Am seidenen Faden von Hotepneith (Der Jubiläumskrimi Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 1: Der Brief -------------------- Sakura war gerade damit beschäftigt eine Salbe herzustellen, als ein Diener des Schlossherrn eintrat. Sie sah höflich auf. Der Mann reichte ihr einen Brief. „Für dich, Sakura-san.“ Sie war fast zu überrascht ihn zu nehmen. Seit sie Lord Sesshoumaru aus dem Takaeda-Schloss mit hierher genommen hatte, hatte ihr niemand außer Leutnant Sato geschrieben, nun, um ehrlich zu sein, auch früher nicht. Aber der Ermittler des Shogun hatte ihr doch erst vergangene Woche geschrieben, dass er eine landesweite Vorschrift für Mordfälle plane? „Danke“, meinte sie jedoch automatisch. Als sie allein war trocknete sie sich die Hände ab, ehe sie ihn öffnete. Zu ihrem gewissen Erstaunen kannte sie die Absenderin. Hitomi war ebenso wie sie selbst vor zwei Jahren Dienerin im Schloss des Fürsten Takaeda gewesen, eine der Wenigen, die mit ihr geredet hatten. Nun, dachte sie, wenn sie sich recht erinnerte, war Hitomi sicher das Mädchen gewesen, das am ehesten ihre Lage nachvollziehen konnte, stammte sie doch ebenfalls aus ihrem zerstörten Heimatdorf. Sie war die Tochter des damaligen Ortsvorstehers gewesen. Was wollte sie nach doch zwei Jahren? „Liebe Sakura, du wirst dich nach solch einer langen Zeit wundern von mir zu hören, aber ich habe neulich erst durch Zufall erfahren, dass du nun Heilerin am Hofe des Inu no Taishou lernst. Ich hoffe, du hast es besser … gut getroffen. Fürst Takaeda hat mich verheiratet. Wie du dich gewiss entsinnst, wird im Schloss selbst die Seide der Spinnen des Waldgebirges zu Stoffen gewebt, die die mächtigen Dämonen kaufen, darunter auch dein Herr, aber im so genannten Weberschloss auch gewöhnliche für menschliche Kunden. Ich bin nun die Ehefrau des Aufsehers der Weberei dort, Tsuyoshi. Das Weberschloss liegt im Osten des eigentlichen Schlosses, hart am Rande der Berge. Der Herr ist Lord Masao, wie du dich vielleicht erinnerst, ein Halbbruder Fürst Takaedas. Ich … ich weiß nicht, wie ich das schreiben soll. Wenn es dir irgend möglich ist, bitte um die Erlaubnis, mich besuchen zu dürfen. Ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen, aber bitte, komm. Hitomi.“   Sakura ließ den Brief sinken. Das klang sehr geheimnisvoll … Nein, eher fast verzweifelt. Sie dachte nach. Ihr Leben im Takaeda-Schloss war nicht gerade einfach gewesen, aber Hitomi war die Einzige gewesen, die ihre Verletzungen nach Strafen versorgt hatte, ihr geholfen hatte. Was da wohl los war? Aber sie erhob sich nur, um hinüber in den großen Raum zu gehen, in dem ihr Lehrer, der berühmte Heiler Neigi, gerade einen Patienten versorgte, einen Dämon, der Kampfverletzungen aufwies. Die Beiden blickten kurz auf, aber da sie höflich neben der Tür knien blieb, sprach Neigi sie erst an, nachdem er seinen Patienten behandelt und entlassen hatte. „Nun, meine Schülerin?“ Sie neigte den Kopf. „Ich bekam gerade diesen Brief, mein Lehrer. Bitte, ratet mir.“ „Gib ihn mir.“ Der dämonische Heiler ließ sich nieder, wartete, bis sie vor ihm kniete und den Brief übergab. Er las ihn, dann blickte er auf. „Was ist deine Meinung, Sakura?“ Was wollte er wissen? „Hitomi stammte aus meinem Dorf. Sie … Ich kenne sie solange ich zurückdenken kann.“ „Übertreibt sie gern?“ „Nein. Das tat sie nie.“ „Aber sie war deine Freundin?“ „Ich stehe in ihrer Schuld, verehrter Lehrer.“ Neigi, der wusste, wie schwer sie es bei den Takaedas gehabt hatte, nickte ein wenig. „In diesem Fall solltest du den Herrn um die Erlaubnis bitten sie besuchen zu dürfen.“ Zumal es bei der menschlichen Fürstenfamilie auch und gerade um die Seide ging, die dieser selbst trug. „Meine Genehmigung hast du.“ Sakura neigte erneut den Kopf. „Ich danke Euch.“ Sie nahm den Brief zurück. Also hatte sie ihr Eindruck nicht betrogen, dass da etwas anderes als ein harmloser Besuch hinter dieser Bitte stecken würde. Was wohl Hitomi wollte? Aber sie ging hinüber in das eigentliche Schloss und ließ sich auf die Audienzliste setzen.   Als sie nach einer Stunde Wartezeit in das Arbeitszimmer des Hausherrn geholt wurde, war sie fast zu überrascht um sich ordnungsgemäß zu verneigen und niederzuknien. Nur die jahrelange Übung verhinderte, dass ihr ein fataler Fehler unterlief. Denn nicht der mächtige Hundefürst saß auf dem Platz des Schlossherrn, sondern sein Sohn. Und Lord Sesshoumaru war nicht sonderlich nachsichtig bei Verstößen gegen die Höflichkeit. Sie blickte schweigend zu Boden. „Was ist?“ Nun ja, freundlich war etwas anderes. Aber sie wusste, wie widerwillig er solche Audienzen gab. „Ich bitte Euer Lordschaft um die Erlaubnis das Schloss für einige Tage verlassen zu dürfen. Ich möchte eine Freundin bei dem Takaeda-Clan besuchen.“ „Neigi?“ „Mein Lehrer erteilte mir bereits sein Einverständnis, Lord Sesshoumaru.“ Wo der Gebieter wohl hin war? Aber das war letztlich gleich. In seiner Abwesenheit hatte er schon öfter seinem Sohn das Recht übertragen alle Dinge für ihn zu regeln. Früher oder später würde dieser ja auch der Herr des Westens sein. „Du hast dich zuerst an ihn gewandt.“ Sakura kannte ihn gut genug, um in dem ruhigen Satz eine Drohung zu hören. Hastig verneigte sie sich tiefer und drückte die Stirn auf die Holzdielen. „Ich … ich bat ihn um seinen Rat.“ „Also erfolgt der Besuch nicht ohne Grund.“ „Ich bekam einen Brief.“ Da er wortlos die Hand ausstreckte, rutschte sie mit geneigtem Kopf vor um ihn ihm zu geben. Er las ihn, während sie angestrengt zu Boden starrte. Das sah nicht so aus, als ob sie reisen dürfte. Vielleicht sollte sie den Herrn bitten, wenn er zurück war … Obwohl das Lord Sesshoumaru sicher nicht gefallen würde. Andererseits würde er nie etwas gegen den Willen seines Vaters unternehmen, das wusste sie wohl besser als sonst ein Mensch im Schloss. „Neigi gab dir die Erlaubnis.“ Ohne aufzublicken antwortete sie: „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Warum?“ Interessierte ihn wirklich die Ursache oder wollte er nur einen Grund für die Ablehnung finden? Gleich. Er hatte das Recht zu fragen und sie die Pflicht zu antworten. „Ich sagte ihm, dass ich in Hitomis Schuld stehe.“ „Du hast vier Tage.“ „Danke, Lord Sesshoumaru.“ Das war überraschend und erfreulich. Sie nahm den Brief zurück und steckte ihn hastig ein, ehe sie sich noch einmal tief verneigte. „Vielen Dank.“   Er sah ihr nachdenklich hinterher. Schon einmal hatte die Seide der Spinnendämonen Ärger bedeutet. Und, obwohl der Brief nur von einem Menschen geschrieben war, zeigte er doch, dass in der Weberei, zumindest in der, in der für menschliche Kunden gearbeitet wurde, etwas nicht in Ordnung war. Sakura war klug genug ihn zu informieren, falls ihr etwas eigentümlich vorkam, da war er sicher. Ein Dämon aus dem Vorzimmer kam herein und verneigte sich tief, ohne natürlich so unhöflich – oder lebensmüde – zu sein, den Erbprinzen anzusprechen. „Was?“ „Wünscht Ihr der Strafe zuzusehen?“ Oh, er hatte zuvor ja ein Urteil gesprochen. „Das interessiert mich nicht. – Der Nächste.“ Wie Vater das nur aushielt mit diesem ewigen Aufmarsch an Bittstellern? Er selbst wäre viel lieber durch die Wälder gestreift als hier zu sitzen. Aber natürlich war er der Stellvertreter, wenn der Fürst auf Reisen war, etwas, das ihm zugegeben doch schmeichelte, bedeutete das doch Zutrauen in ihn.   Sakura war ein wenig erstaunt, als ihr Lehrer sie vor ihrem Zimmer, nun, Kämmerchen, erwartete. „Ich habe einen befreundeten Dämon gebeten dich mit Hilfe eines Portals zu den Takaedas zu bringen, meine Schülerin,“ erklärte er. „Das beschleunigt deine Reise. Der mächtige Inu no Taishou gab dir doch die Erlaubnis?“ Er hielt ihr seine Reisetasche für Heiler entgegen. „Lord Sesshoumaru erteilte sie mir. – Ich danke Euch, verehrter Lehrer.“ Sie nahm das Köfferchen. Es waren natürlich nicht alle Medikamente darin, über die ein Heiler verfügte, aber es war doch eine Art Notfallpaket, und sie war sicher der erfahrene Neigi hatte es für Menschen zusammengestellt. Der Heiler schien überrascht, schwieg aber dazu. Der Fürst war ihm keine Rechenschaft schuldig, wann er das Schloss verließ. „Falls es sich nicht um … um rein menschliche Angelegenheiten handelt, solltest du mich oder Lord Sesshoumaru davon in Kenntnis setzen.“ Sie nickte. Darum waren die beiden Dämonen also so beunruhigt, dass sie sie reisen ließen. Sie erinnerten sich wohl gut an das Giftattentat, dass der damalige Haushofmeister der Takaeda, Yakuma, mit Hilfe der Seide durchgeführt hatte. Nun, sie selbst nahm nicht an, dass noch einmal jemand so töricht sein würde, aber Dämonen verstanden weniger von Menschen. „Ich ... Darf ich noch rasch einpacken?“ Natürlich keine Ersatzkleidung, diese besaß sie nicht, aber wenigstens einen Kamm würde sie noch in das Köfferchen schieben. „Beeile dich.“ „Ja, mein Lehrer.“ Sie lief davon.   Nach Hitomis Beschreibung fand sie sich kurz darauf im Osten des Takaeda-Schlosses wieder. Sie bedankte sich höflich bei dem Dämon, der sie herbegleitet hatte, ehe sie sich umsah. Sie war zwei Jahre nicht hier gewesen, aber natürlich entsann sie sich der Lage des so genannten Weber-Schlosses, wo die Nebenlinie der Takaedas lebte. Etwas irritiert bemerkte sie, dass der Dämon nicht wieder verschwand. „Habe ich etwas versäumt?“ fragte sie entschuldigend. „Mein Auftrag lautet bei dir zu bleiben, bis du Nachricht hast.“ Er wollte ihr nicht sagen, dass es ihn mehr als verwundert hatte, zuerst eine Bitte von Neigi und dann gleich noch einen Befehl des Erbprinzen an die Heilerschülerin zu bekommen. Offensichtlich hatte sie hier einen Auftrag. Überdies war es sicher kaum anzuraten ihr selbst als Dämon unhöflich zu begegnen. Lord Sesshoumaru hatte gewisse gesonderte Anschauungen über tödliche Beleidigungen. Und Sakura genoss, das wusste schließlich jeder, die persönliche, spezielle, Gunst des Prinzen. Das Menschenmädchen nickte und sah sich erneut um. Ein Stück entfernt entdeckte sie ein ummauertes Geviert, aus dem sich Dächer erhoben. Das war das Weberschloss. Wie hieß nur der Prinz, der das hier leitete? Nach über zwei Jahren hatte sie doch einiges vergessen oder eher verdrängt. Hitomi hatte es erwähnt, ah ja, Masao. Er war der älteste Halbbruder Fürst Takaedas. Hm. Wenn Hitomi hierher verheiratet worden war, musste ihr Ehemann auch ein Abkömmling der fürstlichen Familie sein, wenngleich ein entfernter. So wanderte die junge Heilerschülerin in diese Richtung, in dem Wissen, von den Augen eines Dämons verfolgt zu werden. Aber sie war Ärgeres gewohnt. Am Tor standen vier Samurai, nicht verwunderlich, wusste sie doch, wie sehr Fürst Takaeda darauf achtete seine Seidenherstellung zu bewachen. Überdies lebten hier seine Geschwister und deren Familien. Die Wachen versperrten ihr prompt den Weg, wie es ihre Pflicht war. „Zu wem willst du, Heilerin?“ Sie wollte lieber vorsichtig bleiben. Der Brief, der sie hergeführt hatte, war so geheimnisvoll. Und offensichtlich erkannten die Samurai sie nicht. Nun, wer von den Kriegern hatte sich auch um eine kleine Dienerin geschert, zumal drüben im Hauptschloss. Überdies hatte sie sich in den letzten Jahren doch auch verändert, war erwachsener geworden. „Jemand namens Hitomi forderte mich an. – Mein Name ist Sakura. Ich bin die Schülerin von Neigi-sama, des Heilers des mächtigen Inu no Taishou.“ Und jeder im Takaeda-Clan wusste, dass man den Hundefürsten als einen der besten Kunden des Herrn nicht verärgern sollte. Der Sprecher der Samurai nickte denn auch nur ein wenig. „Du hast selbstverständlich die Erlaubnis deines mächtigen Herrn, Sakura.“ „Selbstverständlich. Und meines Lehrers.“ Sie konnte sich nicht entsinnen, dass sie je ein Mitglied des Takaeda-Clans so höflich angesprochen hatte. Aber natürlich war sie nun in einer anderen Position, die sie dem Inu no Taishou, und vor allem Lord Sesshoumaru verdankte. „Nun, so bleibt mir nur zu sagen, dass du Hitomi nicht hier finden wirst. Sie ist im Schloss drüben. Fürst Takaeda ließ sie verhaften.“ „Oh!“ War das etwa das Problem, das Hitomi befürchtet hatte? „So hat sie ein Vergehen begangen?“ „Sie hat ihren Mann ermordet.“ Ach du je! Das konnte sie nicht mit dem Mädchen, das sie gekannt hatte, in Verbindung bringen. Sie dachte eilig nach. „Nun, so werde ich in das Schloss gehen. Mein Befehl lautet an sie und wenn ich ihn nicht ausführe ...“ Sie musste nicht weitersprechen. Kein Herr liebte nachlässig umgesetzte Aufträge und würde ohne zu zögern strafen. Der Sprecher der Samurai nickte auch nur. „In diesem Fall wende dich an unsere Kameraden am Tor, damit sie dir Audienz bei unserem Herrn beschaffen. Du wirst warten müssen.“ „Selbstverständlich. Vielen Dank.“ Der reiche und mächtige Fürst Takaeda wäre kaum für eine Heilerschülerin zu sprechen, zumindest nicht ohne Wartezeit. Anders sähe das nur bei Lord Sesshoumaru aus, mit dem hatte der edle Fürst ja schon Erfahrungen gesammelt. Aber, dachte sie dann resignierend, der Hundeprinz würde sich kaum um eines angeklagten Mädchens willen in ein Menschenschloss begeben, in dem ihn zu allem Überfluss der Neffe des Fürsten damals tätlich angegriffen hatte. Tamahato hatte das sogar überlebt – und alle im Raum, sie eingeschlossen, die Selbstbeherrschung des Dämonenprinzen bewundert. Dennoch, was blieb ihr schon anders übrig. So kehrte sie zu ihrem in Distanz wartenden Begleiter zurück. „Ich muss in das eigentliche Schloss gehen. Hitomi ist unter Mordverdacht verhaftet worden. Bitte teile das Lord Sesshoumaru mit. Ich werde sehen, was ich in den vier Tagen meines erlaubten Hierseins für sie tun kann.“ Kapitel 2: Erste Ermittungen ---------------------------- Sakura erfuhr bereits am Tor des Takaeda-Schlosses, dass Hitomi immerhin noch in Haft saß, aber noch nicht verurteilt war. So bat sie um Audienz bei Fürst Takaeda. Da sie angab, im Auftrag des Inu no Taishou zu kommen, was nur ein wenig übertrieben war, wurde sie auch nach kaum dreißig Minuten vorgelassen und kniete höflich nieder. Sie musste schweigend und regungslos warten bis sie angeredet wurde, so war die Vorschrift bei Mensch und Dämon – wer sich nicht daran hielt bekam den Zorn des Herrn zu spüren, im ärgsten Fall das Schwert des Henkers. Und sie entsann sich nur zu gut ihrer Furcht, als dieser Mann vor ihr befohlen hatte, sie wegen Diebstahls von vier Ochsen zerreißen zu lassen. Unwillkürlich zitterte sie. Diesmal war Lord Sesshoumaru weit. Der menschliche Fürst betrachtete sie, ehe er sagte: „Ich erinnere mich natürlich an dich. - Du kommst im Auftrag?“ Natürlich erinnerte er sich an ein unverschämtes Mädchen, das irgendwie der Dämonenprinz mitgenommen, ja, gerettet, hatte. Immerhin hatte sie auf sein Gebot hin gehandelt – und sie entsann sich noch immer dankbar seiner Worte, niemand sterbe, wenn er seinen, Sesshoumarus, Befehlen gehorche. Aber eine Antwort war wohl mehr als angebracht. „Ja, edler Fürst.“ „Warum Hitomi?“ Nur nichts von einer Verbindung zwischen ihnen verraten, das konnte für die Eine oder Andere oder Beide schlecht enden. „Sie sandte einen hilfesuchenden Brief an meinen verehrten Lehrer Neigi, den berühmten Heiler des mächtigen Inu no Taishou, und ich soll sie untersuchen.“ „Du weißt inzwischen, dass sie des Mordes an meinem Neffen Tsuyoshi, ihrem Ehemann, angeklagt ist?“ „Mein Befehl lautet sie zu untersuchen“, beteuerte Sakura eilig, wohlweislich ohne sich aufzurichten. Immerhin war das ein Fürst, noch dazu derjenige, der sie nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen hatte. Trotz des Urteils musste sie ihm dankbar sein. „Überdies …?“ Fürst Takaeda hatte durchaus bemerkt, dass da noch etwas kam. Das früher recht voreilige Mädchen schien dazu gelernt zu haben. Nun ja, sie lebte bei Dämonen, deren Strafen sicher grausamer als die seinen waren. „Danke.“ Erleichtert ergänzte sie: „Ich wurde bereits mehrere Mal an Lord Sesshoumaru zur Ermittlung bei Mordfällen befohlen. Womöglich vermag es meine Wenigkeit auch diesen Fall zu untersuchen.“ „Nun, da gibt es nicht viel zu untersuchen. Tsuyoshi wurde vergiftet, das ist jedem Narren klar. Überdies bestätigte das auch Minoru.“ Der Heiler war schon alt und sehr erfahren, dass wusste Sakura noch. „Darf ich dennoch fragen, welches Gift Verwendung fand?“ Sie war zwar nicht berechtigt zu fragen, schon gleich gar nicht einen Fürsten, aber hoffte doch, dass sie der vorgebliche Auftrag des Hundefürsten decken würde. Wenn nicht – oh, die Narben an ihrem Rücken erinnerten sie noch immer bei manchen Bewegungen daran, was hier Vorlaut kostete. Fürst Takaeda bedachte jedoch durchaus die Macht des Inu no Taishou, der dafür bekannt war seine Untergebenen zu schützen. „Das ist mir unbekannt. Aber jeder sah, wie sein Gesicht anschwoll, wie übel ihm wurde und welche Krämpfe er litt. Das war sicher Gift, keine Krankheit. Nun gut.“ Er klatschte und befahl dem eintretenden Diener Sakura in den Kerker zu führen. „Rede mit Hitomi, vielleicht gesteht sie dir.“ „Vielen Dank, edler Fürst.“ Die Heilerschülerin verneigte sich noch einmal tief, ehe sie eilig dem Diener folgte. Das war ja schon mal gut gegangen. Oder auch nicht, denn aus diesen Symptomen konnte man wahrlich nur auf eine Vergiftung schließen. Fragte sich nur: Absicht oder Versehen, wobei das nur an der Art der Todesstrafe etwas ändern würde. Oder war es gar jemand anderes als Hitomi gewesen? Sie musste mit ihrer ehemaligen Freundin reden, ermitteln. Dann erst würde sie womöglich zu ihren Gunsten etwas finden.   