Unseen Souls von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- Es war kalt geworden. Ich konnte mich nicht daran erinnern, den Wind vor wenigen Stunden so intensiv wahrgenommen zu haben. In der Zwischenzeit erschwerte er mir das Atmen. Langsam hob ich die Hand, tastete in meinen Nacken und streifte mir die Kapuze über. Dumpf umspielte mich der dunkle Mantel und presste sich um meine Beine, als mich eine weitere Böe erfasste. Ebenso ein Dröhnen, das sich auf die finstere Umgebung legte, auf die ich hinabblickte. Ein permanentes Rauschen, das in meinen Ohren schallte und mich die Augen von den qualmenden Ruinen der Stadt lösen ließ. Ich blickte auf zum dunklen, wolkenlosen Nachthimmel. Von dem Hügel, auf dem ich stand, ließ sich soviel erkennen und ich blinzelte und spähte hinüber zu den schwarzen Umrissen des Gebirges. Das Grollen des nahenden Gewitters schien geradewegs von dort aufzuziehen und schickte seine schneidigen Vorboten, die mich umspielten wie verlorene Seelenfragmente. Nur beiläufig spürte ich das Gewicht des Golems, der sich auf meiner Schulter niederließ. Gebrechlich neigten sich die Halme zu meinen Füßen, nicht weit entfernt waren es auch die rauschenden Wipfel vereinzelter Bäume, die sich dieser Macht unterwarfen und aus den Augenwinkeln verfolgte ich die sich bewegenden Lichter zwischen den Schatten der zerstörten Fassaden und Mauern. Entgegen meiner Ruhe an diesem hohen Punkt war das Chaos weiter unten annähernd greifbar. Lange würden die Finder noch durch die Gassen und Straßen eilen. Lange würden sie das Ende ihrer Aufgaben nicht vor sich sehen, während ich hier hinter der Linie meines Zieles stand. Ich regte die Hand, spürte unter dem robusten Stoff des Handschuhs diesen Widerstand und erfasste das gleißende, grüne Licht, das sich unter dem sich aufbäumenden Stoff des Mantels verbarg. Ich hielt es vorsichtig, nahe bei mir und überzeugte mich gerne von dieser Anwesenheit. Vor kurzem noch inmitten des Tumultes, hatte ich mich nun von ihm getrennt und eine Grenze zwischen uns gezogen. Flüchtig streifte Tims Flügel den Stoff meiner Kapuze und von den aufsteigenden, finsteren Rauchwolken blickte ich erneut zu den rauschenden Baumkronen. Selbst Himmel und Erde schienen sich zu bekriegen, dachte ich mir. Knackend unterwarf sich ein Ast der hohen Macht, versenkte sich rauschend inmitten der sich wogenden Wiese und trieb mir ein Schmunzeln auf die Lippen. Wie seltsam. Man unterwarf und wurde unterworfen. Aber ich war kein Teil davon. Ich stand hier oben. Kaum hatte ich die Hand gehoben, begegnete ich dem Golem, spürte seinen Flügelschlag und auch einem leichten Gegendruck, als er Halt an meinem Arm suchte. In gewissem Sinn wollte ich dieser Mission nachtrauern. Den Anstrengungen, die sie erforderte, den Gefahren, in die sie mich brachte. All das vereint im Ganzen würde mir in den nächsten Stunden fehlen. Es war kaum zu mir gedrungen, wie gedankenlos und fixiert ich während der letzten Tage war. Neben mir hatte es nur eine einzige Existenz gegeben. Es war das Ziel, das diese ausmachte. Nichts als das Ziel und der Erfolg, den ich nun mit der Hand umschloss, während ich hinabblickte und mich in dieser allerletzten Betrachtung verlor. Es war gut gewesen. Nur ein weiterer meiner Schritte und trotzdem konnte ich mir nichts Besseres vorstellen, als nun hier oben zu stehen und mich von dem zu lösen, was dort unten zu meinen Füßen loderte und brannte. Beißend war der Geruch, der zu mir aufstieg, grell das Aufzucken der Flammen und ein weiteres Mal spähte ich zum Himmel, gelockt von dem dumpfen Grollen. Ich spürte, wie sich ein Regentropfen auf meiner Stirn brach und ein dünnes Rinnsal meine Nase hinab perlte. Sofort folgten weitere, gingen kalt auf mein Gesicht nieder und ließen mich die Augen schließen, während sich um mich herum leises Rauschen erhob. In letzter Zeit geschah es fast permanent. Die Monate wurden kalt, das Wetter unerbittlich und die Luft schwer und stickig vor Feuchtigkeit. Ich öffnete die Lippen einen Spalt weit, spürte auch auf ihrer rauen Oberfläche die angenehme Erfrischung, als sich die vereinzelten Tropfen zu einem Schauer erhoben und mich die Umgebung grau und undurchsichtig umgab. Nur undeutlich drang das Rauschen der Schritte an meine Ohren. Langsam bahnte sich jemand seinen Weg durch das Gras und ich bewegte die Lippen, labte mich an der natürlichen Frische, bis die Geräusche hinter mir verstummten und die Schritte ein Ende fanden. Ein tiefes Durchatmen. Die Kühle drang bis in meine Brust und nur langsam senkte ich den Kopf und hob die Lider. „Walker?“ Diese Stimme hatte mich binnen der letzten Tage permanent begleitet. Jetzt erhob sie sich neben mir und ich verfolgte das Glitzern der Tropfen, die sich aus den Strähnen meines Haares lösten. „Ich habe mich um alles gekümmert. Wir können uns auf den Weg machen.“ Ich blinzelte die hinab rinnende Feuchtigkeit aus meinen Wimpern und nickte. Auf den Weg machen. Wir gingen nach Hause und ich spürte dieses Lächeln auf meinen Lippen, als ich mich an den Finder wandte. „Danke für deine Mühen.“ „Oh.“ Der junge Mann verzog überwältigt das Gesicht, räusperte sich verlegen. „Vielen Dank.“ Er kratzte sich die vom Regen durchnässte Kapuze und aus den Augenwinkeln sah ich das knappe Verbeugen, bevor ich den nassen, schweren Mantel zurückschlug und mich abwandte. „Komm.“ Rauschend streiften die Halme meine Beine, als ich durch die hohe Wiese zog und die Kapuze unter einer scharfen Böe mit der Hand sicherte. Ich kehrte einem weiteren Ort den Rücken und tat es ohne zurückzublicken. Es war ein weiteres, nicht besonders großes Kapitel, das ich mit dieser Bewegung abschloss. Tief atmete ich erneut diesen kalten, klaren Wind, der sich gegen meinen Körper presste und mich doch nicht an meinen Schritten hinderte. Das hatte er noch nie getan. Ich hatte mein Ziel und entgegen der Flammen, die ich mir lange betrachtete, strebte ich jetzt dem dunklen, ruhigen Horizont entgegen. -tbc- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)