Leuchten von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 6: Beleuchten --------------------- „Der beste Geburtstag meines Lebens, ich sag's dir“, wiederholte Einar zum vierten Mal, was er gerade gesagt hatte. Sie saßen beim Frühstück, berührten sich unterm Tisch kontinuierlich mit ihren Knien und diskutierten über den letzten Tag. „Das kann nicht dein bester Geburtstag gewesen sein. Wir hatten nicht mal Kuchen dank des Stromausfalls...“ „Doch, mit meinem Ex war es immer gezwungen, weil er irgendwas tolles machen wollte. Meine Mum hatte aufgegeben und gab mir nur meine Geschenke und machte mein Lieblingsessen und letztes Jahr war einfach nur deprimierend. Und gestern... gestern war besonders. Wir haben nichts gemacht, und es war perfekt. Entspannt, ungezwungen, sexy.“ Das letzte Wort sprach Einar nur leise, dafür aber mit einem zweideutigen Grinsen aus. „Okay, das letzte stimmt“, flüsterte Tarek. „Meinst du, wir können diesen Tag wiederholen?“ Einar sah ihn nachdenklich an. „Gute Frage. Wohl nur, wenn es ungeplant passiert. Und gerade im Urlaub hasse ich Planung. Du nimmst dir was vor und das Wetter verhindert es oder das Museum hat geschlossen oder was auch immer. Lass uns heute genauso angehen.“ „Gute Idee. Die einzige Frage, die wir beantworten müssen, ist wohl, ob wir hier nicht planen wollen oder woanders“, meinte Tarek. „Hier. Mir ist nach Pool und Sauna und Massage und so Kram.“ Tarek nickte und die Sache war abgemacht. Zwei Saunagänge und eine Massage später gingen sie einfach nur im Park spazieren. Die Temperaturen waren noch vom Gewitter geprägt und sie mussten Pullover tragen, damit ihnen nicht kalt wurde. Im linken Ohr hatte Tarek einen Kopfhörer, dessen Gegenpart Einar im rechten Ohr hatte, zwischen ihnen waren ihre Hände ineinander verwoben, das Handy mit der Musik war in Einars Hosentasche. Sie mussten nichts sagen. Sie mussten nicht einmal etwas sagen, um sich gleichzeitig dafür zu entscheiden, ins Restaurant zu gehen und zu Mittag zu essen. Sie sahen sich nur an, nickten und gingen zurück. Den Nachmittag verbrachten sie wieder im Bett, diesmal allerdings mit den Büchern, die Einar mitgebracht hatte. Tarek hatte nur mal in eines reinlesen wollen und konnte es nicht mehr weglegen, was Einar natürlich zum Grinsen brachte. Am Abend standen dann wieder Filme auf dem Programm, Tareks Auswahl, leicht, komisch, perfekt für kühle Sommerabende. Einar kuschelte sich direkt an Tarek und war eingeschlafen bevor der Abspann lief. Für Tarek war das kein Problem, er beobachtete ihn einfach beim Schlafen, spielte ein bisschen mit seinen Locken und war dankbar. Sein Vater hatte etwas von Gott geschrien, als er auf ihn einschlug, aber er konnte nicht glauben, dass ein Gott existierte. Wie sollte ein Gott erst den Menschen erschaffen so wie er war, mit allen Gefühlen und Fehlern und Zweifeln, wenn er ihn dann genau dafür bestrafte er selbst zu sein? Schon früh hatte dieser Gedanke ihn gestört, diese nicht-existente Logik. Schon früh hatte er sich daher von der Religion losgesagt, obwohl er den Glauben anderer respektierte. Jetzt, in diesem Moment, wollte er so gern jemandem einfach nur Danke sagen, dass er vergaß, nicht zu glauben. „Danke“, flüsterte er und kuschelte sich an Einar. Einar hatte beim Aufwachen ähnliche Gedanken, nur dass er eigentlich an die Existenz eines Gottes glaubte, er war nur der