Als ein Wachposten die hölzerne Türe öffnete, herrschte dahinter vollkommene Finsternis. Sakura kannte den üblen Geruch solcher Orte, hörte auch das unwillkürliche Klimpern einer Kette und den scharfen Atemzug. So bat sie: „Stelle mir ein wenig Licht zur Verfügung, damit ich sie untersuchen kann.“ Der Wächter steckte wortlos eine Fackel auf der Innenseite an. Sie kam auf Befehl des Fürsten, warum auch immer, da ziemte sich Folgsamkeit. Sie betrachtete die junge Frau auf dem Strohlager, die erschreckt versuchte ihren Besuch zu erkennen. Natürlich. Hitomi konnte ja nicht wissen wer kam, geschweige denn, ob es zu einer Gerichtsverhandlung oder gar ihrer Hinrichtung gehen sollte. Eilig erklärte sie daher: „Mein Name ist Sakura, ich bin die Schülerin Neigi-samas, des Heilers des Inu no Taishou. Du hast um eine Heilerin gebeten.“ Damit sollte alles klar sein, hoffte sie. Hitomi sah blass aus. Nun ja, kein Wunder, bei deren Aussichten. Die Gefangene holte tief Atem, froh, dass ihr Brief so rasche Wirkung gezeitigt hatte. Allerdings hatte sie ihn aus einem anderen Grund abgeschickt. „Sakura ...“ Diese schloss hastig die Tür und setzte sich. „Hitomi … Ich hörte, was passiert ist. Wie geht es dir?“ Sie legte den Arm um sie, spürte dabei die Kette, die den Hals umschloss. „Mord, sagt der Fürst.“ „Ja, oh, ich verstehe das alles nicht. Ich bin nur so froh, dass du da bist.“ „He, nicht weinen. Es wird sicher alles gut. Sag mir doch, was passiert ist.“ „Ach, du kannst mir ja nicht helfen.“ „Vielleicht doch. Ich war schon des Öfteren mit Seiner Lordschaft zu Mordfällen befohlen.“ „Oh, der Dämonenprinz!“ Hitomi hauchte es nur. „Ist es sehr schwierig für dich?“ Sakura verstand die Frage. „Leichter als hier. So, jetzt beruhige dich ein wenig und erzähle, sonst kann ich dir nicht helfen. Du bist mit diesem Tsuyoshi verheiratet gewesen? Wer war er?“ Das Training Seiner nüchternen Lordschaft trug Früchte. „Er ist, war, ein Neffe Fürst Takaedas. Es war natürlich eine sehr große Ehre eine einfache Dienerin wie mich an ihn zu verheiraten.“ „Aber?“ „Er war sehr streng. Nicht nur mir gegenüber sondern auch den Weberinnen. Er war der Aufseher dort, weißt du.“ Sehr streng konnte vieles heißen, meist bedeutete das jedoch Schläge. Mindestens. „Hast du blaue Flecken?“ „Ja, aber … Das war ja sein Recht. Wer einem Befehl nicht gehorcht oder ungenügend arbeitet wird bestraft. Und er selbst musste sich und seinen Auftrag ja auch gegenüber seinem Onkel rechtfertigen, Lord Masao.“ „Nicht gegenüber dem Fürsten Takaeda selbst?“ „Nein. Ach, das weißt du ja gar nicht, oder hast es wohl vergessen. Das Weberschloss untersteht Lord Masao. Er ist der Halbbruder des Fürsten. Die Einnahmen aus dem Verkauf an Menschen gehören der Nebenlinie.“ „Wer wohnt denn da noch von der Familie? Lord Masao?“ „Ja. Er erlitt allerdings vor fast einem dreiviertel Jahr einen Schlaganfall und liegt seither fast vollständig gelähmt in seinem Zimmer. Sein Diener umsorgt ihn. Er ist kinderlos und hat darum seinen Neffen, Shigeru, als Erben eingesetzt. Dieser leitet im Moment auch die Weberei in Vertretung für Lord Masao.“ „Ist das der ältere Bruder deines Mannes?“ „Bitte? Oh, nein. Das ist der Sohn des anderen Halbbruders des Fürsten, Shige. Der verstarb allerdings schon vor Jahren in einem Kampf. Seine Frau Ichigo ist jetzt Dame bei der Fürstin. Shigeru war ja nach dem Tod seines Vaters eigentlich zum Mönch bestimmt, lernte auch schon Räucherwerk und Bannkreise für Dämonenaustreibung, ehe er zurückberufen wurde. Mein Mann dagegen ist der Sohn einer verwitweten Halbschwester des Fürsten gewesen, Lady Bara. Er wurde deswegen ja auch zum Aufseher der gesamten Weberei ernannt.“ So, wie Hitomi diesen Namen aussprach, liebte sie ihre Schwiegermutter nicht gerade. „Die Prinzessin war nicht sehr beglückt über deine Ehe?“ schloss Sakura. Hitomi entkam trotz ihrer Lage fast ein Auflachen. „Nein, nicht wirklich. Ihr einziger Sohn und an eine Dienerin verheiratet. Sie ist sehr stolz auf ihre Herkunft. Aber sie hoffte, wenn ich einen Sohn bekomme, würde Lord Masao doch ihren Sohn zum Erben einsetzen. Shigeru ist noch immer nicht verheiratet und somit kinderlos. Deswegen hatte ich dir ja auch geschrieben ...“ „Wie lange warst du denn verheiratet?“ „Über ein Jahr. Und noch nie schwanger. Sie wurde immer ungeduldiger.“ „Und du hast es ausbaden müssen?“ „Ja. Tsuyoshi war da noch geduldiger, auch, weil Shigeru ihm versprach ihn zu wichtigeren Posten zu befördern. - Ach, Sakura, ich habe solche Angst!“ „Verständlich.“ Die Heilerschülerin drückte ihre Freundin an sich. Sollte sie sich erst einmal ausweinen, dann würde sie nach den Mahlzeiten und den Symptomen fragen.   Lord Sesshoumarus Absicht unauffällig im Takaeda-Schloss einzutreffen, war zum Scheitern verurteilt, wie er rasch feststellte, als sich bereits die Wachposten vor ihn in den Staub warfen. Hm. So angenehm er Respekt in der Regel auch empfand, das war ein wenig lästig. Sein Auftritt hier vor zwei Jahren schien diese Menschen beeindruckt zu haben. Nun gut, es half nichts. Immerhin hatte einer der Narren den Verstand besessen den Schlossherrn zu informieren, denn der Fürst eilte, so rasch es Gewand und Stand erlaubten, auf ihn zu. „Willkommen, Lord Sesshoumaru. Welche Überraschung.“ Mente Takaeda das ernst? „Wirklich? Ein Mord in Eurer Weberei?“ Der ihn faktisch zwang hierher zu reisen? Immerhin hatte ihn das von den Audienzen erlöst. Ach du je, seine dämonische Kundschaft! „Oh, die Täterin ist gefasst. Und es hat natürlich nichts mit der Dämonenseide zu tun, wahrlich nicht.“ „Wir werden sehen. Ich werde in dem Fall ermitteln. Wie starb das Opfer?“ „Äh, durch Gift.“ Der menschliche Fürst war nicht sonderlich erbaut. Aber er wollte auch nicht seine mehr als gewinnträchtigen Handelsbeziehungen zu den Dämonen verlieren – oder gar einen wutentbrannten Inu no Taishou vor der Tür haben, weil man dessen Sohn verärgert hatte. Noch dazu war besagter Lord auch alles andere als ungefährlich. Bei seinem letzten Aufenthalt hier hatte er zwar nur einen Boten seines eigenen Vaters getötet – aber das war ja immerhin auch ein Dämon gewesen. „Dann darf ich Euch ein Gästezimmer anbieten? Ihr werdet gewiss wissen, dass Eure Heilerin hier ist. Sie befindet sich im Moment im Kerker, natürlich bei Hitomi, der Verdächtigen“, erläuterte er rasch, als er ein gewisses Zusammenziehen der Augen wahrnahm, das nur ein Lebensmüder übersehen hätte. Schön, Sakura arbeitete wenigstens. „Ein Zimmer, dann schickt sie und die Verdächtige zu mir.“ „Die Verdächtige?“ Das klang ehrlich irritiert. „Seht Ihr mich in Euren Kerker gehen?“ fragte der Dämonenprinz kalt. Menschen, noch dazu der männliche Anteil von ihnen, reizten ihn ständig mit Begriffsstutzigkeit. Die überaus wenigen Ausnahmen bestätigten nur die Regel. „Danach wünsche ich Euren Heiler zu sprechen.“ Wenn der Narr Mord diagnostiziert hatte, sollte er im Interesse seines eigenen Halses dafür auch eine gute Begründung abliefern können. „Nein, natürlich nicht. - Darf ich Euer Lordschaft aber darauf aufmerksam machen, dass sich die Tat drüben im Weberschloss ereignet hat?“ Er durfte. Zumindest kam kein Einwand Seiner Eisigkeit. Fürst Takaeda seufzte fast. „Dann folgt bitte hier meinem Haushofmeister.“   Kapitel 3: Die Aussage der Angeklagten -------------------------------------- Hitomi schien fast einen Herzinfarkt zu bekommen, als sich plötzlich erneut die Tür öffnete. Sakura verstand das nur zu gut. Niemand wusste, ob es zu Gericht oder gleich zum Todesurteil gehen würde, ob nur sie geholt wurde, kurz, was geschehen würde. Daher waren beide Menschenfrauen froh, als der Krieger nur sagte: „Auf Befehl des mächtigen Fürsten soll Lord Sesshoumaru diesen Mord untersuchen. Kommt.“ Hitomi wurde zwar losgebunden, jedoch zwischen zwei Kriegern bewacht auf den Gang geführt. Da diese noch immer zitterte und blass war, flüsterte die Heilerschülerin mit dem Arm um sie: „Bleibe ruhig. Und wenn dich Seine Lordschaft etwas fragt, antworte kurz und sachlich. Und beachte die Höflichkeit einem Prinzen gegenüber.“ Sie selbst war erleichtert, als sie die junge Frau freigab. Wenn ihre Nachricht Seine Eisigkeit dazu gebracht hatte so umwendend hierher zu kommen, er gar den Fall untersuchen wollte, würde er bestimmt dafür sorgen, dass Hitomi frei käme, war sie unschuldig. Und daran zweifelte Sakura nicht. Zum Einen aus der gemeinsamen Vergangenheit, zum Anderen glaubte sie nicht, dass eine Mörderin dermaßen verzweifelte Unschuld spielen konnte. Rein vorsorglich machte sie einen Schritt vor, als eine Tür zu einem Gästezimmer geöffnet wurde, und kniete sich dort bereits hin, rutschte in lag geübtem Schwung auf ihren Platz neben der Tür und verneigte sich. Sie dankte den Göttern, dass Hitomi trotz aller Furcht diesem Hinweis folgte und ebenfalls noch draußen zu Boden ging, hineinrutschte und kaum einen Meter vor ihrer Freundin die Stirn auf den Boden legte. Niemand wagte wohlweislich den Hundeprinzen anzusehen, der nachlässig am Fenster stand, sich nun jedoch umdrehte. „Wartet draußen“ Dieser Befehl galt den Wachen, die auch eilig gehorchten, durchaus froh der dämonischen Präsenz zu entkommen. Sesshoumaru konnte die Panik Hitomis nur zu deutlich wittern, dazu leider auch noch andere Dinge, die ihrem Aufenthalt im Kerker geschuldet waren. Nur nicht zu lange mit ihr in einem Raum bleiben, zumal sie sich anscheinend auch noch Mühe geben musste ihre Tränen zu unterdrücken. Besser erst einmal abkürzen. „Bericht, Sakura.“ „Lord Tsuyoshi Takaeda, der Ehemann Hitomis und Neffe des Fürsten, fand nach einem Essen mit Anverwandten den Tod. Aufgrund der Symptome schloss der hiesige Heiler, Minoru, auf Vergiftung.“ „War er ein Bruder von diesem Tamahato?“ Sie war nicht erstaunt, dass er sich diesen Menschennamen über mehr als zwei Jahre gemerkt hatte. Allzu viele Lebensmüde gingen wohl auch nicht mit dem Messer auf ihn los und überlebten das. „Nein, Euer Lordschaft. Lord Tamahato ist der Sohn des Fürstenbruders mit gemeinsamer Mutter mit dem erhabenen Fürst Shinichi Takaeda, der Verstorbene war dagegen der Sohn einer Halbschwester des Fürsten, Lady Bara. Ihr Mann ist tot. Es gab noch zwei weitere Halbbrüder des Fürsten. Alle Halbgeschwister und deren Familien leben im so genannten Weberschloss, für Menschen zwanzig bis dreißig Gehminuten entfernt.“ Also durfte man davon ausgehen, dass der hiesige Familienzweig und der dortige nichts miteinander zu tun hatten. Nun ja, fast nichts. Hm. „Wer war bei diesem Familienessen anwesend?“ Eine Menge Menschen hatte diese Familie anscheinend, wie lästig. Sakura flüsterte eilig: „Hitomi!“, um diese darauf aufmerksam zu machen, dass ihre Antwort erwünscht war. Die Angeklagte schluckte. Sie hatte schreckliche Angst, vor ihrem Schicksal im Allgemeinen und erst recht vor diesem Dämon im Besonderen, aber Sakura schien entspannt. Nun ja, sie hatte ihr auch geraten ruhig zu bleiben und sachlich zu antworten. So erzählte sie leise dem Boden: „Es ist Sitte im Weberschloss dass die Herren des Hauses Takaeda, also, der Nebenlinie, zusammen einmal die Woche speisen. Seit Lord Masao, er ist der älteste Halbbruder des Fürsten, vor gut neun Monaten einen schweren Schlaganfall erlitt, finden diese Essen stets in seinen Räumen statt. Ich weiß daher nicht, was es genau dort gab.“ „Wer nimmt noch an diesen Essen teil?“ Das Oberhaupt der Seitenlinie hatte vor Monaten einen vorgeblichen Schlaganfall, jetzt wurde ein potentieller Erbe vergiftet? Nun, erst Fakten sammeln, dann Theorien aufstellen. Noch war ja nicht einmal gesagt, dass es sich um Giftmord handelte, zumal welches Gift. „Neben meinem Ehemann nur Lord Shigeru. Er ist der Erbe Lord Maseos, der selbst kinderlos ist.“ „War er der Bruder deines Mannes?“ „Nein.“ Diese Frage hatte Sakura auch schon gestellt. War das wichtig? „Er ist der Sohn des verstorbenen Lord Shige und dessen Ehefrau Ichigo. Ichigo ist jetzt Dame bei der Fürstin, sie lebt nicht mehr im Weberschloss.“ Leider, denn sie war nett zu ihr gewesen. „Sakura?“ Hitomi war etwas überrascht. War ihre Befragung bereits beendet? Aber dann hörte sie erstaunt, wie ihre ehemalige Freundin es tatsächlich vermochte die Unterhaltung mit ihr praktisch wortwörtlich wiederzugeben. Sakura musste ein fabelhaftes Gedächnis haben. Sie selbst hätte schon gar nicht mehr gewusst, was sie ihr alles erzählt hatte. Sie konzentrierte sich jedoch eilig wieder, da der dämonische Lord ihren Namen aussprach. Sesshoumaru ergänzte: „Wann wurde Shigeru zurückgerufen? Nach dem Schlaganfall?“ „Nein, schon vor fast einem Jahr, fast gleichzeitig mit meiner Heirat.“ Ab da dürfte beiden Neffen klar gewesen sein, wer in den Augen Fürst Takaedas und dessen Halbbruders die Weberei übernehmen sollte: Shigeru. „Was sagte dein Mann?“ Sachlich bleiben, ermahnte sich Hitomi und schluckte erneut ihre Tränen. „Tsuyoshi war nicht ganz glücklich, das gebe ich zu, aber was sollte er tun, zumal Lord Shigeru sich auch Mühe gab, ihm versprach, er würde immer die Weberei leiten können, ja, seine rechte Hand werden. Sein, also, Tsuyoshis, Vater war ja auch schon Aufseher der Weberinnen gewesen und so trat er in die Fußstapfen. Lady Bara, meine Schwiegermutter, war dagegen empört. Sie fand, ihr Sohn würde schlecht behandelt, also, schon mit meiner Wenigkeit als Ehefrau. So wies sie mich an ich solle rasch schwanger werden. Lord Masao ist unverheiratet und hatte aus seiner Ehe keine überlebenden Kinder, und da auch Lord Shigeru noch nicht verheiratet worden ist, hoffte sie, wenn ich einen Sohn zur Welt bringe, dass dieser dann der Erbe wird. Sie war schrecklich böse, dass ich bislang versagte.“ Wieder einmal eine verworrene Familiengeschichte. Diese Menschen bekamen eindeutig zu viel Nachwuchs und so zusammengepfercht brüteten die eine Intrige nach der anderen aus. Manchmal lebensgefährlich, manchmal weniger. Unsinn. Bei Dämonen waren doch eher Einzelkinder die Regel, schon, weil der Ehrgeiz es kaum anders zuließ. Es konnte nur einen Erben geben und Seine Lordschaft war durchaus angetan, dass ihm seine Eltern mörderische Duelle mit einem Bruder oder Halbbruder erspart hatten. „Wie kam Fürst Takaeda auf dich als Mörderin?“ Nun ja, auch damals schon hatte der es einfacher gefunden eine Dienerin zu verurteilen als nachzudenken. Und diesmal war auch wohl noch die eigene Familie im Spiel. „Ich weiß es nicht, Lord Sesshoumaru, wirklich. Mir wurde nur gesagt, ich sei schuldig. Und, dass er vergiftet wurde. Aber, er hat doch drüben gegessen, das habe nicht ich gekocht!“ Ja, das musste er erst noch prüfen. Und, was sich dieser Heiler bei dieser Diagnose gedacht hatte. Immerhin war die Angeklagte aufgeregt, gab sich aber Mühe anständig zu antworten. Sekunde. „Ist dein Mann schon einmal zuvor krank gewesen?“ „Ich denke nicht, also, sicher nicht, seit wir verheiratet waren, Euer Lordschaft. Er machte ja sogar Scherze, wie oft die Mädchen in der Weberei krank seien, er sei es nie. Er ist … er war sehr stolz auf seine Kraft. - Oder meint Euer Lordschaft den Badeunfall?“ Im Zweifel, dachte der geplagte Ermittler. Warum brachten Zeugen nie das zuerst was möglicherweise wichtig wäre? Und das betraf jede Art. „Tsuyoshi hatte einen Badeunfall? Erst kürzlich?“ „Wir alle, vor etwas über einem halben Jahr. Also, Tsuyoshi, Lady Bara und meine Wenigkeit.“ „Erzähle.“ „Es war ein gewöhnlicher Badetag. Zuerst nahm Lord Masao das Bad, natürlich betreut von Dienern, denn er war da ja schon gelähmt, dann Shigeru, ja. Und dann wir drei, eben. Schon im Wasser bemerkten wir alle drei ein seltsames Kribbeln überall auf der Haut. Später wurde die gesamte Haut am Körper feuerrot, es brannte, wie bei einem Sonnenbrand, ja, es bildeten sich Blasen. Der Heiler, das ist Minoru, sagte, wir hätten alle drei das Gleiche, aber er könne es sich nicht erklären. Ich denke jedoch, er dachte auch an einen Sonnenbrand, denn er verbot uns das Haus zu verlassen. Nun ja, das hätte wohl auch keiner von uns vermocht. Zum Glück verschwanden diese Dinge nach zwei Tagen wieder.“ Hitomi wagte es ein wenig die Stirn vom Boden zu nehmen und einen Blick auf die schwarzen Schuhe zu erhaschen. War der Lord zufrieden mit ihrer Aussage? Wenn nicht: würde er sie schlagen lassen? Dies selbst tun? Nein, meist legten die Herren nicht selbst Hand an, das war unter ihrer Würde, solange es sich nicht um die eigene Ehefrau handelte.   Das Interview mit diesem Heiler wurde immer notwendiger. Sesshoumaru entsann sich durchaus einer Gelegenheit, in der eine Pflanze, Riesenbärenklau, absichtlich in eine Quelle gelegt worden war, um ähnliche Symptome hervorzurufen. Nur hatte es da jeden getroffen, der dort gebadet hatte und nicht nur drei Personen. Allerdings hatte es Tote gegeben, ja, es war von einer Seuche die Rede gewesen. Hier schien Minoru das auf Sonnenbrand reduziert zu haben. Dennoch: wäre ein Anschlag auf Tsuyoshi möglich? Da dieser schief gegangen war, erfolgte ein halbes Jahr später der tödliche Schlag? Nur, warum? Wenn es um das Erbe ging sollte doch der enterbte Neffe den Erben umbringen und nicht umgekehrt. Nein. Nicht nach dem Warum forschen, ehe das Wie nicht feststand. Und das tat es noch nicht einmal andeutungsweise. Keine Theorien, die verwirrten nur, erst einmal dämonisch nüchtern die Fakten sammeln. Alle relevanten und auch scheinbar die unwichtigen Tatsachen. „Wachen!