Die Geschichte ohne Namen von SmilingMana (heißt wirklich so) ================================================================================ Kapitel 4: Der Anruf -------------------- Tifa würde ihn umbringen. Die ganze Welt würde ihn umbringen. Er, Cloud Strife, war einfach mal so mit seinem Ex-Todfeind, den er anderthalb Jahre zuvor umgebracht hat, in die Kiste gehüpft... oder besser gesagt, auf den Glastisch. Naja, immerhin etwas, was nicht jeder Held von sich behaupten kann... Langsam ließ er sich auf Sephiroths weiches Bett nieder. Er hat mit dem Gedanken gespielt, jetzt einfach auf sein Motorrad zu steigen, nach haus zu fahren und die Sache zu vergessen, doch er fühlte sich viel zu übermüdet und aufgewühlt, um irgendetwas tun zu können. Er würde wohl die Nacht bei Sephiroth verbringen müssen, ob er es wollte oder nicht. Viel konnte ja nicht mehr passieren, jetzt, wo beide erschöpft und ausgelaugt waren. Cloud hatte sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und in die Decke gekuschelt. Als Sephiroth nach einiger Zeit ebenfalls ins Zimmer kam, tat er so, als würde er schlafen. Aus den halb geöffneten Augen beobachtete er ihn, wie er sich entkleidetete – komplett! – und zu ihm ins Bett legte. „Cloud?“ Cloud kniff die Augen fest zusammen und gab ein Geräusch von sich, was wohl ein Schnarchen darstellen sollte. „Entschuldige... Cloud!“ Er rüttelte an seinen Schultern, um den vermeintlich Schlafenden zu wecken. Cloud rieb sich die Augen. „Was is?“ „Ich wollte nur vorschlagen, dass wir die Sache mit Blacky morgen früh klären. Frühstück mach natürlich ich. Und, ach, war das dein erstes Mal?“ Die Frage klang ganz gleichgültig, doch sein Blick verriet reinste Neugierde. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Sephi.“ Mit diesen Worten drehte Cloud sich von ihm weg und schlummerte endlich richtig ein. „War ja nur ne Frage...“ Sephiroth griff nach dem Rest der Decke, den Cloud ihm übrig gelassen hatte. Während er tiefer ins Bett rutschte und sich leicht an Clouds Rücken schmiegte, huschte ein Lächeln über seine schmalen Lippen. Wieso hatte er die Frage eigentlich gestellt? Er kannte doch die Antwort... Die Sonne strahlte so hell wie seit Meteorfall nicht mehr. Eine sanfte Brise brachte den Geruch von Blumen und frisch gemähtem Gras mit sich. Und inmitten dieser Herrlichkeit, dieser Frühlingspracht, befand sich Sephiroth und war gerade dabei, seinen ersten ausgewachsenen Chocobo einzureiten. Natürlich bockte er, versuchte, das ungewohnte Gewicht von seinem Rücken herunterzubefördern, doch Sephiroth hielt die Zügel ganz fest und ließ sich nicht abwerfen. Mit großen Augen standen die jüngeren Chocobos auf der Koppel herum und beobachteten die Szenerie. Übermütig scharrten und warrkten sie, feuerten die beiden bei ihrem ersten Ritt an. Doch dann, ganz langsam, veränderten sich ihre Stimmen, sie wurden schriller und nervender und irgendwie... unangenehm. Sie klangen wie... ja, wie gackernde Hühner. Hühner??? Sephiroth schreckte hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er realisierte, dass er in seinem Schlafzimmer lag und dass die Szene, von der er geträumt hat, bereits mehr als ein Jahr zurücklag. Doch obwohl er jetzt vollkommen wach war, hörte das lästige Gegackere nicht auf. Dabei... hielt er sich doch gar keine Hühner auf seiner Farm. Er stand auf und lief zum