Am seidenen Faden von Hotepneith (Der Jubiläumskrimi Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 7: Die Aussage des Kammerdieners ----------------------------------------   Allein wandte sich Sesshoumaru erneut dem Fenster zu. Menschen! Familie, Gefühle und wusste der Himmel noch was. Natürlich endete das in Mord. Nun ja, auf jedem Fall in einem Todesfall. Ruhig bleiben und nachdenken, dann käme er schneller wieder hier weg – zu den langweiligen Audienzen, aber womöglich wäre Vater auch wieder zurück. Wäre er selbst erst einmal der Fürst würde er diese wenig geliebte Aufgabe Mutter aufhalsen. Die konnte das bestimmt leichter durchstehen, zumal mit ihrer Gabe auch dem Vorwitzigsten mit einem Blick den Satz in der Kehle stecken zu lassen. Noch war es freilich nicht so weit, dass er seiner Mutter Befehle erteilen konnte. Überdies, erkannte er dann, hätte das ja auch den Tod seines verehrten Vaters zu Folge – lieber nicht. Gut. Nachdenken. Dieser ominöse Badeunfall konnte sehr wohl ein Unfall gewesen sein – aber wieso hatte es nur diese drei Personen getroffen? Doch ein Anschlag auf das spätere Opfer plus dessen Familie? Wollte Hitomi von ihrem späteren Attentat auf ihren Ehemann ablenken? Wollte Bara ihre Schwiegertochter loswerden? Hatte sich eine der Beiden zu amateurhaft angestellt und sich selbst gleich mit vergiftet? Jemand Dritter, ein Anderer, aus Versehen oder mit Absicht dies getan? Wie badeten eigentlich Menschen, wenn sie zu dritt im Wasser hockten? Er selbst hatte nur mit Sakura einmal zu Testzwecken ein Bad geteilt, ansonsten wünschte er da absolute Ruhe zu haben. Wenn sie wieder zurück war, müsste er sich einmal das Badezimmer ansehen. Womöglich eben doch ein Unfall, eine Unsauberkeit eines Dieners – durch die der Mörder auf den Einfall mit eben diesem Gift kam? Aber Minoru hatte ausgesagt, dass alle Pflanzen, die äußerlich giftig wären, so schrecklich schmeckten, dass man sich selbst als Mensch nicht vergiften konnte. Das führte zum Anderen. Dieses gemeinsame Essen. Vier Männer plus hereintragende Dienerschaft anwesend – die Vergiftung musste in der Küche passiert sein. Was genau da geschehen war, sollte Sakura herausfinden. Nur: einen Topf Suppe, Reis, Gemüse, so zu vergiften, dass es nur eine Person traf, war schlicht unmöglich. Diese Vögel – wer sollte vorhersehen, dass es genau der Richtige aß? Oder war genau das der Denkfehler? Sollte einfach ein Mitglied des Hauses Takaeda sterben und Tsuyoshi traf es zufällig? Diese Idee könnte auch den Badezwischenfall der Drei erklären. Jemand ging auf die Familie los – und damit war eigentlich auch gleich, wen es traf. Kein Motiv in dem Sinne, aber danach wollte er ja auch eigentlich aus eben solchen Erfahrungen nicht mehr suchen. Das WIE.   Oh. Es kam jemand, dem Schritt nach ein älterer, aber wohl geschulter, Diener. Natürlich menschlicher Art. Da es am hölzernen Türrahmen klopfte und er gleichzeitig das Rascheln vernahm, als sich der Mann niederkniete, sagte er nur: „Herein mit dir, Hotaru.