“ Da unverzüglich die Krieger Fürst Takaedas eintraten: „Bringt Hitomi weg. Und wo bleibt dieser Minoru?“ Sakura riskierte es den Kopf etwas zu heben und ihrer Freundin ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, denn sie war davon überzeugt, dass sich seine Lordschaft entschlossen hatte, an dem Beweis von deren Unschuld zu arbeiten.     Kapitel 4: Die Aussagen der Heiler ---------------------------------- Kaum das sie allein waren, befahl der Hundeprinz nur: „Sakura.“ Sie richtete sich etwas auf, ohne freilich die Unverschämtheit oder Unklugheit zu besitzen höher als auch nur bis zu seinen Knien zu schielen, da er es hasste, wenn man die elegante Schleife um seine Hüften betrachtete, warum auch immer. Diese war stets sehr elegant geschlungen, obgleich er keinen persönlichen Diener besaß, oder eher, besitzen wollte. Was wollte er nun von ihr? War sie unaufmerksam oder verwirrt, weil es um ihre Freundin ging? Gefühle waren nicht nur für Dämonen, sondern auch für die mindere Spezies von eindeutigem Nachteil. „Die Familie Takaeda.“ Oh. „Danke, Lord Sesshoumaru“, flüsterte sie, durchaus erleichtert über die Nachsicht. Allzu sehr sollte sie seine Geduld freilich nicht strapazieren. Hatte er nur nicht zugehört oder hoffte er noch etwas Zusätzliches zu erfahren? „Fürst Shinichi Takaeda ist mit Fürstin Aimi verheiratet. Aus dieser Ehe stammt der einzige überlebende Sohn Ito, den Euer Lordschaft ja bereits vor zwei Jahren ...“ Äh … geruhte zur Kenntnis zu nehmen? Lieber nicht. Das war eine Entscheidung und die hatte sie ihm zu überlassen. „Der Euer Lordschaft bereits vor zwei Jahren vorgestellt wurde. Lord Tamahato ist der Neffe des Fürsten, von dessen vollblütigen Bruder. Er lebt momentan am Kaiserhof.“   Dieser unüberlegte Narr käme folglich für den möglichen Mord nicht in Betracht. Takaeda selbst und Ito samt Fürstin auch nicht, er wusste nur zu gut wie sehr man in einem solchen Schloss unter Aufsicht irgendwelcher Neugierigen stand. Überdies war auch das Weberschloss bewacht und die Krieger hätten sich an solch doch ungewohnten Besuch bestimmt erinnert. Ein erster positiver Aspekt. Er musste sich nur um den Familienzweig im Weberschloss kümmern.   „Im sogenannten Weberschloss lebt der Nebenzweig der Familie. Dessen Oberhaupt, Lord Masao, hat dort das Sagen - und auch das Recht die Einkünfte der dortigen Webereien für sich zu behalten. Natürlich, bis Fürst Takaeda anders entscheidet. Lord Masao ist verwitwet und hat keine überlebenden Kinder, erlitt zusätzlich vor ungefähr neun Monaten einen Schlaganfall, der ihn wohl komplett lähmte. So rief er Lord Shigeru, seinen und des Fürsten Neffen, aus dessen Klosterlehre zurück. Shigerus Vater, Shige, war ebenfalls ein Halbbruder des Fürsten, wenngleich jünger als Lord Masao, aber er war eben der nächste lebende Anverwandte der Seitenlinie. Lord Shigeru ist unverheiratet, seine Mutter Ichigo lebt nun hier im Schloss bei der Fürstin. Ich meine mich zu erinnern, dass sie deren Halbschwester ist.“ „Das Opfer gehört auch zu der Nebenlinie.“ „In der Tat, Lord Sesshoumaru. Aber Lord Tsuyoshi war nicht der Sohn eines Halbbruders, sondern von Lady Bara, einer Halbschwester, und daher niederer im Rang als Lord Shigeru, zumal Fürst Takaeda seine Halbschwester wohl an den Aufseher der Webereien verheiratet hatte, also, unter ihrem Stand. Was sie, laut Hitomis Aussage, bis heute ärgert. Sie hoffte wohl über einen Enkel wieder aufzusteigen.“ „Tsuyoshi wurde ebenfalls nicht im Fürstenrang verheiratet.“ Nun, das war nur zu logisch, als Sohn einer Halbschwester. Es war vermutlich nett gemeint vom Fürsten, die Schwester bei sich unterzubringen und auch deren Sohn eine gehobene Anstellung zu verschaffen, als dessen Vater starb. Moment. „Mir will scheinen, im Kreise der Takaedas gab es schon immer erstaunlich viele Lücken.“ Sakura sah lieber zu Boden. „Falls Euer Lordschaft sich zu erinnern geruht: vor ungefähr zehn Jahren führte der Takaeda-Clan eine heftige Fehde.“ Bei der auch ihr Heimatdorf zerstört und ihre Eltern getötet wurden. Aber das würde ihn nicht interessieren. „Der Tod auf dem Schlachtfeld ereilte auch die Mitglieder der Fürstenfamilie. Eine anschließende Seuche tötete abermals. Der Clan verlor mehr als die Hälfte der Mitglieder durch beide Umstände.“ Das erklärte die etwas zerrupften Familienverhältnisse. „Dieser Badeunfall, von dem Hitomi sprach: Riesenbärenklau?“ Sie war erstaunt. Nicht nur, dass er sich den Namen der Angeklagten gemerkt hatte, sondern sogar den einer Pflanze über mehrere Monate. Nun, sie sollte nicht voreilig sein. Seine Lordschaft mochte sich manchmal nicht dafür interessieren, aber sein Gedächnis war tadellos. „Möglich, oder eine Pflanze mit ähnlichem Gift. So kann ich nur vermuten.“ Und Spekulationen liebte der Hundeprinz fast noch weniger als Menschen. Sollte er doch den hiesigen Heiler befragen. Minoru war schon alt, aber er wusste bestimmt, was er bei dem Zwischenfall vermutet hatte, kannte gewiss die Pflanzen, die im Umfeld des Schlosses wuchsen. Ein Rascheln vor der Tür ließ sie sich verneigen, bereits nach der Schiebetür greifend. Prompt kam auch die Bestätigung, da Sesshoumaru längst die huschenden Schritte eines Dieners und die eines alten Mannes mit einem Gehstock vernommen hatte. „Öffne.“ „Minoru, Euer Lordschaft“, meldete der Diener wohlerzogen, erleichtert, dass er nicht den Raum betreten musste, da Sakura dort saß. Er kannte sie von früher, aber er gab zu, dass sich das Mädchen zu einer hübschen Frau entwickelt hatte. Überdies stand ihr ihre Kleidung jetzt weitaus besser als die kurzen Hemden, die sie hier getragen hatte. Und sie schien höflich genug zu sein, um in der direkten Gegenwart eines Prinzen, noch dazu einer derartigen Bestie, zu überleben. Immerhin hatte er vor zwei Jahren mit selbst mitangesehen, wie dieser Dämon einen Boten seines eigenen Vaters buchstäblich pulverisiert hatte. Ob er vielleicht Gelegenheit finden würde mit ihr zu reden? Sie wäre doch sicher begeistert zurück in dieses Schloss zu kommen, weit weg von den Monstern der Wälder. Mit dieser gewissen Vorfreude verschwand er, während sich Minoru langsam auf die Knie niederließ, seinen Stock beiseite legend, und sich verneigte, zu alt und vorsichtig, um nicht einen Prinzen ordnungsgemäß zu begrüßen, gleich, wie schwer ihm das fiel. „Minoru.“ „Zu Diensten, Lord Sesshoumaru.“ Höflich – aber auch fähig? „Du hast den Tod Tsuyoshis für unnatürlich erklärt. Grund?“ „Da Euer Lordschaft die Dienste des berühmten Neigi gewohnt ist, bitte ich um Nachsicht meiner gewissen Unfähigkeit.“ Das ging ja schon mal gut los, dachten Hundeprinz und Heilerschülerin gleichzeitig, wenn auch die Eine besorgt, der Andere ärgerlich. Minoru bemerkte den raschen Blick, den die hinter ihm kniende Schülerin ihm zuwarf, warnend, ja, bang. Gut, dann eben sachlich. „Das Essen der Takaeda-Herren fand, wie jede Woche seit der Rückkehr Lord Shigerus, im Zimmer des dortigen Schlossherrn statt. Lord Masao ist vollständig gelähmt und sein Diener füttert ihn in aller Regel mit spezieller Kost. Aber diese Sitte des gemeinsamen Mahles wurde auch nach seinem Schlaganfall fortgesetzt, ja, erweitert. An diesem Essen nahmen die beiden Neffen Lord Masaos teil, Shigeru und Tsuyoshi, der Verstorbene.“ „Also waren vier Männer in dem Raum.“ „Ja, Euer Lordschaft, dazu natürlich das auftragende Personal. Als ich gerufen wurde und hinzu eilte, war es bereit zu spät um Lord Tsuyoshi zu helfen. Leibkrämpfe, heftiges Erbrechen und Durchfall, dazu war das Gesicht, gerade um den Mund herum angeschwollen. Mit Verlaub, Euer Lordschaft, aber in meinem gesamten Leben habe ich nie auch nur von einer natürlichen Krankheit gehört, die das mit einem Menschen anstellt. Es wirkte auf mich wie eine Vergiftung.“ „Und wie kamst du auf den Einfall, die Ehefrau könnte ihn vergiftet haben?“ „Diese Entscheidung traf unser Herr und Fürst“, erklärte der Heiler prompt. „Allerdings aufgrund einer schlichten Tatsache: der Diener hatte Lord Masao mit überaus kleingeschnittenen Teilen der Mahlzeit gefüttert, der Kranke lebte ohne weitere Symptome. Auch Lord Shigeru war und blieb gesund, also konnte es nicht an dieser Mahlzeit gelegen haben.“ „Weil?“ Irgendetwas in diesem knappen Wort verriet die steigende Ungeduld, eine todbringende Laune. Minoru erkannte die Zeichen und fuhr hastig fort: „Wie töricht von meiner Wenigkeit, das hat wohl niemand Euer Lordschaft mitgeteilt. Ich bitte um gnädige Vergebung. Das Essen bestand aus einem Topf Hühnersuppe, einer großen Schüssel Reis, danach eine Platte aus Gemüse und mehreren kleinen gebratenen Singvögeln, Drosseln, aus der eigenen Zucht des Fürsten.“ Sollte er auch die Schlussfolgerung sagen? Lieber erst auf Nachfrage, denn dieser Dämonenprinz betrachtete gerade so nachdenklich seine Klaue und der Heiler verspürte nicht die mindeste Lust herauszufinden, wie die sich anfühlen mochte. Das wurde ja immer besser, dachte der erfahrene Ermittler. Reis, Suppe, eine gemeinsame Platte Gemüse. Davon konnte niemand etwas vergiften ohne alle Personen am Tisch zu erwischen. Und bei diesen kleinen Vögeln – konnte wer vorhersagen, wer welchen davon erhielt? Soweit er sich an die überaus wenigen Gelegenheiten erinnerte, bei denen er höchstselbst an so etwas teilnehmen musste, wurde das Fleisch um das Gemüse drapiert, und nur der Diener, der auftrug, konnte möglicherweise noch arrangieren vor welchem Esser welcher Vogel landete – womit freilich nicht gesagt war, dass der den auch nahm. Das gemeinsame Essen dürfte also der Hauptgrund gewesen sein, warum Fürst Takaeda die Ehefrau verdächtigte. Die Angetrauten, männlich oder weiblich, das wusste er aus mittlerweile wahrlich genügend Mordfällen, waren grundsätzlich immer die Nummer Eins auf der Liste, nicht ganz zu Unrecht. Wenn jedoch Hitomi unschuldig war, was er laut Sakuras Bitte als Arbeitshypothese nehmen sollte, so musste etwas anderes passiert sein. Das WIE dieses Todes wurde immer rätselhafter, aber er würde nicht nachgeben. Niemand führte ihn an der Nase herum.   Kapitel 5: Überlegungen ----------------------- Sesshoumaru sah zu dem alten Menschenmann, der sich wohlweislich nicht bewegt hatte. Gut zu erziehen schien Fürst Takaeda ja sein Personal. Auch Sakura war da schon damals recht akzeptabel gewesen. „Du vermutest pflanzliches Gift.“ Der Heiler musterte die schwarzen Schuhe vor sich. „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Könnte das gleiche Gift auch bei dem Zwischenfall vor einem halben Jahr beteiligt gewesen sein?“ „Welchem Zwischenfall?“ Minoru hätte um ein Haar vor Erstaunen den tödlichen Fehler begangen in das Gesicht des Prinzen zu sehen. „Der Badeunfall Tsuyoshis!“ Das klang etwas nachdrücklich. Der Heiler hing an seinem Leben und war erfahren im Umgang mit hohen Herren. So berührte seine Stirn hastig den Boden, ehe er erwiderte: „Oh, natürlich, ich bitte meine Begriffsstutzigkeit gnädigst zu verzeihen. Ja, in der Tat. Vor etwas über einem halben Jahr erlitt Tsuyoshi, allerdings auch seine Mutter, Lady Bara, und eben seine Ehefrau beim Baden seltsame … Hautreaktionen. Ich gebe zu, dass ich zuerst an einen Fehler im Badewasser dachte, da ihre Körper betroffen waren, nicht jedoch Gesichter, Köpfe, aber sie waren die einzigen Personen. So vermutete ich eigentlich eine Krankheit. Die Symptome waren Hautrötungen, ja, Verbrennungen, bis hin zu Blasen. Eigentlich eher einem Sonnenbrand ähnlich, aber auch das Ergebnis mancher Kontakte zu Pflanzen.“ „Riesenbärenklau.“ „Ja, zum Beispiel, Euer verehrte Lordschaft.“ Oha, da war ein Prinz ja ungewöhnlich weit ausgebildet worden als Heiler. War das bei Dämonen so Sitte? So sollte ihm selbst erst recht kein Fehler unterlaufen oder gar bereits unterlaufen sein. Sakura selbst, die er noch als Dienerin der niedrigsten Sorte in Erinnerung hatte, sollte auch die Schülerin des legendären Dämonenheilers Neigi sein. Vermutlich hatte auch dieser seinen Erbprinzen unterrichten sollen. „Es gäbe auch andere. Aber, wie ich bereits erwähnen durfte, niemand anderer litt unter diesen Symptomen, obwohl ja alle das gleiche Wasser benutzten.“ „Kennst du irgendeine Pflanze die solche Hautverletzungen hervorruft und auch tödlich ist, wenn man sie isst?“ „Nur überaus wenige, Euer mächtige Lordschaft. Und diese wären auch, sagen wir, durch Geruch oder Geschmack so deutlich als giftig erkennbar, selbst für einen Menschen, dass es unwahrscheinlich wäre, einen Mord dadurch begehen zu können.“ Solange das Opfer nicht einverstanden war, also nur. Oder sonst wie abgelenkt. Womöglich hatte jedoch die eigentliche Vergiftung gar nichts mit dem so genannten Badeunfall zu tun, der ja immerhin auch die beiden weiblichen Familienmitglieder betroffen hatte. Nun, es half nichts, er musste in dieses Weberschloss. Wie leidig. „Du darfst gehen. - Sakura.“   Auf dem Weg in das Weberschloss atmete der Hundeprinz tief durch. Weiter hinten stiegen die baumbestandenen Hänge des Waldgebirges auf und er bekam lieber diese Luft als die dumpfe in einem menschlichen Haus in die Nase. Aber da musste er nun einmal durch. Wenn sein verehrter Vater zurückkehrte, würde dieser sicher seinen Bericht wollen, warum und mit welchem Erfolg er seine Pflichten im Stich gelassen hatte – und wie stünde er da, hätte er das Problem eines ungeklärten Toten nicht gelöst? „Warst du je im Weberschloss?“ Sakura ging mit gesenktem Kopf hinter ihm und antwortete hastig: „Nur ein Mal, Lord Sesshoumaru, und keine Stunde.“ Also kannte sie da auch niemandem, geschweige denn die Räumlichkeiten und konnte ihm zur Hand gehen. Das wurde immer lästiger. Alles musste er allein machen. Hm. Vor ihnen tauchte dieses Seitenschloss auf. Die Wachen hatten ihn gesehen. Er war betont mit menschlicher Geschwindigkeit gegangen. Falls tatsächlich jemand aus dem eigentlichen Takaeda-Schloss hierher gelangen wollte um den Mord zu begehen, hätte er mindestens zwanzig Minuten benötigt, ebenso für den Rückweg. Dazu die Zeit des Mordes, die Gefahr hier oder dort gesehen zu werden … Eher unwahrscheinlich. Sicher, er sollte nichts auslassen, aber dennoch schien der Täter sich im Nebenschloss zu befinden. Dort wurde ja wohl auch das Essen hergestellt. „Sakura, sorge dafür, dass Shigeru zu mir kommt. Und ich will diese Bara sprechen.“ „Wünscht Euer Lordschaft auch ein eigenes Zimmer?“ fragte sie nur, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass sie kaum in der Lage wäre den amtierenden Hausherrn in den Hof zu zitieren. Aber sie würde eben den Wachen soweit Bescheid geben, dass Lord Sesshoumaru, der Sohn des mächtigen Inu no Taishou, im Auftrag Fürst Takaedas ermittele – das sollte eigentlich genügen, da jeder den Ruf des Dämonenfürsten kannte, dass sie den momentanen Chef des Hauses informierten. So eilte sie voran, während der Hundeprinz etwas langsamer wurde, um sich das Schloss anzusehen. Einfacher als das Hauptschloss, ja, vermutlich ursprünglich ein Sommerschloss, da die Winde von den Bergen kamen. Dennoch war es von einer hohen Mauer umgeben und er erkannte Patrouillen. Nun gut. Nachlässigkeit hatte selbst er Fürst Takaeda noch nie unterstellen können. Dieser achtete sehr auf seine Seidenwebereien für Dämonen und Menschen, die den Reichtum der Familie begründeten. Hier, in diesem Schloss, wurde für die menschlichen Kunden gearbeitet. Das Opfer war der Aufseher der Weberinnen gewesen, also würde er sich notgedrungen auch mit mindestens einer von ihnen unterhalten müssen. Hitomi hatte angedeutet, dass ihr Mann körperlich stark und auch bereit war, diese Stärke gegen Frauen einzusetzen. Möglich, dass sich eine Andere an ihm gerächt hatte. Nein, suche nicht das Warum, ermahnte er sich. Gründe einen Webereivorsteher, noch dazu ein Mitglied der herrschenden Familie, umzubringen gab es bestimmt. Suche das Wie. Und die Lösung dazu lag sicher in dem Essen, das gleich drei Männer der Familie gemeinsam zu sich genommen hatten – oder zusätzlich in diesem ominösen Bad vor einem halben Jahr. Hm. Oder lag doch etwas ganz anders vor? Der alte Heiler hatte ausgesagt, er habe auf eine Vergiftung getippt, weil ihm noch nie eine derartige Erkrankung untergekommen war. Was besagte das? Ein menschliches Leben war jämmerlich kurz und es gab viele Krankheiten, die das Ende beschleunigten.   Die Anzahl der Wachen hatte sich verringert, da einer der Männer sofort los geeilt war, um Lord Shigeru von dem unangenehmen Besuch zu berichten. Sakura kniete eilig nieder, als der Hundeprinz den Hof betrat und gleichzeitig von der anderen Seite ein junger Mann in einem roten, gelb bestickten, Kimono mit für jemanden seines Ranges fast zu rascher Eile das Schloss verließ, gefolgt von einem Schreiber und dem Krieger. Lord Shigeru Takaeda verneigte sich höflich. Immerhin war das ein Erbprinz und er nur der einer Seitenlinie. Sakura musterte ihn verstohlen. Er mochte keine Zwanzig zählen. In seinem Gürtel steckte ein Fächer, seine schwarzen Haare hatte er zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden. Er wirkte gepflegt, aber durchaus nicht überzogen, und schien zu wissen, wo sein Platz in der Gesellschaft war. „Ich hieße Euch auch im Namen meines Onkels, Lord Masao, willkommen, Lord Sesshoumaru, der Euch krankheitsbedingt nicht selbst empfangen kann. Was wünscht Fürst Takaeda?