Via Inquisitoris - Cum tacent clamant von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Lord John saß in seinem Arbeitszimmer seines Londoner Hauses und starrte auf seine Notizen. Jahrelange Recherche in Archiven steckte darin, Ausflüge und eine Reise nach Spanien, immer auf der Suche nach Sarahs Vergangenheit. Und jetzt … Wie oft hatte er sich das bereits durchgelesen? Immer wieder. Und er war schon des Öfteren noch einmal in Archive gegangen, hatte überprüft, ob er sich nicht irrte, womöglich doch von einer falschen Spur ausging … Denn, wenn er das, was er hier zusammengetragen hatte, zusammenfügte, konnte er nur ein Wort dazu sagen: unmöglich. Gegen jedes menschliche und Vampirgesetz, gegen jede Moral, die selbst ein Säugetier aufbrachte? Nein. Irgendwo musste er einen Fehler begangen haben. Fast wütend schob er den Ordner beiseite und erhob sich, musterte resigniert die zum Teil einmaligen Bücher und Folianten seiner jahrhundertealten Sammlung. Nichts davon konnte ihm hier weiterhelfen. Dabei war ihm wohl bewusst, dass er erst seit kaum hundert Jahren seine Bücher derart offen zeigen konnte. Nun, nicht, dass ihn hier viele Leute besuchten, aber insgesamt war das Sammeln von Wissen aller Arten oft riskant gewesen – für die Bücher und deren Besitzer. Er hatte nicht ohne Grund die meisten der alten Werke in Buxton Hall in einem Keller unter einem Bannkreis verborgen. Er war vermutlich der einzige Vampir, zumindest, den er kannte, der das Legen von Bannkreisen nicht zum eigenen Schutz sondern dem seiner Bücher erlernt hatte. Er ging hinüber zum Kamin, wo ein Feuer knisterte. Thomas ließ es sich nie nehmen hier einzuheizen, obwohl die Sanierung des Hauses vor dreißig Jahren auch eine Gasheizung beschert hatte. Thomas, ja. Lord John zog seinen Hausmantel um sich und ließ sich in einen der beiden Sessel vor dem Kamin sinken. Vielleicht sollte er mit seinem älteren Kind reden. Natürlich nicht über Sarah, sondern anders, um den eigenen Kopf freizubekommen. Womöglich hatte er sich einfach in etwas verrannt, was nicht den Tatsachen entsprach? Wer konnte von sich schon behaupten unfehlbar zu sein? In den fünftausend Jahren seiner Existenz hatte er nur zu gut eigene und andere Missgeschicke erleben müssen. Falls er Sarah etwas über ihre Vergangenheit, ihr Leben vor ihrer Umwandlung zum Vampir, erzählen wollte, musste es auch stimmen. Sie war sowieso als Inquisitorin belastet, da sollte er ihr nicht mit einer haarsträubenden Geschichte das Herz noch schwerer machen. Zumindest nicht, ehe er hundert Prozent sicher war. Allerdings, selbst falls er sicher war: wäre es besser sie in Unwissenheit zu lassen, was sie auch wieder belastete, oder aber ihr eine derartige Wahrheit zu erzählen? Er entsann sich nur zu gut wie im 12. Jahrhundert der damalige Kadash ihm bei einem Mordfall in Rom erklärt hatte, manchmal sei es besser einen Schritt vor der absoluten Wahrheit aufzuhören. Er hatte damals nicht ganz verstanden, sich aber dem Willen des so viel Älteren und Mächtigeren gebeugt. Jetzt stand er jedoch selbst vor dem Problem: was war Wahrheit und wie moralisch war es sie zu verkünden? Er stand wieder auf und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, wo ein weißer Druckschalter angebracht war. Der würde seinen Butler rufen, egal, wo der sich im Haus befand. Thomas liebte es, diese Rolle zu spielen, in Erinnerung daran, dass er einst sein Kammerdiener gewesen war.   