Weil ich nicht kann von Khaosprinz ================================================================================ Kapitel 1: Weil ich nicht kann ------------------------------ „Warum? Warum machst du das immer wieder? Das ist der vierte Korb! Warum vergisst du ihn nicht einfach und machst weiter?“   Langsam breitet sich ein wunderschönes Lächeln auf ihren Lippen aus. Es ist sanft, voller Liebe und so traurig. Eine Träne rollt ihre Wange hinunter.   „Weil ich nicht kann.“   Stille.   Der junge Mann ihr gegenüber starrt, als weitere, lautlose Tränen ihr Kinn herabtropfen. Sie lächelt noch immer, und für einen kurzen Moment fragt er sich, wie irgendjemand ihr das willentlich antun kann-   „Ich kann einfach nicht. Ich weiß, dass ich das sollte, aber... ich kann nicht.“   Sein Blick ruht auf ihren Augen, normalerweise grau mit nur einem Stich grün, und sie schaut zurück mit Iris gefärbt in den Farben eines vor Leben sprudelnden Waldes. Eine Farbe, die von tonlosen Tränen verursacht wird.   „Warum kannst du nicht?“ „Weil ich ihn zu sehr liebe.“   Für einen Moment stehen sie einfach da und schauen sich an. Sie tut ihm so Leid, er will ihr helfen, aber er kann nicht, weil er nicht derjenige ist, der ihr das antut.   „Du zerstörst dich selbst.“   Langsam schüttelt sie den Kopf, nur einmal. Sie lächelt noch immer und es reißt an seinem Herzen.   „Nein. Es ist okay so wie es ist. Ich bin zufrieden, sein Freund zu sein.“   Er hasst sich dafür, dass er das glaubt, dass er ihr glaubt, aber er hat genug von ihr gesehen, um zu wissen, dass sie die Wahrheit sagt. Er kann jedoch nicht anders, als eine Sache anzumerken.   „Aber du bist nicht glücklich.“   „Ich bin auch nicht unglücklich.“   „Bist du sicher?“   Schweigen hüllt sie ein weiteres Mal ein und ihr Lächeln wackelt nur ein ganz kleines bisschen. Aber es ist genug, um ihn wissen zu lassen, dass er Recht hat. Sie lässt für den Bruchteil einer Sekunde den Kopf hängen, bevor sie wieder aufschaut. Ihre Augen sind gefüllt mit Wärme, Sorge, Liebe. Bitterkeit. Resignation. Alles, wegen einer Person.   „Du hast Recht, ich wäre glücklicher, wenn er meine Gefühle erwidern würde. Tut er aber nicht. Das muss ich akzeptieren. Ich will trotzdem ein Teil seines Lebens sein, auf welche Art auch immer er mich lässt, und wenn es nur als Freund ist, dann ist das das, was ich nehmen werde. Zufrieden sein ist in Ordnung für mich, das ist immer noch mehr, als viele andere Menschen kriegen.“   Er beobachtet sie und für einen kurzen Moment fragt er sich, ob er der einzige ist, den sie zu überzeugen versucht. Er befürchtet, die Antwort ist Ja.   „Ich verstehe immer noch nicht, warum du dir das selbst antun musst. Ich begreif' ja, dass du sein Freund sein willst, aber... tut es nicht weh? Warum distanzierst du dich nicht von ihm, zumindest für eine Weile?“   Sie schüttelt den Kopf ein weiteres Mal. Keine weiteren Tränen sprießen aus ihren moosfarbenen Augen, und er fühlt ein erneutes Stechen in seiner Brust, weil er normalerweise in grau schauen würde und er hasst sich dafür, dass er denkt Ihre Augen sind wunderschön so.   „Verstehst du denn nicht... Damit ich meine Gefühle für ihn loswerden kann, müsste ich mich für Wochen, wahrscheinlich Monate von ihm fernhalten, und das würde weit mehr weh tun als alles, was er tut oder tun könnte. Da ist auch das Risiko, dass er mich vergisst und zurücklässt, und... Ich will das nicht. Ich will da nicht einmal drüber nachdenken.