Kaffee oder Tee? von Ginnybread (... oder vielleicht Blut?) ================================================================================ Kapitel 3: Hundsmiserabel *Jared* --------------------------------- „Einen laktosefreien Kaffee latte und einen Erdbeermilchshake.“, murmelte ich und stellte die Bestellung den beiden Mädels auf den Tisch. Mittlerweile würde ich mir sogar zutrauen, anhand ihrer Gesichter vorherzusagen, was sie bestellen würden. War ja klar, dass jemand mit aufgemalten Augenbrauen und rosa Schleife auf blondem Haar trug, einen laktosefreien Kaffee latte bestellen würde. Es schmerzte fast in meinen Ohren, es auszusprechen. „Moment noch.“, sagte sie, als ich mich mit meinem Tablett wieder davonmachen wollte. „Ja?“ Wenn sie jetzt einen glutenfreien Keks bestellte, würde ich mir ein lautes Lachen nicht verkneifen können. „Ein kleines Mineralwasser, bitte noch.“ „Kommt sofort.“, antwortete ich und rang mir ein Lächeln für sie ab. Ich beeilte mich zurück hintern den Theresen und machte ihre Bestellung fertig. In fünf Minuten war ich hier fertig, dann würde ich sofort weiter zum Frisör, in der Innenstadt fahren. Mit der U-Bahn. Mir graute es jetzt schon davor. Es kostete mich fast so viel Überwindung, wie zum Zahnarzt zu gehen, in dieses überfüllte Verkehrsmittel einzusteigen. „Die Rechnung, bitte!“, riefen drei verschieden Leute, während ich das Wasser, zu der laktoseintoleranten Kundin brachte. „Ja, ja.“, murmelte ich und beeilte mich, hier fertig zu werden. Meine Ablösung, ein bezauberndes, sehr resolutes Mädchen namens Tara, winkte mir quer durch den Raum zu, um mir zu bedeuten, dass ich mich aus dem Staub machen konnte. Ich winkte ihr zurück und löste den Konten meiner dunkelgrünen Kellnerschürze, während ich mich auf den Weg in die Personalräume machte. Ich legte meine Arbeitssachen und das Namensschild zurück in mein Fach und zog meine Jacke über. Mit einem Blick auf mein Handy, stellte ich überrascht fest, dass Christa versucht hatte mich anzurufen. Ich klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Ohr, während ich mich auf den Weg zu U-Bahn Station machte. „Jared, bist du das?“, fragte die ältere Dame, nachdem ich es fast eine Minute lang hatte klingeln lassen. Sie sprach meinen Namen immer ‚Gerret‘ aus, weil es ihr nicht möglich war zu verstehen, wie man es sonst tun sollte. „Ja, Hi. Du hast versucht mich anzurufen?“, fragte ich zurück und schielte auf die leuchtende Anzeige mit den Bahnverbindungen, die mir sagte, dass meine Bahn fünf Minuten Verspätung hatte. Dann konnte ich wenigstens in Ruhe telefonieren. „Ja, mein Lieber. Ich wollte dich fragen, ob du heute Mittag schon mit Lady spazieren gehen kannst? Weißt du, die Hannelore hat mich angerufen und für heute Nachmittag eingeladen, sie war doch mit dem Wolfgang auf dieser Kreuzfahrt und wollte mir Bilder zeigen. Und die Lady kann ich da nicht mitnehmen und so lange alleine lassen will ich sie auch nicht. Würdest du das machen, Lieber?“ „Ähm…Um wie viel Uhr denn? Ich bin noch in der Stadt, hab einen Termin.“ „Was sagst du, Lieber?“, fragte Christa und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie ihr Handy auf Lautsprecher gestellt hatte und ungestört weiterstrickte. Ich meinte sogar, die Stricknadeln klappern zu hören. „Um wie viel Uhr soll ich mit dem Hund gehen?!“, brüllte ich in den Hörer, um das Donnern eines Zuges zu übertönen. „Um drei, mein Lieber!“, schrie sie zurück und ich musste mir das Handy ein bisschen vom Ohr weghalten. „Und Vielen Dank! Die Lady und ich, wir stellen dir auch ein paar Kekse bereit!