Brieftauben aus aller Welt von demona1984 ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Jahr ---------------------- Erstes Jahr Genauso müde wie immer saß Severus auf seinem Platz am Lehrertisch und ließ den Blick eher gelangweilt durch die große Halle schweifen. Warum hatte er diesen Posten nur wieder angenommen? Er hätte sein Leben neu ordnen können, schließlich war er endlich frei. Von allen Verpflichtungen befreit, mit dem Merlin-Orden ausgezeichnet und mit genug Gold im Verlies um eigentlich ein angenehmes Leben zu führen. Dennoch war er auf Minervas Bitte nach Hogwarts zurückgekehrt, als Zaubertränkelehrer und Hauslehrer von Slytherin. Genau wie die letzten zwanzig Jahre. Severus seufzte leise, er wusste genau, warum er wieder hierher gekommen war. Was sollte er auch sonst machen? Er hatte schlicht und einfach kein Leben außerhalb von Hogwarts. Seine Aufgabe war erfüllt, der Bengel hatte es wirklich geschafft den dunklen Lord zu besiegen und wider seiner eigenen Erwartung hatte er diesen verdammten Krieg sogar überlebt. Was er allerdings nicht diesen unfähigen Leuten im Ministerium oder St. Mungo verdankte, nur sein eigener Gegengifttrank hatte ihn vor dem Gift von Nagini gerettet. Manchmal fragte er sich, wieso er überhaupt um sein Leben gekämpft hatte? Er hatte nichts. Seine ehemals bester Freund Lucius war tot, Draco und Narzissa hatten das Land verlassen und damit das letzte bisschen Familie mitgenommen, was er jemals hatte. Freunde hatte er keine und auch wenn sein Ruf wieder rein gewaschen war, niemand wollte wirklich etwas mit ihm zu tun haben. Er hatte keine Hobbys, er hatte keine Bekannten, er hatte nur diesen Job hier in Hogwarts und deswegen hatte er wieder angefangen hier zu arbeiten. Missmutig griff er nach seinem Kaffee, es würde ja doch nicht besser werden wenn er in Selbstmitleid versank also schob er die düsteren Gedanken beiseite. Er hatte die letzten Jahrzehnte so gelebt, da würde es auf die nächsten Jahre auch nicht mehr ankommen. Vielleicht würde er irgendwann den Mut aufbringen etwas zu ändern. Das allgegenwärtige Gemurmel der Schüler wurde plötzlich immer lauter, Köpfe wandten sich um, Arme wurden gehoben um nach oben zu deuten. Die Lehrer folgten den Fingern mit ihren Blicken und schnell war klar, was die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich zog. Zwischen den normalen, braunen Posteulen und den wenigen Käuzen drehte ein großer, weißer Vogel seine Runden, er schien unsicher wo er wirklich hin musste. „Was ist das?“, fragte Filius. „Das ist ein Storch“, kam fassungslos von Minerva. „Seit wann nutzen wir Störche?“ „Sehr gute Frage“, murmelte Minerva, „noch interessanter wäre allerdings, zu wem er will.“ Der Storch drehte gerade ab und flog langsam auf den Lehrertisch zu. Unter den, immer größer werdenden, Augen der Anwesenden wurde sehr schnell ersichtlich, dass sein Ziel im allseits gehassten Zaubertränkelehrer lag. „Severus, möchtest du uns etwas sagen?“, fragte Pomona grinsend, „normal bringt der Storch doch die Kinderlein.“ „Das wüsste ich“, sagte Severus trocken, er räumte aber dennoch sein Geschirr beiseite um dem großen Tier das Landen zu ermöglichen. Der Storch, der an einem der langen Beine eine Art Rolle gebunden hatte, landete mehr als ungelenk auf dem glatten Tisch, seine Flügel fegten nicht nur einiges an Geschirr zu Boden sondern sorgten auch dafür, dass Severus und Minerva sich das Kämmen am Morgen hätten sparen könnten. „Pass doch auf, du verfluchte Ente“, fauchte Severus, nur um sich dann vor dem langen Schnabel in Sicherheit zu bringen denn das Tier klapperte erbost nach ihm. „Severus, der Storch und die Ente gehören nicht mal zur gleichen Familie“, mahnte Pomona bemüht ernst, ihr breites Grinsen verriet sie aber. „Beides kann man braten“, gab Severus zurück, der Storch sah ihn empört an, streckte ihm aber dann sein Bein entgegen. Misstrauisch nahm Severus die Rolle ab, ein leeres Bambusrohr. „Wenn du jetzt einen Frosch erwartest, muss ich dich enttäuschen und jetzt runter von meinem Platz, du Ente“, fauchte Severus. Der Storch klapperte nochmal wütend mit dem Schnabel, schlug aber dann mit den Flügeln und startete. Ob es Absicht war, dass er die Flügel Severus dabei nochmal gegen den Kopf schlug, konnte keiner sagen aber das schadenfrohe Klappern war überdeutlich zu hören. Unter den fassungslosen Blicken der Schüler, die das Tier die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatten, schraubte er sich langsam höher. Doch er verließ die Halle nicht sondern drehte unter der Decke seine Runden. Scheinbar sollte er auf eine Antwort warten. „Was hast du da?