“   Er sieht und hört die Furcht, die bei diesem einen Gedanken in ihre Züge schleicht, und er versteht. Es schmerzt ihn, aber er tut es.   „Aber... warum er?“   Er erwartet, dass neue Tränen aus ihren Augen fließen, doch da sind keine. Sie lächelt ihn einfach an und er kann beinahe die Liebe spüren, die sie ausstrahlt, wenn sie von ihm redet.   „Ich weiß nicht. Er ist nur... Ich hab' nicht gelogen, als ich gesagt habe, dass ich ein glücklicher Single bin und nicht vorhabe, das zu ändern. Dann haben wir uns unterhalten und er hat einfach... all meine Mauern niedergerissen und ich konnte nicht mehr tun, als hilflos dabei zuzuschauen. Das hat noch niemand zuvor geschafft. Normalerweise kommen Leute nur an meinen Mauern vorbei, wenn ich sie lasse. Ich habe versucht, sie wieder aufzubauen, aber jedes Mal, wenn er mich anlächelt oder wir uns unterhalten und lachen, ist alles wieder eingestürzt. Ich hab' tatsächlich für eine Weile die Kontrolle über mich selbst verloren, ich hab' sie jetzt aber wieder. Jetzt stehen meine Mauern also wieder, aber er ist da immer noch drin und ich weiß nicht, wie ich ihn da raus lassen sollte, ohne alles wieder zerstören zu müssen, und das...“ Ihre Stimme stockt für einen kurzen Moment, und er ist erstaunt über die Menge an Schmerz, die er in ihren Zügen sehen kann, bedingt durch allein die Bilder in ihrem Kopf. „Das würde weit mehr als alles andere wehtun. Ihn gehen lassen, ihn raus lassen, das... Das Risiko, das wir zu Fremden werden, ist eines, das ich nicht gewillt bin, in Kauf zu nehmen.“   Die Menge an Entschlossenheit in ihrer Stimme, ihrem Gesicht, ihren oh so grünen Augen ist beinahe überwältigend. Er realisiert, dass es egal ist, was er sagt. Sie hat sich entschieden. Mit einem Seufzen gesteht er seine Niederlage ein.   „Ich... kann nicht sagen, dass ich verstehe oder es gutheiße. Ich finde immer noch, dass du dich selbst zerstörst. Aber wenn es das ist, was du tun willst...“   Sie lächelt erneut und dieses Mal ist es an ihn gerichtet. Da ist ein Hauch einer anderen Art von Liebe und Dankbarkeit.   „Ist es. Mach' dir keine Sorgen um mich. Wenn es einen Menschen gibt, der mit einer solchen Sache klar kommen kann, dann bin ich es.“   Er spürt, wie eine Welle der Selbstverachtung über ihn hinweg fegt, als er merkt, dass er ihr zustimmt.   „Ich werde weiter diesen Weg gehen. Ich werde weiterhin sein Freund sein, denn wenn wir zusammen sind, dann bin ich glücklich. Selbst wenn wir nur reden und lachen.“   Er will ihr glauben. Er tut es. Denn er weiß, dass es stimmt. Dann schießt ihm ein Gedanke in den Kopf und bevor er sich stoppen kann, platzt er aus ihm heraus.   „Was, wenn er jemand anderes findet?“   Eine weitere Stille legt sich um sie, doch dieses Mal kann er die Anspannung spüren. Sie bringt seine Haut zum kribbeln. Er sieht, wie sie für zwei, drei Sekunden eine Faust ballt und sie dann wieder lockert, einen tiefen Atemzug nimmt und ihn dann mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck anlächelt.   „Das ist eine Brücke, die ich überqueren werde, wenn ich sie erreicht habe.