchte Sheena ihre Fassung zu bewahren und atmete laut durch. Sie erinnerte sich an die Atemübungen, die sie vor den Trainingseinheiten immer gemacht hatte und ahmte diese langsam nach. Es half ihr dabei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das Leben würde weitergehen. Sie würde hoffentlich schnell diesen seltsamen Vorfall vergessen. Sheena stieß sich von der Wand ab und verließ das Zimmer. Sie hatte den Forscher lang genug warten lassen, ausserdem waren ihre Haare noch immer nass.   „Haaah, diese Experimente werden immer länger.“  Um sich ein bisschen von den ganzen Versuchen abzulenken, spazierte Sheena langsam durch Sybak. Die Stadt war bis unter den Rand gefüllt mit wissbegierigen Menschen, die alle ihren eigenen Weg suchten und sie überhaupt nicht zwischen den Massen auffiel. Es gefiel Sheena und sie konnte sich manchmal sogar dabei ertappen, wie sie an Händlerständen stehen blieb und die Waren begutachtete. Seit einiger Zeit war Orochi fast täglich bei ihr um mit ihr zu trainieren. Er hatte ihr sogar neue Kleidung gebracht, ein richtiges Outfit aus Mizuho. Selbst ein paar Siegelkarten waren dazwischen, falls sie diese einmal brauchen würde. Igaguri hatte Sheena diese als Kind geschenkt, aber damals wusste sie nichts mit dem Papier anzufangen. Auf jeden Fall war es schön, sich in etwas traditionellem zu bewegen und nicht mehr diese viel zu großen Kittel zu tragen. Zwar musste sie auch noch in das jetzige reinwachsen, aber es war für eine Frau zugeschnitten und nicht für einen Mann. Soweit wie Orochi ihr erzählt hatte, war Igaguri noch immer am Schlafen, aber es ging ihm um Welten besser als damals, nachdem sie Mizuho verlassen hatte. Ein riesiger Stein fiel von ihrem Herzen, als sie die Nachricht bekam und seit langem konnte Sheena wieder wirklich lachen. Vielleicht würde er bald aufwachen und sie konnte ihm erzählen, wie viel sie bisher erreicht hatte. Wie viel sie mit den Forschern über das Beschwören herausgefunden hatte, dass sie selbst sehr viel stärker geworden war und helfen konnte, wo es nur ging. Wie schön das Gefühl doch war, endlich Gewissheit zu haben, dass Mizuho eines Tages wieder ihre Heimat sein konnte. Solange würde Sheena arbeiten und Geld schicken, bis sie alle genug zusammen hatten.   Lautes Geschnatter und Gekreische zog Sheena aus ihren Gedanken heraus und sie knurrte leise auf. Seit dem Vorfall mit diesem seltsamen Jungen, versuchte sie all diesen Geräuschen aus dem Weg zu gehen und vor allem ihm aus dem Weg zu gehen, aber es war fast unmöglich. Er schwänzte die Stunden, lief, immer gefolgt von einer Reihe wohlhabender Mädchen, andauernd durch die Akademie und Sybak, doch was Sheena noch viel mehr ärgerte war, dass er sie anstarrte. Jedes verdammte Mal starrte dieser Typ sie an. Und wenn sie es wagte, zu ihm zu sehen, dann lächelte er, strich sich seine roten Strähnen aus dem Gesicht und nickte ihr leicht zu. Fast mit hochrotem Kopf nahm Sheena so schnell sie konnte Reißaus. Der Kerl hatte sie nackt gesehen, es gab eigentlich nichts schlimmeres mehr, was noch passieren konnte. Ein fremder Mann, der sie beim Duschen beobachtete, ihr gruselig zulächelte und auch noch so tat, als wäre er etwas ganz besonderes. Nein. Sie konnte darauf gut und gerne verzichten.   „Sheena?“ Verwundert drehte sich Sheena um und zuckte sichtlich zusammen. „Was willst DU von mir?!“ Grinsend rieb sich dieser rothaarige Vollidiot, so wie sie ihn benannt hatte, über die Haare. „Also ist das wirklich dein Name. Sheena… Es hat einen sehr schönen Klang. Du kommst aus Mizuho, habe ich Recht?“ Sheena wusste nicht, wie sie auf ihn reagieren sollte, blieb daher kühl und abweisend. „Na und? Das geht dich gar nichts an. Perversling.“ Langsam kam er auf sie zu. „Du hast es also noch immer nicht überwunden. Mach dir keine Sorgen, ich hab schon vorher Frauen nackt gesehen!“ Die Röte sammelte sich wortwörtlich in dem Gesicht des jungen Mädchens und sie ging zwei Schritte zurück. „Du BIST ein perverser Idiot, ich habs GEWUSST!“ Und sie stapfte wütend den Gang hinunter, dicht gefolgt von dem jungen Mann. „Jetzt warte doch mal!“ Er packte ihren Arm und drehte sie zu sich. „So war das nicht gemeint, es… es tut mir Leid, okay? Es war nicht meine Absicht dich… zu beobachten. Ich kam rein und… und da standest du, hast irgendein Lied vor dich hergesummt… Ich… ah, vergiss es. Ist schon gut.“ Von einem auf den anderen Moment verflog Sheenas Wut und sie starrte fragend und irgendwie verwirrt, aber doch leicht erschrocken zu ihm hoch. Das erste Mal hatte er freiwillig seinen Blick von ihr gewandt und das doofe Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Er sah traurig aus, vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber es war ganz sicher Traurigkeit. Doch sobald er bemerkte, dass sie ihn ansah, legte sich ein undefinierbarer Schleier über die Saphire und Sheena war nicht mehr in der Lage, auch nur das kleinste Stückchen aus ihnen zu lesen. „Wie wärs, Honey? Ich, du und ein Dinner in einem Restaurant in Meltokio?“ „Was soll ich in dieser dämlichen Großstadt?!“, zischte Sheena und schlug seine Hand an ihrem Arm weg. „Noch besser, was soll ich mit DIR in Meltokio? Eher würde ich sterben, Perversling!“ Er grinste finster. Es jagte Sheena einen Schauer über den Rücken und sie konnte zum ersten Mal sagen, dass sie das noch nie vorher erlebt hatte. „Eine solch unglaubliche Schönheit, die sich so leicht für jemanden opfern würde… Du machst es mir nicht leicht, dir zu widerstehen.