Fenster. Aber draußen war nichts Ungewöhnliches zu sehen, wenn man von Clouds Motorrad einmal absah. Trotzdem war das Gegackere lauter geworden. Sephiroth ging noch ein bisschen durch den Raum. Er stellte fest, dass sich die Quelle des lästigen Geräusches anscheinend nicht draußen befand, sondern hier... in seinem Schlafzimmer. Sein Blick wanderte zu Cloud, doch der schlummerte trotz des Lärmes friedlich vor sich hin. Dann erspähte er Clouds Jacke und seine Hose, die beide an den Griff von einem von Sephiroths Schränken hingen... und ihm kam ein Verdacht. Etwas umständlich pflückte Sephiroth die Sachen vom Schrank und zog die Taschen nach außen. Die der Hose waren größtenteils leer (außer eine der Arschtaschen, darin befand sich Clouds Geldbörse). In der Jacke bewahrte er neben seiner Motorradbrille und einem Schlüsselbund auch nur sein Handy auf... und wie vermutet, war genau das die Ursache für diesen Höllenlärm. Sephiroth nahm den Störenfried an sich und lief zum Bett zurück. Langsam bekam er Ohrenschmerzen von dem ständigen Gegackere, aber Cloud schlief immer noch wie ein Baby. Sephiroth klappte das Handy auf. Er warf einen Blick darauf – auf dem kleinen Display war das Bild einer jungen Frau mit dunklem Haar zu sehen. „Tifa ruft an“ stand am oberen Rand. Tifa... Die kenn ich doch. Was will die denn von Cloud? Auf jeden Fall muss es was sehr Wichtiges sein, sonst hätte sie es bestimmt nicht acht Minuten lang klingeln – äh – gackern lassen... Sephiroth setzte sich auf`s Bett und hielt Cloud das Handy ans Ohr. Die Augenbrauen des Blonden zogen sich entrüstet zusammen, als die schrillen Geräusche plötzlich so schmerzhaft nahe an seinem Trommelfell waren. Nach zehn Sekunden klappte er seine schönen blauen Augen auf und blickte direkt in Sephiroths Grüne, in denen das Mako heute morgen ganz besonders hell glitzerte. Er ließ seinen Blick über den Weißhaarigen schweifen und merkte, dass dieser immer noch nackt war. „Dein Handy, Cloudo.“ Cloud richtete sich ruckartig auf und spähte nach der Quelle des Gackerns. Er nahm sein Handy aus Sephiroths Hand. Mit einem für ihn typischen Schmollmund drückte er auf eine Taste. „Mmh?“, knurrte er als Begrüßung. Während Sephiroth sich anzog, hörte er eine keifende Frauenstimme, die Cloud mit einer ungeheuren Geschwindigkeit vollquasselte. Der Blonde hielt sich mit einer Hand die Stirn fest, als hätte er jetzt schon Kopfschmerzen von dem Gespräch. Oder er hat Kopfschmerzen wegen gestern nacht, dachte Sephiroth und verkniff sich ein Schmunzeln. „Ach wirklich?“, fragte Cloud nach fünf Minuten, in denen er nur auf eine Pause in ihrem Redeschwall gewartet hat. „Gut... Ich komm schon... Ja, sofort... Darüber reden wir später...“ Dann klappte er sein Handy wieder zu, vergrub den Kopf in seinen Händen und atmete tief durch. „Was war denn?“, fragte Sephiroth vorsichtig nach, nachdem Cloud minutenlang gar nichts gemacht hatte. „Ich muss los“, antwortete der Blondschopf und gab endlich wieder den Blick auf seine blauen Augen frei. Ganz langsam, als tue ihm alles weh, stand er auf und sammelte seine Klamotten zusammen. „Was ist denn passiert?“ „Eines unserer Waisenkinder wird vermisst“, sagte Cloud tonlos und schloss seinen Gürtel. Man musste kein Profi sein, um an den zitternden Bewegungen seiner Hände zu erkennen, dass ihm die Sache näher ging, als er zeigen wollte. „Ach stimmt ja, ich hab schon gehört, dass du dich um Waisen kümmerst... Willst du nicht wenigstens noch zum Frühstück bleiben?