Am seidenen Faden von Hotepneith (Der Jubiläumskrimi Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 9: Die Aussage des Badezimmers -------------------------------------- Während Sakura die Hand der Verletzten begutachtete und einige Kräuterumschläge empfahl, erkundigte sie sich bei Kiriko, wie man es als Heiler so tat, nach deren Arbeit. Es handelte sich um die Aufseherin der Weberinnen, die direkte Untergebene des verstorbenen Tsuyoshi. Sie machte keinen Hehl aus dessen Strenge, ergänzte jedoch: „Nun ja, er wurde auch von seinen Onkeln, zumal dem Fürsten, angehalten streng zu sein. Wegen eines Fehlers wurde von einem Kunden unsere Seide zurückgeschickt und er damals für zwei Nächte in einem Baum aufgehängt. Er war vierzehn Jahre. Und er nahm das bestimmt zum Anlass, dass ihm dergleichen nie wieder passieren sollte. Dennoch galt es stets als offenes Geheimnis, dass er Lord Masao nachfolgen sollte. Lord Shige, ach, das könnt Ihr ja nicht wissen, der Bruder Lord Masaos, hatte seinen Sohn ja in ein Kloster befohlen, man sagte mit gutem Grund, denn er habe sich einmal zu viel im falschen Bett amüsiert, so dass eigentlich nur Tsuyoshi blieb, nach all den Kriegen und Krankheiten. Ich glaube, es war da sogar mal von einem Testament die Rede. Au ...“ „Vergebt, aber ich bandagiere die Hand nur, damit der Kräuterumschlag bleibt. So könnt Ihr arbeiten, falls Ihr noch selbst Hand anlegt.“ „Nur, wenn ich direkt einen Fehler bemerke. Ich bin ja die Aufseherin.“ „Natürlich.“ Sakura überlegte rasch, ehe sie doch fragte: „Aber, das verstehe ich nicht. Wenn Lord Tsuyoshi in der Weberei ausgebildet wurde, diese leitet, warum wurde Lord Shigeru dann zurückgerufen?“ Und wenn Tsuyoshi dermaßen übergangen wurde – wieso war er jetzt tot und nicht Shigeru? Ein Unfall? Ein Versehen? War alles anders als es schien? Nun, das sollte und musste sie Seiner Eisigkeit überlassen, der keine Phantasien schätzte, noch gar, wenn ihm irgendjemand vorgriff. „Lord Shigeru ist eben der Sohn eines Sohnes und Tsuyoshi nur der einer Tochter des verstorbenen Fürsten. Aber er macht es seit den neun Monaten, in denen er hier jetzt anstelle des erkrankten Lords Masao arbeitet, eigentlich recht gut. Er gibt sich Mühe, das muss man sagen.“ Solche vertraulichen Sätze hätte Kiriko niemand anderem gegenüber erwähnt als einem Heiler. Diese galten als äußerst verschwiegen. „Vor neun Monaten hatte der edle Lord den Unfall?“ „Ja. Aber schon vor einem Jahr rief er Lord Shigeru zurück, warum?“ Zu dem Zeitpunkt, an dem Hitomi mit Tsuyoshi verheiratet wurde. Lord Masao hatte sich bestimmt etwas dabei gedacht – nur, was? „Oh, ich bin nur erstaunt. Nach meiner Kenntnis überlebt kaum jemand so schwer getroffen solch einen Schlag sehr lange.“ „Er wird auch gut gepflegt. Hotaru ist rund um die Uhr so bemüht um ihn. - Hotaru ist mein Bruder.“ „Das wird Eurer Schwägerin weniger gefallen.“ „Äh, nein, Hotaru ist verwitwet. Ich denke, darum fiel das Augenmerk des Fürsten unter allen persönlichen Dienern auch auf ihn, neben seiner Loyalität.“ „Natürlich, entschuldigt meine Dummheit.“ So, dachte Sakura, jetzt sollte sie genug zu erzählen haben, damit sie nicht in Schwierigkeiten kam, und beeilte sich zurück in das Gästezimmer zu gelangen.   