Hanarezu ni soba ni ite von Flokati ================================================================================ Kapitel 1: Der Abend des Grand Prix Final, Barcelona (Teil 1) ------------------------------------------------------------- Es ist schon spät als wir uns aufmachen, die Halle zu verlassen. Ich habe gar kein Zeitgefühl mehr. Wir sind die Letzten, doch es herrscht keine Eile. Das Einzige, was mich interessiert, ist dass Viktor noch bei mir ist. Ich glaubte, ihn ab hier gehen lassen zu müssen, aber er ist immer noch da und er wird bleiben. Die blauen Augen blicken ähnlich ungläubig drein, während wir in die Umkleide gehen, um meine Sachen zu holen, aber es huscht uns dennoch ein verlegenes Grinsen über die Lippen, wenn unsere Blicke sich begegnen. Es ist ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es ist soviel passiert, auf dem Eis, zwischen uns... Und trotz allem fühlt es sich aber hier wieder neu an. Unsere Umarmung vorhin war noch nie so intensiv gewesen, so warm… so befreiter. Der Angst ist verschwunden, ihn hergeben zu müssen und ich habe eine Medaille im Gepäck, von der ich zu Recht behaupten kann, sie mir erarbeitet zu haben. Für Gold hat es nicht gereicht, aber das fühlt sich zweitrangig an. Was zählt ist, dass Viktor an meiner Seite geblieben ist.   Als wir dann die Einganghalle betreten, warten noch Journalisten und Reporter auf uns, unter ihnen Morooka. Sie gratulieren zu meinem Erfolg und Morooka kann sich offenbar gar nicht oft genug vor uns verneigen. Seine Stimme überschlägt sich und er schreit inbrünstig in sein Mikrofon, als könne man ihn so bis nach Japan hören. Viktor überlässt mich meinem Landsmann mit einem Augenzwinkern und wendet sich stattdessen Stéphane Lambiel und einigen anderen internationalen Kollegen zu. Breitwillig gibt er den Berichterstattern Antworten, winkt den Leuten zu und begeistert sie mit seiner einzigartigen Art. Obwohl Viktor nicht am Tunier als Läufer teilgenommen hat, ist das Interesse der Medien an ihm hier in Europa ist ähnlich groß. Momentan aber genieße ich es, nur für Morooka die Hauptfigur spielen zu müssen. Weiter in Richtung Ausgang sehe ich einen viel größeren Auflauf an Kameras und Mikrofonen. Ja, die meiste Aufmerksamkeit erntet der Sieger und dieser heißt völlig unerwartet Yuri Plisetsky, der jüngste Sieger in der Geschichte des Grand Prix Final. Ich muss lachen, wenn ich die Traube um Yurio so sehe und beinahe tut er mir leid. So sehr er die Medaille wollte, so sehr hasst er den Trubel um seine Person. Ich sehe ihm auch auf die Entfernung an, dass er genervt ist und nur noch verschwinden will. Allerdings haben seine Trainer Lilia und Yakov, ein waches Auge drauf, dass er nicht entwischt. Beide sehen überaus zufrieden aus, denn auch ohne Viktor Nikiforov geht die russische Siegesserie beim Grand Prix weiter. Die Lücke, die Viktor in dieser Saison hinterlassen hatte, ist von Yurio bestens gefüllt worden und ich muss schmunzeln, als ein Gruppe Groupies der "Yuri Angels" ihren Yuratchka kreischend um Gruppenselfies bittet. „Können Sie uns etwas über die Ringe verraten, die Sie tragen?“ Mit einem Mal bin ich wieder voll bei meinem eigenen Interview. Der Reporter, der vor mir steht ist nicht mehr Morooka. Ein hagerer Typ mit druchdringenden Augen und gierigem Gesichtsausdruck hat sich vorgedrängelt und ist wohl eher von einem Klatschmagazin statt von einem Sportmagazin. Viktor ist neben mich getreten und der Reporter wedelt sein alarmrotes Mikrofon zwischen ihm und mir hin und her. Ich glaube, mir wird gerade fürchterlich heiß. Woher weiß die Presse schon von unseren Ringen? „Glücksbringer.“ antwortet Viktor mit einem Lächeln, das zufriedener kaum sein kann. Mir steckt ein Kloß im Hals. Sieht man, dass ich rot bin? Ich berühre ungewollt unauffällig meine Wangen, als ob man Schamesröte spüren könnte. „Glaubwürdigen Quellen nach zu urteilen, soll es sich um Verlobungsringe handeln,“ perscht der Reporter mit süffisantem Grinsen vor. Ich stecke die Hände sofort in die Taschen meiner Trainingsjacke. Wer hat das mit der Verlobung erzählt? Im Grunde wussten doch nur wir Läufer, Minako-sensei und Mari-neechan davon, dass dieses Wort überhaupt gefallen ist... „Glücksbringer.“ wiederholt Viktor. Er ist die Ruhe selbst. Wie schafft er es, so locker zu bleiben? „Sind Sie schon mal in Japan gewesen? Japaner lieben Glückbringer und Yuuri hat uns diese für das Finale geschenkt. In Tempeln kann man sie zu jedem erdenklichen Anlass kaufen.“ Ich atme auf. Viktor wechselt gekonnt das Thema und der Reporter sieht aus, als hätte man im eine saure Zitrone als Antwort präsentiert. Ich denke schon, dass die Sache damit erledigt ist, doch das rote Mikrofon befindet sich plötzlich wieder vor meinem Gesicht. „Herr Katsuki, können Sie als Japaner und Käufer dann bestätigen, dass Ihnen diese Glücksbringer“, er betont das Wort extra lang und sarkastisch, „genug Glück gebracht haben? Sie wurden schließlich nur um ein Zehntel Punkte von Yuri Plisetsky geschlagen und haben Gold verpasst – das würde ich nun eher als Pech bezeichnen, wenn man bedenkt, wieviel Sie diese Ringe gekostet haben müssen.