Ruins von Swanlady (Blaise & Katie) ================================================================================ Kapitel 1: Ruins ---------------- Es tat gut, etwas zu tun. Die Hände zu beschäftigen, den Körper zu bewegen, Schweiß im Nacken zu fühlen und einen vollkommen leeren Kopf zu haben. Der Staub ließ sie husten, ihre Augen tränten immer wieder und es befand sich Dreck unter ihren Fingernägeln, aber das alles störte sie nicht. Obwohl sie größtenteils den Zauberstab und ein vorsichtig angewandtes Wingardium Leviosa dafür verwendete, um die größeren Steine zu verschieben, kam sie nicht umhin, ab und zu ihre Hände benutzen zu müssen. Es wimmelte nur so von Zauberern und Hexen in der Winkelgasse, die dabei halfen, die Spuren der Zerstörung zu beseitigen, weshalb unmöglich alle gleichzeitig Steine durch die Gegend sausen lassen konnten, ohne die Sicherheit aller zu gefährden. Der Anblick der vielen Menschen ließ Katie hoffen – hoffen, dass dies wirklich ein Neubeginn war. Der Krieg hatte an ihnen allen gezehrt. Um sich herum sah sie erschöpfte Gesichter, aber in vielen Augen funkelte der Wille, die Dinge, die die magische Welt verloren hatte, wiederaufzubauen. Katie wusste, dass die Winkelgasse ein Symbol dafür war und sie war froh, ein Teil der Gruppe zu sein, die helfen konnte. Sie hob ein Trümmerstück hoch, das leicht genug war, um es tragen zu können und ging damit auf die andere Straßenseite, wo viele andere Steinbrocken und zerbrochene Gegenstände gesammelt wurden. Kurz bevor sie es auf den Haufen werfen konnte, rutschte es ihr aus den Händen. Katie fluchte leise und wollte sich bücken, um es aufzuheben, doch da sah sie, dass es in die Seitengasse gekullert war. Ein Accio Felsbrocken! hätte an einem verwüsteten Ort wie diesem fatale Folgen, weshalb sie genervt seufzend in die Gasse abbog. Abrupt blieb Katie stehen, als sie merkte, wo sie gelandet war: in der Notkurngasse. Ein unangenehmes Gefühl schlängelte sich durch ihren Magen und instinktiv wollte sie zurückweichen, doch irgendetwas hielt sie an Ort und Stelle. Sie hatte bereits vier zögerliche Schritte vorwärts hinter sich, als ihr bewusst wurde, was es war. Auch dieser Ort war komplett in Schutt und Asche gelegt worden. Es waren nicht alle Gebäude zerstört, aber sie war sich sicher – obwohl sie vorher nie hier gewesen war – dass der Krieg auch hier seine Spuren hinterlassen hatte. Im Gegensatz zur Winkelgasse war hier jedoch niemand. Die Stille, die über dem ohnehin schon unheimlichen Ort lag, bescherte Katies Armen eine Gänsehaut. Sie wollte gerade umkehren – seit ihrem letzten Schuljahr vermied sie es, an verlassenen Orten allein zu sein – als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Katies Finger schlossen sich sofort fester um ihren Zauberstab, den sie in die Höhe hielt. „Wer ist da?“, rief sie, in ihrer Stimme eine Mischung aus Mut und Angst. Als ihr niemand antwortete und die Stille ihr auf die Ohren drückte, glaubte Katie, sich getäuscht zu haben und ließ den Zauberstab sinken. „Was schnüffelst du hier rum?“, raunte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Erschrocken wirbelte Katie herum und blickte in das stirnrunzelnde Gesicht einer ihr – wenn auch nur flüchtig – bekannten Person. Ein kühler Blick nahm sie ins Visier, doch in ihm lag keine Abneigung, die sie von jemandem, der mit Draco Malfoy befreundet war, erwartet hätte. Er sah sie mit vollkommener Gleichgültigkeit an, als wäre sie nicht mehr wert, als der Stein, den er mithilfe von Magie neben sich schweben ließ. Katie zog bei dem Anblick die Stirn kraus. Tat Blaise Zabini tatsächlich das, was sie glaubte? „Ich habe nicht herumgeschnüffelt“, verteidigte sie sich und verengte die Augen. „Du stehst mir im Weg“, sagte er, als hätte er ihr überhaupt nicht zugehört. Böse funkelte sie ihn