Eisberg voraus von SamAzo (Fanfiction-Adventskalender 2016 - Tag 8) ================================================================================ In der Klasse hatte jeder einen Spitznamen. Einige kannten ihren nur zu gut, weil sie einfach immer so genannt wurden, andere jedoch hörten ihren nie, da man sie nur hinter vorgehaltener Hand so bezeichnete. Touchdown zum Beispiel war selbst schuld daran, das er so hieß, weil er es bei jeder Gelegenheit durch den Klassenraum schrie. Eine Gute Note? Touchdown! Eine gelungene Verabredung mit einem Mädchen? Touchdown! Allgemein hatte das Football-Team Namen passend zu ihren spielerischen Vorlieben. Lediglich Roman bildete da eine Ausnahme. Allerdings hatte inzwischen auch keiner mehr eine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Vielleicht, weil er von Anfang an der größte und breiteste im Team gewesen war, aber niemand erinnerte sich da noch wirklich daran. Emma hingegen gehörte zur letzteren Gruppe. Nie würde ihr jemand ihren Spitznamen ins Gesicht sagen. Zwar war sie sich nicht wirklich sicher wieso, aber alle schienen ein wenig abgeneigt von ihr zu sein. Anders jedoch als bei May oder Ben die ebenfalls ein ähnliches Schicksal teilten, wurde sie nicht mit Beleidigungen, Spot und schlechten Scherzen überhäuft. Zu ihr hielt man Abstand und kaum einer redete mit ihr, außer es war unbedingt nötig. Da es sie hätte schlimmer treffen können, beließ sie es dabei. Mit den meisten aus ihrer Klasse oder allgemein von dieser Schule hatte sie so oder so nicht viel am Hut und ihre Freizeit verbrachte sie mit ihren eigentlichen Freunden. Nur die Stunden in der Schule zogen sich, wenn es niemanden zum reden gab. Also hatte sie sich schon lange angewöhnt zu lauschen. In der Pause, mit Kopfhörern in den Ohren und einem Buch vor sich, ging keiner schweigend an ihr vorbei. Sie alle glaubten Emma wäre abgelenkt. Auf diese Weise hatte sie ihren Spitznamen herausgefunden. Tatsächlich einer mit dem sie leben konnte. Bei den anderen, die sie so hörte sah es dann schon anders aus, aber bei den wenigsten bekam sie heraus wer genau es nun eigentlich war, der so genannt wurde. Wenigstens blieben ihr so die normalen Namen ihrer Klassenkameraden im Kopf und wurden nicht von eher gemeinen ersetzt. So viel Respekt sollte man seinem Gegenüber schon entgegen bringen. Auch wenn man ihn oder sie nicht leiden konnte. Langsam ging das Jahr nun zu ende und während sich alle nur noch für den Stufenball vor Weihnachten interessierten, war Emma lediglich mit ihren Geschenken beschäftigt. Sie war bislang noch nicht ein einziges Mal auf eine solche Veranstaltung gegangen und hatte auch nicht vor jetzt damit anzufangen. Das Gute war, das sie auch keinerlei Einladung fürchten musste. Ob das nun an ihrem Aussehen lag oder der gleiche Grund war, wegen dem sie hier keine Freunde hatte, war ihr dabei vollkommen egal. Hauptsache sie hatte ihre Ruhe. Rings um sie herum verwandelte sich die Schule, dank einer bemüht festlichen Dekoration, in eine verkümmerte Einkaufszentrums-Variante von Weihnachten. Schön war was anderes, aber es war mal ein anderes Bild, das man gut gebrauchen konnte, wenn man die meiste Zeit des Jahres das gleiche Gebäude durchwanderte. Wobei sie sich langsam fühlte wie ein Wichtel auf der schulischen Ausbildung zum Packmeister, die es ihr erlauben würde, für den Rest ihres Lebens Geschenke für andere einzupacken. Dabei war das bei ihren eigenen Geschenken noch gar nicht in Angriff genommen worden. Noch verbrachte sie jeden Nachmittag im Handwerksraum, um dort ihre Holzarbeiten zu beenden. Zuhause müsste sie die dann noch mit den gewünschten Motiven bemalen und mit Klarlack lackieren, bevor sie sich über die Verpackungen Gedanken machte. Leider war sie in der großen Halle nicht alleine. Jeden Tag waren dort eine Handvoll anderer, die selbst auch an ihren Projekten, Ideen oder Hausaufgaben arbeiteten. Auch an diesem Tag hörte sie die drei vom Football-Team Pläne schmieden, wie sie jemanden ärgern könnten, dessen Spitznamen sie mit keinem Gesicht in Verbindung bringen konnte. Schon mehrmals hatte sie den Betroffenen im Vorfeld anonym kleine Zettel zukommen lassen, damit die gewarnt waren. Viel geholfen hatte es nicht. „Hey Titanic, stimmt es, das Vanessa aus der C dir abgesagt hat?“ „Halt die Klappe...