“ „E-Es kommt auf den Blickwinkel an.“ antworte ich aufgeschreckt, aber nur halb so ruhig und professionell wie Viktor. „Genau das.“ kommt Viktor mir erneut zur Hilfe und ich bin ihm unendlich dankbar dafür. „Der Pechvogel hier bin ich. Yuuri und Yuri Plisetsky haben mich gleich zweimal entthront, wieviel mehr Pech kann man haben?“ Dann lacht er. „Yuuri hat viel gewonnen. Er war Letzter in der Vorsaison. Heute war er nur ein Zehntel Punkte vom Sieg entfernt. Diese Leistung verdient Anerkennung.“ Bevor der Klatschreporter weiter ausholen kann, kommen neue Fragen von dazugestoßenen Journalisten, wie ich mich steigern konnte und ob Viktor ein guter Trainer ist. Das Interview ist wieder beim eigentlichen Thema und die Zitrone für den Herrn mit dem roten Mikrofon doppelt bitter. Nachdem dann auch die letzte Frage beantwortet ist, machen wir uns still auf den Weg zurück ins Hotel. Viktor trägt meine Tasche, so wie er es bisher immer getan hat. Die Medaille schlägt im Takt meiner Schritte gegen meine Brust und wir laufen das kurze Stück in Stille, aber je näher wir dem Hotel kommen, desto ernster werden die Gesichtszüge von Viktor. Mit jedem Schritt scheint sich die Begeisterung und die vorherige Zufriedenheit über meine Platzierung zu verlieren. Als wir an unserem Zimmer ankommen, ist Viktor’s Gesicht so ernst und angespannt, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Es macht mir etwas Angst. Was beschäftigt ihn derartig? „Yuuri.“ Auch sein Ton ist furchtbar ernst. Er öffnet die Zimmertür. „Geh schon mal duschen, ich muss noch kurz zur Rezeption. Ich komme dann zu dir.“ „Ok ... gut.“ Sein Verhalten verunsichert mich zutiefst. Wir treten ein, er stellt die Tasche auf seinem Bett ab, während ich die Tür schließe. „Was ist los?“ frage ich dann doch wankelmütig, nachdem das Schloss eingerastet ist. „Ich muss ein Einzelzimmer nehmen.“ Er klingt bitter. „Mach' dir keine Sorgen.“ fügt er denn noch schnell hinzu, als könne er meine Gedanken lesen. „Sobald wir in Hasetsu zurück sind, schlafen wir wieder zusammen.“ Es fühlt sich an, als wäre ich 5 Jahre alt und man hätte mir mein Kuscheltier abgenommen, obwohl ich eine Belohnung verdient hätte. Ich schlucke schwer. Seit meiner Rückkehr aus Russland waren wir keine Nacht mehr getrennt gewesen. Entgegen aller Vernunft hatte Viktor ein Doppelzimmer mit zwei Einzelbetten für Barcelona gebucht. Wir haben im Flugzeug darüber gekichert wie kleine Mädchen, die ihre erste Übernachtungsparty feiern, hatten zusammen alberne Fotos geschossen und hätte ich nicht solch ein Jetlag gehabt, hätte es wohl auch die obligatorische Kissenschlacht vor dem ersten Einschlafen gegeben. Wir waren wie unserer eigenen Welt, ohne Zuschauer. Aber Viktors ernstes Gesicht lässt mich ahnen, dass uns die Realität gerade mit Lichtgeschwindigkeit einholt, weil wir feststellen, dass fast die ganze Welt zusieht. Ich gehe einen Schritt auf Viktor zu, um ihn zu umarmen und er lässt es geschehen. „Yuuri...“ flüstert er schwermütig. „Ich habe mir das heute Nacht anders vorgestellt. Verzeih mir, dass ich dich warten lassen muss. Wir holen es in Hasetsu nach. Versprochen.“ Seine Lippen berühren meine Stirn, sanft, liebevoll, ganz und gar wie nur er es kann. Der 5-Jährige in mir scheint sich etwas zu beruhigen. „Viktor... es ist wegen den Ringen, nicht?“ frage ich, die Augen zum Boden gewandt. Ich schaffe es immer noch nicht, ihm in die blauen Augen zu sehen, wenn er mir mit Worten und Gesten zu verstehen gibt, dass unser Verhältnis über ein platonisches Verhältnis hinausgeht und mit dem heutigen Tag auch nicht beendet sein wird. Mein Griff um seinen Oberkörper wird fester, als würde er sich dennoch jeden Moment in Luft auflösen. „Ja und Nein.“ entgegenet mir Viktor, als sich seine Lippen vorsichtig von meiner Stirn lösen. „Ich selbst bin derjenige, der die Ringe als Verlobungsringe bezeichnet hat. Ich hätte es nicht so unbedacht in alle Runde in einem Restaurant sagen sollen. Wer auch immer es gehört und uns erkannt hat, verbreitet das gerade.“ Er macht eine kurze Pause, in der seine blauen Augen schon wieder bis zu meinen Gedanken durch dringen. „Ich möchte nicht, dass du nach irgendwelchen Nachrichten im Internet suchst, bis ich wieder da bin. Die Wahrheit kennen nur wir beide.“ Es klopft an der Tür. Viktor küsst mich noch einmal kurz auf die Stirn, geht zur Tür und späht durch den Spion. Er atmet erleichtert auf und öffnet. Es ist Christophe Giacometti. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)