Am seidenen Faden von Hotepneith (Der Jubiläumskrimi Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 5: Überlegungen ----------------------- Sesshoumaru sah zu dem alten Menschenmann, der sich wohlweislich nicht bewegt hatte. Gut zu erziehen schien Fürst Takaeda ja sein Personal. Auch Sakura war da schon damals recht akzeptabel gewesen. „Du vermutest pflanzliches Gift.“ Der Heiler musterte die schwarzen Schuhe vor sich. „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Könnte das gleiche Gift auch bei dem Zwischenfall vor einem halben Jahr beteiligt gewesen sein?“ „Welchem Zwischenfall?“ Minoru hätte um ein Haar vor Erstaunen den tödlichen Fehler begangen in das Gesicht des Prinzen zu sehen. „Der Badeunfall Tsuyoshis!“ Das klang etwas nachdrücklich. Der Heiler hing an seinem Leben und war erfahren im Umgang mit hohen Herren. So berührte seine Stirn hastig den Boden, ehe er erwiderte: „Oh, natürlich, ich bitte meine Begriffsstutzigkeit gnädigst zu verzeihen. Ja, in der Tat. Vor etwas über einem halben Jahr erlitt Tsuyoshi, allerdings auch seine Mutter, Lady Bara, und eben seine Ehefrau beim Baden seltsame … Hautreaktionen. Ich gebe zu, dass ich zuerst an einen Fehler im Badewasser dachte, da ihre Körper betroffen waren, nicht jedoch Gesichter, Köpfe, aber sie waren die einzigen Personen. So vermutete ich eigentlich eine Krankheit. Die Symptome waren Hautrötungen, ja, Verbrennungen, bis hin zu Blasen. Eigentlich eher einem Sonnenbrand ähnlich, aber auch das Ergebnis mancher Kontakte zu Pflanzen.“ „Riesenbärenklau.“ „Ja, zum Beispiel, Euer verehrte Lordschaft.“ Oha, da war ein Prinz ja ungewöhnlich weit ausgebildet worden als Heiler. War das bei Dämonen so Sitte? So sollte ihm selbst erst recht kein Fehler unterlaufen oder gar bereits unterlaufen sein. Sakura selbst, die er noch als Dienerin der niedrigsten Sorte in Erinnerung hatte, sollte auch die Schülerin des legendären Dämonenheilers Neigi sein. Vermutlich hatte auch dieser seinen Erbprinzen unterrichten sollen. „Es gäbe auch andere. Aber, wie ich bereits erwähnen durfte, niemand anderer litt unter diesen Symptomen, obwohl ja alle das gleiche Wasser benutzten.“ „Kennst du irgendeine Pflanze die solche Hautverletzungen hervorruft und auch tödlich ist, wenn man sie isst?“ „Nur überaus wenige, Euer mächtige Lordschaft. Und diese wären auch, sagen wir, durch Geruch oder Geschmack so deutlich als giftig erkennbar, selbst für einen Menschen, dass es unwahrscheinlich wäre, einen Mord dadurch begehen zu können.“ Solange das Opfer nicht einverstanden war, also nur. Oder sonst wie abgelenkt. Womöglich hatte jedoch die eigentliche Vergiftung gar nichts mit dem so genannten Badeunfall zu tun, der ja immerhin auch die beiden weiblichen Familienmitglieder betroffen hatte. Nun, es half nichts, er musste in dieses Weberschloss. Wie leidig. „Du darfst gehen. - Sakura.“   Auf dem Weg in das Weberschloss atmete der Hundeprinz tief durch. Weiter hinten stiegen die baumbestandenen Hänge des Waldgebirges auf und er bekam lieber diese Luft als die dumpfe in einem menschlichen Haus in die Nase. Aber da musste er nun einmal durch. Wenn sein verehrter Vater zurückkehrte, würde dieser sicher seinen Bericht wollen, warum und mit welchem Erfolg er seine Pflichten im Stich gelassen hatte – und wie stünde er da, hätte er das Problem eines ungeklärten Toten nicht gelöst? „Warst du je im Weberschloss?