Begegnungen von Yosephia ([EU-Sequel \ Ben Skywalker & Tahiri Veila Centric]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Han Solo, bei aller Liebe, die ich für dich empfinde, setz’ dich sofort hin oder ich lasse mich dazu hinreißen, dich K.O. zu schlagen!“ „Sagt mir ausgerechnet diejenige, die mir mit der Macht nicht einmal einen Schweißbrenner reichen will, weil sie ihre Fähigkeiten nicht missbrauchen will!“ „Mit deiner unbegründeten Nervosität bringst du hier aber alle durcheinander!“ „Unbegründet?! Unsere Tochter liegt in den Wehen!“ „Als ich in den Wehen lag, warst du nicht so nervös.“ „Du warst damals schon so stur wie eine Barabel, da bestand kein Grund zur Sorge.“ „Aber bei Jaina, die die Sturheit beider Elternteile hat, besteht ein Grund zur Sorge?“ Seufzend schüttelte Ben Skywalker den Kopf, während er den Disput seiner Tante und seines Onkels beobachtete. Trotz seines jungen Alters hatte er schon tiefe Einblicke in die Macht bekommen, aber oft genug hatte er das Gefühl, dass nicht einmal die Macht selbst die Beziehung zwischen Han Solo und Leia Organa Solo verstand. Er saß auf einer Bank im Wartebereich vor dem Medi-Center von Ossus und wartete wie alle Anderen darauf, dass Meisterin Cilghal endlich mit der frohen Botschaft heraus kommen würde. Neben sich spürte er, wie Allana beinahe unmerklich zusammen zuckte. Für eine Padawan war sie wirklich gut, aber sie besaß noch nicht die Selbstkontrolle einer voll ausgebildeten Jedi. Die natürlichen Geburtsschmerzen, die durch die Macht flackerten, waren eine harte Probe für die Dreizehnjährige. „Sie ist bei Meisterin Cilghal in besten Händen“, erklärte Ben beruhigend. „Darum mache ich mir auch keine Sorgen“, erwiderte Allana voller Vertrauen. „Es ist nur ungewohnt. Besonders bei Tante Jaina.“ Verständnisvoll nickte Ben. „Dennoch solltest du dich nicht davon mitreißen lassen. Behalte immer deine eigene Umgebung im Auge.“ „Du meinst Oma und Opa, die sich wieder einmal zanken?“ Bens Mundwinkel zuckten. Er mochte die nüchterne Art seiner Schülerin in Bezug auf ihre Großeltern. Viele andere Leute – selbst Jedi-Ritter und sogar einige Meister – waren bei weitem nicht so gelassen und standen oft rat- oder sogar fassungslos daneben, während die beiden Helden zahlreicher Kriege die Köpfe aneinander stießen wie zwei besonders sture Banthas. Wie beinahe alle in ihrer Familie war Allana stark in der Macht. Es war Königinmutter Tenel Ka sehr wichtig, dass ihre Tochter und Nachfolgerin mit diesen Fähigkeiten umzugehen lernte, auch wenn Allana genau wie ihre Mutter letztendlich keine Jedi-Ritterin werden konnte. Mit der richtigen Ausbildung und mit ihrer Charakterstärke hätte sie zweifellos das Potenzial, eines Tages sogar in den Rang einer Meisterin erhoben zu werden, aber als einziges Kind ihrer Mutter trug sie im Grunde jetzt schon die Verantwortung für das Hapes-Konsortium. Die Adligen dieses Verbunds blickten wachsam, wenn nicht sogar argwöhnisch in Allanas Richtung. Deshalb bedurfte es bei ihrer Ausbildung viel Fingerspitzengefühl. Ben hätte angenommen, dass einer der Meister das übernehmen würde, aber der Rat hatte einstimmig entschieden, dass er für diese Aufgabe bestimmt sei. Dabei war er noch sehr jung und hatte selbst noch viel zu lernen, aber er hatte sich im Vertrauen auf ihre Einblicke in die Macht dem Rat der Meister gefügt. Dennoch war er anfangs unsicher gewesen und hatte viel über seine neue Verantwortung meditiert, bis er eines Tages in der Macht von seinem Vater berührt worden war. Aufgrund der großen Entfernung zwischen ihnen war es nur ein kurzer Kontakt gewesen, doch erfüllt von Zuneigung und Vertrauen. Seitdem besann Ben sich auf die Beispiele seiner eigenen Mentoren, nicht zuletzt auch auf das seines Cousins Jacen, der ihm viel über die Macht und das Leben beigebracht hatte, bevor er der Dunklen Seite anheim gefallen war. Lächelnd blickte Ben auf und Allana jauchzte überrascht und freudig, als eine neue Präsenz in der Macht erschien und die Präsenzen von Jaina und Jag regelrecht vor Glück überströmten. Leia seufzte glücklich, was Han sofort innehalten ließ. „Was ist los?“, fragte er als einziger Nicht-Jedi und somit Ahnungsloser. „Ist mit ihnen alles in Ordnung?“ „Es ist alles in bester Ordnung, Han. Herzlichen Glückwunsch zum zweiten Enkelkind, Großvater.“ Überrascht blickten alle zu Luke Skywalker, der auf einmal bei ihnen im Wartebereich stand. Nicht einmal Ben hatte sein Kommen gespürt, aber schneller als die Anderen konnte er es sich zusammenreimen. Der einstige Großmeister war erst vor drei Jahren in den Ruhestand getreten und seitdem von der Bildfläche verschwunden. Für viele Jedi war dies ein Schock gewesen. Insbesondere die Schüler, aber sogar einige Meister hatten sich schwer daran getan, mit einem Orden ohne die scheinbar ewige Konstante des Begründers weiter zu machen. Hätte Luke seine Präsenz in der Macht nicht unsichtbar gemacht, wie Ben es ihm vor einigen Jahren beigebracht hatte, hätte er wahrscheinlich für helle Aufregung gesorgt. Ben stand auf und ging zu seinem Vater, um ihn zu umarmen. Obwohl sie in den letzten drei Jahren hin und wieder über die Macht Kontakt miteinander gehabt hatten, freute er sich doch, ihn endlich wieder zu sehen. „Schön, dass du da bist.“ „Ich könnte mir einen weiteren Solo-Sprössling unmöglich entgehen lassen“, erwiderte Luke und umarmte nacheinander Han und Leia zur Begrüßung, nachdem er und Ben voneinander abgelassen hatten. „Lasst mich raten: Das Kind ist stark in der Macht?“, fragte Han mit einer verwirrenden Mischung aus Stolz und Schadenfreude. „Mal sehen, wie unser steifer Chiss-Freund einen Jedi großzieht.“ „Ich sehe schon, der Ruhestand hat dir nichts von deinem Talent genommen, dir Freunde zu machen“, schmunzelte Luke, woraufhin Han verwegen grinste. Ehe sie mehr sagen konnten, öffnete sich die Tür zum Medi-Center mit einem Zischen und Meisterin Cilghal trat heraus. Falls die Mon Cal über Lukes Anwesenheit überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. Respektvoll nickte sie dem einstigen Großmeister zu, ehe sie sich an die Solos wandte und ihnen bedeutete, dass sie ihren neuen Enkel sehen durften. Allana ging mit ihnen, Ben und Luke jedoch warteten draußen und nahmen lächelnd die schier überschäumende Freude der Solos in der Macht wahr. Bens eigene Freude trübte sich, als er etwas anderes in der Macht spürte: Aufklaffende Wunden aus Trauer und Einsamkeit, Eifersucht, Missgunst und daraus resultierend Schuld und noch mehr Einsamkeit. Die Hand seines Vaters auf seiner Schulter ließ ihn aufblicken. Trauriges Verstehen spiegelte sich in den blauen Augen wieder. „Es ist der Moment, Ben, aber kein Schritt zur Dunklen Seite. Du hast sie damals wirklich und wahrhaftig davor gerettet.“ „Vor der Dunklen Seite, ja, aber vor der Trauer kann sie leider niemand retten“, murmelte Ben bedauernd. „Als Jedi müsste ich jetzt sagen, dass die Macht und mit ihr die Zukunft immer in Bewegung sind, aber als Witwer sieht die Sache für mich nicht anders aus als für Tahiri“, gestand Luke. Ben versuchte nicht, seine Trauer abzuwürgen, als er an seine Mutter erinnert wurde, sondern ihn zu akzeptieren, auch wenn es wie immer schwer war. Viel zu früh hatte er sie verloren und mit ihr einen Teil seines Vaters. Zwar hatten Vater und Sohn gelernt, mit dieser Trauer zu leben, ohne sich von ihr lähmen oder gar auf die Dunkle Seite ziehen zu lassen, aber in Momenten wie diesem hier war Maras Abwesenheit so schmerzhaft wie am ersten Tag. Ganz offensichtlich galt dieses Problem auch für andere Hinterbliebene. „Sie ist stark und sie weiß, dass sie nicht alleine ist“, ermunterte Luke seinen Sohn und übermittelte ihm mit der Macht seinen Stolz. Dankbar nickte Ben, ehe er unwillkürlich grinsen musste. „Du bist den Erzählungen über Meister Yoda so ähnlich geworden. Zum Glück sprichst du nicht wie er.“ Lukes Gesicht erblühte im so selten gewordenen jungenhaften Schalk, als er das Grinsen erwiderte. „Was du meinst, ich nicht weiß.“ Anakin war überall. Er war jedes Gesicht, jedes Ding, jedes einzelne Molekül auf Ossus. Jede Ecke der Akademie, jeder Winkel des Mondes war geradezu mit der Erinnerung an Anakin Solo infiziert. Dabei hatte er nie auch nur einen Fuß auf Ossus gesetzt. Die Erinnerungen pressten Tahiris Herz, ihren Geist, ja, ihr ganzes Sein wieder zu jenem kümmerlichen Klumpen Dahinvegetieren zusammen, der sie so lange Zeit nach Anakins Tod gewesen war. Krampfhaft versuchte Tahiri, sich der Macht hinzugeben und sich so reinigen zu lassen, aber selbst die Macht war erfüllt von Erinnerungen an den einzigen Mann, den Tahiri jemals geliebt hatte. Seit mehr als zwanzig Jahren trauerte sie und es wurde nie leichter. Manchmal ging es ihr eine Zeit lang besser. Der Wiedereintritt in den Jedi-Orden und die Missionen mit Ben hatten ihr wirklich gut getan. Doch seit sie von Jainas Schwangerschaft erfahren hatte, hatte sich in ihr ein Druck aufgebaut, der sich nun mit der Geburt des Kindes in reiner Agonie entlud. Ein gequältes Krächzen verließ ihre Kehle, als sie auf dem Boden ihres kleinen Privatquartiers zusammen sackte. Sie und Anakin waren damals viel zu jung gewesen, um über eine gemeinsame Zukunft nachzudenken. Nicht einmal ihre Gefühle füreinander hatten sie klar definiert. Trotz des um sie herum tobenden Krieges hatten sie geglaubt, dass sie alle Zeit der Welt hätten, um all das zu erforschen. Nach Anakins Tod war Tahiri nach und nach bewusst geworden, was ihr alles verwehrt bleiben würde. Niemals würde sie mit Anakin eine Familie gründen. Niemals würde sie eine Solo werden… Das Glück, welches Jaina nun widerfuhr, würde Tahiri niemals selbst kennen lernen. Sie mochte Freunde gefunden haben und von Han und Leia wie eine Tochter aufgenommen worden sein, aber im Grunde ihres Herzens war sie alleine und würde es immer bleiben. Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte Tahiri keuchend zurück. Sie brauchte nicht die Macht, um zu wissen, dass es sich um ihren alten Meister Corran Horn handelte, aber sein Beistand war im Moment unerträglich für sie. Oft genug hatte sie in den letzten Monaten seine besorgten Blicke gespürt. Damit konnte und wollte sie sich jetzt nicht auseinander setzen. „Tahiri, du darfst dich nicht darin verlieren. Das würde Anakin nicht woll-“ „Meister Corran.“ Hinter dem Jedi-Meister tauchte Ben auf, das Gesicht und die Präsenz in der Macht ruhig, mit dem Hauch einer Bitte belegt. „Es besteht kein Grund zur Sorge.“ Für einen Moment schien der Ältere protestieren zu wollen, doch dann entschied er sich anders und nickte verstehend, ehe er sich an seine ehemalige Schülerin wandte: „Vergiss nie, dass du nicht alleine bist.“ Tahiri erwiderte nichts darauf, aber Corran schien das auch nicht erwartet zu haben. Er verließ ihr Quartier wieder und Tahiri blieb mit Ben alleine zurück. Sie versuchte, ihre Trauer wieder unter Kontrolle zu kriegen, wollte nicht vor Bens Augen weiter darin versinken. „Soll ich gehen?“, bot Ben auf einmal überraschend sanft an. Tahiri öffnete den Mund, um ‚Ja’ zu sagen, doch etwas hielt sie zurück. Wenn Ben jetzt hier war, bedeutete das, dass er sich gegen den Moment der Freude bei den Solos entschieden hatte, um zu ihr zu kommen. Gleichzeitig wollte er ihr jedoch die Wahl lassen, was nur bedeuten konnte, dass er keine Sorge hegte, sie könnte der Dunklen Seite anheim fallen. Er glaubte an sie. So wie Anakin damals, als alle Anderen sie aufgrund ihrer Erlebnisse bei den Yuzzhan Vong gemieden hatten. Zaghaft schüttelte sie den Kopf, ehe sie das Gesicht in den Händen barg. Wortlos ließ Ben sich neben ihr im Schneidersitz am Boden nieder. Sie berührten einander nicht, aber Tahiri konnte ihn ganz deutlich neben sich spüren. Und obwohl sie es vorher nicht einmal geahnt hatte, war das genau das, was sie jetzt brauchte… Kapitel 2: ----------- Gemeinsam schritten Ben, Tahiri und Allana durch die Korridore des Verwaltungskomplexes von Ossus. Sie waren via Komlink zum Rat der Meister berufen worden, um eine neue Mission zu erhalten. Nach Jainas Niederkunft vor zwei Tagen hatte Tahiri einige Zeit gebraucht, um wieder zu sich zu finden, aber jetzt schritt sie wieder entschlossen aus, bereit für alles, was die Meister ihr auftragen sollten. Ihre bloßen Füße verursachten ob ihres katzenartigen Gangs nicht den geringsten Laut auf dem Boden und ihre Haltung strahlte Sicherheit und Vertrauen aus. Sie zu seiner Rechten zu haben, gab auch Ben ein Gefühl der Sicherheit. Schon seit ein paar Jahren waren sie ein gut funktionierendes Team. Bens Blick huschte zu Allana zu seiner Linken. Anders als viele andere Padawane schritt sie direkt neben ihrem Mentor. Das war kein Ausdruck von Respektlosigkeit oder Selbstüberschätzung, sie wollte einfach nur alles aus nächster Nähe erleben, um so besser dazu lernen zu können. Sie ließ sich von Alter und Erfahrung ihres Mentors nicht einschüchtern. Ben hatte dieses Verhalten von Anfang an gemocht, denn es stützte seine eigene Ansicht, dass auch ein Jedi-Meister noch dazu lernen konnte und sogar musste – was ja auch einer der Gründe war, warum sein Vater sein Amt als Jedi-Großmeister niedergelegt hatte. Als sie einen Innenhof durchquerten, spürte Ben ein hohes Maß an Aufregung, die von mehreren Jedi-Schülerinnen ausging, welche zuvor ein Übungsduell zwischen zwei von ihnen beobachtet hatten. Einige von ihnen blickten mehr oder weniger verstohlen zu dem Trio. Von Tahiri ging auf einmal Belustigung aus, von Allana hingegen ein Hauch von Genervtheit. Verwirrt blickte Ben zwischen ihnen hin und her, was Tahiri noch mehr erheiterte. „Sag’ nicht, dass du noch nicht bemerkt hast, wie beliebt du beim weiblichen Geschlecht bist.“ „Beliebt?“, wiederholte Ben verständnislos. Tahiri verdrehte grinsend die Augen. „Diese Mädchen stehen auf dich, du Bantha-Kopf.“ „Nicht nur sie“, murmelte Allana. „Die halbe Akademie schwärmt für dich. Andauernd fragen sie mich deinetwegen aus.“ „Aber ich bin doch nur-“ „Eine lebende Legende? Ein Kriegsheld? Einer der talentiertesten Jedi des Ordens? Der potenziell zukünftige Großmeister? Ein Mann im besten Alter und mit gar nicht mal so schlechten Genen?“ Mehrmals öffnete und schloss Ben den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. Die Vorstellung, dass diese Mädchen etwas von ihm wollten, wirkte vollkommen surreal auf ihn. Die einzige Erfahrung, die er in der Hinsicht bisher gesammelt hatte, war Vestara Khai gewesen. Davor und danach hatte er sich nie Gedanken über dieses Thema gemacht. Er hatte sich auf das konzentriert, was vor ihm lag – also vorrangig Allanas Ausbildung – und sowieso hatte er sich nicht an Vestara erinnern wollen. „Und was soll ich jetzt deswegen unternehmen?“, fragte Ben immer noch zutiefst verwirrt. „Dir eine aussuchen?“, schlug Tahiri zwinkernd vor. „Das würde es wahrscheinlich noch schlimmer machen“, murmelte Allana düster. „Vielleicht sollte ich ein paar Jahre bei Dad untertauchen“, seufzte Ben. „Das wäre vielleicht eine Möglichkeit, wenn du für den Rest deines Lebens den Yoda machen willst“, gluckste Tahiri. Ihre smaragdgrünen Augen funkelten schelmisch. „Denn in ein paar Jahren wirst du wahrscheinlich immer noch der begehrteste Junggeselle der Galaxis sein.“ „Warum auch immer“, brummte Ben und bog in den Korridor ein, der direkt zur Ratskammer führte. Sie wurden sofort eingelassen und kaum dass er in der Mitte zwischen all den Jedi-Meistern stand, wünschte Ben sich, sie wären allesamt keine Jedi. Anhand der kleinen Zeichen wurde ihm klar, dass sie die Aufregung der Schülerinnen und Bens Verwirrung gespürt hatten. Kyp Durron grinste unverhohlen, die Solusars schmunzelten amüsiert, Saba Sebatyne hatte die Zähne gebleckt – das Barabel-Äquivalent für ein Grinsen – und sogar Corran Horns Mundwinkel zuckten verräterisch. Ja, selbst Cilghal hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, ein Höchstmaß an Gefühlsausdruck bei einem Mon Calamari. Insgeheim war Ben froh, dass Jaina noch nicht wieder im Rat war, denn sie hätte sich nicht mit einem Grinsen begnügt und die ganze Geschichte obendrein wahrscheinlich auch brühwarm der gesamten Familie Skywalker-Solo erzählt. Schließlich ergriff Corran das Wort. Ben wusste, dass es in der Anfangszeit für die Meister schwierig gewesen war, eine Ratssitzung ohne den Großmeister zu beginnen. Unbewusst hatten sie alle immer darauf gewartet, dass Luke den Anstoß gab. In gewisser Weise waren die Meister durch sein Verschwinden gereift – ein Umstand, über den Luke sich gewiss freute, hatte er doch mehr als 45 Jahre lang immer die Bürde der Anführerschaft getragen. „Ihr wisst vom bevorstehenden Friedensgipfel?“ „Zwischen der Galaktischen Allianz, den Imperialen Restwelten und dem Hapanischen Konsortium. Angestrebt ist ein gemeinsamer Ausschuss, der nicht zuletzt auch eine gemeinsame Armee koordinieren soll, insbesondere in Bezug auf die Sith, deren Heimatplanet wir immer noch nicht kennen“, antwortete Allana auf Bens Nicken hin. Corran nickte beifällig. „Die Jedi wurden gebeten, das Gipfeltreffen in ihrer neuen Rolle als unabhängige Instanz im Auge zu behalten. Wir sind keine Wachtruppe oder ausgebildete Diplomaten, aber wir können uns vor diesem Ereignis nicht verschließen.“ Verstehend nickte Ben. Dieses Gipfeltreffen war eine gewaltige Chance für die Galaxis, wenn nicht sogar eine große Notwendigkeit. Die Sith vom Verlorenen Stamm waren immer noch zahlreich und nach wie vor bestrebt, das alte Sith-Imperium wieder auferstehen zu lassen. „Wir haben vor, ein Kontingent an Jedi-Rittern als sogenannte stille Beobachter und Berater zum Gipfeltreffen zu schicken“, nahm Kyp Durron den Faden des älteren Meisters auf. Für Unkundige wirkte das wahrscheinlich so, als würde der früher so rebellische Kyp das Wort an sich reißen, aber Ben wusste, dass die Meister im Einklang miteinander waren. „Meister Horn und dieze hier werden mit am Verhandlungztisch sitzen, um die Pozition der Jedi zu vertreten. Meizter Durron und Meizterin Cilghal werden hier bleiben“, fuhr Saba Sebatyne fort. Wieder nickte Ben verstehend, sagte jedoch nichts. Die Entscheidungen des Rates ergaben Sinn, doch es gab bislang keinen Grund, warum man ihn und Tahiri auf diesem Wege darüber unterrichtete, anstatt ihnen wie allen anderen beteiligten Jedi eine allgemeine Kom-Nachricht zukommen zu lassen. Das bedeutete, dass sie eine wie auch immer geartete Sonderrolle einnehmen sollten. Eine schwierige, die zu erteilen, dem Rat nicht leicht fiel. Ben wartete also ab, bis einer der Meister soweit war. Saba Sebatyne bleckte anerkennend die spitzen Zähne, ehe sie weiter sprach: „Ihr sollt die Sicherheit diezez Gipfeltreffenz gewährleizten. Gemeinzam mit Sicherheitzkräften der drei Verhandlungzpartner.“ Ohne dass er Tahiri auch nur ansehen oder in der Macht nach ihr tasten musste, wusste Ben, dass sie dasselbe wie er dachte: Warum sie? Keiner von ihnen besaß eine Ausbildung als Sicherheitsoffizier, wie es bei Corran Horn der Fall war. Sie hatten unter Jacens Kommando kurzzeitig militärische Ränge bekleidet, aber darauf konnten sie sich nirgends berufen. „Ihr wollt Meister Skywalkers Namen arbeiten lassen?“, durchbrach Allana die Stille. Für einen Moment keimte Ärger in Ben auf, als er begriff, dass seine Padawan wohl Recht hatte. Er liebte seinen Vater und war stolz darauf, ein Skywalker zu sein, aber er wollte diesen Namen nicht auf diese Weise verwenden, ja, missbrauchen. Ungeduldig zuckte Saba mit dem dicken Schwanz, als sie antwortete: Daz izt nur ein Nebeneffekt. Ihr habt mehr Qualitäten alz nur einen aufgeblazenen Namen.“ Mit einem eindringlichen Blick beugte Corran sich vor. „Die Wahrheit ist, dass wir zuerst entschieden hatten, mich auf diesen Posten zu setzen. Mir persönlich wäre er sogar lieber gewesen, als mich als Diplomat zu versuchen.“ Der ehemalige Sicherheitsoffizier erlaubte sich, das Gesicht zu verziehen, ehe er fort fuhr. „Vor einigen Tagen hatte ich jedoch eine Vision, die mir klar gemacht hat, wo bei all dem mein Platz ist. Nicht wir haben entschieden, euch an meiner Stelle mit dieser Aufgabe zu betrauen, sondern die Macht.“ „Und je länger wir darüber nachgedacht haben, desto mehr Vorteile haben wir darin gesehen“, fügte Cilghal hinzu und beobachtete Tahiri und Ben mit ihren großen Mon Calamari Augen, denen die Ausdrucksfähigkeit der menschlichen Augen fehlte. „Ben, du kennst die Sith vom Verlorenen Stamm wohl am besten und du, Tahiri, kennst die Sichtweise eines Kopfgeldjägers aus eigener Erfahrung. Beide seid ihr mit militärischen Umgangsformen vertraut und ihr seid der Öffentlichkeit bekannt, was euch Gehör verschafft.“ Diese Argumente ergaben Sinn, dennoch war Ben unschlüssig. Er wollte nicht in Frage stellen, dass die Meister sich über die Problematik viele Gedanken gemacht und sie von allen Seiten betrachtet hatten, doch die Last dieser enormen Verantwortung kam ihm zuerst zu viel vor. Eine sanft ermunternde Berührung in der Macht ließ ihn aufhorchen. Für einen irrationalen Moment glaubte er, dass es seine Mutter war, voller Stolz und Liebe für ihren einzigen Sohn. Dann erkannte er, dass es ein Zeichen der Macht selbst war – und somit auch von seiner Mutter, welche bei ihrer Beerdigung Eins mit der Macht geworden war. Er mochte noch jung sein und die Erfahrung eines Meisters missen – aber diese Erfahrung konnte er genau wie die hier anwesenden Meister nur sammeln, indem er Herausforderungen annahm. „Nehmt ihr die Aufgabe an?“, durchbrach Kyp schließlich das Schweigen. Ohne eine Miene zu verziehen, suchte Ben die Verbindung mit Tahiri. Seit sie begonnen hatten, gemeinsam Missionen auszuführen, waren sie nach und nach zusammen gewachsen. Sie konnten gemeinsam ein Kampfgeflecht bilden und dadurch noch sensibler aufeinander reagieren, als die Macht es ihnen alleine ermöglichte. Und in Situationen wie dieser hier half es ihnen, gemeinsame Entscheidungen zu fällen, ohne Außenstehende daran teilhaben zu lassen. Auch Tahiri war sich unsicher. Sie wollte ihren Dienst für den Frieden in der Galaxis und besonders für die Jedi erfüllen, aber war sie wirklich die Richtige dafür? Immerhin war sie bei einigen Imperialen immer noch als Admiral Pellaeons Mörderin verschrien. Andererseits besaß sie als ehemalige Kopfgeldjägerin wertvolle Erfahrung, welche viele andere Jedi nicht ihr Eigen nennen konnten. Und Tahiri war erfüllt von Vertrauen in Ben und in ihr gemeinsames Kampfgeflecht. Zusammen konnten sie vielfach mehr erreichen, als einer alleine es jemals schaffen könnte! Nur sehr wenige der anderen Jedi-Teams besaßen eine so enge Verbindung. „Wir machen es“, erklärte Ben ruhig, als er mit Tahiri einen Konsens fand. Die Meister machten keinen Hehl aus ihrer Erleichterung und Dankbarkeit und gleichzeitig gingen von ihnen Interesse und Anerkennung aus, hatten Ben und Tahiri doch soeben wieder einmal die Effektivität ihres Kampfgeflechts unter Beweis gestellt. „Dann gibt es noch eine wichtige Sache in dieser Angelegenheit zu klären“; erklärte Corran schließlich und richtete den Blick seiner grünen Augen auf Bens Schülerin. „Königinmutter Tenel Ka hat uns gebeten, dich zu fragen, ob du an ihrer Seite den Verhandlungen beiwohnen willst.“ Ben konnte die Anspannung seiner Padawan spüren. Früher, als sie es jemals erwartet hatte, wurde von ihr eine Entscheidung erwartet: Wollte sie dem Beispiel ihrer Mutter folgen und die Verantwortung für das archaische Hapes-Konsortium und seine vielen Milliarden Einwohner übernehmen? Oder wollte sie den Weg der Jedi bestreiten und sich damit die Verantwortung für noch viel mehr empfindungsfähige Wesen in der gesamten Galaxis mit einigen hundert Gleichgesinnten teilen? Beide Entscheidungen bargen sowohl zahlreiche Möglichkeiten als auch Risiken in sich. Es war unfair, diese schwierige Wahl von einem Kind zu verlangen, aber Ben wusste, dass Tenel Ka das nicht aus freien Stücken tat. Wie ihre Mutter Teneniel Djo damals wollte auch Tenel Ka ihrer Tochter die Chance geben, selbst über ihr Leben zu entscheiden. Allerdings waren die Umstände genau wie damals äußerst schwierig und das festgefahrene Traditionsbewusstsein der Hapaner hatte sich auch während Tenel Kas fortschrittlicher Regentschaft gehalten. Das bewies auch die Tatsache, dass das Hapes Konsortium bei dem Gipfeltreffen eine eigene Rolle spielte, obwohl es formal eigentlich mit zur Galaktischen Allianz gehörte. „Ich werde an den Verhandlungen teilnehmen und an Mutters Seite sitzen“, erklärte Allana schließlich langsam und reckte beinahe störrisch das Kinn nach vorn. „Aber ich werde meine Jedi-Robe tragen. Ich bin Beides: Jedi und Hapanerin. Wenn die Meister und der Orden es akzeptieren, möchte ich fortan daran arbeiten, das auch allen Anderen begreiflich zu machen.“ Durch die Macht übermittelte Ben ihr seine Anerkennung. Er war einer der wenigen Menschen, die von der Vision seines Vaters wussten, in der Allana eine Jedi-Königin wurde. Nicht einmal die Meister wussten alle darüber Bescheid. Diese weise und zugleich mutige Entscheidung ließ ihn einmal mehr an Allanas Zukunft glauben. Saba Sebatyne zischelte anerkennend. „Dieze hier findet daz sehr gut!“ Auch die anderen Meister erklärten ihr Einverständnis. Kyp Durron ließ ein Datapad mit allen notwendigen Informationen in Bens Hände schweben und dann wurden Ben, Tahiri und Allana entlassen. Voller Stolz blickte Han auf seinen Enkelsohn hinab, der in Leias Armen lag und schlief. Für dieses winzige Menschenwesen empfand Han bereits genau so viel Liebe wie für die kleine Allana – und es war ihm dabei egal, dass seine Enkelin ein Teenager und ein sehr talentierter Padawan war, sie würde dennoch immer seine Kleine bleiben. Genau wie Jaina oder auch Tahiri und Tenel Ka. Ja, auch die Freundinnen seiner verstorbenen Söhne liebte er wie eigene Kinder, obwohl sie nie den Namen Solo tragen würden. Der kleine Fel schien sich in den Armen seiner Großmutter ausgesprochen wohl zu fühlen. Jag und Jaina, die einander im Arm hielten, lächelten glückselig. Selbst Luke wirkte ganz und gar entspannt – etwas, was Han beinahe genauso sehr freute wie die Geburt seines Enkels. Irgendwann während der Rebellion vor so vielen Jahren hatte Luke seine jugendliche Unbeschwertheit verloren und war jedem Tag damit beladen worden, die Verantwortung für den Jedi-Orden, die Neue Republik, die Galaktische Allianz und überhaupt für die gesamte Galaxis zu übernehmen. Als er vor drei Jahren verkündet hatte, dass er sein Amt als Großmeister abtreten und sich zurückziehen würde, war das Hans Meinung nach schon längst überfällig gewesen. Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen und Ben, Tahiri und Allana betraten das Privatquartier der Fels. Ben und Tahiri trugen Reisetornister unter den Armen. Mit einem breiten Lächeln trat Han auf Tahiri zu und schloss sie in seine Arme. Bisher hatte er sie seit seiner und Leias Ankunft auf Ossus vor vier Standardtagen noch nicht gesehen. Nach der Geburt seines Enkels hatte er sie suchen wollen, aber Luke und Leia hatten ihn aufgehalten. Es hatte eine Weile gedauert, bis er begriffen hatte, wieso. Dass Tahiri jetzt hier war und seine Umarmung erwiderte, konnte nur Gutes bedeuten. Stürmisch drehte er sich einmal mit ihr im Kreis und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe er sie auf Armeslänge von sich hielt. Ihre sonst blassen Wangen waren gerötet und ihre grünen Augen leuchteten. Bei diesem Anblick ging Han das Herz auf. „Gut siehst du aus, Kleines“, brummte er und streichelte ihre Wange, ehe er sie los ließ, damit Leia, die ihren Enkelsohn wieder in die Obhut seiner Eltern übergeben hatte, sie ebenfalls mit einer Umarmung begrüßen konnte. Schließlich ging Tahiri zu Jaina und umarmte diese. Zufrieden wandte Han sich seinem Neffen zu. „Ihr müsst wieder los? Ohne Allana?“ „Bei dem, was uns bevorsteht, werden wir eine Weile unterschiedliche Wege gehen“, erklärte Ben und legte Allana mit einem zuversichtlichen Lächeln eine Hand auf die Schulter. „Bis zu ihrem gemeinsamen Aufbruch wird Meisterin Sebatyne sie weiter unterrichten.“ „Als ob Allana nicht schon stark genug wäre“, murmelte Hand, wofür er sich von Leia einen Kniff in die Seite einhandelte. „Und was sind das für Missionen?“ „Allana wird mit Meisterin Sebatyne und Meister Horn zum Gipfeltreffen reisen und dort an Tenel Kas Seite am Verhandlungstisch sitzen.“ Han nickte grimmig. Er hatte immer gewusst, dass Allana irgendwann von ihren Pflichten gegenüber dem zänkischen Hapes eingeholt werden würde. Schade, dass sie das Verantwortungsgefühl ihrer Mutter und beider Großmütter geerbt hatte. „Und Tahiri und ich machen uns jetzt schon auf dem Weg nach Kessel, um gemeinsam mit den Sicherheitskräften der drei Koalitionspartner alles für das Gipfeltreffen vorzubereiten.“ „Du und Tahiri? Warum nicht Corran Horn? Der hat sich um den Platz am Verhandlungstisch sicher nicht gerissen.“ Luke hingegen nickte beifällig. „Eine gute Wahl.“ Verwirrt blickte Han zwischen Vater und Sohn hin und her, ehe er ahnungsvoll das Gesicht verzog. „Mal wieder so eine Machtsache. War ja klar.“ Lukes und Bens Mundwinkel zuckten synchron. „Du klingst, als wäre das etwas Schlechtes.“ „Das nicht unbedingt, es kommt mir nur immer wie Mogeln vor.“ „Sagt der berühmteste Schmuggler der Galaxis“, schnaubte Leia. Abwehrend hob Han die Hände. „Ich habe nie behauptet, dass ich nicht mogeln würde, Prinzessin, aber mein Mogeln verstehe ich wenigstens.“ „Opa, du bist wirklich komisch“, urteilte Allana mit einem Stirnrunzeln. „Das sage ich bereits seit fünfzig Jahren“, murmelte Leia, woraufhin Han ihr einen Kuss gab. Für den Bruchteil einer Sekunde kam sie dagegen an, ehe sie sich seinem Charme ergab. Sie mochte eine mächtige Jedi und erfahrene Diplomatin sein, aber Han wusste immer noch, wie er sie kinderleicht besänftigen konnte. Tahiri räusperte sich vernehmlich und als Han sich zu ihr umdrehte, machte sein Herz beim Anblick ihres frechen Grinsens einen freudigen Hüpfer. „Ben und ich müssen los.“ „Ist gut, ärgert die anderen Sicherheitskräfte nicht zu sehr mit eurem Jedi-Kram und grüßt Lando von mir. Dass der sich auf dieses Theater eingelassen hat, ist mir ein Rätsel. Als Vater eines Teenagers sollte er doch genug ausgelastet sein.“ „Dad war auch gleichzeitig Jedi-Großmeister und Vater eines Teenagers“, merkte Ben grinsend an. „Offenbar haben Lando und Luke mehr auf dem Kasten als du, Fliegerass“, fügte Leia hinzu, lächelte dabei aber so bezirzend, dass Han ihr außer einem Brummeln nichts entgegen zu setzen hatte. Er zersauste erst Tahiri, dann Ben die Haare, dann trat er zurück, damit auch die Anderen sich von ihnen verabschieden konnten. Nachdem sie sich ebenfalls verabschiedet hatte, trat Leia zu ihm und hakte sich bei ihm unter. Er drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Genau wie Leia verspürte er nicht die geringste Lust, bei diesem Gipfeltreffen mitzumischen. Fünfzig Jahre lang hatten sie das getan und mehr persönliche Opfer gebracht, als sie zählen konnten. Angefangen beim Mangel von Freizeit und Privatsphäre über die Zerstörung von Leias Heimatplaneten Alderaan bis hin zum Verlust ihrer zwei Söhne und eines der besten Freunde, die man in der gesamten Galaxis finden konnte. Selbst zwanzig Jahre später noch verursachte der Gedanke an den gutmütigen Wookie Chewbacca einen reißenden Schmerz in Hans Brust. Oft hatte Han sich gefragt, wie wohl alles für seine Familie gelaufen wäre, wenn sie nicht so ein Haufen selbstloser Helden wären, aber diese Gedanken wurden ihm schnell zu kompliziert. Es war gelaufen, wie es nun einmal gelaufen war. So schmerzhaft vieles auch heute noch war, letztendlich hatte der Verlauf der Ereignisse auch hierher geführt: Zu einer wunderschönen Tochter, auf die sie mächtig stolz sein konnten, zu zwei Enkelkindern, zu zwei wunderbaren Schwiegertöchtern, welche sie wie eigene Töchter liebten, und zu einem Schwiegersohn, der, auch wenn Han es niemals laut zugeben würde, mehr als nur schwer in Ordnung war. Sie waren hier und jetzt glücklich und hatten ihren Frieden mit sich selbst gefunden. Es gab mehr als genug neue Leute, welche die Galaxis vor sich selbst retten konnten. Han und Leia genossen ihren Ruhestand und sie vermissten das Heldendasein kein Stück. Und als Luke sich zu ihnen gesellte, wusste Han, dass es seinem besten Freund und Schwager genauso erging. Kapitel 3: ----------- „Ein Gipfeltreffen?