Meinung, diesen kümmerte es wenig, was auf der Erde geschah. Tareks Anblick aber, dieser zerzauste Kopf und das leichte Lächeln, ließen ihn glauben, es wäre eben kein Zufall, dass sie sich getroffen hatten. Und so flüsterte auch er leise „Danke“, während er sich stark davon abhalten musste, Tarek durch einen Kuss zu wecken. Erst als dieser von selbst aufwachte, ungefähr eine Stunde nach Einar, sich vom anderen löste und sich streckte, sprang Einar aus dem Bett, um auf Toilette zu gehen. „Sehe ich so schlimm aus beim Aufwachen?“, wunderte Tarek sich, als er wiederkam. „Du siehst gut aus beim Aufwachen, eigentlich immer, ich... ich musste nur mal“, gab Einar peinlich berührt zu. „Gut, dass du so dringend musstest“, grinste Tarek und stand auf. „Warum?“ „Dann muss ich nicht so lange warten.“ Er küsste Einar auf die Wange und verschwand selbst im Bad. Theatralischer als für ihn üblich, ließ Einar sich wieder aufs Bett fallen. Allerdings schlug er keine Sekunde später die Hände über seinem grinsenden Gesicht zusammen. Er war schon längst dabei, sich in Tarek zu verlieben und ihm blieb keine andere Wahl als glücklich zu sein. Und genau in diesem Moment meldete sich eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf: „Was, wenn er wie Er ist? Was, wenn er dich auch nur für sich haben will? Was, wenn er dich kontrollieren will? Wie kannst du ihm vertrauen, wo du ihn doch kaum kennst?“ Von einer Sekunde auf die andere war dieses „Verliebter Teenager“-Gefühl verschwunden und Panik stieg in Einar auf. Plötzlich konnte er kaum noch atmen und keinen klaren Gedanken mehr fassen. So fand ihn Tarek auch, kreidebleich, schwer atmend und zusammengerollt auf dem Bett. „Was ist los?“, fragte er besorgt und war sofort bei Einar. Einar sah ihn aber nur an und schwieg, die Angst war noch immer in seinen Augen zu sehen. Seinem Instinkt folgend, zog Tarek ihn in seine Arme und strich ihm über den Rücken. Nach einer Weile hatte Einars Atmung sich auch wieder normalisiert und die Farbe kehrte zurück in sein Gesicht. „Was war los?“, wollte Tarek wissen. Einar zuckte nur ausweichend mit den Schultern. „Was kann ich für dich tun?“ „Wasser bitte“, murmelte Einar und zog die Bettdecke um sich als Tarek aufstand und Wasser holte. Gierig trank Einar das Glas mit einem Zug und seufzte dann. „Hast... hast du was dagegen, wenn ich heute allein etwas mache?“, fragte er Tarek leise. „Allein?“ Einar nickte nur und sah ihn unsicher an. „Im Moment würde ich dich ungern allein lassen, aber wenn es das ist, was du brauchst, dann werde ich das tun“, meinte Tarek ernst. „Bitte versteh mich nicht falsch, ich will mit dir zusammen sein, aber...“ „Aber gerade in diesem Moment geht es dir zu schnell und ein Tag allein ist deine Bremse.“ Einar sah ihn mit großen Augen an. „Ja. Es tut mir leid.“ „Du hast mich gerade ganz schön erschreckt, und wenn du bremsen musst, um das nicht mehr zu tun, dann bremse. Ich will nicht, dass du verleugnest, was du brauchst, nur weil ich da bin.“ „Danke“, flüsterte Einar und küsste ihn kurz. „Wollen wir trotzdem noch zusammen frühstücken gehen?“, fragte Tarek nur. Etwas überrascht sah Einar ihn an, dann lächelte er. „Ja, das können wir.“ Über seine Tasse hinweg sah Tarek Einar an. „Weißt du schon, was du vor hast?“ „Nicht so richtig. Ich glaube, ich setze mich einfach ins Auto und fahre los. Und du?