“ Sakura ging mit gesenktem Kopf hinter ihm und antwortete hastig: „Nur ein Mal, Lord Sesshoumaru, und keine Stunde.“ Also kannte sie da auch niemandem, geschweige denn die Räumlichkeiten und konnte ihm zur Hand gehen. Das wurde immer lästiger. Alles musste er allein machen. Hm. Vor ihnen tauchte dieses Seitenschloss auf. Die Wachen hatten ihn gesehen. Er war betont mit menschlicher Geschwindigkeit gegangen. Falls tatsächlich jemand aus dem eigentlichen Takaeda-Schloss hierher gelangen wollte um den Mord zu begehen, hätte er mindestens zwanzig Minuten benötigt, ebenso für den Rückweg. Dazu die Zeit des Mordes, die Gefahr hier oder dort gesehen zu werden … Eher unwahrscheinlich. Sicher, er sollte nichts auslassen, aber dennoch schien der Täter sich im Nebenschloss zu befinden. Dort wurde ja wohl auch das Essen hergestellt. „Sakura, sorge dafür, dass Shigeru zu mir kommt. Und ich will diese Bara sprechen.“ „Wünscht Euer Lordschaft auch ein eigenes Zimmer?“ fragte sie nur, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass sie kaum in der Lage wäre den amtierenden Hausherrn in den Hof zu zitieren. Aber sie würde eben den Wachen soweit Bescheid geben, dass Lord Sesshoumaru, der Sohn des mächtigen Inu no Taishou, im Auftrag Fürst Takaedas ermittele – das sollte eigentlich genügen, da jeder den Ruf des Dämonenfürsten kannte, dass sie den momentanen Chef des Hauses informierten. So eilte sie voran, während der Hundeprinz etwas langsamer wurde, um sich das Schloss anzusehen. Einfacher als das Hauptschloss, ja, vermutlich ursprünglich ein Sommerschloss, da die Winde von den Bergen kamen. Dennoch war es von einer hohen Mauer umgeben und er erkannte Patrouillen. Nun gut. Nachlässigkeit hatte selbst er Fürst Takaeda noch nie unterstellen können. Dieser achtete sehr auf seine Seidenwebereien für Dämonen und Menschen, die den Reichtum der Familie begründeten. Hier, in diesem Schloss, wurde für die menschlichen Kunden gearbeitet. Das Opfer war der Aufseher der Weberinnen gewesen, also würde er sich notgedrungen auch mit mindestens einer von ihnen unterhalten müssen. Hitomi hatte angedeutet, dass ihr Mann körperlich stark und auch bereit war, diese Stärke gegen Frauen einzusetzen. Möglich, dass sich eine Andere an ihm gerächt hatte. Nein, suche nicht das Warum, ermahnte er sich. Gründe einen Webereivorsteher, noch dazu ein Mitglied der herrschenden Familie, umzubringen gab es bestimmt. Suche das Wie. Und die Lösung dazu lag sicher in dem Essen, das gleich drei Männer der Familie gemeinsam zu sich genommen hatten – oder zusätzlich in diesem ominösen Bad vor einem halben Jahr. Hm. Oder lag doch etwas ganz anders vor? Der alte Heiler hatte ausgesagt, er habe auf eine Vergiftung getippt, weil ihm noch nie eine derartige Erkrankung untergekommen war. Was besagte das? Ein menschliches Leben war jämmerlich kurz und es gab viele Krankheiten, die das Ende beschleunigten.   Die Anzahl der Wachen hatte sich verringert, da einer der Männer sofort los geeilt war, um Lord Shigeru von dem unangenehmen Besuch zu berichten. Sakura kniete eilig nieder, als der Hundeprinz den Hof betrat und gleichzeitig von der anderen Seite ein junger Mann in einem roten, gelb bestickten, Kimono mit für jemanden seines Ranges fast zu rascher Eile das Schloss verließ, gefolgt von einem Schreiber und dem Krieger. Lord Shigeru Takaeda verneigte sich höflich. Immerhin war das ein Erbprinz und er nur der einer Seitenlinie. Sakura musterte ihn verstohlen. Er mochte keine Zwanzig zählen. In seinem Gürtel steckte ein Fächer, seine schwarzen Haare hatte er zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden. Er wirkte gepflegt, aber durchaus nicht überzogen, und schien zu wissen, wo sein Platz in der Gesellschaft war. „Ich hieße Euch auch im Namen meines Onkels, Lord Masao, willkommen, Lord Sesshoumaru, der Euch krankheitsbedingt nicht selbst empfangen kann. Was wünscht Fürst Takaeda?