Hanarezu ni soba ni ite von Flokati ================================================================================ Kapitel 4: Der Tag nach dem Grand Prix Final, Barcelona (Teil 2) ---------------------------------------------------------------- Nach unserem sehr emotionalen Start in den Tag treffen wir uns mit Yurio, Yakov und Lilia im Frühstücksraum des Hotels. Viktor hat dieses Treffen gestern Abend vereinbart, um über die nächste Saison zu sprechen. Er setzt sich Yakov gegenüber und macht mir zwischen ihm und Yurio Platz, sodass ich, wenn auch etwas beengt, ebenfalls an dem Vierertisch Platz nehmen kann. Yurio liegt mit dem Kopf auf seinen verschränkten Armen auf dem Tisch und kämpft gegen die Müdigkeit. Den ungeöffneten Kondensmilchdöschen vor ihm zu urteilen, darf der Arme nicht mal Kaffee trinken, um munterer zu werden. Er sieht fix und fertig aus. „Guten Morgen.“ begrüßt Viktor die Runde in etwas zurückhaltendem Ton. „Hey, Yurio, alles klar?“ Ich werde mich nie an den Klang von Russisch gewöhnen können. Als würde man sich mit Lauten ständig verschlucken und das überaus amüsant finden. Von Yurio kommt nur ein abfälliges Stöhnen. Für mehr scheint seine Energie nicht zu reichen und ich frage mich, ob er nicht doch Opfer von einem dieser Trinkspiele geworden ist. Falls ja, wäre das die einfachste Erklärung für seinen Zustand, auch wenn er eigentlich noch gar keinen Alkohol trinken darf. Eine Dame vom Service kommt an den Tisch und bringt ein weiteres Service für mich. Sie schenkt mir und Viktor Kaffee ein, lässt die Kanne auf unserem Tisch stehen und nimmt die benutzten Teller mit sich, um uns Platz zu machen. Ich trinke einen ersten Schluck. „Nun gut, Vitya.“, setzt Yakov ein, der offensichtlich nicht viel Zeit mit Nichtigkeiten vergeuden will. Sein missfallender Blick auf meine rechte Hand macht mir schlagartig bewusst, dass die Sache mit den Ringen längst nicht durchgestanden ist. „Wie hast du dir das nächste Saison vorgestellt? Du willst laufen, aber trotzdem ihn trainieren?“ Die strengen Augen durchbohren mich. Unter dem Tisch greift Viktor meine linke Hand und hält sie fest. „Ich komme nach Neujahr erst einmal zurück nach St. Petersburg.“, erklärt Viktor und drückt meine Hand ein bisschen fester. „Vorraussichtlich bis Ende März. Was danach ist, also ob ich wieder nach Japan gehe oder ob Yuuri nach Russland kommt, müssen wir sehen.“ „Also hat sich das mit deinem vollen Comeback doch wieder erledigt?“ brummt sein ehemalige Trainer mürrisch. „Du wirst es nicht schaffen, bei den Besten mitzulaufen, wenn du einen Klotz am Bein hast.“ „Yuuri und Yurio haben mir im Finale gezeigt, dass mein Talent bei ihnen bestens aufgehoben ist. Auch wenn es an mir nagt, so muss ich sagen, dass es Dinge gibt, die mir im vergangenen Jahr wichtiger geworden sind, als noch einmal selbst wie ein Besessener einem Titel hinterher zu jagen.“ Jetzt werde ich wirklich rot. Yakovs Augen verdunkeln sich und er sieht fast mörderisch aus, so wenig begeistert ist er von dieser Aussicht. „Und wofür willst du dann trainieren?“ „Ich will gegen die Beiden antreten und ihre Rekorde zurückholen. Und mir liegt noch eine Sache am Herzen, Yakov.“ sagt er und ich sehe, wie die blauen Augen anfangen zu leuchten. Diese Sache scheint ihm wirklich auf der Seele zu brennen. „Ich muss ‚Hanarezu ni soba ni ite‘ noch einmal überarbeiten. Ich werde keine Ruhe finden können, wenn ich die Kür so stehen lasse.“ Sein Mund bleibt leicht geöffnet, als wollte er noch etwas sagen, doch Yakov schließt die Augen, schüttelt den Kopf. Offenbar versteht Yakov etwas, was ich gerade nicht verstehe. „Vitya.