“ „Wahrscheinlich lese ich das Buch von gestern weiter, besorge mir ein Rad oder gehe schwimmen. Mal sehen.“ Einar nickte und spielte weiter mit seinem Müsli. „Du hast wirklich kein Problem damit?“, fragte er leise. Tarek atmete durch und lächelte Einar an. „Ich will, dass es dir gut geht. Punkt. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es schädlich ist, immer aufeinander zu hocken.“ „Eigene Erfahrung?“ „Meine erste Freundin. Wir waren in der neunten Klasse und sie wollte ständig mit mir zusammen sein, wenn wir konnten. Irgendwann wollte ich mit meinen Freunden einen Abend verbringen, eine kleine Geburtstagsparty ohne Mädchen, weil das Geburtstagskind gerade sitzengelassen wurde. Jeder normale Mensch würde sagen 'Okay, geht klar, wir sehen uns Sonntag.' Meine Freundin stand am Samstagabend bei meinem Freund auf der Matte, und anstatt sich wenigstens zurückzuhalten, hing sie die den ganzen Abend an mir.“ „Wie dämlich.“ „Jap. Ich wollte ja mit ihr zusammen sein. Ich war 15, verdammt. Aber ich wusste auch, dass mein Freund diesen einen Abend brauchte und dass ein Abend nichts an meinen Gefühlen ändern würde. Sie hat's nicht geschnallt.“ „Wie lange ward ihr zusammen?“ „Knapp ein Jahr. Und der Abend war ungefähr in der Mitte.“ Einar tätschelte Tareks Kopf. „Was soll das?“ Tarek schielte zu Einars Hand. „Du bist so süß. Und diese Geschichte hat so ziemlich gar nichts mit uns zu tun“, lächelte Einar. „Da irrst du, mein Freund. Was ich dir mit dieser Geschichte eigentlich sagen wollte, war, dass ich durchaus in der Lage bin, die Bedürfnisse meiner Freunde – ein Abend ohne Mädchen oder ein Tag ohne mich – durchaus wahrzunehmen und zu respektieren.“ „Na gut“, lächelte Einar. „Das lasse ich dir durchgehen.“ „Danke.“ „Und du willst wirklich hier bleiben?“ „Ja, mach dir um mich keine Gedanken. Ich würde auch hier bleiben wollen, wenn du nicht wegfahren würdest. Dann würde ich einfach das Buch nehmen und mir ein gemütliches Plätzchen am See suchen.“ Einar lächelte ihn dankbar an. „Du bist toll, weißt du das?“ „Ich sage es mir jeden Morgen vorm Spiegel.“ „Spinner“, lachte Einar und küsste Tarek kurz. Sie gingen wieder auf ihr Zimmer und Einar packte zusammen, was er vielleicht gebrauchen könnte: einen Pullover, zwei Bücher, die Autoschlüssel. Schließlich trat er zu Tarek, der auf der Fensterbank saß. „Bis heute Abend“, meinte Einar leise. „Ich werde dich erwarten mit einer Flasche Rotwein...“ „Weiß.“ „... einer Flasche Weißwein und einem Lächeln. Wenn ich gut drauf bin, ist vielleicht auch ein Kuss dabei.“ „Danke“, flüsterte Einar und umarmte Tarek. Nach einem letzten Kuss, war er verschwunden. Tarek sah ihm kurz nach, dann schnappte er sich das Buch, seine Jacke und lieh sich ein Rad aus. Er schaffte es bis in ein nahes Dorf, in dem er den ganzen restlichen Tag in einem Restaurant auf der Terrasse direkt am See saß, und las. In der von Touristen belagerten örtlichen Weinhandlung ergatterte er noch zwei Flaschen Weißwein bevor er wieder zum Hotel fuhr. „Stell den Wein kalt, ich bin in einer Stunde wieder da.