“   Er hasst sich selbst, denn alles, was er tun kann, ist nicken. Die Anspannung in der Luft löst sich langsam auf, während sie sich anschauen. Er will ihr immer noch helfen, aber er weiß nicht wie und er weiß nicht, ob er es überhaupt könnte. Es klingt wirklich so, als sei der beste Weg, es sie einfach auf ihre Weise machen zu lassen. Er kennt sie noch nicht so lange, aber er hat schon bemerkt, dass sie öfter gebrochen wurde, als er es sich vorstellen kann. Er weiß auch, dass sie zu stur ist, um das erneut geschehen zu lassen. Sie hat einmal im Witz gesagt, dass sie unzerstörbar sei. Er ist geneigt, ihr zu glauben, selbst wenn er sich Sorgen macht. Aber er hat auch das Gefühl, dass der Versuch, es ihr auszureden, es nur noch schwerer machen würde für sie. Also lässt er es.   In dem Moment kommt er um die Ecke. Als sie ihn sieht, leuchten ihre Augen auf, das Grün ist noch immer da, doch es verschwindet langsam um dem Grau Platz zu machen, an das er so gewöhnt ist. Er schaut dabei zu, wie sich ein kleines, ehrliches Lächeln auf ihre Lippen legt und ihr Blick flackert einmal zu ihm herüber. Er nickt und winkt ihr zum Abschied zu. Sie zwinkert ihm zu und dreht sich um, um zu ihm zu gehen. Er grinst, als er sie sieht und sie umarmen sich. Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, und selbst wenn er nicht versteht, was sie sagt, er kann ihn lachen und antworten hören. Sie alle drei wissen, dass sie in ihn verliebt ist. Sie alle drei wissen, dass er es nicht ist.   Er ist sich nicht sicher, ob er sauer auf ihn sein sollte oder dankbar. Er vermeidet sie nicht, hat es nicht einmal, nachdem sie zum ersten Mal zugegeben hat, dass sie ihn mag, vor Monaten. Wenn überhaupt, dann hat er das Gefühl, dass das der Startschuss für ihre Freundschaft gewesen ist. Er ist immer weniger vorsichtig in ihrer Gegenwart geworden, und heute, wenn man von einem der beiden etwas wissen will, ist die Chance hoch, dass der jeweils andere die Antwort kennt.   Ein Teil von ihm will rüber gehen und ihm über den Schädel schlagen, weil er ein Idiot ist. Wie kann er sie nur abweisen („Da ist halt nur Freundschaft“, antwortet er, nachdem sie ihn erneut gefragt hat, ob sie eine Chance hat, und zuckt mit den Schultern. Er sieht nicht glücklich aus.), wenn sie ihn doch so sehr liebt? Aber er weiß, dass es keinen Nutzen hätte. Man kann jemanden nicht dazu zwingen, jemanden zu lieben.   Stattdessen schaut er also nur zu, wie sie sich auf den Weg zur Tür machen, um zu gehen. Er erzählt irgendwas und sie hört mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu. Sie lacht. Er kann sehen, wie ihre Augen glühen (das Grün ist beinahe weg und er verachtet den Schub Reue, der durch ihn hindurch schießt). Er winkt ihnen zum Abschied zu, als sie an ihm vorbei gehen, sie winkt zurück und er nickt. Er hält ihr die Tür auf, sie geht hindurch und macht das gleiche für ihn. Er grinst und sie machen sich auf den Weg nach draußen.   Er weiß nicht, was passieren wird. Er hofft, dass sie Recht hat, dass sie mit ihren Gefühlen für ihn so zurechtkommt, wie sie vorhat. Er hofft, dass er es nicht vermasselt und sie als Wrack zurücklässt. Tief drinnen hofft er die eine Sache, die sie nicht zu hoffen wagt, die eine Sache, die sie schon vor langer Zeit als ein unmögliches Ergebnis akzeptiert hat-   Dass eines Tages, vielleicht, er genauso fühlen wird.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)