Sein älteres „Kind“ erschien auch fast unverzüglich: „Mylord haben geläutet?“ „Setz dich zu mir an den Kamin, Thomas.“ Die Rolle des Butlers fiel sofort von dem nur scheinbar Mitte der Fünfziger stehenden Mann ab: „Ein Problem, Vater?“ Für einen Außenstehenden mochte es seltsam klingen, dass ein gut zehn Jahre jüngerer Mann so angesprochen wurde, aber das passierte bei Vampiren. Das Erscheinungsbild war stets nur das Datum der Umwandlung, nicht mehr und nicht weniger. Sarah würde auch in tausend Jahren noch immer wie Zwanzig wirken. Das war es nicht, nach was Vampire einander maßen. „Nicht wirklich. Sagen wir, eine kleine Plauderrunde, um meinen Kopf zu lüften.“ Seine Lordschaft schlug die Beine mit einer eleganten Bewegung übereinander. „Setz dich schon. - Sag mir, was hast du von mir gedacht, als wir uns das erste Mal trafen?“ „Du meinst, den ersten Eindruck von dir? - Den bekam ich, als ich Buxton Hall betrat, ohne dich zu sehen.“ Thomas ließ sich nieder und lächelte etwas. „Probleme mit deinem Selbstbewusstsein? Überraschend bei einem Mann, der sich noch an den Bau von Stonehenge erinnert.“ „Die zweite Bauphase“, korrigierte Lord John sofort. „Was meinst du? Gefiel dir die Einrichtung? Ich erinnere mich nur, dass du einen Brief von meinem Bekannten, Sir Bartholomew, mitbrachtest, der dich mir als Kammerdiener empfahl. Es war 1646, nicht wahr?“ „Ja, im März. Mein … früherer Herr kämpfte mit König Charles im Juni 1645 in der Schlacht von Nasby, die vernichtend für die Königlichen ausging.Der König geriet in die Gefangenschaft der Parlamentstruppen. Zu diesem Zeitpunkt hoffte mein Herr noch auf eine Verfassung, auf Einigung, aber dann begannen sich die Truppen dem Parlament zu widersetzen und handelten eigenständig auf der Basis eines reinen … ja, der reinen Lehre des Puritanismus. Ich denke, mein Herr sah schon voraus wo das enden würde. Er floh nach Frankreich und schickte mich mit einer Empfehlung zu dir.“ „Die New Model Army, ich erinnere mich … 1647 marschierte sie nach London. Und am Ende wurde der König wegen Tyrannei hingerichtet. Cromwell war aber auch eine sehr charismatische Persönlichkeit.“ John Buxton sah ins Feuer. „Genau daran zerbrach letztendlich auch der puritanische Staat, als er starb. Wobei, ein Staat ohne jede Feier, nicht einmal Weihnachten … Du kamst also mit dieser Empfehlung meines Bekannten nach Südengland.“ „Ja. Das letzte Stück nach Buxton hätte ich reiten müssen, da keine Kutsche fuhr, aber das konnte ich weder damals noch heute. Ich bin und werde immer ein Städter sein.“ Thomas sah zu seinem „Vater“. „Ich musste also zu Fuß gehen und es regnete wirklich in Strömen. Als ich endlich Buxton Hall fand, war ich bis auf die Haut nass. Ich fand es damals recht altmodisch, noch in der Art der Tudors gehalten, gar nicht nach Stuartmanier modernisiert.“ „Nun, ich hatte es erst gute hundert Jahre zuvor renovieren lassen.