“ Oberlord Shilau Tharai lehnte sich in seinem Thron zurück und betrachtete den jungen Mann zu seinen Füßen, der die letzten Monate als Spion auf Coruscant verbracht hatte. Er war wirklich noch sehr jung, wenig mehr als zwei Dekaden, aber Tharai wusste, dass er in der Ausbildung außergewöhnliche Ergebnisse gezeigt hatte. Die Macht war stark in ihm. Und er war klug genug, diese Gabe richtig zu nutzen. Seine Ergebnisse auf Coruscant waren von hohem strategischen Wert. „Jawohl, Oberlord Tharai. Die Galaktische Allianz, das Hapes-Konsortium und die Imperialen Restwelten wollen über ein festes Bündnis verhandeln. Unter anderem auch, um uns zu finden.“ Einer der Lords, die Tharais Thron flankierten, schnaubte verächtlich: „Sie suchen uns seit fünf Jahren vergeblich, wieso sollte sich etwas daran ändern, wenn sie gemeinsam suchen?“ „Wenn Ihr erlaubt, Oberlord?“, wandte der Spion sich zuerst an Tharai. Erst als dieser genickt hatte, begann er mit seiner Erklärung: „Im Moment wird ein Großteil der militärischen Ressourcen der Gipfelteilnehmer darauf verwendet, in den Grenzgebieten zu patrouillieren. Ein festes Friedensabkommen würde diese Ressourcen befreien, sodass wesentlich mehr Expeditionen auf die Suche nach Keshir geschickt werden könnten. Darüber hinaus würde eine wissenschaftliche Zusammenarbeit der Gipfelteilnehmer möglicherweise dazu führen, dass es gelingt, die vielen Bruchstücke, die wir bisher offenbart haben, zu einem Ganzen zusammen zu fügen. Daraus könnten sehr konkrete Hinweise auf die Lage von Keshir resultieren. Hinzu kommt, dass eine geeinte Galaxis bei weitem nicht so angreifbar wäre, sodass eine Eroberung ohne immense Verluste kaum noch denkbar wäre. Es könnte die Pläne von Oberlord Tharai um Jahrzehnte oder gar um Jahrhunderte verzögern.“ Der Lord, der vorher so abfällig geklungen hatte, besaß nicht die Disziplin und Würde, sich seine Ernüchterung nicht anmerken zu lassen. Tharai machte sich eine gedankliche Notiz, den Mann alsbald von einem vielversprechenderen Anwärter auf seinen Posten töten zu lassen. In den nächsten Jahren brauchte er Untergebene mit Verstand. Wie den jungen Spion. Wenn er schon alt genug dafür wäre, würde der Oberlord ihn ernsthaft in Betracht ziehen. Aber vielleicht in einigen Jahren. Und bis dahin… Tharai wandte seine Aufmerksamkeit wieder der aktuellen Situation zu. „Welche Maßnahmen schlägst du vor, um einen Friedensschluss zu verhindern?“ Der Spion hielt den Blick weiter gesenkt, wie es seinem Rang entsprach, aber seine Stimme klang fest und bestimmt, als er antwortete: „Ein direkter Angriff würde die Parteien noch darin bestärken, sich miteinander gegen uns zu verbünden. Stattdessen müssen wir Zwietracht sähen. Geheime Attentatsversuche, deren Spuren vage in Richtung der jeweils anderen Gipfelteilnehmer deuten. Gefälschte Geheimdossiers zwischen zwei Parteien, die der dritten in die Hände fallen. Sabotagen… Es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten an, aber sie bedürfen eines feinen Fingerspitzengefühls.“ „So wie deines“, stellte Tharai anerkennend fest. „Du wirst dorthin gehen und alles dafür tun, damit der Friedensschluss scheitert. Morgen machst du dich auf den Weg dorthin.“ Der Spion verbeugte sich tief und verließ dann mit langen, geschmeidigen Schritten die Halle des Oberlords. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, blickte Tharai dem wesentlich jüngeren Mann wohlwollend hinterher. Selbst hier auf Keshir waren so außergewöhnlich schöne Männer selten. Der Spion war das Idealbild eines Mannes im Verlorenen Stamm: Jung, schön, talentiert und außerordentlich stark in der Macht. In mehr als nur einer Hinsicht talentiert, dachte der Oberlord amüsiert bei sich und gönnte sich einen stillen Augenblick der Vorfreude auf die kommende Nacht, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder den versammelten Ladys und Lords widmete, die sich darüber stritten, wie mit den primitiven Welten zu verfahren war, die sie bisher hatten infiltrieren können. Als Darran vor vierzig Standardjahren gemeinsam mit seinem älteren Bruder einen Adoptivvater und schließlich auch eine Adoptivmutter bekommen hatte, war ihm völlig gleichgültig gewesen, was das für Leute waren. Allein die Tatsache, dass da wieder Erwachsene waren, die sich um ihn sorgten, war ihm genug gewesen, da hätten sie auch in den tiefsten Ebenen von Coruscant leben können. Auch heute noch war er für dieses Glück dankbar und liebte seine Adoptiveltern und auch ihre drei leiblichen Kinder, die für ihn immer wie leibliche Geschwister gewesen waren – doch er musste sich auch eingestehen, dass es manchmal sehr anstrengend war, der Sohn eines weithin bekannten Helden und hochrangigen Generals zu sein. Das machte die Dinge oft schwerer, gerade weil viele glaubten, dass er es mit so einem Vater leicht haben müsste. Lehrer stellten höhere Anforderungen an ihn und ließen ihm nichts durchgehen, selbst wenn sie das sogar noch bei älteren Schülern taten. Mitschüler und Kameraden wiederum bedachten ihn mit neidischem Misstrauen. Seine ganze Laufbahn war davon geprägt gewesen, aber Darran hatte sich durchgebissen und weiter den Weg verfolgt, für den er sich entschieden hatte. Das hatte ihn letztendlich zäher und besser als alle Anderen werden lassen und er hatte sich seine jetzige ehrenvolle Position wohl verdient. Das Knacken seines Komlinks riss Darran aus seinen Gedanken. „Ralroost an Renegaten-Führer, wir bekommen Besuch. Die Vierte Gruppe ist da.“ Darran unterdrückte ein Seufzen. Endlich waren die Jedi auch da. Also konnten sie auch endlich den Planeten betreten. Das hatte Calrissian verlangt, ein weithin bekannter Jedi-Freund und –Unterstützer. Ganz Unrecht hatte er mit seiner Forderung wohl nicht gehabt, aber sie hatte zu einigem Unmut bei den drei Sicherheitsflotten geführt. Darran aktivierte sein Komlink. „Verstanden, Ralroost. Die Renegaten kehren zurück.“ Danach schaltete er sein Komlink auf Staffelfrequenz um. „Renegaten, die Ralroost erhält Landeerlaubnis. Gemäß den Vereinbarungen kehren alle Staffeln zu ihren Schiffen zurück, aber beeilt euch nicht zu sehr damit. Wir orientieren uns am Tempo der Anderen.“ Er wartete ab, bis er elf Klicks gehört hatte, dann wendete er seinen XJ-X-Flügler, um sich an die Spitze der exakt ausgerichteten Formation zu setzen. Auf seinem taktischen Display beobachtete er, wie die Schwarzmond -Staffelgemeinsam mit einem Dutzend anderer Staffeln verschiedener Typen zur Han Solo zurückkehrte, einem Großkampfschiff, dessen Jungfernfahrt nicht einmal ein Standardjahr zurück lag. Auch die jeweiligen Staffeln der Imperialen und der Hapaner kehrten zu ihren Mutterschiffen zurück – und genau wie die Renegaten flogen sie in auffällig exakter Formation und ließen sich Zeit. Keine der Staffeln wollte den Luftraum über Kessel als Erste verlassen. Annähernd gleichzeitig erreichten sie alle ihre jeweiligen Basen. Da er noch für sich war, erlaubte Darran es sich, eine Grimasse zu ziehen. Das Ganze versprach, eine sehr anstrengende Angelegenheit zu werden… „Ich glaube, in Wahrheit wollten uns die Meister für irgendetwas bestrafen“, murmelte Ben, als das Theater mit den Staffeln endlich ein Ende hatte. „Als ob man Jünglinge hüten müsste“, stimmte seine Kopilotin zu. R2-D2 trillerte amüsiert und Ben, der genau wie sein Vater noch nie ein Problem gehabt hatte, den eigenwilligen Astromechdroiden zu verstehen, musste grinsen. „Was hat er gesagt?“, fragte Tahiri. „Erzwo ist der Meinung, dass Kampfpiloten schlimmer als Jünglinge sind, weil die immer glauben, mehr Ahnung von seiner Arbeit zu haben.“ Jetzt musste auch Tahiri grinsen. „Dann leiden wir zu dritt. Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ R2-D2 quittierte diese Aussage mit einem zweifelnden Pfeifen. „Das ist doch nur so eine Redewendung, Erzwo.“ „Wooooouh“, machte der Droide nur und wandte sich wieder der Buchse am Sensorschirm zu. Ben und Tahiri grinsten einander an, dann schaltete Ben das Komlink auf eine private Frequenz. „Lando, hier sind Ben und Tahiri.“ „Wenn das mal nicht zwei meiner Lieblingsjedi sind“, erklang die jugendlich-enthusiastische Stimme des Geschäftsmanns. „Schön, dass sie euch geschickt haben. Corran wäre auch okay gewesen, aber eben nur… okay.“ Ben musste sich ein Lachen verkneifen. „Das verraten wir ihm.“ „Ihr würdet euren Lieblingsonkel doch niemals verpetzen, nicht wahr?“ Grinsend schüttelte Ben den Kopf, während er die Jadeschatten in Richtung von Kessada lenkte, der Hauptstadt des Asteroiden. „Kriegen wir von unserem Lieblingsonkel Landekoordinaten oder sollen wir uns selbst etwas suchen?“ „Wir haben noch ein Plätzchen in meinem Privathafen frei. Tendra wird sich freuen, die Schatten wieder zu sehen.“ Landos Frau Tendra hatte damals – noch vor Bens Geburt – den Bau der Jadeschatten beaufsichtigt, um sie Mara als Ersatz für die Jadefeuer zu schenken, die während des Yuuzhan Vong Kriegs zerstört worden war. Ähnlich wie der Millenium Falke für die Solos war die Yacht für die Skywalkers so etwas wie ein Zuhause geworden. Nach seinem Entschluss, sich zurück zu ziehen, hatte Luke die Jadeschatten seinem Sohn überlassen und sich mit einem Stealth-X-Flügler begnügt. Seitdem nutzten Ben und Tahiri sie und zumeist auch R2-D2 für Missionen. In Kampfsituationen konnte Ben in den Stealth-X-Flügler steigen, der im Inneren der Yacht Platz fand. Auch nach zehn Jahren war es manchmal noch schwer für Ben, mit dem Tod seiner Mutter fertig zu werden. Hier in ihrem geliebten Schiff hatte er oft das Gefühl, ihr nahe zu sein, und in dunklen Stunden führte das zu quälenden Schuldgefühlen, denn ein Teil von ihm glaubte immer noch, dass Mara nicht alleine gegen Jacen angetreten wäre, wenn er sich von diesem nicht hätte manipulieren lassen. Tahiris Hand auf seiner Schulter riss Ben zurück ins Hier und Jetzt. Ohne dass sie etwas sagte oder ihn in der Macht berührte, wusste er, dass sie ihn verstand. Er war in dieser Hinsicht anscheinend seinem Cousin Anakin sehr ähnlich, der bis zu seinem Tod von den Schuldgefühlen wegen Chewbaccas Todes gequält worden war. Dankbar nickte Ben seiner Partnerin zu, dann richtete er seine volle Aufmerksamkeit darauf, mit der Jadeschatten butterweich im angewiesenen Dock zu landen. Als sie die Jadeschatten verließen, kam ihnen Lando mit jenem charmanten, strahlenden Lächeln entgegen, für das er quasi in der gesamten Galaxis bekannt war. Wie immer war er in seinem ganz unnachahmlichen, bunten Stil gekleidet, der ihn aus jeder Masse heraus stechen ließ, ohne ihm etwas von seiner Würde und Autorität zu nehmen. Haar und Bart saßen perfekt, nicht einmal die vielen silbernen Strähnen darin konnten der Ausstrahlung des Geschäftsmannes etwas anhaben. Elegant warf er seinen Umhang über die Schulte, verbeugte sich und ergriff Tahiris Hand, um einen Kuss darauf zu hauchen. „Du wirst mit jedem unserer Treffen schöner, Tahiri. Eine Zierde für den Jedi-Orden“, erklärte er salbungsvoll. „Na hoffentlich mehr als nur eine Zierde“, erwiderte Tahiri trocken. „Gewiss doch! Aber es schadet starken Frauen auch nicht, wenn sie mit ihrem Lächeln die Galaxis erhellen“, erklärte Lando weiterhin mit seinem charmanten Lächeln und wandte sich Ben zu, dem er auf die Schulter klopfte. „Und du bist schon wieder gewachsen, Ben. Ein richtiger Mann bist du geworden.“ „Deine Augen scheinen schwach zu werden. Bei unserem letzten Treffen war ich auch schon so groß.“ „Wenn meine Augen schwach sind, dann nur, weil Tahiri sie geblendet hat.“ Hinter Ben und Tahiri ließ R2-D2 ein verdrießliches Pfeifen hören. Ben wurde ernst. „Erzwo hat Recht, die Wiedersehensfeier sollten wir auf heute Abend verlegen.“ Lando nickte zustimmend und das Lächeln wurde grimmig. „Dann also auf in den Kampf, hm?“ „Wenn es denn ein Kampf wäre“, murmelte Tahiri, ehe ihr Tonfall geschäftlich wurde. „Was hast du für Informationen für uns?“ „Mehr als den Streitkräften der Gipfelteilnehmer wahrscheinlich lieb ist.“ Schwungvoll zog Lando das neuste Modell eines kompakten Hochleistungsdatenblocks hervor und reichte es Ben. „Da habt ihr eine Liste aller Schiffe und ihrer Besatzungen. Bei Leuten, mit denen ich Erfahrungen gemacht habe, habe ich Anmerkungen hinzu gefügt. Außerdem habt ihr dort noch eine Liste mit allen technischen und strategischen Details der Schiffe. Auch die Details, die sie untereinander garantiert geheim halten werden.“ „Du hast deine Hausaufgaben gemacht“, stellte Ben anerkennend fest. „Wenn ich schon Gastgeber für ein historisches Ereignis bin, dann doch lieber einer, der das auch überlebt. Tendra würde es mir sehr übel nehmen, wenn ich sie jetzt mit Chance alleine lassen würde.“ Tahiri kicherte: „Sei froh, dass du nur einen, nicht drei Teenager großziehen musst und dass er kein Jedi ist.“ „Dann bliebe mir ja gar keine Zeit mehr für so etwas hier“, erwiderte Lando beinahe entsetzt. „Onkel Han hat also doch nicht nachgelassen“, gluckste Ben und steckte den Datenblock ein, um sich mit Tahiri und R2-D2 erst einmal die Verteidigungseinrichtungen von Kessada zeigen zu lassen. Kapitel 4: ----------- Als Kommandant der Renegaten-Staffel hatte Darran das Recht und die Pflicht, dem ersten Treffen der Sicherheitskräfte beizuwohnen. Er musste zugeben, dass die Vorbereitungen von Lando Calrissian clever waren. Sie befanden sich in einem runden Raum mit einem runden Tisch, der Platz für alle Offiziere bot. Es war ungewohnt für Darran, der es nur kannte, sich mit anderen niederen Soldaten in einen Raum zu quetschen und nach vorn zum befehlshabenden Offizier zu blicken, während der mit einem Holoschirm die Taktiken erläuterte. Mit diesem runden Tisch wurden die Grenzen der Offiziersränge und natürlich auch die der drei anwesenden Parteien verwischt. Sogar eine Sitzordnung gab es, die vielleicht im ersten Moment vollkommen willkürlich wirkte, in Wahrheit jedoch ein ausgesprochen raffinierter Plan zu sein schien: Nie saßen zwei Offiziere derselben Partei nebeneinander. Links von Darran saß die atemberaubend schöne Admiralsadjutantin Tyrylia Halek, die zum hapanischen Schlachtdrachen Reiterin im Nebel gehörte. Rechts von ihm saß ein Major der Imperialen mit dem kargen Namen Kon Nel, ein Sensorexperte mit wohl dreißig Standardjahren Diensterfahrung, das hakennasige, faltige Gesicht verkniffen und streng. Darran fühlte sich äußerst unwohl in dieser Konstellation, aber er begriff auch, dass Calrissian damit alle Beteiligten dazu zwingen wollte, vom typischen Cliquengehabe abzulassen. Den Mienen der Anderen entnahm Darran, dass auch einige von ihnen sich unwohl fühlten, aber keiner setzte sich über die vorgegebene Ordnung hinweg. Entgegen der sonst üblichen Prozedur war niemand entwaffnet oder gar gefilzt worden. Lediglich die Identität jedes Einzelnen hatte Calrissian mittels Retinascan überprüfen lassen. Die Waffen betreffend hatte der ehemalige General der Rebellenallianz erklärt, dass es nicht seine Aufgabe wäre, die Anwesenden daran zu hindern, einander über den Haufen zu schießen. Dafür hätten sie selbst zu sorgen, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen wollten. Zweck der hier zu erarbeitenden Sicherheitsvorkehrungen war der Schutz der Gipfelteilnehmer vor Gefahren von außen, also vor den Sith oder ihren Handlangern. Auch in diesem Punkt hatte Darran dem Geschäftsmann zustimmen müssen. Mit einem leisen Zischen öffneten sich die einzigen Türen des Raums und herein traten zuerst die drei Generäle der jeweiligen Flottillen: Für die Galaktische Allianz ein Bothaner mit schneeweißem Pelz und violett-silbernen Augen, Taon Kre’fey, Sohn von General Traest Kre’fey, einem der frühen Helden des Yuzzhan Vong Krieges. Generalin der Hapaner war Malise Vorn, eine entfernte Verwandte der Königsfamilie und Veteranin des Zweiten Galaktischen Bürgerkriegs, auch wenn ihr die langjährige Erfahrung lediglich an der Härte des Blicks ihrer saphirblauen Augen anzusehen war. Beim dritten General handelte es sich um Malik Tal, Moff von Bastion und berühmt für seine grandiosen Siege beim bisher einzigen Luftkampf gegen die Sith bei Ord Mantell. Wie selbstverständlich verteilten sich die drei Generäle auf noch leere Plätze am Tisch und gaben so den Blick frei auf diejenigen, die ihnen folgten. Lando Calrissian war längst allen hier bekannt, wenngleich er auch dieses Mal eine imposante Erscheinung war mit seiner farbenfrohen Aufmachung, dem beschwingten Gang und dem immerzu strahlenden Lächeln. Weitaus interessanter für alle Anwesenden waren seine beiden Begleiter – drei, wenn man die blau-weiße R2-Einheit mitzählte, für welche extra ein Platz zwischen zwei Stühlen gelassen worden war. Die beiden Menschen waren ihrer Kleidung und den Lichtschwertern an ihren Gürteln nach Jedi, ein Mann und eine Frau. Der Mann musste wohl der Jüngste unter allen hier Anwesenden sein und dennoch bezweifelte Darran nicht, dass alle den hochgewachsenen Zwanzigjährigen mit den rotblonden Haaren und den blauen Augen kannten. Ben Skywalker war die Berühmtheit im Grunde in die Wiege gelegt worden. Seine Haltung war – ganz so, wie man es den Jedi immer nachsagte – ruhig, geradezu entspannt, aber sein Blick hatte etwas stechend Forschendes und verriet, dass er weit mehr Erfahrungen gesammelt hatte, als sie seinen jungen Jahren zu zutrauen wären. Absuderweise war das Erste, was Darran bei der Frau auffiel, die Tatsache, dass sie barfuß unterwegs war. Für einige irritierende Sekundenbruchteile war Darran vom Anblick der nackten Füße gefesselt, ehe sein Blick weiter wanderte über eine kleine, zierliche Statur bis hin zu einem ebenmäßigen Gesicht mit smaragdgrünen Augen, umrahmt von weißblonden Haaren. Darran brauchte nicht die hässlichen Yuzzhan Vong Narben auf der Stirn, um die Frau als Tahiri Veila zu erkennen. Ihr Gesicht war ihm schon lange bekannt gewesen, bevor es vor wenigen Standardjahren Monate lang durch alle Nachrichtenkanäle gegeistert war. Darran kannte die Geschichte dieser Frau, die sechs Jahre jünger als er war und doch das Doppelte seiner Lebenserfahrung zu besitzen schien. Anders jedoch als auf den unzähligen Holoaufnahmen des Prozesses von damals waren Tahiris Augen nicht mehr voller Trauer und Orientierungslosigkeit. Obwohl sie jetzt auf jeditypsiche Art ruhig und undurchschaubar waren, strotzten ihre grünen Augen vor Leben. Etwas hatte sich in den letzten sechs Jahren an ihr verändert – und das machte die Jedi in Darrans Augen um Welten attraktiver als alle hier anwesenden Hapanerinnen. Calrissian und die beiden Jedi ließen sich auf den drei zusammenstehenden Plätzen nieder, der Droide positionierte sich in der Lücke zwischen Skywalkers und Calrissians Stühlen und fuhr seinen Datenport aus, um sich mit der Computereinheit des Konferenztisches zu verbinden. Als er sich der Aufmerksamkeit aller gewiss sein konnte, rieb Calrissian sich mit einem vorfreudigen Grinsen die Hände. „Willkommen auf Kessel, meine Damen und Herren. Wie ich Ihnen zuvor angekündigt habe, wurde für die Dauer des Gipfeltreffens die gesamte Bevölkerung evakuiert. Lediglich mein persönliches Technikpersonal und einige meiner erfahrenen Berater sind noch hier, außerdem ein Regiment YVH-Droiden, deren Sicherheitseinstellung Ihre Experten gerne überprüfen können. Über die Rahmenbedingungen Ihres Aufenthalts hier wurden Sie im Vorfeld sicherlich umfassend informiert, also werde ich sie nicht damit langweilen, alles zu wiederholen. „Für diejenigen unter Ihnen, die sie tatsächlich nicht kennen sollten, möchte ich hiermit Ben Skywalker und Tahiri Veila vorstellen. Auch wenn es sowieso bekannt sein sollte, möchte ich betonen, dass die Jedi in jedweder Hinsicht meine volle Unterstützung genießen. Ich lege großen Wert auf den Rat der Jedi und angesichts unseres gemeinsamen Gegners würde ich Ihnen empfehlen, diesen Rat ebenfalls zu beachten.“ Mit diesen Worten nickte Calrissian dem jungen Mann zu seiner Rechten zu, welcher diese Geste ruhig erwiderte, ehe er zu sprechen begann. Seine Stimme war klar, hatte die Hürden des Heranreifens längst überwunden und die Art, wie er sprach, hatte eine Autorität inne, welche die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Für einen Moment fragte Darran sich, ob das ein Jedi-Trick war, aber wenn es das wäre, so überlegte Darran im nächsten Moment, würde er wohl nicht über diese Frage nachdenken. Seine Gedanken fühlten sich immer noch klar und wie seine eigenen an. Außerdem hatte sein Vater ihm mal gesagt, dass die Jedi die Macht bei weitem nicht so oft benutzten, wie viele es ihnen gerne vorwarfen. Skywalker war wohl schlicht und einfach ein guter Redner. „Entgegen aller landläufigen Vorstellungen sind die Jedi nicht dafür da, für die Wesen in der Galaxis Krieg zu führen“, begann Skywalker. „Wir sind Friedenshüter. Wir beraten, wir helfen, wir stellen uns einer Bedrohung in den Weg. Aber wir rennen nicht mit dem Lichtschwert in der Hand auf denjenigen zu, den Andere in der Galaxis für den Feind halten. „Diese Richtung kann der Orden erst seit einigen Jahren konsequent verfolgen. Oft genug wurde er in Angelegenheiten gezogen, die eigentlich nicht die seine waren. Und der Preis dafür war höher, als viele in der Galaxis das überhaupt ermessen können.“ Darran schauderte unwillkürlich. Für ihn war es das erste Mal, dass er sich in einem Raum mit einem Jedi aufhielt, aber wie jeder gebildete Bürger der Galaxis hatte er die Ereignisse vor dem endgültigen Abzug der Jedi von Coruscant noch gut in Erinnerung. Seine Kenntnisse gingen sogar noch darüber hinaus, da er den Erzählungen seines Vaters, der mehr als einmal Seite an Seite mit Jedi gekämpft hatte, stets wie gebahnt gelauscht hatte. Zum Beginn des Yuzzhan Vong Krieges hatte der Orden gerade einmal aus etwa hundert Jedi-Rittern bestanden, die bei öffentlichen Auftritten oft Schmähungen über sich hatten ergehen lassen müssen. Im Verlauf des Krieges waren die Jedi sowohl von der Friedensbrigade als auch von Politikern, Militärs und Zivilisten immer wieder angefeindet und denunziert worden. Eine hoch angesehene Politikerin, die Kuati-Senatorin Viqi Shesh, hatte den Yuzzhan Vong sogar geholfen, eine Spezies namens Voxyn zu züchten, die in der Lage war, Machtnutzer aufzuspüren und zu töten. Diesen Monstrositäten waren viele Jedi zum Opfer gefallen und noch mehr Opfer hatte es erfordert, das Muttertier aller Voxyn zu töten. Anakin Solo war bei dieser Mission ums Leben gekommen. Am Ende des Krieges hatten die Jedi prozentual genauso viele Opfer wie alle anderen Gruppen in der Galaxis zu beklagen gehabt, aber das hatte viele nicht daran gehindert, wie eine wilde Meute auf Daala Natasis Anschuldigungen und Angriffe auf die Jedi zu reagieren. Selbst als die damalige Staatschefin den Jedi-Tempel von Mandalorianern hatte umstellen lassen, hatte sie einen Großteil der galaktischen Bevölkerung hinter sich gehabt. Darran hatte bei all dem immer die Worte seines Vaters im Kopf gehabt: „Niemals würde ich behaupten, diese Macht-Philosophie der Jedi zu verstehen, aber eines habe ich bei all den Kämpfen an ihrer Seite gelernt: Sie mögen uns noch so überlegen sein, sie sind doch nur fühlende Lebewesen, keine Superwaffen, die man nach Belieben an- und ausschalten kann. Manchmal machen sie Fehler wie jedes andere denkende, fühlende Wesen auch, aber ihnen werden diese Fehler ungleich härter vorgeworfen. Sie werden durch die Macht nicht allmächtig oder allwissend, also sollte man weder das eine noch das andere von ihnen verlangen, sondern für alles dankbar sein, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun können. Und was ihre Möglichkeiten sind, wissen immer noch am besten die Jedi selbst…“ Nach einer kurzen Pause fuhr Skywalker gleichbleibend ruhig fort: „Jedi Veila und ich sind nicht hier, um das Kommando an uns zu reißen oder um uns in eine militärische Befehlskette einzugliedern. Wir bieten unsere Erfahrungen und unsere Fähigkeiten in den von uns gesetzten Grenzen an.“ Malise Vorn räusperte sich vernehmlich. „Jedi… Meister Skywalker…“ „Nur Jedi Skywalker“, bat der junge Mann höflich und Darran konnte sehen, wie die Lippen der Jedi-Frau ganz kurz zuckten. „Jedi Skywalker also… Vielleicht sollten Sie uns jetzt darüber in Kenntnis setzen, wo diese von Ihnen gesetzten Grenzen liegen. Daran misst sich letztendlich Ihr Wert für diese Operation.“ Die Feindseligkeit der Hapanerin schien die Luft regelrecht zu verpesten. Für Darran war das unerklärlich, war Malise doch mit einer Jedi verwandt und sogar in deren Auftrag hierher gekommen, um deren sichere Teilnahme am Gipfeltreffen zu gewährleisten. Respektvoll, aber nicht unterwürfig nickte Skywalker in Richtung der Hapanerin. „Unsere Grenzen beginnen dann, wenn von uns Aggressionen erwartet werden. Bei der Sicherung des Gipfeltreffens können und wollen wir nach besten Kräften helfen und bieten dabei auch unsere individuellen Erfahrungen und den Speicher unsere Astromechdroiden an. Wenn wir Spione mit unseren Machtsinnen wahrnehmen, werden wir solche Informationen umgehend an Sie weiter geben. Und sollte es zu einem Angriff kommen, werden wir all unsere Mittel zur Verteidigung von Kessada einsetzen. „Aber sollte es im Zuge dieser Operation zur Planung eines Angriffs kommen, werden wir uns nicht beteiligen. Ebenso werden wir uns nicht in interne Ränke verwickeln lassen. Aller früheren Erfahrungen zum Trotz werden wir keine militärischen Ränge bekleiden. Wir wissen, dass das für Sie Einschränkungen bedeutet, aber in der Vergangenheit mussten wir hohe Verluste hinnehmen, wenn wir von diesem Kurs abgekommen sind.“ „Die Jedi sind ein Schild, kein Schwert“, fasste General Kre’fey zusammen und nickte in Skywalkers Richtung, welcher diese Geste erwiderte. Sie begegneten einander auf Augenhöhe und das trotz aller Unterschiede in Alter, Herkunft, Lebensweg und Kulturkreis. Taon Kre’feys Vater war auch schon als Jedi-Unterstützer bekannt gewesen. Ein seltener Charakterzug für einen Bothaner. „Und wenn wir einen Sith-Saboteur identifizieren?“, warf General Tal ein. „Dann werden wir zum Schutz der Soldaten bei einer Gefangennahme helfen“, antwortete Skywalker ruhig. „Und solange Sie keine Ysalamiri für die sichere Haft des Sith haben, werden wir auch bei der Bewachung helfen. Bei allem, was darüber hinaus geht, werden wir uns jedoch ohne Rücksprache mit dem Jedi-Rat nicht beteiligen.“ „Das heißt, Sie würden uns nicht helfen, die Heimatwelt der Sith zu finden?“, hakte Malise Vorn beinahe lauernd nach. „Nicht, solange der weitere Kurs nicht von allen Gipfelteilnehmer einvernehmlich bestimmt worden ist“, meldete sich zum ersten Mal Tahiri Veila zu Wort. „Waren es nicht die Jedi, die vor fünf Jahren eindringlich vor der Bedrohung durch die Sith gewarnt haben?“ Skywalker war die Personifizierung der Ruhe, als er leicht den Kopf neigte. „Wie General Traest bereits sagte, wir sind ein Schild, kein Schwert. Wir werden bei der Initiierung eines Angriffs auf Keshir nicht helfen.“ „Dann würde ich sagen, wir nehmen von den Jedi, was wir kriegen können“, mischte sich Traest ein, bevor die Hapanerin weitere Anschuldigungen vorbringen konnte. Malise Vorn zog eine in Darrans Augen sehr unattraktive Grimasse, ehe sie sich wieder zusammen riss und würdevoll nickte. Dennoch lag auch für die restliche Dauer der Besprechung die Anspannung in der Luft. Alles in allem, dachte Darran irgendwann ironisch bei sich, war eine Operationsbesprechung immer angespannt. Jedi machten da offensichtlich keinen Unterschied aus. Sie waren nun einmal wirklich nicht allmächtig. Kapitel 5: ----------- Virs Tarnung war perfekt. Das Paradebeispiel für eine gelungene Infiltration. Und das Ergebnis von vier Jahren harter Arbeit. Als der Verlorene Stamm Coruscant wieder hatte verlassen müssen, war Vir einer der Wenigen gewesen, die geblieben waren. Ein halbes Jahr lang hatte er in der Unterstadt gelebt, hatte sich den Rhythmus dieses übervölkerten Stadtplaneten verinnerlicht, hatte sich Coruscanti-Basic angeeignet und sich mit hunderten verschiedener Spezies vertraut gemacht. Er hatte den Umgang mit der gängigen Technik erlernt, hatte sogar so etwas wie Faszination dafür entwickelt, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte. Nach einem halben Jahr hatte er Arbeit in einer Lufttaxiwerkstatt am oberen Rand der Unterstadt gefunden. Von dort hatte er sich Stück für Stück weiter hoch gearbeitet, bis er vor sieben Monaten Mechaniker für die berühmte Renegaten-Staffel geworden war. Seitdem besaß er endlich einen Posten, der ihn als Spion quasi unersetzlich machte. Natürlich wurde ihm kein Sterbenswörtchen darüber verraten, welche Erfolge die anderen Spione erreicht hatten, aber er wusste dennoch, dass seine Informationen von unschätzbarem Wert für die Sith waren. Auf seinen Schultern ruhte die Last der Verantwortung dafür, dass der Friedensgipfel scheiterte. Nur so konnte er seine Familienschande reinwaschen. Wenn er es denn wollte… Gemächlich schlenderte Vir durch die leeren Industriestraßen von Kessada. Selbst für Nicht-Sith-Verhältnisse galt der Asteroid als äußerst unansehnlich, aber Vir kümmerte sich nicht darum. Er war nach all der Zeit in der Unterstadt von Coruscant schon wesentlich Schlimmeres gewohnt. Während er so tat, als würde er sich gemeinsam mit seinen Kollegen einfach nur mit seiner neuen Umgebung vertraut machen, hielt er in Wahrheit nach strategischen Angriffspunkten Ausschau. Nach den Schwachstellen bei Mannschaftsunterkünften, nach Generatoren, Energieleitungen, Sensorschüsseln und allerlei mehr möglichen Zielen für Sabotageakte. Als er den Weg zur Messe einschlug, hörte er hinter sich eine salbungsvolle Stimme, die er von einem uralten Holo-Vid über die Rebellenzeit kannte. Automatisch passte er sein Schritttempo so an, dass er weiterhin vor den Gesprächspartnern lief, um alles mit anhören zu können. „Wenn man bedenkt, mit wem wir es hier zu tun haben, lief die erste Besprechung erstaunlich friedlich ab. Die Gründungsverhandlungen der Neuen Republik waren viel explosiver.“ Das Glucksen einer jüngeren männlichen Stimme erklang. „Dieses Mal war ja auch nicht Onkel Han dabei, um die Feindseligkeiten zwischen den Gruppen auch noch zu befeuern.“ „So schlimm war der alte Gauner eigentlich gar nicht. Er war ja clever genug, schon nach wenigen Wochen in den Ruhestand zu treten und Luke und Leia alles zu überlassen. Er war nun einmal eher ein Mann der Tat als des Wortes.“ Eine Frauenstimme kicherte verstohlen. „Aber Generalin Vorn scheint ein zäher Brocken zu sein.“ Die salbungsvolle Stimme wurde ernster. „Wahrscheinlich wird sie noch einigen Ärger machen.“ „Ich denke nicht“, widersprach die jüngere Männerstimme. „Ihre wahre Feindseligkeit gilt nicht uns, sondern den Sith. Sie ist in Sorge um ihre Familienangehörigen. Das macht sie hier zu unserer potenziell stärksten Verbündeten.“ „Wir müssen ihr nur begreiflich machen, dass uns genauso viel am Schutz von Tenel Ka und Allana gelegen ist wie ihr“, fügte die Frau hinzu. „Das dürfte gar nicht so einfach werden. Die Hapaner sind verdammt heißblütig“, sagte der Mann mit der salbungsvollen Stimme. Ein zweifaches Seufzen erklang, ehe der jüngere Mann wieder sprach. „Wir haben ohnehin nicht darauf gehofft, dass es hier in irgendeiner Hinsicht einfach wird.“ Ein dumpfes Geräusch erklang mehrmals hintereinander. Der erste Mann schien seinen Begleitern auf die Schultern zu klopfen. Eine ganz alltägliche Geste unter Menschen und vielen anderen humanoiden Spezies, die Vir erst auf Coruscant kennen gelernt hatte. „Luke, Han und Leia haben das auch immer wieder geschafft.