“ Das war ein gewisses Fettnäpfchen, aber Seine Lordschaft war nach der pünktlichen und höflichen Begrüßung ausnahmsweise bereit, jemandem, der nicht für das höfische Leben sondern das Kloster erzogen worden war, das nachzusehen. „Ich wünsche ein Zimmer, um den Tod Eures Cousins aufzuklären.“ „Oh. Ja, der arme Tsuyoshi. Aber ich glaubte, seine Ehefrau ...“ Shigeru brach lieber an und wandte sich an den Schreiber. „Zeige Lord Sesshoumaru ein Gästezimmer. - Benötigt Ihr noch etwas?“ „Ich möchte mit den Mitgliedern der Familie sprechen.“ „Nun, womöglich habt Ihr gehört, dass mein verehrter Onkel, Lord Masao vollständig gelähmt ist. Er vermag sein Lager nicht zu verlassen und auch nicht zu sprechen. Allerdings kann er zuhören. Darum finden, fanden diese gemeinsamen Essen auch bei ihm statt. Er dürfte Euer Lordschaft kaum behilflich sein können.“ „Und sein Diener?“ „Oh, ja, der war natürlich auch dabei. Er ist rund um die Uhr Onkels Schatten. Ich werde veranlassen, das jemand Hotaru ersetzt, so dass er Euch zu Diensten sein kann. Danach werde ich auch gern mit Euch reden. Es geht um das Essen, nicht wahr? Ich begreife nicht, wieso Hitomi auf diese Idee kam. Es war grausam diese Krämpfe anzusehen, sein Nach-Luft-Ringen ...“ „Ihr konntet ihm nicht helfen?“ „Nein. Ich sandte sofort nach Minoru, das ist der Heilers des Fürsten, aber sowohl meine als auch Hotarus Bemühungen Tsuyoshi Luft zu verschaffen, in dem wir die Kleidung lockerten oder ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn legten, waren nutzlos. Sein Gesicht schwoll förmlich an und … Nun, es sah nicht gerade schön aus. - Hier, bitte folgt meinem Schreiber zu einem Gästezimmer. Ich hoffe, es behagt Euch.“ Sesshoumaru ignorierte die Aufforderung. „Was habt Ihr gegessen?“ „Das gleiche wie alle, wenngleich Onkel Masao das Fleisch und Gemüse von Hotaru sehr fein zerschnitten bekommt. Zunächst Hühnersuppe, dann Reis, dann Gemüse und zum Schluss als besonderen Leckerbissen Wacholderdrosseln. Mein Onkel, Fürst Takaeda, lässt sie förmlich züchten, so dass es jedes Jahr im Herbst welche gibt. Nicht allzu viele.“ „Gab es einen besonderen Anlass?“ „Nein, diese Essen finden regelmäßig statt, schon, damit Onkel Masao als Familienoberhaupt der Seitenlinie informiert wird. Oder meint Ihr für die Wacholderdrosseln? Nun ja, einige stehen uns, der Seitenlinie, jeden Herbst zu, und Tsuyoshi bat bei dem letzten Essen darum, dass wir doch welche essen. Onkel Masao war angetan und so aß ich eben auch welche. Ich muss zugeben, dass ich mir nicht sehr viel aus Fleisch mache, seit meiner Zeit im Kloster, aber es wäre ungehörig gewesen nicht mindestens eine der Sechs zu essen, wenn Cousin und Onkel sie sich wünschten. Oh, Ihr meint, die Drosseln wären Schuld? Nein, das glaube ich nicht. Mir ging es gut und selbst mein kranker Onkel spürte nichts. Auch drüben im Fürstenschloss hat niemand solch eine Krankheit bekommen.“   Kapitel 6: Die Aussage der Schwiegermutter ------------------------------------------ Sesshoumaru trat an das holzvergitterte Fenster des Gästezimmers und blickte hinaus. Verrannte er sich in eine Idee, eine Theorie? Hatte er sich nicht immer vorgenommen erst alle Fakten zu sammeln, ehe er eine solche aufstellte? Starrte er jetzt zu sehr auf das gemeinsame Essen? Vermutlich. Erst einmal sollte er unvoreingenommen mit dieser Bara reden – immerhin Mutter des Opfers, Schwiegermutter der Angeklagten und mitbetroffen von dem Badeunfall vor einem halben Jahr, dann mit diesem Diener des eigentlichen Hausherrn und dann noch einmal mit Shigeru. Ob es möglich wäre mit Lord Masao irgendwie Kontakt aufzunehmen? Gelähmt hin oder her, seit diesem mehr als peinlichen Zwischenfall mit seiner eigenen angeblichen Hundswut wusste er nur zu gut, dass das, was im Inneren geschah, nicht außen sichtbar sein musste. Dennoch war es Sakura gelungen sich mit ihm zu verständigen. Hm. Er drehte sich um, sicher, dass sie wie immer an ihrem Platz an der Tür knien würde, sprungbereit, aufmerksam, ohne die Höflichkeit zu vernachlässigen, die er forderte. Nun gut, sie hatte nach einigen Strafen gelernt wirklich nützlich zu sein. Ein Dämon sollte das wohl eines Tages schneller und besser hinbekommen, so schweigsam und stets aufmerksam zu sein, seinen, Sesshoumarus, Willen zu erfüllen. Aber gut, er hatte einen Fall zu lösen. „Öffne die Tür“, befahl er, da er Schritte hörte, die einer älteren Menschenfrau und einem Krieger gehörten. Da wurde wohl Lady Bara gebracht, die Fürstentochter und -schwester, die unter ihrem Stand verheiratet worden war. Nicht ungewöhnlich, zumal man mit der Tochter einer Nebenfrau dem Untergebenen schmeicheln konnte. Sakura warf nach dem Öffnen einen raschen Blick hinauf zu den Menschen, ehe sie den Kopf neigte, da der Krieger militärisch meldete: „Lord Sesshoumaru, Ihr wünscht Lady Bara zu sprechen.“ Die Frau kam herein. Um die Vierzig, eher darüber, schloss die Heilerschülerin. Der Kimono war mehrlagig, bestickt – und eigentlich zu teuer für die Ehefrau oder auch Mutter eines Webereivorstehers. Aber anscheinend ließ Lord Masao das seiner Halbschwester durchgehen oder auch Fürst Takaeda. Überdies war auch Tsuyoshi auf diese Art ein Familienmitglied gewesen. Lady Bara verneigte sich höflich, ohne einen Blick an die Dienerin zu verschwenden, ehe sie vor dem angekündigten Dämonenprinzen niederkniete. Diese Wesen galten als gefährlich, aber, was sie so hatte sehen können, war er jung, durchaus gut aussehend. Und sie fühlte sich noch nicht alt genug sich in diesem Schloss weiterhin einsperren zu lassen. So verneigte sie sich bewusst zeremoniell und verharrte auch so, obwohl sie eigentlich hoffte er würde ihr erlauben aufzusehen. Die Seide, die er trug, war schließlich drüben im Hauptschloss hergestellt worden, sie kannte sie nur zu gut. Aber als Mensch durfte man sie nicht tragen, das verboten die Hausregeln, da der jeweilige Fürst es sich nicht mit den dämonischen Kunden verscherzen wollte. Nur der Fürst und dessen Erbe taten das bei Empfängen derartiger Gäste. Sesshoumaru seufzte fast innerlich, aber er musste wohl anfangen. „Du weißt, dass deine Schwiegertochter verhaftet wurde.“ „Oh ja, und trotz allem, was ich ihr nachsagen musste, so konnte ich mir doch nicht vorstellen, dass sie so dumm ist, so weit geht!“ platzte es aus Bara heraus, ehe sie sich eilig zusammennahm. Das war kein Benehmen für eine Prinzessin vor einem Prinzen. Sesshoumaru war der gleichen Meinung, aber da sie nun schwieg und zu Boden starrte, fragte er nur weiter: „Du warst mit dieser Heirat nicht einverstanden. Was kannst du zu Hitomi sagen?“ „Nein, Euer Lordschaft. Ich war strikt gegen die Ehe, aber natürlich musste ich mich dem Wunsch Masaos als Oberhaupt dieses Schlosses und Fürst Shinichis beugen. Hitomi ist jung und hübsch, zugegeben, aber eine einfache Dienerin ist doch kein Heiratspartner für einen Enkel eines Fürsten Takaeda! Außerdem war sie auch unfähig.“ Sakura ärgerte es, dass die Prinzessin in der Vergangenheitsform von ihrer Freundin redete, Sesshoumaru interessierte es mehr sachlich. „Du gehst davon aus, dass sie schuldig ist.“ „Ja, natürlich. Sie war ungehorsam und faul, und wenn mein armer Junge sie dann tadelte, oder sie auch bestrafte, weil ich mich dauernd über sie beschweren musste … Sie wurde ja nicht einmal schwanger.“ Arme Hitomi. Mit so einem Drachen im Haus war es kein leichtes Leben. Aber genau dann sollte sie doch ihren Ehemann nicht umbringen, sondern als Schutz gegen seine Mutter nutzen, oder? Sakura war nie in solch einer Lage gewesen, schlug sich jedoch instinktiv auf die Seite des Mädchens, das sie kannte, das Essen für sie gestohlen hatte, wenn sie wieder einmal tagelang zur Strafe nichts bekam. Den Hundeprinzen hätten Strafen, die widerspenstige Leute bekamen, kalt gelassen, nur: „Aber dein Sohn hätte sich wegen Unfruchtbarkeit scheiden lassen können.“ „Ja, da redete ich ihm auch zu, aber er wollte warten, meinte, ein Jahr sei nicht so lang.“ Lady Bara hob ein wenig den Kopf um die weiße Seide der Hosen des vor ihr Stehenden zu mustern. „Mir wäre eine Scheidung und eine bessere Partie nur zu Recht gewesen.“ „Wer war dein Mann?“ fragte der Hundeprinz umgehend. Sie wurde rot. „Ich … Vater befahl mir Susumu zu heiraten, den Vorsteher der Weberei hier.“ „Er ist tot.“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Er fiel vor zehn Jahren.“ „Fürst Takaeda ernannte deinen Sohn dann zum Nachfolger seines Vaters und gab ihm eine passende Ehefrau.“ „Passend.“ Die Prinzessin merkte selbst, dass sie höhnisch klang, und lächelte. „Ich bitte um Vergebung. Es erschien mir meine Heirat bereits ungerecht. Meine Schwestern heirateten in andere Schlösser.“ „Der Wunsch eines Fürsten bedarf keiner Erklärung sondern Gehorsam, Prinzessin!“ Sesshoumaru begann die Geduld zu verlieren. „Sakura, aus welchem Haus stammt Hitomi?“ Die Heilerschülerin antwortete hastig möglichst ruhig: „Hitomi ist die Tochter des Ortsvorstehers aus meinem Heimatdorf, Euer Lordschaft. Er verstarb bei dem Überfall vor über zehn Jahren.“ Au weia. Wenn Bara so weiter machte, demonstrierte sie nur, dass die „Rose“ wie ihr Name besagte, kaum Duft aber viele Dornen hatte. Wenn sie immer schon diese Charakterzüge gezeigt hatte, wäre es kein Wunder, wenn sie nicht an einen auswärtigen Fürsten verheiratet worden war. Das wäre ja ein Kriegsgrund. Selbst der Dämonenprinz schien bereits genug von ihr zu haben, nahm sich jedoch für die Ermittlungen zusammen. Aber seine Klaue war ein wenig angespannt. Wenn die Takaeda-Prinzessin nicht aufpasste, würde sie an der Wand landen. „Wie lief der Tag ab, an dem Tsuyoshi starb?“ „Oh, wie immer. - Vergebt, Euer Lordschaft. Nach dem Frühstück räumte Hitomi auf und putzte, ich nahm mir eine Stickarbeit, um sie zu beaufsichtigen. Tsuyoshi ging hinüber in die Weberei um die Frauen dort zu kontrollieren, ehe er kam und sich umzog, um zu Masao zum Essen zu gehen. Dieses Essen findet, fand, einmal im Monat statt, seit etwas mehr als einem Jahr.“ „Seit Shigeru hier ist?“ „Seit Masao fand, Shigeru sei ein passender Erbe. Und nicht mein armer Junge.“ „Nannte er einen Grund für diese Entscheidung?“ „Tsuyoshi erzählte, Masao habe ihm gesagt, Shigeru sei eben ranghöher, da er der Sohn eines Prinzen sei und nicht der einer Prinzessin. Außerdem wickelte ihn Shigeru ein, in dem er ihm versprach, ihn als Webereileiter zu belassen, und ihn auch zu diesen Mahlzeiten zuzog. Als ob er einen Besseren finden würde!“ „Tsuyoshi war gar nicht ungehalten?“ Aber dann hätte doch Shigeru tot sein müssen und nicht umgedreht? „Der liebe Tsuyoshi? Niemals. Ach, Euer Lordschaft hat ihn nicht gekannt ...“ Besagte Lordschaft erinnerte sich sehr wohl an Hitomis Aussage. „Gab es nicht vor einem halben Jahr auch einen Badeunfall?“ „Oh, ja, das war schrecklich. Wir waren alle drei betroffen, also, der liebe Tsuyoshi, ich und sogar Hitomi.“ „Ihr gingt gemeinsam Baden.“ „Ja, Euer Lordschaft, wie immer. Und bereits dort bemerkten wir alle drei so ein Prickeln auf der Haut. Aber, nun ja, wir sprachen nicht darüber, da jeder es ja nur für sich glaubte. Aber dann, nach dem Weg nach Hause, setzte ein fürchterlicher Juckreiz ein, die Haut wurde überall feuerrot und es entstanden solche Blasen, die dann auch aufplatzten. Der Heiler, Minoru, kam dann, da Tsuyoshi nach ihm schicken ließ, und meinte, das Ganze sei eine sehr ungewöhnliche Krankheit. Er empfahl uns im Haus zu bleiben, möglichst keine Kleidung zu tragen und einen Tag lang nur Wasser zu trinken und nichts zu essen. Es wurde dann ja auch besser. Zum Glück blieb mein Gesicht verschont.“ „Nur das deine oder auch die der anderen Zwei?“ Sesshoumaru konnte nicht verhindern, dass er langsam einen scharfen Unterton bekam. Zeugen! Menschen! „Keiner von uns dreien, nein.“ Lady Bara bemerkte durchaus, dass der junge Herr vor ihr wohl kaum gewillt war, sie als Hofdame mitzunehmen. „Eine solche Krankheit hatte Minoru noch nie gesehen. Es war sicherlich fremdartig und, mehr als unangenehm, das kann ich Euch versichern. Ich dachte, ich müsse sterben!“ Hm. Sesshoumaru vermutete, damit wäre dem Einen oder Anderen sogar gedient. „Du darfst gehen. Wenn ich weitere Fragen habe, wo kann dich Sakura finden?“ Mit dieser Person wollte er so wenig wie möglich zu tun haben. „Im Haus des Webereivorstehers, natürlich, Lord Sesshoumaru.“ Im Aufstehen warf sie einen raschen Blick auf die Dienerin an der Tür. Sakura, also, und eine Heilerschülerin. Naja. Anscheinend hatte Fürst Shinichi Gift vermutet und dem alten Minoru nicht mehr vertraut. Ach ja, der Tod ihres Sohnes war eine Katastrophe für sie. Gut, wenn Hitomi dafür geköpft wurde.   Sesshoumaru atmete ein wenig zu tief durch, ehe er meinte: „Riesenbärenklau oder etwas ähnliches, sagte der Heiler.“ Sakura vermutete in diesem Satz eine Anfrage an sich. „Ja, das scheint er zu erwartet zu haben, denn diese Pflanzengifte verschlimmern ihre Symptome an der Haut im Sonnenlicht. So wird den Patienten empfohlen drinnen zu bleiben.“ Aber dieser Narr von Heiler hatte auch gesagt, dass man diese Gifte selbst als Mensch nicht essen würde, da sie betont schmecken würden. Hm. Zwei Mal Gift gegen Tsuyoshi, nur hatte es einmal der gesamten Familie und einmal ihm gegolten? Unwahrscheinlicher Zufall? Oder nur das erste Mal Zufall und dann Absicht, weil jemand eine Idee bekam? Das wurde immer verworrener. „Sakura, geh in die Küche. Du darfst essen. Und erkundige dich nach dem tödlichen Essen.“ Natürlich, keine Pause ohne Hintergedanken. Sie erhob sich jedoch mit einer tiefen Verneigung. Immerhin bekam sie etwas. „Danke, Lord Sesshoumaru.“   Kapitel 7: Die Aussage des Kammerdieners ----------------------------------------   Allein wandte sich Sesshoumaru erneut dem Fenster zu. Menschen! Familie, Gefühle und wusste der Himmel noch was. Natürlich endete das in Mord. Nun ja, auf jedem Fall in einem Todesfall. Ruhig bleiben und nachdenken, dann käme er schneller wieder hier weg – zu den langweiligen Audienzen, aber womöglich wäre Vater auch wieder zurück. Wäre er selbst erst einmal der Fürst würde er diese wenig geliebte Aufgabe Mutter aufhalsen. Die konnte das bestimmt leichter durchstehen, zumal mit ihrer Gabe auch dem Vorwitzigsten mit einem Blick den Satz in der Kehle stecken zu lassen. Noch war es freilich nicht so weit, dass er seiner Mutter Befehle erteilen konnte. Überdies, erkannte er dann, hätte das ja auch den Tod seines verehrten Vaters zu Folge – lieber nicht. Gut. Nachdenken. Dieser ominöse Badeunfall konnte sehr wohl ein Unfall gewesen sein – aber wieso hatte es nur diese drei Personen getroffen? Doch ein Anschlag auf das spätere Opfer plus dessen Familie? Wollte Hitomi von ihrem späteren Attentat auf ihren Ehemann ablenken? Wollte Bara ihre Schwiegertochter loswerden? Hatte sich eine der Beiden zu amateurhaft angestellt und sich selbst gleich mit vergiftet? Jemand Dritter, ein Anderer, aus Versehen oder mit Absicht dies getan? Wie badeten eigentlich Menschen, wenn sie zu dritt im Wasser hockten? Er selbst hatte nur mit Sakura einmal zu Testzwecken ein Bad geteilt, ansonsten wünschte er da absolute Ruhe zu haben. Wenn sie wieder zurück war, müsste er sich einmal das Badezimmer ansehen. Womöglich eben doch ein Unfall, eine Unsauberkeit eines Dieners – durch die der Mörder auf den Einfall mit eben diesem Gift kam? Aber Minoru hatte ausgesagt, dass alle Pflanzen, die äußerlich giftig wären, so schrecklich schmeckten, dass man sich selbst als Mensch nicht vergiften konnte. Das führte zum Anderen. Dieses gemeinsame Essen. Vier Männer plus hereintragende Dienerschaft anwesend – die Vergiftung musste in der Küche passiert sein. Was genau da geschehen war, sollte Sakura herausfinden. Nur: einen Topf Suppe, Reis, Gemüse, so zu vergiften, dass es nur eine Person traf, war schlicht unmöglich. Diese Vögel – wer sollte vorhersehen, dass es genau der Richtige aß? Oder war genau das der Denkfehler? Sollte einfach ein Mitglied des Hauses Takaeda sterben und Tsuyoshi traf es zufällig? Diese Idee könnte auch den Badezwischenfall der Drei erklären. Jemand ging auf die Familie los – und damit war eigentlich auch gleich, wen es traf. Kein Motiv in dem Sinne, aber danach wollte er ja auch eigentlich aus eben solchen Erfahrungen nicht mehr suchen. Das WIE.   Oh. Es kam jemand, dem Schritt nach ein älterer, aber wohl geschulter, Diener. Natürlich menschlicher Art. Da es am hölzernen Türrahmen klopfte und er gleichzeitig das Rascheln vernahm, als sich der Mann niederkniete, sagte er nur: „Herein mit dir, Hotaru.