Gutenachtgeschichten von abgemeldet (Wichtelgeschichte für Erenya) ================================================================================ Kapitel 1: Kalte Dunkelheit --------------------------- 10 Oktober 2016, Spätabends Die unheimlich geformten stahlgrauen Wolken brauen sich zu einem Gewitterreich zusammen, welches den kompletten Himmel verdunkelt und kein Licht hindurch lässt. Augenscheinlich verschwindet auch die Abendröte hinter den dicken Wolkenschichten, sodass man nicht die letzten Sekunden des Sonnenuntergangs genießen kann. Stattdessen gleicht dieses Bild einer Naturgewalt. Vögel fliegen wild durch die Luft, um nach Schutz zu suchen. Instinkte erlauben keine Fehler unter dem Gesetz der Natur. Dunkelheit breitet sich über die Kleinstadt Trost aus, südlich einer Bergkette und nah am Fluss Wild River. Auf den Straßen sammeln sich die kleinen Lichtpunkte der alten Straßenlaternen und weisen den Weg mit spärlicher Beleuchtung. Das Dunkelgrün der Natur wird von der nächtlichen Dunkelheit verschluckt, als auch der Vorgarten eines Familienhauses. Vom Fenster des Kinderzimmers aus, beobachtet die 12-jährige Mikasa den Übergang von Tag zu Nacht. Die großen, dunkelgrauen Augen versuchen so viel wahrzunehmen, wie es in ihrem neugierigen Alter möglich ist. Das lange schwarze Haar umrahmt nicht nur ihren zierlichen Kopf, sondern betont auch die Begeisterung in ihren Augen, als ein Blitz ohne ein Donnerzeichen zwischen den Wolkenmassen erscheint. In ihrem weißen, schlichten Nachtkleid gleicht sie einem Engel. Der feine Stoff reicht bis zu den Knien und hält ihren Körper schön warm. Obwohl ihre Familie nicht viel Geld besitzt, stehen ihre Wünsche an oberster Stelle. Für ihren kleinen Schatz würde das Ehepaar alles tun, was in ihrer Macht steht. Diese Geste schätzt Mikasa sehr. Ein mildes Lächeln huscht über ihre Lippen, welches ihre Mutter als einen Sonnenschein bezeichnet. Mikasa kennt ihre Mutter Misaki, als eine liebevolle und verständnisvolle Frau. Trotz ihrer ärmlichen Herkunft fand sie in den ehrgeizigen Arzt Thomas die große Liebe. Später heirateten sie in orientalischer Tradition und bekamen ein wundervolles Geschenk; ihre lebhafte und neugierige Tochter Mikasa. Müde gähnt das Mädchen und reibt sich die Augen. Eigentlich muss Mikasa schon längst im Bett sein. Der altmodische, rot-lackierte Wecker zeigt schon 20:57 Uhr an und es tauchen auch die ersten Erschöpfungszustände auf. Gerade beschließt sie, schlafen zu gehen, als etwas ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie legt ihre Hände gegen die Fensterscheibe, um sich besser beim genaueren Hingucken abstützen zu können. Auf der anderen Straßenseite flackert das Licht einer Straßenlaterne und ein leises Surren unterbricht die Stille. Neugierig überwacht sie das Geschehen weiter, als Mikasa plötzlich einen Schatten hinter der Laterne entdeckt. Wie in Zeitlupe weiten sich ihre Augen und eine Erinnerung spiegelt sich in den silbergrauen Seelenspiegel wieder. Unbewusst schlägt ihr Herz höher. Das Geräusch von aufladender Elektrizität ertönt, wodurch die Lampe der ersten Straßenlaterne zerspringt. Dadurch gewinnt der Schatten an Stärke und formt sich vom Boden zu der Größe einer jungen Frau empor, aber ohne erkennbares Zeichen einer