“ „Ja, danke. Ich lege jetzt auf.“ Mit den Nerven am Ende, stieg ich in meinen Zug ein. Natürlich bekam ich keinen Sitzplatz mehr und verbrachte die kurze Fahrt, eingekeilt zwischen verschwitzen Menschen und sperrigen Koffern. Wieder einmal fand ich, dass ich aus dem Alter, mit dem Hund der pensionierten Nachbarin, gegen Bezahlung Gassi zu gehen, längst rausgewachsen war. Aber so schrecklich es auch war… Ich mochte sie. Und den Hund. Und ich brauchte das Geld. Außerdem würde ich sonst gar keine frische Luft abbekommen, also tat ich es eigentlich gerne. Nur mit Christa zu telefonieren, war ziemlich anstrengend. Ich wusste auch gar nicht, wer aus ihrer Familie auf die glorreiche Idee gekommen war, der alten Dame ein IPhone zu kaufen. Und ich war wirklich aus allen Wolken gefallen, als sie mich nach meiner Handynummer gefragte hatte. Collin hatte sich halb totgelacht und zog mich regelmäßig damit aus, dass Christa die einzige weibliche Person war, die meine Handynummer hatte. Was natürlich nicht stimmte. Tara und Ally hatten sie ebenfalls. Eine dreiviertel Stunde später und mit ein paar Zentimetern weniger Haare auf dem Kopf, kam ich schnaufend vor der Tür unserer Nachbarin an. Fünf vor drei, sagte mein Handy. „Pünktlich, wie die Maurer!“, sagte Christa. Lady, natürlich ein weißer Terrier, sprang mir an die Beine und ich beugte mich runter, um sie zu streicheln. „Hast du einen neuen Haarschnitt? Also das sieht wirklich sehr anständig aus, mein Lieber.“ Ich musste über ihre Wortwahl grinsen und griff nach der Leine, die neben dem rustikalen Schlüsselbrett hing. „Danke.“ „Nein, jetzt sieht man ja endlich dein Gesicht!“ Das war eben der Nachteil, an dunklen Haaren. Man sah ganz schnell aus, wie Edward mit den Scherenhänden, wenn man sie ein wenig wachsen ließ. „Hier nimm den Schlüssel mit, ich bin nicht mehr da, wenn ihr wiederkommt.“ „Okay. Wir telefonieren dann.“ Lady eilte mir schwanzwedelnd voraus, wissend, dass ich nicht nur im Schneckentempo mit ihr einmal um den Block laufen würde, sondern, dass wir in den Park gehen würden. Den Park… Meine Schritte verlangsamten sich und ich fluchte innerlich. Tatsächlich hatte ich es bis jetzt geschafft, nicht mehr an gestern Abend zu denken. Aber der Terrier schaute mich so freudig an und schleifte mich fast in die gewohnte Richtung. Und sowieso erschien es mir albern, den Park zu meiden. Am besten gar nicht erst damit anfangen. Normalität, war angesagt. Also stöpselte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und versuchte mich zu entspannen. Lady freute sich, pinkelte hier und da gegen eine Litfaßsäule oder einen Mülleimer und ich beobachtete, wie die kleinen Terrier Ohren bei jedem Schritt hüpften. Ich versank wieder in meinen Gedanken und bemerkte es fast gar nicht, als wir den Park betraten. Wir umrundeten den See und ich überlegte, ob ich Collin überhaupt gesagt hatte, wo ich den Vampir getroffen hatte. Bestimmt, oder? Ich wurde wieder langsamer, als wir uns der Stelle näherten, an der ich den Blonden getroffen hatte. Gerade hatte ich beschlossen, die Stelle zu umgehen, als Lady anfing zu kläffen. „Oh man… Bitte, lass es einfach nicht wahr sein.