“ Er hatte nach dem persönlichen Diener des Herrn der Nebenlinie schicken lassen und war überzeugt, dass nur ein sehr qualifizierter Mann die Pflege eines Gelähmten übernehmen konnte. Nicht zuletzt aus leidiger, persönlicher, Erfahrung. Und selbst Sakura waren Pannen passiert, obwohl sie buchstäblich das Menschenmögliche getan hatte. Hotaru gehorchte, was blieb ihm schon anders übrig, und schloss auch die Tür hinter sich, wohlweislich auf Knien, ehe er die kurze Handbewegung sah, deren Zeigefinger ihn direkt vor den Gast befahl. Aber als er vor dem Dämonenprinzen niederkniete und dessen schwarze Schuhe anblickte, spürte er, dass seine Kehle trocken war. Hohe Herren pflegten sich Namen von Dienern nicht ohne guten Grund zu merken. War ihm schon bange geworden, als Lord Shigeru ihm gesagt hatte, ein Dämon ermittele im Auftrag des Fürsten in diesem ominösen Todesfall, so wurde es durch die Nennung seines Namens nicht besser. Er hatte doch nie gegen das Interesse seines Herrn verstoßen! Aber das half kaum, wenn dieser Hundedämon nicht überzeugt davon war und das dem Fürsten Takaeda berichtete. Harte und oft auch grausame Strafen waren in jedem Schloss an der Tagesordnung. „Du bist der persönliche Bedienstete Lord Masaos.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Wie geht es ihm?“ Das war eine überraschende Frage eines Dämons und noch dazu in einer Mordermittlung, aber seltsamerweise fühlte sich der Menschenmann mittleren Alters, wie die deutlichen grauen Strähnen im zurückgebundenen schwarzen Haar zeigten, beruhigt. „Unverändert, Lord Sesshoumaru.“ „Lord Maseo kann keine Besucher empfangen?“ „Ich darf es umschreiben, Euer Lordschaft. Ich dürfte Euch, mit Erlaubnis Lord Shigerus, in das Schlafzimmer lassen, aber Ihr würdet von Lord Masao keinerlei Reaktion erhalten. Er liegt nur da, atmet und bewegt sich nicht.“ „Und doch fand das Essen bei ihm statt und du hast ihn gefüttert?“ „Ja. Darf ich es ausführlich schildern?“ „Ja.“ Immerhin, Das klang mal nach einer sachlichen Antwort. „Ich füttere Lord Masao täglich drei Mal. Er kann durchaus schlucken, nicht jedoch kauen, so dass es nur sehr kleine Speiseteile oder Suppe sein dürfen, die er erhält. Dazu wird er aufgesetzt, an ein Kissen gelehnt, und ich zerkleinere die Kost. Er hört jedoch alles, was man zu ihm spricht, auch, wenn er sich nicht bewegen kann.“ Hotaru wagte es ein wenig aufzusehen. Das verstand kaum jemand. Sesshoumaru entsann sich nur zu gut seiner eigenen Leidenszeit. Hören war wohl die letzte Eigenschaft, die man verlor. „Ich weiß. Weiter. Kannst du dich mit ihm verständigen? Ja- oder Nein-Antworten erhalten?“ Perplex erwiderte Hotaru: „Manchmal, je nach seinem Gesundheitszustand.“ Wieso verstand ein Dämon, ein Tiermonster, wo Menschen versagten? War das alles nur ein Vorurteil, dass ihm andere schon Minuten zuvor mitgeteilt hatten, der junge Lord sei mörderisch? „Dieser Schlaganfall traf ihn wann?“ „Vor neun Monaten.“ „Lord Shigeru traf aber zuvor ein.“ Sakura hatte zwar die Aussage Hitomis berichtet, dieser sei erst nach dem Schlaganfall zurückgerufen worden, aber er wusste nur zu gut, wie nachlässig Angeklagte mit ihren Erinnerungen waren. Narren, als ob nicht ihr Leben daran hing! „Ja, vor mehr als einem Jahr. Lord Shige hatte für seinen einzigen Sohn eine Karriere im Kloster, als Mönch oder Heiler vorgesehen, aber da Lord Masao keine Erben hatte, berief er ihn nach dem Tod des Vaters zurück.“ Sekunde. „Keine Erben? Und Tsuyoshi?“ „Keine leiblichen Erben, vergebt, Lord Sesshoumaru. Shigeru steht in der Familienhierarchie über Tsuyoshi.“ „Lord Shigeru kam und wurde als Erbe ausgebildet?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Ein wahrlich vernünftiger Mensch. Aus dem und Sakura könnte bestimmt ein taugliches Kind entstehen, das ihm die nächsten Jahrzehnte nützlich war. Ach nein, da gab es doch diesen ominösen Leutnant, der sich um sie bewarb. Nun, da hätte ein Diener weniger Chancen. Natürlich könnte er es ihr befehlen, aber ... Er hatte hier einen Mord aufzuklären. „Und Lord Tsuyoshi nahm das hin.