an, doch sie trat dennoch einen Schritt zur Seite – vielleicht aus Neugier, um zu sehen, ob sich ihre Vermutung bestätigte. Zabini ging an ihr vorbei und Katie wusste nicht einmal, ob er überhaupt wusste, wer sie war. Es spielte jedoch keine Rolle, sie sollte ohnehin langsam von hier verschwinden. Trotzdem stand sie wie angewurzelt da und folgte ihm verstohlen mit dem Blick. Sie sah zu, wie er seinen Zauberstab schwang und einen Haufen Felsbrocken zur Seite fegte, um den Eingang zu einem der verlassenen Läden freizumachen. Katie sah sich grübelnd um, auf der Suche nach weiteren Personen, doch spätestens, als er einen Besen verzauberte, der den Staub von der Straße zu kehren begann, stand für sie fest, was hier vor sich ging: Blaise Zabini versuchte auf eigene Faust die Nokturngasse wiederaufzubauen. „Wieso machst du das?“, fragte sie, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte. Zabini erwies ihr die unglaubliche Ehre, sich zu ihr umzudrehen – zumindest sprach seine angespannte Körperhaltung von Ungeduld. Katie hatte für sein arrogantes Verhalten nur ein Augenrollen übrig, das er aus dieser Entfernung aber nicht sah. „Haben sie dir damals im St. Mungo auch das Gehirn entfernt, Bell?“ Etwas in Katies Brust zog sich schmerzhaft zusammen, denn sie dachte noch immer ungern an diese Zeit zurück. Wütend funkelte sie Zabini an. Dass er anscheinend wusste, wer sie war, war in diesem Fall kein großer Trost. „Ich mache genau dasselbe, was ihr in der Winkelgasse tut.“ „So ganz allein? Dir wollte wohl keiner deiner Slytherin-Freunde helfen, was? Dann viel Erfolg“, stichelte Katie zurück und schnaufte. Er erwiderte nichts und beachtete sie nicht länger, widmete sich stattdessen wieder seiner einsamen Arbeit. Katies Zorn kühlte mit jeder Sekunde, in der er einen weiteren Trümmer aufräumte, langsam ab, bis er nur noch eine unangenehme Glut im Bauch war. Trotz der harschen Worte, die sie ausgetauscht hatten, wurde sie den Gedanken nicht los, dass es schade war, dass sich nur eine einzige Person für diesen Ort interessierte, so unheimlich er auch war. Gleichzeitig sprach dies – obgleich sie es nur zähneknirschend zugab – durchaus für Zabini, so unausstehlich er auch war. „Zabini“, rief sie, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. „Ich habe nicht gefragt, was du hier tust, sondern wieso.“ Der Ruf seines Namens hatte den gewünschten Effekt nicht erzielt, aber ihre nachfolgenden Worte durchaus. Er erstarrte mitten in der Bewegung und zum ersten Mal sah sie eine wirkliche Regung auf seinem Gesicht, über das ein nachdenklicher Ausdruck huschte. „Das geht dich einen Dreck an“, fiel nach einem langen Schweigen die uncharmante Antwort aus, doch Katie verstand, was sich hinter den abweisenden Worten und dem verschlossenen Blick verbarg. Er hatte dieselben Gründe, wie sie alle auch: Er wollte etwas tun. Die Spuren der schweren Zeit beseitigen, einen Neuanfang einleiten. Diese Gasse stand für eine Gruppe von Zauberern, die ebenfalls Narben davongetragen hatten. Nicht alles hier stand für schwarze Magie. Nicht alles hier musste in Zukunft für gefährliche, unerwünschte Magie stehen. „Viel Erfolg“, wiederholte Katie leise und dank ihrer Einsicht lag auch keine Verachtung in ihrer Stimme. Sie wünschte es ihm – und ihnen allen – aufrichtig. Sie spürte seinen stechenden Blick im Nacken, als sie auf dem Absatz kehrtmachte und in die Winkelgasse zurückeilte. „Katie, wo warst du?“, fragte Angelina, die sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn abwischte und ihre Freundin nahe Flourish & Blotts abfing. „Wir sind hier fertig.“ Katie öffnete den Mund, um sich zu erklären, doch sie stockte. Zögernd biss sie sich auf die Unterlippe, doch dann fasste sie ihren Entschluss. „Noch nicht ganz.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)