“, raunte er leise und nahm eine schwarze Strähne ihres Haares in seine Hand. „So schön wie Seide… Burgunder passt perfekt dazu. Leichte, goldene Akzente… Du bist wunderschön, weißt du das?“ Wie erstarrt stand sie dort, ließ ihn weiter über ihre Haare streichen, spürte wie seine Hand vorsichtig den Weg zu ihrer Wange suchte. „Etwas so Schönes darf hier nicht bleiben. Wie wärs? Du kannst bei mir in Meltokio wohnen, ich hab eine Villa, die groß genug ist für uns beide.“ Sobald sie seine Haut auf ihrer spürte, erwachte Sheena, schlug seine Hand von ihrem Gesicht weg und wich nach hinten aus. „Vergiss es!“ Erneut grinste er mit dieser finsteren Grimasse dahinter. Es würde gar nicht auffallen, doch Sheena konnte diese feinen Gesichtszüge lesen, so wie man es ihr beigebracht hatte. Es war nicht nur wichtig für einen Ninja zu kämpfen und sich zu verteidigen, sondern auch den nächsten Schritt des Gegners hervorzusagen. Auch wenn sie bei ihm fast an ihre Grenzen stieß und nie wirklich wusste, was er als nächstes machen würde. „Wie eine Banshee. Da bietet man dir Hilfe an und alles was ich dafür kriege sind Todesblicke.“ Warum gab sie sich mit diesem zwielichtigen Idioten überhaupt noch ab? „Lass mich in Ruhe, verstanden? Verdammter Idiot.“ Endlich drehte sie sich ganz um und versuchte wieder zu flüchten. Und diesmal klappte es.   Doch das Gefühl seiner Präsenz blieb. Sie konnte ihn in der Akademie einfach nicht ausweichen, hatte nur ihre Ruhe vor ihm wenn sie im Forschungstrakt war. Sobald Sheena die belebteren Gänge ansteuerte, dauerte es nicht lang und sie hörte das Geschnatter seiner Gefolgschaft. „Sag, kann ich dich mal was fragen?“ „Hm?“, der Forscher sah zu Sheena hinunter, die mit den Kabeln spielte, die an ihrem Körper befestigt waren. „Nur zu.“ „Wer ist dieser rothaarige Kerl, der immer von diesen ganzen Mädchen umringt ist?“ Das Piepen eines Gerätes zog kurz die Aufmerksamkeit des Forschers weg, ehe er ihr antworten konnte. „Das? Das ist Zelos Wilder. Er ist der Auserwählte Tethe’allas. Wundert mich, dass du ihn nicht kennst.“ Sheena ließ die Kabel fallen und blinzelte überrascht. „Der Auserwählte?!“ Sie quietschte das Wort fast. „Dieser perverse Spinner ist der Auserwählte Tethe’allas?!“ Glucksend hob der Forscher die Kabel auf. „Perverser Spinner hat ihn so noch keiner genannt. Aber ja, das ist er. Geboren um unsere Welt zu bewahren.“ Der Auserwählte hatte sie nackt gesehen, sie gestalkt und betatscht, und sie so viel fluchen lassen, wie sie es noch nie zuvor getan hatte! „Warum fragst du?“ Sheena schüttelte den Kopf um sich selbst wieder zur Vernunft zu bringen. „Er… ist ein Idiot, das ist alles.“ „Haha, wenn du das so sagst!“, antwortete der Forscher leicht amüsiert. „Ich hab ihn noch nie gesehen, daher kann ich dir leider nicht zustimmen, Sheena!“ „Ist auch besser so“, murrte sie leise und wartete darauf, dass das Gerät erneut piepsen würde. Dieses Experiment zehrte fast all ihre Kräfte auf und eigentlich wollte sie später noch auf Orochi warten. Doch je länger sie dort saß, desto mehr überkam Sheena eine Müdigkeit, die sich wie eine schwere Decke auf sie legte. „Sheena? Ist alles in Ordnung?“ „Ja… Dauert es noch lange?“ Seufzend zog der Forscher die Kabel weg, Sheena zuckte durch das ungewohnte Gefühl leicht auf. „Geh und ruh dich aus. Ausserdem, Sheena?“ Das junge Mädchen sah leicht fragend zu ihm, während sie aufstand und die Kleidung glattstrich. „Hm?“ „Du solltest dir mal einen Tag freinehmen.“ „Brauch ich nicht. So, morgen wieder zur gewohnten Uhrzeit.“ Nachdenklich sah der Forscher ihr nach.   „Urgh.“ Sheena stand angelehnt an einer Wand, rieb sich mehrmals über ihr Gesicht und atmete tief durch. „Was ist bloß los? Komm schon, Sheena. Orochi wartet bestimmt schon.“ Sie stieß sich von der Wand ab um weiter durch die Akademie zu laufen, brauchte ihre komplette Konzentration dafür, um sich auf den Beinen zu halten. Nicht einmal das Geschnatter von Zelos‘ Gefolgschaft interessierte Sheena in dem Moment. „Hey, Honey?“ Erst als sich jemand ihr in den Weg stellte, musste sie hochsehen, dann drehte sich die ganze Umgebung und färbte sich in ein dunkles, schwarzes Loch.   „W-wo bin ich?“ Warum bewegten sich die Wände? Und was war dieser seltsame warme Platz an dem sie lag? „Du bist wach?“, fragte eine ihr bekannte Stimme leise. „Wach?“ Langsam wurde die Umgebung schärfer, Sheena erkannte, dass jemand sie trug. Aber wer und warum? Und warum war sie so müde? Sie hatte doch nur den Forschern geholfen, so wie sie es sonst auch immer machte. „Schlaf noch ein wenig“, sprach die Stimme mit einem honigsüßem Unterton. Schlaf hörte sich gut an. Und selbst als Sheena die roten Haare erkannte, schloss sie ihre Augen und fiel in seltsame und lange Träume.   „G-Großvater?“ Schritte und das sanfte Geräusch von jemanden, der sich über sie beugte ertönten. Sheena wusste nicht, ob sie noch schlief oder ob sie aufgewacht war. Ihr Körper wollte nicht gehorchen, und die Dunkelheit um sie herum machte es unmöglich, die Person zu erkennen, die ihr etwas Kühles auf die Stirn legte. „Großvater?“, fragte sie erneut leise, in der Hoffnung seine Stimme zu hören. „Es… tut mir Leid… Ich arbeite für dich… und Mizuho.“ „Ich bin nicht dein Großvater, Sheena“, flüsterte jemand behutsam. „Du hast hohes Fieber, das ist alles nicht real. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich.“ Wie in Zeitlupe drehte Sheena den Kopf zu der Person. Aber selbst wenn sie die Gesichtszüge und die roten Haare erkennen konnte, es war noch immer nicht möglich, diese zuzuordnen. „Ruh dich aus. Es wird alles wieder gut, versprochen.“ Sheena lehnte sich vorsichtig in die sanften Berührungen an ihrer Wange, ehe sie erneut in die Dunkelheit fiel und durch viele seltsame Träume wanderte. Wie lange sie schlief, wusste Sheena nicht. Sie wachte zwar wieder auf, aber es war anstrengend zu denken, sodass sie das Beste tat, was sie in der Situation machen konnte. Einfach weiterschlafen. Zum ersten Mal seit langer Zeit, hatte sie keine Albträume die sie ruckartig aus dem Schlaf rissen. Alles was sie sah waren nur verzerrte Bilder einer unwirklichen und sehr seltsamen Welt. Manchmal sprach jemand zu ihr und sie konnte Bewegungen spüren, aber Sheena konnte darauf nicht reagieren. Selbst als sie endlich wieder in der Lage war, ihre Augen aufzumachen und zu sehen, dass man sie in ihr Zimmer gebracht hatte, forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Sie hatte sich tatsächlich bei den ganzen Experimenten völlig verausgabt ohne es gemerkt zu haben. Es war fast schon reine Ironie. Wenn sie doch wenigstens gestorben wäre, dann hätte Mizuho… „Ah!“ Eine Stimme riss sie aus den Gedanken heraus und Sheena starrte zu diesen rothaarigen Perversling, der eine Schüssel in der Hand hielt und sie erleichtert anlächelte. „Ich dachte du würdest nie aufwachen!“ „Was… Was machst DU hier in meinem Zimmer?!“ Sheena versuchte sich aufzurichten, aber Schwindel überkam sie und alles was ihr übrig blieb war, sich zurückzulegen und sich zu beruhigen. „Du bist vor mir einfach umgekippt, ich konnte dich gerade noch auffangen!“, begann Zelos leise und stellte die Schüssel auf ein Nachttischchen ab. „Du hast noch immer hohes Fieber, der Arzt meinte, eine Woche Bettruhe und Schonkost ist das Mindeste damit du wieder gesund wirst.“ „Fieber?“ Sheena sah zu ihm, beobachtete wie er ein Tuch in die Schüssel tauchte. „Jep. Aber keine Sorge, ich werde aufpassen, dass es dir bald wieder besser geht!“ Leicht genervt sah sie zur Seite weg. „Ich will mit dem Arzt sprechen und nicht mit dir.“ „Der schaut morgen nochmal nach dir.“ Zelos beugte sich über sie, lächelte sanft und fragte leise: „Ich darf doch, Prinzessin?“ Bevor Sheena antworten konnte, nahm er das alte Tuch, dass auf ihrer Stirn lag, weg und ersetzte es durch das kühle, frische Tuch. Glücklich seufzend entspannte sich das Mädchen und schloss ihre Augen. Das kalte Wasser tat wirklich gut und linderte ihre Kopfschmerzen leicht. „Wenn du etwas brauchst, sag es mir. Ich werd bei dir bleiben.“ Alle paar Minuten tauschte er das Tuch aus. Sheena bemerkte, dass er ihr manchmal absichtlich über die Haut strich, länger als nötig ihr Fieber maß oder sogar über die Decke streichelte, aber sie hatte nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Im Gegenteil, es half ihr, erneut in eine verzerrte Traumwelt zu driften.   Irgendwann wachte Sheena mitten in der Nacht auf und tastete nach etwas zu trinken. Aber egal wohin sie auf fasste, überall war nur das Bett und diese Decke. Fast schon verzweifelt fiepte Sheena leise vor sich her, bis sich plötzlich etwas neben ihr regte. Ängstlich zuckte sie zusammen, starrte in die Dunkelheit hinaus um vielleicht zu erkennen, was da vor sich ging. Wie aus dem Nichts griff eine Hand ihre und drückte ihr ein Glas in die Hand. Zitternd kämpfte sie darum, es an ihre Lippen zu führen, aber auch dort nahm diese andere Hand ihr die Arbeit ab. Es hatte sich noch nie zuvor so gut angefühlt, etwas zu trinken und mittendrin sackte sie zurück auf das Bett, schloss ihre Augen und verschlief so auch den Rest der Nacht und fast den gesamten nächsten Tag. Was Sheena nicht wusste war, dass Zelos nicht von ihrer Seite wich. Egal wie lange sie auch schlief, er blieb dort sitzen, passte auf sie auf und half ihr, sobald sie wach war. Umso überraschter war sie, als sie endlich wieder bei Kräften war und sich Kopfreibend aufsetzte. Ohne ein Wort zu sagen starrte sie auf den schlafenden Rotschopf hinunter, der halb auf dem Bett, halb auf dem Stuhl saß. Mit der Decke über ihren Schultern, setzte Sheena sich auf das Fensterbrett und sah einfach nur stumm hinaus. Was tat Mizuho gerade? Was taten all ihre Freunde und wie gut ging es wohl ihrem Großvater? Wenn sie nicht anfangen würde, bald wieder zu arbeiten, gäbe es kein Geld mehr für ihr Dorf. Eine Enttäuschung war genug, das wollte sie keinem einzigen mehr antun. Seufzend lehnte sie sich an das kalte Glas und schloss ihre Augen. Draussen war es grau und trüb, es würde bald regnen und vielleicht sogar schneien. Ob es so viel wie in Mizuho werden würde? Dort war der Schnee manchmal so hoch, dass man aus seinem Haus direkt hinein springen konnte. Was haben sich alle damals für verrückte Spiele ausgedacht und sogar Schneehäuser gebaut. Sheena lächelte leicht bei dem Gedanken, dass sie alle mit knallroten Nasen und Händen in die warmen Häuser geflüchtet waren, sich alle Kinder unter Decken versteckten und den unglaublich leckeren Tee von Kiyoshi tranken. Die alte Dame war zwar manchmal wunderlich, aber es gab nichts, was ihr Tee nicht heilen konnte. Urplötzlich spürte sie eine Präsenz neben sich, schlug die Augen auf und sah zu diesem dämlichen Perversling. „Keine Angst. Ich möchte mich nur dazusetzen, darf ich?