“ Emma konnte es auch jetzt nicht lassen und lauschte, während sich die Jungs unterhielten. Sie selbst schmirgelte dabei einen hölzernen Eiskristall, den sie als Ornament benötigte. Fünf andere davon hatte sie bereits und alle sahen sie anders aus, so wie es sich gehörte. „Ich mein ja nur… So dick und picklig, wie die is. Sie sollte froh sein, das du sie überhaupt eingeladen hast...“ „Und ich sagte, halt die Klappe!“ Roman schien echt schlecht darauf zu sprechen zu sein, das nur wenige Stunden vor dem Ball sitzen gelassen wurde. Als Mitglied im Football-Team warf das wohl kein besonders gutes Licht auf ihn. Andererseits musste Emma zugeben, das sie nicht damit gerechnet hätte, das er ausgerechnet Vanessa fragen würde. „Frag doch die.“ Emma konnte gerade noch den Blick heben, um zu erkennen, das auf sie gezeigt wurde. Sie konnte mit Sicherheit sagen, dass das nicht passieren würde. Selbst wenn Roman sich dazu durchringen könnte, sie zu fragen. Da sie aber annahm, das er es nicht tun würde, widmete sie sich wieder ihrem hölzernen Kristall. Immerhin sollte es keine Ecke mehr geben und das dauerte immer eine Weile. Vielleicht könnte sie es schaffen die Kerle da zu ignorieren. „Ehm… Hi“, überraschte sie Roman nach einigen Minuten. Sie hatte die Jungs so gut ausgeblendet, das sie nicht mitbekommen hatte, das Roman sich tatsächlich ein Herz gefasst hatte. Mit einem kurzen Blick an ihm vorbei erkannte Emma, das die anderen Zwei bereits gegangen waren. War das nun ein Trick? Oder hatte sich Roman tatsächlich dazu überwunden sie zu fragen. Innerlich verfluchte sie sich, das sie nicht doch besser zugehört hatte. „Was möchtest du?“, fragte sie, kühl wie immer. So nah wie er war, musste Emma ganz schön hoch schauen. Bislang war ihr nie aufgefallen, das er sie so weit überragte. „Ich also… Naja...“ Es war ja schon irgendwie niedlich, das dieser riesen Typ in ihrer Gegenwart keinen anständigen Satz heraus bekam. Allerdings dauerte es ihr auch zu lange. „Roman, sag es einfach. Ich werd dir den Kopf nicht abreißen.“ Emma legte das Schmirgelpapier und den Eiskristall zur Seite und hüpfte auf den Gegenüberliegenden Tisch, um dort zu sitzen und wenigstens ein wenig mehr auf Augenhöhe zu sein. „Vanessa und ich haben uns gestritten. Sie sagt, das sie mir gar nicht wichtig wäre und sie wüsste, das ich lieber mit Liv gehen würde… Was nicht stimmt.“ Emma wunderte sich, das er damit nun ausgerechnet zu ihr kam. Was sollte sie da machen? Erfahrungen in dem Bereich hatte sie keine und vor allem klang das ganz so, als wäre das eine ernsthafte Beziehung zwischen den beiden. Nicht nur ein Date zu diesem unsinnigen Ball. „Und?“, wollte sie wissen. Roman schienen die Worte ausgegangen zu sein und er zuckte nur mit den Schultern. „Geh doch einfach zu ihr und frag sie, was sie von dir erwartet. Ich kann da am aller wenigsten tun.“ Vielleicht könnte Emma mehr Verständnis aufbringen, wenn sie wenigstens mit Vanessa befreundet wäre, aber das war sie nun einmal nicht. „Und wenn sie nicht zum Ball gehen will, dann lad sie stattdessen ins Kino ein oder so“, schlug Emma vor. Etwas anderes fiel ihr nun wirklich nicht ein. „Und wenn sie nein sagt?“ Emma seufzte und überlegte. Sie schob sich vom Tisch zurück auf ihre Füße und ging zu der Schublade, in der sie ihre Materialien aufbewahrte. Nach kurzem suchen zog sie einen etwas größeren Eiskristall hervor und reichte ihn Roman. „Das ist ein Bilderrahmen. Ein Prototyp gegen den ich mich entschieden habe. Er ist nicht so ganz schön geworden, aber besser, als alles was ich dich hier mal hab machen sehen. Lass ihn so oder verschönere ihn noch ein wenig, dann pack ein Foto von euch beiden rein und nehm es mit, wenn du sie noch einmal fragst. Vielleicht hilft es.“ Roman starrte sie an und nahm dann das Geschenk entgegen. „Wow du...“ Er zögerte mit seinem Satz und nahm sie stattdessen feste in den Arm. Emma kam sich so vor, wie im Griff eines Bären. Wenigstens roch er nicht schlecht, das war ein Plus. „Danke. Du bist meine Rettung!“ „Und ich dachte, ich sei dein Untergang.“ Einen Moment sah er sie etwas verwirrt an, bis ihm wieder einfiel, wie Emma sonst so bezeichnet wurde. „Du weißt es?“ „Klar. Ich kann hören, weißt du. Und ich weiß sogar, das du es warst, der mich das erste mal so genannt hat. Aber das ist okay. Ich mag den Namen. Und jetzt geh dich um deine Freundin kümmern, bevor hier noch Gerüchte entstehen.“ Hosted by Animexx e.V. 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