“ Ich hatte längst entdeckt, was die Hündin anbellte. Und ich verfluchte den Moment, in dem ich den Park betreten hatte. Ganz in der Nähe lagen ein Paar Laufschuhe, in denen jemand drinsteckte, der offenbar hinter einer Hecke lag. Sollte ich die Polizei rufen? Und wenn es nur ein Junkie war, der schlief, oder so? Lady zog mich hinter sich her, ich atmete noch einmal tief durch und lugte dann über die Zweige hinweg. Mit fiel die Leine aus der Hand und ich musste nach Luft schnappen. Alles deutete auf einen brutalen Vampirangriff hin. Das Blut, die Bisswunde… nur das Opfer… war der Vampir selbst. Ich starrte ihn an und hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Lady lief auf ihn zu und ich konnte sie gerade noch davon abhalten, ihm durch das blutüberströmte Gesicht zu lecken. „Ach, scheiße, warum passiert das?!“, jammerte ich, nahm den Hund an die kurze Leine und ging neben dem Vampir in die Hocke. Er sah noch jünger aus, als bei unserer ersten Begegnung. Seine Augen waren geschlossen und er regte sich nicht. Was sollte ich denn jetzt machen? Die Polizei zu rufen, erschien mir aus verschiedenen Gründen, nicht als die klügste Variante. Ich streckte eine zitternde Hand aus und tastete nach seinem Puls. Nichts. „Oh fuck…“ Ich schloss die Augen und fuhr mir durch die Haare. Mir blieb nichts anderes übrig, als Collin anzurufen. Vielleicht wusste er, was das zu bedeuten und vor allem, was ich jetzt zu tun hatte. Ich hatte mein Handy schon hervorgeholt, als der Vampir sich doch noch regte. Er rollte sich mühsam auf die Seite und ich sah, dass noch immer frisches Blut, aus der Wunde strömte. Allzu lange, konnte er hier noch nicht gelegen haben. Er gab ein gequältes Geräusch von sich und tastete mir zwei Fingern an seinen Hals. Dann lachte auch er, ähnlich seinem Opfer, gestern Abend. „Hast du gerade nach meinem Puls gefühlt?… Ich bin tot, du Trottel, da kannst du lange fühlen.“, während er mich verspottete, spuckte er ein bisschen Blut und ich sah, dass sich seine Finger fest in das kurze Gras verkrampften. „Du siehts ziemlich scheiße aus…“, sagte ich, weil mir einfach nichts einfiel, was man sonst zu einem Vampir sagen konnte, der offenbar selbst ausgesaugt worden war. „Ja, das kann ich mir vorstellen… Und ich hab Hunger…“, murmelte er und sein Blick fand meinen. Die Augen waren schwarz, man konnte kaum unterscheiden, zwischen Iris und Pupille. Ich war sofort auf den Beinen und wich einen Schritt zurück. Das war schlecht. Ganz schlecht. Er gab ein heiseres Lachen von sich und stemmte sich in eine halb sitzende Position. „Selbst, wenn du jetzt versuchen solltest wegzulaufen… du würdest nicht weit kommen.“ Er grinste, doch sein schmerzverzerrtes Gesicht, ließ es wie eine Grimasse aussehen. „Keine Sorge, es reicht, wenn du mich einmal kurz beißen lässt.“ Mein Entsetzen steigerte sich, als ich merkte, dass sein Blick nicht auf mir, sondern auf dem treuen Terrier lag, der sich mittlerweile hinter meinen Beinen versteckt hatte. „Bah! Vergiss es!“ Die arme, alte Lady! Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Ich zerrte an der Leine und versuchte den Hund in Bewegung zu setzen. „Sorry, man.“, war das Letzte, was ich hörte, dann bekam ich einen Schlag auf die Nase, der sofort alles um mich herum schwarz werden ließ. Ich erwachte mit dröhnendem Schädel. Und ich begriff auch sofort, dass die ganze Situation noch nicht über den Berg war. Ich lag im kühlen Gras und als ich meine Hand hob, spürte ich etwas glitschiges, warmes daran kleben. Blut, wie sich herausstellte, als ich es schaffte, die Augen offen zu halten. Das war ein ziemlich fieser Schlag gewesen, mir war richtig schwindelig. „Man, du bist ja schon wieder wach… Ich bin echt noch nicht wieder fit…“, murmelte der Vampir. Er saß auf einer nahegelegenen Parkbank, die vom Weg abgeschnitten war. Wenn er mich hier töten würde, würde es wahrscheinlich nicht mal jemand mitbekommen. Und das mitten in der Stadt! Ich rappelte mich auf und sah mich nach Lady um. Sie war nirgendwo zu sehen. Ich sah nur das blutverschmierte Grinsen, dieses blonden Scheißkerls. Und ich dieses Grinsen, lies mich sehr viel schneller auf die Beine kommen, als ich es eben noch für möglich gehalten hatte. Jetzt reichte es! Rasend vor Wut stürzte ich mich auf ihn. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass irgendein Mensch blöd genug war, um ihn anzugreifen. Und so schaffte ich es tatsächlich, ihn zu Boden zu werfen. „Du kranker Bastard, du hast den Hund von einer alten Oma gekillt! Was hast du mit ihr gemacht? Hast du sie komplett verspeist, oder was?!“ Ich wusste gar nicht, wohin mit meinem Ekel, darüber, dass er an dem Terrier rumgeknabbert hatte. „Hey, ganz ruhig! Ich hab den Hund nicht aufgefressen, was für ein Schwachsinn! Ich habe nur einen winzigen Schluck getrunken, ehrlich… Autsch, jetzt sei mal ein bisschen vorsichtig, ja? Ich hab dir nichts getan.“ Ich hatte meine Hände fest um seine Kehle gelegt, ungeachtet der Tatsache, dass das wegen des vielen Blutes, ziemlich eklig war. „Wo ist der verdammte Hund?!“ „Kein Ahnung! Ich denke mal, sie ist nach Hause gelaufen. Das machen Hunde so, oder?“ Er hob eine Augenbraue und war schon wieder am Grinsen. „Du…“, knurrte ich und drückte unwillkürlich ein bisschen fester zu. „Gib dir keine Mühe, Kleiner. Ich bin immer noch tot, du kannst mir also den Hals zudrücken, soviel du willst.“ Ich blinzelte. „Kleiner?“ Hatte ich mich gerade verhört? Sein Dauergrinsen wurde noch breiter. „Ich weiß schließlich immer noch nicht, wie du heißt.“ Ich dachte nicht mal daran, ihm meinen Namen zu verraten. Generell hatte ich mich schon lange genug, total surreal verhalte. Es war an der Zeit, dem ein Ende zu setzen. Ich nahm mein Handy, drückte Collins Kurzwahl und hoffte, dass er schnell rangehen würde. Eigentlich war auf ihn verlass, wenn es um seine Erreichbarkeit ging. „Hey, Jared… Wo steckst du denn?“ Collin klang gewohnt gut gelaunt, die Weltuntergangsstimmung von gestern Abend, konnte man ihm nicht mehr anhören. „Im Park. Mit dem Vampir.“, sagte ich knapp. „Oh, scheiße!“ Ich konnte quasi hören, wie er einen Satz in die Luft machte. „Ja, genau. Wäre klasse, wenn ihr euch beeilen könntet.“ „Halt durch, wir sind in drei Minuten bei dir!“ Ja, auf Collin war Verlass. Zufrieden legte ich auf und fixierte den Vampir, unter mir. „Sitz du bequem? Du bist ganz schön schwer.“, beschwerte er sich. „Das hättest du dir überlegen können, bevor du den Terrier ausgesaugt hast!“, knurrte ich und dachte nicht mal daran, aufzustehen. Er verdrehte die Augen und ich spürte, dass er versuchte, seinen Arm unter meinem Bein zu befreien. „Ausgesaugt, ist wirklich das falsche Wort! Sie ist quicklebendig zurück gelaufen, jetzt hab dich mal nichts so…“ „Ja wahrscheinlich ist die arme Lady, von einem LKW platt gemacht worden.“, konterte ich und wurde immer wütender, desto länger ich mir sein breites Grinsen ansah. „Ach, man kann auch extra empfindlich sein… Ich heiße übrigens Ian.“, erklärte er, völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich beschloss ihn zu ignorieren, das war mir einfach zu anstrengend. „Kommen jetzt deine Vampirjägerkumpels und jagen mir einen Pflock ins Herz? Und willst du gar nicht wissen, wieso ich hier auf dich gewartet habe?