Identität. Über den gepflasterten Fußweg schreitet der Schatten durch die Dunkelheit. Je näher sie der nächsten Laterne kommt, desto mehr verblast das Licht in einem schwachen Schein. Kaum steht der Schatten vor dem Lichtkegel, als die Beleuchtung nach ein paar Flimmern verschwindet. Aus Mikasas Sicht sieht es so aus, als ob der Schatten an der Stelle sich vorsichtig heran tastet, wo vorher das Licht schien. Keine Sekunde weicht Mikasa dem Vorgang von der Seite. Langsam gewöhnen sich Mikasas Augen an die Düsternis, in der sie etwas Unheimliches beobachtet. Es scheint sich zu regen. Der Schatten füllt sich mit einer viel lebendigeren Aura als vorher, darum gleicht es einer pechschwarzen Seele ohne einen Körper als Halt. Oben leuchten drei blau schimmernde Punkte, die sich nach einigen Sekunden als zwei pupillenlose Augen und einem unförmigen Mund herausstellen. Anscheinend zeigt es jetzt seine wahre Gestalt. Nun schaut es sich ständig um und dabei geht es mit einer tödlich eleganten Bewegung voran. In die Richtung des gegenüberliegenden Familienhauses richtet es seinen schauerartigen Blick. Wie von Sinnen schüttelt es angewidert den Kopf und guckt sich weiter um. Plötzlich zuckt es zusammen, weil es kurz den Lichtstreifen der Straßenlaterne berührt. Die Wut in der Gestalt brodelt so stark, dass es die Augen zu Schlitzen formt und mit einem hohen Kreischen die Glühbirne zum Platzen bringt. Ein Schauer durchfährt Mikasa. Ihre Finger fangen auf der kühlen Fensterscheibe an zu zittern. Selbst ihre schmalen Lippen beben neben den wachsamen Sinnen. Wie in einer Winterstarre rührt sich im Körper kein Muskel und sie spürt ihren eigenen Atem gegen das Glas. Da das furchtsame Augenpaar die Grenze der Ausweitung nicht überschreiten kann, zucken ihre Augen ständig wild herum. In den Moment wünscht sie sich, schon im Bett friedvoll zu schlafen. Schön eingekuschelt in der Wolldecke und schlummert während eines Traumes auf der weichen Matratze. Leider stellt die Realität andere Regeln auf. Das Mädchen befürchtet bei dem Anstarren nichts. Nur ein ungutes Gefühl breitet sich in ihren Magen aus. Ein Grinsen bildet sich bei der Gestalt, während es wie beim ersten Treffen freudig zu winkt und schaut Mikasa mit Begierde an. Angst bringt Mikasa aus ihrer Starre zurück. Endlich erkennt sie die Situation, wobei sie immer noch am Fenster steht und über den nächsten Schritt nachdenkt. Jedes andere Kind malt sich bestimmt so etwas als einen zauberhaften Moment aus, da es gerne seiner Fantasie folgt und erachtet alles Neue als spannend, um es genauer zu untersuchen. Dagegen ist Mikasa schon etwas reifer, weil sie eher ihren Gefühlen vertraut als den naiven Kinderverstand. Die Situation vor ein paar Tagen will sie nicht noch einmal erleben. Genau dieser Gedanke gibt ihr die Kraft zur Bewegung. Draußen geht der Schatten auf das Haus zu, wo Mikasas Familie wohnt. Die Haltung ähnelt einer feinen Dame, doch dieser Vergleich wird durch das diabolische Grinsen zerstört. Unter Mikasas aufmerksamen Blick betritt es den Vorgarten. Der Weg ist mit zarten Blütenblättern übersät, als es den Rasen mit leichten Schritten durchquert und den Blick zu Mikasa aufrechterhält. Nachdem sich die Lage verschärft, lockert sie ihren Körper und versucht sich