“ Er hatte nach dem persönlichen Diener des Herrn der Nebenlinie schicken lassen und war überzeugt, dass nur ein sehr qualifizierter Mann die Pflege eines Gelähmten übernehmen konnte. Nicht zuletzt aus leidiger, persönlicher, Erfahrung. Und selbst Sakura waren Pannen passiert, obwohl sie buchstäblich das Menschenmögliche getan hatte. Hotaru gehorchte, was blieb ihm schon anders übrig, und schloss auch die Tür hinter sich, wohlweislich auf Knien, ehe er die kurze Handbewegung sah, deren Zeigefinger ihn direkt vor den Gast befahl. Aber als er vor dem Dämonenprinzen niederkniete und dessen schwarze Schuhe anblickte, spürte er, dass seine Kehle trocken war. Hohe Herren pflegten sich Namen von Dienern nicht ohne guten Grund zu merken. War ihm schon bange geworden, als Lord Shigeru ihm gesagt hatte, ein Dämon ermittele im Auftrag des Fürsten in diesem ominösen Todesfall, so wurde es durch die Nennung seines Namens nicht besser. Er hatte doch nie gegen das Interesse seines Herrn verstoßen! Aber das half kaum, wenn dieser Hundedämon nicht überzeugt davon war und das dem Fürsten Takaeda berichtete. Harte und oft auch grausame Strafen waren in jedem Schloss an der Tagesordnung. „Du bist der persönliche Bedienstete Lord Masaos.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Wie geht es ihm?“ Das war eine überraschende Frage eines Dämons und noch dazu in einer Mordermittlung, aber seltsamerweise fühlte sich der Menschenmann mittleren Alters, wie die deutlichen grauen Strähnen im zurückgebundenen schwarzen Haar zeigten, beruhigt. „Unverändert, Lord Sesshoumaru.“ „Lord Maseo kann keine Besucher empfangen?“ „Ich darf es umschreiben, Euer Lordschaft. Ich dürfte Euch, mit Erlaubnis Lord Shigerus, in das Schlafzimmer lassen, aber Ihr würdet von Lord Masao keinerlei Reaktion erhalten. Er liegt nur da, atmet und bewegt sich nicht.“ „Und doch fand das Essen bei ihm statt und du hast ihn gefüttert?“ „Ja. Darf ich es ausführlich schildern?“ „Ja.“ Immerhin, Das klang mal nach einer sachlichen Antwort. „Ich füttere Lord Masao täglich drei Mal. Er kann durchaus schlucken, nicht jedoch kauen, so dass es nur sehr kleine Speiseteile oder Suppe sein dürfen, die er erhält. Dazu wird er aufgesetzt, an ein Kissen gelehnt, und ich zerkleinere die Kost. Er hört jedoch alles, was man zu ihm spricht, auch, wenn er sich nicht bewegen kann.“ Hotaru wagte es ein wenig aufzusehen. Das verstand kaum jemand. Sesshoumaru entsann sich nur zu gut seiner eigenen Leidenszeit. Hören war wohl die letzte Eigenschaft, die man verlor. „Ich weiß. Weiter. Kannst du dich mit ihm verständigen? Ja- oder Nein-Antworten erhalten?“ Perplex erwiderte Hotaru: „Manchmal, je nach seinem Gesundheitszustand.“ Wieso verstand ein Dämon, ein Tiermonster, wo Menschen versagten? War das alles nur ein Vorurteil, dass ihm andere schon Minuten zuvor mitgeteilt hatten, der junge Lord sei mörderisch? „Dieser Schlaganfall traf ihn wann?“ „Vor neun Monaten.“ „Lord Shigeru traf aber zuvor ein.“ Sakura hatte zwar die Aussage Hitomis berichtet, dieser sei erst nach dem Schlaganfall zurückgerufen worden, aber er wusste nur zu gut, wie nachlässig Angeklagte mit ihren Erinnerungen waren. Narren, als ob nicht ihr Leben daran hing! „Ja, vor mehr als einem Jahr. Lord Shige hatte für seinen einzigen Sohn eine Karriere im Kloster, als Mönch oder Heiler vorgesehen, aber da Lord Masao keine Erben hatte, berief er ihn nach dem Tod des Vaters zurück.“ Sekunde. „Keine Erben? Und Tsuyoshi?“ „Keine leiblichen Erben, vergebt, Lord Sesshoumaru. Shigeru steht in der Familienhierarchie über Tsuyoshi.“ „Lord Shigeru kam und wurde als Erbe ausgebildet?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Ein wahrlich vernünftiger Mensch. Aus dem und Sakura könnte bestimmt ein taugliches Kind entstehen, das ihm die nächsten Jahrzehnte nützlich war. Ach nein, da gab es doch diesen ominösen Leutnant, der sich um sie bewarb. Nun, da hätte ein Diener weniger Chancen. Natürlich könnte er es ihr befehlen, aber ... Er hatte hier einen Mord aufzuklären. „Und Lord Tsuyoshi nahm das hin.“ „Ja, natürlich. Es war der ausdrückliche Wunsch Lord Masaos und auch des mächtigen Fürsten Takaedas, das Erbe der Halbbrüder durch Lord Shigeru bestehen zu lassen. Lord Tsuyoshi beugte sich natürlich.“ „Tsuyoshi wurde nie als Erbe in Betracht gezogen.“ „Höchstens von Lady Bara, verzeiht. Ich ...“ „Ich habe sie kennengelernt. Weiter. Wie kam es zu den gemeinsamen Essen?“ „Lord Shigeru übernahm auf Anweisung Fürst Takaedas, der aber zuvor Lord Masao besucht hatte, die Verwaltung. Ich war stets dabei anwesend, wie es meine Pflicht erforderte.“ Ja kein Verschulden sich zuschreiben lassen, das lernte man rasch in einem Schloss. „Lord Shigeru schlug vor, dass man gemeinsam speisen sollte, also, zunächst nur er und Lord Masao. Er erklärte das mit dem notwendigen Respekt vor dem Onkel, dem er doch Bericht erstatten sollte. Lord Masao stimmte zu. Ebenso, als einige Wochen später Lord Shigeru vorschlug, dass auch Lord Tsuyoshi an den Essen teilnehmen sollte. Er entschuldigte sich, dass er nicht bedacht hatte, dass eine Familie auch gemeinsam essen sollte, um Informationen informell auszutauschen und die Zusammengehörigkeit zu demonstrieren. Lord Shigeru hatte wohl durch sein Klosterleben solche Dinge übersehen. Er ist auch insgesamt überaus bemüht viel zu lernen.“ „Lord Tsuyoshi kam dann auch, eingeladen durch Lord Masao, also dich.“ „Ja, Euer Lordschaft. In gewisser Weise, wenn ich erklären darf. Ich bin stets um Lord Masao, vierundzwanzig Stunden am Tag. Wenn er Anweisungen zu erkennen gibt, schicke ich einen anderen Diener. Ich bleibe fortwährend bei ihm.“ Sesshoumaru zog die Augen zusammen. Das erschien ihm nach seiner bisherigen Menschenkenntnis unmöglich. „Und wenn du anderweitig beschäftigt bist … baden?“ Oder Anderes, was er gewiss nicht aussprechen würde. „In diesem Fall gibt es einen andern Diener, der für die Minuten einspringt, ebenso, wenn ich doch schlafen muss. Sein Name ist Ito.“ „Ito ist der Name des Erbprinzen.“ „Ja, Euer edle Lordschaft hat Recht. Er wurde nach dem Erbprinzen benannt, da er nur einen Tag später geboren wurde und seine Eltern ihre Freude über den Erben des Fürsten ausdrücken wollten. - Ihr wünschtet den Ablauf des Essens am Todestag zu hören? Alles lief wie immer ab. Ich kleidete den Herrn an, setzte ihn an das Kissen und sorgte dafür, dass das Essen serviert werden konnte. Es gab Hühnerbrühe, Reis und Gemüse und dann Drosseln aus dem oberen Garten des Fürsten.“ „Du bestelltest. Dann kamen die jungen Herrn und ließen sich nieder.“ „Ja, Euer Lordschaft. Dann trugen die Diener auf. Ich schnitt natürlich für Lord Masao alles an Gemüse und auch die Drossel klein, flößte ihm auch zuvor die Suppe ein ... Es gab nichts Ungewöhnliches.“ „Außer den Drosseln.“ „Ja, die hatte sich ungewöhnlicherweise beim Essen zuvor, also, eine Woche zuvor, Lord Tsuyoshi gewünscht. Lord Masao stimmte zu und so gab ich die Anweisung drüben an das Schloss weiter.“ „Du, nicht Shigeru?“ „Äh, verzeiht meine Ungenauigkeit. Ich gebe solche Wünsche an das Schreiberbüro Lord Masaos, das im Augenblick ja Lord Shigeru beaufsichtigt.“ „Es war Tsuyoshis Wunsch.“ „Ja, Lord Masao schätzt aufgrund seiner Erkrankung wenig Fleisch und Lord Shigeru aufgrund seiner Klostererziehung wohl sogar noch weniger.“ Das wurde dann immer seltsamer. Alles doch nur ein unseliges Zusammentreffen? Was konnte, sollte, er noch fragen? „Ich möchte mit Lord Masao reden. - Ohne Umwege.“ Kapitel 8: Die Aussagen des Personals ------------------------------------- Hotaru beschloss, dass es für ihn deutlich einfacher und auch gefahrloser war, dem Wunsch des Dämonenprinzen, der ja im Auftrag des Fürsten ermittelte, auch direkt zu gehorchen. So verneigte er sich nur. „Darf ich Euer Lordschaft bitten mich zu begleiten?“   Tatsächlich ein vernünftiger Mensch! Nun gut, er hatte sich zuvor ja bereits gedacht, dass man die Pflege des Hausherrn niemandem anvertrauen würde, der nicht denken konnte, aber seine Erfahrungen in menschlichen Schlössern waren nicht der besten welche. So machte Sesshoumaru einen angedeuteten Schritt, woraufhin der Diener unverzüglich aufsprang, geneigt zur Tür lief und diese vor dem hohen Herrn beiseite schob.   Keine fünf Minuten später standen die Beiden vor einem anderen Zimmer. Keine Wachen, hatte der erfahrene Ermittler bereits festgestellt, waren im gesamten Haus zu finden. Leichtfertig. Und nur wenige Dienstboten, die hier herumhuschten. Soweit er sich entsann, waren es im Hauptschloss des Fürsten eindeutig viel mehr. Man merkte wohl doch, dass es nur ein Nebenzweig der Familie war.   Hotaru warf einen raschen Blick empor, beschloss dann jedoch, dass er wie immer vorgehen sollte. „Herr, Ito, ich bin es.“ Er öffnete die Tür. „Lord Sesshoumaru wünscht Lord Masao zu sprechen.“ Ito, der Diener der neben dem liegenden Schlossherrn saß, erriet durchaus, dass das ein überaus hoher Gast war, und verneigte sich rasch in Richtung der Tür, ehe er leise sagte: „Ich setze Euch auf, Lord Masao, wenn Ihr gestattet.“ Aha, dachte Sesshoumaru. Auch sie redeten mit dem Kranken, wie es auch Sakura mit ihm getan hatte. Nun gut, Masao schien ja noch zu hören, war aber offenkundig vollkommen hilflos. Er war vielleicht um die Fünfzig, ziemlich rundlich, sei es durch die mangelnde Bewegung, sei es durch eine andere Krankheit, jedoch war sein Gesicht eingefallen und blass. Die schwarzen Augen starrten fast wie die eines Raubvogels eindringlich auf den Besucher, aber Seine Lordschaft war gegen so etwas immun. „Lord Masao“, begann er sachlich. „Fürst Shinichi Takaeda bat mich den Tod Lord Tsuyoshis zu untersuchen. Ich bin Lord Sesshoumaru, der Sohn des mächtigen Inu no Taishou.“ Hotaru kniete neben seinem Herrn nieder und meinte jetzt: „Lord Masao kann Euer Lordschaft nicht antworten, aber ich bin sicher, er wird jedem Befehl des mächtigen Fürsten, seines Halbbruders, folgen, so dass Ihr ungehindert ermitteln könnt.“ Das hatte Seine Lordschaft eigentlich nicht fragen wollen, da er davon ausging, sondern nur nachsehen, wie weit der Schlaganfall wirksam war. Aber es war klar, dass dieser Mann keinen Mord begehen konnte, selbst, wenn er gewollt hätte. Dennoch, als er Tsuyoshi erwähnt hatte, war da etwas in den Augen des Kranken aufgeflackert, eine Regung, die er nicht umsetzen konnte. Seine Eisigkeit wusste seit Kurzem nur zu gut, wie man sich so eingesperrt im eigenen Körper fühlte, aber er konnte nicht erraten, was Lord Masao meinte. Wollte er wissen, wie sein Neffe zu Tode kam? Hatte er ihn gemocht? Oder war er froh, dass dieser verstarb? „Ich hätte noch eine Frage. - Hotaru, wenn dieses Familienessen hier stattfindet, lehnt Lord Masao dann wie jetzt an diesem Kissen?“ „Ja. Und, mit Verlaub, ich gebe ihm, was er isst.“ Es war rein persönliches Interesse, dass Sesshoumaru fragte: „Woran erkennst du, dass er satt ist oder etwas nicht essen möchte?“ Ein erstaunter Blick der Diener streifte seine Hüfte, der des Kranken sein Gesicht, ehe Hotaru antwortete: „Ich kann es schwer erklären, Lord Sesshoumaru, bitte vergebt. Es ist eine gewisse Anspannung. Aus mittlerweile monatelanger Erfahrung glaube ich den Herrn soweit zu verstehen.“ Moment. Hatte Hotaru nicht zuvor erwähnt, Masao möge kein Fleisch? „Es gab diese Drosseln beim letzten Essen, nicht wahr?“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Eine Drossel aß der Herr zum Teil aus Höflichkeit, weiteres lehnte er bereits ab. Lord Shigeru aß eine, Lord Tsuyoshi, der sie sich ja gewünscht hatte, drei, obwohl auch er monierte, dass sie verkocht seien.“ „Verkocht.“ Wurden Vögel denn nicht auch bei Menschen gebraten? Aber gut, die hatten sowie so mehr als eigenartige Auffassungen von Nahrung. „Verzeihung. Falsch gewürzt.“ „Aber du hast nichts davon gegessen?“ „Selbstverständlich nicht, Lord Sesshoumaru.“ Hotaru konnte gerade noch verhindern, dass er empört klang. Hohe Herren schätzten keine persönlichen Regungen bei Dienstboten. Aha. Mal hören, was Sakura inzwischen in der Küche herausgefunden hatte. Jetzt sollte er aber hier verschwinden. Der Geruch im Krankenzimmer war für eine Hundenase fast unerträglich. Aber, das war die Familie mit der Vater Geschäfte pflegte, und deren Seidenverarbeitung die Einzige war, die die Spinnen des Waldgebirges tolerierten. Dämon sollte höflich bleiben. „Meine besten Wünsche, Lord Masao, auch die meines Herrn und Vaters.“   Er ging zurück in sein Gästezimmer. Wo steckte dieses Mädchen denn nur? Ach ja, er hatte ihr auch erlaubt zu essen. Das dauerte. Menschen! Er wollte hier wieder weg und diese Witterung nach nahendem Tod aus der Nase bekommen. Aber dazu musste er ja das Ableben dieses Webereileiters aufklären, das wäre besser. Vater würde sich unter Garantie wundern, dass er selbst die Audienzen verlassen hatte, um kein härteres Wort zu verwenden. Ein aufgeklärter Todesfall, sei er auch kein Mord, wäre sicher sinnvoll, um dem Herrn der Hunde zu beweisen, dass man nicht nachlässig, sondern nur einer anderen Arbeit nachgegangen war.   Sakura hatte nachfragen müssen, aber die Küche entdeckt, die sie erstaunlich geräumig fand, ehe sie begriff, dass ja auch die Webeierarbeiterinnen von hier versorgt wurden. Sie stellte sich höflich vor und bat um Tee und etwas Übriges zu essen. Da jeder im Clan Takaeda wusste, wer der Inu no Taishou war, erhielt sie nicht nur in kürzester Zeit vom Mittag übrige Reisbällchen und aufgewärmtes Gemüse, sondern auch schön heißen Grüntee. Herr Marui, wie er sich vorgestellt hatte, der Küchenchef, ließ sich neben ihr nieder, um aus erster Hand etwas über Dämonen zu erfahren, ohne zu ahnen, dass ihr das sehr recht war. So erzählte sie, dass sie die Schülerin des berühmten Heilers Neigi sei und was man als Mensch so in einem Dämonenschloss zu essen bekäme. Ein klein wenig die Wahrheit verdrehend, ergänzte sie: „Aber natürlich wird anders aufgetischt, wenn menschliche Gäste im Schloss sind, nicht nur die Dienerschaft. Wobei ich sagen möchte, die Schlossküche ist sicher gerade ebenso groß wie diese hier. Und hat weniger Dienerschaft.“ Sie bezog sich auf die noch gut zehn Menschen, die eifrig am Putzen und bereits wieder herrichten waren. „Ja, wir kochen ja auch Reis und Tee für die Arbeiterinnen. Brot kommt aus dem Hauptschloss, aber sonst machen wir hier das mit. Natürlich kochen wir hauptsächlich bessere Speisen für die Herrschaften.“ Was würde Lord Sesshoumaru wohl interessieren? Sie musste neue Informationen zu ihm bringen, sonst wäre er nicht zufrieden. Und ein unzufriedener Herr reagierte oft und gern schmerzhaft, bei seinem berühmten Geduldsfaden noch rascher. „Ja, ich habe sogar gehört, dass ihr hier Drosseln züchtet. Extra für dieses Schloss!“ „Nein, diese Züchtungen laufen über oben, also das Hauptschloss. Der Fürst liebt es sie im Herbst zu essen. Zu viele sind es freilich nicht, denn die Zucht scheint recht schwer zu sein.“ Der Koch zuckte die Schultern. „Es gibt zwei Leute, die das machen, irgendwo im Wald, wo die Dämonen hausen. Oh, entschuldigt.“ „Natürlich, es sind ja andere Dämonen. Aber, Herr Marui, wie werden denn solche Drosseln zubereitet? Ich kenne sie aus der Luft, sie sind jedoch so klein.“ „Sie sind sogar noch kleiner, wenn Ihr an die gewöhnlichen Drosseln denkt. Es sind Wacholderdrosseln. Sie schmecken wohl besser, ich habe ja noch nie eine selbst bekommen. Ich bereite sie wie Wachteln zu. Rupfen, überbrühen, braten. Natürlich mit Gewürzen allerlei Art, aber ich gebe zu, dass es schwieriger ist, eine Mahlzeit nur einmal im Jahr zuzubereiten als jeden Tag. Indes natürlich bestehen hier die Herren auf ihrem Anteil aus der fürstlichen Zucht. - Aber dennoch, ich empfand es als Unterstellung, dass mich Lord Shigeru zu sich zitierte und mich ausfragte, wie ich dieses Essen und vor allem die Drosseln machte!“ Die Stimme des Kochs zitterte vor Empörung. Vorsicht, Sakura, dachte sie nur, das konnte wichtig werden. „Ach, nach dem Tod Lord Tsuyoshis?“ „Ja, genau. Ob wir schon alles weggeräumt haben oder ob einer von uns was davon gegessen hätte! Als ob das jemand wagen würde! Oder als ob in dieser Küche etwas herumstehen würde! Er wollte sogar wissen, wie reinlich es hier ist! Ich sagte ihm, dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit gern herkommen könnte und es sich ansehen könnte. Also, seht Euch doch um. Saht Ihr je eine saubere, ordentlichere, Küche als die meine?“ „Nein“, konnte sie ehrlich zugeben. „Lord Shigeru war aber wohl kaum hier.“ „Nein, das nicht. Natürlich. Er ist ein hoher Herr und wird bald der Schlossherr hier sein, wenn Lord Masao … nun ja ….Jedenfalls kann es überhaupt nicht am Essen gelegen haben, denn alle anderen Herren haben es ja auch vertragen!“ „Ja, ich verstehe. Zu den Drosseln gab es wohl Reis und Gemüse? Und eine bestimmt schmackhafte Sauce?“ „Ja, und zuvor Hühnersuppe. Alles ganz frisch zubereitet, wie immer. Natürlich ist es schlimm für die Familie, dass Lord Tsuyoshi starb, aber das liegt ganz sicher nicht an meiner Kochkunst!“ „Sicher nicht. Ich denke, Ihr bekommt die Zutaten alle frisch aus den Gärten oder den Bauernhöfen oben um das fürstliche Schloss, bereitet sie am selben Tag zu, da kann eigentlich nichts passieren.“ Lieber noch einmal indirekt nachfragen, auch, wenn sie es aus Kenntnis der Küche im Takaeda-Schloss selbst vermutete. „Ja, genau. - Oh, Ihr seid doch Heilerin? Könntet Ihr Euch noch Kirikos Hand ansehen? Sie verbrühte sich gestern.“ „Natürlich. Gern.