“ Der Tonfall jagt mir einen Schauer über den Rücken. Es ist derselbe Ton, in dem meine Eltern manchmal mit mir reden, wenn ich eine unsäglich dumme Idee habe, aber sie nicht anders können, als mich dabei zu unterstützen, weil sie mich lieben. Dass dieser zeternde, strenge Mann diese Töne anschlagen kann, überrascht mich doch sehr. Begleitet von Yurios Geraschel, sich die Ohren zuzuhalten und die Zunge rauszustrecken, fährt Yakov mit demselben Klang in seiner rauen Stimme fort: „Du musst nichts mehr erklären. Es ist bereits alles gesagt. Ich kenne dich länger und besser als die meisten anderen Menschen. Wahrscheinlich war ich der Erste, der dich überhaupt verstanden hat.“ Viktor drückt meine Hand und verschränkt unsere Finger. Ich habe gerade wirklich das Gefühl, als wäre Yakov Viktor’s Vater, der die Lebensplanung seines Sohnes zwar nicht gutheißt, aber nicht anders kann, als ihn gewähren zu lassen, weil er ihn sonst unglücklich machen würde. Mir wird ganz schön mulmig, wenn ich über meine eigene Rolle in diesem bizarren Szenario nachdenke. „Ich habe dich letzten April nicht freiwillig gehen lassen und du weißt ganz genau warum. Ich halte nichts von dieser vorgeschobenen Trainer-Schüler-Geschichte, da bist du noch absolut grün hinter den Ohren. Nachdem Yuri als Verlierer dieses Wettstreits und ohne dich aus Japan zurück gekommen war, sah ich mich in meiner Annahme bestätigt und dennoch wollte ich nicht glauben, was dich antreibt, deine Zeit mit diesem zweitklassigen Eiskunstläufer zu verschwenden. Das Talent des Japaners gab keinen Anlass dazu, rein professionelle Gründe zu vermuten.“ Er macht eine Pause, blickt zu seiner Ex-Frau, dann wieder zu mir und ich fühle mich vollkommen nackt unter dem Blick dieses grimmigen Russen. Viktor betrachtet ihn mit erwartungsvollen, angespannten Augen. Sein Puls muss rasen, er bewegt sich keinen Millimeter. Doch Yakovs sonst so stoischen Züge hellen sich für den Bruchteil einer Sekunde auf, um dann wieder in die gewohnten Furchen zurückzufallen. „Was hab ich mir deinetwegen alles angehört. Ich dachte, mein Schwein pfeift, als du dem Japaner in China um den Hals gefallen bist. Man wollte dich sogar nach Russland zitieren, um mit der Sache aufzuräumen.“ Viktor und ich tauschen schuldbewusste Blicke aus. Jetzt drücke ich seine Hand fester. Ich habe das Gefühl, ihn beruhigen zu müssen, denn er war es, der mich vor allen Leuten geküsst hat. Aber ich bin selbst zu nervös, um etwas sagen zu können. Ich senke meine Augen und starre meinen noch leeren Teller an und mein Bein wippt nervös auf und ab. Yakov fährt fort: „Ich habe mich dann dafür entschieden, es hinzunehmen und deiner Version von Beweggründen zu folgen. Aber krieg' es nicht in den falschen Hals!“ Es entsteht eine unangenehme, spannungsvolle Pause. Dann resigniert Yakov: „Aber bevor du wieder abhaust, kann er meinetwegen nach Russland kommen.“ Ich horche auf und blicke in das Gesicht meines Freundes. Ich sehe, wie sich die blauen Augen mit Wasser füllen. Seine Hand löst sich, er steht auf und umarmt seinen ehemaligen Trainer, wie es nur ein Kind aus Dankbarkeit seinen Eltern gegenüber tun kann, für die Unterstützung, die es gerade erfahren hat. Auf dem Weg zum Flughafen habe ich viel Zeit mit Nachdenken verbracht. Viktor ist wieder der gewohnte Sonnenschein, seit Yakov ihm heute morgen seinen Segen als mein Trainer gegeben hat. Dass er so gelöst ist, erleichtert mich auch. Im Flugzeug sitzen wir nebeneinander im hinteren Teil und obwohl Viktor schon mehrfach wiederholt hat, in der Holzklasse nicht schlafen zu können, scheint meine Schulter ein einladendes Argument dafür zu sein. Der Platz links neben Viktor bleibt den Flug über unbesetzt und so haben wir ein bisschen mehr Privatssphäre für uns. „Du solltest auch schlafen, Yuuri.