zu beruhigen. Aus einem bestimmten Grund atmet Mikasa schneller, als sich der Schatten dem Haus nähert. In ihre Lunge breitet sich ein Druck aus, der die Lungenflügel mit viel Luft füllt, wodurch sie schwerer atmet. Sie bekommt Angst. Große Angst. Es will hierher, aber das kann Mikasa nicht zu lassen. Tatterig senkt sie ihr Haupt. Das Mädchen schließt die Augen und schüttelt den Kopf. Jetzt darf sie nicht schwach werden! Bevor noch etwas Schlimmes passiert, was sie ja nach der schweren Zeit nicht will. Noch liegt der Schock in den Knochen, doch sie hebt ihren Kopf hoch und öffnet fast geistesabwesend die Augen. Zuerst blickt sie auf den unteren Türrahmen, um noch einmal die Gedanken zu sortieren. Irgendwie steigt in ihr ein mulmiges Gefühl auf, was nicht auf Übelkeit zurückführen lässt, sondern von einer Kälte auf ihrer hellen Haut stammt. Ungewöhnlich fremd fühlt es sich an, ganz anders als die herbstliche Frische und winterliche Kälte. Dabei bemerkt sie nur einen Punkt, der sich beinah lebendig anfühlt. Mikasa hält die Ungewissheit nicht mehr aus und ihr Blick folgt dem Ursprung dieses Empfindens, zu ihren Händen an der Fensterscheibe. Auf dem Glas haftet der Frost, welcher die Sicht nach draußen versperrt. Klirrend kalt nimmt sie die Fensterscheibe wahr, worauf eine Gänsehaut sich bei ihr bildet und alle Härchen zu Berge stehen. Klopf Klopf! Der Schreckmoment lässt sie zusammen zucken, wobei sie auch einen Schritt vom Fenster weicht. Dicht hält sie ihre Arme vor der Brust und bringt dann auch ihre Atmung unter Kontrolle. Sie neigt ihren Kopf zur Tür, da sie sicher ist, von dort kommt das Klopfen her. Sofort begreift sie, dass sie falsch liegt und ihre Augen durchsuchen ihr Zimmer. Kein Zeichen von der Quelle ihrer Furcht. Klopf Klopf! Augenblicklich werden ihre Augen tellergroß. Das glatte, lange Haar sträubt sich wegen eines Verdachtes auf und dreht sich begriffsstutzig zum Fenster um. Etwas Spitzes kratzt am Fensterglas herum, wie die Kreide auf einer Tafel. Wie durch Zauberei verschwindet der Frost am Glas. Doch was Mikasa dort sieht, lässt ihr das Blut förmlich in den Adern erfrieren. Vor dem Fenster schwebt der Schatten herum, grinst Mikasa gierig an und beschädigt die Scheibe mit weiteren Kratzern. Mikasas Zimmer befindet sich im zweiten Stock, also kann das Wesen doch nicht hier rauf, oder doch?! Eigentlich will Mikasa nur schreien, jedoch hält etwas sie davon ab. Die Kälte breitet sich in Mikasas Zimmer aus und umschließt das Mädchen wie ein Mäuschen in der Falle. Sämtliche Alarmglocken klingeln bei ihr. Hier ist Mikasa nicht mehr in Sicherheit und flüchtet aus dem Zimmer. Als sie an der Tür andauernd ruckelt, scheint die Tür fest gefroren zu sein. Zudem hämmert sie noch gegen das weiße Holz. Sie will nur hier raus und wirft noch einen letzten Blick zum Fenster, was jetzt offen steht und die weibliche Gestalt hinein spaziert. Sanft landet der Schatten auf den Boden, guckt sich neugierig im Kinderzimmer um und erblickt Mikasa an der Tür, die eigentlich flüchten will, aber wegen der verschlossenen Tür nicht kann. Ohne weitere Fluchtmöglichkeiten stellt sich Mikasa als ein einfaches Opfer heraus. Ihre Kehle fühlt sich vollkommen trocken und kalt an, sodass sie keinen Laut heraus kriegt. Ein