“ Sehr lange und ausführlich, nicht zuletzt, um Königin Elizabeth samt Hofstaat von einem Besuch abzuhalten. Das endete nur zu leicht in dem Ruin der Gastgeber. Natürlich hatte er beteuert, es nur der Queen zuliebe so schön machen zu wollen, damit es ihrer würdig sei … Nun, was man einer Dame eben so sagt, wenn sie einem den Kopf abschlagen lassen kann. „Ein Mensch denkt eben in anderen Zeiträumen. Jedenfalls klopfte ich an die Tür des Dienstboteneingangs. Ich muss wirklich sehr nass ausgesehen haben. Ich erinnere mich mit den Zähnen geklappert zu haben. Jedenfalls sagte ich, ich habe einen Brief für Lord John Buxton. Der Mann zerrte mich förmlich in die Küche rein und zog mir den Mantel ab, hängte ihn auf, eine Frau kam und meinte, ach du je, sage Seiner Lordschaft, dass ein Bote gekommen ist, der vorsprechen wird, sobald er sich ein wenig aufgewärmt hat. - Wirklich, sie zogen mich ans Feuer, gaben mir Suppe und ließen mich dann erst zu dir. Da wusste ich, wie der Herr dieses Hauses sein muss, der seine Diener nicht schlägt, den sie aber achten – und der Verständnis dafür hat, dass sich ein Bote aufwärmen muss.“ „Es war wirklich ein Wetter, bei dem ein Mensch sich leicht erkältet oder Ärgeres, ja, wo du es sagst ...“ „Du last den Brief und hast mich angesehen, dann nur gesagt: „Du wirst mir als fähiger Kammerdiener empfohlen. Lass dir eine Kammer zeigen. Du hast zwei Tage, um dich von der Reise zu erholen und dir alles hier anzusehen. Danach erwarte ich dich im Morgengrauen in meinem Schlafzimmer“. - Ich war … beeindruckt.“ „Ich fand das fair. Wie solltest du mir etwas besorgen können ohne das Haus und seine Einwohner zu kennen. Wobei, ich muss ja zugeben, dass ich bislang keinen Kammerdiener besaß. Ich fragte mich dann wirklich mit was ich dich beschäftigen sollte.“ „Ja, das hörte ich sofort, dass es bislang keinen Kammerdiener gegeben hatte. Was mich wunderte. Und ein wenig besorgt machte, warum du mich eingestellt hast. Aber ich lernte rasch dich zu bewundern.“ Lord John hob die Hand. „Oh, bitte, Thomas. Du warst mein Kammerdiener. Das schließt Bewunderung in jedem Fall aus.“ Sein „Kind“ schüttelte den Kopf. „Ich kam aus London, und obwohl ich mich über Sir Batholomew nie beschweren konnte, ja, er hat mich emporgehoben und ausbilden lassen zu seinem Kammerdiener in den fünfzehn Jahren bei sich … Ich kam mit anderen Kammerdienern ins Gespräch, wenn wir auf die Herren warteten, die Karten spielten oder sonst etwas taten. Glaube mir, ich fand ziemlich rasch heraus, dass du weder die Stubenmädchen im Haus noch die Töchter deiner Pächter auch nur belästigt hast, von anderem ganz zu schweigen. Ja, gut, inzwischen weiß ich warum, aber … es war auffallend. Ebenso, als mir jeder versicherte, dass du deine Dienstboten nie schlugst oder getreten hast oder anderes. Und ich sah die Arbeit, die du investiert hast, um dieses kleine Buxton samt seinen Ländereien zu bewirtschaften.“ Statt von den Pachtzinsen in London bei Hofe ein großes Leben zu führen. „Klingt ja nett, aber ich fand das normal. Immerhin gehörte mir Buxton zu diesem Zeitpunkt schon, na, gute achthundert Jahre. Und ich wollte weiterhin dort leben. Es gefällt mir dort sehr. Und eines Tages werde ich mich auch in dieser Gegend zurückziehen. - Wann hast du eigentlich herausgefunden, dass ich kein Mensch bin? Als du es mir sagtest?