“ Diese Nachricht brachte ihn zum Lachen, denn natürlich war der Wein längst in der Minibar verstaut, und jetzt konnte er auch einen Snack bestellen, falls Einar nicht zu Abend gegessen hatte. Er selbst hatte zwar gegessen, aber wenn Einars Angabe stimmte, wäre er erst gegen 21 Uhr wieder da, da konnte man schon nochmal eine Kleinigkeit essen, vor allem im Urlaub. Einar parkte pünktlich um neun den Wagen und ging zur ihrem Zimmer. Er war den ganzen Tag gefahren und das hatte seinen Verstand aufgeräumt. So wie Tarek reagiert hatte, war er gewiss nicht wie sein Ex, eine sehr gute Nachricht. Und er hatte Tarek vermisst, sehr sogar. Das „Verliebter Teenager“-Gefühl war wieder aufgekommen als er unter einer der alten Alleen entlangfuhr und unweigerlich auf den leeren Beifahrersitz sah. Genau konnte er Tarek sehen, wie der den Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten legte und die Sonne Muster auf sein Gesicht zeichnete. In diesem Moment war ihm klar geworden, dass Tarek immer noch sein Freund war, trotz der Anziehungskraft zwischen ihnen. Ein Gefühl, das es bei seinem Ex nie gegeben hatte. Da war nur Besitz und Leidenschaft und Egoismus gewesen. Tarek war Freundschaft und Anziehungskraft und vielleicht irgendwann Liebe. Als Einar ihr Zimmer betrat, saß Tarek in einem Sessel, vollkommen in das Buch vertieft. Auf dem Tisch standen ein Teller mit kleinen Sandwiches und zwei Weingläser. Leise legte Einar seine Tasche ab und setzte sich aufs Bett, von wo aus er Tarek eine Weile beobachtete. In ihm kämpften zwei Kräfte: Der Buchliebhaber, der sich über solch eine Wirkung von Büchern immer freute, und der Liebhaber, der gehofft hatte, bemerkt zu werden. „Hallo“, sagte Tarek plötzlich und klappte das Buch zu. „Hallo“, lächelte Einar ihn an. „Sorry, ich wollte nur schnell das Kapitel zu Ende lesen“, erklärte Tarek und kam zu Einar, um ihn zu küssen. „Zum Glück bin ich nachsichtig, was Bücher betrifft.“ Einar lehnte sich an Tarek und sog dessen Duft ein. „Hab dich vermisst“, flüsterte er. „Hat dir der Tag gut getan?“ „Ja. Tut mir leid.“ Tarek sah ihn fragend an. „Was tut dir leid?“ „Dass ich dich allein gelassen habe.“ „Jetzt hör aber auf“, lächelte Tarek nachsichtig. „Du warst einen Tag allein unterwegs, weil du es brauchtest. Bei zwei Wochen ohne ein Wort wäre ich sauer, aber auch nur, weil ich mir Sorgen machen würde.“ „Und heute hast du dir keine gemacht?“ „Doch, natürlich. Ich habe mir vor allem heute morgen Sorgen um dich gemacht. Heute sollte dir helfen. Und ich habe mich abgelenkt.“ Tarek zeigte auf das Buch. „Hast du den ganzen Tag hier im Zimmer gehockt?“ Ein Lachen entfuhr Tarek. „Nein, ich bin mit dem Rad ins Dorf gefahren, habe am See gegessen und gelesen und uns Wein organisiert.“ „Wein?“ Ein Grinsen schlich sich auf Einars Gesicht. Verschwörerisch lächelnd nickte Tarek und holte eine Flasche Wein aus der Minibar. „Weiß, wie du ihn wolltest.“ „Perfekt.“ „Und weil ich nicht wusste, ob du was gegessen hast, habe ich uns die kommen lassen“, meinte Tarek und zeigte auf die Sandwiches. „Sehr gut.“ „Hast du gegessen?“, fragte Tarek nach. „Nicht viel“, gab Einar zu. „Was ist nicht viel bei dir?“ Einar sah zur Seite. „Ein paar Tassen Kaffee?“, murmelte er leise. „Du hast seit dem Frühstück nichts gegessen, stimmt's?“ „Aber getrunken.“ Ohne weitere Worte hielt Tarek ihm den Teller vor die Nase und Einar nahm sich etwas. „Danke“, meinte er leise und biss zu. „Hast du schon immer so wenig gegessen?“ „Ja, an manchen Tagen vergesse ich es einfach.