“ Sheena schwieg, nickte aber leicht. Er hatte ihr geholfen und sie nicht allein gelassen. Das war das Mindeste, was sie ihm schuldete. Musternd wanderte ihr Blick über die langen, roten Haare, bis zu seiner schwarzen Uniform, die eher einem Balloutfit glich, als etwas, was man zur Schule tragen würde. Immer wieder strich Zelos sich die roten, widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht. „Du brauchst ein Haarband.“ „Hm?“ Bevor sie antwortete, wich sie ihm aus und sah zurück in den trüben Himmel. „Ein Haarband. Dann fallen sie nicht andauernd ins Gesicht.“ Er grinste leicht, dann nickte Zelos und sah ebenfalls hinaus. „Du hast Recht. Ich werde mir eins besorgen.“ Stumm saßen beide eine Zeit lang da. Keiner wusste so Recht, womit man anfangen könnte, was es zu erzählen gab. Sheena wusste fast gar nichts über ihn. Und es würde wohl auch umgekehrt so sein. „Sag, Sheena“, durchbrach er endlich die Stille, sah aber noch immer hinaus. „Für wen tust du das hier alles?“ Verwundert über diese seltsame Frage legte sie den Kopf ein wenig schief. „Wie, für wen?“ „Na du musst doch einen Grund haben, dich bis an die Grenzen des Machbaren zu bringen. Ist es für einen Freund? Jemanden den du gern hast?“ Völlig empört richtete Sheena sich auf, doch bevor sie losschimpfen konnte, fuhr er fort. „Nein. Das ist es nicht. Du hast keinen Freund. Dann ist es deine Familie, habe ich Recht?“ Und wie er das hatte. Sofort fiel sie wieder in sich zusammen, senkte den Kopf und sah zurück auf die Straßen und Häuser Sybaks. „Hab ich also Recht. Du tust das alles für deine Familie, für Freunde. Wahrscheinlich versuchst du dich damit bei ihnen zu entschuldigen, irgendetwas wieder gut zu machen.“ „Woher…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „So oft wie du nach deinen Großvater gerufen hast in deinem Fieberwahn, war das ein Leichtes.“ Wieder folgte Stille, eine Stille in der sich Sheena nicht wohlfühlte. „Bist du dir sicher, dass sie es wert sind?“ Zelos sah sie nun direkt an und schien auf die Antwort zu warten. „N-Natürlich sind sie es wert! Sie sind alles was ich habe!“ „Und doch lassen sie dich hier arbeiten, bis du krank wirst und vor Erschöpfung zusammenbrichst? Sheena, was treibt dich dazu an, dich so für Menschen hinzugeben?“ Sie wusste darauf keine Antwort. Egal was sie ihm sagen würde, er wäre damit nicht zufrieden. „Hab ichs mir doch gedacht.“ Das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, ein schlechtes Gewissen mit sich zu tragen, keimte in ihr auf und sie zog die Decke weiter über sich, als Schutz vor seinen Fragen und Feststellungen. Noch nie hatte ihr jemand  so direkt die Wahrheit erzählt, so direkt all das gezeigt, was sie eigentlich tief in ihrem Herzen weggesperrt hatte. „Ich muss… Ich muss dir nicht erklären, warum ich das tue. Das geht dich nichts an.“ „Tut es auch nicht, ich habe nie behauptet, dass du mir das erzählen sollst.“ Erneut kam solch eine schnippige und schnelle Antwort. „Du bist doch noch recht jung, oder?“ Warum wollte er das wissen? Und warum wechselte dieser doofe Perversling andauernd das Thema? „Das geht dich auch nichts an.“ Und Sheena wich ihm nun ganz aus, verschränkte die Arme leicht, sodass die Decke von ihren Schultern rutschte. Zelos grinste ein wenig und gab ein kurzes „Heh.“ Von sich. „Was?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah sie zu ihm. „Ich habe nur kurz darüber nachgedacht, dass ich vielleicht ein Auge auf dich haben sollte. Für die nächste Zeit.“ „Was soll das heißen?“ Und wieder legte sie den Kopf schief. „Gerade die Hellste bist du auch nicht.“ Und da hatte Zelos einen Hausschuh im Gesicht, den er nahm und auf den Boden fallen ließ. „Aber schnell, das muss ich zugeben. Damit ist es beschlossen.“ Der junge Mann stand auf und strich sich seine Kleidung glatt. Diese hatte durch das unfreiwillige Nickerchen ganz schön gelitten und war völlig zerknittert. „Damit ist was beschlossen?“, fragte Sheena mit mehr Nachdruck in ihrer Stimme, ohne sich von ihrem Platz zu entfernen. Ohne ihr eine Antwort zu geben, ging er auf sie zu. Er beugte sich zu ihr hinunter, sodass Sheena seinen Atem auf ihrem Hals spüren konnte und hob die Decke an, um sie behutsam zurück auf ihre Schultern zu legen. „Das ich auf dich aufpassen werde. Es ist kein Angebot, es ist beschlossene Sache. Und da du nicht mit nach Meltokio willst, werde ich hierbleiben.“ Da endlich wachte Sheena aus der Starre auf und schubste ihn von sich weg. „Vergiss es! Ich brauche keinen Babysitter, du Perversling! Und jetzt raus aus meinem Zimmer!“ Doch Zelos blieb an dem Platz stehen. Er grinste erneut, dann aber wandelte das Grinsen in ein eher besorgtes Lächeln und der Auserwählte schüttelte leicht den Kopf. „Du bist etwas Besonderes, Sheena. Und das ist ein Grund, dich nie wieder gehen zu lassen.“ Röte stieg ihr ins bleiche Gesicht, was erlaubte sich dieser blöde Perversling eigentlich? Doch als sich Zelos umdrehte und zur Tür ging, stand Sheena auf. „Warte.“ „Hm?“ Zelos sah über seine Schulter zu ihr zurück. „Ich…“ Nach Worten suchend, sah Sheena in jede erdenkliche Richtung, nur nicht in seine. „Ich… wollte dir danken. Also ich danke dir dafür, dass… dass du mir geholfen hast.“ Zelos hob eine Hand. „Jetzt sind wir quitt.“ „Quitt?“ Neckisch grinsend öffnete Zelos die Tür. „Für meinen kleinen Einblick in der Dusche!“ Bevor ihn einer der fliegenden Gegenstände treffen konnte, hatte er die Tür geschlossen und ging lachend den Gang hinunter.       