“   Kapitel 9: Die Aussage des Badezimmers -------------------------------------- Während Sakura die Hand der Verletzten begutachtete und einige Kräuterumschläge empfahl, erkundigte sie sich bei Kiriko, wie man es als Heiler so tat, nach deren Arbeit. Es handelte sich um die Aufseherin der Weberinnen, die direkte Untergebene des verstorbenen Tsuyoshi. Sie machte keinen Hehl aus dessen Strenge, ergänzte jedoch: „Nun ja, er wurde auch von seinen Onkeln, zumal dem Fürsten, angehalten streng zu sein. Wegen eines Fehlers wurde von einem Kunden unsere Seide zurückgeschickt und er damals für zwei Nächte in einem Baum aufgehängt. Er war vierzehn Jahre. Und er nahm das bestimmt zum Anlass, dass ihm dergleichen nie wieder passieren sollte. Dennoch galt es stets als offenes Geheimnis, dass er Lord Masao nachfolgen sollte. Lord Shige, ach, das könnt Ihr ja nicht wissen, der Bruder Lord Masaos, hatte seinen Sohn ja in ein Kloster befohlen, man sagte mit gutem Grund, denn er habe sich einmal zu viel im falschen Bett amüsiert, so dass eigentlich nur Tsuyoshi blieb, nach all den Kriegen und Krankheiten. Ich glaube, es war da sogar mal von einem Testament die Rede. Au ...“ „Vergebt, aber ich bandagiere die Hand nur, damit der Kräuterumschlag bleibt. So könnt Ihr arbeiten, falls Ihr noch selbst Hand anlegt.“ „Nur, wenn ich direkt einen Fehler bemerke. Ich bin ja die Aufseherin.“ „Natürlich.“ Sakura überlegte rasch, ehe sie doch fragte: „Aber, das verstehe ich nicht. Wenn Lord Tsuyoshi in der Weberei ausgebildet wurde, diese leitet, warum wurde Lord Shigeru dann zurückgerufen?“ Und wenn Tsuyoshi dermaßen übergangen wurde – wieso war er jetzt tot und nicht Shigeru? Ein Unfall? Ein Versehen? War alles anders als es schien? Nun, das sollte und musste sie Seiner Eisigkeit überlassen, der keine Phantasien schätzte, noch gar, wenn ihm irgendjemand vorgriff. „Lord Shigeru ist eben der Sohn eines Sohnes und Tsuyoshi nur der einer Tochter des verstorbenen Fürsten. Aber er macht es seit den neun Monaten, in denen er hier jetzt anstelle des erkrankten Lords Masao arbeitet, eigentlich recht gut. Er gibt sich Mühe, das muss man sagen.“ Solche vertraulichen Sätze hätte Kiriko niemand anderem gegenüber erwähnt als einem Heiler. Diese galten als äußerst verschwiegen. „Vor neun Monaten hatte der edle Lord den Unfall?“ „Ja. Aber schon vor einem Jahr rief er Lord Shigeru zurück, warum?“ Zu dem Zeitpunkt, an dem Hitomi mit Tsuyoshi verheiratet wurde. Lord Masao hatte sich bestimmt etwas dabei gedacht – nur, was? „Oh, ich bin nur erstaunt. Nach meiner Kenntnis überlebt kaum jemand so schwer getroffen solch einen Schlag sehr lange.“ „Er wird auch gut gepflegt. Hotaru ist rund um die Uhr so bemüht um ihn. - Hotaru ist mein Bruder.“ „Das wird Eurer Schwägerin weniger gefallen.“ „Äh, nein, Hotaru ist verwitwet. Ich denke, darum fiel das Augenmerk des Fürsten unter allen persönlichen Dienern auch auf ihn, neben seiner Loyalität.“ „Natürlich, entschuldigt meine Dummheit.“ So, dachte Sakura, jetzt sollte sie genug zu erzählen haben, damit sie nicht in Schwierigkeiten kam, und beeilte sich zurück in das Gästezimmer zu gelangen.   Sesshoumaru hörte ihren Bericht schweigend an, während er aus dem Fenster blickte. Erst als sie geendet hatte, wandte er sich um, sah, wie sie instinktiv zusammenzuckte. Gut. Trotz aller Nähe, die er ihr seltsamerweise gestattete, war ihr noch immer bewusst, wer er war. Und, was er mit ihr tun konnte. Andererseits war ihr Bericht sachlich und ausführlich gewesen, praktisch wörtlich. Es gab keinen Grund sie zu strafen. „Der Koch behauptet seine Küche sei sauber. Ist sie das in der Tat?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Nach allem konnte man Lebensmittelvergiftung wohl ausschließen. Aber hieß das nur, dass nicht das Essen an Tsuyoshis Tod schuld war, sondern etwas anderes? Hatte er selbst sich in der Tat zu viel auf diese letzte Mahlzeit konzentriert? Wie war das mit diesem ominösen Badeunfall? Zufall oder hing beides zusammen? „Bring mich in das hiesige Bad.“ „Ja.“ Zum Glück kannte sie ihn gut genug, um bereits nach dem Weg gefragt zu haben. Das Badehaus, wie stets im Erdgeschoss aus Stein wegen der immer aktuellen Feuergefahr errichtet, lag im hinteren Teil des Hofes, unversperrt. Der eigentliche Schlosswall schützte vor Fremden, zumal dort oben doch Krieger ab und an patrouillierten. Sesshoumaru betrachtete den vorderen Raum. Er kannte aus seinem heimatlichen Schloss eine Art Umkleide, ehe das eigentliche Bad begann, eine größere Wanne, falls sein verehrter Vater mit ihm zu baden wünschte, einen kleineren Raum, in dem er für sich selbst eine hölzerne Wanne anbefohlen hatte. Er badete lieber allein, er wusste jedoch, dass das oft als Gemeinschaftserlebnis galt, selbst unter Dämonen, und so mancher sich nach einem gemeinsamen Bad mit dem Fürsten förmlich sehnte. Eine der Kleinigkeiten, die er selbst als Herrscher garantiert als erstes abschaffen würde. Er sollte jedoch ermitteln. Hm. Dieser Raum war offenkundig als Umkleide vorgesehen, das verrieten diverse Halterungen und zwei Matten, auf denen Handtücher gestapelt waren. Alles war ordentlich und sauber. In der Tat schien dieser Haushalt einwandfrei zu laufen. „Weiter.“ Sakura musste sich kurz umsehen, ehe sie die nächste Tür zu einem runden Raum beiseite schob. Hier stand ein hölzerner Kübel, daneben eine Schachtel. Unschwer erkannte Seine Lordschaft am Geruch den von Seife. Badete man hier? In diesem winzigen Gefäß? Unwahrscheinlich. Dort im Eck befand sich ein Ablauf, und auf den zweiten Blick erkannte er, dass der Boden dorthin geneigt war. „Was ist das hier?“ Es half nichts, er musste fragen. Sakura war allerdings auch niemand, der plauderte. Zu ihrem Glück. Sie hätte fast etwas Unziemliches zum Thema Körperhygiene gesagt, das ihr sicher nicht gut bekommen wäre, ehe sie sich entsann, dass ein Dämon seiner Klasse weder schwitzte noch sonst irgendwie sich beschmutzte, und im warmen Wasser schlicht Muskelentspannung suchte. „Menschen waschen sich hier ab, ehe sie ins Bad gehen, Lord Sesshoumaru.“ Das erklärte zumindest, warum geradezu Mengen dieser minderen Wesen gemeinsam oder nacheinander eine Badewanne bevölkerten. „Und alle nutzen diese Seife.“ „Ja.“ Sie klang – und war – verwundert, kannte jedoch weitaus peinlichere Fragen von ihm. „Aber jeder hat ein anderes Handtuch.“ „Ja.“ „Weiter.“ Gehorsam ging sie in den größeren Raum, wo sich ein Becken mit fast drei Metern Durchmesser befand, sorgfältig mit geglätteten Steinen ausgelegt. Jetzt war allerdings kein Wasser darin. Sesshoumaru kannte solche Gegebenheiten. Darunter lag sicher die Heizkammer, deren Wärme auf das Wasser darüber übertragen wurde – eine aufwendige und teure Angelegenheit wohl für Menschen. Aber das erklärte auch, warum so viele nacheinander dasselbe Wasser nutzten. Natürlich in der Rangreihenfolge. Und es erklärte sich dadurch auch die vorherige Säuberung. Nun gut. Wenn das Bad abgeschlossen war, stiegen die Menschen aus dieser Wanne, trockneten sich mit ihrem Handtuch ab und gingen wieder durch den Reinigungs- in den Vorraum, um sich draußen anzukleiden. Hm. Das war fast wie mit dem Essen. Nahezu unmöglich das Wasser zu vergiften, oder auch nur ein Handtuch, wenn man nicht sicher wusste, wen es traf. War es das? Ein Attentäter, ja, Mörder, dem vollkommen gleich war, wer durch seinen Anschlag zu Schaden kam? War es reiner Zufall, dass beide Male Tsuyoshi betroffen war? Hatte es gar einen anderen Zwischenfall gegeben, von dem ihm selbst oder Sakura nur niemand erzählt hatte, sei es, dass es für unwichtig gehalten wurde, sei es, dass der oder die Betroffene es gar nicht gemeldet hatte? Oder andersherum: hatten diese beiden Zwischenfälle überhaupt nichts miteinander zu tun sondern korrelierten nur scheinbar, wie er es auch schon bei diesen komischen Vögeln erlebt hatte? Eben, weil es beide Male Tsuyoshi getroffen hatte und das natürlich ins Auge sprang? In Gedanken verließ er das Badehaus, nicht, ohne zu bemerken, dass ihm Sakura eiligst folgte. Sie wusste anscheinend auch nichts über das mögliche Gift, das im Bad oder bei dem Essen gebraucht worden war. Der hiesige Heiler war alt und erfahren, aber der hatte auch nur auf irgendeine Pflanze bei dem Badeunfall getippt und irgendeine bei dem Todesfall. Das half nicht weiter. Mit gewissem inneren Seufzen erkannte Seine Lordschaft, dass es nur eine Person gab, die ihm weiterhelfen konnte. Lästig, wenn er Neigi alles von Anfang an erklären musste. Nun ja. Dazu gab es Sakura. Er blieb stehen, die verstohlenen Blicke der wenigen Menschen hier im Hof, die anscheinend irgendwohin hasteten, ignorierend. Da sich die Heilerschülerin in Windeseile hinknien wollte, sagte er nur: „Komm.“ Irritiert trat sie zu ihm, fühlte sich um die Taille gepackt, wie eine Puppe unter den Arm geklemmt. Sie war schon öfter auf diese unbequeme Art bei einem dämonischen Reiseportal mitgenommen worden, kannte die Dunkelheit um sich, ehe sie schlicht zu Boden fallen gelassen wurde. Sie raffte sich eilig zum Knien auf, ehe sie erkannte, dass sie sich im fürstlichen Dämonenschloss befanden. Was wollte der Erbprinz denn hier? Er hatte Hitomi doch noch nicht aus dem Gefängnis geholt? Aber natürlich durfte sie weder fragen noch dazu eine Bemerkung machen. Da Seine Eisigkeit jedoch weiter schritt, stand sie auf und folgte. Er ging zu ihrem Lehrer? Ach ja, natürlich. Niemand außer Neigi kannte sich so perfekt mit allen Pflanzen Japans aus – und auch aus einigen fremden Ländern.   Der rundliche Heiler sah erstaunt auf, als jemand unangemeldet in sein Sprechzimmer kam, verneigte sich jedoch eilig. Er kannte den Fürstensohn seit dessen Geburt und auch dessen weniger als kurzen Geduldsfaden. Hoffentlich würde das sich mit einem gewissen Alter bessern, sonst kamen harte Zeiten auf die Leute im Westen zu. So sagte er nur: „Ich stehe Euer Lordschaft zu Diensten. - Warte draußen.“, ergänzte er noch zu seinem Patienten, der eiligst gehorchte. Sesshoumaru blieb stehen, während sich Sakura auf seinen kurzen Wink zu seinen Füßen niederkniete, gegenüber ihrem Lehrer. Sie ahnte, auf was das hinauslaufen würde und als der Hundeprinz ihren Namen fallen ließ, begann sie mit dem ausführlichen Bericht.   Kapitel 10: Die Aussage Neigis ------------------------------ Der alte Heiler hörte seiner Schülerin vor den Ohren des Erbprinzen sehr aufmerksam zu, ehe er sagte: „Ich kann das Problem meines Kollegen Minoru sehr gut nachvollziehen, Euer Lordschaft. Es gibt einige Pflanzen, die bei Berührung auf die menschliche Haut wirksam sind. Geht der Betroffene dann in die Sonne, entstehen Bilder von Verbrennungen. Sicher sieht manches eindeutig aus, aber im Großen und Ganzen würde ich vorschlagen, dass es sich um eine phototoxische Reaktion, wie der Fachbegriff heißt, gehandelt hat, die von einer Pflanze ausgelöst wurde. Wenn es allerdings nur die Drei betroffen hat … Hm. Zu dem Essen: Es wäre natürlich möglich, dass das Opfer tatsächlich vergiftet wurde, aber soweit ich sehe, dürfte das schwer sein. - Oh. Darf ich meine Bücher zu Rate ziehen, Euer Lordschaft? Ich glaube, ich habe einen Einfall.“ Sesshoumaru würde kaum verneinen, aber ohne Erlaubnis aufzustehen wäre bestimmt schmerzhaft. Da Seine Lordschaft nur ein wenig nickte, erhob sich der Heiler und erklärte: „Ich glaube mich zu erinnern, dass ich einmal etwas von einem Unfall mit Drosseln gelesen habe. Wie hieß das nur? Sakura, wie nannte der Koch diese Drosseln?“ „Wacholderdrosseln, mein Lehrer“, erwiderte sie sofort. „Wacholder, ja. Der hat Beeren und die Vögel fressen sie. Ah, ja.“ Der Heiler trat an die hintere Wand seiner Hütte, wo sich sorgfältig aufgerollt unzählige Papierbögen in Bambusregalen befanden – Hort des Wissens Neigis – und begann einzelne Rollen herauszuziehen und aufzurollen.   Das konnte dauern, dachte Seine Eisigkeit grimmig. Leider war der überaus gründliche Neigi seine einzige Hoffnung herauszufinden, was im Weberschloss passiert war. Zufall, Absicht, Unfall oder Mord. Sonst würde er nicht nur vor Fürst Takaeda wie ein unfähiger Angeber dastehen, sondern, viel schlimmer, auch vor seinem verehrten Vater. Der Inu no Taishou würde doch annehmen, dass er nur nach einem Vorwand gesucht hatte, um seinen Pflichten als Regent zu entkommen. Und das hätte unter Garantie eine mehr als leidige Reaktion zur Folge. Er entsann sich nur zu gut einiger lästigen Fälle, die ihm als derartige Strafaktionen aufgehalst worden waren. Am Schlimmsten hatte er es wohl mit der Steuerprüfung bei Kano erwischt gehabt, die sich nur zu rasch als Mordermittlung erwiesen hatte. Kano samt Familie … kaum je war jemand dermaßen auf seinen Nerven förmlich herumgetrampelt, und hatte das Ganze auch noch überlebt. Schön und gut. Vater hatte ja sehen wollen, ob er sich beherrschen könne, und ihn als Belohnung mit auf die Jagd nach Feuerratten genommen. Das war immerhin erfreulich, nun, weitaus mehr als das, gewesen. Wie lange suchte dieser Heiler denn noch herum?   Neigi bemerkte den bohrenden Blick förmlich im Kreuz, aber es half nichts, er musste genau suchen. Wenn der Erbprinz aufgrund eines Fehlers seinerseits einen Fall nicht lösen konnte oder auch falsch löste – nun, selbst der mächtige Hundefürst konnte ihn nicht mehr lebendig machen, wenn sein Sohn ihn zuvor aus Zorn in der Luft zerrissen hatte. Denn es war vollkommen klar, dass Lord Sesshoumaru im Fall der Fälle, nämlich einer Blamage seinerseits, nach einem Schuldigen nicht nur suchen würde. Leider, dachte der alte Dämon, hatte es eben außer seinen Eltern nie jemanden gegeben, der ihm Einhalt gebieten konnte, oder an dem er sich reiben konnte. Ein Bruder wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Nun, dazu war es mit Sicherheit zu spät, wenn man die getrennt lebenden Eltern so betrachtete. Ah, Wacholderdrosseln. Er nahm das Blatt und überflog es eilig, las sich dann fest. „Neigi.“ In seinem Namen lag eine klare Mahnung. So blickte er auf. „Lord Sesshoumaru, ich denke, ich habe die Lösung für das Essen. Hier wurde mir in einem Brief von einem Unfall durch Wacholderdrosseln berichtet, bei dem ein Mensch starb.“ Das klang schon mal interessant. „Weiter.“ „Diese Drosseln suchen im Herbst nach Beeren und fressen sie. Wenn sie dabei außer Wacholder auch Maulbeeren oder die Früchte des Seidelbastes fressen, geschieht ihnen nichts. Es ist aber mindestens ein Fall bekannt geworden, in dem ein Mensch diese Drossel dann selbst gegessen hatte und dadurch sich eine Vergiftung mit Seidelbast zuzog. Das Gift lagerte sich wohl im Fleisch ab. Hat nicht auch in Eurem Fall das Opfer deutlich mehr gegessen als die anderen Zwei?“ Das stimmte. Aber … „Die Drosseln werden gezüchtet, sie fliegen nicht frei.“ „Womöglich hat ein Wärter dann die falschen Beeren verfüttert? Es wäre jedenfalls möglich. Außerdem könnte es auch sein, dass nur eine einzige Drossel zufällig eben die Beeren fraß oder damit gefüttert wurde, die der Tote dann verspeiste. Überdies möchte ich Euer Lordschaft darauf aufmerksam machen, dass Seidelbast, wie eben auch andere Pflanzen, wie der Riesenbärenklau, derartige Hautreaktionen wie bei dem Badeunfall hervorrufen kann.“ Dann war das Ganze ja unnütz. Er stand dann immer noch ratlos herum. Moment. Zwei Mal die gleiche Pflanze – es wurde immer wahrscheinlicher, dass die Zwischenfälle irgendwie zusammenhingen. Zuerst ein Unfall und dann lernte ein Mörder daraus? Kam so auf diesen Seidelbast? Zwei Mal ein Anschlag auf Tsuyoshi? Aber wo lag ein Motiv? Hätte der versucht Shigeru umzubringen, wäre das alles viel wahrscheinlicher. In diesem Fall wäre das Erbe Masaos der Auslöser. Und so? War Shigeru hinter Hitomi her? Wieso eigentlich hatte der potentielle Erbe ins Kloster geschickt werden sollen und hatte Tsuyoshi in der Weberei gelernt? Warum war das Opfer verheiratet worden und der Erbe nicht? Nein, ermahnte er sich. Nicht das Motiv suchen. Das WIE. Wer konnte wann wissen, wer in welcher Reihenfolge in das Bad ging? Wer konnte wissen, dass ausgerechnet Tsuyoshi die Vögel vorschlug und dann etwas an ihrem Futter manipulieren? Und, und vor allem, wie gelang es, ausgerechnet den oder die vergifteten Drosseln Tsuyoshi unterzuschieben – nicht einmal der doch mehr als angeschlagene Masao hatte irgendwelche Symptome gezeigt? War es doch ein Unfall? Zufall? Sechs Drosseln und das Opfer hatte drei davon gegessen, ja, sie sich gewünscht. War es das? Tod durch eigene Gier? Nur zu menschlich, eben? Er durfte nicht versagen, zumindest das herausfinden. So drehte sich Seine Lordschaft um. „Sakura.“ Da sie eilig aufsprang, packte er sie wie gewohnt, um mit ihr in das Weberschloss zurückzukehren. Neigi schüttelte erst den Kopf, als er sicher war, der Hundeprinz bekäme es nicht mehr mit. Seine Schülerin musste ganz schön etwas durchmachen. Er sollte ihr die nächsten Tage frei geben.   Zurück im Schloss der Takaedas wartete Seine Eisigkeit nicht bis Sakura sich aufgerichtet hatte. „Geh nochmals in die Küche. Wer wusste, wann und wie die Drosseln zubereitet werden?“ Er selbst wandte sich ab, um den momentan aktiven Hausherrn, Shigeru, zu befragen. War das lästig! Aber Vater kam heute Abend zurück und bis dahin sollte er das hier geklärt haben, wollte er nicht herausfinden wie weit die legendäre Phantasie eines genialen Heerführers ging - und eine empfindliche Strafe erhalten. Lord Shigeru empfing seinen hochgestellten Gast ein wenig süß-sauer lächelnd. „Was kann ich für Euer Lordschaft und meinen Onkel, den mächtigen Fürsten Takaeda, tun?