“ „Immer dieser Zugzwang“, brummte der jüngere Mann, aber Vir war sich sicher, ein Lächeln heraus zu hören. Als sich die Türen zur Messe vor ihm öffneten, trat Vir beiseite, um den drei Personen, deren Gespräch er belauscht hatte, den Vortritt zu lassen. Von seinen unzähligen Recherchen erkannte er Lando Calrissian und Tahiri Veila sofort, aber wer ihn wirklich ins Stocken brachte, war der junge Mann in ihrer Begleitung: Ben Skywalker, Sohn des einstigen Jedi-Großmeisters Luke Skywalker. Ben Skywalker, dem Vir es verdankte, dass er sich auf Keshir mehr als irgendjemand sonst abstrampeln musste, um die Schande seiner Familie zu tilgen. Es wäre so einfach, dem Skywalker-Erben hier und jetzt den Garaus zu machen. Vir fielen auf Anhieb ein Dutzend sicherer Methoden ein. Niemand könnte ihn daran hindern… Nicht der Gedanke an seine Mission war es, der Vir wieder zur Besinnung brachte. Nicht die Sorge um seine Heimat oder um seinen Familiennamen. Ein sanftes Hauchen in der Macht, wie er es noch nie gespürt hatte, ließ den Sturm in seinem Inneren zur Ruhe kommen. Dabei dürfte er momentan gar nichts in der Macht spüren. Für einen winzigen Moment sah Vir sich selbst und Ben Skywalker, wie sie einander mit noch deaktivierten Lichtschwertern gegenüber standen. Ein Duell? Ein Kampf auf Leben und Tod? Irgendetwas stimmte mit diesem Bild nicht, doch ehe Vir es ergründen konnte, war Ben an ihm vorbeigegangen und die Vision verschwunden. Langsam und vorsichtig holte Vir Luft, besann sich auf seine innere Ruhe, dann betrat er die Messe ebenfalls und suchte sich einen Platz, der möglichst weit von den Jedi entfernt lag. Verwirrt blinzelnd setzte Ben sich neben Tahiri. Er spürte ihren aufmerksam-fragenden Blick, aber er hatte keine Antworten für sie. In einem Moment war alles normal gewesen und dann hatte er etwas gespürt. Eine Art Prickeln in der Macht. Eine Vorahnung. Eine Vision? Bisher hatte er noch nie eine Vision gehabt, daher hatte er keine Ahnung, wie sich so etwas anfühlte. Da ihm jetzt außer Verwirrung nichts geblieben war, konnte er diesen Machtimpuls nicht ergründen. Vielleicht würde eine Meditation etwas zu Tage fördern, aber fürs Erste konzentrierte er sich lieber wieder auf das Hier und Jetzt. Die Messe war für die Offiziere aller drei Parteien und für Landos Mitarbeiter gedacht. Und bereits gut besucht. Sie wirkte wie zahlreiche andere Offiziersmessen, die Ben schon erlebt hatte, durch die unterschiedlichen Uniformen nur noch ein wenig bunter, aber es gab nur wenige Anzeichen von Feindseligkeit. Bislang war es erstaunlich friedlich und Ben hoffte, dass sich dieser Trend fortsetzte. Ein Küchendroide rollte mit drei beladenen Tabletts heran und bediente Lando, Tahiri und Ben. Auf jeden Tablett schwamm ein saftiges Nerfsteak in dicker Bantha-Buttersoße. Dazu kamen unterschiedliche Gemüsesorten. Ein Klassiker und sicher kein Nobelrestaurantstandard, aber nahr- und schmackhaft. In Landos Privatquartier hätten Ben und Tahiri sich fürstlich bewirten lassen können, aber sie hatten einen Eindruck von der Stimmung der rangniedrigeren Offiziere gewinnen wollen. Während sie aßen, spürte Ben viele Blicke, die ihn und Tahiri beobachteten. Neugierige Blicke, misstrauische Blicke, musternde Blicke… Durch die Macht spürte er Tahiris Belustigung. „Du bist offensichtlich nicht nur bei Jedi-Schülerinnen beliebt.“ „Großartig“, brummte Ben und versuchte, zu verhindern, dass er errötete. „Oho, es hat sich seit unserem letzten Treffen also doch etwas bei Ben getan?“, mischte Lando sich natürlich sofort ein. „Gehst du etwa auf Brautschau? Oder nimmst du dir ein Beispiel an deinem Vater und lässt dich erst einmal Monate lang von deiner Traumfrau durch die halbe Galaxis jagen?“ „Gejagt wird er. Die Frage ist nur, ob seine Traumfrau dabei ist“, kicherte Tahiri, wofür Ben sie am liebsten in ihrer Bantha-Buttersoße ertränkt hätte. „Ich weiß gar nicht, was die alle von mir wollen“, nuschelte Ben missmutig und schob sich eine Frucht in den Mund, welche dem Aussehen nach von Rhyloth stammen könnte. „Du bist berühmt, ein Held würden viele sogar sagen. So etwas wirkt besser als jeder Lockduft“, erklärte Lando weise. „Keine Sorge, wenn du erst geheiratet hast, wird sich das wieder legen.“ Tahiri prustete in ihre Kaf-Tasse, wofür Ben ihr einen finsteren Blick zuwarf. Sie riss sich erst wieder zusammen, als sich ihnen ein breitschultriger Mann mittleren Alters mit den Abzeichen eines Piloten und Kommandanten der GA näherte. Er trug seine tadellos sitzende Uniform anscheinend mit einigem Unbehagen und war wohl eher die Art Mann, die sich in einem Fliegeroverall am wohlsten fühlte. Er hatte schwarzes Haar, das gekämmt nicht so recht zu seinem kantigen Gesicht passen wollte, und dunkelblaue Augen. Ben spürte, wie Tahiri sich neben ihm unmerklich anspannte. Irgendetwas behagte ihr nicht, aber da sie sich seinem vorsichtigen Machttasten nicht öffnete, konzentrierte er sich stattdessen auf den Kommandanten. Er konnte sich erinnern, den Mann bei der Besprechung vorhin und auch in den Personalakten, die Lando ihm gegeben hatte, gesehen zu haben, aber der Name wollte ihm nicht sofort einfallen. „Kommandant Darklighter, richtig?“, erhob Lando das Wort und bedeutete dem jüngeren Mann, sich auf dem freien Platz am Tisch nieder zu lassen. „Ja, Sir, der bin ich.“ „Sie führen die Renegaten-Staffel an, oder?“ Ben erinnerte sich wieder an die Angaben in der Personalakte von Darran Darklighter. Als der Pilot nickte, gluckste Lando amüsiert. „Wohl eine Familientradition, wie?“ „Keine gewollte, Sir. Als ich mich für einen Platz in einer Kampfjägerstaffel beworben habe, wollte Kommandant Peor mich für die Renegaten und bei seiner Beförderung vor zwei Jahren hat er mich als seinen Nachfolger vorgeschlagen.“ „Als Kind berühmter Eltern hat man es nicht leicht, aber es muss nichts Schlechtes sein, in ihre Fußstapfen zu treten“, erklärte Ben bedächtig, der sich nur zu gut in den Älteren hinein versetzen konnte. „Solange man es aus freien Stücken tut“, stimmte Darklighter ihm lächelnd zu. Ben mochte den Piloten auf Anhieb. Er schien ein gutes Gefühl dafür zu haben, wann Förmlichkeiten angebracht waren – und in einer lärmigen Offiziersmesse waren sie das nicht wirklich. „Sie kommen wegen der Flugübung?“ Der Kommandant nickte ruhig, aber in seiner Machtaura nahm Ben ein hohes Maß an Vorfreude wahr, was ihn selbst auch anstachelte. Während der Besprechung vorhin war vereinbart worden, dass Ben mit den unterschiedlichen Staffeln der drei Parteien Flugübungen absolvieren sollte, um ein Konzept für die Verteidigung des Asteroiden erarbeiten zu können. „In unserem Hangar haben wir mehrere XJ-X-Flügler als Reserve. Ich weiß, dass die Jedi Stealth-X-Flügler bevorzugen, aber bei einem Verteidigungsflug wäre ein XJ-X-Flügler effektiver.“ Da war was dran. Die Stealth-X waren hervorragend für Aufklärungs- und Überwachungsmissionen geeignet, weil sie so konstruiert waren, dass sie keine für Sensoren wahrnehmbare Signatur abgaben. Ihre Strahlung wurde von einer speziellen Legierung so stark minimiert, dass nicht einmal die besten Sensoren der Galaxis sie ausfindig machen konnten. Optisch wurden sie durch eine schwarz-gräuliche Lackierung getarnt. Wenn ein Jedi dann auch noch Schattenbomben einsetzte – Torpedos ohne eigenen Antrieb –, waren die Stealth-X ideal für Überrasungsangriffe. Allerdings flog die Tarnung des Stealth-X sofort auf, wenn man sein Komlink verwendete, weshalb nur Jedi das Potenzial des Kampfjägers voll ausschöpfen konnten. Mit Hilfe eines Kampfgeflechts konnten ausgebildete Jedi gut genug miteinander kommunizieren, um auf die Verwendung eines Komlinks verzichten zu können. Da gleichzeitig Panzerung und Schilde des Stealth-X in Vergleich zu anderen Modellen des X-Flüglers deutlich schwächer waren, ergab ihre Verwendung für nicht Nicht-Jedi nur selten Sinn – und im offenen Kampf, wie er hier vielleicht zu erwarten war, ebenso wenig. „Dieses Angebot nehme ich gerne an, Kommandant“, erklärte Ben. Lando gluckste: „Das wäre dann das erste Mal, dass ein Skywalker und ein Darklighter gemeinsam in der Renegaten-Staffel fliegen.“ Ben quittierte diese Feststellung mit einem schlichten Nicken, aber er musste sich eingestehen, dass er Vorfreude auf die Flugübung empfand. Als Kommandant Darklighter sich jedoch höflich verabschiedet hatte, wagte Ben es, Tahiri kurz von der Seite anzusehen. Noch immer wirkte sie angespannt. Ihre Hände hielten das Besteck ein bisschen zu fest und sie verwendete große Mühe darauf, sich ganz und gar von Ben abzuschotten. Wenn er mit Tahiri alleine gewesen wäre, hätte er sie dennoch darauf angesprochen, aber das musste wohl warten, bis sie in Landos Gästequartier waren. Luke war die Macht. Die Macht war Luke. Sie waren eins und doch verschieden, verschmolzen miteinander und mit der Umgebung, waren das Bett, in dem Lukes Körper lag, waren die kleine, spärliche Hütte, waren Dagobah mit all seinen Sümpfen, waren sogar die gesamte Galaxis, vom Wasserstoffatom bis zur größten Supernova. Sie waren Zeit und Raum, überall und nirgends, in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. Bilder und Stimmen, Gerüche und Berührungen ordneten sich nach einem Prinzip vor Luke, das er gleichzeitig verstand und nicht verstand. Weisungen folgend, die lautlos und unsichtbar und doch laut und grell waren, tastete Luke ganz bestimmte Bilder ab. Mara, unendlich erschöpft und ausgezehrt und dennoch mit dem schönsten Lächeln, das er jemals bei ihr gesehen hatte. In ihren Armen lag ein Neugeborenes mit nassem, aber unverkennbar rötlichem Flaum… Eine hübsche, junge Frau mit einer Narbe im Mundwinkel, die sich vom Licht abwandte… Die vierzehnjährige Tahiri, der Blick der einstmals lebhaft funkelnden Augen trüb und unendlich alt, die Miene steinern, während vor ihr ein großes Feuer brannte… Allana, erwachsen und wunderschön, auf einem Thron, das Lichtschwert im Schoß, um sie herum unzählige verschiedene Spezies in vollkommener Eintracht… Zwei junge Männer, deren Gesichter nicht zu erkennen waren. Sie standen einander gegenüber und hielten Lichtschwerter in ihren Händen, eines blau, eines rot… Anakin, so friedlich, wie er zu Lebzeiten nie gewesen war. Seine Augen funkelten zärtlich, als seine Lippen sich bewegten… Tahiri auf einer Seite des Raums, ihr gegenüber die Solos. Die Solos lächelten ihr zu, aber Tahiri presste sich die Hände auf die Ohren und schrie… Ben und Tahiri in Tahiris Quartier auf Ossus, Tränen auf dem Gesicht der Frau… Ein Mann im Fliegeroverall, den Helm in der Hand, die Miene nachdenklich… Der aktuelle Jedi-Rat, alle mit ernsten Mienen, in ihrer Mitte Ben, die Miene unerschütterlich… Zwei Hände, eine klein und zierlich, die andere groß und schwielig, die Finger zärtlich miteinander verflochten… Ein Raum voller Offiziere, Ben unter ihnen, ruhig, souverän, die Mienen der Offiziere skeptisch, misstrauisch… Eine Blutlache… Ein Gefecht im Raum… Lando, gramgebeugt. Er griff mit beinahe Schmerz verzerrter Miene nach seinem Komlink… Ein scharfer stechender Schmerz… Ben, Schulter an Schulter mit einem Fremden, ihre gegenseitige Deckung perfekt, ein Ausdruck höchsten Vertrauens… Ein junger Mann mit edlen Gesichtszügen, die Miene voller Zweifel, der Blick umherirrend… Die Gedenkstätte auf Ossus… Tahiri, neunjährig, die Lippen ruhelos, die Augen leuchtend… Ein roter Kristall, der langsam zu Boden fiel… Die Vision endete einfach, nicht abrupt und doch ohne Vorwarnung. Luke schlug die Augen auf und nahm sich die Zeit, sich zu sammeln, ehe er sich erhob. Ganz bewusst blieb er weiterhin offen für die Macht, ließ sich von Ruhe und Vertrauen erfüllen. Es war schwer, nicht zu viel in die Bilder der Vision hinein zu interpretieren. Immerhin betrafen sie seinen eigenen Sohn. Neutral zu bleiben, auch wenn seine Familie involviert war, war schon immer die härteste Prüfung für Luke gewesen. Aber er konnte auch nach so vielen Jahren Visionen nicht zweifelsfrei deuten. Nicht einmal Meister Yoda hatte das jemals vermocht. Einige Szenen in der Vision bezogen sich eindeutig auf Vergangenes, andere waren wahrscheinlich nur symbolhaft zu verstehen, wieder andere stellten mögliche Verläufe der kommenden Ereignisse dar. Das Blut könnte genauso gut Ben, Tahiri oder einem Sith gehören. Das ließ sich unmöglich eindeutig sagen. Demzufolge konnte Luke auch nicht Entscheidungen fällen, die auf dieser Vision beruhten. Als Ben und Tahiri von ihrer Mission erzählt hatten, hatte er gewusst, dass der Rat eine gute Entscheidung getroffen hatte. Er hatte den Fähigkeiten seines Sohnes vertraut. Daran musste er sich halten. Ben war schon lange nicht mehr der hilflose, kleine Säugling von damals… Seufzend blickte Luke in den Spiegel seiner schlichten Hygieneeinheit. Als er sich entschieden hatte, sich zurückzuziehen, hatte er gewusst, dass die turbulente Zeit eines Jedi für Ben gerade erst richtig begann. Er hatte geglaubt, damit keine Probleme zu haben, aber nun musste er sich eingestehen, dass er besorgt war, ja, sogar Angst hatte. Wie hatten Han und Leia das während des Yuuzhan Vong Krieges immer wieder ausgehalten? Vor allem bei jener Mission, als alle drei Solo-Kinder ins Feindesgebiet aufgebrochen waren, um der Bedrohung durch die Voxyn für die Jedi Einhalt zu gebieten? Luke war beinahe daran zugrunde gegangen, als Mara gestorben war. Wie könnte er es ertragen, wenn Ben auch sterben sollte? Diese Gedanken bargen einen Pfad zur Dunklen Seite, das wusste Luke nur zu gut. Deshalb hatte der alte Jedi-Orden seinen Mitgliedern familiäre oder romantische Beziehungen untersagt, aber Luke hatte darin ein Verschließen vor den Tatsachen gesehen. Ein Schwur brachte Jedi nicht dazu, auf einmal nichts mehr zu fühlen. Die Jedi des Neuen Ordens hatten für sich eine neue Balance finden sollen. Das galt auch für Luke. Er musste sich mit der Tatsache anfreunden, dass sich sein Sohn in Gefahr begab, wie er selbst es unzählige Male getan hatte, um den Frieden in der Galaxis zu wahren. Ben hatte sich aus freien Stücken und im vollen Bewusstsein über die Gefahren für diesen Pfad entschieden. Er war klug, stark und wahrscheinlich sogar begabter im Umgang mit der Macht als Luke. Luke musste auf diese Talente vertrauen und sich seiner eigenen Ungewissheit und Unsicherheit stellen. Und zumindest in einer Sache konnte er sich gewiss sein: Was auch immer auf Kessel geschehen würde, für Ben und Tahiri würden sich einige grundlegende Dinge ändern… Kapitel 6: ----------- Der neue Tag brach auf Kessel an und Tahiri hatte nicht eine Stunde geschlafen. Stattdessen hatte sie versucht, zu meditieren, aber sie war gnadenlos gescheitert. Am Vorabend hatte sie Ben um Zeit gebeten, als er über den Vorfall in der Messe hatte reden wollen. Sie hatte es erst selbst ergründen wollen, aber jetzt war sie immer noch genauso ratlos wie gestern. Ihre Gedanken Gefühle sprangen wild umher, gaben ihr keine Chance, sie richtig zu ergreifen. Nach all den Stunden des Grübelns war sie immer noch verwirrt und hilflos. Müde seufzend erhob Tahiri sich aus dem Schneidersitz und machte sich in der Hygieneeinheit frisch, ehe sie das großzügige Zimmer verließ, welches Lando ihr zur Verfügung gestellt hatte. In der Küche saß Ben mit einer Tasse Kaf in der Hand. Eine zweite Tasse stand dampfend bereit, wofür Tahiri dem Jüngeren ein dankbares Lächeln schenkte. Als sie sich setzte, blickte Ben kurz von seinem Datenblock auf und lächelte, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Arbeit richtete. Wenn Tahiri Anstalten machen sollte, über gestern zu reden, würde Ben ihr sofort seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, das wusste sie, aber genauso würde er ihr Schweigen akzeptieren. Manchmal fragte Tahiri sich, was alles in ihrem Leben anders gelaufen wäre, wenn damals nach Anakins Tod jemand so für sie da gewesen wäre wie Ben jetzt. Aber das war unfair. Die Solos hatten selbst um Anakin getrauert und lange Zeit hatten sie geglaubt, auch Jacen sei tot. Ganz zu schweigen davon, dass um sie herum ein Krieg der Superlative getobt hatte. Luke und seine Frau hatten mit der Organisation des Jedi-Ordens und der Auseinandersetzung mit der jedifeindlichen Politik alle Hände voll zu tun gehabt und deswegen sogar ihren eigenen Sohn viele Monate lang nicht gesehen. Wie hätten sie Zeit für die Trauer einer kleinen Jedi-Schülerin finden können? Nein, die Schuld für ihr Abrutschen in die Dunkle Seite trug Tahiri alleine. Das wusste sie heute. Dennoch tat es ihr gut, dass jetzt Ben für sie da war. „Als Kommandant Darklighter gestern auf uns zu getreten ist…“ Schon beim ersten Wort blickte Ben auf und schob seinen Datenblock beiseite. Ruhig und aufmerksam wartete er ab, bis sie die Kraft und Klarheit fand, um weiter sprechen zu können. „…für einen Moment habe ich geglaubt… Anakin würde vor mir stehen…“ „Du meinst nicht sein Aussehen“, stellte Ben bedächtig fest. Tahiri nickte bestätigend. Darran Darklighter mochte eine ähnliche Statur haben, wie Anakin sie jetzt hätte, aber seine Haltung war sehr viel steifer und gerader, eben die Haltung eines Soldaten. Und er hatte zwar blaue Augen, aber sie waren tiefblau, erinnerten an einen der tiefen Seen auf Naboo. Anakins Augen waren so eisblau gewesen, dass sie einen, wenn Anakin die richtige Intensität hinein gelegt hatte, an Hooth erinnert hatten. „Es war… nur so ein Gefühl“, seufzte Tahiri lahm und blickte ratlos in ihre Kaf-Tasse. „Für einen kurzen Moment habe ich mich wie die Neunjährige damals auf Yavin 4 gefühlt, die zum ersten Mal Anakin Solo trifft. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, aber es hat mir Angst gemacht.“ Zu ihrer großen Erleichterung versuchte Ben nicht, es weiter zu analysieren. Stattdessen übermittelte er ihr sanftes Verständnis. „Vielleicht brauchst du nur mehr Zeit, um das zu ergründen. Ich werde sowieso mehr mit ihm zu tun haben als du.“ Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen bei seinen nächsten Worten. „Dann kannst du dich in aller Ruhe auf die Hapanerinnen konzentrieren.“ Aller Sorge und Verwirrung zum Trotz musste Tahiri grinsen. „Gern geschehen.“ Während seiner gesamten Pilotenausbildung war Darran immer wieder damit genervt worden, dass er allem Talent und Training zum Trotz niemals das fliegerische Niveau eines Jedi-Piloten erreichen würde. Auch sein Vater hatte ihm das oft gesagt und von Gesprächen mit Syal Antilles wusste er, dass ihr Vater Wedge Antilles, Rebellen- und Fliegerlegende, ihr ganz ähnliche Hinweise mit auf dem Weg gegeben hatte. Bisher hatte Darran nie die Gelegenheit gehabt, Seite an Seite mit einem Jedi zu fliegen, um diese Behauptungen selbst zu bestätigen. Solche Gelegenheiten waren dieser Tage rar. Jetzt musste Darran sich eingestehen, dass sein Vater und seine Ausbilder sogar noch untertrieben hatten. Vor drei Stunden war er mit seinen Renegaten und Ben Skywalker für den verabredeten Trainingsflug aufgebrochen – und er konnte sich kaum an ein besseres Training mit seiner Staffel in den letzten Monaten erinnern. Ben Skywalker flog, als wäre er mit seinem Jäger eins. Seine Reflexe waren übermenschlich – und Darran wagte zu behaupten, dass das nicht nur an den Eingebungen durch die Macht lag. Er konnte sich in Sekundenbruchteilen auf die Manöver seiner wechselnden Flügelmänner einstellen und fügte sich in die Staffel ein, als würde er bereits seit Monaten mit ihnen fliegen. Überdies besaß er ein bemerkenswertes taktisches Geschick, wie man es sich nur von einem Sternjägerpiloten wünschen konnte. „Ihre Staffel ist außergewöhnlich gut, Kommandant“, drang Skywalkers Stimme aus Darrans Komlink. „Loben Sie sie nicht zu sehr“, erwiderte Darran ruhig, ehe er auf einen privaten Kanal umschaltete. „Jedi Skywalker, ich muss zugeben, dass ich schwer beeindruckt bin.“ „Danke, Kommandant, aber ohne ein gutes Team könnte ich nicht halb so gut fliegen und dieses Team hier ist Ihr Verdienst.“ Darran konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. „Sind alle Jedi so bescheiden?“ „Wie meinen?“ Obwohl er den Jedi noch nicht lange kannte, wusste er, dass er grinste, was irgendwie ansteckend wirkte. Sie setzten zum Landeanflug an, hinter ihnen die anderen Renegaten in lockerer Formation. Ziel war ein von oben getarnter Hangar, der ursprünglich für Frachter konstruiert worden war. Als sie in die Atmosphäre eintraten, beschleunigte Skywalkers XJ-X-Flügler, anstatt zu verlangsamen. Stirn runzelnd aktivierte Darran sein Komlink wieder. „Jedi Skywalker, was ist los?“ Spätestens, als er nur Rauschen zur Antwort bekam, wusste er, dass irgendetwas nicht stimmte. Er schaltete sein Komlink um. „Renegat Eins an Kessada-Kontrolle. Bei Skywalkers X-Flügler gibt es irgendeinen Defekt. Können Sie ihn auf irgendeiner Frequenz erreichen?“ „Negativ, Kommandant, wir leiten die Sache ans Kommando weiter.“ Es knackte und während der Minute, die es dauerte, bis sich General Kre’feys Stimme meldete, konnte Darran nicht mehr tun, als zu zusehen, wie Skywalker den Kurs änderte, wohl um zu verhindern, dass er in ein bewohntes Gebiet des Asteroiden krachte. Die eingefahrenen S-Flächen des Sternenjägers glühten gefährlich und wahrscheinlich sah der Bug auch so aus. „Kommandant Darklighter, wir haben die Renegaten und Skywalker auf dem Schirm. Anscheinend kann Skywalker seinen Schleudersitz nicht aktivieren und keines der Schiffe mit Traktorstrahl wird schnell genug in der Luft sein.“ Darran unterdrückte ein Knurren. Das hatte er sich schon selbst zusammen gereimt, aber der Bothan wollte wohl nicht direkt sagen, dass er nichts zur Rettung des Jedi tun konnte. „Kommandant Darklighter“, meldete sich eine angenehme Frauenstimme zu Wort, die ein Kribbeln bei Darran verursachte. Er brauchte einige Sekunden, um sie als die Stimme von Tahiri Veila vom Vortag zu erkennen. „Jedi Veila, können Sie durch die Macht Kontakt zu Jedi Skywalker aufnehmen?“ „In der Tat. Er bittet darum, dass ihn jemand bis zum Landepunkt eskortiert, damit er und sein Astromech eingesammelt werden können. Am besten organisieren Sie auch einen Abschlepper, damit die Überreste des Jägers untersucht werden können.“ Für einen Moment glotzte Darran sein Komlink sehr dumm an. Die Jedi klang beinahe so, als hätte ihr Partner schon dutzende Male in so einer Situation gesteckt. Das war dann wohl diese nervtötende Ruhe der Jedi, von der sein Vater ihm erzählt hatte. Darran räusperte sich. „Ist das alles, was wir für Jedi Skywalker tun können?“ „Leider ja“, gestand Veila und obwohl ihre Stimme ruhig blieb, war Darran sich auf einmal sicher, dass sie dennoch große Sorge empfand. „Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich muss mich darauf konzentrieren, Jedi Skywalker aus der Ferne zu helfen.“ Die Stimme von Malik Tal erklang: „Kommandant Darklighter, Sie eskortieren Skywalker, wir hier veranlassen alles weitere.“ „Jawohl, Sir.“ Darran schaltete sein Komlink auf Staffelfrequenz. „Renegaten, fliegt zum Stützpunkt. Ich werde Jedi Skywalker alleine eskortieren. Lassen Sie nach der Landung sofort alle Ihre X-Flügler gründlich durchchecken.“ Elf Klicks erklangen, dann trennte der Renegatenführer sich von seiner Staffel und schlug einen steileren Anflugswinkel ein, um zu Skywalkers XJ-X-Flügler aufzuholen. Was seine Sensoren ihm über die Temperaturen des Jägers verrieten, gefiel ihm ganz und gar nicht. Der Bug begann bereits zu schmelzen und eine S-Fläche war abgeknickt und schlug nun immer wieder gegen die Flanke des Jägers. Dennoch schien Skywalker den X-Flügler nun besser unter Kontrolle zu haben. Der nun flachere Anflugswinkel und wohl auch ein geschickter Einsatz der vorderen Repulsoren verlangsamten den Flug und bannten damit zumindest die Sorge, dass der Jäger vollends verglühen könnte, bevor er auch nur annähernd in Bodennähe kam. Darran glich Geschwindigkeit und Winkel seines Jägers dem Skywalkers an, was seine eigenen Warnsysteme schrillen ließ, aber darum scherte er sich nicht, sondern versuchte stattdessen, so dicht wie möglich an den anderen Jäger heran zu kommen, um einen Blick ins Cockpit zu erhaschen. Viel konnte er nicht erkennen, aber Skywalker schien Ruhe zu bewahren. Die Haare waren klitschnass und das Gesicht glänzte vor Schweiß, aber nichts in der Mimik ließ auf Angst schließen. Besorgt runzelte Darran die Stirn. Skywalker mochte nicht mehr in Gefahr schweben, zu verglühen, aber mit dem jetzigen Tempo war selbst eine Bruchlandung undenkbar. Während er noch grübelte, bemerkte Darran, dass sich der Abstand zwischen seinem Sternenjäger und dem des Jedi wieder vergrößerte. Er flog jetzt schneller als Skywalker. Schnell drosselte er seine Geschwindigkeit. In den nächsten nervenaufreibenden Minuten schaffte Skywalker es irgendwie, immer langsamer zu werden und schließlich in einem ungefährlichen Tempo auf eine freie Fläche am Boden zu zuhalten. Er schaffte sogar eine Landung. Er büßte dabei zwar auch noch die intakte S-Fläche ein, das Stützwerk knickte vorn ab und der Pilot wurde wahrscheinlich mächtig durchgeschüttelt, aber die Gefahr war eindeutig gebannt. Erst jetzt fiel Darran auf, dass er den Atem angehalten hatte. Erleichtert seufzend landete er auf einer freien Fläche neben Skywalker und entstieg seinem Jäger. Der Jedi musste sich mit seinem Lichtschwert aus dem Cockpit raus schneiden – anscheinend hatte sich beim Aufprall auch noch der Riegel verzogen –, aber er schaffte es aus eigener Kraft heraus und ließ sich schwer atmend neben dem ramponierten Jäger zu Boden gleiten. „Wie haben Sie es geschafft, den Jäger zu verlangsamen, Jedi Skywalker?“, fragte Darran immer noch fassungslos und reichte dem Jüngeren eine der Wasserrationen aus seinem Jäger. Das Wasser in Skywalkers Jäger war wohl nicht mehr sehr erfrischend, wenn es überhaupt noch da war. „Tahiri und ich haben mit der Macht nachgeholfen“, erklärte der Jedi nach mehreren großen Schlucken. „Erzwo hat es geschafft, die Triebwerke auszuschalten, danach habe ich nur mit den Repulsoren und der Macht den Jäger in der Luft gehalten und ganz langsam abgesetzt.“ „Ein Jedi zu sein kann ganz schön praktisch sein“, stellte Darran trocken fest. „Hin und wieder“, stimmte Skywalker mit einem müden Grinsen zu. „Und nennen Sie mich doch bitte Ben, wenn wir unter uns sind. Leute, die mich auf einem Todesflug eskortieren, sollten nicht so förmlich sein.“ Perplex schlug Darran in die dargebotene Hand ein. „Nur unter der Bedingung, dass Sie mich dann Darran nennen.“ „Jawohl, Kommandant“, gluckste Ben. Seufzend ließ Darran sich neben seinem neuen Freund zu Boden sinken. Es würde wohl noch einige Minuten dauern, bis der träge Abschlepper sie erreichte. „Mein Vater hat mich immer davor gewarnt, dass Jedi den Ärger anziehen wie ein Traktorstrahl.“ „Da hat er gar nicht so Unrecht“, kicherte Ben. Darran musste grinsen. „Aber er meinte auch, dass man sich auf Jedi immer verlassen kann, wenn man mit ihnen befreundet ist.“ Die R2-Einheit des Jedi, die immer noch in der Droidenverankerung des schrottreifen Jägers hing, zwitscherte zweifelnd über ihnen, was die Männer zum Lachen brachte. Kapitel 7: ----------- Nachdem man ihn und Kommandant Darklighter aufgesammelt und nach Kessada gebracht hatte, hatte Ben zuallererst eine Hygieneeinheit aufgesucht, ehe er sich auf Landos Drängen hin von einem Medi-Droiden hatte untersuchen lassen. Nun saß er Tahiri gegenüber in der Küche in der Küche ihres Apartments und schaufelte so viel Essen in sich rein, dass Tahiri allein vom Zusehen beinahe schlecht wurde. Sie selbst begnügte sich mit einer Tasse extra starken Kaf und einem leichten Zufluss von der Macht, um ihre eigene Erschöpfung in Schach zu halten. Dank ihres starken Kampfgeflechtes war es ihr gelungen, Ben trotz der großen Entfernung zu helfen, aber es hatte ihr viel abverlangt. Genau wie Ben sehnte sie sich eigentlich nach ihrem Bett, aber sie wusste, dass sie noch eine Weile durchhalten musste. Als Ben gerade in seine dritte Boja-Frucht biss, klingelte es an der Tür. Tahiri blickte R2-D2 nach, der trillernd zur Tür fuhr, sich in die Datenbuchse einklinkte, etwas überprüfte und dann die Tür öffnete. Auch ohne die Macht hätte Tahiri erraten können, wer vor der Tür stand: Lando, die Miene bitterernst, die drei Generäle der vereinten Sicherheitskräfte und Darran Darklighter. Die Generäle trugen ruhige Mienen zur Schau, der Kommandant wollte sich wohl eigentlich an ihnen ein Beispiel nehmen, wirkte jedoch genauso angespannt wie Lando. Ben schob sich die verbliebene Hälfte der Boja-Frucht im Ganzen in den Mund, wischte sich die Hände an einer Serviette sauber und bedeutete den Gästen mit einem Winken, ihm ins Wohnzimmer zu folgen, das mit zwei großen Sofas und zwei Sesseln genug Platz für die bevorstehende Besprechung bot. „Die Untersuchung ihres X-Flüglers hat die bisherige Vermutung bestätigt“, eröffnete Kre’fey ohne Umschweife das Gespräch. „Es handelt sich um Sabotage. Obendrein um eine sehr ausgeklügelte, deren Kettenreaktion offensichtlich genau einkalkuliert worden ist. Die Primärsysteme sind alle gleichzeitig ausgefallen. Aus technischer Sicht war das ein Geniestreich.“ „Die Frage ist, wer es war“, warf Tal mit ruhiger Stimme ein und sein Blick wanderte geradezu offensichtlich zu Kommandant Darklighter hinüber. Kre’fey zuckte leicht mit den Ohren, blieb jedoch ansonsten ruhig, als er darauf antwortete: „Die GA hat damit nichts zu tun. Und die Renegaten-Staffel gäbe es ohne Luke Skywalker nicht, was ihre Angehörigen in besonderer Weise mit den Jedi verbindet.“ „Allerdings war es ein von der GA gestellter X-Flügler. Obendrein hat Skywalker ihn auf Kommandant Darklighters Empfehlung hin angenommen“, wandte Malise Vorn ein. „Und ich habe dabei keinerlei Arglist oder gar Mordabsicht bei Kommandant Darklighter gespürt“, mischte Ben sich ruhig ein. Tal zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Mit Verlaub, in unseren Kreisen können wir einen Hinweis der Macht nicht als Unschuldsbeweis gelten lassen.“ „Dann sollten Sie vielleicht erst einen Beweis für Kommandant Darklighters Schuld finden“, schlug Tahiri vor und versucht dabei, sich an Bens Ruhe ein Beispiel zu nehmen und ihre Erschöpfung und Ungeduld zu verdrängen. „Oder aber in Betracht ziehen, dass es niemand von den vereinten Streitkräften war, sondern ein Spion der Sith.“ „Dann wären die Sicherheitsvorkehrungen der GA nicht ausreichend, um Infiltrationen zu verhindern“, schlussfolgerte Vorn mit herablassender Miene. „Und Sie glauben allen Ernstes, dass Sie keine Spione in Ihren Reihen haben?“, schlug Kre’fey mit scharfem Unterton zurück. „Was uns betrifft, können nur Mutmaßungen gemacht werden. Bei Ihnen hingegen können wir uns sicher sein, dass Sie entweder selbst versucht haben, Skywalker zu töten, oder aber unfähig sind, sich vor Spionen zu schützen.“ Schwungvoll stand Lando auf, was die allmählich hitzigere Diskussion sofort zum Erliegen brachte. Der Geschäftsmann schritt zur Tür des Apartments, öffnete sie und deutete dann hinaus, den eisenharten Blick auf die drei Generäle gerichtet. „Ich muss Sie wohl nicht extra daran erinnern, dass Sie nur unter meinen Bedingungen befugt sind, hier zu agieren. Wenn Sie also jetzt mit gegenseitigen Beschuldigungen anfangen wollen, dann nicht auf Kessel. Wie Sie Ihren jeweiligen Vorgesetzten erklären, dass sie sich einen neuen Ort für das Gipfeltreffen suchen müssen, ist Ihr Problem.