Zelos hielt sein Versprechen, auf sie aufzupassen, ein. Er half ihr wo er nur konnte. Selbst als Sheena in ihren Selbstzweifeln und ihrer Angst vor Verantwortung zu versinken drohte, hatte er die Lösung, die ihr Leben grundlegend verändern sollte.       Die Reise nach Sylvarant. Kapitel 7: Die Strafe? ---------------------- Die Strafe?   Kapitel 5     „Haben wir alles?“ „Jep, sollten wir“, gab Zelos als Antwort zu dem alten Kerl, legte dabei eine Decke zusammen. „Das hier ist die Letzte. Lass uns aufbrechen.“ Langsam beugte sich der Auserwählte zu Sheena hinunter, die an der Höhlenwand angelehnt saß und auf Zelos wartete. „Darf ich bitten, meine Prinzessin?“ Grinsend streckte er die Arme nach ihr aus. „Sei vorsichtig, blöder Auserwählter.“ Mit seinem üblichen Kichern schob Zelos seine Arme vorsichtig unter sie und hob sie in einem Ruck hoch. „Leicht wie eine Feder!“ „Ernsthaft, lass diese blöden Sprüche!“, zischte Sheena zu ihm hoch, ihr Blick schien Zelos durchbohren zu wollen. „Na komm schon, Hunny“, begann er zu witzeln, während er Sheena nach draussen trug. „Was hab ich dir denn diesmal getan? Ich hab nur die Wahrheit gesagt!“ Ihre Sätze, ihre langen und genervt klingenden Sätze, die sie ihm an den Kopf werfen wollte, waren mit einem Mal verschwunden. Für einen Augenblick musste Sheena ihre Augen abschirmen, denn die Sonne tauchte den Schnee in ein gleißendes Licht und egal wohin man auch sah, die Eiswüste erstreckte sich vor ihnen bis hin zum Horizont. Eiskalter Wind fuhr über ihr Gesicht und ließ den Körper der jungen Ninja aufzittern. Zelos sah mit einer besorgten Stille zu ihr hinunter, lächelte aber über den fast schon erstaunten Blick von Sheena. „In Altamira wäre es jetzt ein sehr warmer und schöner Strandtag“, begann Zelos leise. „Aber hier ist es nur kalt. Trostlos und kalt. Und den Schnee-„ „Hast du satt, ich weiß“, beendete Sheena seinen Satz. „Aber kalt ist es wirklich.“ Zelos setzte Sheena auf den Schlitten des Alten und zog eine weitere Decke über ihren Körper. „Ich werde hinter dir gehen, damit dir nichts passieren kann, meine Banshee.“ Mit einem verächtlichen Geräusch sah Sheena zur Seite weg. „Tsk. Als ob ich das bräuchte.“ Ihre kalkbleichen Wangen gewannen ganz leicht an Röte, Zelos seufzte leicht auf, lächelte jedoch erneut als er es bemerkte. „Du gibst niemals kampflos auf und das liebe ich so an dir.“ „Was hast du gesagt?“ „Ach nichts nichts! Hey Alter! Sind wir fertig?“ Zelos sah nach vorn, wo der Alte das Seil des Schlittens griff und die Hand hob. „Sind wir! Ein Tagesmarsch, Auserwählter, dann bin ich euch los!“ „Hah, hab nichts anderes als Antwort erwartet!“ Ein leichter Ruck gab Sheena die Bestätigung, dass der Schlitten bewegt wurde und sie schloss für einen Moment die Augen. Was würde wohl noch alles passieren, auf dieser seltsamen Reise? Wohin würden sie wohl noch kommen? Und was war eigentlich der Auslöser von diesem ganzen Schlamassel? Und warum war sie so glücklich, selbst nach diesen eher düsteren Vorfällen? Warum gab ihr die Stimme, die neben ihr schallte so ein seltsames Gefühl von Geborgenheit? Von etwas warmen, etwas schönem und etwas, wohin sie immer wieder kommen könnte. Eine Stimme war doch nicht wirklich verantwortlich dafür, dass sie sich… zuhause fühlte? Vorsichtig lugte Sheena hoch zu ihm. Die Sonne schien nun direkt in ihr Gesicht und es war schwer, die eigentliche Person in den Umrissen zu erkennen, aber trotzdem gab er ihr das Gefühl von Sicherheit. „Hast du etwas, Honey?“ „Hm?“ Hatte er sie beobachtet? „Tsk, natürlich nicht! Wollte nur wissen, ob du nicht irgendeinen Blödsinn vorhast, Zelos.“ Mit gespielter beleidigter und genervter Mine, kuschelte sich Sheena so weit unter die Decke, dass ihr Gesicht nur noch bis zur Nase herauslugte. Der Stoff roch nach allem Möglichen. Nach Gras und Erde, nach einer langen Reise, nach Holz und Seeluft. Wer auch immer der Alte war, der ihnen half, er hatte die Freiheit in seinem Leben erlangt, die Freiheit tun und lassen zu können, was immer er wollte. Selbst in dieser Eiseskälte war er an niemanden gebunden und musste sich auf niemanden verlassen. Wie sehr Sheena ihn darum einfach nur beneidete.   Die kleine Gruppe bahnte sich ihren Weg weiter in Richtung Flanoir, mit kurzen Pausen für Sheena und Zelos, damit diese sich aufwärmen konnten. Immer wenn Sheena ihre Füße bewegen wollte oder sich streckte, half Zelos ihr dabei, sich wieder in die Decken zu kuscheln. Ihr war nicht ganz bewusst, dass es jedes Mal länger dauerte, bis sie seinen Arm losließ, wie sie ihn leicht dabei neckte oder einmal sogar Schnee entgegen warf. Sein Lachen und Kichern gab Sheena bei jedem Unfug den sie trieben einen Funken zurück. Den, den sie als Kind bei ihm fand und nach dem sie immer auf der langen Reise der Welterneuerung gesucht hatte. Die Geborgenheit und diese unersetzbare Sicherheit die Zelos schon immer irgendwie bei sich trug. Das, was hinter seiner Maske und Fassade steckte, hinter den ungewollten Beleidigungen und dem verwirrten Betrug. Das, was Sheena wieder ausgraben wollte, nach all den Jahren in der tiefen Finsternis. Für diesen Moment, für diese Reise nach Flanoir dachte Sheena nicht daran, dass sie Orochi heiraten wollte um mit ihm Mizuho zu führen. Um nach Sylvarant zu ziehen um dort die Traditionen weiter zu führen  und dem Dorf das zurückzugeben, was sie ihm genommen hatte. Sie wusste, dass es dort war und auf sie warten würde, aber irgendwie war sich Sheena sicher, dass Zelos sie nicht allein lassen würde.     „Na endlich!