“ „Ja, natürlich. Es war der ausdrückliche Wunsch Lord Masaos und auch des mächtigen Fürsten Takaedas, das Erbe der Halbbrüder durch Lord Shigeru bestehen zu lassen. Lord Tsuyoshi beugte sich natürlich.“ „Tsuyoshi wurde nie als Erbe in Betracht gezogen.“ „Höchstens von Lady Bara, verzeiht. Ich ...“ „Ich habe sie kennengelernt. Weiter. Wie kam es zu den gemeinsamen Essen?“ „Lord Shigeru übernahm auf Anweisung Fürst Takaedas, der aber zuvor Lord Masao besucht hatte, die Verwaltung. Ich war stets dabei anwesend, wie es meine Pflicht erforderte.“ Ja kein Verschulden sich zuschreiben lassen, das lernte man rasch in einem Schloss. „Lord Shigeru schlug vor, dass man gemeinsam speisen sollte, also, zunächst nur er und Lord Masao. Er erklärte das mit dem notwendigen Respekt vor dem Onkel, dem er doch Bericht erstatten sollte. Lord Masao stimmte zu. Ebenso, als einige Wochen später Lord Shigeru vorschlug, dass auch Lord Tsuyoshi an den Essen teilnehmen sollte. Er entschuldigte sich, dass er nicht bedacht hatte, dass eine Familie auch gemeinsam essen sollte, um Informationen informell auszutauschen und die Zusammengehörigkeit zu demonstrieren. Lord Shigeru hatte wohl durch sein Klosterleben solche Dinge übersehen. Er ist auch insgesamt überaus bemüht viel zu lernen.“ „Lord Tsuyoshi kam dann auch, eingeladen durch Lord Masao, also dich.“ „Ja, Euer Lordschaft. In gewisser Weise, wenn ich erklären darf. Ich bin stets um Lord Masao, vierundzwanzig Stunden am Tag. Wenn er Anweisungen zu erkennen gibt, schicke ich einen anderen Diener. Ich bleibe fortwährend bei ihm.“ Sesshoumaru zog die Augen zusammen. Das erschien ihm nach seiner bisherigen Menschenkenntnis unmöglich. „Und wenn du anderweitig beschäftigt bist … baden?“ Oder Anderes, was er gewiss nicht aussprechen würde. „In diesem Fall gibt es einen andern Diener, der für die Minuten einspringt, ebenso, wenn ich doch schlafen muss. Sein Name ist Ito.“ „Ito ist der Name des Erbprinzen.“ „Ja, Euer edle Lordschaft hat Recht. Er wurde nach dem Erbprinzen benannt, da er nur einen Tag später geboren wurde und seine Eltern ihre Freude über den Erben des Fürsten ausdrücken wollten. - Ihr wünschtet den Ablauf des Essens am Todestag zu hören? Alles lief wie immer ab. Ich kleidete den Herrn an, setzte ihn an das Kissen und sorgte dafür, dass das Essen serviert werden konnte. Es gab Hühnerbrühe, Reis und Gemüse und dann Drosseln aus dem oberen Garten des Fürsten.“ „Du bestelltest. Dann kamen die jungen Herrn und ließen sich nieder.“ „Ja, Euer Lordschaft. Dann trugen die Diener auf. Ich schnitt natürlich für Lord Masao alles an Gemüse und auch die Drossel klein, flößte ihm auch zuvor die Suppe ein ... Es gab nichts Ungewöhnliches.“ „Außer den Drosseln.“ „Ja, die hatte sich ungewöhnlicherweise beim Essen zuvor, also, eine Woche zuvor, Lord Tsuyoshi gewünscht. Lord Masao stimmte zu und so gab ich die Anweisung drüben an das Schloss weiter.“ „Du, nicht Shigeru?“ „Äh, verzeiht meine Ungenauigkeit. Ich gebe solche Wünsche an das Schreiberbüro Lord Masaos, das im Augenblick ja Lord Shigeru beaufsichtigt.“ „Es war Tsuyoshis Wunsch.“ „Ja, Lord Masao schätzt aufgrund seiner Erkrankung wenig Fleisch und Lord Shigeru aufgrund seiner Klostererziehung wohl sogar noch weniger.“ Das wurde dann immer seltsamer. Alles doch nur ein unseliges Zusammentreffen? Was konnte, sollte, er noch fragen? „Ich möchte mit Lord Masao reden. - Ohne Umwege.“ Hosted by Animexx e.V. 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