“ Das war keine Sabbacc-Finte, das konnte Tahiri deutlich spüren. Lando steckte der Schrecken um Ben noch in den Knochen und da war es mit seiner Geduld nicht weit her. Die drei Generäle versteiften sich beinahe unmerklich noch ein wenig mehr. Argwöhnisch musterten sie einander. Obwohl sie um Ausdruckslosigkeit bemüht waren, schrien sie ihr Misstrauen geradezu heraus. Bens leiser Seufzer sicherte ihm sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Er hätte sich mit der Macht erfrischen können, aber er hatte sich entschieden, seine Erschöpfung offen zur Schau zu stellen. „Was wir hier gerade erleben, ist das Werk von Wesen, die mit derselben Doktrin unterrichtet worden sind, der auch Palpatine anhing. Anstatt die Anführer der drei Parteien zu töten, versuchen sie, Misstrauen zu sähen. Dass bisher kein Sabotageakt stattgefunden hat, der auf die Imperialisten oder auf die Hapaner hindeutet, ist mit großer Wahrscheinlichkeit genauso Kalkül wie die Tatsache, dass dieser Sabotageakt mich getroffen hat und nicht einen von Ihnen. Alle drei Parteien sollen auseinander getrieben werden, um sie für weitere Einflüsterungen und Manipulationen empfänglicher zu machen, was auf lange Sicht sicherlich auch die Stimmung im Gipfeltreffen vergiften soll.“ Einige Minuten lang herrschte beinahe eisiges Schweigen und die Rücken der Generäle waren so steif wie Plastahl-Pfeiler, doch Tahiri konnte bei allen die Erkenntnis spüren. Schließlich war es Malik Tal, der sich zuerst lockerte und sich sogar einen müden Seufzer erlaubte. „Ein ganz schön raffinierter Gegner. Ich muss gestehen, dass ich sie aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen unterschätzt habe. Offene Weltraumschlachten liegen mir eher als solche Intrigen.“ Kre’fey zuckte nervös mit seinen Ohren. „Wir mögen die mutmaßliche Strategie des Feindes jetzt kennen, aber das gilt nicht für die fast zehntausend Angehörigen unserer vereinten Streitkräfte. Die wenigen Zeugen des Vorfalls wurden zwar zur Geheimhaltung verpflichtet, aber ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass nichts durchsickern wird. Und Gerüchte verbreiten sich bei Soldaten schneller, als ein Jedi sein Lichtschwert zünden kann.“ „Sir, wenn ich sprechen darf?“, meldete sich zum ersten Mal Kommandant Darklighter zu Wort. Auf das Nicken seines Vorgesetzten hin fuhr er fort. „Es birgt natürlich Risiken, aber wenn Jedi Skywalker seine Übungen mit den Staffeln fortsetzt, ist das ein Zeichen, dass er nach wie vor allen drei Parteien vertraut. Und gleichzeitig…“ „Diene ich so als Lockvogel für die Spione der Sith“, beendete Ben die Worte des Älteren. Für einige Sekunden musste Tahiri wirklich um ihre Beherrschung ringen, aber im Gegensatz zu Lando schaffte sie es. Der Geschäftsmann hingegen scherte sich nicht um Beherrschung. „Das lässt du schön bleiben, Ben Skywalker! Du solltest hier nur beraten und schlichten, mit etwas anderem hat der Rat dich nicht beauftragt.“ „Aber der Jedi-Kodex schon. Wenn ich etwas zum Schutz der hiesigen Soldaten tun kann, werde ich das auch tun.“ „Wir werden Jedi Skywalker nicht mit dieser Aufgabe alleine lassen“, sprang Darklighter in. „Wir kommen vielleicht nicht gegen einen Sith mit seinen Machtkräften und Kampfkünsten an, aber wir können Jedi Skywalker für Notfälle ausrüsten, angefangen bei einem leistungsstarken Komlink mit verschiedenen Notrufprogrammierungen.“ Tahiri musste in der Macht nach Ruhe suchen, ehe sie sich zu Wort melden konnte. „Ich werde ebenfalls da sein, um Ben Rückendeckung zu geben.“ Malise Vorn legte leicht den Kopf schräg. „So wie ich das sehe, können wir Sie kaum unterstützen, Jedi Skywalker. Eine Involvierung von weiteren Angehörigen der Streitkräfte würde die Falle womöglich verraten.“ „Es handelt sich hiermit also um einen Geheimbund“, schlussfolgerte Malik Tal mit einem zustimmenden Nicken. Frustriert warf Lando die Arme hoch, dann deutete er anklagend auf Ben. „Wenn dir etwas passiert, habe ich wahrscheinlich die drei gefährlichsten Wesen der Galaxis im Nacken. Also pass’ ja auf dich auf, klar?“ Ben gestattete sich ein amüsiertes Lächeln. „Um deinetwillen werde ich aufpassen, versprochen.“ Die Generäle erhoben sich und Darklighter beeilte sich, es ihnen gleich zu tun. Tahiri begleitete sie zur Tür. Zuletzt wollte Darklighter an ihr vorbei gehen, zögerte jedoch und suchte ihren Blick. Als sie in das tiefe Blau seiner Augen blickte, wurde ihr ganz mulmig zumute. Ein Kribbeln fuhr durch ihr Inneres. Doch als in den Blick des hartgesottenen Mannes eine beinahe vertrauliche Zärtlichkeit trat, wurde es Tahiri zu viel. Es fühlte sich an, als würde ihr die Luft abgeschnürt werden. Tränen brannten in ihren Augen. Der Boden unter ihr schwankte. Eine Hand auf ihrer Schulter und ein Impuls in der Macht bewahrten sie vor dem Zusammenbruch. Sie löste den Blickkontakt und drehte sich von Darklighter fort. Sie konnte hören, wie Ben sich bei ihm bedankte und wie die Männer sich voneinander verabschiedeten, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, sich noch einmal umzudrehen. Erst als Ben einen Arm um ihre Schultern legte und sie zum Sofa zurück führte, kam sie wieder zu sich und blickte sich hastig um. Zu ihrer Erleichterung war auch Lando gegangen, auch wenn sie sich schämte, dass sie nicht einmal seine Verabschiedung bemerkt hatte. Wieder fragte Ben nicht nach. Er drückte Tahiri auf das bequeme Polster und verschwand dann in der Küche, um kurz darauf mit zwei Tassen Tee zurückzukehren. Eine drückte er Tahiri in die Hände, ehe er sich ihr gegenüber nieder ließ. Er sah sie nicht einmal an, sondern konzentrierte sich auf seinen Tee. „Es war die Art, wie er mich angesehen hat“, erklärte Tahiri mit belegter Stimme. Noch immer fühlte sie sich ganz wirr und zittrig. „Es hat irgendetwas in mir ausgelöst. Was auch immer…“ „Hast du dich bedroht gefühlt?“, fragte Ben auf dieselbe sanfte, nachgiebige Art, die auch sein Vater früher gegenüber jungen Schülern angewendet hatte. „Ich glaube nicht… Zumindest nicht im eigentlichen Sinne… Ich verstehe es nicht.“ „Ich auch nicht“, gab Ben offen zu. „Und Darran war bestürzt. Er wollte dich nicht aus der Fassung bringen, das habe ich deutlich gespürt.“ Tahiri schwieg dazu und nippte an ihrem Tee. Die beruhigenden Wirkungen des Gebräus und von Bens sanfter Berührung in der Macht setzten nur langsam ein. Im Wohnzimmer wurde es dunkel, als die Tageslichter auf den Straßen langsam zum Nachtmodus gedimmt wurden. Wie viel Zeit letztendlich verging, ehe Tahiri sich schweigend erhob und in ihrem Schlafzimmer verschwand, wusste sie selbst nicht, aber es war Ben wieder einmal gelungen, sie zu beruhigen. Seufzend ließ Vir sich auf seinem Bett in seinem engen Zwei-Mann-Quartier nieder. Sein Zimmergenosse war Sensor-Offizier und hatte Nachtschicht. So hatte Vir seine Ruhe und musste sich nicht so stark wie sonst unter Kontrolle halten. Vir fühlte sich eigentümlich hin- und hergerissen. Einerseits ärgerte er sich, dass das Attentat auf Ben Skywalker missglückt war. Es war der perfekte Schachzug gewesen, der nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit das Gipfeltreffen vereitelt, sondern auch den Jedi einen harten Schlag versetzt hätte. Der Sohn des Neubegründers Luke Skywalker, einer der talentiertesten unter den jungen Jedi, der möglicherweise nächste Jedi-Großmeister – das hätte eine Lücke in den Orden gerissen, die nicht so einfach wieder zu schließen gewesen wäre. Zwei Mynocks mit einem Streich wären es gewesen, wenn dieser Anschlag geglückt wäre. Doch andererseits hatte Vir das sehr vage Gefühl, froh über den Misserfolg zu sein. Es war wie ein besänftigendes Hauchen der Macht, als wollte sie ihm sagen, dass diese Wendung später einmal einen gewichtigen Sinn ergeben würde. Eine Berührung in der Macht riss Vir aus seinen Grübeleien. Gier und Wolllust durchfluteten seinen Geist, drückten und rieben und fühlten sich für Vir beinahe noch widerwärtiger an als ihre körperlichen Pendants. Obwohl es ihn abstieß, auf diese Weise berührt zu werden, ließ er es über sicht ergehen. Wenige Minuten später verschwand die Berührung wieder und Vir hatte seinen Geist wieder für sich. Er stand auf, um ein zweites Mal zu duschen, auch wenn er wusste, dass es nicht helfen würde. Das tat es nie… Stirn runzelnd saß Allana im Schneidersitz auf einer Matte im Meditationsraum und versuchte, zu ihrer Ruhe zurück zu finden. Seit einigen Tagen wurde sie immer wieder von einer Art Kribbeln heimgesucht und sie hatte sehr früh erkannt, dass es von ihrer Verbindung mit Ben – ihrem Mentor – herrührte. Er schwebte immer wieder in Gefahr. Es wurde nie kritisch, er hatte es immer unter Kontrolle, auch das spürte sie. Dennoch wurde sie allmählich unruhig. Als sich die Tür lautlos öffnete, blickte Allana ertappt auf. Sie hätte sich denken können, dass einer der Meister irgendwann auftauchen würde, um sie zu ermahnen. Sie hätte lieber mit ihren Großeltern oder mit Meister Luke darüber gesprochen, aber sie waren bereits wieder abgereist. Zum Abschied hatte Meister Luke zu ihr gesagt, Ben wisse, was er tue, und Opa Han hatte einen Spruch über Skywalker-Zähigkeit und Jedi-Kram vom Stapel gelassen. Jetzt war es Meisterin Sebatyne, die sich verblüffend lautlos neben Allana nieder ließ. Respektvoll neigte die Schülerin den Kopf, ließ sich jedoch weder von Sabas wuchtigem Äußeren noch von ihrem legendären Ruf einschüchtern. Allana spürte, dass sie sich mit dieser Haltung die Anerkennung der Barabel verdient hatte, aber sie ließ sich davon nicht irreleiten. Sie war eine Jedischülerin und jetzt erwartete sie eine Lehrstunde. „Dieze hier kennt deine Sorgen auz eigener Erfahrung. Dieze hier hat gespürt, alz ihre Meizterin von einem Voxyn gejagt wurde.“ Allana senkte in stummer Anteilnahme den Blick. Meisterin Elysia war lange Zeit vor ihrer Geburt im Yuzzhan Vong Krieg gefallen, aber Allana hatte ihren Werdegang genau wie den vieler anderer Jedi in der Bibliothek studiert. Nach einem kurzen Schweigen fuhr die Meisterin fort: „Dieze hier fragte sich allerdingz, warum du dich davon lähmen läzt.“ „Aber ich muss doch hier bleiben, bis Mutter mich abholen lässt“, erklärte Allana mit einem verwirrten Stirnrunzeln. „Ich kann nicht einfach nach Kessel fliegen, um Ben zu helfen. Wahrscheinlich wäre ich nicht einmal eine große Hilfe, sondern eher eine Behinderung.“ Mit ihren schlitzartigen Nüstern schnaubte Meisterin Sebatyne leise. „Und dezhalb vernachlässigst du deine Ausbildung und sitzt hier tatenloz herum?“ Trotzig schob Allana das Kinn vor. „Ich versuche zu meditieren.“ „Man verzucht nicht, zu meditieren, man tut ez einfach. Oder hazt du die Lektionen deinez Mentorz vergessen?“ Allana wollte protestieren, hielt jedoch inne. Die erste Regel beim Meditieren war, alles loszulassen, aber genau das hatte sie nicht getan, sondern stattdessen immer an Ben gedacht. „Ihr habt Recht, Meisterin Sebatyne“, seufzte sie schuldbewusst und senkte den Blick. Die Barabel zischelte zufrieden und erhob sich. „Dann kannst du mit diezer hier mitkommen. Lichtschwerttraining wird dir gut tun.“ Allana erhob sich nur langsam, zögerte. Meisterin Sebatyne spürte das und drehte sich zu ihr um. „Ben wird es doch schaffen, oder?“, fragte sie unsicher. Das Barabel-Äquivalent eines Lächelns huschte über die Züge der Meisterin. „Ben Skywalker wird schon allein auz einem ganz bestimmten Grund nicht sterben.“ Sie setzte sich wieder in Bewegung und blieb erst an der Tür des Meditationsraums stehen. „Weil er deine Auzbildung noch nicht abgeschlossen hat.“ Diese Behauptung war so schlicht und klang im ersten Moment völlig naiv, war ihr lag eine so weitreichende Wahrheit zugrunde, dass sie Allana mit warmer Gewissheit erfüllte. Und ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie der Barabel folgte. Kapitel 8: ----------- Zufrieden ließ Ben sich im Sitz seines imperialen TIE-Jägers zurückfallen, der ihm dieses Mal zur Verfügung gestellt worden war. Die heutige Übung einer gemischten Kampfstaffel war sehr viel versprechend verlaufen. Das Team wuchs allmählich zusammen. In den taktische Besprechungen mit den drei Generälen hatte Ben nach Testflügen mit allen sechs Elite-Staffeln die Idee auf den Tisch gebracht, eine zusätzliche Staffel auf die Beine zu stellen, die sich zu gleichen Teilen aus Piloten aller drei Parteien zusammensetzte. Obwohl er es erst nicht darauf angelegt und nachdrücklich betont hatte, dass er wenig Erfahrungen im Staffelflug hatte, war er zum Staffelführer ernannt worden. Damit hatte er die Pflicht, sich seine Piloten aus den anderen Staffeln und aus den Reservisten auszusuchen. Das allein war schwer genug gewesen, aber dann auch noch einen eigenen Flügelmann zu bestimmen, hatte Ben beinahe überfordert. Nach unzähligen Testflügen hatte er sich schließlich für Darran Darklighter entschieden. Es gab durchaus einige Piloten, die es mit dem Kommandanten aufnehmen konnten, aber Darran konnte sich am besten anpassen und hatte eine Art Instinkt dafür, mit einem überlegenen Piloten mithalten zu können, ohne sich zu übernehmen. Die meisten Piloten hatten zu krampfhaft versucht, mit Ben mit zu halten, einfach um zu beweisen, dass ein Jedi ihnen nicht überlegen war. Darran jedoch gab einfach nur sein Bestes – womit er immerhin einer der besten Piloten aller Staffeln war – und vertraute sich Bens Führung an, dachte aber immer noch scharfsinnig mit. Seine Erfahrungen als Führer der Renegaten waren obendrein sehr wertvoll für Ben. Zuletzt hatte Ben sich für einen Staffelnamen entscheiden sollen, weil das die Moral stärke. Das hatte ihm beinahe noch mehr Kopfzerbrechen bereitet als die Auswahl der Piloten. Tahiri und Lando hatten viele Vorschläge angebracht und sogar R2-D2 hatte den einen oder anderen Vorschlag auf Bens Display geschickt. Letztendlich hatte Ben sich für Gipfelschilde entschieden, was von allen wohlwollend angenommen worden war. Während all der Arbeit rund um die Gipfelschilde hatte Ben sich auch um die planetare Verteidigung und um das Überwachsungssystem kümmern müssen. Zwar hatten er und Tahiri keine leitenden Funktionen dabei, aber in der Anfangszeit hatten die Generäle sie bei allen gemeinsamen Absprachen immer als Vermittler dabei haben wollen, solange das Misstrauen noch so groß gewesen war. Mittlerweile wurden sie jedoch vor allem in ihrer beratenden Funktion zu den Treffen gebeten. Allmählich fassten die drei Parteien Vertrauen zueinander und auch zu den Jedi. Das ließ Ben auf einen Erfolg des Gipfeltreffens in einem Standardmonat hoffen. In all der Zeit hatte es mehrere Versuche der Sith gegeben, das wachsende Vertrauen zwischen den Soldaten der drei Parteien zu stören. Es hatte zwei weitere Attentatsversuche auf Ben und sogar eines auf Lando gegeben. Bei letzterem war es Ben und Tahiri gelungen, den Sith zu stellen, aber er hatte sich selbst mit einem sofort wirkenden Gift getötet, bevor sie ihn hatten gefangen nehmen können. Das war gestern gewesen und obwohl es seitdem ruhig geblieben war, war Ben sich sicher, dass sich noch weitere Sith auf Kessel befanden. Ein Knacken seines Komlinks riss Ben aus seinen Gedanken, dann meldete sich Darran auf einer privaten Frequenz: „Ganz ehrlich, ich hatte am Anfang nicht geglaubt, dass das etwas mit dieser Staffel werden kann.“ Ben grinste. „Ich weiß.“ Ein amüsiertes Schnauben, das nach „Jedi“ klang, ließ das Komlink wieder knacken. „Alle waren skeptisch, aber das war nicht verwunderlich.“ „Wahrscheinlich gab es sogar Wetten deswegen und ein paar Optimisten sind jetzt reich.“ „Da kannst du mal sehen, wozu Optimismus gut ist“, gluckste Ben. „Gehört das zur Jedi-Philosophie, immer optimistisch zu sein?“ „Wir sind eher idealistisch“, erklärte Ben. „Mein Vater sagt immer, dass man ohne Idealismus nichts Rechtes erreichen kann. Ich habe das immer nicht richtig verstanden, aber jetzt ergibt es Sinn“, murmelte Darran nachdenklich. Ben lächelte versonnen. Anfangs hatte er geglaubt, diese Mission würde einfach nur anstrengend werden, aber er musste sich eingestehen, dass sie eine wertvolle Erfahrung für ihn war. Er hatte sich den Respekt der Militärs hier erarbeitet, hatte den Wert der Jedi bewiesen und obendrein auch wirklich etwas für den Frieden bewirkt. In ganz Kessada sah er nun immer wieder Soldaten der unterschiedlichen Parteien, die kameradschaftlich miteinander umgingen. Und obendrein er hatte in Darran einen guten Freund gefunden. Bei diesem Gedanken stockte Ben. Für ihn war Darran ein Freund, ja, aber bei Tahiri sahen die Dinge anders aus, Zwischen Darran und Tahiri herrschte eine eigentümliche Spannung. Wenn es sich nicht mehr vermeiden ließ, dass sie sich in einem Raum aufhielten, spürte Ben jedes Mal, wie schwer Tahiri es hatte, ihre aufgewühlten Gefühle im Zaum zu behalten, während Darran eine eigenartige Mischung von Gefühlen ausstrahlte, die Ben bisher nie so recht hatte deuten können. Zuerst hatte Ben sich nicht einmischen wollen, weil das eine sehr private Angelegenheit war, aber mittlerweile macht er sich große Sorgen um Tahiri, bei der sich der Gefühlssturm nicht beruhigte, sondern eher immer weiter verschlimmerte. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, etwas zu unternehmen. Immerhin gehörte Tahiri zur Familie! Ben kontrollierte nochmals, dass sein Komlink auch wirklich auf eine private Frequenz eingestellt war, dann holte er tief Luft. „Darran, was ist mit dir und Tahiri?“ Während sie durch die Straßen von Kessada ging, fühlte Tahiri sich rastlos, regelrecht gehetzt, ihre Gedanken wild umher springend, ihr Körper unangenehm steif, ihre Hände immer wieder heimlich zu Fäusten geballt. Was hatte ihr alter Meister sich bloß dabei gedacht, sie hierher zu schicken? Es war wichtig für sie? So fühlte es sich nicht an. Im Gegenteil: Es war noch viel schlimmer als damals, als sie immer wieder mit Jacen flussgewandelt war, um ihre letzten Momente mit Anakin wieder zu erleben… Seufzend blieb Tahiri kurz stehen und strich sich durch die Haare, um sich zur Ordnung zu rufen. Sie musste sich darauf konzentrieren, die planetaren Verteidigungsanlagen zu inspizieren! Das war ihre Aufgabe, während Ben seinen Testflug mit den Gipfelschilden absolvierte! Tahiri zwang sich, ihre Gefühle auszublenden, und machte sich daran, die einzelnen Stationen für die Turbolasergeschütze und für die Schildgeneratoren zu besuchen, die zuverlässig von gemischten Teams aller drei Parteien bewacht und gewartet wurden. Allmählich nahm hier alles Gestalt an. Bens Führungsgeschick hatte unglaubliches vollbracht und nachdem die anfänglichen Feindseligkeiten beigelegt worden waren, waren die vereinten Erfahrungsschätze der drei Generäle von nahezu unermesslichem Wert gewesen. Als sie ihren Rundgang abgeschlossen hatte, begab Tahiri sich zur Jadeschatten, um mit dem Jedi-Rat Verbindung aufzunehmen und ihn auf den aktuellen Stand zu bringen. Es waren jetzt nur noch vier Standardwochen bis zum Gipfeltreffen und die Vorbereitungen lagen gut in der Zeit. Noch bevor die Türen zum Hangar ganz geöffnet waren, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Das Kribbeln von Gefahr kroch regelrecht durch die Macht. Tahiri nahm ihr Lichtschwert vom Gürtel und betrat langsam den Hangar. Lange Zeit herrschte Schweigen. So lange, dass Ben schon gar nicht mehr glaubte, eine Antwort zu erhalten. Als Darran schließlich doch sprach, klang seine Stimme belegt. „Ich kann nicht für Tahiri sprechen, aber… ich bin schon seit fast dreißig Jahren in sie verliebt.“ Verblüfft starrte Ben durch sein Cockpitfenster zu Darrans X-Flügler hinüber. Der Sternenjäger war zu weit entfernt, als dass Ben etwas erkennen konnte, aber für einige Sekunden fehlten ihm einfach die Worte. In einem Versuch, sich zu fassen und etwas Konstruktives beizusteuern, räusperte Ben sich. „Aber ihr habt einander doch erst hier auf Kessel kennen gelernt, oder?“ „Ich war damals dabei, als Tahiri und die Anderen von der Myrkr-Mission zu Jedi-Rittern ernannt wurden“, antwortete Darran langsam. Seine Stimme klang sehr nachdenklich, beinahe schon schmerzerfüllt. „Ich war ein junger Bursche, noch nicht ganz alt genug, um mich als Kadett an der Kampfpilotenschule zu bewerben, die es damals de facto sowieso nicht mehr gab. Vater hat Mutter und uns Kinder nach Mon Calamari geschickt, damit wir vor den Yuzzhan Vong sicher waren... Was dein Vater damals zu Tahiri gesagt hat, als ihr die Robe angelegt wurde, weiß ich nicht, aber ihr Blick hat mich damals tief berührt. Obwohl ich damals schon alt genug war, um zu begreifen, wie schlecht es um die Neue Republik stand, bin ich erst in dem Moment erwachsen geworden, als ich die Trauer in Tahiris Blick gesehen habe, einem halben Kind, deutlich jünger als ich… Aber es hat mich noch mal Jahre gekostet, bis ich begriffen habe, dass ich mich damals auch in Tahiri verliebt habe.“ Betreten blickte Ben auf seine Statusanzeigen, ohne sie wirklich zu sehen. Er mochte Darran sehr, aber er hatte das Gefühl, ihn im Stich lassen zu müssen. Auch nach all der Zeit liebte Tahiri Anakin. Sie hatte gelernt, mit ihrer Trauer zu leben. Sie war in den Kreis der Solos aufgenommen worden und sie hatte zu den Jedi zurück gefunden. Aber Darrans Gefühle erwidern…? Ben fühlte sich seit langer Zeit wieder zu jung, um sich in eine Situation hinein versetzen zu können. „Schon gut, Ben, ich weiß, dass sie immer noch deinen Cousin liebt“, fuhr Darran fort, als hätte er Bens Gedanken gelesen. „Ich habe ihren Werdegang seit damals immer verfolgt, aber ich habe mir nie Hoffnungen gemacht. Ich war sogar mal verlobt, weil ich glaubte, mich mit einem Leben ohne Tahiri abgefunden zu haben, aber letztendlich musste ich mir meine Gefühle selbst eingestehen.“ Noch immer schwieg Ben. Allmählich begriff er, wieso es für Tahiri so schwer war, sich mit Darran in einem Raum aufzuhalten. Zwar hatte er sich gut unter Kontrolle, aber auf einer Ebene, für die vielleicht nur Tahiri empfänglich war, schienen seine Gefühle doch zu ihr durch zu sickern. „Ben, es geht Tahiri jetzt gut, oder? Sie ist wieder bei den Jedi und etwas in den letzten Jahren hat auch ihren Blick verändert. Sie lebt wieder und darüber freue ich mich. Sie als Jedi und ich als Kampfjägerpilot der GA, das würde ohnehin nicht funktionieren. Das ist okay, ich komme damit zurecht. Ich möchte dich nur bitten, dich weiterhin um sie zu kümmern. Dir vertraut sie, also solltest du dich immer für ihr Wohl entscheiden und mich außen vor lassen.“ Missmutig verzog Ben das Gesicht. Er war sich nicht so sicher, ob es tatsächlich zu Tahiris Wohl war, sich vor Darrans Gefühlen zu verschließen. Irgendwie musste sie sich damit auseinandersetzen – insbesondere, da es sie doch so stark zu berühren schien –, aber Ben hatte keine Ahnung, wie er ihr dabei helfen konnte. „Das alles ist…“ „Verrückt? Bescheuert? Hirnverbrannt?“, schlug Darran gequält vor. „Kompliziert“, erwiderte Ben vorsichtig. „Ganz der diplomatische Jedi“, murmelte Darran, was Ben ein schwaches Grinsen entlockte. Mittlerweile hatten sie zum Landeanflug angesetzt. Mit gewohnter Geschicklichkeit und Akkuratesse landeten sie auf ihren zugewiesenen Plätzen im Hangar. Nach dem Landecheck sprang Ben aus dem Cockpit und überließ den TIE-Jäger der Wartungsmannschaft. In seinem Nacken kribbelte es, aber als er seine Machtsinne vorsichtig ausstreckte, konnte er nichts Auffälliges bemerken. Das trug nicht unbedingt zu seiner guten Laune bei, denn in den letzten Wochen hatte er andauernd das Gefühl, beobachtet zu werden – und damit waren nicht die Hapanerinnen gemeint. Er wusste nicht, wie er die Signale in der Macht deuten sollte. War das ein Anzeichen von Gefahr? Doch warum so undeutlich? Ben nahm seinen Helm ab, ohne eine Miene zu verziehen und gesellte sich zu den Piloten seiner Staffel, um mit ihnen die heutigen Übungen zu evaluieren. Gerade als er zu sprechen beginnen wollte, traf ihn der Impuls in der Macht wie ein kräftiger Schlag in die Magengrube… Ungläubig blickte Tahiri an ihrer Seite hinunter. Zwischen zwei Rippen sickerte das Blut durch ihre Tunika. Der gläserne Dolch eines Sith steckte dort und stach in ihre Lunge, der Griff abgebrochen, um jeden Versuch, die Waffe zu entfernen, ungleich komplizierter zu machen, wenn nicht gar unmöglich. Tahiri konnte es deutlich spüren, wie die Glasspitze bei jedem ihrer Atemzüge tiefer in die Lunge stach. Warum bloß hatte sie nicht besser aufgepasst? Wenn sie die Gefahr früher bemerkt hätte, hätte die Sith sie nicht überraschen können! Tahiri biss sich auf die Unterlippe, während sie versuchte, nur noch flache Atemzüge zu machen. Wenn sie die Klinge mit der Macht heraus zog, musste sie danach sofort das Loch in der Lunge geschlossen halten und die Blutung stoppen und Hilfe rufen. Das wäre vielleicht noch machbar, aber hinter ihr stand die Besitzerin des Dolches und war wild entschlossen, ihr Werk zu vollenden. Sie holte mit einem scharlachroten Lichtschwert zum tödlichen Schlag auf Tahiris Kopf aus. In letzter Sekunde ließ Tahiri sich nach vorne in eine Rolle fallen und entging dem Hieb, doch die Bewegung trieb den Dolch noch tiefer in ihre Lunge und drückte ihn gleichzeitig qualvoll gegen ihre Rippenbögen. Um Ruhe bemüht, griff Tahiri nach der Macht, um die Blutung zu stoppen und den Schmerz auszublenden, solange sie sich auf den Kampf konzentrieren musste. Mit dem eisblauen Lichtschwert in der Hand wirbelte sie aus der Rollenbewegung heraus herum, um sich der Sith zu stellen, die sich als Kommunikationsoffizierin der hapanischen Flotte verkleidet hatte. In den Augen der Frau loderte die Mordlust. Die ersten Anzeichen waren minimal, wären sogar Darran beinahe entgangen. Es war nur ein winziges Zucken, doch gerade so noch wahrnehmbar – wenn auch nur, weil Darran genau im richtigen Moment den Blick hob. Und dann trat für Sekundenbruchteile ein panischer Ausdruck in Bens Augen, ehe der junge Mann sich ohne eine Erklärung in Bewegung setzte. Darran musste nicht einmal darüber nachdenken, er ließ die anderen zutiefst verwirrten Piloten stehen und folgte dem Jedi. Im Laufen tastete er erst nach seinem Blaster und dann nach seinem Komlink. Ben wurde immer schneller – wahrscheinlich setzte er die Macht ein –, aber Darran begriff schon nach wenigen Minuten, welches Bens Ziel war: Ein privater Hangar von Calrissian. Bisher hatte Darran sich nicht hier aufgehalten, aber er wusste, dass hier auch die Jadeschatten stand, Bens Raumyacht. Schnaufend hielt er vor der automatischen Tür von Hangar Alpha-38 und drückte auf den Öffner. Sofort hörte er das Zischen aktivierter Lichtschwerter. Dann sah er Ben und eine Frau in hapanischer Uniform, deren schöne Gesichtszüge sich vor Wut verzerrten, beide mit den berühmten Waffen der Sith und der Jedi in den Händen. Hinter Ben stand Tahiri, das Lichtschwert noch in der Hand, aber die Haltung schwer gebeugt und eine Hand auf die Seite gepresst, die Finger bereits nass von Blut. Die angebliche Hapanerin stürzte sich auf Ben und deckte ihn mit einem Hagel mächtiger Hiebe ein. Ben parierte jeden einzelnen, ohne zurück zu weichen. Dann setzte er zum Gegenangriff an und trieb seine Gegnerin von Tahiri fort. Darran versuchte gar nicht erst, irgendwie in das Geschehen einzugreifen, sondern eilte an Tahiris Seite. Gerade noch rechtzeitig erreichte er sie, bevor sie in seine Arme fiel. Das eisblaue Lichtschwert fiel ihr aus der Hand. Einer Eingebung folgend griff Darran danach und warf es in Bens Richtung. Der Jedi sah sich nicht einmal um, griff blind und doch mit absoluter Präzision nach der Klinge und griff die Sith damit dann noch energischer an. Im Vertrauen auf Bens Fähigkeiten richtete Darran sine volle Aufmerksamkeit auf Tahiri. Ihre Augen trübten sich immer mehr vor Schmerz, ihr Körper krümmte sich, dann hustete sie Blut. „Halte durch“, krächzte Darran von kalter Furcht erfüllt und legte eine Hand an Tahiris Wange, während er mit der anderen sein Komlink aktivierte, um ein Sicherheitsteam und Sanitäter anzufordern. Es fiel ihm schwer, seine Stimme dabei ruhig zu halten. Kaum dass er eine Bestätigung erhalten hatte, legte er sein Komlink beiseite und nahm Tahiris bleiches Gesicht in beide Hände. „Kämpfe!“, beschwor er sie. „Lebe!“ Ihre Lider flatterten und Darrans Herz krampfte sich zusammen, dann trat wieder Klarheit in ihre grünen Augen. „Hilf… mir“, würgte sie und schloss die Augen wieder, die Stirn vor Anstrengung gefurcht. Darran verstand sie zuerst nicht, doch dann bemerkte er, wie sich etwas an Tahiris Seite bewegte. Eine gläserne Klinge schob sich langsam aus der Wunde – Tahiri bediente sich offensichtlich der Macht, um den Fremdkörper vorsichtig heraus zu ziehen. Hektisch zog Darran das kleine Notfallmedipack aus der Innentasche seines Pilotenoveralls und legte eine Tube mit blutstillendem Gel und mehrere Bacta-Pflaster bereit. Kaum dass die Sith-Klinge endgültig heraus war, versorgte er die Wunde, wie er es in der Grundausbildung gelernt hatte. Als er seine Aufmerksamkeit wieder auf Tahiris Gesicht richtete, wirkten ihre Züge vollkommen friedlich und er wurde von einer grauenhaften Angst erfasst. „Keine Sorge, sie befindet sich in einer Heiltrance.“ Darran blickte über seine Schulter zu Ben auf, der die Lichtschwerter deaktiviert hatte. Als Darran versuchte, nach der Sith zu sehen, schüttelte der junge Mann den Kopf. „Als klar war, dass sie verlieren würde, hat sie sich selbst das Lichtschwert ins Herz gestoßen, um der Gefangenschaft zu entgehen.“ Verstehend nickte Darran und blickte wieder auf Tahiri herab. „Wird sie es schaffen?“ „Dank deiner schnellen Maßnahmen stehen die Chancen gut.“ Bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte, erschien eine Gruppe Sicherheitsleute, angeführt von Lando Calrissian und drei YVH-Droiden. „Die Sith ist bereits tot“, erklärte Darran und stand auf, die Schultern wieder gestrafft, der Tonfall militärisch. „Wo sind die angeforderten Sanitäter?“ Ein Sullustaner mit Majorsabzeichen und Sanitäterbinde am Arm drängte sich in Begleitung eines menschlichen Korporals und eines Medi-Droiden an den anderen Soldaten vorbei. Sofort kümmerten sie sich um Tahiri, sicherten Darrans Provisorium und luden die Jedi schließlich auf die im Medi-Droiden integrierte, ausfahrbare Repulsortrage. Ben blickte ihnen kurz nach, dann drehte er sich um und ging zur Jadeschatten. „Ich muss den Jedi-Rat informieren und danach Onkel Han und Tante Leia. Sie werden gespürt haben, dass Tahiri in Gefahr ist. Lando, kannst du Erzwo entbehren? Ich will, dass er bei der Schatten einen Rundumcheck macht, um sicher zu gehen, dass die Sith nichts sabotiert hat.“ „Ich sage meinen Technikern Bescheid, dass sie erst einmal ohne Erzwo auskommen müssen“, sagte Lando bereitwillig. Darran wandte sich an einen der Sicherheitsmänner. Er konnte Ben nicht zur Hand gehen, wollte aber auch nicht untätig bleiben, solange Tahiri bewusstlos war, also suchte er sich eine naheliegende Aufgabe – wortwörtlich – und veranlasste, dass die Leiche der Sith in ein Labor gebracht und ihre Identität überprüft wurde. Wenn man herausfand, wo und wie sie sich bei den Hapanern eingeschleust hatte, wurde es vielleicht einfacher, die Sith zu entlarven. Danach wandte Darran sich an Calrissian: „Wir müssen das Oberkommando informieren.“ Der Geschäftsmann nickte knapp, trug eine beherrschte Miene zur Schau, aber Darran war sich sicher, dass auch Calrissian besorgt war. Immerhin war Tahiri so etwas wie die Adoptivtochter seiner langjährigen Freunde. Darran drückte die Schultern noch ein wenig mehr durch und versuchte, seine Angst um Tahiri in den hintersten Winkel seiner Gedanken zu verbannen. Dennoch hatte er bei jedem Schritt das Gefühl, als würde eine Wunde in seiner Brust schmerzhaft pochen. Kapitel 9: ----------- Leias Hand zitterte, als sie das Komlink des Millenium Falken deaktivierte. Han neben ihr atmete hörbar ein und aus. Der Schock lag noch in der Luft, lähmte sie Beide. Wie um zwanzig Jahre zurückversetzt hatte Leia sich gefühlt, als sie zwischen ihren Rippen einen grauenhaften Schmerz gespürt hatte, der nicht der ihre war. Han hatte das Entsetzen in ihren Augen sofort erkannt und war aschfahl im Gesicht geworden. „Wer?