Sesshoumaru hörte ihren Bericht schweigend an, während er aus dem Fenster blickte. Erst als sie geendet hatte, wandte er sich um, sah, wie sie instinktiv zusammenzuckte. Gut. Trotz aller Nähe, die er ihr seltsamerweise gestattete, war ihr noch immer bewusst, wer er war. Und, was er mit ihr tun konnte. Andererseits war ihr Bericht sachlich und ausführlich gewesen, praktisch wörtlich. Es gab keinen Grund sie zu strafen. „Der Koch behauptet seine Küche sei sauber. Ist sie das in der Tat?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Nach allem konnte man Lebensmittelvergiftung wohl ausschließen. Aber hieß das nur, dass nicht das Essen an Tsuyoshis Tod schuld war, sondern etwas anderes? Hatte er selbst sich in der Tat zu viel auf diese letzte Mahlzeit konzentriert? Wie war das mit diesem ominösen Badeunfall? Zufall oder hing beides zusammen? „Bring mich in das hiesige Bad.“ „Ja.“ Zum Glück kannte sie ihn gut genug, um bereits nach dem Weg gefragt zu haben. Das Badehaus, wie stets im Erdgeschoss aus Stein wegen der immer aktuellen Feuergefahr errichtet, lag im hinteren Teil des Hofes, unversperrt. Der eigentliche Schlosswall schützte vor Fremden, zumal dort oben doch Krieger ab und an patrouillierten. Sesshoumaru betrachtete den vorderen Raum. Er kannte aus seinem heimatlichen Schloss eine Art Umkleide, ehe das eigentliche Bad begann, eine größere Wanne, falls sein verehrter Vater mit ihm zu baden wünschte, einen kleineren Raum, in dem er für sich selbst eine hölzerne Wanne anbefohlen hatte. Er badete lieber allein, er wusste jedoch, dass das oft als Gemeinschaftserlebnis galt, selbst unter Dämonen, und so mancher sich nach einem gemeinsamen Bad mit dem Fürsten förmlich sehnte. Eine der Kleinigkeiten, die er selbst als Herrscher garantiert als erstes abschaffen würde. Er sollte jedoch ermitteln. Hm. Dieser Raum war offenkundig als Umkleide vorgesehen, das verrieten diverse Halterungen und zwei Matten, auf denen Handtücher gestapelt waren. Alles war ordentlich und sauber. In der Tat schien dieser Haushalt einwandfrei zu laufen. „Weiter.“ Sakura musste sich kurz umsehen, ehe sie die nächste Tür zu einem runden Raum beiseite schob. Hier stand ein hölzerner Kübel, daneben eine Schachtel. Unschwer erkannte Seine Lordschaft am Geruch den von Seife. Badete man hier? In diesem winzigen Gefäß? Unwahrscheinlich. Dort im Eck befand sich ein Ablauf, und auf den zweiten Blick erkannte er, dass der Boden dorthin geneigt war. „Was ist das hier?“ Es half nichts, er musste fragen. Sakura war allerdings auch niemand, der plauderte. Zu ihrem Glück. Sie hätte fast etwas Unziemliches zum Thema Körperhygiene gesagt, das ihr sicher nicht gut bekommen wäre, ehe sie sich entsann, dass ein Dämon seiner Klasse weder schwitzte noch sonst irgendwie sich beschmutzte, und im warmen Wasser schlicht Muskelentspannung suchte. „Menschen waschen sich hier ab, ehe sie ins Bad gehen, Lord Sesshoumaru.“ Das erklärte zumindest, warum geradezu Mengen dieser minderen Wesen gemeinsam oder nacheinander eine Badewanne bevölkerten. „Und alle nutzen diese Seife.“ „Ja.“ Sie klang – und war – verwundert, kannte jedoch weitaus peinlichere Fragen von ihm. „Aber jeder hat ein anderes Handtuch.“ „Ja.“ „Weiter.