“ Seine dunklen Augen blitzen und hielten meinen Blick gefangen, wie bei unserer ersten Begegnung. „Als ob, du hier auf mich gewartet hättest… Verarschen kann ich mich selbst. Und meine Vampirjägerkumpels sind nur ein Haufen harmloser Journalisten, kein Grund zur Panik.“ Ian fing an zu lachen. Nicht zu fassen, dieser Vampir, lachte mich aus. Ich beugte mich ein wenig zu ihm runter und zischte: „Du gehst mir ganz gewaltig auf die Nerven! Tu mir einfach einen Gefallen und sei still, bis die anderen da sind.“ „Oh, man.“, kicherte er. „Wenn es nicht so lustig wäre, wäre es wirklich traurig, dass du denkst, du hättest einen Vampir überwältigt und wartest jetzt auf die Übergabe.“ „Und ich finde es echt affig, dass du denkst, ich nehme dir ab, dass du hier auf mich gewartet hast!“ Er war noch immer am Lachen. „Hast du gerade ‚affig‘ gesagt?“ Gott, dieser Kerl wurde mit jedem Moment unausstehlicher. „Jared!“ Das war eindeutig Collins zartes Stimmchen, dass fast mein Trommelfell zerfetzte. Ian lachte nur noch mehr und ich schaute mich nach meinem Mitbewohner um. Dieser kam hinter mir auf uns zu gerannt, dicht gefolgt von Fabrice und Jack, aus seiner Redaktion. „Na endlich.“, stöhnte ich, bemerkte aber, dass die drei mit einem ordentlichen Sicherheitsabstand zu uns stehen geblieben waren. „Scheiße, hat er dich gebissen?!“, fragte Collin entsetzt und mir wurde klar, wie schlimm der Vampir und ich aussehen mussten. Als hätten wir uns gegenseitig zerfleischen wollen. „Ähm, nein, mir geht’s gut. Er hat den Hund gebissen.“ „Was denn für einen Hund?“, fragte Fabrice und schaute sich suchend um. „Ist doch voll egal, man! Hilft mir jetzt mal jemand, oder nicht?“ Meine Geduld war wirklich mehr als aufgebraucht. „Oje, ist er immer so schlecht drauf?“, fragte Ian, als die anderen drei näher kamen. „Manchmal…“, antwortete Collin und betrachtete den jungen Vampir nachdenklich. „Du hast also gestern einen Menschen ausgesaugt?“ Ian verdrehte die Augen. „Wenn ich ihm alle sechs Liter Blut ausgesaugt hätte, wäre er wahrscheinlich nicht mehr allzu weit gekommen… und ich wäre vermutlich geplatzt.“ „Du hast ihn nicht getötet oder verwandelt?“ „Nein. Und ich habe auch deinem Freund hier nichts getan. Nicht mal den Hund hab ich um die Ecke gebracht… Können wir jetzt bitte vernünftig miteinander reden? Mein Rücken tut langsam weh.“ „Wir müssten dich eigentlich bei der Polizei melden, dass weißt du, oder? Auch wenn du ihn nicht getötet hast…“ „Tut, was ihr nicht lassen könnt…Ich würde mich nur freuen, wenn wir vorher miteinander reden könnten.“, antwortete Ian ungerührt auf Collins Ansage. Ich war heillos verwirrt. „Woher der Sinneswandel? Gestern wolltest du partout nicht reden.“, erinnerte ich mich. Ian verzog das Gesicht. „Bitte, ich erkläre es dir ja, aber geh jetzt langsam mal runter von mir… Wie gesagt, mein Rücken…“ Jack, der bisher geschwiegen hatte, reichte mir eine Hand und ich ließ mir von ihm aufhelfen. Der Vampir ächzte und richtete sich langsam auf. Er war von oben bis unten eingesaut, entweder mit Grasflecken, Dreck oder Blut. „Ist das eine… Bisswunde?“, fragte Jack und starrte Ian ungläubig an. Fabrice und Collin schien es die Sprache verschlagen zu haben. „Ja… Es gibt da das eine oder andere, was mich hat umdenken lassen.“ Sein Blick wanderte von Jack zu mir. „Deswegen hatte ich darauf spekuliert, dich hier wieder zu treffen und mit deinen Journalistenfreunde zu reden.“ „Erst einmal…“, sagte Fabrice und schaute den Vampir skeptisch an. „Sollten wir vielleicht von hier verschwinden.