metallisches Klirren mischt sich unter die angespannte Situation, da Mikasa immer noch ihre Hände um die Klinge gelegt hat und dabei wie verrückt zittert. In den silberfarbenen dunklen Augen füllen sich die ersten Tränen. Selbst ihre Füße treten auf Eisflächen, die bei einem weiteren Schritt sie zum Fall bringen. Gerade ärgert sich zudem Mikasa, wieso sie nicht beim Blitzzählen kein Licht im Zimmer an hatte. Dann wäre dieses Wesen bestimmt jetzt nicht hier. Durch die Kälte sind ihre Sinne betäubt. Aus einem unbestimmten Grund ertönen kaum noch Geräusche, mit Ausnahme des aufgeregten Herzklopfens. Ihre Sinne können durch die bizarre Atmosphäre nicht mehr die Umgebung wahrnehmen, als ob sie im Eis gefangen wären. Die Kraft zum Schreien fehlt Mikasa ebenfalls. Der Schatten findet Mikasas Zustand amüsant, daher lacht es, ohne dabei einen Laut von sich zu geben. Inzwischen überzieht eine hauchdünne Schicht aus Eis und Glätte die Flächen im Kinderzimmer. Jede Spur von Wärme existiert nicht mehr in den Raum. Um Mikasa keine Fluchtmöglichkeiten zu ermöglichen, schließt es auch die Fenster und der letzte Ausweg nach draußen vereist zu einer Barrikade. Erneut starrt das Wesen sie an und grinst ihr vergnügt zu. Eine Geste, die man bei Mikasa nicht sehen kann. Im Gegenteil, sie presst ihre Kiefer zusammen und schaut den Eindringling bedrohlich an. Die am Anfang ängstlichen Augen blicken den Schatten jetzt ruhig und selbstbewusst entgegen. Als Erstes taucht ein überraschter Ausdruck beim Schatten auf. Anschließend fuchtelt es wütend mit den Armen herum. Von Mikasas schnellen Stimmungswechsel scheint es nicht begeistert zu sein. Daher geht es auf Mikasa zu. Um die leere Hülle wirkt die Schattenaura etwas mehr aufgebracht, als die Berührung mit dem Licht. Für Mikasa heißt das nichts Gutes und will zum Bett flüchten, als ihre Hände an der Türklinge festkleben. Aus dem launischen Blick wandelt sich zu einer Mimik der Verzweiflung. Raue Laute kommen aus ihrem Mund, als Zeichen des Unglaubens, was jetzt oder gleich geschieht. Kleine Tränen kullern über ihre Wangen und kristallisieren sich zu Eiskugeln. Mit Kraft rupft sie an der Türklinge, in der Hoffnung endlich frei zu sein, doch dabei entsteht nur ein schmerzhaftes Ziehen auf den Handflächen. Über diese Neuigkeit freut sich das Wesen und braucht nur noch 4 Schritte bis zu dem Mädchen. Um sich zu schützen, will Mikasa es solange mit Tritten abwehren. Zu ihrem Pech stecken sie Füße auch am Eisboden fest. Sie fühlt sich hilflos. Hoffnungslos schließt sie die Augen, hört mit dem Widerstand auf und wartet auf ihr Todesurteil. Hinter ihren Rücken drängt sich die Kälte soweit vor, dass Mikasa beinah in Ohnmacht fällt. Nicht nur die Muskeln werden schwer wie Blei, auch ihre Augen, die fast ihren Glanz verlieren, fallen bald zu. In den Zustand ist Mikasa die perfekte Beute, ohne Gedanken und Umsetzung von Gegenwehr. Sogar die Freiheit zum Weinen wird ihr nicht gegönnt, da die Tränen sich ruckartig verfestigen. Zufrieden grinst der Schatten. Nach dem letzten Schritt legt es seine Hände auf Mikasas Schultern und reißt weit den Mund auf. Tief in Mikasa herrscht eine schwarze Leere, welche sich von innen nach außen durchfrisst und auch ihre Seele befällt. Dieser Vorgang schmerzt so