“ Tarek ließ sich aufs Bett fallen und beobachtete Einar nur beim Essen, worauf Einar mit einem fragenden Blick über sein Sandwich hinweg reagierte. „Ich mach mir nur Sorgen, wenn du nichts isst“, erklärte Tarek. Einar nahm demonstrativ einen großen Bissen und lächelte. Zufrieden nickte Tarek und öffnete endlich den Wein. Sie vernichteten den Wein schließlich auf der Fensterbank sitzend und ohne viel zu sagen. Einar reichte es schon, mit dem Rücken an Tarek zu lehnen, damit es ihm gut ging. Es war perfekt. Für eine kurze Zeit war alles perfekt. Ein Traum, könnte man fast sagen, doch Einar war sich sicher, dass in Träumen, vor allem in perfekten Träumen, nicht plötzlich Mücken angriffen. Sie jagten die Biester durchs Zimmer und fielen schließlich lachend aufs Bett. "Ich habe zu viel getrunken", stellte Tarek fest. "Ich glaube, ich auch", meinte Einar und wieder lachten sie. Sie küssten sich und zogen sich gegenseitig aus und ließen ihre Hände über den Körper des jeweils anderen wandern und schliefen unter diesen sanften Berührungen ein. „Wir hätten früher herkommen sollen“, murmelte Einar. Sie saßen in dem Restaurant am See, in dem Tarek den vorherigen Tag verbracht hatte. „Hätten wir, aber dann hätten wir andere Dinge nicht getan“, gab Tarek zu bedenken. „Lass uns noch eine Woche hier bleiben.“ „Glaubst du, wir haben dafür genug Kohle?“ Einar verzog das Gesicht. „Ich wusste, die Sache hat einen Haken. Eine Woche ist fest geplant, alles andere ist Luxus.“ „Nimm es nicht so schwer. Wir haben noch nächste Woche bevor wir wieder zur Arbeit müssen. Die verbringen wir einfach genau so wie diese Woche: Keine Pläne, keine Verpflichtungen.“ „Meinst du, das bekommen wir so einfach hin?“, fragte Einar skeptisch. „Gerade du musst einiges klären.“ „Ich weiß. Aber ich will erstmal sehen, wie die Lage aussieht. Yasmin hat ebenfalls Urlaub und ich muss mit ihr reden, vielleicht auch mehr von meinen Sachen aus der Wohnung holen. Zum Glück ist mein Vater nicht da.“ „Brauchen wir eigentlich mehr Regale für deine Filmsammlung?“, wunderte Einar sich plötzlich. Tarek sah ihn überrascht an. „Wahrscheinlich, aber meine Filme passen in ein Billy.“ „Ein bitte was?“ „Ein Billy-Regal. Du hast in solchen deine Bücher stehen.“ „Ach, so heißen die Teile? Meine Mum hat sie ausgesucht, ich musste nur aufbauen.“ Einars Augen wurden groß. „Verdammt, ich muss auch ihr neues Sofa aufbauen nächste Woche...“ „Stockholm?“ „Genau.“ „So schlimm ist das nicht, glaub mir“, lächelte Tarek. „Das musst du sagen, gib es zu.“ „Nein, aber ich hatte auch noch nie ein Problem, wenn ich Möbel aufgebaut habe.“ „Ich habe mir einen Handwerker geangelt“, grinste Einar. „Na ja, verlass dich lieber nicht auf mich, wenn Abflüsse repariert werden müssen oder so...“ Einar lachte und griff über den Tisch nach Tareks Hand. „Lass uns heute Nachmittag nochmal schwimmen gehen. Es ist wieder warm genug dafür.“ Sein Gegenüber nickte nur lächelnd, dann kam ihr Essen. Sie verbrachten diesen Nachmittag wieder an einer einsamen Badestelle, den Abend wieder in ihrem Zimmer und waren glücklich, auch wenn die Realität, in die sie am nächsten Tag wieder fahren würden, schon Schatten auf ihre Gedanken warf. Wie um den Urlaub zu verlängern und die Realität auszusperren, hörten sie auf der Rückfahrt die Musik der letzten Tage. Die Fahrt an sich dauerte länger als die Hinfahrt, da sie ständig im Stau standen. Mehr Zeit für die Musik und eine willkommene Verlängerung, fanden beide und suchten sich, als klar wurde, dass sie nicht vor Mitternacht ankommen würden, ein Zimmer