“ Und so kam es, dass wir eine halbe Stunde später, zusammen an Collins Esstisch saßen. Ally hatte hier in der Wohnung auf uns gewartet und war fast rückwärts aus ihren Sneakers gekippt, als sie den blutverschmierten Blonden entdeckt hatte. Sie hatte ihn erst für ein weiteres Opfer, des Vampirs gehalten und sofort den Erste-Hilfe-Kasten ausgepackt. Irritiert hatte Ian ihr zugesehen, wie sie das Desinfektionsmittel aufdrehte und dann gemeint: „Das ist ja echt nett von dir… Aber ich glaube ihr habt das alle noch nicht so ganz verstanden, mit dem untot sein. Ich brauche kein Pflaster, wirklich.“ Er lächelte sie verbindlich an und sie hatte seit dem Moment nichts mehr gesagt. „Das wirft natürlich ein anderes Licht auf die Sache.“, murmelte Collin. „Gestern dachen wir schon, es müsste zwei Vampire geben, weil alle anderen Opfer Tiere gewesen sind und Jared von einem Menschen als Opfer berichtet hat.“ „Keiner ist gestorben. Kein Tier und auch kein Mensch.“, sagte Ian. „Ich brauche einen Kaffee.“, meinte Fabrice. Ally, Collin und Jack wollten ebenfalls einen. Und Ian, wie wir alle überrascht feststellten. „Also… Es gibt einen anderen Vampir… Stimmt das soweit?“ Collin hatte sich gegenüber von Ian niedergelassen, seine Brille aufgesetzt und einen riesigen Stapel mit unterlagen, über den halben Tisch verteilt. „Es sind noch zwei andere, soviel ich weiß.“ „Wie lange seid ihr schon in der Stadt.“ „Keine Ahnung.“, sagte Ian glatt. „Was soll das denn heißen?“ „Das heißt, ich habe keine Ahnung. Besonders lange bin ich noch kein Vampir… Und die erste Zeit war ich eingesperrt.“ „Der Vampir, der dich verwandelt hat, hatte dich eingesperrt?“, wiederholte ich langsam. Das alles, lief in eine ganz andere Richtung, als ich es vermutet hätte. Und mein Kopf schmerzte noch immer. „ Gott sei Dank, muss man dazu sagen.“, antwortete Ian und schaute in die Kaffeetasse, die ihm Jack gerade hingestellt hatte. Es war die dunkelgrüne Tasse, die eigentlich mir gehörte und die nicht mal Collin benutzen durfte. Gut, Jack konnte es ja nicht wissen… „Wer weiß, wen ich alles getötet hätte, wenn er mir nicht Tierblut als Alternative gezeigt hätte. Und wie man einen Menschen beißt, ohne ihn zu töten.“ „Krass…“, kam es von Fabrice und Jack warf ihm einen genervten Blick zu. „Entschuldigt die Frage… Aber ihr wisst nicht besonders viel, über Vampire, oder?“, wollte Ian mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. „Noch nicht. Also nichts offizielles. Nur von ein paar ausländischen Kollegen. Eine unserer Mitarbeiterinnen kommt nächste Woche von einer Reise zurück und bringt hoffentlich einiges an Material mit. Es gibt schließlich kaum Vampire in diesem Land. Und die wenigen die es gibt, halten sich versteckt… Was ist ja auch gut nachvollziehen kann, wenn ich mir überlege, was sie mit denen gemacht haben, die an die Öffentlichkeit gegangen sind.“, antwortete Collin ernst. Ian schluckte und von seinem Grinsen, war nichts mehr übrig geblieben. „Was ist mit ihnen passiert?“ „Ähm… Offiziell sind sie in Sicherheitsverwahrung. Man weiß es nicht genau. Journalisten, werden nicht zu ihnen gelassen. Wir haben schon unzählige Anträge geschrieben.“ „Das blüht mir also auch.“, begriff Ian. Wir schwiegen einen Moment. „Weißt du was? Wenn du uns alles erzählst, an das du dich erinnerst… dann melden wir dich nicht.“, sagte Collin schließlich. „Collin.“, sagte Fabrice warnend. „Das bringt uns in Teufels Küche!“ „Jetzt hab dich nicht so. Ian ist ein Informant und hat keinem was getan… Es ist komplett unnötig ihn zu melden… Aber.