sehr, als ob Bienen gegen ihre Haut stechen. Plötzlich hallt ein lauter Schrei durch das Kinderzimmer. Bevor Mikasa das Bewusstsein verliert, entfernt sich die eisige Umarmung von ihr und sie kann langsam wieder auftauen. Ihre Augen erhalten den Glanz zurück und der Atem baut sich auch schrittweise auf. Neben den zitternden Körper klagt ihr noch leichte Schmerzen im Brustbereich, da auch das Herz fast den Willen zum Weiterschlagen verlor. Doch im Inneren lodert wieder die Flamme des Lebens. Vollkommen erleichtert hechelt Mikasa und Schweißperlen rollen über ihre blasse Haut. Inzwischen färbt sich die gesunde, helle Haut zu einer bleichen, kühlen Farbe. Die Sicht ist noch etwas verschwommen. Um wieder Herr der Sinne zu werden, atmet Mikasa noch einmal tief durch und konzentriert sich auf die Umgebung. Kalt. Dunkel. Still. Wie von der Tarantel gestochen, steht sie kerzengerade auf und neigt ihren Kopf nach hinten. Verdutzt sieht sie den Schatten an, der sich ganz hinten in der dunkelsten Ecke versteckt. Die weißen Flecke an dem Schatten fallen Mikasa auf der Stelle auf, vor allem an den Händen und Armen. Anscheinend hat die Gestalt Schmerzen und deshalb von Mikasa abgelassen. Nur der Grund bleibt Mikasa ein Rätsel. Sie erinnert sich nur, wie es seine Hände auf ihre Schultern legte und nach einigen Sekunden mit einem Schrei sein Vorgehen beendete. Derzeit erkennt sie ihr Chance auf eine mögliche Flucht. Als Erstes muss sie sich von der Türklinke befreien, bevor sich die Gestalt erholt. Mit Zerren und Druck entfernt sie ihre rechte Hand aus der Eisfalle, jedoch sind einige Hautfetzen entrissen. Tapfer beißt Mikasa ihre Zähne zusammen und dann folgt die nächste Befreiung ihrer linken Hand. Ein mildes, schiefes Grinsen erscheint sich auf den Lippen. "Ahhhhh … ngh … wahhhhh", jault das Mädchen beinah wie ein Wolf in der Falle und der erstickende Schrei wird durch die Kälte in der Kehle langsam eingedämmt. Reflexartig klammern sich ihre Hände um das Handgelenk, welches ihre langen Haare nach oben zerrt. Vor Schmerzen verzieht sie krampfhaft das Gesicht und ihre Füße berühren nicht mehr den Boden. Die Hoffnung zerbricht in 1000 Teile. Sie zappelt mit den Beinen herum, um wieder Halt zu finden, was leider nicht klappt. Ein kratziges Keuchen entfährt Mikasa, weil der Schatten weiter ohne Gnade an ihren Haaren zieht und die übernatürliche Kälte gleitet über das Haar zum Kopf. Frost greift ihre Nerven im Kopf an. Erneut erklang ein heiserer Schmerzensschrei aus ihrer Kehle und Tränen aus Eis fallen zu Boden. Da es dem Schatten zu langweilig wird, schleudert er sie weg. Mikasas Körper prallt mit voller Wucht gegen die Wand, wo sie dann unsanft auf ihr Bett landet und dort mit einem schmerzerfüllten Stöhnen liegen bleibt. Mit einem siegessicheren Grinsen läuft es auf das beinah bewusstlosen Mädchen zu. Währenddessen sinken die Temperaturen im Raum, die Mikasas Bewegungen sehr beeinflussen. Sie kann sich kaum bewegen. Ihre dunkelgrauen Augen strahlen pure Angst aus, obwohl in ihr alles daran schreit, sie soll wieder aufstehen. Der menschliche Verstand regt jeden dazu an, um sein Leben zu kämpfen. Auf einmal spürt sie ein Funken Wärme an der rechten Wange. Darum öffnet sie ihre Augen wieder und wendet ihren Blick ein