“, fragte Minerva, die versuchte sich ihre Neugier nicht anmerken zu lassen. Severus drehte das Rohr in seinen Händen bis er Schrift fand und vorlas, „alles Gute zum Geburtstag.“ „Du hast heute Geburtstag?“, kam die Frage. „Ja, wie jedes Jahr“, gab Severus ausweichend zurück während er den Korken aus dem Rohr zog und den Inhalt vorsichtig raus schüttelte. Zum Vorschein kam eine kleine Pflanze, die scheinbar unter einem Stasiszauber stand und ein zusammengerolltes Pergament. „Sieht nach einer Verehrerin aus“, grinste Filius. „Auch das wüsste ich. Wahrscheinlich ein schlechter Scherz von einem Schüler.“ „Mit einem Storch?“, fragte Minerva, „was ist das eigentlich für eine Pflanze?“ Sie musterte die kleine, grüne Pflanze mit den sternförmigen, weißen Hochblättern, sie kam ihr bekannt vor aber sie konnte es nicht einordnen. „Ein Alpen-Edelweiß“, gab Severus abwesend zurück während er das Rohr zur Seite legte und das Pergament entrollte, die Pflanze lag wohl verwahrt in ihrem Zauber auf einem freien Plätzchen vor ihm. Da sie komplett mit Wurzeln geliefert wurde, wollte der Absender wohl, dass er sie einpflanzte. Doch zunächst wollte er wissen wer ihm diese Pflanze schickte. „Hallo Severus, nein, das ist kein schlechter Scherz eines Schülers, denn das war bestimmt dein erster Gedanke. Ich meine alles, was ich hier schreibe todernst. Du kennst mich, sehr gut sogar aber wenn du wüsstest wer ich wirklich bin, würdest du wohl diesen Brief nicht mal zu ende lesen. Daher wirst du mir wohl verzeihen wenn ich meinen Namen vorläufig für mich behalte. Vielleicht kannst du es dir ja denken, vielleicht habe ich aber auch das Glück, dass du nicht darauf kommst und mich in Ruhe anhörst. Ich möchte dich gerne näher kennenlernen, nicht als Freund sondern als Mann, als festen Gefährten und Partner. Ich verstehe natürlich wenn du das nicht wünscht weil es da diesen winzigen Haken gibt, dass ich ebenfalls männlich bin und du am männlichen Geschlecht vielleicht kein Interesse zeigst. Da ich aber aus einer sehr zuverlässigen Quelle weiß, dass du zu früheren Zeiten wohl mal engeren Kontakt zu einem Mann hattest, hege ich die Hoffnung, dass sich diese Vorlieben nicht geändert haben. Leider befinde ich mich momentan in Europa, deswegen auch der Storch und keine Eule, scheinbar sind die hier nicht so verbreitet und ich werde wohl auch die nächsten Jahre nicht mehr nach England zurückkehren. Ich habe da einfach nichts wofür es sich lohnt da zu leben. Ein Partner würde das natürlich ändern aber ich will ja nichts überstürzen. Der Storch, den ich dir geschickt habe, würde gerne deine Antwort mitnehmen wenn du mir schreiben möchtest. Ich würde mich freuen wenn wir uns zumindest auf dem Papier schon mal etwas kennenlernen könnten. Also hoffe ich einfach mal auf eine Antwort von dir. Sehr liebe Grüße Ich.“ Er las den Brief drei mal aber die Worte änderten sich nicht, er wusste nicht ob er fassungslos, ratlos oder beides sein sollte denn damit hätte er nie gerechnet. Niemand wusste, wann er Geburtstag hatte, warum auch? Es war nie notwendig. Sein Blick ging nochmal kurz über den Brief, dann über die Rose bevor sich sein Gesichtsausdruck verfinsterte. „Severus?“, fragte Minerva. „Ein schlechter Scherz, nichts weiter“, knurrte er während den Brief zu einer Kugel zusammen knüllte. Ein erbostes Klappern war die Antwort darauf. „Verschwinde, du bekommst keine Antwort auf diesen Schwachsinn“, rief Severus dem Vogel zu, der nur enttäuscht mit dem Schnabel klapperte und dann zum Fenster raus flog. „Severus, alles in Ordnung?“, fragte Minerva erneut, „warum hast du nicht gesagt, dass du heute Geburtstag hast?“ „Warum sollte ich? Es ist ein Tag wie jeder Andere, nichts Besonderes und dieser unangenehme, lächerliche Scherz ist mehr als unpassend“, knurrte Severus. Er erhob sich und verließ die Große Halle, den zusammengeknüllten Brief ließ er einfach zurück. Das Edelweiß hatte er allerdings mitgenommen. Er hatte nichts übrig für solche geschmacklosen Scherze. Aber gut, einen Scherz im Jahr auf seine Kosten konnte er verkraften, der Scherzbold würde merken, dass er sich auf so einen Scherz nicht einließ. Kurz dachte er darüber nach, was passiert wäre wenn er geantwortet hätte aber dann schüttelte er den Kopf, wahrscheinlich hätte sich sein Scherzbold über ihn tot gelacht. Darauf konnte er verzichten, es war ja nur ein Tag im Jahr und wenn er nicht reagierte, würde er diesem Scherzbold die Lust nehmen, er würde sich nicht nochmal mit so etwas melden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)