“, hatte er mühsam gekrächzt. Leia war an Tahiris Namen beinahe erstickt, hatte ihn nur mit äußerster Mühe hervor würgen können. Nur langsam löste sich jetzt die Starre, in die sie Beide verfallen waren. Schon vor Jahren hatten sie Tahiri in die Familie aufgenommen, hatten in ihr eine weitere wunderbare Tochter gesehen, aber erst in dem Moment, da Leia Tahiris Verletzung gespürt hatte, war ihnen richtig bewusst geworden, wie sehr sie die Freundin ihres verstorbenen Sohnes liebten. Die Angst vor ihrem Verlust war genauso schmerzhaft gewesen wie damals, als Leia Anakins Verletzung gespürt hatte, welcher er letztendlich erlegen war. Han war bereits drauf und dran gewesen, einen direkten Hyperraumsprung nach Kessel einzugeben – die schrillenden Warnungen des Navigationscomputers hatte er einfach ignoriert –, als Ben sich via Komlink gemeldet hatte. Jetzt wussten sie, was geschehen war. Tahiri war schwer verletzt, aber sie hatte sofort Hilfe erhalten. Es war nicht so wie damals auf Myrkr, als Anakin sich trotz seiner schweren Verletzung weiter gequält hatte. Tahiri war in Sicherheit. Ben und Lando würden dafür sorgen, dass ihr bis zu ihrer Genesung kein Sith zu nahe kam. Han ließ ein Knurren hören und gab neue Berechnungen in den Navigationscomputer ein. Leia musste gar nicht nachfragen, was er vorhatte, sie wollte dasselbe, er war ihr nur zuvorgekommen. Wortlos blickte sie in den Weltraum hinaus. Auf sicheren Hyperraumrouten würden sie vier Tage nach Kessel brauchen. Dann konnten sie auch nichts mehr ausrichten. Dennoch wollte Leia unbedingt zu Tahiri. Durch die Macht konnte sie spüren, dass die junge Frau lebte und in Sicherheit war, aber sie wollte es mit eigenen Augen sehen… R2-D2s Trillern riss Ben aus seinen Gedanken. Der Astromechdroide rollte ins Cockpit und gab noch eine Reihe von Pfeiflauten von sich. Keine äußeren Anzeichen für Manipulationen, weder an der Jadeschatten noch an Bens Stealth-X-Flügler. Die Systeme des Kampfjägers waren ebenfalls in Ordnung. Die Sith war wohl nicht dazu gekommen, hier Schaden anzurichten. Ben sollte jedoch auf Nummer sicher gehen und die Jadeschatten in einen anderen Hangar bringen. „Danke, Erzwo“, seufzte Ben müde und aktivierte sein Komlink auf einer privaten Frequenz. „Lando, hier ist alles in Ordnung, schick’ mir bitte die Koordinaten für einen anderen Hangar. Am besten gleich einen größeren. Der Rat schickt Verstärkung.“ Wenn er ehrlich war, war er froh darüber. Mit den Militärs kam er klar, aber die Sith besaßen unvorhergesehene Stärken. Die Sith war in der Lage gewesen, sich in der Macht unsichtbar zu machen. Ben hatte das schon vor Jahren gelernt und auch anderen Jedi beigebracht, aber es mit Gegnern zu tun zu bekommen, die sich diese Fähigkeit ebenfalls angeeignet hatten, hätte er nicht erwartet. Jacen hatte es ihm gelehrt und Ben hatte immer angenommen, dass es ein relativ unbekannter Trick war, der von einem der versteckt lebenden Völker stammte, die Jacen damals auf seinen Reisen besucht hatte, um die Macht zu ergründen. Nach dem ersten Anschlag auf Ben war es zu erwarten gewesen, dass die Sith-Kollaborateure es vor allem auf Ben und Tahiri abgesehen haben würden, dennoch war es für Ben ein Schock gewesen, als er Tahiris Verletzung gespürt hatte. Dieser Vorfall hatte ihm klar gemacht, dass sie es zu zweit zwar geschafft hatten, sich den Respekt der vereinigten Streitkräfte zu erarbeiten, aber mit der unbekannten Anzahl an versteckten Sith auf Kessel nicht gefahrlos zurecht kamen. „Ich übermittle dir die Koordinaten und die Codes. Wann ist mit der Ankunft der Verstärkung zu rechnen?“ „Wahrscheinlich morgen. Der Rat will Jedi-Ritter von Ossus schicken“, erklärte Ben. „Je mehr Jedi, desto besser“, erwiderte Lando und unterbrach die Verbindung. Auf Bens Display erschienen die versprochenen Daten und das Hangartor öffnete sich. Nach nicht einmal zehn Minuten verließ Ben mit R2-D2 die Jadeschatten im neuen Hangar und machte sich auf den Weg zur Medi-Station, um nach Tahiri zu sehen, während sein Astromechdroide sich auf dem Weg zurück zum Quartier machte. Im Eingangsbereich der Medi-Station stieß er beinahe mit einem Mechaniker der Renegaten zusammen, Vir Loth. Der junge Mann hielt sich eine verbundene Hand und wirkte sehr zerstreut. Eilig trat er beiseite, um Ben Platz zu machen. Dennoch blieb Ben stehen und musterte den Gleichaltrigen aufmerksam. „Nichts Ernstes, hoffe ich?“ „Ein Schweißbrenner hat sich überhitzt. Wird schon wieder“, erwiderte Loth knapp und mied dabei Bens Blick. Ben kannte diese Zurückhaltung bereits. Vir Loth war ein äußerst talentierter Mechaniker, gehörte aber eher zum ungeselligen Menschenschlag. Nach allem, was Ben über ihn von Darran erfahren hatte, nahm er keinen Anstoß daran. Wer wusste, was er in den Jahren in der Unterstadt von Coruscant alles erlebt hatte, dass ihm Geselligkeit so viel Unbehagen bereitete. Die bodennahen Ebenen dort waren schon lange vor der Invasion der Yuuzhan Vong vor zwanzig Jahren kein wirklich sicherer Ort gewesen. „Passen Sie gut auf sich auf“, ermunterte Ben daher freundlich. „So talentierte Mechaniker wie Sie gibt es nur selten. Die Galaktische Allianz braucht Sie noch. Ganz zu schweigen von den Gipfelschilden.“ Aus irgendeinem Grund zuckte Loths Gesicht für einen winzigen Moment. Zu kurz, als dass Ben es hätte deuten können. Für einen Moment erwog Ben, dem nachzuforschen, aber seine Instinkte schrillten keinen Alarm, also verwarf er den Gedanken schließlich, nickte dem Mechaniker nochmals zu und ging weiter. Vor Tahiris Zimmer fand er Lando im Gespräch mit einem Mon Cal Arzt. „… wird zwei oder drei Tage im Bacta-Tank bleiben müssen“, erklärte der Arzt gerade und verdrehte eines seiner großen Augen in Bens Richtung, als dieser sich näherte. „Ist mit Folgeschäden zu rechnen?“, fragte Lando und drehte sich halb, um Ben mit einem Nicken zu begrüßen. „nicht mit dauerhaften, aber sie wird wohl eine Zeit lang Atemprobleme haben. Ich bin kein Fachmann für die Wirksamkeit der Jedi-Heiltrance, aber ich würde für zwei bis drei Wochen mit stärkeren Einschränkungen rechnen. Bei einem normalen Menschen in dem Alter würde ich davon ausgehen, dass er erst nach zwei Standardmonaten vollends genesen ist.“ Respektvoll nickte Ben dem Mon Cal zu. „Ich bin kein Heiler, deshalb kann ich nicht sagen, wie gut die Heiltrance in diesem Fall die Genesung beschleunigen kann. Morgen wird Tekli hier ankommen, eine unserer besten Heiler. Sie wird Tahiri vielleicht bei der Heiltrance unterstützen können.“ „Eine Schülerin der berühmten Jedi-Heilmeisterin Cilghal wird mir sehr willkommen sein“, erklärte der Arzt beinahe ehrerbietig, deutete eine Verbeugung an und zog sich dann zurück. Ben und Lando traten in den Raum, der von einem großen Bacta-Tank beherrscht wurde. Es gab mittlerweile unzählige hochmoderne Versionen des Bacta-Tanks, die auf die einzelnen Lebensformen spezialisiert waren. Dieser hier war für verschiedene Spezies konstruiert worden, wohl weil Lando unter seinen Angestellten auf Kessel auch so viele verschiedene Spezies hatte. Hier hätte sogar ein Barabel oder ein Wookie bequem Platz gehabt. In diesem riesenhaften Tank wirkte Tahiri noch zierlicher als ohnehin schon. Sie schwebte beinahe frei in der durchsichtigen Flüssigkeit, nur gehalten von einem gepolsterten Gurt, damit sie nicht immer wieder gegen die Wände des Tanks stieß. Die blonden Haare hatten sich aus dem strengen Knoten gelöst, welchen sie tagsüber trug, und bildeten einen Kranz um ihr schmales Gesicht, dessen Züge vollkommen glatt waren, erfüllt von der ruhigen Konzentration der Heiltrance. „Das war wirklich knapp“, murmelte Lando gedämpft. „Wenn du noch mit den Schilden unterwegs gewesen wärst, wärst du vielleicht nicht rechtzeitig bei ihr gewesen…“ „Wir haben Glück gehabt“, stimmte Ben leise zu. „Zum Glück ist Darran mir gleich gefolgt und hat Erste Hilfe geleistet… Jetzt hängt es an Tahiri, wie lange sie in diesem Ding bleiben muss.“ „Sie ist ein starkes Mädchen, hat ein bisschen was von Hans Dickkopf“, schmunzelte Lando und legte den Kopf schief. „Ich bin mir nur immer nicht ganz sicher, ob das wirklich ein Macht-Ding mit dem Durchhaltevermögen ist oder ob einfach alle Solos und Skywalkers die Zähigkeit in den Genen haben.“ Ben lächelte matt. „Ich denke, es ist von Beidem etwas.“ Jetzt musste Lando grinsen. „Die Macht ist stark in deiner Familie.“ Beunruhigt ließ Vir sich auf sein Bett fallen und blickte zur schmucklosen Decke hoch. Warum hatte er die Jedi nicht getötet? Er war mit ihr alleine im Raum gewesen. Ein wenig Gift in ihren Bacta-Tank schütten – ein Kinderspiel. Wieso nicht für ihn? Was hatte ihn aufgehalten? Die Mission, die Einigkeit der hiesigen Soldaten zu korrumpieren, war gescheitert, zwei Sith waren bereits dafür gestorben. Es hätte ihrem Tod zumindest irgendeine Art von Sinn gegeben, wenn die Jedi ebenfalls gestorben wäre. Doch als Vir dieses zarte Wesen betrachtet hatte, dessen Schönheit allein von den Yuuzhan Vong Narben verschandelt wurde, hatte ihn etwas gehemmt. Ja, mehr noch, er hatte Schuld verspürt und den Wunsch, sich den Jedi zu offenbaren. Virs Hände zitterten, als er sich durch das Gesicht fuhr. Ihm klopfte das Herz bis zum Hals. Wieso nur? Was war los mit ihm? Er war ein Sith. Er entstammte einer noblen Familie und war der Günstling des Oberlords. Färbte etwa die Schande seiner Familie auf ihn ab? Tief holte Vir Luft und stand auf, um sich in der winzigen Hygieneeinheit das Gesicht zu waschen. Der Gedanke an seine Familienschande beruhigte ihn wieder. Er war ein Sith von Keshir. Er würde dem höheren Ziel dienen und den Jedi eine ihrer Leitfiguren nehmen. Ja, was sollte er sich an einer unbedeutenden Jedi-Ritterin aufhalten? Er würde stattdessen Ben Skywalker töten! Tahiri schwebte in warmer, sicherer Dunkelheit. Sie wusste nicht, wo genau sie war, aber sie hatte Vertrauen in die Macht und in Ben. Sie war in Sicherheit, mehr musste sie nicht wissen, um sich auf ihre Genesung konzentrieren zu können. Sie konnte spüren, wie die Macht sie erfüllte, jede Zelle stärkte, die Wunden Stück für Stück heilte und gleichzeitig Zuversicht entfachte. Mehrmals waren Besucher da. Ärzte. Wahrscheinlich überprüften sie, ob der Bacta-Tank richtig funktionierte und ob Tahiris Werte stabil blieben. Ben und Lando waren immer wieder da, Beide erfüllt von familiärer Zuneigung, Beide entschlossen, Tahiri zu beschützen. Dann war dort ein Fremder mit einer sehr widersprüchlichen Ausstrahlung, die seltsam verschleiert war. Ein Anflug von Gefahr ging von ihm aus, doch die Macht gab Tahiri keine dringende Warnung und schließlich verschwand der Fremde einfach wieder. Dann war Tahiri lange Zeit alleine. Meditierte. Genas. Vertraute. Je länger sie so in der Macht versunken blieb, desto deutlicher spürte sie Facetten in der Macht, die ihr normalerweise verborgen blieben. Zuerst konnte sie es nicht richtig zuordnen, hielt sie sie für schattenhafte Erinnerungen. Irgendwann spürte sie eine starke Berührung, die sie schon seit zwanzig Jahren nicht mehr gespürt hatte: Meister Ikrit. Dann mussten die Anderen ihren Eltern und den Sandleuten gehören, die sie aufgezogen hatten. Und dann war dort etwas, was alles andere übertraf: Anakin… Von dieser Berührung gingen so viel Liebe, Zärtlichkeit und Wertschätzung aus, dass sich Tahiris Tränen mit dem Bacta vermengten. Doch mit der Zeit kam etwas Neues dazu, ein sanftes Drängen, ein wohlmeinender Wunsch, aufrichtige Sorge. Tahiri begriff nicht, nein, wollte vielmehr nicht begreifen. In ihre Trance kehrte Unruhe ein und sie erwachte. Auf einem Stuhl an der Wand des Raumes saß ein großer Mann im Pilotenoverall vornüber gebeugt, die Arme auf den Knien abgestützt, die Hände in den schwarzen Haaren vergraben. Anakins Drängen wurde unerträglich stark. Für einige Schrecksekunden bekam Tahiri keine Luft. Als spürte er, dass sie ihn ansah, hob Kommandant Darklighter den Blick. Für die Dauer mehrerer qualvoller Herzschläge versank Tahiri im tiefen Blau seiner von Sorge und Sehnsucht erfüllten Augen, dann ertrug sie es nicht mehr und wandte den Blick ab, kniff gleichzeitig die Augen zu, um Darrans Anwesenheit auszublenden. „Tahiri…“ Darrans Stimme klang ganz anders als sonst. Irgendwie schwach und unsicher. Als Tahiri die Augen Minuten später wieder öffnete, war Darran verschwunden – aber sie konnte sich nicht erinnern, das Zischen der automatischen Tür gehört zu haben, und bevor sie wieder in ihrer Trance oder vielleicht auch einfach in tiefen Schlaf versank, fragte sie sich, ob das Wirklichkeit oder eine Vision gewesen war… Kapitel 10: ------------ Als Tahiri wieder erwachte, standen vor ihrem Bacta-Tank mehrere bekannte Gestalten. Neben Ben waren dort Tesar Sebatyne, der Barabel-Jedi, Tekli, die kleine Chandra Fan und ehemalige Schülerin von Meisterin Cilghal, und die Horn-Geschwister Valin und Jysella. Der Rat hatte wohl entschieden, Unterstützung nach Kessel zu schicken. Tekli, die Anakin nicht hatte retten können, weil dieser sich geweigert hatte, sich in eine Heiltrance zu begeben. Tesar, der seine ersten Brutgefährtinnen Bela und Krasov auf Myrkr verloren hatte und dennoch unerschütterlich durchs Leben ging. Valin, der Anakin und Tahiri auf Yavin 4 das Leben gerettet hatte… Eine Bitterkeit, wie Tahiri sie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr verspürt hatte, drohte sie zu überwältigen. Sie hätte damals bei Anakin bleiben sollen, an seiner Seite bis zum letzten Atemzug kämpfen sollen, mit ihm zusammen in die Macht übergehen sollen… Tränen brannten in Tahiris Augen. Ihre alten Freunde blickten allesamt wortlos zu ihr auf und ihr wurde klar, dass sie in ihr lesen konnten wie in einem unverschlüsselten Datenblock. Der Gedanke war beinahe unerträglich, aber noch immer versuchte Tahiri, die Tränen zurück zu halten. „Tahiri, ich würde dich gerne noch mal untersuchen“, erklärte Tekli sanft. „Dafür muss ich dich aus dem Bacta-Tank holen. Bist du bereit?“ Außerstande, etwas zu sagen, nickte Tahiri nur. Ben und die anderen Jedi-Ritter verließen den Raum wieder, aber Tahiri konnte ihre Sorgen spüren. Am liebsten hätte sie ihnen hinterher gebrüllt, dass sie sie in Ruhe lassen sollten. Als Antwort darauf erhielt sie von Ben ein sanftes, doch unumstößliches Nein. Tahiri verlor den Kampf gegen die Tränen. Sie kniff die Augen zusammen, um Tekli nicht sehen zu müssen, die sie mit der Macht behutsam aus dem Bacta-Tank hob und auf eine Untersuchungsliege schweben ließ. Mit Machtsinnen, Händen und den hochmodernen Apparaten, die hier zur Verfügung standen, machte Tekli eine vorsichtige Bestandsaufnahme von Tahiris Zustand. Tahiri war der Chandra Fan dankbar, dass sie keinerlei Versuch unternahm, sie zu trösten. „Was ist mit ihr?“, fragte Valin unverblümt, als sie auf dem Flur vor Tahiris Zimmer standen. „Ich dachte, sie hätte die Trauer hinter sich gelassen.“ „Das hat sie nie“, erwiderte Ben, zögerte jedoch, weiter zu sprechen. „Es ist etwas, wobei wir ihr nicht helfen können. Sie muss das mit sich selbst ausmachen.“ Valin sah für einen Moment so aus, als wolle er protestieren, dann besann er sich wohl und nickte ergeben. Seine Schwester legte behutsam eine Hand auf seinen Arm, was er ihr mit einem Lächeln dankte. Seit sie Beide Opfer von Abeloths Illusionen gewesen waren, waren sie vertrauter denn je miteinander. Bei Missionen machte sie das zu einem ausgesprochen verlässlichen Team, weil sie einander so gut ergänzten. Tesar ließ nicht erkennen, was er über Tahiris Zustand dachte. Barabel waren nicht unbedingt für Emotionalität bekannt. Allerdings hatte Ben auch schon einige Anwandlungen von Zärtlichkeit bei Tesar beobachten können, wenn dieser sich um seine Brut gekümmert hatte. Wie groß das Gelege ursprünglich gewesen war, wusste niemand, aber zehn Barabeljunge hatten es damals mit ihren Eltern und den Solos aus dem besetzten Jeditempel auf Coruscant geschafft und hielten seitdem ganz Ossus auf Trab. Zum Leidwesen aller Lehrer ließen sich so einige Jünglinge von der Abenteuerlust der jungen Barabelmeute anstecken, weshalb kaum ein Monat auf Ossus verging, in dem nicht mindestens ein Jüngling aus der Wildnis gerettet werden musste. „Konzentrieren wir uns auf unsere Mission hier“, entschied Ben und die drei älteren Jedi nickten zustimmend. Auf Anweisung des Rates hatte Ben nach wie vor die Leitung der Mission inne, aber er hatte den Eindruck, dass die vier älteren Jedi-Ritter seine Führung auch so akzeptiert hätten. Durch die Macht spürte er ihr Vertrauen und ihre Anerkennung. Er führte Tesar und die Horn-Geschwister zum Kommandozentrum und schilderte ihnen unterwegs, was er und Tahiri bereits auf Kessel erreicht hatten. Die Soldaten, welchen sie unterwegs begegneten, grüßten Ben kameradschaftlich und bedachten die anderen Jedi mit neugierigen Blicken. „Es ist schon eine Weile her, dass ich nicht mit Feindseligkeit oder zumindest mit Misstrauen beobachtet worden bin“, stellte Jysella fest. „Und sie scheinen auch die Grenzen untereinander abgebaut zu haben“, fügte Valin erstaunt hinzu. „Diezer hier izt beeindruckt“, erklärte Tesar zischelnd. „Es gab zum Glück viele Einsichtige mit genug Autorität, um die anfänglichen Feindseligkeiten zu unterbinden“, warf Ben ein. Grinsend wandte Valin sich an seine Schwester. „Ist falsche Bescheidenheit nicht auch ein Weg zur Dunklen Seite?“ Tesar zischte amüsiert und Jysella konnte auch nicht verhindern, dass ihre Mundwinkel zuckten. Ben musste sich zusammenreißen, damit er nicht errötete. Einen Großteil seiner Kindheit hatte er versucht, gegen den Schatten seiner berühmten Eltern anzukämpfen, und hatte dabei krampfhaft darauf gepocht, dass er kein Kind sei. Erst der Tod seiner Mutter hatte ihm bewusst gemacht, dass er nie wirklich im Schatten gestanden hatte. Luke und Mara waren aller Erfahrungen und Jediweisheiten zum Trotz zuallererst Eltern gewesen, die immer nur versucht hatten, ihren Sohn zu beschützen. Ben hatte nach seiner Läuterung erkannt, dass er selbst seine Eltern auch nur noch als Helden und Jedi-Meister betrachtet hatte. Dieser Selbsterkenntnis war das Bewusstwerden um den Umstand gefolgt, dass er wieder in einer Zeit lebte, in der es viele ältere und erfahrenere Jedi als ihn gab. Obwohl er schon mit vierzehn Jahren zum Jedi-Ritter ernannt worden war, hatte er sich sehr lange Zeit noch als Schüler betrachtet. Dass er zu Allanas Mentor ernannt worden war, hatte ihn – so widersprüchlich das auch klingen mochte – gleichermaßen von dieser Einstellung kuriert und darin bestärkt. Er würde sein ganzes Leben lang ein Schüler bleiben, so war es für jeden Jedi, aber er hatte seine formale Ausbildung hinter sich gebracht, persönliche Lektionen gemeistert und eigene Erfahrungen gesammelt. Gleichgültig, wie jung er immer noch war, er hatte das Recht und sogar die Pflicht, älteren Jedi-Rittern und auch Jedi-Meistern auf Augenhöhe zu begegnen. Dieser Entwicklungsschritt hatte ihm viel Selbstvertrauen eingehaucht und sich anscheinend auch in seiner Ausstrahlung ausgewirkt. Die anderen Jedi begegneten ihm auch auf Augenhöhe. Selbst Tesar, der bereits im Yuuzhan Vong Krieg unzählige Schlachten geschlagen und persönliche Verluste erlitten hatte, als Ben noch in den Windeln gelegen hatte. Als sie das Kommandozentrum erreicht hatten, mussten sie sich einem Retina-Scan unterziehen, eine Vorsichtsmaßnahme, von der nicht einmal die Generäle ausgenommen waren. Nachdem seine Identität bestätigt war, nickten die Wachen Ben respektvoll zu und ließen ihn und seine Gefährten eintreten. Nachdem sie den Flur mit diversen Büros zu beiden Seiten hinter sich gelassen hatten, betraten sie einen großen Taktikraum, in dessen Zentrum ein riesiges Hologramm von Kessel mit zahlreichen taktischen Vermerken schwebte. Die Wände waren voll gestellt mit Sensor- und Kom-Modulen. Offiziere verschiedener Expertisen überwachten die dortigen Bildschirme, speisten Daten in das große Hologramm ein oder standen an den Kom-Konsolen in Kontakt mit Kollegen von Außenposten. Meldegänger eilten von den Büros zu den Offizieren an den Konsolen oder umgekehrt. Laut dem Hologramm waren die Renegaten-Staffel und die imperiale Knochenbrecher-Staffel im Orbit von Kessel für Übungsflüge unterwegs. Ben erkannte sofort, dass Darran sich nicht an der Übung beteiligte. Sein Stellvertreter Major Q’wal Nas’l, ein Quarren, hatte die Führung übernommen und die Lücke bei den Renegaten war von einem Reservisten aufgefüllt worden. An einem Taktiktisch unter dem Hologramm standen General Kre’fey, General Tal und General Vorn und studierten gemeinsam einige Daten auf den kleineren Displays, die am Rand des Tischs eingelassen waren. Kommandant Tollac, ein Imperialer, der den Geheimdienst auf Kessel leitete, stand bei ihnen und schien wohl gerade mit einem Bericht beginnen zu wollen, aber als er Ben und die anderen Jedi sah, bedeutete Malik Tal ihm, zu warten. „Jedi Skywalker, wie geht es mittlerweile Jedi Veila?“ „Besser. Sie wird wieder auf die Beine kommen“, erklärte Ben wahrheitsgemäß. Er stellte den Generälen seine Gefährten vor. Malise Vorn musterte Tesar und die Horn-Geschwister mit einem Stirnrunzeln. „Ich nehme an, dass der Grund für diese Verstärkung von Seiten der Jedi die hiesige Anwesenheit der Sith-Spione ist. Wieso ist keiner der Meister her gekommen?“ „Tesar, Valin und Jysella sind durch ihre individuellen Fähigkeiten hervorragend für die Mission geeignet, das kann ich Ihnen versichern“, erklärte Ben, ohne sich von der Hapanerin einschüchtern zu lassen. „Es ist jetzt mit direkteren Angriffen auf hoch positionierte Ziele zu rechnen, wir müssen den Sith zuvor kommen.“ „Es izt eine Jagd und diezer hier izt gut darin“, erklärte Tesar und blähte demonstrativ die schlitzartigen Nüstern auf. Für einige Sekunden musterte Vorn den Barabel, dann nickte sie schlicht und wandte sich an ihre Amtskollegen. General Kre’fey legte unwillig die Ohren an und auch General Tal wirkte eher missmutig. „Die Gesandtschaften des Imperiums und der Galaktischen Allianz haben Bedenken verlauten lassen“, erklärte Tal schließlich. „Sie bezweifeln, dass ihre Sicherheit gewährleistet werden kann.“ Ein Anflug von Frustration überkam Ben. Hier war schon so viel erreicht worden und jetzt sollte vielleicht alles umsonst gewesen sein? Wie hatte es sein Vater bloß all die Jahre mit den wankelmütigen Politikern ausgehalten? Von seinem sehr viel hitzköpfigeren Onkel ganz zu schweigen? Ben musste sich ganz bewusst auf seine Ausbildung zur Gelassenheit besinnen. „Noch wurde nichts endgültig entschieden. Die Gesandtschaften haben also noch Zeit, um einzusehen, dass ein späteres Treffen für sie nicht sicherer wird.“ „Hoffen wir das Beste“, murmelte Tal und Kre’fey brummte zustimmend. Vorns Blick war beinahe mitfühlend. Ben konnte sich vorstellen, dass ihre Gesandtschaft keine Zweifel angemeldet hatte. Das hätte Tenel Ka gewiss nicht zugelassen. „Solange kein Befehl zum Abrücken kommt, verbleiben wir also beim Status quo“, stellte Ben fest. „Wenn Sie einverstanden sind, werde ich meine Arbeit mit den Gipfelschilden fortführen und wie gewohnt dort helfen, wo ich gebraucht werde. Tesar, Valin und Jysella werden sich auf die Suche nach den Sith konzentrieren und Tekli wird auf der Krankenstation zur Verfügung stehen.“ Niemand erhob Widerspruch. Voller Sorge blickte Leia auf Tahiri hinunter, die bleich und ungewohnt zerbrechlich auf dem Krankenbrett lag, noch immer bewusstlos nach einem zweitägigen Bacta-Tank-Aufenthalt, aber laut Tekli außer Gefahr. Vor einer Stunde waren Han und Leia auf Kessel gelandet und hatten sich sofort auf den Weg zur Krankenstation gemacht. Zweifelsohne wussten die befehlshabenden Generäle bereits über die Anwesenheit der Solos auf dem Asteroiden Bescheid, aber das kümmerte sie nicht. Sie waren allein Tahiris wegen hier und würden sich nicht in die Angelegenheiten um das Gipfeltreffen verwickeln lassen. Ben hatte beunruhigend besorgt gewirkt, als er sie hierher geführt hatte. Etwas in Bezug auf Tahiri schien nicht in Ordnung zu sein – von ihrer schweren Verletzung mal abgesehen. Aber Ben hatte ihnen nichts erzählt, obwohl Leia gespürt hatte, dass dieses Schweigen ihrem Neffen nicht leicht gefallen war. Auf der anderen Seite von Tahiris Bett seufzte Han leise und ergriff behutsam Tahiris zierliche Hand. Auch nach zwanzig Jahren noch blieb Tahiri das Sorgenkind der Solos. Das Schicksal schien es von frühster Kindheit an nicht gut mit Tahiri zu meinen. Sie hatte schon so viel durchgemacht, so viel verloren – Leia wurde beim Gedanken daran jedes Mal schwer ums Herz und sie wusste, dass es Han ganz ähnlich erging. Ob es an Hans Berührung lag oder ob sie einfach stark genug war, Tahiri wachte auf. Ihre Augenlider flatterten mehrmals und für einige Sekunden gruben sich entsetzliche Qualen in ihre Züge, ehe ihr bewusst zu werden schien, dass sie nicht alleine war. Als Tahiri die Augen schließlich öffnete, wirkte sie erschöpft und aus irgendeinem Grund auch schuldbewusst. „Hey, Kleines“, sagte Han sanft und tätschelte die Hand der jungen Frau. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Nimm doch ein bisschen Rücksicht auf unser Alter.“ Der Anflug eines sehr matten Lächelns huschte über Tahiris blasse Züge und der Ausdruck der Schuld verschwand aus ihren Augen. Zumindest kurzfristig war es Han gelungen, die Pein seiner Fast-Schwiegertochter zu lindern. Leia widerstand dem starken Drang, Tahiri danach zu fragen, was in ihr vorging. Dafür würde sie noch zu anderer Zeit Gelegenheit finden, wenn die junge Frau wieder fitter war. „Wieso seid ihr hier?“, murmelte Tahiri. Han schnaubte empört. „Willst du uns etwa unterstellen, dass wir schlechte Eltern sind, die einfach Däumchen drehen, wenn sie merken, dass etwas mit ihren Kindern nicht stimmt?“ Tahiris Augen weiteten sich, ungläubig, fassungslos. Sanft ergriff Leias Tahiris freie Hand. „Ich habe es gespürt, als du verletzt wurdest. Kurz danach hat Ben uns kontaktiert und uns erzählt, was passiert ist. Wir haben uns sofort auf den Weg hierher gemacht.“ Noch immer wirkte Tahiri ungläubig, beinahe geschockt. Leia verstand allmählich und drückte behutsam die Hand. „Du wirst immer zur Familie gehören, Tahiri“, erklärte sie sanft. „Han und ich bleiben hier, bis du wieder gesund bist. Und wir sollen dir von Jaina und Jag Gute Besserung wünschen. Sie wollten auch hierher kommen, aber Ben war dagegen, weil das die Mission, die Sith auf Kessel dingfest zu machen, erschweren würde.“ „Familie“, wiederholt Tahiri schwach und in ihren grünen Augen schimmerten Tränen. „Natürlich“, brummte Han. „Oder was hast du gedacht? Auf Formalitäten geben wir nicht viel, das weißt du doch.“ „Stimmt“, krächzte Tahiri mit einem schwachen Grinsen und blinzelte gegen die Tränen an. Unbehaglich wischte Han eine entronnene Träne von Tahiris blasser Wange, ehe er sich darauf verlegte, ihre zierliche Hand mit seiner schwieligen Pilotenpranke zu tätscheln. Schweigend blieben sie so zusammen. Han und Leia verließen den Raum erst wieder, als Tahiri eingeschlafen war. Ihre Mienen blieben ernst. Ohne dass sie sich der Macht bedienen musste, wusste Leia, dass ihr Mann sich genauso große Sorgen machte wie sie selbst. Denn aus irgendeinem Grund ging es Tahiri wieder schlechter als vor ihrem Aufbruch nach Kessel. Nachdenklich blickte Darran in seinen Becher mit extra starkem Kaf. Er fühlte sich zerschlagen und schlapp. Bei den heutigen Flugübungen der Gipfelschilde war es ihm schwer gefallen, sich zu konzentrieren, und er hatte abgelehnt, als die anderen Piloten ihn im Anschluss zu einer Runde Gizer-Bier eingeladen hatten. Stattdessen hatte er sich in der Messe eine ruhige Ecke gesucht, um seinen Lebensgeistern mit Kaf auf die Sprünge zu helfen – erfolglos. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Tahiri. Der Anblick, wie sie blutend und bleich am Boden gelegen hatte, wie die schönen grünen Augen trüber geworden waren, hatte sich regelrecht in seine Netzhaut eingebrannt, verfolgte ihn bis in seine Träume. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so viel Angst verspürt zu haben. Dagegen erschien ihm die Evakuierung von Coruscant beim Angriff der Yuuzhan Vong regelrecht harmlos. Auch jetzt noch, da er wusste, dass Tahiri wieder vollkommen gesund werden würde, presste sich sein Herz beim Gedanken an die Jedi immer wieder schmerzhaft zusammen. Überrascht blickte er auf, als sich jemand ohne Vorwarnung ihm gegenüber am Tisch nieder ließ. Es war Ben, die jungen Gesichtszüge ernst, mit einer Spur von Strenge. „Die Anderen hätten beinahe etwas bemerkt.“ Es wunderte Darran nicht, dass sein junger Jedi-Freund ihn durchschaut hatte. Machtsensibilität hin oder her, Ben besaß außergewöhnliche Fluginstinkte und hatte Darrans heutige Schwächen unter Garantie bemerkt. „Wie geht es ihr?“ Ben schwieg zuerst und blickte nach links. Als Darran seinem Beispiel folgte, erkannte er einige Tische weiter neben Lando Calrissian ausgerechnet Captain Han Solo und Prinzessin Leia Organa Solo, ihre Mienen aufmerksam und neugierig. „Körperlich ist Tahiri auf dem Wege der Besserung“, erklärte Ben schließlich. Die Betonung des Wortes körperlich bereitete Darran großes Unbehagen. Allerdings führte Ben das nicht weiter aus, sondern musterte seinen Gegenüber sehr eingehend. Darran fühlte sich wie damals in seiner Kadettenzeit, wenn ihn die Ausbilder geprüft hatten. Unter diesen Umständen war es schwer, überhaupt noch daran zu glauben, dass Ben siebzehn Jahre jünger als er war. Unwillkürlich wich Darran dem Blick des Jedi aus und sah dabei wieder zu den Solos. Noch immer blickten sie aufmerksam herüber. Captain Solo wirkte dabei argwöhnisch, während seine Gattin eher amüsiert-neugierig dreinblickte. „Sie haben Tahiri als Tochter aufgenommen“, durchbrach Ben die Stille schließlich. „Sie wünschen sich für Tahiri seit Jahren nichts sehnlicher, als dass sie glücklich wird.“ „Ich halte mich weiter von ihr fern“, versicherte Darran mit rauer Stimme, obwohl ein Teil von ihm sich bei dem Gedanken richtig elend fühlte. Sachte schüttelte Ben den Kopf. „So war das nicht gemeint.“ Verwirrt suchte Darran in Bens Miene nach einem Hinweis, was das zu bedeuten hatte. Zu seiner Überraschung wirkte Ben auch verwirrt. „Ich bin nicht unbedingt ein Experte auf dem Gebiet, aber…“ Ben zögerte und erhob sich langsam. Noch einmal blickte er zu seiner Tante und seinem Onkel. „Vielleicht wäre es sogar besser… Vielleicht würde es ihr endlich richtig helfen…“ Unsicher zuckte Ben mit den Schultern und blickte Darran wieder direkt in die Augen. Darran lächelte matt. „Irgendwie ist es beruhigend, dass ihr Jedi in diesen Dingen genauso fehlbar seid wie alle anderen Wesen in der Galaxis.