in einem Hotel an der Autobahn. So komfortabel wie ihr Urlaubsdomizil war es nicht, aber für eine Nacht musste die Realität noch warten. Bei ihrer Ankunft am nächsten Mittag, lag die Wohnung genauso vor ihnen, wie sie sie verlassen hatten. Einige Klamotten lagen vorm Schrank und einige Bücher lagen quer im Raum verstreut, das Bett war ungemacht und die Kaffeetassen standen in der Spüle. Sofort fühlte Tarek sich wie zu Hause. Er war nur ein paar Tage hier gewesen, doch diese kleine Wohnung fühlte sich einfach richtig an. Wahrscheinlich wäre seine eigene ähnlich, wenn seine Mutter ihn hätte früher ausziehen lassen. Eine der Wände wäre allerdings frei geblieben und gegenüber hätte er einen Projektor installiert. „Was wollen wir heute noch machen?“, fragte Einar ihn. „Wäsche waschen, Pizza bestellen und sonst nichts weiter“, schlug Tarek vor. „Oder ans Telefon gehen“, fügte Einar an und ging zum klingelnden Telefon. Es war seine Mutter und er ging in die Küche. Tarek warf sich in der Zwischenzeit aufs Bett und beobachtete, wie der leichte Wind die Blätter an den Bäumen vorm Haus bewegte. Die Blätter ließen das Licht ein bisschen tanzen und bei der sanften Bewegung und der gemütlichen Matratze döste Tarek einfach ein. "Ist es in Ordn..." Einar stoppte mitten im Satz als er in den Raum kam und Tarek schlafen sah. Leise machte er kehrt und setzte Kaffee auf, dann las er am Küchentisch. "Du hättest mich wecken können", verkündete Tarek keine halbe Stunde später von der Küchentür aus. "Wollte nicht." "Hast schon genug von mir, was?", grinste Tarek. "Noch nicht, ich wecke nur ungern Schlafende, wenn es keinen triftigen Grund gibt." "Kaffee ist ein triftiger Grund." Einar lachte. "Der hat aber meine Stärke. Wirst du das überleben?" "Heute bin ich mutig." Kaum hatte er das gesagt, saß Tarek ebenfalls am Küchentisch und hielt seine Tasse fest. "Wer war am Telefon?", fragte er. "Meine Mutter. Sie würde uns gern heute zum Essen einladen." Ein bisschen skeptisch sah Tarek ihn an. „Deine Mum weiß von mir?“ „Ja, so ein bisschen...“ „Was hast du ihr erzählt?“ „Nicht viel. Nur, dass ich jemanden kennengelernt habe. Sie hat sich gewundert, weshalb ich mich vor meiner Abreise nicht nochmal gemeldet habe und da habe ich halt erklärt, dass ich jemanden kennengelernt habe, der mich ein bisschen abgelenkt hat. Jetzt weiß sie, dass du Tarek heißt. Mehr nicht.“ „Weiß sie, dass ich hier wohne?“, hakte Tarek nach. „Ich habe gesagt, dass du bei mir untergekommen bist nach Stress zu Hause.“ „Und was sagt sie dazu?“ „Nichts. Ich glaube, ihr gefällt die Idee nicht, dass ich dich erst so kurz kenne und du hier bist.“ Tarek raufte sich die Haare. „Kann ich verstehen.“ „Wir wissen beide, dass es gerade nicht anders geht“, meinte Einar sanft. „Ja, aber... es wäre besser, wenn ich nicht raus gemusst hätte, wenn ich freiwillig hätte sagen können 'Ich will mit dir zusammen wohnen'.“ Sie sahen sich an und es war überdeutlich, dass Tarek nicht weinen wollte, dass er alles tat, um die Tränen zurückzuhalten, dennoch liefen sie. Einar stand einfach auf und umarmte Tarek von hinten, hielt ihn nur fest, ohne Worte. Die Tränen versiegten schnell wieder, doch Einar ließ Tarek nicht los, und Tarek lehnte weiterhin an Einar. „Zusammen“, flüsterte Tarek. „Zusammen“, flüsterte Einar. Hosted by Animexx e.V. 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