Stück nach oben. Ein Stück von ihrem heißgeliebten Schal kommt in Kontakt mit ihrem Gesicht. Das dunkelrot-schwarze Stoffmaterial erweckt in dem Mädchen eine wichtige Erinnerung. An ihrem letzten Geburtstag schenkte ihr Vater Mikasa diesen Schal, als er bei einem Arztbesuch in Peru war. Aus feinen Baumwollfäden geflochten, ließ Thomas den Schal herstellen, aufgrund ihrer damaligen Alpträume. Aus Dank für Thomas Hilfsbereitschaft soll der Schal auch böse Geister vertreiben. Die Einheimischen waren ein sehr gläubiges Volk, was Geister und Dämonen betraf. Seitdem sie den Schal um ihren Hals trägt, kehren keine bösartigen Träume mehr zurück und sie fühlt sich in unruhigen Nächten sicher. Mit letzter Kraft schnappt sie sich den Schal und wickelt diesen um ihren Hals. Das matte Grau in den Augen verändert sich zu einem warmen Silberton und ihre blasse Haut gewinnt wieder an sandfarbiger Farbe zurück. Zum Schluss erhöht sich ihre Körpertemperatur, wobei das Herz regelmäßig weiter schlägt. Sie atmet durch. Um Mikasas Körper bildet sich eine wohlige Aura, ein glückliches Gefühl wie die Umarmung der Eltern. Schnell denkt Mikasa an die Schattendame, welche einen großen Abstand zu Mikasa hält. Von dem Angriff hat sie sich noch nicht erholt. Mit dem Rücken an der Wand gelehnt, bemerkt Mikasa, wie um ihr das Eis anfängt zu schmelzen, wie der Wechsel vom Winter zum Frühling. Dagegen zeigt die Gestalt keine Freude, eher kocht sie innerlich vor Wut, sodass sie vor Zorn die Fensterscheibe zum Aufplatzen bringt. Kurz kreischt Mikasa auf und hält die Hände vor dem Gesicht. In diesen Moment blitzt es am Himmel und die Scherben fallen klirrend auf den Boden. Selbst ein Donnerschlag versetzt das Mädchen noch mal in einen Schrecken. Sie vergräbt ihr Gesicht in den Schal und wartet ab, bis Ruhe im Zimmer einkehrt, aber die Angst bleibt bestehen. Als nichts mehr passiert, öffnet sie ihre Augen und schaut sich aufmerksam um. Jedes Detail betrachtet das Mädchen im Raum, um nichts außer Acht zu lassen. Nachdem sie sich umgeschaut hat, regt sich langsam ihr Körper und setzt sich auf. Für einen Augenblick schlägt ihr Herz so hoch, dass es beinahe explodiert und sie kaum atmen kann. Durch das wahrscheinliche Verschwinden des Schattenwesens beruhigt sich ihr Körper von alleine. Den Schal hält sie ganz fest. Vor Aufregung rührt sie sich nicht vom Fleck, dagegen spitzt sie Augen und Ohren, weil es zu jeder Zeit wieder zu einem Angriff kommen könne. Sie erkennt ihre Chance zur Flucht und rennt hoffnungsvoll zur Tür. "Verdammt … wieso ge-geht die T-Tür jetzt nicht … auf? Mo-Moment mal! I-Ich kann … ja wieder re … den. D-Die Kälte … ist ja au-auch weg", murmelt sie etwas erschöpft. Sie lehnt sich mit den Rücken gegen die Tür und rutscht am Holz nach unten entlang. Die Arme fest um die angewinkelten Beine umschlungen, versteckt sie ihr Gesicht tiefer in den Schal. Ein Schluchzen durchbricht ihre innerliche Unruhe und sie wischt mit den Handrücken die Tränen weg. Tief in ihren Herzen sticht ein alter Schmerz, welcher ihr Herz beinah zum Stillstand führt. Die graue Augenfarbe wirkt glasig und mit Traurigkeit gefüllt. Auf einmal flüstert sie ein Wort, dass ihr Herz empfindlich berührt: „Mama“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)