“ Collin wandte seinen Blick jetzt wieder dem Vampir zu. „Du darfst nichts auslassen. Wir müssen sehen ob wir, oder sonst jemand vielleicht in Gefahr ist.“ Ian nickte stumm. Nachdem er sich das Blut aus dem Gesicht gewaschen hatte, stellte ich fest, dass er wahrscheinlich sogar der Jüngste im Raum war. „Wie alt bist du?“, fragte Ally, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Achtzehn.“, antwortete er. Okay, er sah ein bisschen jünger aus als achtzehn, aber das lag vielleicht auch an der blassen Haut. Jack seufzte. „Ich hoffe du weißt, dass wir uns damit strafbar machen, dass wir dich nicht melden.“ Ian nickte und schaute noch immer in seine Tasse. „Wer sind die anderen beiden Vampire?“, fragte Collin und zog ein unbeschriebenes Blatt näher zu sich heran. „Derjenige, der mich verwandelt hat. Sein Name ist Henry. Und der andere… Ich glaube er hat ihn zusammen mit mir verwandelt. Er heißt Lucas. Der Mistkerl hat mir das Blut ausgesaugt. Und bevor ihr jetzt fragt… Ich habe nicht den leisesten Schimmer, weshalb er das getan hat. Als ich nach gestern Abend nach Hause gekommen bin, war alles voller Blut, alle Möbel total zerstört und keiner war da. Ich bin den ganzen Vormittag durch die Stadt gezogen, habe aber keinen der beiden gefunden. Also habe ich beschlossen auf Jared zu warten. Er hatte mir von Journalisten erzählt und ich dachte ihr könntet vielleicht mehr wissen, als ich.“ Ian schaute in die Runde. „Also verstehe ich das richtig…“, murmelte Collin und schaute von seinen Notizen zu Ian. „Du hast auf der Bank gesessen und auf Jared gewartet und dann ist dieser Lucas aufgetaucht und hat dir einfach so in den Hals gebissen?“ Er klang ziemlich ungläubig und ich konnte es verstehen. Sowas verrücktes hatte ich noch nie gehört. „Genau. Er hat nichts zu mir gesagt. Und danach war ich so blutarm, dass ich nicht weg konnte. Netterweise hat Jared mir geholfen.“ „Du hast sein Blut getrunken?!“, quietschte Ally erschrocken. Ich verdrehte die Augen und warf Ian dann einen bösen Blick zu. „Nein. Er hat vom Christas Hund genascht. Der übrigens immer noch verschollen ist.“ „Mensch, Jared jetzt mach doch nicht so einen Aufstand wegen dem Hund, jetzt stell dir mal vor, er hätte stattdessen dich gebissen!“, gab Collin in meine Richtung. „Ach jetzt muss ich auch noch dankbar sein, oder was?“, pampte ich zurück. „Jungs, hört mal auf rumzuzanken, bitte. Das ist echt anstrengend.“, unterbrach Jack, in gewohnt ruhigem Tonfall. Ich schwieg. Und die anderen auch. Es war gar nicht so einfach, dass alles, als wäre es selbstverständlich, in sein Gehirn aufzunehmen. Zumindest meins, weigerte sich. „Ich gehe jetzt jedenfalls den Hund suchen… Denn ich bezweifle, dass wir hier jetzt noch besonders viel weiterkommen.“ Ich erhob mich von meinem Platz und Fabrice stimmte mit zu. „Sieht fast so aus, als hätte keiner von uns eine Ahnung, was das zu bedeuten hat…“ Und vor allem, meinte ich sehr genau zu wissen, wie sich die anderen entscheiden würden, wo der Vampir untertauchen würde. Sie würden nicht zulassen, dass er Ally alleine in ihre Wohnung begleitete. Fabrice wohnte noch bei seinen Eltern und Jack hatte zwei kleine Kinder zu Hause. So wie ich Collin kannte, würde er dem Vampir die Couch im Wohnzimmer anbieten. Das hatte mir gerade noch so gefehlt, für einen Start in ein normales Leben. Ein untoter Mitbewohner, der vielleicht auch noch von zwei anderen Vampiren verfolgt wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)