“ „Nee, keine Zeit.“ „Und was ist mit Blacky?“ „Oh... Kannst du ihn mir vormerken, Sephi? Ich komm auf jeden Fall in den nächsten Tagen nochmal her...“ „Klar kann ich das.“ Er schenkte Cloud ein Lächeln, wie er es bei ihm noch nie gesehen hatte. „Gibst du mir deine Nummer?“ „Meine Handynummer? Argh... Wenn du sie nicht leichtfertig weitergibst...“ „Wem sollte ich sie denn weitergeben? Ich hab keine Freunde. Dann sag ich dir Bescheid, wenn es noch einen Interessenten für Blacky gibt. Und meine Nummer hast du ja, oder?“ Cloud dachte einen Moment darüber nach, woher er Sephiroths Nummer kennen sollte, doch dann fiel ihm die Anzeige wieder ein. Er zog sie hervor, tippte die Nummer in sein Handy ein, speicherte sie als „Chocobo-Farm S.“ und gab Sephiroth seine Nummer. „Und du willst wirklich nichts essen, Cloudo?“, fragte Sephiroth, als er die Speicher-Taste gedrückt hatte. „Nein... ich geh jetzt... Wir sehen uns.“ „Ja... Und, Cloudo?“, rief Sephiroth ihm nach, als er schon die Tür erreicht hatte. „Ja... Sephi?“ „Hübscher Klingelton, den du da für Tifa ausgewählt hast. Hoffentlich krieg ich einen besseren. Vielleicht so etwas wie One Winged Angel, das wäre nett.“ Cloud blieb kurz stehen. Die Andeutung eines Lächelns legte sich auf seine blassen Lippen. „Mal sehen... Aber weißt du, ich finde die Hühner echt passend... Ich hab den Klingelton im Fernsehen gesehen und musste sofort an Tifa denken...“ Mit diesen Worten verließ Cloud das Zimmer. Sephiroth lief hinterher und beobachtete ihn dabei, wie er sein Motorrad anwarf. Er streckte ihm seine Wange entgegen, auf ein Küsschen oder zumindest eine zärtliche Berührung wartend, doch Cloud beachtete ihn gar nicht. Er schwang sich auf sein Motorrad und fuhr einfach weg. Mit verschränkten Armen lehnte Sephiroth an seinem Haus und sah dem Blonden mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck nach. Ach, Cloudo... Hätte ich gewusst, dass ausgerechnet DU mein erster – ähm – Kunde wirst... Ein Lachen verließ seinen Mund. Dann zog Sephiroth sich seinen braunen Arbeitsmantel über und lief in einen Stall, um die Chocobos auf die Weide zu treiben. Fünfter Gang... Sechster Gang... Das Donnern seines Motorrads wurde lauter. Cloud holte alles aus Fenrir raus, was er rausholen konnte. Als hoffe er, so Tifas Stimme aus seinem Hirn verdrängen zu können... Es gelang ihm nicht. Siebter Gang... Die Umgebung verschwamm. Cloud sah die Eigenarten der Hügellandschaft nicht mehr, er erahnte sie nur. Er wusste, dass das, was er gerade tat, äußerst gefährlich war, schon weil er keinen Helm trug, aber Gefahr war er ja leider gewohnt. Auch wenn es schon jämmerlich aussehen würde, wenn der große Medienheld von vor zwei Jahren stirbt, weil er in einer ihm unbekannten Gegend zu schnell fährt, gegen irgendeinen zu groß geratenen Stein prallt und durch die Luft segelt... Achter Gang... Der Wind pfiff nicht mehr durch sein stacheliges Haar, er zog daran. Als wolle er es herausreißen oder Cloud an ihm nach oben ziehen... In seinem Kopf entstand ein verschwommenes Bild, ein Bild von einem Mann mit langen weißen Haaren, der vor jemanden kniete... in dessen Haar sich blasse, feingliedrige Finger verkrallt hatten... Neunter Gang... Schneller ging es nicht. So schnell war er auch