“ Das war ein gewisses Fettnäpfchen, aber Seine Lordschaft war nach der pünktlichen und höflichen Begrüßung ausnahmsweise bereit, jemandem, der nicht für das höfische Leben sondern das Kloster erzogen worden war, das nachzusehen. „Ich wünsche ein Zimmer, um den Tod Eures Cousins aufzuklären.“ „Oh. Ja, der arme Tsuyoshi. Aber ich glaubte, seine Ehefrau ...“ Shigeru brach lieber an und wandte sich an den Schreiber. „Zeige Lord Sesshoumaru ein Gästezimmer. - Benötigt Ihr noch etwas?“ „Ich möchte mit den Mitgliedern der Familie sprechen.“ „Nun, womöglich habt Ihr gehört, dass mein verehrter Onkel, Lord Masao vollständig gelähmt ist. Er vermag sein Lager nicht zu verlassen und auch nicht zu sprechen. Allerdings kann er zuhören. Darum finden, fanden diese gemeinsamen Essen auch bei ihm statt. Er dürfte Euer Lordschaft kaum behilflich sein können.“ „Und sein Diener?“ „Oh, ja, der war natürlich auch dabei. Er ist rund um die Uhr Onkels Schatten. Ich werde veranlassen, das jemand Hotaru ersetzt, so dass er Euch zu Diensten sein kann. Danach werde ich auch gern mit Euch reden. Es geht um das Essen, nicht wahr? Ich begreife nicht, wieso Hitomi auf diese Idee kam. Es war grausam diese Krämpfe anzusehen, sein Nach-Luft-Ringen ...“ „Ihr konntet ihm nicht helfen?“ „Nein. Ich sandte sofort nach Minoru, das ist der Heilers des Fürsten, aber sowohl meine als auch Hotarus Bemühungen Tsuyoshi Luft zu verschaffen, in dem wir die Kleidung lockerten oder ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn legten, waren nutzlos. Sein Gesicht schwoll förmlich an und … Nun, es sah nicht gerade schön aus. - Hier, bitte folgt meinem Schreiber zu einem Gästezimmer. Ich hoffe, es behagt Euch.“ Sesshoumaru ignorierte die Aufforderung. „Was habt Ihr gegessen?“ „Das gleiche wie alle, wenngleich Onkel Masao das Fleisch und Gemüse von Hotaru sehr fein zerschnitten bekommt. Zunächst Hühnersuppe, dann Reis, dann Gemüse und zum Schluss als besonderen Leckerbissen Wacholderdrosseln. Mein Onkel, Fürst Takaeda, lässt sie förmlich züchten, so dass es jedes Jahr im Herbst welche gibt. Nicht allzu viele.“ „Gab es einen besonderen Anlass?“ „Nein, diese Essen finden regelmäßig statt, schon, damit Onkel Masao als Familienoberhaupt der Seitenlinie informiert wird. Oder meint Ihr für die Wacholderdrosseln? Nun ja, einige stehen uns, der Seitenlinie, jeden Herbst zu, und Tsuyoshi bat bei dem letzten Essen darum, dass wir doch welche essen. Onkel Masao war angetan und so aß ich eben auch welche. Ich muss zugeben, dass ich mir nicht sehr viel aus Fleisch mache, seit meiner Zeit im Kloster, aber es wäre ungehörig gewesen nicht mindestens eine der Sechs zu essen, wenn Cousin und Onkel sie sich wünschten. Oh, Ihr meint, die Drosseln wären Schuld? Nein, das glaube ich nicht. Mir ging es gut und selbst mein kranker Onkel spürte nichts. Auch drüben im Fürstenschloss hat niemand solch eine Krankheit bekommen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)