“ Bens Augen funkelten amüsiert, ehe er sich abwandte und zurück zu seinen Verwandten ging. Kapitel 11: ------------ Kessels Oberfläche war im Grunde recht überschaubar. Drei durchtrainierte Jedi hatten nicht viele Schwierigkeiten, den Asteroiden regelmäßig abzusuchen. Nicht einmal Kessada war übermäßig problematisch. Schwieriger war es mit den unzähligen Stollen, die im Inneren des Asteroiden verborgen waren. Und wenn man dann auch noch bedachte, dass die Sith herausgefunden hatten, wie man sich in der Macht unsichtbar machte, wurde es eine tatsächliche Herausforderung. Tesar Sebatyne liebte Herausforderungen. Eine richtige Jagd hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Und die Horn-Geschwister waren eine sehr gute Wahl des Jedi-Rates gewesen. Um die Tatsache auszugleichen, dass er genau wie sein Vater keine Telekinese beherrschte, hatte Valin sich von frühster Kindheit an in der Fertigkeit trainiert, mittels der Macht Einfluss auf Insekten und andere Kleinstlebewesen zu nehmen. Gewissermaßen hatte er also überall Augen und Ohren. Jysella wiederum besaß sehr viel taktisches Geschick und ein ausgeprägtes Gespür für Emotionen. Kombinierte Tesar diese Dinge mit seinen Jagdinstinkten und –erfahrungen, war er ausgesprochen zuversichtlich, dass es ihnen gelingen konnte. Zumal sie mit Ben einen sehr wehrhaften Köder hatten. Tesar hatte großen Respekt vor dem wesentlich jüngeren Jedi-Ritter. Ben Skywalker hatte die Begabung beider Elternteile geerbt, das stand außer Frage. Zunächst hatten sie die Herkunft der beiden toten Sith überprüft, hatten jedoch festgestellt, dass es keinen einzigen Begegnungspunkt zwischen ihnen gegeben hatte. Sie könnten sich natürlich in ihrer Freizeit miteinander in einem nicht überwachten Bereich getroffen haben, aber das bedeutete letztendlich nichts Handfestes. Die anderen Sith auf Kessel könnten überall sein. Eine Überprüfung aller Personalakten würde da nicht helfen, denn die Sith hatten bereits bewiesen, dass sie sich perfekt einschleichen konnten. Es gab nicht gerade wenige Soldaten, deren Lebenslauf vor dem Eintritt in die Armee fragwürdig war, und die Sith, die sich als Hapanerin ausgegeben hatte, hatte bewiesen, dass sie ihren Lebenslauf mustergütig unbedenklich erscheinen lassen konnte. Man könnte nicht einmal alle Offiziere als unverdächtig einstufen, die den Dienst vor dem ersten Auftritt der Sith angetreten hatten. Im Grunde hieß das alles nur eines: Beinahe jeder auf Kessel war verdächtig. Es gab keine technische Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, aber das machte es nur noch reizvoller für Tesar. Er und die Horn-Geschwister behielten sensible Gebiete im Auge, die besonders angriffsgefährdet waren. Energiegeneratoren, das Taktikzentrum, Mannschaftsquartiere, Waffenlager, Calrissians Privaträume, die Medstation, die Hangars, große wie kleine. Und vor allem Bens Quartier und Tahiris Krankenzimmer. Die Rechnung war einfach: Der gefährlichste Gegner für die Sith waren die Jedi. Für die Sith war also jeder tote Jedi eine Bedrohung weniger. Ein Soldat mehr oder weniger fiel in den Augen der Sith nicht ins Gewicht, bei den Jedi jedoch kam es auf jeden Einzelnen an, wo doch der Orden nur noch aus etwa fünfhundert Jedi bestand. Zu Tahiris Schutz standen rund um die Uhr YVH-Droiden vor ihrem Zimmer Wache und Tekli hatte sich in der Medstation eingerichtet, um immer in der Nähe ihrer Patientin sein zu können. Mit Ben hatten Tesar und die Horn-Geschwister ein Kampfgeflecht geknüpft, um immer mit ihm in Kontakt zu stehen. Auch Tekli und Leia beteiligten sich daran, nur Tahiri hielt sich davon fern, verschloss sich vor ihren Freunden. Tesar tat es darum Leid, aber sie konnten Tahiri nicht zwingen, sich ihnen zu öffnen. Vielleicht konnten die Solos ihr ja helfen. Eine Berührung von Valin ließ Tesar aufblicken, der sei Stunden vor dem Hangar der Imperialen ausharrte. Valin war mit seiner Schwester auf der Ralroost, die auf Kessel gelandet war, wie es die Vorschriften vorsahen. Nur drei der sechs vorhandenen Großkampfschiffe sollten immer im Orbit von Kessel verbleiben. Eine Bedingung, welche die Politiker vor dem Beginn der Operation auf Kessel festgelegt hatten. Kein besonders kluger Schachzug, aber da würde Tesar sich nicht einmischen. Jysella schien etwas bemerkt zu haben. Sofort wurden auch Ben und Tekli aufmerksam, Leia jedoch blieb einfach nur wachsam, sandte ihnen aber Konzentration und Ausdauer. Tesar verließ seinen Posten und machte sich auf schnellstem Wege zur Ralroost auf. Er konnte spüren, dass auch Ben sich auf den Weg machte. Valin signalisierte Bereitschaft, von Jysella spürte Tesar nicht mehr als angestrengte Konzentration – wohl weil sie die gefundene Spur nicht wieder verlieren wollte. Nach fünf Minuten schloss Ben zu Tesar auf. Ein Glücksfall, dass er gerade kein Training mit den Gipfelschilden hatte. Tesar war sich zwar sicher, dass er einen einzelnen Sith gemeinsam mit Valin und Jysella bezwingen konnte, aber dennoch konnte mehr Rückendeckung wirklich nicht schaden. Nach weiteren fünf Minuten hatten sie die Ralroost erreicht. Sie besaßen die Autorisierung, um nach einer kurzen Überprüfung an Bord gelassen zu werden, und so wurden sie wenig später von Valin zu einem kleinen Konferenzraum nahe der Brücke gelotst. R2-D2 war bei Horn-Geschwistern und war mit dem Bordcomputer verbunden. Auf einem Bildschirm zeigte er immer wieder neue Kameraeinstellungen, wahrscheinlich von den schiffsinternen Überwachungskameras. Jysella saß mit konzentrierter Miene vor diesem Display, Valin stand angespannt hinter ihr, eine Hand auf dem Griff seines Lichtschwerts. R2-D2 trällerte triumphierend und hielt bei der Aufnahme eines der Räume an, in welchen die Turbolaser des Schiffs gesteuert wurden. Darauf zu sehen waren ein halbes Dutzend Waffenoffiziere: Ein Mensch, eine Duro, zwei Bothaner, ein Sullustaner und ein Rodianer. Neben dem Menschen ließ R2-D2 dessen Personalakte anzeigen. Er nannte sich Vilam Thonk und war vor einem Jahr von einer kleinen Fregatte auf die Ralroost versetzt worden. „Wie ist er euch aufgefallen?“, wollte Ben wissen, nicht zweifelnd, sondern anerkennend. „Ich habe jedes einzelne Wesen im Schiff abgetastet und überprüft, ob die Person, mit der es interagiert, auch zu spüren ist. Wenn nicht, musste ich ergründen, ob es sich vielleicht um einen Droiden handelt. Für gewöhnlich verhalten sich viele gegenüber Droiden steifer und unpersönlicher, aber es gibt noch mehr Droidenfreunde abgesehen von dir und deiner Familie“, fügte Jysella hinzu, was Ben ein amüsiertes Glucksen und Tesar ein Zischeln entlockte. Tatsächlich hatte er sich anfangs sehr über das emotionale Gebaren der berühmten Großfamilie gegenüber Droiden gewundert. Mittlerweile glaubte er, mit R2-D2 und C3PO die Ursache dieses Verhaltens ergründet zu haben. Beide Droiden waren alt genug, um so etwas wie eine Persönlichkeit entwickelt zu haben. Ja, Tesar musste sogar zugeben, dass er selbst eine gewisse Sympathie für R2-D2 entwickelt hatte, der es sogar schaffte, Tesars viel zu neugierige Brut von sich fernzuhalten, ohne ihnen weh zu tun. „Die Methode ist nicht narrensicher“, fuhr Jysella wieder mit ernster Miene fort, „und ein Schiff von der Größe der Ralroost ist wohl auch das Maximum des abdeckbarem Bereichs. Gut möglich, dass es hier noch weitere Sith gibt, die gerade nicht an Bord sind oder sich schlicht und einfach irgendwo alleine befinden, aber der da ist ein Treffer.“ „Gute Arbeit“, sagte Ben beeindruckt und musterte den Bildschirm. „Die Frage ist jetzt, ob sich das Risiko lohnt, ihn weiter laufen zu lassen, um so vielleicht noch weitere Sith aufzuspüren.“ „Bisher gab es keine Hinweise, dass die Spione miteinander interagieren“, warf Valin ein. „Waz nichtz heißen muz“, erwiderte Tesar. „Bizher waren ez ja nur zwei.“ „Erzwo, überprüfe, ob es irgendwelche Verbindungen zwischen diesem Sith hier und den anderen Beiden gab.“ Während der Astromech der Anweisung seines Besitzers Folge leistete, ließ dieser sich mit nachdenklicher Miene am Konferenztisch nieder. „Die Frage ist…“ „Wie wir ihn einfangen und dann auch gefangen halten“, beendete Tesar den Satz und blähte die Nüstern auf. „Lando könnte sicher im Handumdrehen einige Ysalamiri beschaffen“, murmelte Ben. „Aber das wird Rettungs- oder Tötungsversuche der anderen Sith nicht aufhalten. Die müssen ja nur an der richtigen Stelle eine Bombe zünden“, brummte Valin. „Und wir wissen auch nicht, in wessen Gewahrsam der gefangene Sith dann überhaupt bleiben soll“, fügte Ben hinzu. „Oder ob er vorgesorgt hat und ein sofort wirkendes Gift zu sich nehmen oder eine Bombe am Körper aktivieren wird, wenn er gefangen genommen wird“, warf Jysella ein. „Diezer hier schlägt vor, daz wir ihn erzt einmal nur beschatten und nach weiteren Sith zuchen. Jyzellaz Methode izt bizher die bezte.“ „Das gibt uns auch Zeit, den Rat zu fragen, was mit gefangenen Sith geschehen soll“, stimmte Ben bedächtig zu. „Aber ich werde mindestens die Generäle Kre’fey, Tal und Vorn ins Vertrauen ziehen müssen. Immerhin steht hierbei vor allem das Leben ihrer Soldaten auf dem Spiel.“ „Und wenn sie entscheiden, den Sith jetzt schon gefangen zu nehmen?“, fragte Valin stirnrunzelnd. „Dann werden wir ihnen helfen, damit es unter den Soldaten nicht zu einem Blutbad kommt“, seufzte Ben. Tesar unterdrückte ein Schnauben. Bens Entscheidung war vernünftig, aber es fühlte sich dennoch falsch an, sich in so einer Sache den Generälen beugen zu müssen, die im Grunde keine Ahnung von den Fähigkeiten der Sith hatten. Tesar hoffte, dass diese drei Generäle so gut waren, das selbst einzusehen und den Rat eines Erfahreneren beherzigten – und dass kein Politiker Wind von der Sache bekam… Tenel Kas fein gemeißelte Gesichtszüge ließen aller Beherrschung zum Trotz eine Spur von Unwillen erkennen, während ihr Hologramm in der Mitte des runden Raumes schwebte, in welchem der Jedi-Rat seine Sitzungen abhielt. „Die Verhandlungen dauern an. Zumindest konnte ich bereits durchsetzen, dass das Gipfeltreffen nach wie vor stattfindet und dass weiterhin Kessel der Austragungsort bleibt.“ Kyp Durron schnaubte leise. „Das ist Politik: Wenn um die einfachsten Dinge debattiert werden muss.“ „Das sind Politiker, keine Krieger. Die Bedrohung ihres Lebens gehört für sie nicht zum Alltag“, erwiderte Cilghal bedächtig wie immer. „Eine scheinbare Bedrohung“, widersprach Kyp, ohne die Stimme zu erheben oder auf andere Weise respektlos zu klingen. „Die einzige Politikerin, der garantiert Gefahr droht, ist Tenel Ka. Das Triumvirat der GA und der neue Großadmiral der Imperialen sind bei weitem nicht so gefestigt, dass ihr Tod den Sith in irgendeiner Weise nützlich wäre.“ „Dieze hier sieht daz genauzo, aber daz muz nicht heißen, daz die anderen Politiker daz einsehen“, mischte Saba sich ein und schlug einmal mit ihrer Schwanzspitze auf den Boden. Corran Horn unterdrückte einen wehleidigen Seufzer. Auch wenn sie sich alle mehr oder weniger zu beherrschen wussten, wusste er, dass die anderen Ratsmitglieder genauso frustriert waren wie er selbst. Die politischen Ränke um das Gipfeltreffen hätten sie normalerweise vermieden, hatte Meister Skywalker doch den Jedi-Orden ausdrücklich von allen politischen und militärischen Zugehörigkeiten losgesagt. Doch hier ging es um ein Bündnis gegen die Sith. Das war zu wichtig, um ruhig zu bleiben. „Die Jedi haben sich lediglich in einer beratenden Funktion für das Gipfeltreffen angeboten. Mehr Einfluss besitzen wir auf dem politischen Parkett nicht“, wandte Corran sich direkt an Kyp, dessen Frustration am besten zu spüren war. Mit nachdenklicher Miene beugte Jaina sich vor. Von ihrer Sorge um Tahiri war ihr nichts anzumerken, aber Corran war sich sicher, dass diese Sorge nicht einfach verschwunden war, nur weil Tahiris körperlicher Zustand stabil war. Auch Corran konnte durch die Macht spüren, dass Tahiri in einer emotional sehr schwierigen Situation steckte, die sie schrecklich quälte. War das letztendlich die Prüfung, die Corran in seiner Vision vage gespürt hatte? Im Moment fühlte es sich beinahe so an, als würde Tahiri Stück für Stück daran zerbrechen. Aber Tahiri hatte schon so viele Krisen überstanden und Corran konnte einfach nicht daran glauben, dass es dieses Mal anders sein würde. Seine ehemalige Schülerin war mindestens so zäh wie ihre Adoptivfamilie. „Wir sollten uns auf das Positive konzentrieren“, erklärte Jaina mit ruhiger Stimme. „Das Gipfeltreffen findet nach wie vor statt und Ben und sein Team haben bereits drei Sith identifiziert. Die Generäle vor Ort sind zum Glück vernünftig genug, keinen sofortigen Zugriff zu beordern. Der würde andere Sith-Spione nur warnen.“ Reihum nickten Tenel Ka und die Meister. Allerdings ergriff gleich darauf Tionne Solusar mit besorgter Miene das Wort: „Wir haben uns immer noch nicht entschieden, was mit den Sith geschehen soll, sobald sie gefangen sind.“ Ihr Ehemann Kam legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie alle teilten Tionnes Sorge, dass die Allianz der drei Großmächte sich für einen Genozid an den Sith entscheiden könnte. „Bei allem Respekt, diese Entscheidung werdet Ihr auch nicht fällen“, ergriff Tenel Ka das Wort. „Wahrscheinlich werden deswegen Monate lang Verhandlungen geführt werden, aber ich versichere Euch, dass ich mit aller Entschiedenheit gegen einen Präventivangriff stimmen werde. Und Ihr habt zwar kein Stimmrecht, aber Euer Rat wird nicht auf taube Ohren stoßen. Sonst hätte man Euch nicht als Berater an den Tisch gebeten.“ „Vielleicht izt dieze ganze Debatte zogar sinnloz“, stimmte Saba bedächtig zu. „Dieze hier glaubt nicht, daz die Zith etwaz über Keshir verraten werden, wenn ez gelingt, zie zu fangen. Egal wie lange zie gefangen gehalten werden und egal waz man ihnen antut.“ „Dann sollten wir es ganz pragmatisch betrachten“, schlug Kyp mit einem humorlosen Lächeln vor. „Jeder gefangene Sith ist letztendlich ein Sith weniger, der Ärger machen kann.“ „Und irgendwann ist halb Keshir in Gefangenschaft?“, war Jainas trockener Kommentar. „Bei der Vorstellung bekomme ich Mitleid mit den Wachmannschaften der Hochsicherheitsgefängnisse“, murmelte Corran. Saba zischelte amüsiert. Schweigen setzte ein. Keiner von ihnen hatte die Sorge bezüglich Keshir einfach abgelegt, aber sie sahen ein, dass Tenel Ka Recht hatte. Und Kyp hatte auch nicht Unrecht. Vielleicht waren diese Umstände sogar besser so. Der Jedi-Orden hatte in der Welt der Politik nichts verloren und als Eliteeinheit des Militärs sollte er auch nicht herhalten müssen. Der Jedi-Orden musste seinen eigenen Weg im Universum finden. „Dennoch sollten wir gemeinsam entscheiden, zu was Meisterin Saba und ich beim Gipfeltreffen raten sollen“, fuhr Corran mit ernster Miene fort. „Also, wir wollen keinen Genozid, was wollen wir stattdessen?“ „Bei jedem anderen Gegner würde ich für ein Friedensangebot stimmen“, seufzte Kam Solusar ratlos. „Wir können zumindest dafür sorgen, dass die Sith nicht noch weitere Unruhestifter in die Galaxis schicken“, schlug Jaina vor. „Eine komplette Blockade um Keshir dürfte mit den vereinten Mitteln der drei Parteien realistisch sein.“ „Aber ist das auch eine langfristige Lösung?“, gab Cilghal zu bedenken. „Definitiv nicht“, murmelte Kyp laut genug, dass alle ihn verstehen konnten. Er straffte die Schultern und erhob die Stimme. „Aber es wäre ein Anfang.“ „Und es wird die Sith vielleicht langfristig zum Einlenken bewegen“, sagte Tionne hoffnungsvoll. „Oder zur Rebellion anstacheln.“ Niemand widersprach Cilghal. Die Mon Cal hatte Recht, sie alle waren sich der zerstörerischen Natur der Sith vom Verlorenen Stamm bewusst. Unwillig schlug Saba mit der Schwanzspitze aus. „Dieze hier denkt, daz Spekulationen nichtz nutzen. Bevor wir unz auf Keshir konzentrieren, müssen wir abwarten, ob ez gelingt, die Spione einzufangen und ob dieze dann überhaupt etwaz verraten werden.“ Reihum nickten die Meister der Barabel anerkennend zu. Niemand hatte dem etwas hinzu zu fügen. Sabas Barabel-Pragmatismus hatte alle überzeugt. Tionne ergriff schließlich wieder das Wort, indem sie sich an Tenel Kas Hologramm wandte: „Angesichts der nun größeren Gefahr, soll Allana auf Ossus bleiben?“ Die Königinmutter schwieg einige Sekunden, das Gesicht ausdruckslos, aber Corran verstand ihren inneren Konflikt nur zu gut. Es war ihm schwer gefallen, seine Kinder nach Kessel zu schicken, obwohl er genau gewusst hatte, dass sie hervorragend dafür geeignet und schon lange alt und erfahren genug für solche Missionen waren. Neutral zu bleiben, wenn es um die eigenen Kinder ging, war jedes Mal aufs Neue eine harte Prüfung. Daran gewöhnte man sich nie. „Es liegt nicht an mir, das zu entscheiden. Das ist Allanas Entscheidung – und ich denke, ich weiß bereits, wie sie ausfallen wird. Ich habe großes Vertrauen in Meisterin Sebatyne und in Meister Horn und auch in Bens Arbeit mit den Sicherheitskräften auf Kessel.“ Tionne nickte respektvoll und Tenel Ka erwiderte die Geste, ehe sie sich reihum von allen Meistern mit einer leichten Verbeugung verabschiedete. „Möge die Macht mit Euch sein.“ „Und mit dir“, erwiderte Jaina und die alten Freundinnen tauschten ein warmes Lächeln aus, ehe Tenel Kas Hologramm erlosch. Kapitel 12: ------------ Ben blieben nur Sekundenbruchteile, als die Macht ihn vor dem gefährlichen Dolchstoß warnte. Es genügte, um das Lichtschwert in seine Hand gleiten zu lassen, es zu aktivieren und es einhändig hinter seinen Rücken zu führen. Er konnte hören und spüren, wie die gläserne Klinge hinter ihm am Boden zerschellte, und sprang nach vor in einen Salto, um dem darauf folgenden roten Lichtschwerthieb zu entgehen. In der Luft drehte er sich, sodass er mit dem Gesicht zu seinem Gegner landete. Es war ein junger Mann in seinem Alter, schlank, athletisch, mit fein gemeißelten, edlen Gesichtszügen, blonden Haaren und grauen Augen. Vir Loth. „Sie?!“, entfuhr es Ben vor Überraschung. Wie oft war er dem begabten Mechaniker bereits in Situationen begegnet, in welchen dieser ihn mühelos hätte angreifen können – und kein einziges Mal hatte er eine Bedrohung wahrgenommen. Ben hatte große Stücke auf den Gleichaltrigen gehalten. Diese Enthüllung hier war tatsächlich schmerzhaft. Vir antwortete nicht, sondern überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit einem machtverstärkten Sprung und führte mit brachialer Gewalt einen beidhändigen Schlag aus. Ben riss seine blaue Klinge in die Höhe und parierte den Hieb. Im Kampfgeflecht konnte er die Eile von Tesar und den Horn-Geschwistern und die Sorge seiner Tante spüren. Tekli blieb wie immer, wo sie war, unerschütterlich in ihrem Vertrauen auf die anderen Jedi, die sehr viel mehr Begabung für den Kampf aufwiesen als sie selbst. Sogar Tahiri konnte Ben ganz kurz spüren. Auch sie machte sich Sorgen, aber sie vertraute ihm. Ben nahm sich die Zeit, der Älteren durch einen Machtimpuls seinen beständigen Beistand zu versichern, dann schöpfte er Kraft und Entschlossenheit aus dem Kampfgeflecht und konzentrierte sich ganz und gar auf den Kampf. So überraschend es auch war, dass sich Vir als Sith entpuppt hatte, Ben musste ihm zugestehen, dass er ein begnadeter Kämpfer war. Die Sith, die Tahiri verletzt hatte, war vielleicht eine gute Attentäterin gewesen, aber im Lichtschwertkampf hatte sie eindeutige Defizite aufgewiesen, was auf eine einseitige Ausbildung zurück schließen ließ. Vir war ein ganz anderes Kaliber. Seine körperliche Konstitution war ausgezeichnet, seine Sinne scharf, sein Machtumgang brillant. Ben war schon sehr lange Zeit nicht mehr so in einem Lichtschwertkampf gefordert worden. Selbst Jaina hätte es mit Vir schwer. Der Kampf war schnell und gnadenlos. Vir brachte Ben immer mehr in Bedrängnis und noch immer waren Tesar und die Anderen nicht da. Vir musste es extra so abgepasst haben. Ein Machtstoß fegte Ben von den Füßen. Mit Hilfe der Macht ging er in eine Rückwärtsrolle über und landete wieder sicher auf beiden Beinen. Schnell riss er das Lichtschwert herum, um einen auf seine Brust gezielten Stich abzuwenden. Die Waffen zischten laut, als ihre Klingen aneinander rieben. Für einige Sekundenbruchteile konnte Ben in Virs Augen blicken und öffnete sich für dessen Empfindungen. Er konnte Hass und Zerstörungswut spüren, doch Beides schien nur dazu zu dienen, die Verzweiflung darunter zu übertünchen, die Vir sich selbst nicht eingestehen wollte. Durchsetzt war diese Verzweiflung mit Scham und Zweifeln und Ängsten. Ein dunkler Schleim – anders konnte Ben das geistige Bild nicht beschreiben – verpestete Virs Geist. Eine Fremdeinwirkung. Ein Zwang. Eine Drohung… Mit einem wütenden Brüllen stieß Vir Ben von sich. In seinen Augen lag ein gehetzter Ausdruck. Ben fand sofort wieder einen sicheren Stand, hielt sein Lichtschwert jedoch gesenkt. „Wer bist du wirklich, Vir?“ Voller Abscheu zischte der Sith und sprang erneut auf Ben zu. Dieser hielt dem Angriff stand, unternahm jedoch keinen Gegenangriff. Wieder blickten sie einander in die Augen. Vir fletschte die Zähne und stieß ein Grollen aus, aber auf Ben wirkte es, als wollte der Gleichaltrige sich selbst von seinem vorgetäuschten Hass überzeugen. „Deinetwegen steht meine Familie in Schande, Ben Skywalker. Deinetwegen muss ich-“ Abrupt brach Vir ab, aber Ben konnte Ekel und Widerwillen wahrnehmen, ehe sein Kontrahent sich wieder im Griff hatte. „Loth ist nicht dein richtiger Name“, stellte der Jedi behutsam fest. Seine Gedanken arbeiteten auf Hochtouren. Laut Vir hatte Ben zu verantworten, dass seine Familie auf Keshir mit Schande behaftet war. Aber galt es bei den Sith schon als Schande, von einem Jedi getötet zu werden? Oder lag mehr dahinter? Wann hatte Ben je die Gelegenheit gehabt, etwas von solcher Tragweite anzurichten? Die Erkenntnis traf Ben mit der Wucht eines Turbolasers… Seine Augen weiteten sich. „Dein richtiger Name ist Vir Khai!“ Vir grinste höhnisch und setzte zu einem weiteren Angriff an, hielt aber inne. Ben konnte spüren, wieso. Tesar und die Anderen waren ganz in der Nähe und Vir konnte nicht hoffen, Ben vor ihrer Ankunft zu töten. Im nächsten Augenblick sprang Ben vor und fegte mit einem Machtstoß das Lichtschwert aus Virs Hand, ehe der Sith sich in seine eigene Waffe stürzen konnte. Verwirrt starrte Vir ihn an und Ben starrte nicht minder verwirrt zurück. Vir besann sich als Erster. Er schleuderte mit der Macht eine nahe Kiste in Bens Richtung. Mühelos konnte Ben diesen Angriff abwehren, aber es verschaffte Vir genug Zeit, um zu verschwinden. Zutiefst verwirrt deaktivierte Ben sein Lichtschwert und ließ Virs Waffe in seine Hand schweben. Er erkannte die kunstvollen Ornamente am Griff. Vestara und ihr Vater hatten ähnliche Verzierungen an ihren Waffen gehabt. Der Gedanke an seine erste und bisher auch einzige Freundin versetzte Ben einen schmerzhaften Stich. Die Khais mussten im Verlorenen Stamm in Ungnade gefallen sein, als Vestara den Sith den Rücken gekehrt hatte. Dass Ben und die Jedi genauso von ihr verlassen worden war, zählte offensichtlich nicht für die Khais. Sie sahen in Ben den Hauptschuldigen für ihre Schande. Und dennoch… Die Ankunft seiner Freunde riss Ben aus seinen Gedanken. Ben konnte ihre Frustration spüren, als sie erkannten, dass der Sith entkommen war, aber auch ihre Erleichterung darüber, dass er unversehrt war. Ben erzählte ihnen, wer der Sith war. Nur Virs Verwandtschaft zu Vestara verschwieg er. Genauso wie seine Zweifel darüber, ob er sich überhaupt in Gefahr befunden hatte… Vor ihr stand Anakin, jugendlich, gesund, agil, die eisblauen Augen entschlossen funkelnd, die Haare wirr wie bei seinem Vater. Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, doch er schüttelte traurig lächelnd den Kopf. Als sie auf ihn zu gehen wollte, trat er zurück. Noch immer wirkte er traurig, aber auch entschieden. Er deutete nach rechts, wo sich die Umrisse eines ausgewachsenen Mannes abzeichneten. Die Gesichtszüge waren nicht zu erkennen, aber er streckte ihr eine Hand entgegen. Doch sie wich vor ihm zurück und wandte sich erneut an Anakin. Dieser schüttelte wieder den Kopf und deutete auf seinen Körper. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er durchsichtig war. Die schmerzhafte Erkenntnis wütete zum abertausendsten Mal durch ihren Geist und Körper. Anakin war tot. Sie würde immer alleine bleiben… Eine Berührung an der Wange riss Tahiri abrupt aus ihrem kummervollen Traum. Es war eine große, schwielige Männerhand, aber nicht die von Han. Sie verursachte ein angenehmes Kribbeln und für einen Sekundenbruchteil schmiegte Tahiri sich Trost suchend an diese Hand. Als sie die Augen aufschlug, zuckte die Hand zurück und Darran Darklighter setzte sich aufrechter auf den Stuhl neben Tahiris Bett, das Gesicht ruhig, doch die tiefblauen Augen voller Gefühle, die Tahiri ins Herz stachen. „Tut mir Leid“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Ich wollte dich nicht wecken, aber du hast… geweint.“ Tahiri musste den Blick abwenden. Der Blick in Darrans Augen war zu schmerzhaft. Sie fühlte sich, als würde sie von innen zerreißen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie konnte Darran unmöglich antworten. Das Schweigen zwischen ihnen schien sich immer weiter aufzutürmen, drückte immer stärker auf Tahiris Brust… Das Zischen der Tür fühlte sich beinahe wie eine Erlösung an. Zwei Personen betraten den Raum und Darran sprang hastig auf die Beine. „Kapitän Solo, Prinzessin.“ Seine Stimme war minimal heiser, aber Tahiri schaffte es immer noch nicht, wieder in seine Richtung zu blicken. „Bloß nicht so steif. Wir sind als Zivilisten hier. Nennen Sie uns Han und Leia“, brummte Han in gewohnt schroffer Manier. „Sie sind Darran Darklighter, der Flügelmann unseres Neffen und Kommandant der Renegaten“, sagte Leia sanft. Darran schien nur zu nicken, denn Leia fuhr mit einem warmen Lächeln in der Stimme fort. „Ben hält große Stücke auf Sie. Es gibt nicht viele Piloten, die mit einem Jedi-Piloten mithalten können.“ „Von Mithalten kann kaum die Rede sein. Ben kann sich einfach sehr gut anpassen“, wehrte Darran das Lob ab. „Das müssen Jedi immer, Junge, aber ein begabter und cleverer Pilot macht es ihnen sehr viel leichter, vor allem, wenn er sich seiner eigenen Grenzen bewusst bleibt.“ „Deshalb bist du als Flügelmann für einen Jedi auch ungeeignet, weil du immer wieder das Unmögliche versuchst“, neckte Leia ihren Mann. „Was heißt hier Versuchen? Ich schaffe es“, erwiderte Han großspurig. „Meistens“, schmunzelte die alderaanische Prinzessin und auch, ohne es zu sehen, wusste Tahiri, dass sie ihrem Mann einen Kuss gab. Darran räusperte sich verlegen. „Wenn Sie mich entschuldigen würden? Mein Dienst fängt bald an. Ich wollte nur kurz sehen, wie es Jedi Veila geht.“ „Natürlich. Sie sind jederzeit willkommen“, erklärte Leia offenherzig. Mit einem Brummen, das Tahiri nicht einordnen konnte, stimmte Han zu. Als Darran den Raum verließ, fühlte Tahiri sich nicht besser. Die aufmerksamen Blicke von Han und Leia machten ihr zu schaffen, aber zumindest fragten die Beiden sie nicht aus und unternahmen auch keinen Versuch, sie zu trösten – denn dass sie ihre Tränen und das Zittern ihrer Schultern bemerkten, stand außer Frage. Kapitel 13: ------------ „Du!“ Perplex blinzelte Ben, als sein Onkel mit drohend erhobenem Finger in das Apartment gestampft kam. Tesar, Valin und Jysella saßen mit ihm im Wohnbereich und wollten eigentlich die Pläne für die nächsten Tage besprechen. Jetzt jedoch blickten sie eher neugierig denn beunruhigt zwischen Han und Ben hin und her. Hinter Han trat Leia in den Raum. Allein die Tatsache, dass sie ihren Gatten nicht aufgehalten hatte, sagte Ben, dass er nicht mit ihrer Hilfe zu rechnen brauchte. „Was ist mit mir?“, fragte Ben irritiert. „Du weißt, was mit Tahiri los ist!“ Ben unterdrückte einen Seufzer. Er hätte sich denken können, dass die Beiden ihn irgendwann ausquetschen würden. Seine Hoffnung, dass Darran Tahiri helfen könnte, ihre Krise zu bewältigen, war von Anfang an mehr eine Illusion gewesen als alles andere. „Das ist eine Privatangelegenheit“, machte Ben einen halbherzigen Versuch, die ganze Sache abzuwehren, auch wenn er es besser wusste. „Das ist eine Familienangelegenheit“, widersprach Leia ruhig, aber mit unnachgiebigem Blick. „Wir gehen dann mal“, verkündete Jysella mit erhobener Stimme und ergriff den Arm ihres Bruders. „Wir können die Pläne auch alleine fertig stellen.“ Valin war die Neugierde deutlich anzumerken, als er Jysella folgte. Selbst Tesar schien für einen Moment zu erwägen, einfach hier zu bleiben. Ben war den Dreien für ihre Einsicht dankbar. Er rechnete es seinem Onkel hoch an, dass dieser lange genug wartete, bis die drei Jedi-Ritter das Apartment verlassen hatten, ehe es erneut aus ihm herausplatzte: „Jetzt rede! Wieso geht es Tahiri so schlecht? Und was hat Darran Darklighter damit zu tun?“ Ben zögerte. Darran und Tahiri waren seine Freunde und sie hatten sich ihm anvertraut. Außerdem war die ganze Sache sehr heikel. Ben war sich alles andere als sicher, ob es gut war, die Solos einzuschalten. Aber andererseits besaßen sie wesentlich mehr Erfahrungen und kannten Tahiri auch viel länger als er selbst. „Darran ist in Tahiri verliebt“, erklärte Ben schließlich leise. „Er hat mir erzählt, dass er damals Tahiris Ernennung zum Jedi-Ritter auf Mon Calamari gesehen und seitdem ihre Entwicklung verfolgt hat.“ Die Solos tauschten einen beunruhigten Blick, aber Ben entschied, ihnen auch die zweite Hälfte des Problems auf den Tisch zu legen. „Ich glaube, dass Tahiri diese Gefühle erwidert und sich vehement dagegen zu wehren versucht. Von der ersten Begegnung an hat es ihr immer zugesetzt, auch nur in Darrans Nähe zu sein.“ Für mehrere Sekunden herrschte angespanntes Schweigen. Hans gemurmelter Fluch – einer von der Sorte, die er nie in Allanas Hörweite von sich geben würde – schien Leia schließlich aus ihrer Starre zu reißen. „Du glaubst, dass Tahiri gegenüber Anakin Schuldgefühle hat?“ „Das ist Banthapoodoo“, unterbrach Han seine Frau. „Anakin hätte sich sicher für Tahiri gewünscht, dass sie glücklich wird.“ „Natürlich hätte er das, aber das ändert nichts daran, dass Tahiri ihn immer noch liebt“, erklärte Leia mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. Sofort griff Han nach ihrer Hand. Auch nach all den Jahren noch war ihr die Trauer um ihren jüngsten Sohn nur zu deutlich anzusehen. Für Ben hatte seine schöne Tante noch nie so alt ausgesehen wie in diesem Moment. „Wieso hast du es uns nicht gleich erzählt?“, wollte Han wissen. Vorwürfe lagen in seiner Stimme und in seinem Blick. „Ich wollte Tahiri und Darran die Chance geben, es alleine zu klären“, erwiderte Ben ruhig. Er sah seinem Onkel an, dass diesem ein barscher Kommentar auf den Lippen la, aber eine beschwichtigende Geste Leias hielt ihn zurück. „Wir können Tahiri nicht dazu zwingen, sich auf Darran einzulassen“, fuhr Ben daher bedächtig fort. „Sie muss das mit sich selbst ausmachen.“ „Und was ist mit dem Darklighter-Burschen?“, brummte Han, dem es offensichtlich nicht behagte, bei der ganzen Angelegenheit keinen richtigen Sündenbock zu haben. „Ich vertraue ihm“, erwiderte Ben ohne Zögern und blickte seinem Onkel offen in die Augen. „Was auch immer Tahiri entscheidet, er wird es akzeptieren. Wenn sie Zeit braucht, wird er sogar weitere zwanzig Jahre warten und, wenn sie ihn lässt, wird er ihr bedingungslos zur Seite stehen. Er ist in einem jedi-freien Umfeld aufgewachsen, aber er kann sich mir problemlos anpassen. Wenn Tahiri ihn lässt, wird er es bei ihr auch tun.“ „Darklighters sind ja solche Streber“, murrte Han unzufrieden. Leias Mundwinkel zuckten verräterisch, als sie den Arm ihres Mannes mitleidig tätschelte. Allerdings wurde ihre Miene schnell wieder ernst. „Es gefällt mir nicht, schon wieder nichts für sie tun zu können.“ „Mir auch nicht“, gab Ben schulterzuckend zu. „Aber es hilft ihr vielleicht, wenn ihr bei ihr bleibt. Ich würde es selbst tun, wenn hier nicht so viele Sith herum laufen würden.“ „Du hast bereits viel für Tahiri getan, jetzt sind wir dran“, sagte Leia beruhigend. Ben nickte dankend, obwohl er immer noch um seine Partnerin in Sorge war. Er würde diese Sorge ablegen müssen, um sich auf seine Aufgaben konzentrieren zu können: Kessel, die Gipfelschilde, die Jagd nach den Sith… „Ich glaube, Meister Horn meinte Darran, als er davon gesprochen hat, dass auf Kessel eine wichtige Prüfung auf Tahiri wartet“, murmelte Ben. Han schnaubte entnervt: „Visionen!“ Leia seufzte leise, ließ Hans Ausruf ansonsten jedoch unkommentiert. Auch Ben verkniff es sich, seinem Onkel etwas über Machtvisionen erzählen zu wollen. Das war genauso sinnlos, wie mit einem Sternenjäger auf ein Schwarzes Loch zu feuern. Anscheinend entschied Leia, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln, denn nun fixierte sie Ben mit ihrem unnachgiebigen Politikerinnenblick: „Ben, was war während deines Kampfes mit dem Sith los? Deine Gefühle im Kampfgeflecht waren seltsam verworren.“ Wieder einmal zögerte Ben. Nicht weil er sich den Solos nicht anvertrauen wollte, sondern weil er wirklich nicht wusste, wie er die Begegnung mit Vir einordnen sollte. „Ich denke, mit Hilfe des Kampfgeflechts hätte ich den Sith besiegen können“, begann er unsicher. „Aber es hat sich angefühlt, als würde ich den Falschen bekämpfen.