“ Zelos fast schon überglückliche Stimme weckte Sheena aus ihrem Halbschlaf und sie blinzelte leicht, drehte den Kopf zu ihm hoch, aber da war er auch schon aus ihrem Sichtfeld verschwunden. „Wir sind fast da! Endlich! Ich kann den Urlaub in Altamira schon fast schmecken! Das salzig, warme Meerwasser, das Eis und die vielen vielen Hunnies am Strand, die mich alle furchtbar vermissen!“ Genervt rollte Sheena mit den Augen. Mehr als dort zu warten bis sie die Stadt vollkommen erreicht hatten, konnte sie nicht. „Mach nicht so einen Lärm, blöder Auserwählter!“, gähnte die Ninja und rollte ihre Schultern leicht. „Mit dir an der Seite zu reisen, ist immer wieder anstrengend.“ „Na da sagst du was“, meldete sich der Alte plötzlich zu Wort. „Er hat nicht aufgehört über Weiber zu faseln, über Cocktails und all so ein Mist.“ Der Alte konnte einem fast Leid tun. „Heeey!“, jammerte Zelos und tat so, als würde er sich Tränen von den Augen wischen. „Seid nicht so gemein zu mir! Als ob ich damit irgendwem was Böses getan hätte!“ Er lief vor und hampelte für einen Moment im Schnee herum. Was hätte Sheena dafür gegeben, den Anblick zu sehen, wie sich der Auserwählte Tethe’allas wortwörtlich zum Affen macht. „Na los, keine Müdigkeit vortäuschen, Alterchen!“ Sheena hörte nur noch ein knurrendes Geräusch als Antwort, weiterhin komische Trippelnde Geräusche und noch lauteres Knurren als zuvor. Kopfschüttelnd seufzte sie leise.   Die Tore der Stadt im Schnee hießen sie noch nie so unglaublich willkommen wie sie es jetzt taten. All die Gebäude und Menschen, all die Geräusche nach der Stille da draussen waren eine so wunderbare Abwechslung, dass Sheena die Augen schloss und sich für einen Moment hingab, einfach nur zu lauschen. „Wir bringen sie am besten gleich zum Doc.“ Zelos stimmte dem Alten zu. „Je schneller, desto besser. Ach, was kann ich dir geben für deine Hilfe?“ „Nichts, Auserwählter“, gab der Alte grinsend von sich. „Ich will euch nur noch loswerden.“ „Komm schon, irgendetwas musst du doch haben wollen.“ Zelos ließ nicht locker, wahrscheinlich starrte er den Alten im Moment mit diesen komischen Eiszapfenblick an. „Also gut. Also gut.“ Eine kurze Pause herrschte, ehe der Alte weitersprach. „Wennde mal wieder hier im Schnee feststeckst, dümmlicher Bursche, bring mir ne gute, alte Flasche Whiskey vorbei.“ „Heh. Du hast Geschmack, Alter. Das mag ich.“ Die beiden begannen auch noch, sich über Sorten zu unterhalten, die Sheena nach wenigen Sekunden wieder vergessen hatte. „So, da sind wir.“ Nachdem der Schlitten anhielt, kniete Zelos sich neben Sheena und half ihr dabei, aus den Decken zu krabbeln. Die Kälte umfing sie sofort und erbarmungslos, darum war sie froh, dass Zelos sie gleich hochnahm und an sich drückte. „Na dann, alter Mann. Bis demnächst!“ „Vergiss es, Bursche. Nun hau ab und bring sie rein, sonst erfriert sie hier noch.“ Zelos nickte ihm mit einem kecken Lächeln zu, dann drehte er sich um und brachte Sheena auf dem schnellsten Wege in das Haus des hoffentlich weniger schlecht gelaunten Doktors aus Flanoir.   „Wie oft muss ich euch das eigentlich noch erzählen, dass jeder sich verdammt nochmal anzustellen hat und-“ „Ja ja, später“, unterbrach Zelos ihn. „Sie ist gerade wichtiger, als deine verschnupften anderen Patienten.“ Schnippig konnte Zelos schon sein wenn er wollte und recht überzeugend. Der Blick sprach jedenfalls Bände und nachdem der Doktor seine Brille hochschob, sah er zu Sheena, legte seine Hände auf ihre Wangen und ihre Stirn, deutete danach auf ein Nebenzimmer. „Dort rein mit ihr. Schuhe und Hose aus. Socken ebenfalls. Was ist passiert, wenn ich fragen darf?“ Zelos warf nur schnell eine Erklärung zu dem Arzt, der nach ihnen in das Zimmer ging und sich neben das Bett stellte. „Also wollt ihr mir weismachen, dass sie fast erfroren wäre?“ „Genau das.“ Zelos verschränkte seine Arme, wich Sheena nicht von der Seite. Diese hatte die Augen geschlossen und genoss die Wärme um sie herum. „Sie hat keine Erfrierungen. Ausser ihrer blassen Hautfarbe ist sie äusserlich völlig in Ordnung.“, stellte der Doktor nach einer kurzen Untersuchung fest. „Ja und?“, entgegnete Zelos ungeduldig. „Ich kriege jeden Tag Idioten hier rein, die sich ganze Finger und Zehen da draussen abfrieren.“ Er schob seine Brille erneut hoch. „Solange ihr zahlt, ist mir das egal was für eine dämliche Geschichte ihr mir auftischt.“ „Bezahlung ist kein Problem“, kam es jetzt noch ungeduldiger und etwas finster von Zelos. „Behandle sie und helfe ihr, verstanden?“ Den Rest der Zeit blieben die beiden Männer recht ruhig, bis auf ein paar wichtige kurze Gespräche über ihre Gesundheit, kam nichts weiter. Es half aber Sheena dabei, einzuschlafen und endlich einen traumlosen und ruhigen Schlaf zu bekommen.   Ihre Augen schlug Sheena in einer bekannten Umgebung auf; dem Gasthaus von Flanoir. Sie war hier schon einmal gewesen, wollte damals mit Lloyd über ein ihr sehr wichtiges Thema sprechen, aber dieser hatte abgelehnt. Vielleicht war es die richtige Entscheidung gewesen? Sheena gähnte leise, buddelte sich langsam aus den Decken heraus und blinzelte in den Raum hinein. Zelos war nirgends zu finden. „Wie lange hab ich wohl geschlafen?“ Laut dem Stand der Sonne, dürfte es später Morgen sein, beantwortete sie sich die Frage selbst. „So schön warm.“ Sheena merkte, dass sie noch immer sehr langsam reagierte und ihre Kraft noch lange nicht zurückgekehrt war. Die Decke lag schwer auf ihr, aber gerade mochte sie das Gefühl und wartete geduldig darauf, dass Zelos wieder zurückkommen würde.   „Honey?“ Braune, warme Augen schauten Zelos aus dem Bett heraus an und er konnte nicht anders, ausser sanft zu lächeln. „Du bist endlich wach?“ „Und du endlich da!“, kam es leicht gedämpft unter der Decke hervor. Zelos zog diese von ihrem Gesicht und grinste Sheena an. „Natürlich. Ich war nie weg.“ „Wie lange hab ich geschlafen?“ Der rothaarige Auserwählte sah zu dem Fenster hin, dann zurück zu ihr und setzte sich neben Sheena auf das Bett. „Bis jetzt? Es ist Nachmittag, also recht lange.“ „Nachmittag?! Ich hab den halben Tag verpennt?!“ Breiter grinsend rieb er über die Decke, bis seine Hand auf dem Platz über ihrem Bauch ruhte. „Den halben Tag, meine dämonische Banshee!“ Dann aber änderte sich seine Mimik und er fing an, sanft über die Decke zu streicheln. „Du sollst dich noch eine Woche ausruhen und ein paar Pillen schlucken. Vor allem aber ist dir Kälte erstmal strikt verboten!“ Sheena grub sich noch weiter aus dem Berg Bettwäsche heraus und strich sich selbst ein paar freche Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es ist bald die Zeit, alles für das Frühlingsfest vorzubereiten. Diese Woche sollte ich Mizuho dabei eigentlich helfen. Besser noch, es leiten.“ Sie klang leicht verzweifelt. „Ich kann mir nicht noch eine Pause leisten, Zelos.“ Ohne Vorwarnung hob Zelos ihr Kinn an und ihre Gesichter trennten nur wenige Zentimeter. „Ich weiß. Ich weiß wie sehr du dich um dein Dorf sorgst und du selbst auf der Strecke bleibst, aber diesmal werde ich dich aufhalten, Sheena, selbst wenn ich dich an ein Bett fesseln muss.“ Wie gebannt starrte sie in die blauen Saphire ihres Gegenübers. Sein Blick duldete keine Widersprüche, selbst sein sonst so dummes Grinsen war einem ernsten, eiskalten Ausdruck gewichen. „Und glaube mir“, fuhr der junge Mann fort. „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dich für ein paar Momente festzuhalten, gebe mir nicht die Möglichkeit dazu, Honey.“ Sheena fühlte seinen Atem auf ihrer Haut, die Wärme seiner Nähe, wie ihre eigenen Wangen anfingen zu glühen. Warum starrte er sie nur an? Warum tat er nichts anderes, ausser sie mit diesen unglaublich blauen Augen anzustarren? „Zelos, ich-“ „Höre ich nur einen Widerspruch, Sheena, dann werde ich dich gleich hier an dieses Bett fesseln, hast du verstanden?“ Sheena zuckte zurück.  Es gab selten Momente, in dem sie ihm die Oberhand ließ, selten Momente in denen sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Vielleicht war es noch immer die Erschöpfung, die in jeder ihrer Gliedmaßen saß und eine normale Reaktion komplett unterband. Sheena suchte in kürzester Zeit so viele Ausreden für diesen Augenblick, so viele Antworten auf die Frage, was sie hier eigentlich tat. „Sheena?“ Die ernste, widerspruchslose Stimme holte sie zurück in die Wirklichkeit. Sie wich seinem Blick aus, indem sie zur Seite sah. „Ist ja gut. Eine Woche.“ Grummelnd zog sie ihren Kopf zurück und drehte sich, soweit es ihr möglich war, zur Seite. „Danke dir. Dann werde ich für morgen einen Rheaird besorgen und uns nach Meltokio fliegen.“ Sheena murrte leise vor sich her, ohne ihm weiter Beachtung zu schenken. Die Ninja war ein wenig beleidigt, aber Zelos störte das ganz und gar nicht. „Nur wenn du kannst, natürlich. Es ist deine Entscheidung, meine Prinzessin.“ „Lass die doofen Spitznamen, du Blödmann!“, gab Sheena schnippig von sich. „Ich werde das schon schaffen.“ Grinsend klopfte er leicht auf die Decke. „Na dann werde ich mich mal an die Arbeit machen. Versuch noch ein wenig zu schlafen, ja?“ „Pfff. Kümmer dich um deinen eigenen Kram.“ Sie konnte hören, wie Zelos aufstand und etwas aufhob. Bevor Sheena noch etwas sagen konnte, war er schon zur Tür hinaus. „Pah. Eine Woche Zeit damit verschwenden, diesen Blödmann um mich herumhüpfen zu haben“, fing Sheena leise an zu grummeln. Die Röte in ihrem Gesicht, ignorierte die Ninja gekonnt. Das war alles ganz allein seine Schuld!   Als Zelos das Zimmer erneut betrat und zum Bett ging, war Sheena tief und fest eingeschlafen. Sanft lächelnd befreite er ihr Gesicht aus dem Stoffchaos und strich ein paar Strähnen hinter ihr Ohr. „Nichts als Ärger habe ich mit dir, meine Prinzessin“, flüsterte er leise und  gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Gute Nacht.“ Zelos zog sich in ein anderes Zimmer zurück um dort ein Buch zu lesen. Es war überhaupt nicht seine Art, sich in seltsame Lektüren zu vertiefen, aber er wollte Sheena nicht ganz allein lassen. Und so wie sie sich sicherlich Gedanken über diese unglaubliche Situation machte, tat er es genauso. Das Lesen diente also als Ablenkung, selbst wenn er mit seinen Gedanken noch immer bei Sheena war und die Seiten nur halbherzig überflog. Seufzend klappte Zelos nach kurzer Zeit das Buch zu und lehnte sich mit einem weiteren langen Seufzer zurück. „Haaah, all dieser Unsinn der hier passiert… Heh, zumindest muss ich mich nicht mit diesen Mizuho Leuten rumärgern.“ Stimmt, da war etwas. Etwas, was seine Banshee und dieser Idiot aus dem Dorf tun wollten. Wofür war das gleich nochmal gut? „Tsk.