“ „Ich wunderte mich rasch, so wegen Essen und Trinken, aber dann hast du doch gegessen, manchmal auch so getan, als ob du schliefst, aber … Irgendwann wurde es mir bewusst, ja. Und ich bekam Angst der Hölle zu verfallen. Zumal ich feststellte, dass du an diesem Gebetpult nie warst.“ „War es so staubig?“ Leises Amüsement lag in der Stimme Seiner Lordschaft. „Äh, ja.“ Thomas zuckte allerdings die Schultern. „Ich wischte es ja ab. Und ich sagte mir, dass deine Taten eigentlich für sich sprächen. Und so fragte ich dich.“ „Ich war verwundert, ja, aber ich hatte das Gefühl, dass du Ehrlichkeit verdient hast. Und ich wurde auch nicht enttäuscht. Ich sagte, ich sei ein Vampir – und doch schwiegst du und bliebst bei mir.“ „Du sagtest auch, dass ein Vampir nie töte. Ich bewunderte dich, und so blieb ich, gleich, was du warst. Aber deinen Vorschlag mich zu verwandeln musste ich ablehnen. Kind eines Vampirs zu sein war mir doch zu viel.“ „Dann war es 1666 in London nur die Angst vor dem Tod?“ John Buxton hätte nie zugegeben, dass ihn das enttäuschte. „Nein.“ Thomas sah zu Boden, auf einmal deutlich verlegen. Lord John musterte ihn, ehe er plötzlich verstand. „Nach zwanzig Jahren engem Zusammenleben stand ich für dich immer noch auf einem Podest?“ „Du bist in all der Zeit nie heruntergefallen. Und das war es. - Und natürlich auch bestimmt Schmerzen und Todesangst, ja, diese Verbrennungen ... Aber das war nur der Grund warum zu diesem Zeitpunkt. Ich hatte es mir in den Jahren zuvor immer wieder überlegt, und dann fehlte mir doch der Mut. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wäre zu einem seelenlosen Ungeheuer zu werden … wie man so sagte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es schwierig, aber doch mit deiner Hilfe machbar wäre. Und man die Seele behält. - Wobei mir Sarah einfällt. Für sie muss die Umwandlung extrem gewesen sein, vor allem, wenn da auch noch Gebissene um sie waren. Sehr schnell, schmerzhaft und ohne jede Hilfe Sie hatte wahrlich Glück, dass du sie fandest.“ „Wir auch, Thomas.“ Dieser hob hastig die Hand. „Ja, ich mag sie, das meinte ich nicht, Vater. Aber ohne dich wäre sie wohl wahnsinnig geworden.“ „DAS wiederum meinte ich. Jemand mit ihren Fähigkeiten, verrückt durch die Umwandlung, hungrig und schmerzgeplagt – armes London.“ „Ein Fall für den Inquisitor.“ Lord John nickte nur.   Sarah fand sich mit einem FBI-Agenten, einem weiblichen Sheriff und einem Profiler in dem kleinen Café an der Hauptstraße von St. George wieder, eine Cola trinkend und einen Salat essend. Sie musste essen, um der Tarnung willen, aber sie achtete lieber auf Susan Parson. Bei Frauen griff ihr Beuteschema nicht so arg. Sie sollte jagen, das wurde ihr immer klarer oder sie würde einen fatalen Fehler begehen. Sie musste sich zusammenreißen. „Gibt es hier ein Geschäft, wo ich mir auch so einen Hut kaufen kann?“ „Ja, natürlich, drüben im Einkaufszentrum. - Sie haben keine Kopfbedeckung?“ „Vergessen“, gab Sarah zu. „Der Anruf aus Brüssel kam, ich packte, und war keine zwei Stunden später im Flugzeug.“ „Sie sind Sonne nicht gewohnt“, erwiderte Matho. Da sie ihn fragend ansah: „Nun, blond, blauäugig, wie hier auch unser lieber Sheriff, aber mir fiel auf, dass Sie selbst draußen recht kühle Hände hatten.