noch nie mit Fenrir gefahren. Cloud krallte sich am Lenker fest, so wie er sich gestern an Sephiroth gekrallt hatte... Das Ziehen in seinem Körper war dem ganz ähnlich, das er vor erst wenigen Stunden erlebte... Nur, dass ihm dieses Mal der Luftwiderstand das Atmen erschwerte, und nicht der innere Drang, etwas zu tun, was er bei klarem Verstand gewiss nie getan hätte... und auch nicht Lippen, die sich fordernd auf seine legten oder Zungen, die seinen Mund erforschten... Der ganze Abend lief vor seinem geistigen Auge noch mal ab, und Zweifel kamen ihn ihm auf. Warum hat er Sephiroth nicht einfach von sich weggestoßen, sobald der ihn losließ? Wieso hat er nicht einfach gesagt, dass er das nicht will? Konnte es sein, dass der Alkohol eine Rolle gespielt hat? Es waren nur wenige Tropfen gewesen, die er schluckte, doch bei seiner Empfindlichkeit... Oder war er vielleicht noch komplett nüchtern gewesen? Konnte seine Überraschung über Sephiroths Überleben etwas mit seiner Erstarrung zu tun gehabt haben? Wahrscheinlich spielte das alles irgendwo eine Rolle... oder gar keine dieser Sachen. Cloud konnte es drehen und wenden wie er wollte, er wurde einfach nicht schlau aus sich. Doch das Schlimmste war, dass überall, in jedem verwaschenen Erinnerungsbild, Tifas Stimme in sein Ohr schrie. Überall war sie; sie saß neben Cloud auf dem Sofa, als er den Rotwein ausspuckte, sie stand daneben, als Sephiroth vor ihm kniete, sie befand sich im Bett und zwischen zerbrochenem Glas – überall war Tifas Stimme, schrill und panisch, meckernd und doch voller Angst, und irgendwo, vielleicht als Spiegelbild auf einem noch unzerbrochenem Tisch, das Gesicht dieses kleinen Mädchens... „Cloud, wo warst du gestern nacht? ...Cloud, was hast du gemacht? ...Cloud, wieso hast du nicht bescheid gesagt, dass du woanders schläfst? ...Oh, Cloud, was soll ich nur machen...? ...Cloud, komm schnell, ich bitte dich – Marlene ist... Du musst sie- ... Oh, Cloud...“ In Clouds Kopf überschlugen sich die Gedanken, die Bilder mit Sephiroth wurden mit der Mitteilung Tifas durchmischt. Was hatte er jetzt nur wieder gemacht...? Er schläft bei – und mit – seinem ehemaligen Todfeind, während Marlene vermutlich zuhause im Bett liegt, sich äußerste Vorwürfe wegen des Streites macht und sich vielleicht die Schuld dafür gibt, dass Cloud nicht mehr nach hause kommt... Und dann mitten in der Nach einfach- ... Cloud stoppte, so schnell er das bei Höchstgeschwindigkeit hinbekam, stieg vom Motorrad und schnappte panisch nach Luft. Ganz ruhig, Cloud... Nicht durchdrehen... Denk daran, was manchmal passiert, wenn du durchdrehst... Denk an die Frau, die du fast getötet hast... Die dann von Sephiroth getötet wurde, der gestern nacht... mit dir... Er atmete tief durch und schloss die Augen. Ganz langsam kam der Gedankenstrom in seinem Hirn zum Erliegen. Er sammelte sich – es war alles in Ordnung, er würde jetzt nach Edge fahren und nach Marlene suchen, die vermutlich nur wegen ihm weggelaufen ist, und die Nacht gestern würde er... einfach vergessen. Er stieg wieder auf Fenrir, mit völlig klarem Kopf. Doch je mehr er beschleunigte, desto schneller wurde wieder der Gedankenstrom, bis er irgendwann dem Druck in seinem Bauch Luft machte und beim Fahren schrie... immer wieder, bis Edge in Sichtweite kam... „MARLENE!!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)