“ Falls das Ironie gewesen sein sollte, so war sie verschwendet, denn Sesshoumaru blieb nicht nur stehen, sondern antwortete knapp: „Als sich Tsuyoshi diese Drosseln wünschte – gabt Ihr den Befehl sie zuzubereiten?“ „Äh, nein. Das tat wohl Hotaru. Onkel Masao, ich meine, Lord Masao, ist der Hausherr, und auch, wenn ich augenblicklich der Kanzleichef bin, so gibt Hotaru doch solche Anweisungen weiter. In der Kanzlei wird dann der Brief geschrieben an die Wärter, oder wie man das nennt, dass sie die Vögel abliefern sollen. Natürlich geht das dann über die fürstliche Kanzlei.“ „Wisst Ihr, wo die Vögel aufgezogen werden?“ „Ja, natürlich. Weiter oben, im sogenannten oberen Garten des fürstlichen Schlosses, praktisch bereits im Bergwald. Dort liegt ein förmlicher Zoo an Vögeln und Geflügel. Man kann auch recht nett Spazierengehen. Die Betreuer übernachten dort auch und sind stets für die Vögel da. Sie sind eine kostbare Delikatesse. Ich meine, die Vögel, im Allgemeinen und diese Drosseln im Besonderen.“ „War es nicht verwunderlich, dass Tsuyoshi sie sich wünschte, obwohl er doch wusste, dass Lord Masao und Ihr dem Fleisch eher abgeneigt seid?“ Shigeru schwang seinen Kopf und suchte nach Worten. „Ich habe mich wahrlich bemüht mit Tsuyoshi auszukommen, Lord Sesshoumaru. Aber er hatte immer … seinen eigenen Kopf. Ich erwähnte im familiären Gespräch die Drosseln – er wollte sie essen. Einfach, weil sie eine Spezialität und teuer sind. Ich fürchte, er wollte gern demonstrieren, aus welcher Familie er abstammte.“ Klang, als sei da jemand ganz nach seiner Mutter geraten. „Es waren sechs Wacholderdrosseln.“ „Ja, er aß drei, Onkel und ich je eine. Nun ja, teilweise, da dann ja der … Zwischenfall passierte.“ „Ihr glaubt, dass Hitomi ihn vergiftet hat.“ „Sie ist im Gefängnis, ja.“ Das war keine Antwort, aber nun gut. „Wie wurden denn diese Drosseln verteilt? Sie lagen auf einer Platte?“ „Ja. Rund um das Gemüse. - Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt, aber, äh, ja, ich drehte die Platte und schob sie Hotaru zu, damit der etwas für Onkel, Lord Masao, nehmen konnte. Der zerschnitt es dann und ich nahm mir auch eine, ehe ich die Platte zu Tsuyoshi drehte. Der nahm sich auch eine.“ Unmöglich, dachte Seine Eisigkeit resignierend. Das war alles einfach nicht möglich. Doch Zufall? Er musste dringend nachdenken, noch einmal die Zeiten überdenken – und Sakuras Bericht abwarten.   Kapitel 11: Die Aussage der Küchenmagd -------------------------------------- Sakura wusste zugegeben nicht, wie weit eine erneute Nachfrage ihrerseits in der Küche so unauffällig sein würde wie das der Erbprinz bestimmt wünschte, hoffte jedoch, dass das Personal dort gewechselt hatte und nun die Abendschicht dran wäre, also niemand wusste, dass sie schon hier mit Herrn Marui gesprochen hatte. Zumindest dieser war nicht da, und sie war schon einmal erleichtert, bat nur um etwas Tee, der ihr auch gebracht wurde, ehe sich eine ältere Frau zu ihr setzte. Sakura meinte sie zu kennen. Das war eine Dienerin, die zu ihrer Zeit drüben im Hauptschloss gearbeitet hatte, und die umgekehrt sie auch von daher noch kannte. Prompt meinte diese: „Du ... Ihr werdet Euch kaum mehr an mich erinnern. Ich bin Kimiko.“ Die höfliche Ansprache war der Heilerin geschuldet, dachte Sakura unverzüglich. Ja, es hatte sich viel in den letzten Jahren ergeben, sie viel gelernt. Und sie war definitiv in der Hierarchie aufgestiegen. Das verdankte sie nur der Freundlichkeit des Inu no Taishou sie Neigi zuzuweisen, und natürlich und vor allem der Gnade Seiner Eisigkeit sie überhaupt mitzunehmen. Fürst Takaeda hatte sie immerhin hinrichten lassen wollen und sie trug noch immer die Narben der Schläge auf dem Rücken, die nicht einmal der geschickteste Heiler verschwinden lassen konnte. Gnade und Seine Eisigkeit in einem Satz auch nur zu denken hätte wohl kaum jemand außer ihr fertig gebracht, das war ihr klar, aber nicht nur darum mochte sie ihn sehr. Er war für einen so jungen, doch außerordentlich mächtigen, Mann immer gerecht zu ihr. Ja, er strafte, aber nie ohne in seinen Augen einen Grund zu haben, und solange sie sich bemühte, nahm er sich sogar Zeit für manch private Frage. Natürlich um Menschen besser kennen zu lernen, aber er lernte. Und sie war schon länger nicht mehr bestraft worden. Was wollte ein als persönliche Dienerin zugewiesenes Mädchen mehr von einem Prinzen. Überdies sah er gut aus und wenn sie daran dachte, wie sie sein Haar während seiner Lähmung berühren durfte, wurde ihr immer noch warm. Dennoch, sie sollte weniger von Seiner Lordschaft schwärmen als für ihn ermitteln. „Kimiko. Ja, du hast drüben in der Küche gearbeitet. - Brauchst du den Rat einer Heilerin?“ „Nein, nein. Ich will Euch auch nicht lange aufhalten.“ Die Dienerin neigte sich verschwörerisch. „Man sagt, dass es im Dämonenschloss härter als hier sei. Wie strafen denn diese?“ Kimiko war schon vor Jahren neugierig und plapperhaft gewesen, aber das konnte hier hilfreich sein. „Ich weiß nicht, wie der mächtige Herr des Westens seine Dämonenkrieger bestraft. Sonst ist es wie in jedem Schloss. Es gibt Vorarbeiter für Männer und Frauen, für Menschen und Dämonen, die auch strafen. Ich, das gebe ich zu, bin da ein wenig draußen, denn mich darf nur mein Lehrer strafen, selbstverständlich neben dem Fürsten und seinem Sohn.“ „Der sieht ganz schick aus. Ist natürlich nichts für unsereins. Und Heiler müssten ja unverheiratet sein, oder? Minoru ist es.“ „Ja.“ Das war neutral, dachte Sakura. „Mich wundert ja, dass Ihr mit den Dämonen so zurecht kommt. Ich entsinne mich da eines sehr emotionales, vorlautes Mädchen, das oft genug geschlagen wurde.“ „Man lernt.“ Sakura war nicht wohl so auf ihre Vergangenheit angesprochen zu werden. Überdies benötigte sie Informationen, wollte sie nicht ausprobieren, wie duldsam der Hundeprinz im Augenblick war. „Ich denke, auch Lord Shigeru hat dies getan. Es war doch eine Strafe, dass er ins Kloster geschickt wurde. Er war ja der Erbe.“ „Oh, Strafe. Ja, doch, obwohl es natürlich ein Unfall war. Aber Lord Shige hatte nur diesen einen Sohn – und der würde ihm keine Enkel zeugen können, also suchte er einen anderen Weg um für das eigene Seelenheil zu sorgen.“ Das erklärte, warum Hitomi Tsuyoshi heiraten sollte und Shigeru noch immer unverheiratet war, es ging also doch um das Erbe der Linie. „Ein Unfall, so schwer, dass selbst Minoru ihn nicht mehr heilen konnte?“ „Was weg ist ist weg“, kicherte Kimiko verschwörerisch. „Aber Erbe ist er natürlich doch und deswegen hat ihn ja Lord Masao zurückgerufen. Zum Glück. Ich meine, das war nur drei Monate vor seinem Schlaganfall, und Lord Shigeru hatte so eine kurze, aber doch, Zeit angelernt zu werden. Er macht es ja auch nicht schlecht.“ Das sagten alle. Auch Sakura hatte einen höflichen, sachlichen, jungen Mann gesehen. Zu tragisch, wenn der keine Kinder bekommen konnte. Moment mal. Das bedeutete auch, dass Tsuyoshi ja auf jeden Fall dessen Erbe gewesen wäre - oder spätestens der Sohn von Hitomi. Darum also hatte der enterbte Cousin sein Schicksal so schweigend getragen, dass er selbst gegenüber seiner Mutter nicht rebellierte. Er wusste das, sie wohl weniger. Meistens waren Dienstboten dank des ewigen Tratsches besser informiert als die fürstliche Familie. Da musste sie nur an das Takaeda-Schloss früher denken – oder auch schlicht an die Tatsache, dass weder der Inu no Taishou noch seine Gemahlin und schon ganz und gar nicht Lord Sesshoumaru mitbekommen hatten, dass man ihr eine Affäre mit ihm andichtete. Gleich, sie sollte ja wegen der Drosseln fragen. „Lord Shigeru isst wohl gern Drosseln?“ „Ach, wegen diesem unglücklichen Essen? Er hat Herrn Marui zu sich kommen lassen und die Sauberkeit hier überprüfen wollen, also wirklich!“ Offenbar war das eine Beleidigung der gesamten Küchenmannschaft gewesen. „Ja, aber ich meine, er mag doch eigentlich kein Fleisch?“ „Nur bei den Familienessen muss er, ja, das kommt wohl aus seiner Klosterzeit. Lord Masao kann ja kaum mehr was essen, darum nur Geflügel, wenn überhaupt.“ „Das bestellt immer Hotaru? Ich meine, das für den Herrn?“ „Äh, ja. Wieso?“ Sakura beschloss etwas hektisch abzulenken. „Oh, nichts, ich dachte nur an die Drosseln, früher waren die nur im Garten oberhalb des Fürstenschlosses. Die müssen ja erst gefangen werden.“ „Ja, da sind sie auch noch. Stimmt. - Ach, wenn Herr Marui die Anweisung bekommt sie zu braten, sind sie ja schon im Korb.“ „Im Korb?“ „Äh, ja.“ Kimoko dachte sichtlich nach, wollte aber ebenso die Gelegenheit nutzen mit einer Heilerin zu plaudern. „Erinnerst du dich … ich meine, erinnert Ihr Euch? Oben ist der Vogelgarten, wo die Herrschaften auch spazieren gehen, auch die Herren von hier. Die Fürstin sitzt mit ihren Damen draußen im Schatten und stickt und so. Hotaru sagt, was der Herr wünscht, dann geht der Brief über die Kanzlei hier an die Kanzlei oben, die sagen dann denn Vogelwärtern, wie viele Drosseln sie aus den Käfigen holen müssen. Es sind immer sechs in einem Käfig. Naja, das passte dann ja auch. Der Bote kam mit den Sechsen im Korb. Herr Marui war natürlich etwas aufgeregt, er macht sie ja nicht oft und dann auch zu einem Familienessen – da kann er ganz schnell Ärger bekommen. Und den machte er uns dann, jawohl.“ „Sie wurden erst hier getötet?“ „Ja. Hals abdrehen, waschen, rupfen, abbrühen, dann bekommt sie natürlich der Küchenchef.“ „Oh. - Äh, wieso sechs Stück? Sind sie so wertvoll? Ich meine, sie sind doch recht klein, da wird man kaum von satt.“ „Das ist eine Delikatesse, sagt man. Ich habe ja so etwas noch nie bekommen. Also werden sie teuer sein.“ „Dann werden sie bestimmt schonend behandelt? Ich meine, wenn Herr Marui sie zubereitet, fasst sie niemand mehr an?“ „Nein, Marui ist der strengste Küchenmeister unter Amaterasus Sonnenlicht, ich schwöre es. Immer sauber, immer vorsichtig, immer … aber es gab auch noch nie einen Tadel, das gebe ich zu. Bis eben zu diesem Essen. Hitomi soll ihren Mann ja umgebracht haben, aber so schlimm war er auch nicht, und sie hätte ja mit einem Sohn auch die Chance gehabt hier die Hausherrin zu werden. Was Besseres gibt es doch nicht.“ „Nicht für unsereins“, gab Sakura zu, um das Gespräch am Laufen zu halten. „Aber es kam ja mindestens eine Drossel zurück?“ „Ja, schade – und einige Reste. Aber natürlich war den Herren wohl der Appetit vergangen, als Lord Tsuyoshi da … naja.“ „Verständlich, nicht wahr?“ „Natürlich. Aber erzählt doch jetzt mal. Wisst Ihr, wie so ein Dämon aussieht? Ich meine, es heißt, sie sehen anders aus, als man sie so sieht?“ Sakura seufzte innerlich, beschrieb aber einfach einen Hundedämon.   Als sie in das Gästezimmer zurückkam, erwies ihr der Erbe der westlichen Länder nicht die Ehre sich umzudrehen. So kniete sie eilig nieder und schloss die Tür hinter sich. „Bericht.“ Sie erzählte das Gespräch mit Kimiko, hoffte allerdings nur, dass er zufrieden wäre. Seine Frage hatte eigentlich gelautet, sie solle herausfinden, wer die Drosseln kennzeichnen konnte. Genügte das, was sie in Erfahrung hatte bringen können? Er wirkte so angespannt. Steckte er in einer Sackgasse? Der Dämonenprinz richtete sich ein wenig auf, ehe er instinktiv über seine Boa strich. Das konnte er jetzt nicht länger hinauszögern. Schon vor einer halben Stunde hatte er die überaus starke Präsenz eines mächtigen Dämons oben am Fürstenschloss gespürt. Eine nur zu bekannte Energie. Sein verehrter Vater hatte es für notwendig befunden den Fürsten Takaeda aufzusuchen. Es wurde höchste Zeit, dass er dem Herrn der westlichen Länder erklären konnte, was er selbst hier tat - und warum er seine Pflichten im heimatlichen Schloss vernachlässigt hatte. Ansonsten … Nein, er wollte das „Sonst“ gar nicht wissen. Kano und dessen Sippschaft wären vermutlich ein amüsanter Zeitvertreib dagegen. Immerhin war nun klar, wer wie und warum.     Kapitel 12: Die Aussage des Ermittlers -------------------------------------- Sakura riss mehr als hastig die Tür vor dem Hundeprinzen auf, als dieser ohne weiteres Wort losging. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie gerade noch die Fingerbewegung, sie solle ihm folgen, so dass sie gehorchen konnte. Ei du wei. Was war denn los? Auf dem Weg aus dem Weberschloss, dessen Bewohner alle aufatmeten, hinüber zum Hauptschloss des Fürsten Takaeda, stellte Sakura, soweit sie es wagte emporzublicken, fest, dass in der Tat etwas passiert sein musste. Hatte er den Fall gelöst und war auf jemanden wütend? Dann Gnade dem sonst wer. Hatte er jedoch den Fall nicht gelöst und musste vor einem Menschen eingestehen, dass er versagt hatte – das machte es nicht besser. Dann jedoch erst bedachte sie, dass angespannte Körperhaltung und vor allem dieses gesträubte Fell seiner Boa meist auf Emotionen hinwiesen. Und die besaß Seine Eisigkeit eigentlich nur im Umgang mit seinen Eltern. War etwa der Herr selbst hier eingetroffen – nachdem er gar gesehen hatte, dass sein Sprössling die ihm anbefohlene Vertretung im Stich gelassen und der Fürst den Grund dafür erfahren hatte? Sakura schluckte. Herrschaften neigten in solchen Fällen gern dazu sich statt des einzigen Erben den eigentlichen Verursacher zu suchen – und das wäre sie durch ihre Nachricht an Lord Sesshoumaru, dass es hier einen ungeklärten Todesfall gab. Er war doch nur neugierig gewesen – dass er ihr oder gar Hitomi helfen wollte, schloss sie energisch aus. Das konnte noch übel ausgehen, im ärgsten Fall musste sie zurück zu den Takaedas.   Sesshoumaru wusste, dass der Weg zwischen den Schlössern gut zwanzig Minuten benötigte, ebenso, dass sein Vater sicher spüren konnte, dass er selbst gehorsamst auf dem Weg war, und nahm sich in dieser Zeit noch einmal alle Zeugenaussagen vor. Aber eigentlich sah er nur zwei Möglichkeiten, was bei dem Essen geschehen sein konnte – und die Sache mit dem Bad ergänzte dies. Dazu noch einige Bemerkungen anderer, der gesamte Zeitablauf seit Shigeru zurückberufen worden war. .. Nein. Es musste einfach so gewesen sein. Sich vor seinem Vater rechtfertigen zu müssen war eine Sache – eine zweite, wenn dieser Shinichi Takaeda daneben saß. Die Schmach, sich vor einem Menschen anhören zu müssen, dass er sich irrte, seine Pflichten vernachlässigte … das allein wäre schon Höchststrafe!   Selbstverständlich teilten die sich wohlweislich niederknienden Wachen dem Dämonenprinzen mit, dass der Inu no Taishou eingetroffen sei und im Arbeitszimmer des Fürsten auf ihn warte. Gemeinsam mit diesem, wie sie nicht hinzufügten, da sie es sich kaum vorstellen konnten, dass jemand so unhöflich wäre einen Fürsten aus seinem eigenen Arbeitszimmer zu werfen. Sesshoumaru hätte sich das zwar gewünscht, aber er wusste schon lange, dass er mit bloßem Wünschen bei Vater zwar noch weiter kam als bei Mutter – sich seine Eltern aber erstaunlich einig sein konnten, was im Zweifel immer gegen ihn und seine Wünsche ging. Manchmal wäre ein Geschwister doch nicht schlecht, dann mussten sie sich nicht immer an ihm abreagieren oder auf ihn konzentrieren. Aber, womöglich ein Bruder wäre vielleicht noch mühsamer und anstrengender, vor allem, wenn dieser dann auch Vaters Wohlwollen genoss – oder gar mehr. Ach, war das Leben ungerecht!   Vor dem hohen Gast wurden eilig sämtliche Türen bis zum Arbeitszimmer des Fürsten aufgerissen und einige wagten es Blicke auf Sakura zu erhaschen. Sie entsannen sich nur zu gut des Mädchens, das auf der untersten Ebene aller Dienstboten gestanden hatte, sich oft genug Strafen eingehandelt hatte, nicht zuletzt dadurch, dass sie sich den Höherrangigen widersetzte, und jetzt leicht und unauffällig wie ein zweiter Schatten hinter dem Hundeprinzen her huschte, ohne den Blick vom Boden zu nehmen. Mit solchem Benehmen hätte sie auch hier es zu etwas bringen können, dachte sich mancher. Die Heilerschülerin ahnte, was kommen würde, und es gelang ihr, als Sesshoumaru in der Tür des Arbeitszimmers stehenblieb, um seinen Vater ordnungsgemäß zu begrüßen, irgendwie in geübtem Schwung nicht nur an ihm vorbei zu gelangen und sich auf den Platz der Dienstboten zu knien, sondern dies auch noch ohne ihn zu berühren – und ohne den Diener der Takaedas, der bereits dort hockte, über den Haufen zu rennen, sondern sich neben, fast hinter, diesem an die Wand zu pressen. Es war eine annähernd akrobatische Übung und der Inu no Taishou warf ihr einen stillvergnügten Blick zu, ehe dieser sich deutlich verfinsterte, als er seinen nur halbwegs geratenen Sprössling ansah, der sich eilig niederließ und verneigte – demonstrativ vor dem Herrn aller Hunde, ja nicht vor Fürst Takaeda. „Sesshoumaru.“ Na bitte, dachte der so kühl Angesprochene. Hatte er es doch gewusst. „Mein Herr und Vater.“ „Ich vermute, du reistest aus gutem Grund in dieses Schloss.“ Und das auch noch vor den Ohren dieses Menschen! Dieser Menschen! Nur langsam hob er den Kopf. „Selbstverständlich.“ Noch war es verständnisinnig formuliert seitens des Hundefürsten, aber das konnte sich rasch ändern, wenn er nicht einen vernünftigen, ausführlichen, Bericht ablieferte. Oder auch nur einen zufrieden stellenden. Dann lag - zumindest symbolisch – sein Kopf auf dem Block. „Darf ich es Euch erläutern?