“ Mist, dachte die Inquisitorin sehr undamenhaft, erklärte jedoch hastig: „Ja, immer. Durchblutungsstörungen. Zuhause, also, in London, wärme ich mir sehr oft die Finger am Kamin. - Deswegen wäre ja ein Hut nicht schlecht, ehe ich Ihnen noch umkippe.“ Es wäre wohl besser abzulenken. „Haben Sie die anderen Tatorte auch gesehen, Matho?“ „Nur auf den Fotos, wie Sie ja wohl auch, aber es ist meiner Meinung wie hier, ausgesucht. Im Endeffekt nur eine Möglichkeit für eine in Panik geratene Frau. Und das weiß der Täter. Ihre Definition des Jägers gefiel mir daher.“ Susan Parson warf eilig einen Blick herum, aber das Café war gut besucht und im allgemeinen Stimmengewirr würde diese Unterhaltung untergehen. Sie zuckte sich selbst die Schultern. Natürlich würden Profiler darauf achten hier keine Panik auszulösen. Nun, nicht mehr, als es mit den beiden Toten quasi vor der Haustür hier schon passiert war. Je eher der Mistkerl hinter Gittern saß, umso eher würden die Frauen auf den Ranches und in der Stadt ruhig schlafen können. Wobei es zugegeben alle beruhigt hatte, dass die Opfer aus Houston kamen und nicht von hier. Daniel sah zu seiner Hüfte, ehe er das Handy zog. „Agent McGraw? - Ja, Moment. Mein Büro ...“ Er stand auf und ging hinaus. „Vielleicht Neuigkeiten“, sagte der Sheriff. „Wie gesagt, Sarah: im Einkaufszentrum bekommen Sie auch solche Hüte, Stetsons, aber natürlich nicht in einem Ausmaß wie wohl in Houston.“ „Dann werde ich den Einkauf wohl davon abhängig machen, wie lange wir hier bleiben – und das dürfte von diesem Telefonat abhängen“, erwiderte die junge Dame wohlerzogen. „Vielen Dank.- Gibt es eigentlich hier in der Gegend Sagen über Vampire, auf die sich der Mörder beziehen könnte?“ „Keine alten Sagen“, erwiderte Susan sofort. „Aber es gibt natürlich den Chupacabra.“ „Aha“, machte die Inquisitorin. „Sollte ich davon gehört haben?“ „Nennen Sie es eine moderne Sage“, erwiderte Matho. „Gibt es ungefähr seit 1995, vor allem in Lateinamerika, Mexiko, aber angebliche Opfer sind inzwischen auch aus Texas bis Maine und Montana bekannt. Haben Sie wirklich noch keine Fernsehserie, keine Zeitungen davon...ach, vermutlich ist Europa da ziemlich uninteressiert. Ihr habt eure eigenen Monster. - Rein sachlich: der Chupacabra ist ein Fabelwesen, das Kleinvieh die Kehle aufschlitzen und dann das Blut aussaugen soll. Das, was man der Beschreibung entsprechend fand: hundegroß, kahl, mit bläulicher Haut und großen Augen, die Knochen hervorstehend. Was man erschoss oder in Fallen fing, erwies sich aber immer als Hunde, Kojoten oder andere Hundeartige, deren bläuliche, haarlose Haut und das abgemagerte Aussehen stets auf eine schwere Form der Räude zurückzuführen war. Das wurde auch mit DNA Tests bewiesen. Zugegeben sieht ein räudiger Hund im letzten Stadium sehr...gruselig aus, vor allem, wenn man in einer einsamen Gegend wohnt und den nachts antrifft.