“ Gehorsam ging sie in den größeren Raum, wo sich ein Becken mit fast drei Metern Durchmesser befand, sorgfältig mit geglätteten Steinen ausgelegt. Jetzt war allerdings kein Wasser darin. Sesshoumaru kannte solche Gegebenheiten. Darunter lag sicher die Heizkammer, deren Wärme auf das Wasser darüber übertragen wurde – eine aufwendige und teure Angelegenheit wohl für Menschen. Aber das erklärte auch, warum so viele nacheinander dasselbe Wasser nutzten. Natürlich in der Rangreihenfolge. Und es erklärte sich dadurch auch die vorherige Säuberung. Nun gut. Wenn das Bad abgeschlossen war, stiegen die Menschen aus dieser Wanne, trockneten sich mit ihrem Handtuch ab und gingen wieder durch den Reinigungs- in den Vorraum, um sich draußen anzukleiden. Hm. Das war fast wie mit dem Essen. Nahezu unmöglich das Wasser zu vergiften, oder auch nur ein Handtuch, wenn man nicht sicher wusste, wen es traf. War es das? Ein Attentäter, ja, Mörder, dem vollkommen gleich war, wer durch seinen Anschlag zu Schaden kam? War es reiner Zufall, dass beide Male Tsuyoshi betroffen war? Hatte es gar einen anderen Zwischenfall gegeben, von dem ihm selbst oder Sakura nur niemand erzählt hatte, sei es, dass es für unwichtig gehalten wurde, sei es, dass der oder die Betroffene es gar nicht gemeldet hatte? Oder andersherum: hatten diese beiden Zwischenfälle überhaupt nichts miteinander zu tun sondern korrelierten nur scheinbar, wie er es auch schon bei diesen komischen Vögeln erlebt hatte? Eben, weil es beide Male Tsuyoshi getroffen hatte und das natürlich ins Auge sprang? In Gedanken verließ er das Badehaus, nicht, ohne zu bemerken, dass ihm Sakura eiligst folgte. Sie wusste anscheinend auch nichts über das mögliche Gift, das im Bad oder bei dem Essen gebraucht worden war. Der hiesige Heiler war alt und erfahren, aber der hatte auch nur auf irgendeine Pflanze bei dem Badeunfall getippt und irgendeine bei dem Todesfall. Das half nicht weiter. Mit gewissem inneren Seufzen erkannte Seine Lordschaft, dass es nur eine Person gab, die ihm weiterhelfen konnte. Lästig, wenn er Neigi alles von Anfang an erklären musste. Nun ja. Dazu gab es Sakura. Er blieb stehen, die verstohlenen Blicke der wenigen Menschen hier im Hof, die anscheinend irgendwohin hasteten, ignorierend. Da sich die Heilerschülerin in Windeseile hinknien wollte, sagte er nur: „Komm.“ Irritiert trat sie zu ihm, fühlte sich um die Taille gepackt, wie eine Puppe unter den Arm geklemmt. Sie war schon öfter auf diese unbequeme Art bei einem dämonischen Reiseportal mitgenommen worden, kannte die Dunkelheit um sich, ehe sie schlicht zu Boden fallen gelassen wurde. Sie raffte sich eilig zum Knien auf, ehe sie erkannte, dass sie sich im fürstlichen Dämonenschloss befanden. Was wollte der Erbprinz denn hier? Er hatte Hitomi doch noch nicht aus dem Gefängnis geholt? Aber natürlich durfte sie weder fragen noch dazu eine Bemerkung machen. Da Seine Eisigkeit jedoch weiter schritt, stand sie auf und folgte. Er ging zu ihrem Lehrer? Ach ja, natürlich. Niemand außer Neigi kannte sich so perfekt mit allen Pflanzen Japans aus – und auch aus einigen fremden Ländern.   Der rundliche Heiler sah erstaunt auf, als jemand unangemeldet in sein Sprechzimmer kam, verneigte sich jedoch eilig. Er kannte den Fürstensohn seit dessen Geburt und auch dessen weniger als kurzen Geduldsfaden. Hoffentlich würde das sich mit einem gewissen Alter bessern, sonst kamen harte Zeiten auf die Leute im Westen zu. So sagte er nur: „Ich stehe Euer Lordschaft zu Diensten. - Warte draußen.“, ergänzte er noch zu seinem Patienten, der eiligst gehorchte. Sesshoumaru blieb stehen, während sich Sakura auf seinen kurzen Wink zu seinen Füßen niederkniete, gegenüber ihrem Lehrer. Sie ahnte, auf was das hinauslaufen würde und als der Hundeprinz ihren Namen fallen ließ, begann sie mit dem ausführlichen Bericht.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)