“ Der Taishou hob etwas die Linke, dabei nur zu deutlich seinen Fürstenring zeigend. „Ich sage dir, was ich bereits weiß. Es geschah ein Mord, die Ehefrau wurde verhaftet. Sakura, die sie offenbar zuvor angefordert hatte, kam mit deiner Genehmigung und sandte einen Boten mit eben dieser Nachricht an dich. Du eiltest her.“ Nun, was hatte er auch erwartet. Der Inu no Taishou war stets bemerkenswert gut informiert. Gegen diesen tappte er meist förmlich im Dunkeln. Und das war nicht nur auf Mordfälle bezogen. „Ja, verehrter Vater. Darf ich dennoch etwas ergänzen?“ Das „Danke“ für das Nicken brachte er vor den Ohren der Menschen doch nicht über sich. „Ich erlaubte Sakura die Reise, da sie diese Hitomi um Hilfe bat und sie sagte, dass sie in Hitomis Schuld stünde. Natürlich dachte ich zunächst an ein rein medizinisches Problem, zumal auch Neigis Einwilligung vorlag. Da mir dann jedoch der kürzliche, unglückliche, Zwischenfall mit der Dämonenseide in diesem Schloss einfiel, befahl ich einem Krieger mit ihr zu gehen und genauer zu berichten. Aus eben jenem, letzteren, Grund kam ich dann auch selbst. Ein erneuter, ungeklärter, Mordfall in der Seidenweberei, sei sie auch die für Menschen, erschien mir beachtenswert.“ Der Inu no Taishou musterte ihn ohne jede Regung. „Dein Bericht.“ „Bei dem Ermordeten handelte es sich um einen Neffen des Fürsten aus der Nebenlinie namens Tsuyoshi Takaeda. Hitomi war seit einem Jahr seine Ehefrau. - Die Beiden lebten, wie die gesamte Nebenlinie, im so genannten Weberschloss. Herr dieser Nebenlinie ist Lord Masao, er ist verwitwet und kinderlos, ein Halbbruder des hier anwesenden Fürsten.“ So war Shinichi Takaeda auch schon lange oder auch nie bezeichnet worden, aber er schwieg. „Ein zweiter Halbbruder, Shige, verstarb bereits und dessen Ehefrau lebt nun hier bei der Fürstin Takaeda. Ihr Sohn Shigeru wurde auf Befehl seines Vaters in ein Kloster geschickt um Mönch zu werden, nachdem er bei einem … bedauerlichen … Unfall seine Männlichkeit schon in jungen Jahren verlor.“   Er hatte „bedauerlich“ gesagt! Seine Eisigkeit! Sakura hätte fast die Lippen zu einem Lächeln verzogen, hielt es aber für überlebenswichtig stattdessen gebannt zu Boden zu blicken. Er musste sich tatsächlich vorgestellt haben, wie das wäre. Oder, was sie sich kaum denken konnte, er wollte gegenüber Fürst Takaeda höflich sein – oder er wäre nervös und es lief etwas zwischen Vater und Sohn, das sie nicht abschätzen konnte.   „Darum wurde auch nur Tsuyoshi, der Sohn einer Halbschwester des Fürsten, Lady Bara, verheiratet. Diese lebt ebenfalls im Weberschloss und war mit dem Vorsteher der Weberei verheiratet, dessen Erbe sein Sohn bereits mit vierzehn antrat. - Dennoch rief Lord Masao, selbstverständlich in Absprache mit Fürst Takaeda, nach dem Tode Lord Shiges vor einem Jahr Shigeru zurück, um diesen als Nachfolger auszubilden. Tsuyoshi wurde zur selben Zeit verheiratet. Ich vermute, dass man zwar von Tsuyoshi die nächste Generation erwarten durfte, jedoch Shigeru als der brauchbarere Verwalter erschien. Shigeru wird von allen, soweit ich hörte, anerkannt, ist ruhig und höflich, Tsuyoshi war doch eher … impulsiv.“ Auf den fragenden Blick des Hundefürsten hin, nickte der Schlossherr nur. Es klang mehr als eigen, die sorgfältig verschwiegenen Familienaffären so erklärt zu bekommen. Sesshoumaru sah erneut zu seinem Vater. Ausführlicher Bericht, ja, das konnte ihm helfen. „Dann allerdings geschah etwas, das wohl niemand erwartet hatte. Ohne Vorwarnung erlitt Lord Masao einen schweren Schlaganfall, den er, wenngleich vollständig gelähmt, allerdings bis heute überlebte. Jedoch ist er weder in der Lage zu sprechen noch zu schreiben. - Nun gut. Shigeru übernahm, wie es eigentlich erst nach dem Tod seines Onkels geplant war, die Verwaltung, und versprach Tsuyoshi, vermutlich um den ruhig zu stellen, dass er weiterhin der Leiter der Weberei sein solle, ja, später seine rechte Hand. Dieser war auch beruhigt, in einem Ausmaß, dass nicht er sein Frau tadelte, weil sie nicht schwanger wurde, sondern seine Mutter dies tat. Lady Bara hat das Gefühl unter ihrem Stand verheiratet worden zu sein und erhoffte sich durch einen Aufstieg ihres Sohnes zum Herrn des Weberschlosses, oder zumindest ihres Enkels, eine Verbesserung ihrer Lage. Der Druck auf Hitomi wurde so groß, dass sie sich an Sakura wandte.“   Er nannte tatsächlich ihren Namen! Sie wäre fast gerührt gewesen, hätte sie nicht gewusst, dass das nur rein sachlich gemeint war.   „Allerdings hatte es vor sechs Monaten, also drei Monate nach dem Zusammenbruch Lord Masaos, einen eigenartigen Zwischenfall im Bad gegeben. Sowohl Tsuyoshi als auch Ehefrau und Mutter, die gemeinsam im Bad waren, erkrankten. Der hiesige Heiler ließ sie im Dunklen und ließ sie nur kühlen, ehe die schmerzenden Quaddeln und die Röte nach zwei Tagen verblassten. Nach Neigis Auskunft eindeutig eine Reaktion auf eine Pflanze und deren Giftstoffe. Nun, kaum aus Zufall war diese den Dreien begegnet, denn niemand sonst litt nach dem Baden an diesen Problemen. Bei einem Blick in das Bad des Weberschlosses fiel mir auf, dass es möglich ist, den Kasten mit der Seife auszutauschen. Man geht dann aus dem Vorwaschraum, kleidet sich an und nimmt die saubere Seife mit und lässt die vergiftete zurück. Da immer nach der Rangordnung gebadet wurde, war klar, dass es jemand sein musste, der im Rang höher als Tsuyoshi steht – Shigeru, denn Lord Masao war unfähig dazu. Kein Problem auch die Seife wieder auszutauschen, wenn die Familie sich im eigentlichen Bad befindet. Falls ein Diener ihn sah, hätte er eben etwas vergessen. Es kann nur an der Seife gelegen haben, denn Menschen waschen sich damit die Körper komplett, jedoch nicht die Haare. Die Köpfe der Betroffenen blieben auch unversehrt. Im Übrigen muss die Dosis Pflanzengift enorm gewesen sein, waschen sich Menschen diese doch ab, ehe sie in das eigentliche Wasser gehen – und dort zeigten sich bereits die ersten Symptome. Überdies war es wohl ein Glück, dass die Drei vollständig bekleidet zurück in ihr Quartier gingen – sonst wäre es tödlich ausgegangen. Der Attentäter kannte Pflanzen, aber anscheinend nicht ausreichend ihre Wirkung. Warum der Scherz? Ich vermute, aber das wird er Euch sicher selbst erklären können, dass er ihn ärgern wollte, jedoch billigend die tödlichen Nebenwirkungen in Kauf nahm. Es war doch sein Konkurrent. Er wusste wohl nicht, da er stets allein badete, dass Tsuyoshi in Begleitung der Frauen sein würde, dessen bin ich mir sicher. Und ich vermute, es taten ihm diese Beiden auch Leid.“   Nanu, dachte Sakura. Der junge Herr, der nie Seife benutzte, kannte die Wirkungen? Woher wohl? Aber sie sollte ihn nie unterschätzen. Sie war einmal, gleich zu Anfang ihres Dienstes, versehentlich in die Boas des Herrn der Hunde und seines Erben hineingelaufen. Mal abgesehen davon, dass sie sich noch heute glücklich preisen konnte, dass das ohne, wenn auch nur instinktive, Strafe abgegangen war, so entsann sie sich doch der unterschiedlichen Gerüche. Nach einem milden Sommerwald das Fell des Fürsten, nach einer Frühlingswiese das seines Erben. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, womit Dämonen eigentlich Haar oder Fell pflegten. Vermutlich nie und das war einfach immer so.   Seine Lordschaft fuhr unterdessen fort: „Nur kurz darauf schlug er nämlich Lord Masao dann vor, dass auch Tsuyoshi zu ihren gemeinsamen, wöchentlichen, Essen zugezogen werden sollte. Sein übler Scherz war geglückt und er wollte verhindern dass Tsuyoshi auf die richtige Idee kam, ja, ihn näher eben mit Versprechen auf die Zukunft an sich binden. Dann jedoch erfuhr er früher oder später, er ist im Augenblick ja Leiter des Schreiberkanzlei Lord Masaos und hat als solcher Kontakt zu der hiesigen des Fürsten, dass ein Testament Lord Masaos existiert. Ich bin überzeugt, dass er das unauffällig einsah. Zu seinem Schrecken dürfte er festgestellt haben, dass das Testament noch aus der Zeit seines Klosteraufenthaltes stammte, Tsuyoshi als Erbe eingesetzt war. Lord Masao hatte dies vielleicht ändern wollen aber nicht mehr können. Nun, er wollte es wohl sicher, nach einer gewissen Probezeit für Shigeru. Das änderte die Sachlage für diesen grundlegend.“ „Mit Verlaub, ja, das Testament existiert noch, schließlich lebt mein Bruder noch“, sagte der menschliche Fürst. „Aber ich hätte natürlich die Position stets an den Fähigeren gegeben. Immerhin bin ich das Clanoberhaupt.“ „Habt Ihr das Shigeru gesagt?“   Kapitel 13: Die Auflösung ------------------------- Das „Habt Ihr das Shigeru gesagt?“ Seiner Lordschaft hing noch in der Luft, als Fürst Takaeda begriff, was dieser meinte. „Ihr glaubt doch nicht, Shigeru, der ja alles bekommen soll, zum Mörder wegen eines Testamentes wurde?“ Von dem mehr als üblen Scherz im Bad zu schweigen. „Nun, es gibt zwei Möglichkeiten. Das Bad zu vergiften – er hatte ja im Kloster Pflanzenkunde und Bannsprüche gelernt, nicht wahr? Das gemeinsame Essen ….schwierig, jemanden dabei zu vergiften, aber nicht unmöglich. - Verehrter Vater, habt Ihr je von einem menschlichen Essen gehört, bei dem alle Speisen derart gemeinsam zubereitet wurden, dass eigentlich alle oder niemand vergiftet wird und doch wird es jemand?“ Der Hundefürst sah ihn an. „Ich entsinne mich sogar eines dämonischen Getränks.“ Oh, ja, wie stand er denn jetzt da, dachte Sesshoumaru zerknirscht. Natürlich, diese Feierrunde, bei der einer der Gäste vergiftet wurde – und alle Indizien auf den Inu no Taishou deuteten. „Natürlich, vergebt, verehrter Vater.“ War das unangenehm. Hastig fuhr er fort: „Das Essen. Nach Neigis Auskunft sind Unfälle, oder zumindest einer, ihm bekannt, nach dem ein Mensch nach dem Genuss einer solchen Wacholderdrossel starb, da diese zuvor Seidelbastbeeren gefressen hatte. Seidelbast wäre übrigens eine Pflanze, die auch die Hauterscheinungen des Bades hervorrufen kann. Bei der Frage wer schuld an Tsuyoshis Tod sein könnte wandte ich mich daher den Drosseln zu. Sie werden alle im sogenannten oberen Garten des eigentlichen Fürstenschlosses gezüchtet, immer sechs in einem Käfig. Dort geht die Familie spazieren, wohl auch andere, die Vögel werden von Wärtern betreut. Der Täter hatte in jedem Fall Zugang zu diesem Garten. Er musste wissen, was Seidelbast bewirkt. Nun, auch das dürfte allgemein bekannt sein, soweit ich mich entsinne, ermahnen menschliche Eltern durchaus ihre Kinder vor Giftpflanzen. Der Mörder, denn das ist er, musste ebenso wie Neigi von einem derartigen Unfall gehört haben, durchaus möglich. Es werden Briefe gewechselt, auch zwischen Schlössern. Der Anschlag im Bad brachte ihn wohl auf diese Pflanze. Damit kamen noch immer eine Menge Personen in Betracht. Allerdings konnte man den Personenkreis deutlich einschränken. Um bewusst die Drosseln mit den Beeren zu vergiften, musste der Täter nicht nur Zugang zu den Drosseln haben, sondern auch wissen, was als nächstes Essen bei dem Treffen mit Lord Masao serviert werden würde. Er musste wissen, welche der Drosseln als nächstes geschlachtet werden sollen. Letzteres kein Problem, die Wärter wissen vermutlich genau welche in welchem Käfig es sein werden und geben in einem harmlosen Gespräch wohl auch Auskunft. Es ist ziemlich einfach dann, zwei Tage zuvor, oder auch nur einen, zu dem Käfig mit den entsprechenden Drosseln zu gehen und diese mit den giftigen Beeren zu füttern. Selbst, wenn der Täter gesehen wird: was ist dabei die Drosseln zu füttern? Auch ein Wärter würde kaum Einspruch erheben, denn er wüsste ja, dass Seidelbastbeeren den Tieren nichts ausmachen. Der Täter füttert sie vermutlich überaus reichlich, kehrt in das Weberschloss zurück und braucht nur abwarten. Die Drosseln werden gebracht, in der Küche zubereitet und serviert. Dabei ist auffällig, dass es sich bei der kompletten Mahlzeit um Dinge handelte, die unmöglich einzeln zu vergiften waren. Mit Sicherheit hat da eine Bestellung vorgelegen. Das Opfer selbst wollte die Drosseln, aber wer wäre noch in der Lage der Küche Anweisungen zu erteilen? Hitomi war damit auszuschließen, übrigens auch Lady Bara. Keine der Frauen hat das Recht bei diesem Männeressen mitzureden, Es blieben eigentlich nur zwei, oder genauer, drei, Personen übrig, auf die alle diese Voraussetzungen zutrafen. Von denen ist Lord Masao nach meinem eigenen Augenschein auszunehmen. Dass Tsuyoshi auf solche Art Selbstmord begehen wollte, ist auszuschließen.“ „Shigeru!“ keuchte Fürst Takaeda entsetzt. Seine Eisigkeit blickte ihn für einen Moment tatsächlich an, ehe er lieber wieder auf den Inu no Taishou achtete, als er fortfuhr: „Das war die eine Möglichkeit. Die Andere war der Mann mit dem felsenfesten Alibi: Hotaru. - Sein Deckmantel, er sei stets um Lord Masao, ist nichts wert. Sobald er eine Pause benötigt, baden oder schlafen will, ruft er Ito. Kein Problem, diesen kommen zu lassen und selbst in das Schloss hinauf zu gelangen, mit dem Wärter zu sprechen, am nächsten Tag die Vögel zu füttern. Etwas weniger Schlaf, das war alles. In einer Stunde war jeweils alles geschehen. Er wusste ebenso wie Shigeru, dass sich Tsuyoshi die Wacholderdrosseln wünschte – und er wusste, dass weder Lord Masao noch Shigeru Fleisch schätzen. Der Einzige, der davon reichlich essen würde, wäre das geplante Opfer. Falls wider Erwarten Shigeru doch mehr als ein paar Bissen zu sich nehmen würde, müsste er ihn ablenken, bei Lord Masao konnte er es selbst so steuern, dass der nur wenige Brocken erhielt. Tatsächlich bestätigte die Küche, dass sie eine ganze und zwei nur an gegessene Drosseln zurück erhielten, sie vermuteten, dass den Herrn der Appetit vergangen war, als Tsuyoshi starb. Als persönlicher Diener des Hausherrn ist er auch in der Lage über die Kanzlei das Essen zu bestellen, er ist alt und erfahren genug, um auch nur aus Zufall von solchen Unfällen gehört zu haben. Der Grund? Nun, seine Schwester ist als Aufseherin der Weberinnen die direkte Untergebene Tsuyoshis und mag ihm einiges mehr über den und dessen Art erzählt haben. Vielleicht sah er auch einfach nur in Shigeru den besseren Verwalter und Nachfolger für Lord Masao, denn ich bin sicher, dass er diesem treu ergeben ist. Ich bin jedoch überzeugt, Fürst Takaeda, dass er Euch Auskunft geben wird.“ „Oh ja, das wird er. Und auch mit Shigeru werde ich ein ernstes Wort sprechen. Eure Darlegung klingt überaus logisch, Lord Sesshoumaru.“ Mit einem Blick auf Sakura ergänzte der Fürst: „Ich werde Hitomi dann aus dem Kerker entlassen. Es ist überdies nicht gesagt, dass sie nicht trotz allem doch noch von Tsuyoshi schwanger ist, nicht wahr?“ Das nannte man wohl Optimismus, dachte der Hundeprinz, blickte jedoch etwas vorsichtig zu seinem Vater. Der Fall war soweit geklärt, aber war der Inu no Taishou auch zufrieden?   Sakura wagte es ebenfalls zum Herrn zu schielen. Hitomi war frei, das war gut, Shigeru würde sicher eine Strafe erhalten, aber am Leben bleiben, als letzter Erbe der Nebenlinie – und Hotaru, nun, er hatte nicht nur ein Clanmitglied ermordet sondern das der herrschenden Familie. Da würde es keine Gnade geben, auch, wenn das bedeutete, dass Lord Masao auf einen ergebenen Pfleger verzichten musste.   Der Dämonenfürst neigte sich ein wenig seitwärts. „Ich denke, werter Takaeda, dass es an der Zeit ist, Euch und Eure Familie das unter sich ausmachen zu lassen. - Gehen wir.“ Er stand auf und verließ den Raum, gefolgt von seinem etwas angespannten Sohn und Sakura, die sich dezent hinter ihren Herren anschloss.   Erst ein Stück vom Takaeda-Schloss entfernt fiel das nächste Wort. „Sesshoumaru.“ „Verehrter Vater?“ „Kehre nach Hause zurück und kümmere dich um die anstehenden Dinge. Ich werde noch ein wenig Spazierengehen.“ Das also war die prompte Reaktion auf sein eigenmächtiges Verlassen der Pflichten, dachte Seine Eisigkeit. Verlängerung eben dieser, von ihm als überaus lästig empfundenen, Aufgaben. Aber es hätte schlimmer kommen können. „Ja, mein Herr und Vater.“ „Nimm Sakura mit – Mädchen, du hast drei Tage frei.“ „Danke, mein Herr“, erwiderte sie, wohlweislich ohne erkennen zu geben, dass sie begriff. Lord Sesshoumaru musste weiter an Audienzen arbeiten – sie erhielt zusätzlich freie Tage. Das erhöhte sicher sein Gefühl der Strafe noch einmal empfindlich und sie sollte ihm keinen Vorwand liefern seinen Zorn darüber an ihr auszulassen. Immerhin wäre er nun wieder der Herr im Schloss und jeder seiner Befehle wurde ausgeführt, wenn der Hundefürst abwesend war. Tatsächlich presste Sesshoumaru ein wenig die Fangzähne aufeinander, aber, wenn er nicht noch mehr Ärger wollte, blieb ihm nichts andere übrig als zu erwidern: „Ja, verehrter Vater. Wünscht Ihr noch meine Begleitung oder darf ich mich verabschieden?“ „Geh.“ Erst als sein Sohn – mit Sakura unter dem Arm – verschwunden war, erlaubte sich der Herr der Hunde ein leises Lächeln. Ach, dieser Junge war impulsiv und ungestüm. Noch einige Jahrhunderte Erziehung, dann wäre er wohl so weit erst nachzudenken, ehe er handelte. Von wem er diese Eigenschaften wohl hatte?   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)