“ Warum sollte seine Maid sich mit diesem dämlichen Hinterwäldler vermählen? Nur um das Dorf zu führen? Dieses Dorf, welches Sheena nur Ärger gebracht hatte? So eine starrköpfige und blinde Maid! Das Leben für etwas wegzugeben, was es nicht einmal wert war? Wie konnte sie bloß so eigensinnig sein? Zelos driftete ab in seine eigene Traumwelt, in der er Sheenas Hand nahm und in das leicht gerötete Gesicht der jungen Frau blickte. Sie war so unschuldig und so wunderschön. Dieses leicht verlegene Lächeln und wie sie ihm immer wieder auswich, wenn er versuchte ihren Blick zu erhaschen. Sie war so unglaublich niedlich. Wie lange kannte er sie schon? Wie lange hatte es gedauert, bis sie ihm sein Herz stahl? Während Zelos weiterhin darüber nachdachte und sich wünschte, diese Jahre noch einmal nachzuholen, schlief er auf dem Platz ein.   Die Nacht war kalt, doch der Himmel klar. Unzählige Sterne ließen den Schnee leicht aufleuchten, die Straßenlampen fügten ihr eigenes, warmes Licht dem Treiben hinzu. Hier und da liefen noch Einwohner oder Reisende durch die Winterstadt um die letzten Besorgungen zu tätigen. Als dann auch das letzte Licht in den Häusern erloschen war, tauchte ein Wesen auf. Die kleine, leuchtende Kugel zog ihre Bahnen durch die Straßen und Gassen, manchmal kam es schwebend vor einem Fenster zu stehen, ehe es weiter seine Bahnen zog. „Verius!“ Das Licht blitzte auf und mit einem Mal stand der große Fuchsgeist auf einem Dach. „Celsius. Es ist mir eine Ehre, dir ausserhalb unserer Ebene zu begegnen“, sprach er sanft und beugte den Kopf ein wenig hinunter. Celsius grinste leicht. „Die Ehre ist ganz meinerseits, Fuchs.“ Damit erschien der Summon Spirit des Eises vor Verius. „Es scheint, als hättest du dir einen seltsamen Weg ausgesucht, um sie beide zusammen zu führen?“ „Warum kommst du mit dieser Frage zu mir?“, fragte Verius, eine gewisse Vorsicht lag in seiner Stimme. „Es dürfte für einen Geist deiner Größe doch von keinerlei Interesse sein, was Menschen tun?“ Langsam schwebend verschränkte Celsius ihre Arme hinter ihrem Kopf und lehnte sich gemächlich zurück um in den Himmel zu starren. „Es ist sehr wohl von meinem Interesse. Schließlich ist es deine Schuld, dass sie fast den traurigen Tod in der Kälte fand. Tragisch, nicht wahr?“ Das schelmische Grinsen war selbst dem Fuchsgeist nicht entgangen. Jedoch erwiderte er nichts darauf. „Die Ereignisse waren leider nicht vorhersehbar. Ich bin dir dankbar dafür, dass du sie beschützt hast.“ Celsius grinste erneut leicht. „Naah, wie sieht das denn aus, wenn der Mensch, der mich besiegte in meinem Element zugrunde geht?“ Sie winkte mit einem Arm leicht in der Luft herum. „Bedanken musst du dich dafür nicht. Aber sag.“ Der Summon Spirit drehte sich in der Luft so, dass sie nun vor Verius schweben konnte und ihn direkt angrinste. „Was meinst du mit ‘die Ereignisse, die nicht vorhersehbar waren‘?“ „Genau darauf habe ich noch keine Erklärung.“ Verius legte sich nun in eine angenehmere Position, seine vielen Schweife erstreckten sich in alle Himmelsrichtungen. „Ich mische mich nicht in Herzensangelegenheiten hinein, wenn sie so offenliegen, wie die von meinem Menschen.“ „Deinem Menschen?“, fragte Celsius mit einem sarkastischen Unterton. „Glaubst du wirklich, dass du ihr damit helfen kannst?“ Der Fuchsgeist schwieg für einen kurzen Moment, ehe er ihr antwortete. „Ich helfe nur dann, wenn es nötig ist. Wenn das Herz dieses Menschen nach mir ruft. Aber soweit hätte es nie kommen dürfen.“ Nun schwebte Celsius zurück neben ihn um erneut in den Himmel zu starren. „Wenn die Menschen und alle anderen Wesen mit ihnen nach uns rufen, dann beantworten wir diese Rufe. Der eine beantwortet sie auf seine Weise, der andere macht es nicht.“ „Aber wenn sie nach Hilfe rufen, dann antworten wir alle gemeinsam“, beendete Verius den Satz. „Doch wer hat den Hilferuf dann mit dieser gefährlichen Reise beantwortet?“ Celsius schnaubte leicht, formte dabei eine Schneeflocke mit ihrer Hand und blies diese in die Nacht hinein. „Das weiß ich nicht. Ich bin nur der Summon Spirit des Eises. Nicht der der Vorhersehung oder Zukunft.“ Erneut herrschte Schweigen zwischen den beiden Kreaturen. Langsam erhob Verius sich. „Der einzige, der dazu fähig wäre ist Chronos.“ Lachend schwebte Celsius vor Verius. „Chronos?! Er ist der Letzte, der sich um so zwei unwichtige Menschen kümmern würde!“ Trotz des vor sich kichernden und sich krümmenden Spirits, blieb Verius genauso ruhig wie zuvor. „Celsius.“ Mit einem Mal verstummte sie und schwebte ein wenig vor ihm hin und her. „Ich danke dir erneut dafür, dass du sie bewahrt hast. Nun liegt es an mir den Grund für diese seltsamen Ereignisse zu finden.“ „Tsk. Du willst alleine durch die Welten wandern? Vergiss nicht, dass diese Welt den Mächten die wir verbergen nicht gewachsen ist. Wenn du dich zu sehr einmischst, wirst du das Gleichgewicht stören.“ „Dessen bin ich mir bewusst“, gab Verius als Antwort. „Darum werde ich Sheena einweihen. Sie hat die Macht, uns zu beschwören und damit das Gleichgewicht zu halten.“ „Hatte“, mischte sich Celsius ein. „Keiner ist mehr an sie gebunden.“ „Sie wird mich haben, das wird mehr als genug sein.“ Celsius war damit nicht einverstanden und zeigte dies dem Fuchsgeist auch mit einer abfälligen Geste. „Du wirst dich freiwillig in die Fänge eines Menschen begeben?“ Verius sprang nun von dem Dach hinunter, jedoch gaben seine Pfoten keinen Laut von sich, als sie den Schnee berührten. „Du vergisst, dass sie mich geschaffen hat. Manche Menschen sind mächtiger als sie wirken.“ Damit verschwand der Fuchsgeist und das kleine Licht wanderte erneut durch Flanoir. „Huh. Ob du damit wirklich etwas erreichst, Fuchs?“, sprach Celsius ihre Gedanken laut aus. „Na, mir solls recht sein.“ Damit war auch der Summon Spirit des Eises verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)