“ „Du meinst, weil es nur ein Handlanger und keiner der Kommando führenden Sith-Lords war?“, fragte Han. Langsam schüttelte Ben den Kopf. „Nein, es hatte ganz speziell mit Vir zu tun.“ „Vir? Du kennst den Sith?“ „Er war ein Mechaniker bei den Renegaten, den ich später für die Gipfelschilde rekrutiert habe“, erklärte Ben. Nur zögerlich fuhr er fort: „Er hat mir gesagt, dass sein richtiger Name Vir Khai ist.“ Han und Leia reagierten ganz genau so, wie Ben es erwartet hatte. Seine Tante presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, um sich zu beherrschen, ihr Mann hingegen ließ von vorneherein alle Beherrschung fahren und ließ seinen Sturm ungezügelt an die Luft. „Ein Verwandter dieses verräterischen Miststücks?!“ Ben schwieg, als sich weitere Verwünschungen und unschmeichelhafte Bezeichnungen in einem regelrechten Gewitter entluden. Er konnte die Wut seines Onkels verstehen. Vestara hatte die Solos in einer kritischen Situation verraten, damit die Sith Allana töten konnten. Und später hatte sie durch ihre Machenschaften dazu beigetragen, dass Han von den Columi-Brüdern gefoltert wurde. Auch die Tatsache, dass sie Ben verraten hatte, der sie aufrichtig geliebt und sich darum bemüht hatte, ihr auf den Weg der Jedi zu helfen, wog schwer für sie. Nicht so schwer jedoch wie für Ben selbst, der immer noch Gefühle für die gleichaltrige Sith hegte. Vestara war seine erste Erfahrung mit dem großen Mysterium Liebe gewesen und auch wenn er mittlerweile reif genug war, um sich davon nicht beeinflussen zu lassen, waren seine Gefühle nicht ganz und gar erkaltet. Darin sah er selbst nichts Bedenkliches und sein Vater teilte diese Ansicht. Darüber hatte sie sich während eines ihrer seltenen Kom-Gespräche unterhalten. Gefühle waren ihm als Jedi nicht verboten, er durfte sich nur nicht von ihnen irreleiten lassen. Als sein Onkel sich vorübergehend genug verausgabt hatte, ergriff er das Wort: „Die Verwandtschaft mit Vestara scheint Vir auf Keshir in Ungnade gestürzt zu haben. Vir hegt deswegen einen persönlichen Groll gegen mich. Oder glaubt es zumindest.“ „Glaubt es?“, wiederholte Leia stirnrunzelnd und legte beruhigend eine Hand auf das Bein ihres Mannes. „Es hat sich nicht so angefühlt, als wäre Vir beim Kampf gegen mich mit ganzem Herzen dabei gewesen“, erklärte Ben, der sich selbst darüber in Klaren war, wie vage das klang. „Und es gibt noch weitere Ungereimtheiten, was Vir betrifft.“ „Du meinst zum Beispiel seine Tarnung als Mechaniker?“, hakte Leia nach. „Was soll denn damit sein?“, mischte Han sich ein. „Als einfacher Mechaniker ist dein Aktionsradius viel zu eingeschränkt. Du hast kaum Zugangsberechtigungen zu sensiblen Gebieten und im Grunde gar keinen Einblick, geschweige denn Einfluss, auf Entscheidungsfindungen in den oberen Rängen. Weder für größere Sabotageakte noch für Infiltrationen ist dieser Posten geeignet.“ Abwägend legte Han den Kopf schräg. Sein Gemüt hatte sich wieder abgekühlt und jetzt dachte er scharf nach. „Und wenn genau das der Trick ist? Vielleicht ist er der Mittelsmann zwischen den anderen Spionen und Keshir.“ „Das schien bisher nicht die Vorgehensweise der Sith zu sein“, erwiderte Ben nüchtern. „Kein einziger der bisher identifizierten Spione hatte nachweislichen Kontakt zu einem der anderen Spione.“ „Gut, nehmen wir einmal an, dieser Vir hat bei seiner Tarnung schlicht und einfach eine schlechte Wahl getroffen, das spricht ihn nicht frei. Er könnte hinter dem ersten Attentat auf Ben gesteckt haben.“ Entschieden schüttelte Ben den Kopf. „Wenn Vir es darauf angelegt hätte, hätte er es garantiert geschickter angestellt. Vir ist als Mechaniker ein Genie, dagegen war der Attentäter ein Stümper. Außerdem…“ „Was außerdem? Junge, warum musst du deinem Vater immer ähnlicher werden?“, brummte Han und tätschelte Leias beschwichtigende Hand auf seinem Arm. „Ich glaube, dass Vir Tahiri hätte töten können. Bevor ihr und die anderen Jedi hier angekommen seid, bin ich Vir vor der Medstation begegnet. Seine Hand war verletzt und ich habe keine Gefahr für Tahiri gespürt, deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht, aber er hätte es tun können.“ „Und jeder andere Sith hätte es wohl auch getan“, murmelte Leia. „Moment mal!“, schaltete Han sich ein und blickte misstrauisch zwischen seiner Frau und seinem Neffen hin und her. „Sucht ihr etwa gerade nach einem Grund, diesen Burschen zu begnadigen? Das ist ein Sith!“ „Nur weil er so erzogen wurde, aber das heißt nicht, dass er einer bleiben muss“, entgegnete Ben und straffte die Schultern. „Bisher hat Vir sich nichts zuschulden kommen lassen. Vielleicht sollten wir ihm eine Chance geben.“ Ein Blick in die ernsten Augen seiner Tante ernüchterte Ben wieder. Er wusste, was ihr auf der Zunge lag: Verrannte er sich da vielleicht in etwas? Projizierte er seine früheren Hoffnungen bezüglich Vestara jetzt auf Vir? Unsicher lauschte Ben in sich hinein. Was er hervorgebracht hatte, konnte auch andere Deutungsmöglichkeiten beinhalten. Virs Tarnung und Zurückhaltung konnten auch ganz andere Gründe haben. Und dennoch wurde Ben das Gefühl nicht los, dass von Vir überhaupt keine Gefahr ausging… Ben straffte die Schultern und sah erst seinem Onkel, dann seiner Tante fest in die Augen. „Dad hat Mom eine Chance gegeben und sie wurde zu einem der besten Jedi-Meistern des Neuen Ordens. Ich habe Tahiri eine Chance gegeben und sie ist zur Familie zurückgekehrt. Dad und ich haben Vestara eine Chance gegeben und sie hat uns verraten. Nichts desto trotz war es richtig, ihr diese Chance zu geben. Vir verdient auch so eine Chance und ich werde sie ihm geben und die Verantwortung dafür übernehmen.“ Ein anerkennendes Lächeln umspielte Leias Lippen. „Es kommt mir wie gestern vor, dass du ein winziges rosa Bündel warst, das zwei der mächtigsten Jedi der Geschichte auf Trab gehalten hat.“ „Und jetzt bist du ein Jedi, wie deine Eltern es waren. So idealistisch wie dein Vater und so stur wie deine Mutter“, gluckste Han und schlug seinem Neffen kräftig auf die Schulter. Diese Worte machten Ben gleichermaßen verlegen und stolz. Der Gedanke, dass er beiden Elternteilen ähnelte, gefiel ihm. Erschöpft lehnte Vir sich gegen die raue, unregelmäßige Wand des Minenschachts, der ihm als Versteck diente. In seiner Hand hielt er den letzten Glasdolch, den er noch hatte. Seine Finger schlossen sich so fest darum, dass die Knöchel weiß hervor traten. Sein Arm zitterte vor Anstrengung. Er hatte das Gefühl, als würde er etwas Wichtiges verlieren, wenn er die Waffe auch nur eine Sekunde lang los ließe. Es war ein Erbstück seines Vaters, der noch vor seiner Geburt bei einem Duell gestorben war. Die Verzierungen hatte seine Mutter vorgenommen, die einen unrühmlichen Krankheitstod erlitten hatte, als Vir fünf Jahre alt gewesen war. Diese Waffe war seine Vergangenheit, seine Herkunft, sein Erbe. Tief holte Vir Luft und suchte nach seiner inneren Ruhe, mit der er bisher alles ertragen hatte. Doch seine Gedanken drehten sich sofort um das Duell mit Ben Skywalker. Wieso hatte er den Jedi nicht töten können? Und wieso hatte der Jedi gezögert, ernsthaft zurück zu schlagen? Unwillkürlich musste Vir wieder an die Vision denken, die er bei seiner ersten Begegnung mit Ben gehabt hatte. Was hatte sie zu bedeuten? Gerne hätte er einen Mentor um Rat gefragt, aber Oberlord Tharai hatte sich nie sonderlich dafür interessiert, seinen Pflichten als Virs Mentor nach zu kommen. Vir verzog das Gesicht, als er daran denken musste, wofür Tharai sich stattdessen interessiert hatte. Ganz automatisch fuhr Vir mit seiner freien Hand in seine Gürteltasche und zog einen alten Hydroschraubenschlüssel hervor. Dem Stück war der Jahre lange Gebrauch deutlich anzusehen. Nach Sithmaßstäben war es ein langweiliger Gebrauchsgegenstand, keiner weiteren Beachtung wert, aber Vir erinnerte es immer daran, wie befriedigend es sich anfühlte, etwas zu reparieren. Er hatte diesen Hydroschraubenschlüssel von dem Meister der ersten Werkstatt in der Unterstadt als Abschiedsgeschenk erhalten. Dieser Akt der Väterlichkeit verwirrte Vir auch heute noch, aber er hatte das gute Stück nie fortwerfen können. Der Anblick des Hydroschraubenschlüssels beruhigte Vir und sein Griff um den Glasdolch lockerte sich, bis er es wagte, ihn zurück in seine Tasche zu stecken. Ganz allmählich glitt die Waffe aus seiner Hand. Je weniger Hautkontakt er mit dem Erbstück seines Vaters hatte, desto befreiter fühlte er sich... Kapitel 14: ------------ Behutsam ergriff Leia die zierliche Hand ihrer Ziehtochter und betrachtete deren schlafendes Gesicht. Es wirkte blass und die Narben stachen deutlich hervor. Leia fühlte sich um zwanzig Jahre zurückversetzt, als eine damals noch so blutjunge Tahiri in einem Krankenbett von Mon Calamari gelegen hatte. Damals waren sie alle ratlos gewesen. Keiner von ihnen hatte auch nur geahnt, dass Tahiris Leben der Trauer gerade erst begonnen hatte. Lange Zeit hatten sie geglaubt, die junge Jedi hätte Anakins Verlust überwunden, nachdem sie mit Riina Kwaad, ihrer Yuuzhan Vong Persönlichkeit, ins Reine gekommen war. Mehr noch als Han, Leia und Jaina hatte Tahiri jedoch die Sehnsucht nach Anakin gequält. Diese Sehnsucht hatte sie unter Jacens Einfluss sogar auf die Dunkle Seite gezogen. Erst Ben war richtig zu Tahiri durch gedrungen. Es schmerzte Leia, dass die Fortschritte der letzten Jahre nun wieder dahin zu sein schienen… Als Tahiris Hand in ihrer leicht zuckte, erschrak Leia. Schnell richtete sie sich wieder gerade auf und drückte behutsam die zierlichen Finger. Langsam schlug Tahiri die grünen Augen auf. Jetzt konnte Leia die Emotionen darin besser deuten. Sie erkannte Zweifel und Schuldgefühle, Sehnsüchte und Ängste. Nicht alles konnte Leia auf Anhieb in den richtigen Zusammenhang bringen, aber sie fühlte sich zumindest nicht mehr so unwissend wie vorher. „Wie geht es dir heute?“, fragte sie sanft. „Immer noch erschöpft“, gestand Tahiri. Leia musste nicht Tekli zurate ziehen, um zu begreifen, warum sich Tahiris Zustand nur so langsam besserte. Die vielen Emotionen und Gedanken um Darran und Anakin hinderten die Jedi daran, sich richtig auf eine Heiltrance zu konzentrieren. Dabei könnte sie mit einer Heiltrance wesentlich schneller wieder auf die Beine kommen. Vorsichtig drückte Leia wieder die Hand ihrer Ziehtochter und hielt sie bei ihren nächsten Worten fest: „Tahiri, du liebst Kommandant Darklighter, nicht wahr?“ Sofort wollte Tahiri ihre Hand fort ziehen, aber Leia hielt sie eisern fest. Es war grausam, Tahiri damit so direkt zu konfrontieren, aber Leia befürchtete, dass sich Tahiris Zustand ansonsten immer mehr verschlechtern würde. „Sprich mit mir, Tahiri.“ „L-lass’ mich“, würgte die junge Frau und kniff die Augen zu. „Ich liebe Anakin!“ „Und er dich, aber gerade weil er dich liebt, will er gewiss nicht, dass du deine Gefühle für Darran verleugnest“, erwiderte Leia bestimmt. Es war qualvoll, in der Gegenwartsform von Anakin zu reden. Auch wenn Luke und Ben ihm vor wenigen Jahren auf einer mysteriösen Machtreise begegnet waren und seine Nachricht an Tahiri überbracht hatten, Anakin war und blieb tot. Die Tatsache, dass er in der Macht weiter lebte, war nur ein schwacher Trost, aber für Tahiri war Anakin offensichtlich noch so präsent, dass sie unmöglich die Vergangenheitsform verwenden konnte. Und Leia wollte sie nicht noch mehr quälen, also ließ sie sich notgedrungen darauf ein. Leider fruchtete der Versuch nicht. Hektisch schüttelte Tahiri den Kopf und rang immer noch um ihre Hand. Leia befürchtete, ihr weh zu tun, also ließ sie los, rückte aber gleich nach und setzte sich auf Tahiris Bettkante. „Tahiri, es ist kein Verrat an Anakin, wenn du dich auf Darran einlässt“, wisperte sie und strich zärtlich durch die weißblonden Haare. „Nein“, wimmerte die Jedi und verkrampfte sich unter Leias Berührung. „Ich kann nicht… Ich will nicht!“ Ein lautes Seufzen ließ Leia aufblicken. Sie hatte sich so sehr auf Tahiri konzentriert, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie Han den Raum betreten hatte. Mit kummervoll besorgter Miene umrundete er Tahiris Bett und nahm das Gesicht der jungen Frau vorsichtig in beide Hände. Sie wollte sich auch dagegen wehren, aber Han ließ nicht los. „Was auch immer du tust, Tahiri, du wirst immer zu unserer Familie gehören. Wenn du dem Darklighter-Burschen eine Chance gibst, heißt das nicht, dass du nicht mehr unsere Tochter bist.“ Das war wieder einer dieser wundersamen Momente, in denen Leia sich fragte, ob ihr Mann tatsächlich nicht machtsensitiv war. Er hatte den Kern von Tahiris Problem erkannt und genau die richtigen Worte dafür gefunden. Für einige Schocksekunden starrte Tahiri ihn einfach nur an, dann brach sie in Tränen aus. Als Han sie in seine Arme zog, klammerte sie sich haltlos schluchzend an ihn. Han brummte beruhigend und strich über das Haar der Jedi, hielt sie mit dem anderen Arm richtig fest, während er über Tahiris Kopf hinweg erleichtert zu seiner Frau blickte. Leia war nicht minder erleichtert. Sie konnte spüren, dass sich etwas in Tahiri gelöst hatte, eine Art Gefühlsknoten, der sich nun wieder in Fäden aufdröselte, die Tahiri auch handhaben konnte. Stück für Stück würde Tahiri sie in Angriff nehmen und Han und Leia würden ihr helfen. Ben lächelte erleichtert, als er die Veränderung bei Tahiri spürte. In den letzten Tagen hatte er sich vehement dafür eingesetzt, dass seine Partnerin nicht behelligt wurde. Er hatte nicht gewollt, dass sich jemand dort einmischte, weil er geglaubt hatte, dass keiner ihr das geben konnte, was sie wirklich brauchte. Aber die Solos hatten zum Glück darauf beharrt, eingeweiht zu werden. Ben war ihnen jetzt wirklich dankbar dafür. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen XJ-X-Flügler, den er mit R2-D2 regelrecht auseinander nahm, um Spuren von Virs Arbeit zu entdecken. Zwar konnte er vage spüren, dass der Sith sich hier aufgehalten und den Sternenjäger oft berührt hatte, aber es gab nicht das geringste Anzeichen für Sabotage. Das verstärkte Bens Überzeugung Vir betreffend, auch wenn er wusste, dass es schwierig würde, Andere davon zu überzeugen. „Du weißt schon, dass wir für so etwas sehr begabte Mechaniker haben?“ Ben drehte sich nicht zu Darran um, als dieser neben ihm stehen blieb. Die Zusammensetzung des Schildgenerators war zu kompliziert, um die Konzentration jetzt fahren zu lassen. Als wolle er das noch mal betonen, pfiff R2-D2 seine nächste Bauanleitung in einer schärferen Tonlage. „Es kann nicht schaden, wenn ein Pilot seinen Sternenjäger auch selbst reparieren kann“, murmelte Ben schließlich und koppelte den Schildgenerator wieder an die Energieversorgung an. Darran schwieg, bis Ben mit der komplizierten Prozedur fertig war, ehe er wieder sprach: „Das hier ist aber kein Übungsstück, nicht wahr?“ R2-D2 trällerte missbilligend und fuhr seinen multifunktionellen Arm aus, um Bens Arbeit zu kontrollieren. Ben vertraute dem Astromechdroiden diese wichtige Arbeit an und wandte sich seinem Flügelmann zu. Darran hielt sich stramm und diszipliniert, aber unter dieser Fassade erkannte Ben Sorgen und Schuldgefühle. Allerdings ließ er dies unkommentiert. Er konnte Darran keinen Rat bezüglich Tahiri geben, denn er wusste selbst noch nicht, wie die Dinge jetzt bei ihr standen. Darran runzelte fragend die Stirn, als er nicht sofort eine Antwort erhielt. „Hast du einen der Mechaniker hier in Verdacht, ein Sith zu sein?“ „Ich weiß, dass Vir Loth einer ist“, erwiderte Ben mit gedämpfter Stimme. Zu seiner Überraschung schüttelte Darran mit aller Entschiedenheit den Kopf. „Unmöglich!“ „Woher nimmst du diese Gewissheit?“ „Vir hat mir vor vier Standardmonaten bei einer Aufklärungsmission in den Unbekannten Regionen das Leben gerettet. Wenn er nicht via Komlink geholfen hätte, die Systemschäden an der Lebenserhaltung provisorisch zu beheben, wäre ich nach einer Kollision mit einem Mikrokometen jämmerlich verreckt. Kein anderer Mechaniker hat sich gezuckt, aber Vir hat sich einfach über das Protokoll hinweg gesetzt, um mich zu retten.“ Wortlos blickte Ben in Darrans tiefblaue Augen. Es war dem Älteren ernst, das spürte Ben. Und diese Geschichte bestärkte ihn in seinem Vorhaben, Vir von der Dunklen Seite zu bekehren. „Vir hat mich gestern angegriffen. Er hat sich als Sith offenbart. Wenn ich das General Kre’fey melde, ist das alles, was zählt.“ Zuerst verschlug es Darran offensichtlich die Sprache, weshalb Ben sich daran machte die Abdeckung wieder über dem Schildgenerator anzubringen. R2-D2 schuhute einmal und rollte dann zum Kran, um sich in den Astromech-Schach heben zu lassen. Er wollte jetzt die Schildsysteme überprüfen. Zum zweiten Mal. Der kleine Droide konnte genauso pedantisch wie sein Protokolldroiden-Freund sein, wenn es darauf ankam. „Wirst du es Kre’fey sagen?“, durchbrach Darran die Stille schließlich. „Noch nicht“, erwiderte Ben ruhig. „Bisher gibt es keinerlei Beweise dafür, dass irgendjemand durch Vir zu Schaden gekommen ist. Er hat nicht einmal ernsthaft gegen mich gekämpft.“ Wieder verfielen sie in Schweigen und Ben musste an Corran Horn denken. Wenn Darran Tahiris Prüfung war, war Bens Prüfung dann Vir? Und was bedeutete das dann? Was sollte Ben hier lernen? Wie so oft in letzter Zeit unterdrückte Ben ein Seufzen. Überrascht blickte er auf, als Darran ihm eine Hand auf die Schulter legte und kräftig drückte. „Sag’ Bescheid, wenn ich irgendwie helfen kann.“ Ein dankbares Lächeln schlich sich auf Bens Lippen, als er nickte. Und diese Dankbarkeit hatte auch eine zweite Ursache. Obwohl er nicht in unmittelbarer Nähe zu Jedi aufgewachsen war, besaß Darran ihnen gegenüber ein gänzlich ungetrübtes Vertrauen. Ben hoffte sehr, dass Tahiri und Darran zueinander fanden. Kapitel 15: ------------ „Vir?“ Die Stimme schreckte Vir aus seiner Trance. Er hatte versucht, seine Körperfunktionen herunter zu fahren, um den nun schon tagelang andauernden Entzug von Nahrund und Wasser abzuschwächen. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er erkannte, dass sie zu Kommandant Darklighter gehörte. „Vir, ich weiß, dass Sie hier irgendwo sind“, rief der Pilot mit jenem freundlichen Ton, den er immer in inoffiziellen Momenten gegenüber Vir angeschlagen hatte. Unwillkürlich erinnerte Vir sich an jenem seltsamen Moment der Zerrissenheit vor einigen Monaten, als er erkannt hatte, dass nur er noch Darran Darklighter retten konnte. Bis heute wusste er nicht, warum er es damals getan hatte… „Vir, ich weiß über Sie Bescheid. Ben hat mir erzählt, was geschehen ist.“ Die Stimme kam näher, aber Vir konnte spüren, dass er in seinem hiesigen Versteck immer noch in Sicherheit war. Kommandant Darklighter verfolgte einen Kurs, der direkt an ihm vorbei ging. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie ein guter Mann sind, Vir. Sie müssen nicht bei diesem Sith-Ding bleiben. Ben will Ihnen auch eine Chance geben.“ Seine Gedanken überschlugen sich. Meinte Darklighter das wirklich ernst? Wollte Skywalker einem Sith wirklich eine Chance geben? Wie war das nach allem, was Skywalker mit Sith erlebt hatte – nicht zuletzt auch mit Virs Cousine Vestara –, möglich? Wie gutgläubig waren die Jedi eigentlich? Oder war das eine Falle? Vir tastete nach dem Glasdolch an seinem Gürtel. „Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was Sie jetzt denken, Vir. Aber das hier ist keine Falle und Ben und ich sind auch nicht gutgläubig. Man könnte viel eher sagen, dass wir Zweifler sind. Sie haben uns als Sith nicht unbedingt überzeugt…“ Langsam verklang Darrans Stimme, aber Vir hörte noch, wie der Pilot seine Ansprache mit einem ähnlichen Wortlaut wiederholte. Dieser Mann lief tatsächlich ziellos durch die Stollen und krakeelte immer wieder seine Nachricht heraus. Als es wieder vollkommen still war, beugte Vir sich ächzend vornüber und vergrub die Hände in den Haaren. Er zitterte. Was war nur los mit ihm…? Sechs Männer und Frauen waren auf dem Bildschirm am Kopfende des Tisches abgebildet. Unter jedem Bild waren Zugehörigkeit, Rang und Aufgabenbereich aufgelistet. Die drei Generäle saßen steif auf der anderen Seite de Tisches. Lando und die Jedi hatten sich auf den Breitseiten verteilt. Jysella war die einzige, die stand, in ihrer Hand eine Fernbedienung. Ben hatte ihr das Wort überlassen mit der Begründung, dass sie, Valin und Tesar die Hauptarbeit geleistet hätten. Nun, da Jysella von drei sehr respekteinflößenden Generälen ins Visier genommen wurde, fragte sie sich jedoch, ob Ben genau das ausnahmsweise mal hatte vermeiden wollen. Sie mochte sich nicht vorstellen, wie es war, wochenlang immer wieder diesen bohrenden Blicken ausgesetzt zu sein. Es erinnerte Jysella an die Zeit unmittelbar nach ihrer Ernennung zum Jedi-Ritter. Sie war jedes Mal schrecklich nervös gewesen, wenn sie vor den Rat hatte treten müssen. Diese Erinnerung half Jysella jedoch auch, sich zu beruhigen. Sie war erwachsen und erfahren. Es gab keinen Grund für Nervosität. „Dies sind die Sith, die wir bisher sicher identifiziert haben. Insgesamt lässt sich keinerlei Muster beim Vorgehen der Sith feststellen. Sie infiltrieren alle taktisch wichtigen Bereiche und alle Ränge und Lager. Bislang gab es keine Hinweise für einen Austausch der Spione untereinander. Auch die Kommunikation mit Keshir scheint sehr spärlich zu sein. Drei der Sith hatten den Akten zufolge vor ihrem Einsatz hier Heimaturlaub, was wohl eine gute Gelegenheit gewesen ist, um heimlich nach Keshir zu fliegen. Ob und wann die übrigen drei zuletzt in Kontakt mit ihrer Heimatwelt standen, lässt sich nicht nachweisen.“ Jysella ließ mittels der Fernbedienung vier andere Personen auf dem Bildschirm auftauchen, drei Männer und eine Frau. „Dies sind die Sith, die sich von selbst offenbart haben, als sie versuchten, einige der hier Anwesenden zu töten. Jedes Mal, wenn ein Scheitern offensichtlich wurde, haben sie sich mittels Gift sofort getötet.“ „Also müssen wir befürchten, dass die anderen Sith ebenfalls Suizid begehen, wenn wir versuchen, sie gefangen zu nehmen“, schlussfolgerte General Vorn mit angespannter Stimme. „Leider ja“, gab Jysella zu. „Die einzige realistische Chance besteht, wenn die Sith schlafen. Man müsste ein Betäubungsgas in ihre Quartiere einlassen, um auf Nummer Sicher zu gehen. Danach muss schnell die Giftkapsel im falschen Zahn entfernt werden und am besten wäre wohl ein Ganzkörperscan und eine Untersuchung mit einem Giftschnüfflerdroiden.“ „Die Frage ist nur: Müssen die Sith überhaupt schlafen?“, wandte General Tal ein und legte das Kinn bedächtig auf seinen verschränkten Fingern ab. „Soweit ich es weiß, können Jedi lange Zeit ohne richtigen Schlaf auskommen. Verhält es sich bei Sith ähnlich?“ „Davon müssen wir sogar ausgehen.“ Jysella unterdrückte ein Seufzen. Die Sith aufzuspüren, war eine anspruchsvolle Herausforderung gewesen, aber sich Gedanken darüber zu machen, wie man sie lebend gefangen nehmen konnte, war einfach nur zermürbend. „Es gibt keinen Plan mit hundertprozentiger Erfolgschance, aber wenn wir es gleichzeitig mit einem Betäubungsgas und mit einem der von Lando organisierten Ysalamiri versuchen, stehen die Chancen noch am besten. Ob Sie es versuchen oder nicht, obliegt sowieso Ihnen. Eine Gefangennahme, egal ob erfolgreich oder nicht, könnte die noch nicht identifizierten Sith warnen – und es lässt sich unmöglich sagen, ob sie dann die Flucht ergreifen oder größere Sabotageakte in Gang setzen werden.“ „Ein Risiko, das wir letztendlich sowieso irgendwann eingehen müssen“, erklärte General Kre’fey ruhig. „Allerdings besteht eine Chance, es im Geheimen ablaufen zu lassen, da die Sith weit verstreut sind und nicht miteinander in Kontakt stehen.“ „Und vor dem Gipfeltreffen sollten wir wenigstens die bekannten Sith aus dem Verkehr gezogen haben“, stimmte Tal zu. Die anderen beiden Generäle nickten beifällig. Wie sie es vorher vom Rat aufgetragen bekommen hatte, ergriff Jysella wieder das Wort: „Wir sind zwar für die unmittelbare Durchführung der Operation nicht zwingend notwendig, aber wir wollen hiermit beratende Hilfe anbieten. Zur Ausbildung eines Jedi gehört mittlerweile auch der Umgang mit Ysalamiri. Wir können Ihren Leuten also Hinweise geben, wie sie die Ysalamiri am besten einsetzen können.“ „Davon unangetastet bleiben meine Einsätze mit den Gipfelschilden und unsere Bemühungen, weitere Sith aufzuspüren“, fügte Ben mit ruhiger Miene hinzu. „Zum Schutz der hier stationierten Soldaten und für das Gelingen des Gipfeltreffens hält der Rat der Jedi es für nötig, die Sith aus dem Verkehr zu ziehen.“ Für einen Moment musterte Jysella den Jüngeren. Ihm war nicht einmal im Ansatz anzumerken, dass er den Generälen die Identität eines weiteren Sith verschwieg. Auch gegenüber dem Rat hatte Ben diese Sache nicht erwähnt, aber er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Jysella und die anderen beiden Jedi hatten jeder für sich entschieden, diese spezielle Angelegenheit Ben zu überlassen. „In dem Zusammenhang können wir Sie nun auch über die verschärften Sicherheitsanforderungen der Gipfelteilnehmer informieren“, erklärte Kre’fey an Jysella gewandt, nachdem er Ben dankend zugenickt hatte. „Dem Jedi-Rat wurde die Bitte übersandt, neben Ihnen weitere Jedi als Wächter für das Gipfeltreffen aufzustellen. Die genaue Zahl steht noch nicht fest, aber im Sinne Ihrer Kampfgeflecht-Taktik habe ich darauf bestanden, dass Sie auf die Auswahl Einfluss nehmen sollen. Sie werden am besten einschätzen können, mit welchen Jedi das Kampfgeflecht am besten funktioniert.“ Jysella hatte für einen Moment wirklich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie belämmert sie sich von diesem enormen Vertrauensbeweis fühlte. „Vielen Dank, Sir“, brachte sie zum Glück stotterfrei hervor. Zufällig fiel ihr Blick auf Lando. Der ehemalige Schmuggler grinste breiter, als man das bei einem Menschen für möglich halten sollte, und zwinkerte ihr aufmunternd zu. Von Ben spürte sie Anerkennung und Zufriedenheit und erst jetzt begriff sie voll und ganz, was diese Entwicklung für die Jedi bedeutete: Egal wie das Gipfeltreffen ausgehen sollte, die hiesigen Generäle und ihre Untergebenen waren von Nutzen und Vertrauenswürdigkeit der Jedi überzeugt worden. Das würde sich innerhalb der Streitkräfte herumsprechen und den Jedi bei zukünftigen Operationen mit militärischen Einheiten die Dinge wesentlich einfacher machen. Stolz und erleichtert ließ Jysella sich neben ihrem Bruder nieder. Unbemerkt von allen Anderen ergriff Valin unter dem Tisch ihre Hand und drückte diese sachte. Auch bei ihm spürte sie Stolz und Anerkennung. Im darauf folgenden Gespräch darüber, welche der identifizierten Sith zuerst und wann und wo genau gefangen genommen werden sollten, fiel es Jysella richtig schwer, sich zu konzentrieren und sich ein dümmlich-stolzes Grinsen zu verkneifen. Ernst sah Tahiri ihn an. Er wusste genau, was sie dachte. Dafür brauchte er nicht einmal ihr gemeinsames Kampfgeflecht. Entschlossen erwiderte Ben ihren Blick. „Es ist richtig, Vir eine Chance zu geben.“ „Natürlich ist es das“, erwiderte Tahiri sanft. „Aber es ist auch ein großes Risiko. Die gesamte Galaxis blickt erwartungsvoll zum Jedi-Orden. Wie wird es aussehen, wenn du einen Sith aus einer scheinbaren Laune heraus vor einer Gefangenschaft bewahrst?“ Ben verkniff es sich, Tahiri zu erklären, dass es sich nicht um irgendeine Laune handelte. Das wusste Tahiri selbst. Sie sprach über jene, die kein Verständnis von der Macht hatten. Für die musste es tatsächlich wie eine Laune wirken. „Wir sind nicht den Erwartungen der Galaxis verpflichtet, sondern der Macht und unserem Kodex.“ „Was nicht heißt, dass wir sakrosankt sind“, brachte Tahiri ein weiteres Argument hervor, das er bereits selbst hin und her gedreht hatte. Seit Tagen zerbrach er sich in jeder freien Minute den Kopf über Vir. Als Tahiri sich via Kom mit ihm in Verbindung gesetzt hatte, damit er zu ihr kam und ihr alles richtig erklärte, war er beinahe erleichtert gewesen. Nach der Aussprache mit den Solos hatte Tahiri sich endlich in eine wirkungsvolle Heiltrance begeben können. Heute Morgen war sie erwacht und hatte als erstes mit Ben sprechen wollen. Sie wirkte jetzt viel kräftiger und irgendwie auch jünger. Ihre Augen waren wieder voller Leben – und Ben ahnte, dass dieses hier nicht das letzte wichtige Gespräch sein würde, das Tahiri heute zu führen gedachte. „Ben, du hast mir nach allem, was ich angerichtet habe, eine Chance gegeben. Deshalb bin ich garantiert die Letzte, die behauptet, Vir hätte keine Chance verdient. Ich vertraue deinem Gespür, aber das heißt nicht, dass der Rest der Galaxis das auch tun wird.“ Ben beugte sich vor und Tahiri folgte dem Wink und beugte sich ebenfalls vor. Mit gedämpfter Stimme antwortete er ihr und zwinkerte dabei verschwörerisch: „Der Rest der Galaxis muss es nicht erfahren.“ Für einen Moment wirkte Tahiri einfach nur verblüfft, dann lachte sie leise: „Das hast du definitiv von deiner Mutter. Meister Luke ist viel zu brav für so etwas.“ Ben grinste stolz. „Damit hast du wahrscheinlich Recht.“ „Wehe, du verrätst ihm, was ich gesagt habe.“ „Das überlege ich mir noch“, neckte Ben sie übermütig grinsend. Sie verfielen in jenes einvernehmliche Schweigen, das Ben in den letzten Wochen so schmerzlich vermisst hatte, und sahen einander aufmerksam an. Der Ausdruck in Tahiris Augen gefiel Ben. Er ließ ihn hoffen, hauchte ihm Zuversicht ein. Tahiri hatte ihre Prüfung hier auf Kessel beinahe bestanden – und er hatte vor, seine eigene auch zu bestehen. „Es tut mir Leid“, durchbrach er die Stille schließlich. „Vielleicht hätte ich schon vorher etwas unternehmen sollen, aber ich wollte dir und Darran die Chance geben, das alleine zu klären.“ Sachte schüttelte Tahiri den Kopf. „Ich glaube, ich musste das alles erst durch machen, um zu begreifen und zu akzeptieren, dass ich…“ Sie stockte und errötete heftig. Ben konnte einfach nicht anders, er musste grinsen. Nun noch dunkler im Gesicht boxte Tahiri ihm gegen die Schulter, was ihn leise lachen ließ. Sie zauste seine rotblonden Haare. „Rache ist zwar der Weg zur Dunklen Seite, aber das zahle ich dir irgendwann zurück“, brummte sie. „Viel Glück dabei“, gluckste er und zauste nun seinerseits ihre Haare. Als er spürte, wie sich eine bekannte Präsenz näherte, stand er auf und zwinkerte aufmunternd. „Viel Glück“, sagte er und verließ den Raum. Die Tür öffnete sich und er sah sich Darran gegenüber, die Miene unsicher und voller Sorge. Ben drehte sich noch mal um. Tahiri wirkte nervös und schuldbewusst, aber auch entschlossen und hoffnungsvoll. Lächelnd trat Ben an seinem Flügelmann vorbei und klopfte diesem kurz auf die Schulter. Davon ermutigt, verschwand Darran im Krankenzimmer und Ben blieb alleine auf dem Korridor zurück. Er wollte schon einen direkten Weg zu seinem Apartment einschlagen, als er zwei starke, geradezu leuchtende Präsenzen in der Macht wahrnahm. Er änderte seinen Kurs und begegnete kurz darauf Han und Lando, letzterer mit einem Sabacc-Kasten unterm Arm. Zweifellos wollten die Beiden zu Tahiri. Ben stellte sich ihnen in den Weg und drehte seinen Onkel an den Schultern herum in die Richtung, aus der er gerade erst gekommen war. „Tahiri kann euch jetzt nicht abzocken, sie hat Besuch“, erklärte er grinsend. Ruckartig blieb Han stehen und verrenkte sich beinahe den Hals, um zu Tahiris Zimmertür blicken zu können. „Was für Besuch?“, fragte er mit zu Schlitzen verengten Augen. „Besuch, bei dem du nicht stören solltest.“ Lando begann wissend zu grinsen und stellte sich zu Hans anderer Seite auf, um diesen gemeinsam mit Ben mit sich ziehen zu können. „Lass’ uns mit Ben spielen, alter Junge. Vielleicht ist er nicht ganz so unfair wie sein Vater.