“ „Und wie erklären Sie dann, dass Kleintiere, Hühner bis zu Ziegen blutleer gefunden wurden? Ein gewöhnliches Raubtier würde doch das Fleisch verschlingen,“ erwiderte Susan prompt. Der Profiler lächelte. „Zum einen: bei einem Toten, Tier oder Mensch, ist Blut relativ schnell zersetzt, während Fleisch weiter existiert. Zweitens: vergessen Sie nicht, einen gewissen Aberglauben, vor allem südlich von hier. Jedes, von einem gewöhnlichen Fuchs oder sonstigem Raubtier gerissenes Stück Viel, wird gern übernatürlichen Kräften zur Last gelegt. Gegen die hilft Beten. Oder aber, und das ist die nächste Möglichkeit: Opferungen im Kult, gerade in der Karibik, womit wir dann bei den hingemeuchelten Hühnern wären, die nur Einstiche im Nacken besaßen. Drittens: es ist physiologisch unmöglich, dass sich ein so großes Lebewesen – wir reden hier immerhin über Wolf- und Kojotengröße sich nur von Blut ernährt. Das könnte kein Säugetier.“ Aha, dachte die Inquisitorin, die sich allerdings nur zu gut daran erinnerte, dass auch bei der Umwandlung von Mensch zu Vampir sehr behutsam vorgegangen werden musste, sollte es funktionieren, körperlich, seelisch und geistig. Sie hatte die harte Methode wohl überstanden, aber das war sowohl die Ursache ihrer besonderen Fähigkeiten gewesen, als auch Grund für ihre geistige Instabilität, als Lord John sie gefunden hatte, 1838, in London. Sie wäre sonst wohl wahnsinnig geworden. Aber das sollte und durfte sie nicht erwähnen. „Könnte der Mörder das als … hm, falsche Fährte ansehen? „Sie betrachten solche Sagen wohl sehr sachlich“, meinte der Sheriff. „Ja.“ Sarah war klar, dass Matho aufmerksam war. „Ich sah schon vieles. Und so einige Morde wurden auf Vampire oder Vampir-ähnliches gelenkt, obwohl der Täter nun eindeutig menschlich war. Und auch die Beweggründe menschlich. Es ging um Erbe, Geld. Und in diesem Fall, ich fürchte um das Vergnügen.“ Der Jagd, und die Vorsorge eines Vampirs um seine Gebissenen, aber das musste sie nicht erwähnen. Es war überdies durchaus möglich, dass es sich um einen Vampir allein, oder auch um einen Menschen handelte. Sie hatte in ihren bisherigen Fällen gelernt, dass sie nicht zu voreilig sein sollte. Der gewisse Schock in Rumänien, als sie feststellte, dass der Mörder, den die Menschen verhaftet hatten, ein quasi Vampirbaby war, das wahnsinnig geworden war, das sie daher umbringen musste, wirkte noch nach. „Die Morde in Nordengland wurden von einem Menschen begangen, der sich an Stokers Dracula-Legende orientierte. Und, bedenken Sie, dass das in Rumänien, wo übrigens auch US-TV auftauchte, sich der Hype in Luft auflöste, als der Vermisste zurückkehrte. Ja, ich bin sehr misstrauisch, wenn jemand so tut, als seien echte Vampire im Spiel.“ Die Drei am Tisch sahen auf, da der FBI-Agent wieder herankam, sichtlich betroffen. „Ein weiterer Mord?“ erkundigte sich der Profiler. Daniel nickte. „Dr. Philips, Matho, Sarah, fahren Sie mit mir nach Houston zurück. Es gibt wichtige Neuigkeiten. - Ich zahle für Sie, das geht auf Spesen“, ergänzte er. „Danke, Sheriff.“ Erst als sie zu dritt in seinem Wagen saßen, der Profiler höflich hinten, fuhr er fort: „Ich habe Ihnen beiden ja schon gesagt, dass ich nach ähnlichen Fällen suchen ließ, die in der Vergangenheit geklärt oder ungeklärt blieben. Es liegen inzwischen aus allen Bundesstaaten die Rückmeldungen vor. Und jetzt kommt es. In den letzten zehn Jahren gab es mehrere Morde mit weiblichen Toten, alle mit diesen Bisswunden, in zehn Staaten. Insgesamt fünfunddreißig.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)