“, schnurrt er mich mit geschlossenen Augen an. „Wenn wir landen, ist das dein großer Auftritt. Du solltest ausgeruht aussehen, jeder wird nur auf dich schauen.“ „Auf dich doch auch.“ nuschele ich zurück, den Blick aus dem Fenster auf das Wolkenmeer unter uns gerichtet. „Nein, diesmal bist du der Held. Ich bin der Geschlagene.“ „Ohne dich wäre ich nie soweit gekommen...“ „Yuuri...“ Er küsst meine Schulter. „Ich wäre aber auch nicht hier, wenn du mir nicht überzeugt hättest, zu kommen.“ „Ich bin nur dein Programm gelaufen...“ „Ja, und du wirst es wieder laufen.“ Ich drehe mich etwas irritiert zu ihm. Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich frage vorsichtig nach: „Wie meinst du das?“ „Ich habe gesagt, dass ich in St. Petersburg ‚Hanarezu ni soba ni ite‘ überarbeiten möchte. Denn ich finde, bzw. fand schon zu Beginn, dass diese Kür eigentlich zwei Protagonisten braucht. Ich kann mir keinen besseren Partner vorstellen als dich. Ich würde mir wünschen, dass wir sie noch einmal zusammen laufen.“ Ich schaue ihn mit ungläubigen Augen an. Dann muss ich unwillkürlich kichern und Viktor sieht verdutzt aus. „Was kicherst du?“ mault er. „Naja,“ beginne ich und stupse ihm auf den Kopf. „Dass du freiwillig deine Kür mit mir teilst...“ „Ich teile sie nicht mit jedem x-beliebigen.“ „Aber mit deinem verlobten Rekorddieb?“ entgegne ich, immer noch amüsiert. Jetzt muss auch Viktor lachen und richtet sich auf. „Verlobter Rekorddieb? So, so. Ich kann mich nur an einen Fast-wie-ein-Antrag erinnern. Also sind wir auch nur fast-wie-verlobt.“ „Njaa...“ gestehe ich verlegen. Viktor lacht: „Den richtigen Antrag bist du mir noch schuldig; dafür, dass ich den hier bereits habe.“ Er hält mir seine rechte Hand unter die Nase. „Ich weiß. Und du wirst ihn bekommen.“, sage ich bestimmt. Er hält inne, erwidert nichts, perplex, so wie er immer schaut, wenn ich ihn überrasche. Dann entspannen sich seine Gesichtsmuskeln und formen ein Lächeln, dass mein Herz einen Purzelbaum schlagen lässt. „Ich freue mich darauf, Yuuri.“ ist alles, was in meinen Kopf nachklingt, als seine Lippen meine verschließen. Das Flugzeug kann sich ruhig Zeit lassen, in Osaka zu landen... ------------- Viktor hatte angekündigt, dass wir in Narita landen und umsteigen würden. De facto aber landen wir gerade auf dem Kansai International Airport in Osaka, um in einen Inlandsflieger nach Fukuoka umzusteigen. Was ausgeklügelt erscheinen mag, war letztendlich doch nur seiner Vergesslichkeit geschuldet. Ausnahmsweise hatte es für uns diesmal Vorteile gehabt, denn wir können ohne von Kameras und Mikrofonen begleitet zu werden die Maschine wechseln. Am Zielflughafen in Fukuoka etwa zwei Stunden später kann von dieser Ruhe keine Rede mehr sein. Solange wie der Flug gedauert hat, brauchen wir auch, uns den Weg durch die Gepäckrückgabe, den Flughafen und vorallem durch die japanische Presse zu bahnen und ins Taxi zu steigen. Eigentlich hatte Takeshi uns abholen wollen, aber er kommt nicht durch bis zu uns, so viele Menschen sind zum Flughafen gekommen. Erst als wir im Taxi sitzen, spüre ich, wie müde ich eigentlich bin und ich glaube, man sieht es mir auch an. Viktors Augen sind ebenfalls müde und gerötet, aber dennoch wachsam. Letztendlich hat er im Flugzeug mehr geschlafen als ich, weil er mich als Kissen missbraucht hat. Irgendwie schaffen wir es bis nach Hasetsu. Und Yuko hatte nicht zuviel versprochen, was das Begrüßungskomitee anbelangt. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Hilfe! Seit wann hat Hasetsu soviele Einwohner?! Dabei will ich doch einfach nur schlafen... Als wir endlich bei meinen Eltern zuhause ankommen und überschwänglich von Makkachin begrüßt werden, sind wir seit gut 24 Stunden wach und unterwegs. Mutter kann mich gar nicht feste genug drücken und auch Viktor bleibt von einer innigen Umarmung nicht verschont. Mein Vater dagegen sieht etwas missgestimmt aus und ich kann mir schon denken, wo der Schuh drückt. Bestimmt haben Mari und Minako-sensei schon geplappert. Da die beiden aber erst morgen landen werden, muss ich die Suppe jetzt alleine auslöffeln. Viktor hat sich nämlich ebenfalls aus der Schußlinie gebracht, indem er nochmal mit Makkachin vor die Tür ist. „Wie war es in Barcelona?“ fragt mich mein Vater mit suspektem Blick, als wir unsere Koffer nach oben tragen. „Gut. Die Stadt ist sehr schön. Wir waren an der Sagrada da Familia und in der Stadt und auf dem Weihnachtsmarkt. Ich hab euch Souvenirs mitgebracht.“ entgegene ich schläfrig, wohlwissend auf was er hinaus will. „Da wird sich deine Mutter freuen.“ „Ja.“ Wir erreichen Viktors Zimmer und ich rolle seinen Koffer hinein. Die Bettwäsche ist dunkelblau. Als ob das jetzt noch was ändern würde, denke ich mir und lache mich selbst aus. „Soll ich deinen Koffer gleich auch hier lassen?“ reißen Vaters Worte mich aus meinen Gedanken. „Was, nein. Ich nehm den schon.“ antworte ich hastig. „Ich dachte nur. Mari hatte da etwas erwähnt.“ setzt er schließlich an. Warum kann er das nicht bis morgen sein lassen? Warum jetzt? Aber da er keine Ruhe geben wird, bis er die Antwort hat, die er haben will, resigniere ich. Also dann, kurz und schmerzlos. „Ich weiß, worauf du hinaus willst. Ja, die Ringe gibt es. Reicht dir das für heute?“ Bei dem Gesicht, dass er zieht, nein. „Aha. Dann hast du deiner Mutter und mir also nicht noch was zu sagen?“ „Mari hat doch alles schon erzählt, so wie du schaust.“ sage ich genervt. „Du willst ihn also heiraten, wenn du Gold gewinnst?“ „Ja.“ Vaters Augen verengen sich und ich schnaube. Bitte, mach's kurz, ich habe keine Lust mehr zum Diskutieren heute Abend. Ich will einfach nur noch schlafen. „Und er will dich heiraten?“ „Ich gehe davon aus.“ In dem Moment fängt mein Vater urplötzlich an, lauthals loszulachen. Er lacht mich tatsächlich aus! Hallo? Was ist daran so lustig? Er soll sich wieder einkriegen! „Hast du den Antrag schon früher mit den Postern geübt? Kennt er deine Sammlung?“ beömmelt er sich und hält sich den Bauch vor Lachen. „Vater!“ Er versucht, sich am Riemen zu reißen, wirkt aber dennoch überaus amüsiert und kichert gelegentlich, als er spricht: „Ich hab zu Mari schon am Telefon gesagt, dass du soviel Glück gar nicht haben kannst. Dass er unerwartet vor der Tür stand, war doch schon des Guten zuviel. Aber alles gut, alles gut, fragen kann man ja.“ „Yuuri!“ Viktor ist zurück und wir sehen ihn mit Makkachin den Gang zu uns laufen. Vater dreht sich um, streichelt Makkachin den Kopf und verschwindet mit einem weiteren unterdrücken Lachen und „Gute Nacht“ um die Ecke. Viktor schaut mich mit großen Augen an. „Was war denn?“ „Nichts.“ antworte ich und bin froh, dass endlich Ruhe ist. Viktors Augen fallen auf meinen Koffer, den ich neben die Zimmertür gerollt habe. „Wo willst du denn mit deinem Koffer hin? Schläfst du nicht bei mir?“ „Doch. Komm, ich fall' gleich tot um.“ „Dein Vater hat irgendwas von mir gesagt, oder?“ „Viktor, bitte.“ entgegne ich gequält, als ich meinen Koffer in sein Zimmer rolle. „Ich will einfach nur noch ins Bett und schlafen.“ „Okay " Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)