“ „Dad ist nicht unfair, nur besser als ihr“, feixte Ben, was Lando ein Lachen entlockte. Han stimmte nicht in das Lachen ein und ließ sich auch nur widerwillig von Lando und Ben weiter ziehen. Kapitel 16: ------------ Darrans Finger kribbelten, während er seinen Kaf zum Mund führte. Sein ganzer Körper kribbelte. Er fühlte sich wie in einer Blase aus Unwirklichkeit. Alles schien sich um ihn herum verändert zu haben, dabei wusste sein rationales Selbst, dass er immer noch mit tausenden anderen Offizieren auf einem schmucklosen Asteroiden namens Kessel saß – aber sein rationales Selbst hatte momentan nichts mehr zu melden. „Darf ich?“ Darran zuckte überrascht zusammen, als sich auf einmal Han Solo mit einer sehr grimmigen Miene ihm gegenüber niederließ. Irgendwoher kannte Darran diese Miene, aber er kam nicht sofort drauf. Beunruhigend intensiv musterte der ehemalige Schmuggler seinen Gegenüber. Darran wagte es nicht, auch nur zu blinzeln, aber aus dem Augenwinkel erkannte er vage drei Personen, die einige Tische entfernt Platz genommen hatten und ihn und Han Solo zu beobachten schienen. „Also…“, knurrte der alte Rebellengeneral schließlich. „Du und Tahiri, ja?“ Beinahe wäre Darran errötet. Es war ja nicht so, dass er geglaubt hätte, die Solos würden nichts über ihn erfahren, dennoch war das hier eine Inspektion, die er nicht so schnell erwartet hatte. Jetzt wusste er auch, woher er diese grimmige Miene kannte. Genau so hatte sein Vater drein geblickt, als seine Schwester Serrel mit einem Kadetten der Sternenjägerakademie nach Hause gekommen war. Als Sevan, die Jüngste der Darklighters, Jahre später ihren Vater erst bei ihrer Verlobung davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass sie einen Freund hatte, hatte Darran es zum ersten Mal erlebt, dass der sonst so gefasste und korrekte Gavin Darklighter ernsthaft darüber nachgedacht hatte, sein Amt zu missbrauchen, um diesen dahergelaufenen Frachterpiloten hinter Schloss und Riegel zu bringen. Die Erinnerung an seinen Vater beruhigte Darran wieder. Väter wurden wohl alle etwas närrisch, wenn es um ihre Töchter ging. Wenn es nicht ihn selbst beträfe, fände Darran das hier sogar irgendwie witzig. So jedoch rang er um jedes Quäntchen Fassung und Würde. „Ehm… ja, Sir.“ Na ja, an der Sache mit der Würde musste er noch arbeiten. „Ich möchte eines ganz klar stellen, Junge“, begann Han knurrend. Wie beiläufig holte er seinen antiken Blaster aus dem Holster und legte ihn auf den Tisch. „Blutsverwandtschaft hin oder her, Tahiri ist meine Tochter. Und wenn du meine Tochter unglücklich machst, wirst du nicht einmal dann vor mir sicher sein, wenn du dich jenseits des Äußeren Randes begibst. Und ich bin keineswegs so antik wie mein Ruf. Ganz zu schweigen davon, dass ich viele Freunde habe, denen etwas an meinem Mädchen liegt. Ist das soweit klar?“ Stockend nickte Darran. „Glasklar… Sir…“ Han Solo schnaubte wie ein kampflustiger Banthabulle und erhob sich ohne ein weiteres Wort. Perplex blickte Darran dem Rebellenhelden hinterher. Er hätte jetzt mit einem sehr unangenehmen Verhör gerechnet. Nicht dass die Drohung nicht schon beängstigend genug wäre, aber Darran hatte das Gefühl, sehr viel milder behandelt worden zu sein als ihrerzeit seine beiden Schwäger. Als wieder jemand zu ihm trat, rechnete er schon fast damit, dass Han Solo es sich anders überlegt hatte, aber es waren dessen Frau, deren Neffe und sein alter Schmugglerkollege Lando. Alle Drei grinsten breit. „Machen Sie sich keine Sorgen, Darran“, sagte Prinzessin Leia amüsiert. „Mein Mann wollte nur die Traditionen wahren.“ „Du meinst wohl, dass er sich nicht anmerken lassen wollte, wie sehr er sich freut“, lachte Lando und schlug Darran kameradschaftlich auf die Schulter. Ben schnaubte belustigt und verdrehte die Augen. „Onkel Han geht die Dinge gern etwas anders an als andere.“ Er bot Darran eine Hand an. „Willkommen in der Familie, Darran.“ Immer noch etwas belämmert schlug Darran ein und erwiderte danach unbeholfen die Umarmung der alderaanischen Prinzessin. Es dauerte mehrere Minuten, während der Lando, Ben und Leia weiter scherzten und eine Art kleiner Familienfeier in Gang setzten, bis er sich wieder erholt hatte. Als Lando eine Flasche corellanischen Brandy hervorzauberte und öffnete, grinste Darran selig vor sich hin. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass die Skywalkers und Solos Ärger anzogen wie eine Hapanerin ihre Freier, war es doch ein verdammt gutes Gefühl, dazu zu gehören. Insgeheim schwor er sich hoch und heilig, sie alle – und ganz besonders Tahiri – niemals im Stich zu lassen. Übermüdet und hungrig strich Vir sich über das verdreckte Gesicht und versenkte sich in der Macht, um sich zu erfrischen. Die Wirkung fiel mäßig aus, was nicht verwunderlich war angesichts der Tatsache, dass er sich schon seit fünf Tagen in den Minen versteckte. Die Macht war grenzenlos, aber der Körper nicht. Irgendwann hielt er es ohne Schlaf und Nahrung nicht mehr aus, insbesondere dann nicht, wenn Virs Verbindung zur Macht gestört war. Deshalb hatte Vir die Minen verlassen. Er hatte nichts zu gewinnen, wenn er sich weiter versteckt hielt. Im Gegenteil sogar. Wenn er seine Mission überhaupt noch erfolgreich abschließen wollte, dann durfte er nicht länger warten. Das hier war seine letzte Chance… Zischend öffnete sich die Tür zu Ben Skywalkers Apartment, nachdem Vir sie kurzgeschlossen hatte – einer der ersten Tricks, die er in Coruscants Unterstadt gelernt hatte. Zu seiner Überraschung ging kein Einbruchsalarm los. Entweder glaubte Ben Skywalker, dass er jedes Eindringen sofort bemerken würde, oder das hier war eine Falle… Das großräumige Wohnzimmer wurde nur von den Lichtern erhellt, die durch die Fenster fielen, aber Vir erkannte die Silhouette des Jedi sofort, die sich im meditativer Haltung mitten im Raum befand. Vor ihr am Boden lag Virs Lichtschwert. „Ganz schön leichtsinnig, alleine auf mich zu warten“, murmelte Vir und rief das Lichtschwert in seine Hand, aktivierte es jedoch noch nicht. „Diese Eigenschaft wird meiner Familie schon seit vielen Jahren nachgesagt“, erwiderte der Gleichaltrige ruhig und erhob sich, wobei er ebenfalls sein Lichtschwert zog, ohne es zu aktivieren. „Es war auch ganz schön leichtsinnig, Kommandant Darklighter in die Minen zu schicken. Ich hätte ihn töten können.“ „Und du hast es nicht getan.“ Vir fühlte sich auf einmal in die Ecke gedrängt. „Er wäre die Mühe nicht wert gewesen“, fauchte er und sein Daumen am Aktivierungsknopf zuckte leicht. Ben legte den Kopf schräg und musterte ihn ernst. „Vir, wir müssen das hier nicht tun. Wir müssen keine Feinde sein.“ „Sei still!“, zischte Vir und aktivierte seine Waffe. Ben machte keinerlei Anstalten, seine eigene zu erheben. Sie lag locker in seiner Hand, wirkte beinahe beiläufig. „Du hast Darran nicht nur verschont, du hast ihm sogar schon mal das Leben gerettet.“ „Eine Laune, nichts weiter“, versuchte Vir diesen Schwachpunkt abzutun. „Diese Laune überkommt dich oft, Vir“, erwiderte Ben und seine blauen Augen schienen dabei vor Intensität zu glühen. „Du hattest unzählige Gelegenheiten, um mich zu töten, ohne deine Deckung zu gefährden – und du hast mich immer wieder verschont. Du hast Tahiri verschont.“ „Sie war…“ Vir rang um Worte, rang um seine immer mehr bröckelnde Fassung. „Sie war vollkommen wehrlos. Sie ist eine von wenigen hundert Jedi. Es gab nur einen einzigen Grund für dich, sie nicht zu töten. Nur einen einzigen…“ Vir heulte auf wie ein verwundetes Tier und griff an, alle Finesse, alle Vernunft vergessen. Leichtfertig wich Ben aus, ohne auch nur Anstalten zu machen, sein eigenes Lichtschwert endlich zu aktivieren. Viel zu spät bemerkte Vir, dass Bens Lichtschwert noch immer an dessen Gürtel hing und dass der Griff in Bens Hand kein normaler Lichtschwergriff war. Das Shoto aktivierte sich zischend und endete in Virs eigenem Lichtschwergriff, schmorte die Kristalle darin. Sofort erstarb die rote Klinge und gleich darauf deaktivierte Ben sein Shoto wieder. Vir hatte etwas darüber gelesen. Das Shoto war eine Modifikation des herkömmlichen Lichtschwerts, gerade einmal halb so lang, was richtig eingesetzt, eine sehr effektive Waffe sein konnte. So wie gerade eben. „Vir, was bindet dich an die Sith? Du glaubst nicht an ihr Credo und sie blicken Vestaras wegen auf dich herab. Welchen Grund solltest du haben, ihnen die Treue zu halten?“ Vir stieß den Jedi von sich, aber Ben fand beinahe sofort zu seinem Gleichgewicht zurück. Sein Blick noch immer so intensiv ruhig. Es gab nicht das geringste Anzeichen von Feindseligkeit oder Zweifeln. „Wieso?“, krächzte Vir und schüttelte verständnislos den Kopf. „Wieso gibst du mir eine Chance? Ich bin ein Sith!“ „Bist du das wirklich?“ „Ich…“ Vir konnte es nicht sagen. So sehr er es sich auch wünschte, er konnte nicht voll und ganz aufrichtig sagen, dass er ein Sith war. Es fühlte sich falsch an. Es war eine Lüge. Eine Farce. Eine Selbsttäuschung. „Vir, du bist in Wahrheit kein Sith, nicht wahr? Du bist so aufgezogen worden, aber das heißt nicht, dass das dein unumgängliches Schicksal ist.“ Langsam holte Vir den Hydroschraubenschlüssel hervor und dachte daran, wie gut er sich fühlte, wenn er etwas reparierte. Wie ungewohnt und doch angenehm es war, wenn jemand ihm freundlich und ehrlich gegenüber trat. Zutiefst verunsichert blickte er wieder in Bens Augen. Der Jedi lächelte und irgendwie wusste Vir in diesem Moment, was er wirklich war. „Ich bin kein Sith und kein Spion. Vielleicht bin ich ein Jedi. Vielleicht bin ich keins von Beiden. Ich weiß es nicht“, murmelte er und ließ den zerstörten Lichtschwertgriff fallen. „Was ich vollkommen sicher weiß, ist, dass ich ein Mechaniker bin…“ Ein jungenhaftes Grinsen stahl sich auf Bens Lippen. „Dann solltest du auch weiterhin einer bleiben!“ Kapitel 17: ------------ „Mir wäre es lieber, wenn du noch eine Woche hier bleiben würdest, aber ich bin ja nur eine Heilerin, also was weiß ich schon.“ Der Tonfall der Chadra Fan Jedi war beinahe eisig, während sie mit angelegten Ohren ihre Patientin untersuchte. „Ich ziehe doch nicht gleich wieder in den Kampf, Tekli“, versuchte Tahiri es beschwichtigend, aber die Heilerin warf ihr nur einen vorwurfsvollen Blick zu und fuhr dann mit ihren Untersuchungen fort, während sie etwas von Solo-Starrsinn murmelte. Tahiri seufzte ergeben und blickte zu Darran, der mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand lehnte. Seine Miene blieb ruhig, aber seine Augen funkelten amüsiert. Seit zwei Wochen verbesserte sich Tahiris Zustand immer mehr und seit einer Woche führte sie eine Beziehung mit Kommandant Darran Darklighter. Sie konnte kaum fassen, wie gut sie sich deswegen fühlte. Mittlerweile befand sich ein Dutzend einsatzbereiter Jedi auf Kessel, die unter der Leitung von Tesar und den Horn-Geschwistern weiterhin nach Sith suchten, derer nun bereits zehn identifiziert worden waren. Elf, wenn man Vir dazu zählte, aber Ben hatte dafür gesorgt, dass man Virs mehrtägige Abwesenheit einem Krankheitsfall zuschrieb. Tekli hatte sich dafür eine möglichst exotische Krankheit aus den Fingern saugen müssen, damit die GA-Ärzte nicht auf die Idee kamen, sich des Falls anzunehmen. Über die tatsächlichen Hintergründe wussten nur die Solos, Darran und Tahiri Bescheid. Tesar und die anderen Jedi konnten sich wahrscheinlich auch einiges denken, aber sie hatten Bens Entscheidung in der Hinsicht ohne Nachfragen akzeptiert. Ben wollte heute nach Ossus abreisen, um vor dem Rat persönlich Rechenschaft abzulegen, und Tahiri wollte ihm beistehen. Vir und Tekli würden mit ihnen kommen. Offiziell war Vir immer noch krank und Tekli wollte ihn im besser ausgerüsteten Labor auf Ossus untersuchen. „Tekli, du begleitest uns doch nach Ossus. Du kannst mich die ganze Zeit im Auge behalten. Außerdem hatten die Generäle doch sowieso nach meiner Verlegung gefragt“, versuchte Tahiri es noch einmal. „Kannst du mir versprechen, dass du noch eine Woche lang das Bett hüten wirst?“, erwiderte die Chadra Fan schnippisch. „Nun, also… ähm… nein“, gestand Tahiri verlegen. Darran schnaubte leise, was ihre Wangen brennen ließ. „Was zu beweisen war“, murmelte Tekli, verfasste noch eine Abschlussbemerkung auf ihrem Datenblock und wandte sich dann an Darran. „In zwei Stunden bei der Jadeschatten.“ „Ich werde Tahiri wohlbehalten dorthin bringen“, versprach der Pilot respektvoll. „Ich bin doch kein kleines Kind mehr“, brummelte Tahiri verdrießlich, als Tekli den Raum verlassen hatte. „Aber eine sehr starrköpfige Jedi“, schmunzelte Darran und trat zu ihr. Lächelnd bot er ihr eine Hand an. Mit schon wieder roten Wangen ließ Tahiri sich vertrauensvoll in die Höhe ziehen. Ihre kleine Hand schien in seiner großen beinahe unterzugehen und dennoch hielt er sie sicher fest. Es schien unmöglich, dass sie ihm jemals entgleiten könnte… Es brachte Tahiri in Verlegenheit, als sie Händchen haltend durch Kessada gingen. Viele der Offiziere, die sie sahen, schienen verblüfft oder verwirrt. Ein paar angetrunkene Gesellen, die wohl einen freien Abend hatten, stießen spontan auf das Paar an und riefen Darran zu, ob er ihnen eine attraktive Jedi-Schwester klar machen könnte. Darran sagte nichts weiter dazu, aber er drückte Tahiris Hand für einen Moment fester. In Bens und Tahiris Apartment packte Tahiri die wenigen Habseligkeiten ein, die sie mit nach Kessel gebracht hatte. In der Küche tranken sie gemeinsam Kaf und schwiegen dabei die meiste Zeit. Irgendwie gab es für Tahiri einfach nichts zu sagen. Sie wollte einfach den Frieden genießen, den Darran ihr gab. Reden konnten sie, wenn sie auf Ossus war und er hier. Er würdest erst nach dem Gipfeltreffen Urlaub bekommen. Wie das alles nach Darrans Urlaub weiter gehen sollte, würde sich noch zeigen. Tahiri wollte nicht aus dem Orden austreten und sie wollte auch nicht, dass Darran ihretwegen seinen Posten beim Militär aufgab. Sie würden schon einen Weg finden, um damit zurecht zu kommen. Als sie sich schließlich wieder auf den Weg machten, ergriff Darran erneut Tahiris Hand, als hätte er Angst, dass sie ansonsten verloren ging. Tahiri musste bei diesem Gedanken lächeln. Im Dock warteten bereits die Solos, Ben, Tekli, R2-D2, C3PO und Vir. Der Sith stand mit dem Rücken zur Jadeschatten und beobachtete alles sehr genau. Seine neue Situation schien ihm noch immer nicht sehr geheuer zu sein. Wenn man aus einer Gesellschaft kam, in der Intrigen quasi zum guten Ton gehörten, war es schwerer denn je, Vertrauen zu fassen, schätzte Tahiri. Aber genau wie sie spürte Vir sicherlich, dass niemand hier Feindseligkeit ihm gegenüber hegte. Tahiri wurde abgelenkt, als die Solos zu ihr und Darran traten. Leia schloss sie lächelnd in die Arme und danach fand sie sich in Hans bärenhafter Umarmung wieder und spürte einen kratzigen Kuss auf der Wange. „Grüß’ Jaina, Klein-Fel und Allana von uns, wenn du auf Ossus bist“, bat Han und zauste Tahiris Haare. „Ach, und Jag kannst du auch grüßen. Ist aber auch nicht so schlimm, wenn du es vergessen solltest.“ „Han…“ Leias seufzte und verdrehte die Augen, ehe sie sich freundschaftlich von Darran verabschiedete. Ihr Mann reichte dem jüngeren Piloten lediglich die Hand. Keiner der Beiden sagte etwas, aber am Zucken ihrer Unterarmmuskeln konnte Tahiri erkennen, dass Han wohl deutlich stärker zudrückte, als es notwendig wäre. Sie wollte schon etwas sagen, doch Leias sachtes Kopfschütteln ließ sie abwarten, bis Han den Griff löste. „Wenigstens suchen unsere Töchter sich Männer aus, die auch anpacken können“, brummte Han und drehte sich abrupt um, um sich von Ben zu verabschieden. „Gebt ihm Zeit, um sich daran zu gewöhnen“, schmunzelte Leia und umarmte ihre Ziehtochter nochmals, ehe sie Han folgte. Kaum dass die Solos sich von ihrem Neffen verabschiedet und sowohl Tekli, als auch Vir zum Abschied zugenickt hatten, packten sie C3PO, der rührselig auf R2-D2 einredete, und verließen das Dock. Im Nachbardock befand sich der Millenium Falke. Nun da das Gipfeltreffen und somit die Ankunft unzähliger Politiker kurz bevor stand, hielt es das Paar nicht mehr auf Kessel. Tahiri würde die Beiden sehr vermissen, aber sie war sich sicher, dass sie sie bald wieder sehen würde. Darran und Ben umarmten einander kameradschaftlich. „Pass’ gut auf die Gipfelschilde auf, während ich weg bin“, ermahnte Ben seinen Flügelmann grinsend. „Und du dafür auf Tahiri“, erwiderte dieser ebenso grinsend. „Freundin gegen Sternenjägerstaffel. Sehr charmant“, murmelte Tahiri gespielt beleidigt. „Zu dir komme ich gleich“, versprach Darran lächelnd und wandte sich dann an Vir. Er bot dem Sith die Hand an und weder in der Macht noch an seiner Körperhaltung oder Stimme war ihm auch nur der geringste Argwohn anzumerken, als er sprach. „Machen Sie es gut, Vir. Wir sehen einander hoffentlich wieder.“ Zögerlich schlug der junge Mann ein. „Passen Sie gut auf Ihre Schilde auf, Kommandant. Ich werde sie in nächster Zeit nicht für Sie justieren können.“ Ben gluckste beifällig und Darran grinste breit, als er antwortete: „Ich werd’s mir merken. Möge die Macht mit Ihnen sein, Vir.“ „Und mit Ihnen, Kommandant.“ Ben bedeutete Vir, ihm ins Innere der Jadeschatten zu folgen, damit Darran und Tahiri sich im Privaten voneinander verabschieden konnten. Darran schlang einen Arm um Tahiris Taille, rief jedoch noch mal nach Vir. „Bei unserem nächsten Treffen bin ich für Sie übrigens nur noch Darran.“ Der junge Mann stockte. In dem Sekundenbruchteil, den er brauchte, um sich wieder zu fassen, konnte Tahiri Überraschung in seinen grauen Augen erkennen. „Ist gut“, murmelte er und verschwand im Inneren der Sternenyacht. Als sie alleine waren, wandten Darran und Tahiri sich einander zu. Die Jedi hatte das Gefühl, als könnte er ihr bis auf den Grund ihrer Seele blicken. Ihr ganzes Denken und Sein schien nur noch aus diesem intensiven Blickkontakt zu bestehen… Als sie fünf Minuten später ins Cockpit der Jadeschatten trat, begrüßte R2-D2 sie flötend und Ben im Pilotensitz bedachte sie mit einem breiten Grinsen. Tahiri versuchte, die Beiden zu ignorieren, und setzte sich auf den Copilotensitz. Ben hatte bereits den Abflugvektor und den Hyperraumsprung berechnet und den Startcheck durchgeführt, also blieb für sie nichts weiter zu tun, als die Sensoren im Auge zu behalten. Als sie die künstliche Atmosphäre von Kessel verließen, gesellte sich ein Ehrengeleit aus Gipfelschild- und anderen Staffelangehörigen zu ihnen. Das Komlink meldete sich zu Wort und auf dem Vidschirm erschienen die ernsten Gesichter der Generäle Kre’fey, Vorn und Tal. „Jedi Skywalker, Jedi Veila, wir halten hier die Stellung. Wir wünschen Ihnen eine gute Reise und Ihnen, Jedi Veila, eine baldige Genesung“, erklärte General Vorn lächelnd. „Vielen Dank dafür und auch für die gute Zusammenarbeit“, erwiderte Ben ebenfalls lächelnd. „Die letzten Wochen waren…“ „Eine Bereicherung“, vollendete Tal den Satz und Kre’fey nickte bekräftigend. „Das Gipfeltreffen wird sich gewiss einige Zeit hinziehen. Sie sind also jederzeit willkommen, wieder die Führung der Gipfelschilde zu übernehmen, Skywalker.“ Ben nickte dankend. Für Tahiri war es immer noch verblüffend, wie respektvoll und freundlich die Generäle sich jetzt ihnen gegenüber verhielten. Besonders Tal und Vorn waren vorher sehr misstrauisch gewesen. Kein Vergleich zu jetzt. „Möge die Macht mit Ihnen sein“, intonierte Kre’fey. „Und mit Ihnen“, erwiderten Ben und Tahiri und der Vidschirm wurde schwarz. Der Millenium Falke schloss zu ihnen auf und flog so nahe über ihrem Cockpitfenster, dass sie Han und Leia im eigenen Cockpit winken sehen konnten. Tahiri winkte lächelnd zurück, ehe der legendäre Frachter beschleunigte und kurz darauf im Hyperraum verschwand. Ben verabschiedete sich vom Ehrengeleit der Sternjäger, indem er die Jadeschatten mehrmals schwanken ließ, sodass es aussah, als würde sie mit den Tragflächen winken. Die Jäger erwiderten den Gruß jeder auf seine Weise, dann flog die Sternenyacht alleine weiter. Tahiri verspürte eine mächtige und doch sanfte Berührung in der Macht und blickte lächelnd zur Seite, wo Ben versonnen aus dem Sichtfenster blickte. „Meister Luke ist sicher stolz auf dich.“ „Und er freut sich für dich“, fügte Ben hinzu und sah Tahiri mit brüderlicher Wärme an. „Beim nächsten Familientreffen will er Darran sicher kennen lernen.“ Tahiris Wangen röteten sich vor Freude. Sie ergriff Bens linke Hand und drückte diese dankbar und während er die Jadeschatten mit der rechten Hand in den Hyperraum springen ließ, erwiderte Ben diesen Druck. „Ich weiß gar nicht, wann ich sie zuletzt so glücklich gesehen habe“, murmelte Leia, während sie das schlierenhafte Farbenspiel des Hyperraums betrachtete. „Ich hoffe nur für diesen Luftikus, dass er sie niemals unglücklich machen wird“, knurrte Han. Leia kicherte. „Du hast sie doch dazu ermutigt, sich auf Darran einzulassen.“ „Ich habe auch Jaina zum Altar geführt. Dennoch will ich nicht sehen, wie dieser steife Chiss-Freund sie anfasst“, brummelte Han. Immer noch kichernd überprüfte Leia nochmals, ob alles richtig programmiert war, dann gab sie ihrem Mann einen Kuss auf die Wange und verschwand in der Kombüse. Han konnte brummeln, wie er wollte, Leia wusste ganz genau, wie sehr er sich für Tahiri freute. Und sie war sich vollkommen sicher, dass es Anakin dort, wo er jetzt war, nicht anders erging. In gewisser Weise lebte Anakin in Tahiri und Darran weiter. Und in seinem Cousin Ben, der ein neuer Hoffnungsträger für den Jedi-Orden war, den sein Vater unter so vielen Opfern aufgebaut hatte. Ja, Leia hatte keine Bedenken, die Zukunft den neuen Generationen zu überlassen. Sie und Han waren hier und jetzt genau dort, wo sie hingehörten. Die Wut des Oberlords war schon lange zu spüren, bevor man auch nur einen Schritt in die Halle der Lords gesetzt hatte. In der Halle selbst drückte diese Wut die weniger standhaften Sith erbarmungslos in die Knie. Sogar die Lords und Ladys wagten kaum, sich zu rühren, geschweige denn, die Wut ihres Anführers zu hinterfragen. Es war zweifelsohne ärgerlich, dass so viele der Spione auf Kessel gefasst waren und dass die Sabotage des Gipfeltreffens missglückt war, aber mit diesem Risiko hatten sie von Anfang an gerechnet. Die Spione waren letztendlich nur Bauernopfer, von ihnen ging keine Bedrohung aus, denn sie würden Keshirs Koordinaten auch unter Folter nicht verraten. Zumal es sowieso zweifelhaft war, ob die Alliierten überhaupt das Rückgrat besaßen, Folter anzuwenden. Selbst die Imperialen waren dieser Tage viel zu weich dafür, auch wenn sie es anders nennen mochten. Auch die gescheiterte Sabotage war unterm Strich kein definitiver Rückschlag. Das Risiko, dass die Politiker der Alliierten sich militärischen Notwendigkeiten unterordneten, war immer noch sehr gering. Ihnen ging es zuallererst um den eigenen Machtgewinn. Es würde noch unzählbar viele Gelegenheiten geben, diese ungleichen Verbündeten wieder zu entzweien. Doch weder das eine noch das andere schien Oberlord Tharai besonders zu rühren, so viel konnten die scharfsinnigeren unter den Lords feststellen. Dennoch war der gutaussehende Mann in den älteren Jahren aus irgendeinem Grund persönlich von der ganzen Sache betroffen. Beinahe als hätte er einen demütigenden Verlust hinnehmen müssen – und wer auch immer genau dafür verantwortlich war, alle Anwesenden hier waren sich vollkommen sicher, dass er es noch bitter bereuen würde, sich den Zorn eines so mächtigen Sith zugezogen zu haben. Mit ziemlicher Sicherheit würde er das nicht überleben. Kapitel 18: ------------ Jedi-Meister waren einschüchternder als Sith Lords. So kam es Vir zumindest vor, als er mit Ben und Tahiri vor dem Rat der Jedi stand. Die Meister saßen im Kreis auf Sesseln, die ihrer jeweiligen Spezies angepasst waren. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass einer von ihnen der Anführer war. Sie waren alle gleichberechtigt, egal wie alt oder jung sie waren, egal welcher Spezies sie angehörten und egal welches Geschlecht sie besaßen. Deshalb die Kreisanordnung. Ganz anders als bei den Sith-Lords mit ihrer strengen Hierarchie und ihren Ränkespielen. Hier empfanden alle Eintracht und Respekt. Einer solchen Struktur war Vir noch nie begegnet. Auch nicht auf Coruscant oder bei den Renegaten. Das hier fühlte sich an, als befände er sich vor einem vielköpfigen Ungeheuer, dem nichts – aber auch wirklich gar nichts – von dem entging, was er tat und dachte. Von Bens Bericht über die Ereignisse auf Kessel bekam Vir kaum etwas mit. Er versuchte die ganze Zeit, sich keine Schwäche oder Nervosität anmerken zu lassen. Die Frage eines älteren Menschenmannes mit ergrautem Haar und Bart und intensiv grünen Augen namens Corran Horn riss Vir aus seiner Lähmung. „Woher weißt du, dass es kein Trick ist, Ben?“ Die imposante Barabel neben dem Mann zischte zustimmend: „Vielleicht will er nur an die Jedi heran kommen, um zie an die Zith zu  verraten.“ „Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich bin dennoch sicher, dass er es ernst meint. Ich bürge dafür“, erwiderte Ben gelassen. „Und ich auch“, erklärte Tahiri ebenso ruhig. Beinahe hätte Vir vor Unglauben den Kopf geschüttelt. Woher nahmen Ben und Tahiri dieses Vertrauen in ihn? War er das überhaupt wert? Die Jedi-Meister schienen auf Bens und Tahiris Worte zu vertrauen, zumindest äußerten sie keine Zweifel mehr. Eine Frau in noch recht jungen Jahren – etwa so alt wie Tahiri – gestattete sich sogar ein Lächeln. Das war Jaina Solo Fel, wenn Vir sich an die Vorstellungen vorhin richtig erinnerte. „Vir“, wandte sich eine sanftmütige Frau mit weißen Haaren an ihn, Tionne Solusar, „du willst ein Jedi werden?“ Ausgerechnet diese Frage zuerst, die er nicht klar beantworten konnte. Vir zögerte kurz, dann entschied er sich für die schonungslose Wahrheit. „Ich weiß es nicht. Wenn ich kein Sith sein kann, heißt das automatisch, dass ich ein Jedi werden muss?“ Entgegen seiner Erwartung wirkten die Meister deswegen keineswegs empört oder gar wütend. Die weißhaarige Frau lächelte verständnisvoll und die Mon Cal zu ihrer Linken ließ einmal bedächtig eines der Schutzlider über ihre großen Augen fahren. „Im alten Jedi-Orden wurden alle Machtsensitiven zu Jedi ausgebildet, aber damals herrschten andere Umstände“, erklärte Corran Horn ruhig. „So gut wie alle Kandidaten wurden bereits im frühen Kleinkind- oder sogar im Säuglingsalter entdeckt. Heutzutage ist das selten der Fall. Beinahe alle Machtsensitiven haben sich bereits ein eigenes Leben aufgebaut, bevor sie entdeckt werden. Wir lassen ihnen die Wahl, ob sie ihr Leben und ihre Pflichten als Jedi miteinander vereinbaren können und wollen oder ob sie ohne eine Jedi-Ausbildung in ihr altes Leben zurückkehren wollen.“ „Es gibt auch Jedi, die ihre Ausbildung zeitweilig unterbrechen, wenn sie merken, dass sie mit sich selbst nicht mehr im Reinen sind“, fuhr Bens Cousine Jaina fort. „In solchen Fällen geben wir ihnen die Zeit, die sie brauchen.“ „Und einige von uns haben am eigenen Leib die Dunkle Seite erfahren“, fügte ein Mann in mittleren Jahren hinzu. Kyp Durron. Virs Kenntnissen nach hatte der Jedi-Meister während seiner Zeit der Entgleisung ein ganzes Sonnensystem vernichtet. „Mit anderen Worten: Wenn du es willst, kannst du eine Ausbildung als Jedi bei uns durchlaufen, um herauszufinden, ob du dich zum Jedi-Dasein berufen fühlst. Wir werden deine Entscheidungen diesbezüglich akzeptieren, solange sicher ist, dass keine Bedrohung von dir ausgeht“, ergriff wieder Corran Horn das Wort. Reihum sah Vir die Meister an, ungläubig über ihre Vertrauensbereitschaft. So etwas war bei den Sith undenkbar. Dort hatte er nie irgendwelche Freiheiten besessen. Dort waren alle der Doktrin der Dunklen Seite unterworfen. „Bevor Ihr mir so ein großzügiges Angebot macht, solltet Ihr vielleicht wissen, dass ich auf keinem Fall vorhabe, bedingungslos im Kampf gegen die Sith zu kooperieren.“ Jaina Solo Fel lächelte erwartungsvoll. „Welche Bedingungen wären das?“ Vir hielt ihrem Blick entschlossen stand. „Ich werde Keshirs Standort nicht verraten. Zuallererst ist es die Heimat der Keshiri und sie haben es nicht verdient, in irgendeiner Form für das bestraft zu werden, was der Verlorene Stamm getan hat und immer noch tut.“ Meisterin Sebatyne zischelte leise und schlug mit ihrem mächtigen Schwanz auf den Boden hinter ihr. „Dieze hier hat nicht vor, Unschuldige zu bestrafen.“ „Das unterstelle ich auch nicht Euch, aber den alliierten Politikern. Keshir ist und bleibt meine Heimat. Ich werde es keinem Überfall durch alliierte Streitkräfte aussetzen.“ „Verständlich, aber diese Überzeugung lässt darauf schließen, dass du nicht glaubst, dass die gefangenen Sith auf Kessel reden werden“, warf Meister Horn mit blitzenden Augen ein. „So wird es auch sein“, erwiderte Vir mit völliger Gewissheit. „Das haben wir schon befürchtet“, brummte Meister Durron. „Aber ich bin bereit, Euch mit anderen Informationen zu versorgen“, fuhr Vir fort, um seine Verblüffung darüber, dass die Meister seine Weigerung so einfach akzeptierten, zu überwinden. „Primär- und Sekundärziele, Taktiken, Identitäten von Spionen, sofern ich sie aus meiner Jugend- und Ausbildungszeit kenne… Ich kann euch Keshiri beibringen und Euch mehr über die Kultur des Verlorenen Stammes erklären. Aber dafür will ich Euer Versprechen, dass kein Jedi jemals in kriegerischer Absicht einen Fuß auf Keshir setzen wird, solltet Ihr die Koordinaten irgendwann auf andere Weise erlangen.“ „Ein fairer Handel“, gab Meister Horn zu. „Allerdings frage ich mich, wieso du so leichtfertig bereit bist, dein Volk zu verraten. Das prädestiniert dich nicht unbedingt für unser Vertrauen.“ Nach wie vor gingen weder Feindseligkeit noch Misstrauen von den Meistern aus, dennoch zögerte Vir, um in sich selbst hinein zu lauschen. Schließlich hob er resigniert die Schultern. „Mir sind natürlich auch schon logische Gründe dafür eingefallen. Zum Beispiel hat Keshir Besseres als die Sith verdient und wenn man die Lords mit Hilfe meiner Informationen auflaufen lässt, wird das auf lange Sicht bei der Zerschlagung der Sith-Kultur helfen… Aber in Wahrheit habe ich mich dafür entschieden, weil es sich… richtig anfühlt…“ „Du hattest eine Eingebung durch die Macht?“, fragte Meister Kam Solusar nach. „Eher durch zwei sehr sture… Freunde“, korrigierte Vir und blickte neben sich, wo Ben amüsiert in sich hinein lächelte. Ja, es war das erste Mal, dass er von Ben und Darran als Freunde dachte, aber das Wort hatte sich richtig auf seiner Zunge angefühlt und hinterließ selbst jetzt noch einen beruhigenden Nachhall. Den Meistern schien diese Antwort zu genügen. Weder spürte Vir bei ihnen Skepsis noch Kritik. Meister Horn blickte in die Runde. Als alle anderen Meister genickt hatten, sah er wieder Vir an. „Wir vertrauen Bens Urteil und glauben deiner Erklärung. Vorerst möchten wir dich bitten, hier auf Ossus zu bleiben. Wer dein Mentor wird, wird sich noch entscheiden. Diese Wahl sollte im beiderseitigen Einvernehmen geschehen, deshalb geben wir dir die Chance, Ossus, den Orden und uns kennen zu lernen.“ Vir blinzelte. Es kam ihm immer noch wie ein unfassbarer Traum vor. Es wirkte so unwirklich, ja, beinahe wahnwitzig! Als Ben ihm eine Hand auf die Schulter legte, setzte er sich ganz automatisch in Bewegung. Er verbeugte sich steif vor den Meistern und verließ den Rat gemeinsam mit Ben und Tahiri. Er konnte die verständnisvollen Blicke der Meister in seinem Rücken spüren. Erst mehrere Minuten später konnte Vir sich aus seinem tranceähnlichen Zustand lösen und sich an seine Begleiter wenden. Beide strahlten über das ganze Gesicht. Bei diesem Anblick wurde Virs Kehle eng und er fühlte sich ganz schwummrig. Es gab nur ein Wort, das wenigstens ansatzweise seine Gefühle zum Ausdruck bringen konnte, aber es kam vor lauter Aufgewühltheit nur krächzend über seine Lippen. „Danke…“   To be continued…? 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